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Full text of "Geschichte der altchristlichen litteratur bis Eusebius"

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ANDOVER-HARVARD  THEOLOGICAL 
LIBRARY 


PKOM  THE  LIBRARY  OF 

ROBERT  HENRY  PFEIFFER 

HANCOCK  PROFEUOK 
OP  HEBREW  AND 
OTHER  ORtENTAL  LANCUACE9 
CUXATOR  OF  THE  lEH 

Th*  gifl  of  Ui  family 


DIE  CHRONOLOGIE 


DER 


ALTCHRISTLICHEN  LITTERATÜR 

BIS  EUSEBIUS 


ZWEITER  BAND 


GESCHICHTE 


DER 


ALTCHRISTLICHEN  LITTERATÜR 

BIS  EU8BBIÜ8 


VON 


ADOLF  HARNACK 


ZWEITER  THEIL 


DIE  CHRONOLOGIE 


ZWEITER  BAND 


DIE  CHRONOLOGIE  DER  LITTERATÜR  VON  IRENAEÜS  BIS  EUSEBIUS 


LEIPZIG 
J.  0.  HINlUCHS'sciiF.  BUCHHANDLUNG 

1904 


DIE 


CHRONOLOGIE 


DER 


ALTCHßISTLICHEN  LITTEEATUß 


BIS  EU8EBIUS 


VON' 


ADOLF  HARNACK 


ZWEITER  BAND 


DIB  OHRONOLOCHE  DER  LITTERATUR  VON  IRENAEUS  BIS  EUSEBIUS 


LEIPZIG 
J.  C.  HINRICHS'scHE  BUCHHANDLUNG 

1904 


12. 

■3A.2. 


andover-harva^p 
Th':"log":'\l  Library 

CA..!3RiDGE.  MASS. 


JULIUS  WELLHAUSEN 


ZUM    SECHZIGSTEN    GEBURTSTAG 


FBEÜNDSCHAPTLICH  UND  DANKBAR 


Hat  er  euch  denn  je  geraten; 
Wie  ihr  Kriege  führen  solltet? 
Schalt  er  euch  nach  euren  Taten, 
Wenn  ihr  Frieden  schließen  wolltet? 

Und  80  hat  er  auch  den  Fischer 
Ruhig  sehen  Netze  werfen. 
Brauchte  dem  gewandten  Tischer 
Winkelmaß  nicht  einzuschärfen. 

Aber  ihr  wollt  besser  wissen, 
Was  er  weiß,  der  er  bedachte, 
Was  Natur,  fiir  ihn  beflissen, 
Schon  zu  seinem  Eigen  machte. 

Fühlt  ihr  euch  der  gleichen  Stärke, 
Nun  so  fördert  eure  Sachen! 
Seht  ihr  aber  seine  Werke, 
Lernet  erst:  so  wollt  er's  machen. 


Inhalt. 


III.  Buch. 

Die  Litterat ur  des  Morgenlandes  Tom  Ausgang  des  zweiten 

Jahrhunderts  bis  Eusehius, 

Seite 
1.  Kapitel:  Die  alexandrinischen  Schriftsteller 3 — 88 

1.  Clemens  Alexandrinus 3 — 23 

Chronologie  des  Lebens  S.  5;  Stromateis,  Pädagog  und 
Protrepticus  S.  8;  der  angebliche  „Lehrer"  S.  13;  Strom, 
lib.  Vlll,  Excernta  ex  Theodoto  u.  Eclogae  proph.  8. 17; 
Quis  dives  salv.  Ö.  19 ;  Hypoty posen  S.  19 ;  Andere  Schriften 
S.  20.    Nachtrag  S.  541  f. 

2.  Judas,  Chronograph 

'].  Demetrius,  Bischof  von  Alexandrien    .    . 

4.  Heraklas,  Bischof  von  Alexandrien      .    . 

5.  Origenes  (Trypho  und  Beryll  von  Bostra) 

Regeste  des  Lebens  nebst  Datierungen  einiger  Hauptwerke 
S.2y.  542  f. ;  das  Verzeichnis  der  Werke  desO.  nachPamphilus 
Hieronymus  nebst  Datierungen  S.  37;  (Genesis  8. 31.  87.  39 
42.  53;  Exod.  S.  Ä  42;  Levit.  S.  38.  42;  Numeri  S.42.  53 
Deuter.  S.  38.  42;  Josua  S.  42.  43;  Judic.  S.  34.  42;  Reges  etc, 
S.  43.  54;  Jesaj.  S.  34.  38.  43;  Jerem.  S.  43;  Ezech.  S.  34.  39 
43;  Daniel  S.  ^4;  Prophet,  min.  S.  35.  38;  Threni  S.  31.40 
Psalm.  S.  31.  30.  39.  44.  53;  Proverb.  S.  39.  40.  43;  Eccles 
S.  40.  43;  Cantic.  S.  34.  40.  42.  53;  Hiob  S.  43;  Matth.  S.  35 
41.  45.  53;  Luc.  S.  41.  45.  46;  Joh.  S.  31.  32.  34.  41.  45 
Acta  S.  40;  Epp.  Pauli  S.  41.  46;  Ep.  ad  Hebr.  46.  54 
Apocal.  S.  54);  Briefe  S.  47—50  (32.  34  f.);  der  Schriftsteller 
Trypho  S.  49;  Beryll  von  Bostra  S.  49.  51  f.;  Heg 
aQxCbv  S.  31.  40;  /Teoi  dva<ndae(jog  S.  31.  40;  Strom.  S.  31 


23 

23  f. 

24—26 

26—54 


üeQt  (pvaeiüv  S.  51 ;  De  pascht 
S.  52;  *E()/jiTiveia  x(bv  hßQ,  övofxaxuiv  S.  52;  Hexapla  S.  53 
(S.  2f)).  544;  Textkritisches  zum  N.  T.  (?)  S.  53;  Verschiedenes 
S.  47;  Über  die  Sünde  wider  d.  h.  Geist.  (?i  S.  40. 

\  Ambrosius,  Freund  des  Origenes 54—57 

7.  Dionysius,  Bischof  von  Alexandrien 57—66 

Leben   S.  57 ;    Briefe   und  Schriften'  S.  59 ;    N  e  p  o  s    S.  60; 
Basilides  S.  64. 

S.  Theognost,  Pierius  und  Achill as 66—69 

9.  Phileas  von  Thmuis 69—71 

10.  Petrus,  Bischof  von  Alexandrien 71 — 75 


VIII  Inhalt. 

Seite 

11.  Anatolius 75—79 

12.  Alexander,  Bischof  von  Alexandrien 79 — Sl 

13.  Ammomus  von   Thmuis.      Ammonius,    der  Alexandriner. 
Ammonius,  der  Verfasser  einer  synoptischen  Arbeit  .    .    .  81— 8o 

14.  Hesychius,  Rezension  der  LXX  und  der  Evangelien  ...  S3 

15.  Der  Asket  und  Schriftsteller  Hierakas 83— s4 

16.  Der  Catalogus  Claromontanus 84— SS 

2.  Kapitel:  Die  von  den  Alexandrinern  beeinflußten  Schrift- 

steller        89—127 

1.  Sextus  Julius  Afiricanus 89—91 

2.  Alexander  von  Jerusalem 92— f »3 

3.  Gregorius  Thaumaturgus 93—102 

4.  Firmilian 102—103 

5.  PamphiluB 103— lOti 

6.  Eusebius  von  Casarea IOC— 127 

Leben  S.  106.  Werke  S.  110.  Das  Leben  des  Pamphilus 
8.  111;  Die  Apologie  für  Ori^enes  S.  111;  Sammlung  alter 
Märtyrerakten  S.  111;  Chromk,  Eirchengeschichte  u.  Palä- 
stinens.  Märtyrer  S.  112;  Über  d.  Leben  Konstantins,  K.'s 
Rede  an  d.  h.  Versammlung,  Tricennatsrede  S.  115;  Adv. 
Hieroclem  S.  117;  Adv.  Porphyrium  S.  118;  Praeparatio 
und  Demonstratio  evang.  S.  119;  Praeparatio  und  Demon- 
stratio eccl.  S.  120;  Elenchus  S.  120;  Theophania  S.  120. 
127;  üegl  x^Q  r.  na)..  clvAq.  nokvTcaiSlag  S.  121;  Bibel- 
handschr.  8. 121 ;  Sektionen  und  Kanones  S.  121 ;  Antiqua- 
rische Abhandlunffen  S.  122 ;  IleQl  x^i  r.  ßlßkov  x.  ngoipij- 
xdiv  dvofxaalaq  8.  122;  In  Psalmos  S.  122;  Hypomn.  in 
Jesaiam  8.  123;  Kommentar  zu  Lukas  [?]  S.  12o;  Komm, 
zu  I  Kor.  S.  123;  Uegl  ÖLagxovtag  eiayy,  8.  124;  Isagoge 
und  Eclogae  prophet.  S.  124;  Adv.  Marcellum  8.124;  Ad 
Marcellum  de  eccl.  theologia  8. 125.  544 f.;  De  Pascha  8. 125; 
Ober  den  8tem  der  Weisen  8. 126;  Rede  aui  die  Märtyrer 
u.  a.  R^den  8.  126;  Briefe  126. 

3.  Kapitel:  Orientalische  Schriftsteller,  die  von  den  Alexan- 

drinern unbeeinflußt   oder  ihre  Gegner  sind     ....     12^ — 10^ 

1.  Bardesanes   und    das  Werk   Hegt   elfJtaQfiivTjg   (Philippus), 

Prepon 12S— 1:;2 

2.  Serapion,  antiochenischer  Bischof 132 — !*>;) 

3.  Geminus,  antiochenischer  Presbyter ]3o 

4.  Die  pseudoklementinischen  Briefe  De  virjo^nitate  ....  13') — 1'>5 

5.  Fabius,  Bischof  von  Antiochien l-{'> 

0.  Paul  von  Samosata,  Bischof  von  Antiochien,  und  der  Pres- 
byter Malchion 135 — 1  1"^ 

7.  Lucian,  Presbyter  von  Antiochien 138 — 14<» 

8.  Methodius 147- 14!« 

9.  Adamantius 14!«— IT)] 

10.  Die  pseudojustinische  Cohortatio  (s.  auch  8.  r)45fi'.)     .     .     .  l.')l  — 158 

11.  Anthimus  von  Nikomedien 15s— l'iu 

12.  Synodalbeschlüsse  von  Ancyra 1'»M 

13.  Synodalbeschlüsse  von  Neo-Cäsarea K»] 

14.  Acta  Edessena l(il  — ir,:; 

15.  Acta  Archelai  (s.  auch  8.  54Sf.) IG;]  — 1  Hi 

16.  Symmachus 1()4-  167 

17.  Elkesai ]07--l»'>s 


Inhalt.  IX 

Seite 

4.  Kapitel:  Varia 160—198 

1.  Zu  den  apokryphen  Apostelgeschichten 169 — 177 

Petmsakten  S.  170;  Johannesakten  S.  173;  Andreasakten 
S.  175 ;  Thomasakten  S.  175. 549 ;  Petrus-  u.  Paulusakten  S.  176. 

2.  Zu  den  apokryphen  Evangelien 177 — 179 

3.  Papyrusblätter   aus  christlichen  Werken  des  8.  und  an- 
fangenden 4.  Jahrhunderts 179 — 182 

4.  Ein  anonymes  exegetisches 'Stück  zur  Eindheitsgeschichte 

Jesu      182—183 

5.  Die  Abercius-Inschrift 183—184 

6.  Die  sibyllinischen  Orakel      184 — 189 

7.  Sextus(Xystus)-Sprache 190-192 

8.  Die  Pistis  Sophia  und  die  im  Papyrus  Brucianus  saec  Y 

vel  VI  enthaltenen  gnostischen  Schriften 193 — 196 

19.  Hermias,  Verspottung  der  nichtchristlichen  Philosophen    .  196—1971 

0.  Die  pseudopolykarpianischen  Stücke 197J 

fll.  Die  Rede  des  Erzbischofs  von  Alexandrien  Athanasius  an 

ZakchBus 197—198] 


IV.  Buch. 

IMe  Litterator  des  Abendlandes  Tom  Ausgang  des  zweiten  bis 

zum  Anfang  des  ylerton  Jahrhunderts. 

1.  Kapitel:  Die  Schriftsteller  bis  zur  Zeit  des  Decius     .    .  201 — 333 

1.  Zephyrinus,  Römischer  Bischof 201 

2.  Theodot  der  Lederarbey:«r  und  seine  Schüler 201 

3.  Theodot  der  Wechsler,  Asklepiodotus,  Hermophilus,  Apol- 

lonides 201 

4.  Artemon  (Artemas) 202 

5.  Praxeas,  Epigonus,  Kleomenes  und  Sabellius.  Der  Verfasser 

der  monarchianischen  Prologe  zu  den  Evangelien      .    .     .  202 — 206 

6.  Proculus  (Proclus) 206 

7.  Cajus,  römischer  Christ 206 

a  Römische  Bischöfe  von  Kaliist  bis  Fabian 207—209 

9.  Hippolyt 209—256 

Leben  Hippolyts  S.  21ü;  ^ÄnöSeiSig  neoi  Xqiotov  xal  ^Avxi- 
XQi<nov  S.  214;  Ueol  &€0v  xal  aaoxdg  Ävaardaewg,  De  resur- 
rectione,  vSermo  de  resurr,  ad  Mammaeam  S.  215;  flpo- 
TQsnTixdq  ngdg  ^eBegelvav  S.  216 ;  /7eoi  ^eoXoylag  S.  21(i ; 
DeQi  r&yad^ov  xal  nd&ev  rd  xaxöv  S.  217;  Eig  rä  ciyta 
^eotpdveia  S.  217;  UpooofxiXla  de  laude  domini  salv.  S.  218: 
IleQl  olxovofiiag  S.  218;  Dquc  "Iov6alovg  S.  218;  Ilegl  ttjq 
Tov  TtavTÖg  oialag^    IJodg  ^E).Xrjvag  xal  ngög  tlXazoyva  i] 


anoxa}jv\i)BO)g,  Capita  c.  Cajum  8.220;  Eine  Schrift  ^egen 
den  Montanismus  (??)  S.  22i9;  Kaxa  naaibv  xCov  alQtaewv 
sXeyyog,  "0  AaßvQiv^og  S.  230;  Die  Schlußkapp,  des  Briefs 
an  den  Diognet  S.  232;  TIbqI  xov  [äylov)  :tdax(x.  S.  233; 
'AnöÖBiiig    X(^övcüv     xov    ndaya\     Der    Canon    paschalis 


X  Inhalt. 

Seite 

auf  der  Statue  S.  234;  XqovixCov  ßlßXog  S.  236.  549;  Elg  r^/v 
h^a^fiegov,  Elg  tä  fierä  ri^v  kSa^uegov,  In  Genes.,  In  Ezod., 
Auslegungen  des  Segens  Isaaks,  Jakobs  und  Moses,  Elg  rd? 
eikoyiag  z.  BaXadfx  S.  241. 552 ;  'Egfxrivela  'Pov&,  Elg  iyyacxQi' 
fxvB'Ov,  Elg  xöv  '^Ehcaväv  x.  r.  *Awav,^  Auslegung  über  David 
und  Goliath  S.  244.552;  Abh.  vom  Glauben,  Abhandlung:  Die 
Gestalt  des  Gelübdes  S.  245;  Elg  rovg  xpalfxovc  S.  246;  Ilepl 
Tcaqoifxubv  S.  246;  De  ecclesiaste  S.  247;  Elg  xo  aopia  8. 247; 
In  Esaiam  S.  248;  [In  Jeremiam]  S.  248;  Elg  fieoi}  xov  '/£^e- 
xiiiX  S.  248;  [Über  den  Tempell  S.  249 ;  Elg  xöv  daviiiX  S.  249 ; 
In  Zachariam  S.  251 ;  In  Matth.  S.  251 ;  Elg  r.  r.  xaXdvxtov 
dutvofx^,  Elg  X,  ß^  Xy<ndg  S.  253;  Komm.  z.  Evang.  des  Jo- 
hannes u.  z.  Auferweckung  des  Lazarus  S.  253;  De  apo- 
caly^si  S.  254;  Oden  S.  255;  Ilegl  x<^Q^<^f^dxo}v  liTtoatoXucfj 
TtagaSoaig  8.  255.  501  ff. ;  Unechtes  S.  255. 

10.  TertuUian 256—296 

Allgemeines  zur  Chronologie,  die  festen  Punkte  S.  256 ;  Ad 
man;.,  Ad  nat.,  Apolog.,  De  testimonio  S.  266;  De  spectac. 
S.  267;  De  bapt.  haeret.  und  De  bapt.  S.  268;  De  cultu  fem. 
S.  269;  De  orat.  S.  271;  De  paenit.  S.  271;  De  patient.  S.  272; 
De  idolol.  S.  273;  Ad  uxor.  S.  273;  De  praescr.  haer.  S.  274 ; 
Adv.  Marc.  1.  u.  2.  Bearbeitung  S.  274;  De  virg.  vel.,  De 
exhort.  cast.,  De  ecstasi,  De  spe  fid.,  De  parad.  S.  275 ;  De 
Corona  und  De  fuga  S.  279;  Ad  ScapuL  S.  281;  Adv.  Marc. 
3.  Bearbeitung,  Adv.  Hermog.,  Adv.  Valeni,  Adv.  Apell., 
De  censu  animae.  De  pallio  S.  281 ;  Scorpiace,  De  carne 
Christi,  De  resurr,  cam..  De  anima,  De  mto  S.  284;  Adv. 
Praxean  S.  285;  De  monog.,  De  ieiun.,  De  pudicit.  S.  286; 
Ad  amicum  phüos.,  De  Aaron  vestib..  De  carne  et  anima, 
De  anim.  submiss.,  De  superstit.  saec.  S.  287 ;  Adv.  lud.  8. 288 ; 
Leben  Tert.s  8.  292;  Chronologische  Tabelle  S.  295. 

11.  Die  lateinische  Bibel  zur  Zeit  Tertullians  und  vor  TertuUian  290 — 302 

12.  Die  alten  lateinischen  Übersetzungen  ATlicher  apokrypher 
Bücher,  des  altrömischen  Symbols,  des  1.  Clemensbriefs,  des 
Hirten  des  Hermas,  der  Didache,  der  Acta  Pauli  und  des 
Hauptwerks  des  Irenäus 302—320 

13.  Die  Akten  der  Perpetua  und  Felicitas 321—324 

14.  Der  Octavius  des  Minucius  Felix 324—330 

15.  Das  Muratorische  Fragment 33(>— 333 

2.  Kapitel:  Die  Schriftsteller  von  der  Zeit  des  Decius  bis  zu 

der  Konstantins 334 — 459 

1.  Cyi)rian  und  Pseudocyprianisches 334 — 30<) 

Echtheitsfragen  (Testim.  1.  ITI.,  Quod  idola,  Das  Fragment 
Donatus  Cypriano)  8.  334;  Chronologie  der  Briefe  8.  339 
(epp.  5—43  8.  340;  epp.  1—4.  62.  03.  6ü.  67  8.  347;  verlorene 
Briefe  8.349:  epp.  44— Ol.  04.  66  8.349;  epp.  08— 75  u.  die 
Sentent.  LXXXVll  episcopomm  8.  350;  epp.  70—81  8.  301); 
Chronologie  der  Libelli  8.  302  (Ad  Donat.,  De  habitu  8.  363, 
De  laps..  De  unit.  8.  304,  De  orat.,  Ad  Demetr.,  De  mortal.. 
De  opere,  De  bono  pat.,  De  zelo,  Ad  Fortunat.  8.  365, 
Testim.  8.  300) ;  Acta  procons.  u.  Vita  des  Pontius  8.  300 ; 
Chronologie  des  Lebens  Cyprians  8.  367. 
Pseudocyprianische  Schriften  aus  nachnicänischerZeit  8.309. 
553 ff.;  Pseudocyprianische Schriften  aus  vornicän.Zeit  S.37U; 
Ad  aleatores  8. 370 ;  De  pascha  comp.  8.  381 ;  De  mont.  Sina 
et  Sion  8.  ^383;  Exhortario  de  paenitentia  8.  380;  Ad  Nova- 
tianum  8.  387.  552;  Ad  Vipilium  de  lud.  incredulitate  8.  390; 
De  rebaptismate  8.  393  (die  übrigen  pseudocyprianiscbeu 
vornicanischen  8chrift<?n  s.  unter  Novatian). 


Inhalt.  XI 

Seite 

2.  Novatian 390—410 

Zwei  Briefe  S.  39<3;  De  cibis  ludaicis  S.  398;  De  trinitaie 
8.  399;  De  spectaculis  und  De  bono  pudiciÜae  S.  400;  Adr. 
ludaeos  S.  402;  De  laude  martyrii  S.  404;  (Quod  idola  du 
non  sint  S.  407;  Tractatus  Pseudo-Origenis  de  libris  88. 
Script.  S.  407). 

3.  Römische  Bischöfe  von  Cornelius  bis  Miltiades     ....  410 — 112 

4.  Römische  Gnostiker 412—413 

5.  Amobius 414 — 415 

6.  Lactantius 415 — 420 

Leben  S.  415;  De  opificio,  Inst,  div.,  De  ira  S.  417;  Die  Zu- 
sätze S.  419;  Die  Epitome  S.  420;  Verlorenes  S.  420;  Ascle- 
piadesy  De  medicinalibus  S.420;  De  mortibus  persec  S.421; 
Abschließendes  zur  Chronologie  S.  424;  Gedichte  S.  425. 

7.  Victorinus  von  Pettau   (und   der  Anhang  zu  Tertull.,   De 
praescr.  haeret.) 426—432 

8.  Reticius 433 

0.  Commodianus 433—442 

10.  Pseudotertullian,  Carmen  adv.  Marcionem  u.  das  Gedicht 
„Landes  domini" 442—450 

11.  Die  Canones  von  Elvira 450—452 

12.  Chronologie   donatistischer  und  antidonatistischer  Akten- 
stücke    453—458 

13.  Der  falsche  Briefwechsel  zwischen  Paulus  und  Peneca  .    .  458 — 459 


Anhang  zum  dritten  nnd  vierten  Buch. 

L  Martyrien 4(^^—482 

Einleitung  S.  403;  Pionius  S.  466;  Achatius  8.  408;  (Maxi- 
mus AsiaF. ;  Petrus,  Andreas,  Paulus  und  Dionysia  S.  469) ; 
Konon  S.  469;  (Nestor;  Lucian  und  Marcian;  Trypho  und 
Respicius  S.  470);  Marianus  und  Jakobus  8.  470;  Monta- 
nus  und  Lucius  8.  471 ;  Fructuosus,  Augurius  und  Eulogius 
S.  473;  Maximilianus  8.  473;  Marcellus  Ting.  8.  473;  (Nice- 
phonis  8.  473);  (Gurias  und  Schamonas  S.  474);  (Petrus 
Balsamus  8.  474);  Agape,  Chionia,  Irene  8.  475;  (Afra; 
Florian  S.  475) ;  Claudius ,  Asterius  etc.  8.  475 ;  Crispina 
8.  476;  (Dasius  8.  476);  Euplius  8.  476;  (Didymus  und  Theo- 
dora  8.476);  Felix  Tibiur.  8.  477;  (Genesius  8.477);  Ire- 
näus  8irm.  8.  477 ;  Julius  Veteran.  8.  477 ;  (Julian  Anazarb. 
S.  477);  (Maxima,  8ecunda  und  Donatilla  8.  478);  (PhilippuB 
Heracl.  8.  478);  iQuattuor  coronati  8.  478);  (Pollio  8.  478); 
Testam.  XL  martyr.  8.  479;  Quirinus  8.  479;  (Tarachus 
8.  479) ;  (Theodotus  Ancy r.  8.  480) ;  Typasius  8.  481 ;  (8er- 
gius  und  Bacchus;  Pancratius;  Fabius  Vexillif.;  8erenus 
Sirm. ;  Trophimus  8.  481). 

IL  Kirchenrechtliche  Litteratur 483 — 517 

Einleitung ;  Die  in  Nicäa  citierten  Kanoncs  8.  483  f. 

1)  Die  sog.  Apostolische  Kirchenordnung 484 

2)  Die  sog.  Apostolische  Didaskalia 488 

3)  Kirchenrechtliche  Arbeiten   Hippolyts  nebst  Exkurs  über 

eine  Apokalypse  im  „Test^mentura  domini  nostri"    .     .     .  501 

111.  Pseudoklementinen 518—540 


XII  Inhalt. 

Seite 

Berichtigungen  und  Nachträge 541 — 555 

1.  Zu  Clemens  Alexandrinus  (S.  1  ff.) 541 

2.  Zum  Geburtsjahr  des  Origenes  (&.  23) 542 

3.  Zu  Origenes,  Hexapla  (S.  29  £  53) 544 

4.  Zu  Eusebius,  Katä  MagxiXXov  ^S.  124  f.) 544 

5.  Zur  pseudoiustinischen  Cohortatio  ad  Graecos  (S.  151  ff.)    .  545 

6.  Zu  aem  Lioer  disputationis  Archelai  episcopi  adv.  Mani- 
chaeum  (S.  163) 54S 

7.  Zu  den  Thomasakten  (S.  176) 549 

8.  Zu  ffippolyts  Weltchronik  (S.  241) 549 

9.  Zu  Hijppolyts  Auslegung  des   Segens   Jakobs   und   Moses' 

(S.  242)  und  der  Erz&hlung  von  David  und  GoUath  (S.  244)  552 

10.  Zum  pseudocyprianischen  Traktat  „Ad  Novatianum"  (S.  387)  552 

11.  Zum  pseudocyprianischen  Traktai  ,,De  singularitate  cleri- 

corum^'  (S.  369) 553 

12.  Zu  den  pseudocyprianischen  Gedichten  (S.  369)      ....  554 

Register 556-564 


Eine  chronologische  Tabelle  habe  ich  diesem  Bande  nicht  hinzugefügt, 
weil  an  mehreren  Stellen  chronologische  Übersichten  gegeben  sind,  auch 
Sicheres  und  Wahrscheinliches  auf  einer  Tabelle  für  den  Leser  leicht  ineinander- 
fließen.    Das  ausführliche  Register  wird  einen  gewissen  Ersatz  bieten  kOnnen. 


DRITTES  BUCH. 


DIE  LITTERATÜR  DES  MORGENLANDES 

VOM 

AUSGANG  DES  ZWEITEN  JAHRHUNDERTS 

BIS  EUSEBIÜS. 


Harnack.  Altchristi.  Litteraturgesoh.  II.  2. 


Erstes  Kapitel. 
Die  alezandrinisclien  Schriftsteller. 

1)  Clemeus  Alexandrinns. 

Bis  gegen  Ende  des  2.  Jahrhunderts  muß  die  christliche 
Katechetenschule  in  Alexandrien  ^  —  wir  kennen  weder  die  Be- 
dingungen, unter  denen  sie  entstanden  ist,  noch  die  Zeit  der  Ent- 
stehung'-*  —  eine  streng  aristokratische  Anstalt  gewesen  sein. 
Was  in  ihrer  Mitte  gedacht  und  gelehrt,  wurde,  kam  nicht  zur 
Kenntnis  der  Christengemeinde  in  Alexandrien.  Nichts  Schrift- 
liches wurde  veröflFentlicht,  und  selbst  die  Namen  der  Lehrer,  bez. 
die  Namen  der  Autoritäten  und  Gewährsmänner  der  Lehrer,  sind 
in  der  Gemeinde  nicht  notorisch  gewesen*'*.  Unter  solchen  Um- 
ständen vermögen  wir  uns  keine  A'orstellung  von  dem  ursprüng- 
lichen Verhältnis  der  Schule  zur  alexandrinischen  Kirche  vor  der 
Zeit  des  Clemens  zu  machen.  Wir  wissen  nur,  daß  zwischen  dem 
gemeinen  Christentum,  welches  sich  mit  der  öffentlichen  Autorität 
der  oLQxc^^oi  jtQaaßvreQoi  begnügte  ^  und  dem  theologischen,  welches 

1)  S.  Redepen n in g,  Origenes  1  (1S41 :  S.  5711*.  Zu  der  alteren  Litteratnr 
sind  in  neuerer  Zeit  mehrere  Werke  gekommen,  die  wohl  den  Geist  der  In- 
stitution aufgehellt  haben,  nicht  aber  sie  selbst;  denn  Quellen  fehlen;  s.  Bigg, 
The  Christian  Platonists  of  Alexandria,  1886;  Hatch,  The  influence  of  Greek 
idens  and  usages  upon  the  Christian  church,  1S02  (deut^cli  von  Preuscheu, 
1892);  Heard,  Alezandrian  and  Carthagian  theolog}'  contrasted,  18J^3;  Leh- 
mann, Die  Katechetenschule  zu  Alex,  kritisch  beleuchtet,  1896;  de  Faye, 
Clement  d'Alexandrie,  1898. 

2)  Nur  das  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  dal^  sie  nicht  von  der  alex.  (Ge- 
meinde eingerichtet,  sondern  neben  ihr  entstanden  ist;  sie  ist  wohl  allmählich 
in  die  Kirche  hineingezogen  worden,  als  eine  selbständige  Stellung  zwischen 
ihr  und  den  gnostischen  Gemeinschaften  nicht  mehr  möglich  war. 

3)  Auch  Clemens  hat  absichtlich  nur  Andeutungen  über  seine  Lehrer  ge- 
jreben  (Strom.  I,  1,  11). 

4)  Was  wir  über  diese  äQxoXoi  TiQeoßvxegoi  und  ihre  mündlich  fortge- 
pflanzten Lehräußerangen  wissen,  habe  ich  im  ersten  Teil  dieses  Werkes  S.  291  ff. 
zusammengestellt.  Sie  sollen  in  einer  Kette  bis  zu  den  Aposteln  hinaufreichen. 
Zu  ihnen  gehört  auch  der  frühere  Stoiker  (nach  Philippus  Sidetes  war  er  früher 


4  Die  Litteratar  des  Morgenlandes. 

auch  diese  Autoritäten  hochhielt,  aber  noch  andere  kannte  und  den 
Glauben  in  ein  Wissen  zu  verwandeln  trachtete,  in  Alexandrien 
eine  Scheidewand  aufgerichtet  war. 

Der  Mann,  der  vorsichtig,  aber  wirksam  diese  Scheidewand 
gehoben  hat,  obgleich  er  an  dem  Unterschied  von  „Gläu- 
bigen'' und  „Wissenden"  nicht  rüttelte,  war  Clemens  Alexan- 
drinus  K  Er  hob  die  Scheidewand,  indem  er,  der  kirchliche  Gnostiker, 
das  Presbyteramt  in  der  Kirche  übernahm  und  zur  Feder 
griff. 

Seitdem  Zahn  i.  J.  1884  sein  „Supplementum  Clementinum'' 
veröffentlicht  und  Preuschen  i.  J.  1893  in  meiner  Litt.-Gesch. 
(T.  I  S.  296—327)  eine  Übersicht  über  den  gesamten  Bestand  der 
Clementina  gegeben  hat,  ist  vieles  für  diesen  Autor  geschehen  und 
sind   zahlreiche    einschlagende  Schriften    erschienen'^.     Aber  die 


Pythagoreer)  Pantänus,  der  (wie  die  frühesten  nenplatonischen  Lehrer)  nichts 
geschrieben  hat.  Was  Euseb.,  h.  e.  V,  10,  4,  behauptet  (cf.  Maximus  Conf., 
Proleg.  zu  den  Opp.  Dionysii  Areop.),  kann  nicht  richtig  sein  oder  muß  sich 
auf  Schriftb'ches  des  Pantänus,  was  nur  innerhalb  der  Schule  kursierte,  beziehen. 
Daß  er  nichts  veröttentlicht  hat,  folgt  sicher  aus  Strom.  1,  1,  11  f.  Eclog.  27. 
Pantänus  stammte  aus  Sizilien  (Schluß  aus  Strom.  I,  11,  den  schon  Euseb.,  h.  e. 
V,  11,  2  mit  Recht  gezogen  hat).  Er  war  der  eigentliche  Lehrer  des  Clemens 
(s.  d.  Stellen  im  ersten  Teil  dieses  Werkes  S.  291.  293).  Als  Clemens  das  I.Buch 
der  Stromateis  schrieb,  war  er  nicht  mehr  am  Leben  (I,  1,  14).  Vorsteher  der 
Katechetenschule  ist  er  nach  Euseb,,  h.  e.  V,  10,  1  unter  Commodus  gewesen 
(es  ist  nicht  gesagt  in  dessen  erstem  Jahr);  da  lag  eine  Reise  nach  Indien  (1.  c  ) 
bereits  hinter  ihm.  Nach  Euseb.  VI,  0  u.  a.  war  Clemens  sein  Nachfolger  in 
der  Leitung  der  Katechetenschule.  Da  Clemens  selbst  aber  i.  J.  202/3  diese 
Leitung  aufgab  (s.  u.),  so  muß  Pantänus  einige  Jahre  vorher  gestorben  sein  (der 
Sicherheit  dieser  Kombination  gegenüber  kommt  Hieron.  de  vir.  inl.  3G  nicht  in 
Betracht).  Daß  Origenes  ein  persönlicher  Schüler  des  Pantänus  gewesen,  er- 
scheint durch  seine  eigene  Angabe  (bei  Euseb.  VI,  19,  13)  nicht  nahe  gelegt 
und  wird  bei  genauer  Erwägung  der  Stelle  aus  dem  Brief  des  Alexander  an 
Origenes  (Euseb.  VI,  14,  8)  nicht  gefordert.  Damit  fallen  die  Kombinationen 
dahin,  die  an  diese  Stelle  geknüpft  worden  sind,  Pantänus  könne  nicht  vor 
c.  200  gestorben  sein,  da  Origenes  in  diesem  Jahre  erst  15  Jahre  alt  wurde  und 
ihn  früher  schwerlich  gehört  haben  könne.  Hinfällig  ist  auch,  was  Zahn, 
Forsch.  III  S.  172,  auf  das  xara  xovxov  i.  Euseb.  V,  11,  1  auferbaut  hat,  s.  da- 
gegen meine  Chronologie  S.  16. 

1)  Der  Name  Titus  Flavius  Clemens  (so  Eusebiiis  n.  Photius  bei  Angabe 
des  Titels  der  Stromateis)  kann  nicht  unabhängig  sein  von  dem  Namen  des 
Konsuls  v.  J.  95.  I^nser  Clemens  war  wohl  ein  Nachkomme  eines  Freigelas^ieneii 
desselben. 

2)  Aus  der  Litteratur  der  letzten  zehn  Jahre  sei  folgendes  mitgeteilt  (s.  auch 
Anmerkung  1):  Küster,  Quis  dives  salv.  [Ausgabe]  in  der  Krügerseben  Samm- 
lung, 1893.  Frick,  Chronica  minora  I,  1893  p.  Vif.  Dan  seh,  Der  NTliche 
Schrift<?nkanon  u.  Cl.  v.  Alex.,  18i)4.  Schlatter,  Zur  Topographie  u.  Gesch. 
Palästinas,   1S93;    dazu  Theol.  Lit.-Zeitg.  1893  Kol.  326f.    Major,   Crit.  notes 


Clemens  Alexandrinus.  5 

Ausgabe  Stählins  fehlt  uns  noch,  und  bevor  sie  uns  geschenkt 
ist,  ist  es  nicht  ratsam,  sich  tiefer  mit  Clemens  einzulassen.  Ich 
werde  mich  im  folgenden  so  streng  als  möglich  nur  an  die  chrono- 
logischen Fragen  halten. 

Die  chronologischen  Daten,  welche  wir  besitzen,  sind: 

on  the  I— VII  book  of  the  Strom,  of  Clem.  AI.  in  The  Classical  Rev.  Bd.  8,  1SJ4 
p.  233ff.  etc.  etc.,  Bd.  0  p.  97ff.  etc.  Arnim,  De  VIII.  Clem.  Strom,  libro, 
Rostock  1814.  Schlatter,  Der  Chronograph  v.  10.  Jahre  des  Antoninus  Pius 
in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  12  H.  1,  1804,  dazu  meine  Chronologie  Bd.  I 
S.  406 ff.  223 ff.  Ziege rt,  Zwei  Abh.  üb.  Cl.'  Psychologie  u.  Logoschristologie, 
Heidelberg  1894.  Stählin,  Beiträge  z.  Kennt,  d.  Handschr.  des  Cl.  Alex., 
Nürnberger  Progframm,  1895  (s.  desselben  Observatt.  criticae  in  Clem.  Alex., 
1890).  Wendland,  Philo  u.  d.  kynisch-stoische  Diatribe,  1895,  S.  68ff.  Bernoulli, 
Uieron.  de  vir.  inlustr.  LS95,  S.  135 ff.  203 ff.  Hort,  Six  lectures  on  the  Ante- 
Nic.  fathers,  1805.  Wendland,  Die  ITierapeuten  u.  d.  Philon.  Schrift  v.  be- 
achaul.  Leben  in  d.  Jahrbb.  f.  klass.  Philol.,  Suppl.  Bd.  22,  1806,  S.  600. 
Wendland,  Philo  u.  Clemens  im  Hermes  Bd.  31,  1896,  S.  435 ff.  Hozakowsky, 
De  chronographia  Clem.  Alex.,  Münster  1806.  Koch,  Pseudo-Dionysius  u. 
Clemens  in  d.  Tübing.  Quartalschr.  1806,  S.  29()ff.  Barnard,  Quis  div.  salv. 
[Ausgabe]  in  d.  Texts  and  Stud.  V,  2,  1897.  De  Faye,  Les  Strom,  de  Cl.  d^\lex. 
in  der  Rev.  de  Thist.  d.  relig.  Bd.  36,  1807,  p.  300  ff.  Stählin,  Unters,  über 
die  Scholien  z.  Cl.  AI.  Nürnberger  Programm,  1807.  Kutter,  Cl.  AI.  u.  d.  N.  T. 
Gießen,  1897.  de  Faye,  Clement  d'Al.,  1808  [das  beste  Werk  der  neueren  Zeit 
über  Cl.];  dazu  Wendland  in  d.  Theol.  Lit.-Zeitung  1898  Kol.  652ff.  de  Faye, 
Ktude  sur  les  rapports  du  christianisme  et  de  la  philos.  etc.  in  d.  Bibl.  de  Pöcole 
des  h.  ^tud.,  Sciences  relig.  T.  XII,  1808.  Michaelis,  De  origine  indicis 
deorum  cognominum,  Berlin  1808.  Bonwetsch  in  d.  Protest.  REncykl.3  Bd.  4, 
1898.  Major,  Notulae  crit.  in  Cl.  AI.  Protrept.  im  Philol.  Bd.  5S,  1800,  S.  266 ff. 
Thomas,  Le  Clement  d'Alex.  de  M.  E.  de  Faye  in  d.  Rev.  de  theol.  et  philos., 
ISIK»,  p.  427ff.  Barnard,  The  bibl.  text  of  Cl.  AI.  in  Texts  and  Stud.  V,  5, 
lS.q<).  Holl,  Sacra  Parall.  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  20,  H.  2,  ISOO.  Stählin, 
Zur  handschr.  Oberl.  des  Cl.  AI.  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  20,  H.  4,  lOK). 
Ehrhard,  Die  altchristl.  Lit  v.  1884--11K)0,  1000.  Christ,  Philol.  Studien  z. 
01.  Alex.,  Separatabz.  aus  den  Abh.  der  Bayr.  Akad.,  1000.  Lejay  in  d.  Rev. 
d'hist.  et  de  litt  relig.  T.  V,  llHX),  p.  70ff.  von  Dobschütz  in  d.  Theol.  Lit.-Zeitg. 
1000  Kol.  205  ff.  Blass,  Verse  von  Komikern  bei  Cl.  AI.  im  Hermes  Bd.  So, 
1100,  S.  340.  James,  Clement  of  Alex,  and  Plutarch  in  d.  Class.  Rev.  1[NX) 
Febr.  Jackson,  Notes  on  Clement  of  Alex,  im  Joum.  of  Philol.  T.  2S,  10C)1, 
p.  131  ff.  Markgraf,  Cl.  AI.  als  asket.  Schriftsteller  in  d.  Ztschr.  f.  KGesch. 
Bd.  22,  1901,  S.  487  ff.  Parker,  Musonius  in  Clement  in  d.  Harvard  Stud  iii 
Class.  Philol.  1901  T.  12.  Paul,  Welcher  Reiche  wird  selig  werden,  in  d.  Ztschr. 
f.  wissensch.  Theol.  Bd.  44,  lOiJl,  S.  504ff.  Stählin,  Cl.  AI.  u.  die  LXX,  Nürn- 
berger Programm,  1001.  Pascal,  La  fois  et  la  raison  dans  Cl.  Al.  1001. 
Jülicher  in  Pauly-Wissowa  REncykl.  Bd.  4,  liK)l,  S.  llff.  Hort  u.  Major, 
Clement  of  Alex.  Miscell.  [Strom.]  Book  VII,  the  Greek  text  with  introduction, 
translation,  notes  etc.  London  1902.  Heussi,  Die  Stromateis  des  Cl.  Alex,  und 
ihr  Verhältnis  zum  Protrept.  u.  Pädag.  in  d.  Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  45,  HK)2, 
S.  465 ff.    Schwartz,  Zu  Quis  dives  salv.  im  Hermes,  Bd.  38,  1003,  S.  75  ff*. 


f3  Die  Litieratur  den  Morgenlandes. 

Julius  Africanus  in  der  Chronik  (nach  Cedrenush  im  Kofffioöov 
KX7jfiT]g  6  SrQWfiarevg  kv  \4Xs§av6QBla  kyvcoQiCsTo  K 

Hippolyt  hat  in  seiner  Clironik  die  Stromateis  benutzt  (s.  u.) 
und  in  der  Sclirift  gegen  Artemon  (Euseb..  h.  e.  A^  28;  daß  Hippolyt 
der  Verfasser  ist,  ist  sehr  wahrscheinlich,  s.  u.)  den  Clemens  zu  den 
Schriftstellern  gerechnet,  die  bereits  vor  dem  römisclien  Bischof 
Victor  eine  „theologia"  Christi  gegeben  haben.  Kr  hat  ihn  dabei 
nach  Tatian  gestellt.  Somit  trifft  er  mit  .lulins  Africanus  in  der 
Zeitbestimmung:  „Unter  Commodus"  zusammen;  denn  Victor  wurd(^ 
189190  Bischof. 

Alexander,  der  212,3  Bischof  von  Jerusalem  wurde,  vorher  aber 
schon  Bischof  in  Cäsarea  in  Kapp.-  war,  202/3  ins  Gefängnis  ge- 
setzt wurde  und  bis  211  12  in  demselben  blieb  (s.u.),  bezeugt,  in 
einem  in  diesem  Jahre"*  aus  dem  Gefängnis  nach  Antiochien  ge- 
schriebenen Briefe  (Euseb.  VI,  11,6),  daß  Clemens  damals  nocli  lebte; 
denn  er  betraute  ihn  mit  der  Überbringung  des  Briefes.  Kr  nennt 
ihn  dabei  (mxaQiov  jtQtoßvTtQov,  erwähnt,  daß  die  Antiochtruer  ihn 
bereits  kennen  (ob  persönlich?),  und  daß  er  der  christlichen  Ge- 
meinde in  Cäsarea  Kapp,  wichtige  Dienste  geleistet,  nämlich  sie  in 
der  Zeit,  da  ihr  Bischof  im  Gefängnis  saß,  gestärkt  und  vermehrt 
liat  [oq  xal  ivd-aöe  jtctQmv  y.arct  r/jv  jtQovoiav  xal  tjnöxorr/jv  rov 
ötOJtoTov  bör/jQi^t  T£  xcu  fjv^fjös  Tf/if  Tov  xv(flov  ixxhjöiav).  Dies 
setzt  einen  längeren  Aufenthalt  daselbst  voraus.  In  einem  anderen 
Briefe  desselben  Alexander  ^an  Origenes,  Euseb.  VI,  14,  8)  wird  aber 
Clemens  als  bereits  gestorben  bezeichnet.  Leider  läßt  sich  die  Zeit 
des  Briefes  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  feststellen.  Da  er  von  Eusebius 
vor  die  römische  Reise  des  Origenes,  die  unter  Zephyrin  stattfand, 
gesetzt  wird,  und  da  er  seinem  Inhalt  nach  der  erste  Brief  zu  si*in 
scheint,  der  zwischen  Alexander  und  Origenes  gewechselt  worden 
ist,  so  wird  man  ihn  nicht  gern  nach  217  ansetzend  Damals 
weilte  also  Clemens  nicht  mehr  unter  den  Lebenden.     Was  die 


1)  Das  Zeugnis  des  Julius  ist  von  besonderem  Wert;  denn  er  war  (wohl 
etwas  jüngerer)  Zeitgenosse  des  Clemens.  Setzt  er  ihn  unter  Com  modus  ;in. 
ohne  des  Septimius  Severus  zu  erwähnen,  so  muß  ein  Teil  der  Schrifistellerei 
des  Clemens  bereits  in  die  Zeit  jenes  Kaisers  gehören. 

2)  Dali  Cäsarea  Kapp,  der  Sitz  des  Alexander  war,  darüber  s.  meine  Mis- 
.^ion^jgesch.  S.  401».  4(3r». 

;5j  Das  ergibt  sich  daraus,  daß  Alexander  den  Antiochenem  zum  Amts- 
autritt des  Aaklopiades  gratuliert;  dieser  trat  aber  das  Amt  211/12  an,  s.  meine 
Chronologie  I  S.  21 2  f. 

4)  Anzusetzen  ist  «t  wohl  auf  die  Zeit  des  ersten  Aufenthalts  des  Origenes 
in  Palästina  oder  gleich  danach,  also  i.  d.  J.  215  0,  als  Alexander  den  Origenes 
]^ersünlich  kennen  gelernt  hatte. 


Clemens  Alexandrinus.  7 

Auslegung  des  Briefes  betrifft  *,  so  ist  bereits  oben  gesagt  worden, 
daß  man  nicht  darauf  bauen  kann,  daß  Alexander  den  Origenes 
als  persönlichen  Schüler  des  Pantänus  (wohl  aber  des  Clemens) 
hier  bezeichnet^. 

In  der  Praet  zu  den  Canones  der  Chronik  nennt  Eusebius  den 
Clemens  als  Chronographen.  In  den  Canones  selbst  steht  zum 
J.  193  p.  Chr.  (2209  Arm.,  2210  Hieron.)  die  Eintragung  des  Cle- 
mens (^alex.  Presbyter")  und  des  Pantänus  als  berühmter  Theologen. 
Die  Nachstellung  des  Pantänus  ist  rätselhaft  und  hat  vielleicht  dem 
Philippus  Sidetes  Anlaß  zu  seiner  Umstellung  der  Lehrer  an  der 
Katechetenschule  gegeben.  Vielleicht  steht  Clemens  nur  als  der 
Berühmtere  voran ;  Gewicht  ist  dem  nicht  beizulegen.  Zum  J.  203/204 
(2220  Arm.  et  Hieron.)  findet  sich  dann  noch  eine  zweite  Eintragung 
(„Clemens  his  temporibus  libros  ponebat,"  bez.:  „Clemens  multa  et 
varia  conscripsit").  Diese  beiden  Daten  sind  schwerlich  von  Eu- 
sebius erfanden  ^  sondern  sind  aus  Nachforschungen  gewonnen. 
Sie  müssen  sich  auf  etwas  Bestimmtes  im  Leben  des  Clemens  be- 
ziehen (Zitate  aus  den  Strom.  I  in  der  Chronik  II,  p.  92.  98  f.  ed. 
■Schoene*). 

In  der  KGeschichte  setzt  Eusebius  den  Clemens  unter  Commo- 
dus  (V,  11).  In  VI,  6  sagt  er,  Clemens,  der  Nachfolger  des  Pantänus 

1)  Tovto  yag  xal  S-tktjfxa  &sov,  d^  olSaq^  yiyovtv^  \va  rj  cbto  ngoyovmv 
iifiXv  (pikia  fiivs  aavkog,  fiäXXov  6h  ^sgixox^Qa  ^  xal  ßeßaiortQa.  natsQag 
yag  lo/isy  rovg  (laxaglovq  ixelvovq  xovq  ngooösvaavtag,  itQÖq  ovq  yitx  oUyov 
iaofie^a,  ndvzaivov  rbv  fxaxoLQiov  dXri&wg  xalxvQiov^  xal  rov  legov  KXrjfievza 
xvgiov  ßov  ysvofisvov  xal  mtpeX'^aavxd  (jlb,  xal  et  xiq  exegoq  roiovxoq^  Si*  wv 
<jf  iyviogiaa  rov  xard  Ttdvza  dgiarov  xal  xvqiov  fiov  xal  döeX(p6%'. 

2)  Zar  Auslegung  der  Stelle  bemerkeich:  (1)  ügöyovoi  sind  dieselben,  die 
nachher  nazigeg  heißen.  (2)  Die  g>iXlaj  um  die  es  sich  handelt,  ist  die  Freund- 
e'chaft,  die  ipso  facto  durch  die  Gemeinsamkeit  der  Lehrer  besteht;  Alexander  und 
Origenes  brauchen  nicht  zusammen  bei  ihnen  studiert  zu  haben.  (3)  Alexander 
sagt  ausdrücklich,  er  habe  den  Origenes  durch  seine  Lehrer  kennen  gelernt; 
von  den  Lehrern  her  kennt  er  den  Schüler.  Zu  diesen  Lehrern  gehörte  als  der 
älteste  Pantänus.  Nicht  einmal  dies  ist  notwendig,  daß  ihn  Alexander  persön- 
lich gehört  hat;  er  kann  ihn  auch  durch  die  Vermittelung  des  Clemens  und 
der  anderen  Lehrer  als  seinen  Lehrer  betrachten  ^in  dieser  Hinsicht  ist  wichtig, 
daß  nur  bei  Clemens  steht  ,jXal  (oq>elriaavtd  fxe",  nicht  aber  bei  Pantänus). 
Aber  auch  zugestanden,  daß  in  dem  61  wv  Pantänus  als  persönlicher  liChrer 
des  Clemens  einbegriffen  ist,  so  braucht  er  deshalb  nicht  persönlicher  Lehrer 
auch  des  Origenes  gewesen  zu  sein.    Er  kann  es  freilich  gewesen  sein. 

3)  S.  meine  Chronologie  Bd.  1  S.  lOf.  31f.  30f.  41.  49.  60. 

4)  Ich  habe  im  ersten  Bd.  dieses  Teils,  a.  a.  0.,  gezeigt,  daß  Eusebius  die 
genaueren  Daten,  die  er  in  der  Chronik  gegeben  hat,  in  der  Kirchengeschichte 
nicht  preisgabt,  wenn  er  hier  sich  auf  allgemeinere  Datierungen  beschränkt. 
In  der  Kirchengeschichte  befolgt  er  in  der  Regel  das  Prinzip,  nur  die  Kaiser- 
regierung zu  nennen. 


g  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

in  der  LeituDg  der  Katechetenschule,  habe  bis  zu  der  Verfolgung 
unter  Septimius  Severus  der  Schule  vorgestanden  und  Origenes  sei 
sein  Schüler  gewesen.  Das  zweite  Datum  in  der  Chronik  ist  damit 
erklärt:  bis  203  stand  Clemens  der  Schule  vor  K  Eusebius  bemerkt 
noch,  daß  die  Stromateis  (nach  Buch  I)  den  Tod  des  Commodus 
voraussetzen,  also  unter  Severus  geschrieben  sind.  In  VI,  13  gibt 
er  den  genauen  Titel  der  Stromateis:  Tlrov  ^Xavlov  KXrmevro^ 
xmv  xara  t7]p  aXr^d'fj  (pikocoiplav  yvmcrtx&v  vjcofdvfjfiarcov  öXQfo- 
/larelg,  nennt  die  übrigen,  ihm  bekannten  Werke  des  Mannes  und 
gibt  litterarhistorische  Notizen  zu  ihnen. 

In  der  Praepar.  ev.  II,  2,  64  sagt  Eusebius,  daß  Clemens  früher 
Heide  gewesen  ist;  ob  das  auf  Überlieferung  beruht  oder  eine  bloße 
naheliegende  Annahme  des  Eusebius  ist,  steht  dahin.  Auch  aus  den 
Werken  des  Clemens  läßt  sich  die  Frage  nicht  ganz  sicher  ent- 
scheiden; denn  Paedag.  1, 1, 1  u.  II,  8,  62  sagen  das  nicht  bestimmt. 

Epiphanius  berichtet  (haer.  32,  6),  Clemens  werde  sowohl  als 
Alexandriner  als  auch  als  Athener  von  Einigen  bezeichnet.  Hier- 
nach ist  es  wahrscheinlich,  daß  er  aus  Athen  gebürtig  war.  Die 
Art  seiner  Bildung  und  seine  Schreibweise  fagen  sich  gut  zu  dieser 
Annahme. 

Aus  Strom.  I,  1, 11.  14  folgt,  daß  Clemens,  als  er  die  Stromateis 
verfaßte,  nach  langen  Reisen  im  Orient ^  nun  in  Alexandrien  an- 
sässig war,  und  daß  alle  seine  Lehrer  einschließlich  des  Pantänus, 
den  er  in  Ägypten  getroffen  und  um  dessen  willen  er  dort  ver- 
blieben war,  schon  gestorben  waren;  —  diese  Lehrzeit  lag  al^o 
weit  hinter  ihm. 

Aus  Strom.  I,  21, 139.  140.  144  folgt,  daß  dieses  Buch  nach  dem 
Tode  des  Commodus  und  vor  dem  des  Septimius  Severus  verfaßt 
ist,  und  daß  der  Tod  jenes  schon  geraume  Zeit  zurückliegt,  da 
seit  demselben  schon  Chronographen  (wie  Clemens  I,  21,  147  be- 
merkt) geschrieben  hatten,  deren  Arbeiten  dem  Clemens  vorlagen. 

1)  Das  erste  Datum  in  der  Chronik  vermögen  wir  nicht  zu  erklären.  Es 
kann  den  Antritt  des  Lehramts  an  der  Katechetenschule  bezeichnen,  aber  be- 
weisen läßt  sich  das  nicht.  —  Eusebius  berichtet  ganz  deutlich,  daß  Clemens 
*J02/3  Alexandrien  verlassen  hat.  Daß  er  je  wieder  dorthin  zurückgekehrt  ist. 
wird  nirgends  überliefert. 

2)  Den  ersten  christlichen  Lehrer  hatte  er  im  eigentlichen  Griechenland 
(dies  stimmt  mit  der  Tradition,  daß  er  Athener  gewesen  ist),  in  Großgriecheu- 
land  hatte  er  zwei  Lehrer,  ebenfalls  zwei  im  eigentlichen  Orient  bez.  Palästina. 
Der  erste  Lehrer  war  ein  lonier  (also  etwa  aus  Ephesus  oder  Smymai,  dor 
zweite  ein  Syrer,  der  dritte  ein  Ägypter,  der  vierte  ein  Assyrer  und  der  fiinl>e 
ein  palästinensischer  Judenchrist.  Pantänus  war  also  der  sechste.  Die  Lehrer 
lassen  sich  nicht  bestimmen.  Nicht  einmal,  daß  der  Assyrer  Tatian  ist,  kann 
für  ganz  sicher  gelten. 


ClemenB  Alexandrinus.  Q 

Aus  Strom.  II,  20, 125  ergibt  sich,  daß  zur  Zeit  der  Abfassung 
dieses  Buches  Martyrien  ini  Gange  waren  ^ 

Aus  Paedagog.  I,  6,  37  folgt,  daß  Clemens  bei  Abfassung  dieses 
Buches  „Hii-te"  d.  h.  Presbyter  gewesen  ist 

Über  diese  dürftigen  Angaben  hinaus  '^  läßt  sich  direktes  chrono- 
logisches Material  den  Werken  des  Clemens  nicht  entnehmen,  aber 
indirektes  steht  uns  durch  Vergleichung  der  Werke  zu  Gebote.  Hier 
ist  von  der  Entdeckung  Wendlands^  auszugehen,  die  Heus si*  be- 
stätigt hat,  daß  die  4  ersten  Bücher  der  Stromateis  vordemPädagog 
geschrieben  sind.  Diese  Entdeckung  wirft  nicht  nur  die  bisherige 
Chronologie  des  Schriftstellers  Clemens,  sondern  auch  die  wichtigsten 
der  bisher  geltenden  Vorstellungen  von  seinen  schriftstellerischen 
Absichten  über  den  Haufen.  Die  Entdeckung  ist  zuverlässig; 
denn  es  liegt  kein  Grund  vor,  das  Zitat  in  Paedag.  IL  10,  94 
[xad'oXov  (ilv  ovv  i]  yafirjriov  ij  yafiov  slg  xb  jtavrsXic;  xad-evQsrtov 
—  eX^rat  yag  ^Tjr^öecog  xal  xovxo  —  Iv  rcp  JteQl  iyxQareiag  r/f/tif  ded/y- 
Äcorai)  auf  einen  anderen  Abschnitt  zu  beziehen  als  auf  die  große 
Ausführung,  die  von  Strom.  II,  20,  103  bis  in  das  4.  Buch  hinein- 
reicht, 8.  bes.  II,  23,  137.  Nicht  anders  ist  über  das  Zitat  Paedag. 
II,  6,  52  {6isiXi^(pa(i6P  öh  ßaOvztQq)  Xoyq?  cog  aQa  ovxb  hv  xolg  ovo- 
fiacip  ovTB  fiijv  hv  xolg  övvovöiaöxixolg  ßoQlotg  xxX.)  zu  urteilen; 
es  ist  das  3.  Buch  der  Stromateis  gemeint,  und  endlich  ist  der 
yafiixog  Xoyog,  auf  den  Paedag.  III,  8,  41  verwiesen  wird,  in  den- 
selben Ausführungen,  nämlich  Strom.  II,  23,  137.  146;  IV,  8,  59—65; 
IV,  20,  125—129  zu  suchen.  Besondere  Schriften  des  Clemens  jtsQi 
tyxQaxslag  (oder  über  die  Ehe)  hat  nie  jemand  genannt;  kein  Zitat 
findet  sich  aus  ihnen  ^     Dagegen  enthalten  die  betreffenden  Ab- 

1)  'Hfitv  dh  äfpBovoi  [xaQxvQwv  nijyal  hxdorijq  r^fitgag  iy  0(p^aX(xolq 
rifjicSv  &Cü)Qovfievai  nagonrwfxivcjv  dvaaxivSvXEVOfxivwv,  tag  xstfaXag  dno- 
Tf f4vofiivwv.  Ans  dem  6.  Buch  (18, 167)  empfängt  man  denselben  Eindruck,  s. 
auch  VIL  12,  78. 

2)  Die  aristokratische  Haltung  des  Clemens  zeigt  sich  auch  darin,  daß  er 
Zeitgeschichtliches,  soweit  es  nicht  der  Ideen* Geschichte  angehört,  höchst  selten 
streift 

3)  Theol.  Lit.-Zeitung  1898  Kol.  653.  S.  auch  desselben  „Christentum  u. 
Hellenismus  in  ihren  literarischen  Beziehungen^'  in  d.  Neuen  Jahrbb.  f.  d.  klass. 
Altert.,  1902,  V  S.  14. 

4)  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  45,  1002,  S.  474  ff. 

5)  Zahn  wollte  (Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  12,  1IK)1,  S.  744f.j  ein  Zeugnis 
gefimden  haben.  Der  Nestorianer  Jesudad  zitiert  (um  d.  J.  825)  einen  „großen 
Brief  des  Clemens  gegen  die  Verächter  der  Ehe''  und  t^ilt  ein  Fragment  aus 
ihm  mit  (s.  S  ach  au,  Verzeichnis  d.  syr.  Hdschr.  d.  K.  Bibl.  z.  Berlin,  Abt.  I, 
1899,  S.  307.  304).  Allein  nach  den  Nachweisungen  von  Heussi  (a.  a.  0. 
S.  480ff.)  läßt  sich  nicht  zweifeln,  daß  das  Stück  den  Strom.  III,  6,  52.  53  cnt- 
nommen  ißt.    Auch  ist  das  3.  Buch  wirklich  eine  Schrift  gegen   die  Verächter 


10  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

schnitte  der  Stromateis  das  im  Pädagog  Vorausgesetzte  ^  Nun 
aber  beobachtet  man  weiter,  daß  der  Protrepticus  und  Pädagog  nur 
in  den  späteren  Büchern  der  Stromateis  zitiert  werden  (Strom.  VI,  1, 1 ; 
MI,  4,  22)^.  Gerade  aber  in  den  früheren  Büchern  müßte  man 
Verweisungen  auf  sie  oder  doch  mindestens  auf  den  Pädagog  er- 
warten, wenn  sie  früher  geschrieben  wären  und  wenn  die  Stromateis 
den  Zweck  verfolgten,  das  im  Pädagog  Ausgeführte  nun  in  eine 
höhere  Sphäre  zu  heben.  In  diesen  früheren  Büchern  der  Stromateis 
aber  wird  die  Aufgabe  so  angefaßt,  daß  sie  in  keinem  Sinne  als 
Fortsetzung  erscheint,  vielmehr  die  Aufgaben  mit  umfaßt,  die  im 
(Protrepticus  und)  Pädagog  behandelt  sind^  Als  Clemens  die 
Stromateis  I — IV  schrieb,  hatte  er  also  jene  beiden  Bücher  weder 
schon  geschrieben  noch  geplant 

Mithin  fällt  jedenfalls  der  Pädagog  zwischen  Strom.  I— IV  und 
Strom.  V— VII;  beim  Protrepticus  läßt  sich  das  nicht  mit  gleicher 
Sicherheit  oder  Wahrscheinlichkeit  behaupten ;  denn  er  nmßte  nicht 


der  Ehe.  Es  kann  sehr  wohl  (als  Ganzes  oder  in  Teilen)  in  Syrien  für  sich 
zirkuliert  haben.  Weiter  ist  der  Ausdruck  „Brief  nicht  befremdlich.  Pacian 
hat  die  Traktate  TertuUians  De  paenitentia  und  De  pudicitia  (Ep,  I  ad  Sempron.) 
als  „epiatulae"  bezeichnet,  obgleich  sie  sich  durchaus  nicht  als  „Briefe"  im  ge- 
wöhnlichen Sinne  des  Wortes  darstellen;  der  II.  Clemensbrief  ist  „Brief*  ge- 
nannt worden,  obgleich  er  eine  Homilie  ist;  Cyprians  Traktate  heißen  nicht 
selten  ,,epi8tulae"  (s.  v.  Soden,  Texte  u.  Unters.  Bd.  25,  H.  H  S.  D).  Endlich 
bemerkt  Heussi  (S.  486)  sehr  richtig:  „Hätte  Zahn  recht,  dann  wäre  noch 
ein  anderer  Punkt  unklar.  Wenn  Clemens  im  Pädag.  auf  ^yxQazeicc  und  ydfxog 
nicht  näher  eingeht,  sondern  die  Leser  auf  eine  selbständige  Schrift  über  diesen 
Gegenstand  verweist,  po  begreift  man  nicht,  warum  er  im  H.  Buche  der  Strom. 
—  das  er  nach  Zahn  nach  dem  Paedag.  geschrieben  hat  —  eine  andere  Taktik 
befolgt,  nicht  auf  jenen  ).6yog  ya/nixog  verweist,  sondern  ihn  ausschreibt.  Natür- 
lich ist  dieser  Einwand  kein  absolut  zwingender,  aber  er  verstärkt  den  Grad 
der  Wahrscheinlichkeit  meiner  These"  (daß  nämlich  der  von  Jesudad  genannte 
„Brief'^  —  Strom.  III  ist). 

1)  (Trößere  Abschnitte  aus  einem  Werke  nach  ihrem  Inhalte  zu  bezeichnen 
und  sie  so  anzuführen,  als  wären  sie  ein  besonderes  Werk,  ist  im  Altertum  nicht 
selten.  Mir  ist  gerade  ein  Beispiel  bei  Lactantius  zur  Hand.  Er  zitiert  Instit. 
div.  T,  23  das  3.  Buch  des  Theophilus  ad  Autolycum  unter  dem  Titel:  „Theo- 
philus  in  libro  de  temporibus  ad  Autolycum  scripto."  Daß  das  Werk  Justin^ 
gegen  Marcion  nur  ein  Abschnitt  aus  seinem  gi'oßen  ketzerbestreitenden  Werke 
war,  nehmen  viele  an.  Auch  andere  Beispiele  dieser  Art  finden  sich  im  ersten 
Teile  meiner  Litteraturgeschichte.  Von  besonderen  Werken  des  Clemens  über 
die  Enthaltsamkeit  und  über  die  Ehe  müßten  irgendwelche  Spuren  vorhanden 
sein,  wenn  er  solche  geschrieben  hätte. 

2)  Umgekehrt,  aber  entsprechend,  wird  Paedag.  II  11,  117  auf  eine 
künftige  Ausführung  verwiesen;  dieselbe  findet  sich  in  Strom.  V,  8,  55  er- 
ledigt. 

3)  Heussi  S.  470. 


Clemens  Alexandrinus.  {{ 

notwendig  in  Strom.  I — IV  zitiert  werden.  Die  Entscheidung 
hängt  davon  ab,  ob  man  annimmt,  daß  Clemens  bei  Abfassung  des 
Protrepticus  bereits  den  Pädagog  geplant  und  ihn  jenem  auf  dem 
Fuß  hat  folgen  lassen.  In  diesem  Fall  muß  man  aucli  den  Protrepticu^s 
hinter  Strom.  I — IV  setzen.  Notwendig  scheint  mir  diese  Annahme 
nichts  Es  kommt  dazu,  daß  Hippolyt  (s.  o.  S.  6)  Clemens  neben 
den  Apologeten  Justin,  Miltiades,  Tatian  zu  den  Schriftstellern 
vor  Victor  (189/190)  rechnet,  und  daß  man  (nach  unserer  Kenntnis 
der  Schrifstellerei  des  Clemens)  dies  am  zwanglosesten  auf  den 
Protrepticus  bezielit.  Es  ist  also  überwiegend  wahrscheinlich,  daß 
die  Reihenfolge  so  zu  gestalten  ist:  Protrepticus,  Strom.  I— IV, 
Pädagog,  Strom.  V— VII. 

Der  Protrepticus  ist  bei  dieser  Annahme  in  das  vorletzte  Jahr- 
zehnt des  2.  Jahrhunderts  zu  setzen  (eventuell  aber  später)-. 
Strom.  I— II  können  (wie  m.  W.  alle  annehmen)  kaum  früher 
als  i.  J.  202  geschrieben  sein  um  der  schweren  Verfolgung  willen, 
die  sie  voraussetzend  Somit  sind  bereits  die  Bücher  III  u.  IV 
vielleicht  schon  außerhalb  Alexandriens  geschrieben;  denn  i.  J.  202  3 
(S.o.)  hat  Clemens  Alexandrien  verlassen^.  Der  Pädagog  ist  jeden- 
falls nicht  in  Alexandrien  verfaßt  und  ebenso  nicht  Strom.  A^— VII. 
Man  kann  mit  ihnen  bis  über  das  erste  Jahrzehnt  des  3.  Jahrh. 
heruntergehen.  Indessen  ist  es  doch  nicht  ratsam,  sich  aus  diesem 
Jahrzehnt  zu  entfernen.  Es  ist  auffallend,  wie  wenig  Notiz  Clemens 
von  den  innerkirchlichen  Bewegungen  genommen  hat.  die  zwischen 
190  u.  210  fallen,  ja  selbst  auf  eine  Erscheinung  wie  die  des 
Apelles  hat  er  nicht  mehr  geachtet  \  Dies  Argument  scheint  ft-ei- 
lich  zu  viel  zu  beweisen:  er  hatte  augenscheinlich  mit  der  lebendigen 
Kirche  wenig  Fühlung;  fast  nur  was  litterarisch  hervorgetreten  ist. 


1)  S.  Hort  u.  Mayor,  Strom.  1.  VIII  (l[)ö'2)  p.  XV:  „The  Protrepticus 
was  written  as  an  indepcndent  work." 

2)  Man  müßte  sich  denn  mit  dem  Verzicht«,  das  von  Hippolyt  gemeinte 
Buch  zu  ermitteln,  begDügen,  oder  man  müßte,  was  nicht  unwahrscheinlich  ist 
ij?.  u.),  die  Hypotyposen  vor  d.  J.  189  setzen.  Zu  dem  Ansatz  des  Protrept.  im 
vorletzten  Jahrzehnt  des  2.  Jahrhunderts  stimmt  die  Friedenszeit,  die  das  Buch 
voraussetzt.  Das  Christentum  verteidigt  sich  hier  nicht,  sondern  greift  an  und 
macht  Propaganda. 

3)  Genauer:  nur  das  2.  Buch  setzt  schwere  Verfolgungen  voraus  (s.  o.). 

4)  Zu  dem  Thema  Clemens  u.  die  Verfolgungen  s.  die  trefflichen  Ab- 
schnitte bei  Neu  mann,  Der  röm.  Staat  u.  d.  allg.  Kirche  (1890)  S.  99  f.  113  ff. 
103.  l«)6f. 

5)  Die  abendländischen  kirchlichen  Verhältnisse  liegen  vollends  außer- 
halb seines  Gesichtskreises,  obgleich  er  früher  einmal  in  Oroßgriechenland  ge- 
wesen ist. 


\2  I^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

erregte  sein  Interesse,  wenigstens  sein  Interesse  als  Schriftsteller. 
Dali  er  der  Kirche  in  Cäsarea  Kapp.  Dienste  geleistet  hat,  hat  ihm 
Alexander  allerdings  ausdrücklich  bezeugt  Es  bleibt  dabei,  daß 
die  kirchlichen  Erscheinungen,  die  seine  Aufmerksamkeit  en'egt 
haben  und  mit  denen  er  sich  auseinandersetzt,  der  Zeit  bis  c.  190 
angehören.  Ich  möchte  daraus  schließen,  daß  man  seine  Geburts- 
zeit über  das  Datum,  das  man  gewöhnlich  nennt,  hinaufrücken 
muß.  Dafür  spricht  auch,  daß  im  J.  c.  202  alle  seine  Lehrer  ge- 
storben waren.  Das  pflegt  erst  um  das  50. — 60.  Lebensjahr  der 
Fall  zu  sein.  Bis  gegen  die  Jahre  140 — 150  wird  man  mit  dem 
Geburtsjahr  des  Clemens  hinaufgehen  müssen.  Die  Zeit,  in  der  er 
gereist  ist  und  eingesammelt  hat,  wird  die  Zeit  Marc  Aureis  ge- 
wesen sein.  Auf  diese  Zeit  beziehen  sich  seine  lebendigsten  und 
dauerndsten  Eindrücke;  mit  den  Häretikern  dieser  Jahre  setzt  er 
sich  auseinander;  damals  wirkte  sein  Lehrer  Tatian  (wenn  er  sein 
Lehrer  war).  Er  wird  dem  60.  Lebensjahre  nicht  mehr  fern  ge- 
wesen sein,  als  er  Alexandiien  verließt  Wann  er  dorthin  ge- 
kommen ist,  bleibt  im  Dunkel;  wie  lange  er  den  Pantänus  gehört 
hat,  wann  er  selbst  Lehrer,  wann  Presbyter  in  Alexandrien  ge- 
worden, ist  ebenso  ungewiß.  Nur  das  ist  gewiß,  daß  Pantänus 
bereits  gestorben  war,  als  Clemens  c.  202  das  ei*ste  Buch  der 
Stromateis  verfaßte  (s.  o.) ;  aber  mit  dieser  Einsicht  ist  wenig  ge- 
wonnen. Alle  Vermutungen,  daß  er  auch  neben  ihm  als  Lehrer  in 
Alexandrien  gewirkt  hat,  schweben  in  der  Luft.  Pantänus  kann 
sehr  wohl  schon  im  Anfang  der  90  er  Jahre  des  2.  Jahrhunderts 
gestorben  sein.  Nachdem  Clemens  Alexandrien  verlassen,  bleibt 
sein  Leben  so  unbekannt  wie  zuvor.  Wir  wissen  nur,  daß  er 
längere  Zeit  in  Cäsarea  Kapp.,  dem  Bistum  des  Alexander  (zur 
Zeit  als  dieser  im  Gefängnis  saß),  gewesen  und  daß  er  einmal 
nach  Antiochien  gegangen  ist.  Wo  er  gestorben  ist,  ist  unbe- 
kannt. Wahrscheinlich  ist  es,  daß  sein  Tod  zwischen  211  u.  2 IG 
erfolgte  \ 

Aber  wird  die  Chronologie  der  uns  erhaltenen  großen  Schriften 
des  Clemens  nicht  durch  ihr  inneres  Verhältnis  als  unmöglich  er- 


1)  Strom.  1,  1,  11  widerspricht  dem  nicht,  sondern  drückt  die  Stimmuiiir 
des  angehenden  Greises  aus:  tjötj  6h  ov  yQC((pTj  elg  iniöei^iv  rezeyrciOfjih'rj  f/iSe 
rj  ngaY/aareiaj  dXXd  /xoi  vnofxvTjfxaza  stg  yfjgag  S-rjoav(}lZ,(tai, /./^S^r^g  <fdgfxaxoi\ 
ei'öioXov  dxeyväiq  xal  axiayQa(pla  täjy  ivaQywv  xal  ifixpi/cov  ^xeliwv,  wv 
xtttrj^iwS^Tjv  inaxoioaL  Xoywv  xe  xal  dyÖQwv  fxaxaQlwv  xal  rät  ovii  d^ioXoywv. 

2)  Ehrhard,  Die  altchristl.  Lit  !l9(X))  S.  :n2  bemerkt:  „Sehr  wün.schens- 
wert  wäre  die  Untersuchung  des  Fragments  einer  Lebensbeschreibung  des 
Clemens,  tlie  in  dem  Cod.  Par.  Siippl.  Gr.  lOOn  saec.  X.  fol.  1 — 5  vorliegt." 
Leider  ist  auch  jetzt  noch  diese  Untersuchung  unerledigt. 


Clemens  Alexandrinus.  13 

wiesen?  Daß  dies  nicht  der  Fall  ist,  hat  Heussi  gezeigt  (a.a.O.). 
Zuerst  war  de  Faye  der  herrschenden  Meinung  scharf  entgegen- 
getreten. Diese  erklärte  den  Protrept,  den  Pädag.  und  die  Strom. 
als  eine  vom  Verfasser  beabsichtigte  Stufenfolge.  Mindestens  im 
Pädago'g  (Init)  sei  sich  Clemens  über  den  Plan  klar  geworden: 
Der  Protrept.  handelt  von  dem  Logos,  sofern  er  vom  Heidentum 
bekehrt;  der  Pädag.  von  ebendiesem  Logos,  sofern  er  zur  rechten 
Sittlichkeit  erziehe,  und  die  Stromat  entsprechen  der  Ankündigung, 
daß  der  Logos  als  „Lehrer""  in  die  Gnosis  einweihe;  allerdings  sei 
es  Clemens  nicht  gelungen,  in  den  Strom,  eine  systematische  Dar- 
st-ellung  zu  liefern;  er  sei  in  der  Behandlung  einzelner  Probleme 
stecken  geblieben  und  sei  am  Ende  des  7.  Buches  nicht  viel  weiter 
in  bezug  auf  die  Erreichung  des  Ziels  gekommen,  als  er  im  An- 
fang war;  auch  sei  er  in  den  Strom,  immer  wieder  in  die  Methode 
der  Propädeutik  zurückgefallen.  Dem  gegenüber  suchte  Faye 
nachzuweisen,  daß  die  Strom,  gar  nicht  der  versprochene  „ Lehrer •" 
seien,  sondern  nur  eine  Einleitung  zu  demselben.  Er  stützt  sich 
auf  Form  und  Inhalt  der  Strom.:  der  Form  nach  wichen  sie  so 
stark  wie  möglich  von  einer  systematischen  Darstellung,  die  doch 
angekündigt  sei,  ab,  und  der  Inhalt  enthalte  nichts  weniger  als 
eine  prinzipielle  Dogmatik. 

Weiter  aber:  nicht  nur  der  Pädagog  (1,6,47»;  II,  10,  104'^), 
sondern  auch  die  Strom,  selbst  enthielten  die  Ankündigung  eines  neuen 
Werkes,  eben  des  „Lehrers"  (Strom.  L  l,  15^;  1.24, 158^  11,20,113^; 
III,  3,  136;    III,  14,  95";    IV.  1,  2^;    IV,  13,  93'^;     IV,  26,  171»^; 

1)  TovTO  iv  X(o  negl  ccvaataaswg  örjXwd^Tjoezai. 

2)  ^£ig  iv  r(p  nsQl  dvctazdasojg  öta  nXei ovio v  örjktoS^/jaeTai. 

H)  'Eon  öh  a  xal  alvi^exai  fioi  ygatfri,  xal  xoXq  filv  nagaari^aerat,  r«  6h 
fzovov  igety  nsigdotrai  6h  xal  XavO-dvovaa  tlmtv  xal  inixQxmxofievTj  lx<f7}vai 
xal  öeT^ai  aiwnwaa  xxX. 

4)  "Onwq  {h  iVova?/?]  [xhv  oiv  r}v  TtQO^frjrtxdg  ftsra  xavra  ?.e'/ßi^öBtai, 
imr^vbea  dv  negl  ngo<pi]tslag  6ia)Mfißdvwfxsv. 

5)  ÜQoq  xb  doy/iia  xotxo  öiaXegof/s^a  vaxFQOv,  Snrjvixa  n e q l  ^vx^^  6ia' 
Xafißdvofiev. 

6)  ÜQOQ  fzhv  xovxovg,  onoxav  negl  aQxcjv  öiaXafjißdvwfjisv  ).6yov,  dxQi- 
ßeaxaxa  öia).i^6fxB&a. 

7)  ....  oxav  Ttsgl  xijg  dvO^Qwnov  yevtaswg  xrjv  i^f'jyrioiv  fxsxaysiQi- 

S)  *Enl  xovxoig  vaxegov  nXrjQwiUtGTjg  wg  ert  f/dXtaxa  xfig  xara  xd  TtQoxei- 
fifva  rmlv  vnoxvnwoefog  xd  tcbqI  dQX(i)V  <pvaio?,oyfjxhhvxa  xolg  xe^'Ekkrjai  xoZg 
xt  akXoig  ßagßdgoig  oaov  rjxov  dg  tifidg  al  öo^at  ^gtaxoQtjxiov  xal  Ttgog  xd 
xvgicixaxa  x<5v  xolg  (pi),oa6<foig  inivevoy/nhiov  ^yxsiQsrtov. 

9)  llgog  ^Qvyag  iv  xolg  tcsqI  Tigocprjxeiag  diale^ofxex^a. 
10)  ^Hfistg  6h  negl   fihv  xrjg   sixtiQ  xavd   xaiQOv  ngoiowog  xov  loyov 
SiaXijtpSfied^a, 


14  ^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

V,  13,  88»;  V,  14,  140^;  VI,  2,  4^;  VI,  3,  32^;  VI,  18,  168^).  End- 
lich —  richtig  erwogen  —  konnte  der  „Lehrer"  gar  nicht  sofort 
dem  Pädag.  folgen.  Den  gewöhnlichen  Christen,  die  der  häre- 
tischen Gnosis  gegenüber  mißtrauisch  gegen  alle  Philosophie  ge- 
worden wai'en,  mußte  erst  das  Recht  des  Denkens  in  der  Reli- 
gion und  der  Philosophie  nachgewiesen  und  erkämpft  werden. 
Diese  Aufgabe  mußte  mit  der  höchsten  Vorsicht  in  Angriff  ge- 
nommen, ja  z.  T.  geradezu  verschleiert  werden.  Aber  auch  andere 
Vorfragen  waren  zu  erledigen:  der  Leser,  der  den  Pädag.  aufge- 
nommen hatte,  mußte  erst  für  die  höhere  Stufe  des  „Lehrers "^ 
vorgebildet  werden.  Rechtfertigung  der  Philosophie  und  Charak- 
teristik des  Gnostikers  bilden  die  eigentliche  Aufgabe  der  Strom. 
Aus  einem  gewissen  Ungeschick  heraus  —  hier  folgt  de  Faye  der 
älteren  Annahme  —  hat  Clemens  die  Behandlung  anderer  Themen 
damit  verquickt;  ursprünglich  hatte  er  sie  gar  nicht  ins  Auge  ge- 
faßt, ja  dachte  mit  einem  Buche  Strom,  auszukommen.  Zufällige 
Anlässe  haben  ihn  zu  Abschweifungen  geführt,  die  schließlicli 
ganze  Bücher  füllen.  So  ist  er  in  den  Strom,  stecken  geblieben 
und  zum  „Lehrer"  überhaupt  nicht  gekommen. 

Demgegenüber  hat  Heussi  durchschlagende  Erwägungen  gel- 
tend gemacht,  die  nach  der  einen  Seite  wieder  zur  älteren  Ansicht 
zurückkehren,  nach  der  anderen  aber  ihr  noch  schärfer  wider- 
sprechen als  die  Fayes.  Erstlich  hat  er  gezeigt,  daß  sich  keine 
Äußerungen  des  Clemens  zugunsten  dieser  Auffassung  anführen 
lassen.  Die  angeführten  Stellen  deuten  auf  selbständige  Schriften 
oder  auf  Ausführungen  in  den  Strom.,  mag  sie  Clemens  wirklich 
geschrieben  oder  bloß  einmal  geplant  haben.  Daß  er  noch  mehrere 
Bücher  Strom,  schreiben  wollte,  steht  nach  VII,  15,  89  {elg  rov 
bs^jg  JtQoCivaL  OTQCDfiarta)  fest,  vgl.  auch  das  ravTt  fiav  ovv  dg 
voTBQOv  (VII,  17,  108).  Hiernach  ist  auch  der  Schluß  von  Buch  VII 
(18,  111)  nicht  auf  ein  neues  Werk,  sondern  auf  ein  weiteres  Buch 
der  Strom,  mit  neuem  Ausgangspunkt  zu  beziehen  {xal  öy  fisza 
rov  tßöofWP  TOVTOP  rjfilv  oxQconaria  tojv  i^rjg  ajt  aXXrjg  ccQXfjg 
jtoiriöofisx^a  TOP  Xoyov),    Unter  den  oben  angeführten  Stellen  zeigt 


1)  ^Ev  xolqnE QlnQOiprix elaq  xdv  xolqTieQl  ^pv/TJg  tTudsix^^ioezai  j^/ulr. 
2}  *Hg  &t(jj^iag  ovdhv  i^zTOV  av^iq  ^(faipofis&a  xaxa  x6  dvayxalov,  onrjvlxa 
äv  xug  tisqI  aQy^djv  öo^ag  xag  7iaQ^"E?,X7jOL  (fSQOfitvag  dvaXeyw/usO^a. 

3)  .  .  .  ü7i7jvixa    äv  xä    negl  dgyßv  xolg  "E'/.Xriaiv  ilgi^ixiva  iniovxeg  da- 
Xiyxioßey. 

4)  TIsqI  fiev  xovxojy  iv  xoj  tcsqI  dyy{:).(t)v  ?.6ya)  TCQOiovorig  xr^g  yga<ftjg 
xaxcc  xuiQOv  öiaXeqofxed-a. 

b)  '^Onolog  yag  xaxa  xtjv  S^eojQlai'  hv  xolg  (pvCLXolg  /uexcc  xavxa   örjXwO^t]' 
aexai.  imn'  tcbqI  ytvLoecog  xoofiov  diakafjißdvEiv  aQcwfjitS^a. 


Clemens  Alexandrinus.  15 


Strom.  IV,  13,  93  ganz  deutlich,  daß  das  Thema  jcsq!  bvpiq  im  Fort- 
gang der  Untersuchung  an  die  Reihe  kommen  soll..  Auch  die 
Fassung  der  angekündigten  Themata  in  V,  13,  88  lautet  so,  daß 
man  an  weitere  Kapitel  desselben  Buches  zu  denken  geneigt  ist. 
Dasselbe  ist  an  anderen  Stellen,  namentlich  aber  VI,  3,  32  der  Fall. 
Zweitens  hat  er  richtig  bemerkt,  daß  nach  dem  Selbstzeugnis  des 
Clemens  die  Strom,  nicht  auf  den  Empfang  der  Gnosis  vorbereiten, 
sondern  sie  selbst  übermitteln  sollen.  Der  Satz  tavra  yvcoöTixTJg 
daxfjoecog  jtQoyvfivaOfiara  in  Strom.  IV,  21,  132  ist  von  Faye 
mißverstanden,  wenn  er  ihn  auf  Buch  I — IV,  statt  auf  den  §  131 
bezieht.  Auch  läßt  sich  aus  IV,  7,  53  nicht  mit  Faye  eine  drei- 
stufige Ethik  abstrahieren  (ebensowenig  in  §  57).  Ks  existiert  keine 
Stelle  in  den  Strom.,  die  man  zum  Beweise  benutzen  könnte,  daß 
die  Ausführungen  hier  durch  eine  noch  höhere  Stufe  zu  überbieten 
seien.  Drittens  hat  Heussi  das  Vorurteil,  daß  die  Strom,  ein 
besonderes  schriftstellerisches  Ungeschick  des  Clemens  zeigen  sollen 
und  Clemens  hier  seinen  eigentlichen  Zweck  immer  wieder  aus 
den  Augen  verliere,  widerlegt;  er  hat  gezeigt,  wie  die  eigentüm- 
liche innere  Haltung  des  Gnostikei^s  dem  „Lehrer"  gegenüber  kein 
anderes  Verfahren  zulasse  als  das  in  den  Strom,  befolgte,  oder 
doch  dieses  Verfahren  sehr  nahe  lege.  Viertens  hat  Heussi  die 
Beobachtung  de  Fayes,  daß  Strom.  V — VII,  bez.  VI  und  VII  ein 
etwas  anderes  Aussehen  haben  als  I— IV,  durch  den  Nachweis,  daß 
sie  zeitlich  von  jenen  getrennt  sind  und  der  Schriftsteller  durch  die 
Veröffentlichung  des  Pädag.  teilweise  entlastet  ist,  besser  erklären 
können  als  Faye  selbst.  Die  Aufgabe,  den  Logos  als  Didaskalos 
in  Wirksamkeit  zu  setzen,  tritt  nun  reiner  und  deutlicher  hervor 
als  in  den  ersten  Büchern.  Endlich  führt  Heussi  abschließend 
den  Beweis,  daß  die  Strom,  der  „Lehrer''  sind,  unter  besonderer 
Verweisung  auf  VII,  18, 1 10  (vgl.  auch  I,  14. 15.  20. 55.  5G.  IV,  4.  (i.  7. 
VI,  1.  2.  VII,  111)  und  widerlegt  die  auf  eine  falsche  Interpretation 
von  Pädag.  I,  1,  1  sich  stützende  Gegenthese.  Ergebnis:  Clemens 
hat  ein  Werk  unter  dem  Titel  „Der  Lehrer"  nie  schreiben  wollen; 
die  Strom,  sind  „Der  Lehrer". 

Aus  diesen  Nachweisungen  ergibt  sich  folgendes  Bild:  Cle- 
mens hat  zuerst  in  der  Form  der  xara  tjjv  aXfjO^tj  (pclooorplav 
yvcoöTixciv  vjtofivrjfidzfDV  aTQtDfiaxElg  die  Einweihung  in  die  Gnosis 
bieten  und  damit  den  XoyoQ-öiödoxaloQ  in  Tätigkeit  setzen  wollen. 
Nach  Vollendung  der  vier  ersten  Bücher  hat  er  seinen  Plan  geändert 
und  die  Ethik  (den  XoyoQ  jtaiöaymyoii)  besonders  dargestellt  ■—  es 
ist  der  glänzendste  Abschnitt  in  Heussis  gehaltvoller  Abhandlung, 
der  dem  Nachweis  gewidmet  ist,  daß  der  Pädagog  nicht  der  Stufe 
der  Pistis  und  dem  gemeinen,  in  seinen  Grenzen  bleibenden  Christe^i 


15  1^16  Litteratur  des  Morgenlandes. 

gilt,  sondern  sich  an  solche  Pistiker  richtet,  die  zu  Gno- 
stikern  bestimmt  sind  (S.  429—512).  Der  Pädagog  bezeichnet 
also  nicht  einen  Rücktritt  auf  eine  niedere  Stufe  des  Unterrichts, 
sondern  faßt  dieselbe  Aufgabe,  der  die  Strom,  gewidmet  sind, 
nur  von  einer  andern  Seite,  an.  Nach  Vollendung  des  Pädagog 
ist  Clemens  zu  den  Strom,  zurückgekehrt,  d.  h.  er  hat  die  posi- 
tive Seite  der  Sache  nun  reiner  und  sicherer  zur  Darstellung 
bringen  können  unter  Festhalten  an  dem  methodischen  Prinzip, 
die  litterarische  Propaganda  für  die  Gnosis  in  den  weitesten  Kreisen 
nicht  anders  zu  treiben  als  durch  „Vermischte  Aufsätze".  Was 
alles  in  denselben  noch  besprochen  werden  sollte,  zeigen  die  An- 
kündigungen (s.  0.).  Sowohl  das,  was  er  wirklich  besprochen  hat, 
als  auch  jenes  Angekündigte  gehört  durchaus  in  den  Rahmen  des 
Xoyoq'ÖLÖaöxaXoq  hinein.  Dieser  aber  ist  nicht  die  Oberstufe  zum 
Xoyoq-jtaidaycDyoq^  sondern  beide  gehören  zusammen,  wobei  einzu- 
räumen ist,  daß  der  Pistiker,  der  zum  Gnostiker  bestimmt  ist,  zu- 
erst auf  die  Stufe  des  jcai6ay(DYovfi£vog  zu  treten  hat.  Im  Grunde 
aber  sind  „Pädagog"  und  „Lehrer"  nicht  zu  trennen,  bedingen  und 
steigern  sich  gegenseitig.  Die  ajtXcog  jtiarol,  die  es  bleiben,  sind 
überhaupt  nicht  unter  ihren  Einfluß  zu  bringen;  sie  unterstehen 
der  Autorität  und  treten  aus  ihrem  Rahmen  nie  heraus. 

Diese  Feststellung  der  Denkweise  und  Absichten  des  Clemens 
legt  somit  der  aus  äußeren  Gründen  festgestellten  Annahme,  daß 
Strom.  I— IV  vor  dem  Pädagog  geschrieben  sind,  kein  Hindernis 
in  den  Weg.  An  irgendeinem  Punkte  des  großen  Lebenswerkes, 
der  Strom.,  konnte  Clemens  die  Darstellung  unterbrechen  und  eine 
Art  von  systematischer  Ethik  entwerfen.  Höchst  wahrscheinlich 
hat  er  das  nach  Beendigung  des  4.  Buches  getan. 

Die  Jagd  nach  den  Quellen  und  die  Mode,  den  Originalquellen 
womöglich  abgeleitete  unterzuschieben,  hat  zu  ungerechten  Ur- 
teilen über  die  Gelehrsamkeit  des  Clemens  geführt.  Wo  wir  klar 
sehen  können,  nämlich  in  sein  Verhältnis  zur  christlichen  ürlitte- 
ratur,  erweist  er  sich  als  grundgelehrter  Mann,  der  auf  die  Ori- 
ginalquellen zurückgeht.  Seine  Belesenheit  hier  ist  außerordent- 
lich groß.  Die  Schriften  der  sog.  apostolischen  Väter,  die  Didache, 
die  weitschichtige  gnostische  Litteratur  sind  ihm  vertraut;  Tatian, 
Melito,  Irenäus  hat  er  gelesen;  die  ,.traditiones"  über  Apostel,  so- 
weit sie  schon  schriftlich  fixiert  waren,  und  die  bisherigen  chrono- 
logischen ßemüliungen  sind  ihm  bekannt;  seine  Bibelkenntnis  ist 
virtuos  und  selbständig.  Es  wird  wohl  nicht  anders  in  bezug 
auf  die  klassische  Litteratur  stehen;  natürlich  mag  er  hier  auch 
manchem  Kompendium  gefolgt  sein;  aber  wer  wird  ihm  die  Lek- 


Clemens  Alezandrinus.  X7 

türe  der  philosophischen  Hauptwerke  des  Altertums  absprechen 
dürfen !  ^ 

Es  erübrigt  noch,  eine  Reihe  litterarischer  Einzelfragen  zu  be- 
sprechen. 

Acht  Bücher  Stromateis  legt  dem  Clemens Eusebius  bei  (ebenso 
Photius  und  die  Sacra  ParalL).  Daß  unter  dem  8.  Buch  des  Euse- 
bius und  der  anderen  jemals  etwas  anderes  verstanden  worden  ist 
als  das  Stück,  welches  auch  in  der  einzigen  Handschrift  der  Strom, 
als  8.  Buch  bezeichnet  ist,  ist  ganz  unwahrscheinlich  2.  Dieses 
Stück  aber,  obschon  es  von  Clemens  herrührt,  ist  gewiß  nicht  von 
ihm  selbst  als  8.  Buch  bezeichnet  worden.  Das  beweist  sein  ge- 
ringer Umfang,  sowie  der  Inhalt,  der  Exzerpte  aus  heidnisch- 
philosophischen Werken  darstellt^.  Nun  aber  finden  sich  in  der- 
selben Handschrift  noch  zwei  weitere  Stücke,  nämlich  ebenfalls 
Konvolute  von  Exzerpten  unter  den  Titeln  ^Ex  rcov  Oeoöorov* 
xal  dpazokiXTJg  xajLovfievTjg  dtöadxaXlaq  xaxa  rovg  OvaZevrlvov 
XQovovg  ijtiTOfial  und  ^Ex  rmp  jtQotpriTcop  kxXoyai^.    Der  clemen- 


1)  Daß  er  gründliche  Vorstudien  für  seine  Werke  gemacht  hat,  zeigt  auch 
das  sog.  S.  Buch  der  Strom.,  sowie  die  Kzcerpta  ex  Theodoto  und  die  Eclogae, 
s.  u.  Man  sieht  hier  in  die  pünktliche  Arbeitsweise  des  Clemens  hinein;  er  hat 
sich  große  Auszüge  in  sauberer  Form  angelegt  und  sie  bereits  mit  kurzen 
kritischen  Bemerkungen  ausgestattet,  die  er  später  ausführen  wollte.  Clemens' 
Exzerpte  in  den  Strom,  und  in  den  Exzerpten* Eon voluten  sind  die  beste  Quelle 
für  die  klassische  Zeit  des  Gnostizismus,  die  wir  überhaupt  besitzen.  Die  in 
koptischer  Sprache  erhaltenen  gnostischen  Denkmäler  sind  Quellen  zweiten 
Ranges,  und  die  bei  TertuUian  und  Hippolyt  erhaltenen  Stücke  können  mit 
•  denen,  die  uns  Clemens  aufbewahrt  hat,  den  Vergleich  nicht  aushalten.  Nur 
für  Marcion  bietet  Clemens  wenig.  Es  ist  nicht  auffallend,  daß  dessen  Lehre 
ihn  weniger  interessiert  hat.  Was  die  profanen  Quellen  des  Clemens  betrifft, 
so  haben  Hiller  (Hermes  Bd.  21  [1880]  S.  126ff.),  Wendland  (vv.  IL), 
Scheck  (De  fönt.  Clem.  AI.,  Augsburg  1881))«  Eremmer  (De  catalog.  heuremat., 
Leipzig  18J)0),  Wendling  (De  peplo  AristoteL,  Straßburg  1891),  Michaelis 
(1.  c),  Schlatter  (L  c),  de  Faye  (1.  c.)  u.  a.  Vorarbeiten  geliefert.  Stählin s 
Ausgabe  ist  abzuwarten. 

2}  Schon  Acacius  v.  Cäsarea  kennt  das  Stück  als  8.  Buch.  Die  SS.  ParalL 
halten  es  sowie  die  gleich  zu  nennenden  Exzerpte  ebenfalls  für  das  8.  Buch. 
Dazu  vgl.  Photius,  Bibl.  101,  abgedruckt  im  ersten  Teil  dieses  Werkes  S.  298. 

3)  S.  V.  Arnim,  a.  a.  0.  p.  Off.  Der  Anfang  ist  lückenhaft.  Daß  das 
Stück  nicht  wirklich  das  8.  Buch  ist,  geht  auch  daraus  hervor,  daß  für  dieses 
(Strom.  VII,  15,  89)  ein  ganz  anderer  Inhalt  angekündigt  ist. 

4)  Dieser  Theodotus  ist  nicht  sicher  zu  bestimmen  oder  vielmehr  unbe- 
kannt. 

5)  Dieser  Titel  ist  g^anz  willkürlich.  Die  Sammlung  stellt  ebenso  Auszüge 
aus  häretischen  Schriften  und  aus  Auslegungen  der  h.  Schriften  dar,  wie  die  Exe. 
ex  Theodoto. 

Harnack,  AltchristL  Litteraturgescli.  II,  2.  2 


18  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

tinische  Ursprung  dieser  Exzerpte  kann  nicht  sicher  bewiesen 
werden,  aber  nichts  spricht  gegen  denselben*.  Alle  drei  Stücke 
für  Reste  (i  h.  für  von  einem  dritten  angefertigte  Exzerpte)  eines 
verlorenen  8.  Buches  zu  erklären  (so  Zahn,  Forsch.  III,  S.  104 flf.), 
ist  eine  recht  unwahrscheinliche  Hypothese.  Warum  ist  nur  dieses 
Buch  exzerpiert  und  zertrümmert  worden?  Wer  hatte  in  der 
Folgezeit  ein  Interesse  daran,  nur  das  Heidi^ische  und  Häretische 
zu  exzerpieren,  die  Widerlegungen  aber  beiseite  zu  lassen? 
Welche  Vorstellung  sollen  wir  uns  von  dem  Inhalt  und  Umfang 
des  Buches  machen,  wenn  diese  drei  Stücke  einträchtig  in  ihm  ge- 
standen haben?  Viel  näher  liegt  die  Annahme  Arnims 2,  daß 
Clemens  ein  8.  Buch  nie  veröffentlicht  hat,  daß  wir  aber  in  den 
erhaltenen  drei  Stücken  Vorarbeiten  für  dasselbe,  bez.  für  weitere 
Publikationen  dieses  Autors  zu  erkennen  haben.  Die  Exzerpte 
sind  nicht  aus  seinem  Buch  gemacht,  sondern  er  hat  sie  für  ein 
Buch  gemacht.  Die  Vermutung  Arnims  ist  ansprechend,  daß 
der  Tod  ihm  die  Ausarbeitung  verwehrt  hat^. 


1)  Die  beiden  Konvolute  gehören  jedenfalls  demselben  Exzerptor  an,  da 
sie  sich  ähnlich  sind.  Die  Widerlegungen  sind  spärlich  und  nur  angedeutet. 
Also  läßt  sich  ein  sicherer  Beweis  für  ihren  clementinischen  Ursprung  nicht 
führen.    Aber  das  Wenige  zeigt  die  Art  des  Clemens. 

2)  Man  verdankt  ihm  a.  a.  0.  unter  anderem  auch  eine  gute  Analyse  der 
Eclogae  proph.  Vorgearbeitet  in  bezug  auf  die  richtige  Auffassung  des  sog. 
8.  Buches  hatte  Rüben  (Excerpta  ex  Theodoto .  Bonn  1892),  indem  er  die 
Exe.  ex  Theodoto  für  Exzerpte  des  Clemens  selbst  erklärte.  Auch  Lipsius 
(Lit.  Ceiitr.-Bl.  1885  S.  231ff.)  und  Neumann  (Theol.  Lit.-Ztg.  1885  Kol.  533ff.) 
haben  die  Zahnsche  Hypothese,  die  drei  Konvolute  seien  Exzerpte  eines  Spät-eren 
aus  dem  vollendeten  8.  Buch,  beanstandet.  Textkritisches  zu  den  Exe.  ex 
Theodoto  s.  bei  Brooke,  Texts  and  Stud.  I,  4  (1891)  S.  105 f.  Über  das,  was 
in  diesen  Exzerpten  dem  Clemens  selbst  gehört,  s.  Zahn,  Forsch.  IIT,  117 f. 
]22ff.  u.  Gesch.  des  NTlichen  Kanons  II  S.  9G1  ff. 

.'))  Ist  die  Arnim  sehe  Hypothese  richtig  —  und  ich  weiß  nichts  gegen  sie 
einzuwenden  — ,  so  folgt  (s.  Arnim  p.  9.  1.')),  daß  Freunde  nach  dem  Tode  des 
Clemens  die  Exzerpte  mit  den  vollendeten  sieben  Büchern  herausgegeben  haben, 
wodurch  jene  zu  der  Bezeichnung  ,,S.  Buch"  gekommen  sind.  Von  hier  aus 
läßt  sich  das  .sehwankende  Schicksal  der  Bücher  in  bezug  auf  ihren  Schluß, 
wie  es  Photius  Cod.  111  konstatiert,  leicht  erklären.  Haben  die  Freunde  den 
^^chon  publizierten  7  Büchern  die  Exzerpte  nachgesandt?  Haben  auch  sie  viel- 
leicht erst  Buch  V — \ll  und  mit  ihnen  die  Exzerj)te  veröffentlicht?  Das  läßt 
sich  nicht  entscheiden.  Jedenfalls  ist  es  Clemens  nicht  vergönnt  gewesen,  die 
angekündigte  Fortsetzung  seines  großen  Werkes,  die  noch  tiefer  und  höher 
führen  sollte,  zu  publizieren.  —  De  Faye  hat  die  Arnim  sehen  Nachweise 
akzeptiert,  glaubt  sie  aber  ^o  deuten  zu  müssen,  daß  die  drei  Exzerpten-Kon- 
volute  Vorarbeiten  für  den  geplanten  „Üidaskalos"  sind.  Da  aber  Clemens  einen 
solchen  „Didaskalos"  neben  den  Strom,  gar  nicht  geplant  hat.  so  ist  diese  An- 
nahme hinnillig.     In  den  Florilegien  finden  sich  einige  Zitate  aus  dem  8.  Buch, 


Clemens  Alexiiiiclrii»u><.  J9 

Der  Traktat  (die  Homilie)  Tlg  6  ooj^ofievoi;  jtXovoioq,  uns  durch 
den  Eskurialkodex  jetzt  besser  bekannt  als  früher,  von  Eusebius 
zitiert,  kann  leider  nicht  sicher  datiert  werden.  Den  Versuch  Zahns 
(Forsch.  III,  S.  3Sf.),  die  Abfassung  nach  den  Strom,  zu  beweisen,  hat 
Arnim  (S.  13  f.)  widerlegt.  Der  Versuch  stützte  sich  auf  die  angeb- 
liche Beobachtung,  eine  Schrift  jteQl  aQXOJP  xai  d^eokoyiag  sei  in  den 
Strom.  IV,  1, 1  angekündigt,  in  Quis  dives  26  als  geschrieben  vor- 
ausgesetzt. Allein  daß  die  Schrift  überhaupt  geschrieben  worden 
ist,  ist  deshalb  unerweislich,  weil  in  Quis  dives  an  der  betreifen- 
den Stelle  gar  nicht  auf  ein  Schriftwerk  hingedeutet  ist.  Quis 
dives  kann  daher  sehr  wohl  vor  den  Strom,  (bez.  den  letzten  Büchern 
derselben)  geschrieben  sein  und  wird  es  wohl  auch,  wenn  diese 
(s.  0.)  das  letzte  Werk  des  Clemens  sind. 

Ganz  besonders  zu  beklagen  ist  der  Untergang  der  Hypoty- 
posen;  die  ziemlich  reichlichen  Fragmente  trösten  nicht  über  den  Ver- 
lust. Eine  Gruppe  derselben,  die  lateinisch  erhaltenen  (1.  Teil,  S.  301  f. 
303—308),  sind  zudem  nur  bedingt  zuverlässig;  augenscheinlich  ist 
Vieles  in  ihnen  verwischt  und  durch  Kürzung  entstellt  worden, 
l'ber  die  Abfassungszeit  besteht  Streit.  Zahn  setzt  die  Hypoty- 
posen  nach  den  Strom.  Allein  die  Gründe,  auf  die  er  sich  stützt, 
sind  wiederum  von  Arnim  (p.  14 f.),  und  zwar  auch  hier  mit  Recht, 
zurückgewiesen  worden*.  Zahn  machte  (1)  das  Argumentum  e 
silentio  geltend:  Die  Hypot.  müßten  in  den  Strom,  erwähnt  sein, 
wenn  sie  schon  publiziert  gewesen  wären.  Allein  ein  solches  Argu- 
ment ist  an  sich  mißlich;  es  können  außerdem  sehr  wohl  (i runde 
für  Clemens  bestanden  haben,  die  ihm  die  Zurückverweisung  auf 
die  Hypot.  in  den  Strom,  widerrieten.  Nicht  nur  aus  der  Schilde- 
rung des  Photius  (Cod.  HO),  sondern  auch  aus  den  uns  erhaltenen 
Fragmenten  gewinnt  man  den  Einckuck,  daß  die  Hypot.  hetero- 
doxer  waren  als  die  Strom.  Daß  sich  aber  Clemens  allmählich 
heterodoxer  entwickelt  hat,  ist  nicht  wahrscheinlich'-.  Zahn  glaubte 
(2),  durch  Strom.  IV,  1,  2  werde  es  klar,  daß  die  Hypot  damals 
noch  nicht  erschienen  waren.  „Clemens  konnte  in  den  Strom,  nicht 
so,  wie  er  es  tut,  von  zukünftiger  Behandlung  der  (lenesis  und 


die  sich  in  dem  uns  überlieferten  8.  Buch  nicht  linden.  Sie  können  in  seinem 
verlorenen  Anfang  gestanden  haben.  Auch  ist  es  möglich,  daß  die  uns  über- 
lieferten 3  Exzerpten-Konvolute  nicht  alles  enthalten,  was  die  Freunde  aus  den 
Papieren  des  Clemens  veröffentlicht  haben  und  wiis  dann  „8-  Buch"  genannt 
worden  ist.    Hat  man  doch  auch,  wie  Photius  bezeu^rt,  ..,Qwis  dives"  so  genannt. 

1)  De  Faye  (a.  a.  0.  p.  llüf.)  hat  ihm  beigestimmt. 

2)  Das  Umgekehrte  ist  doch  wohl  anzunehmen:  der  Presbyter  Clemens 
wird  vom  £ntwicklang8gang  der  Kirche  beeinflußt  worden  sein ;  in  diesem  aber 
wurden  die  doketischen  und  gnoatischen  Elemente  immer  mehr  zurückgedrängt. 


o  * 


20  ^^6  Litteratur  des  Morgenlandes. 

von  einer  der  Reihenfolge  der  biblischen  Schriften  nachgehenden 
Darstellung  ihres  Inhalts  reden,  wenn  damals  die  Hypot.  schon  ge- 
schrieben waren,  in  welchen  eben  dies  geleistet  ist."  Dem  gegen- 
über hat  Arnim  gezeigt,  daß  an  der  betreffenden  Stelle  in  den 
Strom,  etwas  ganz  anderes  angekündigt  ist,  als  was  die  Hjrpot 
bieten.  Beweisen  diese  Argumente  also  nichts,  so  tritt  die  oben 
angeführte  Erwägung  in  Kraft,  daß  die  Hypot.  heterodoxer  sind 
als  die  Strom.  Ferner  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  aus  der  Angabe 
des  Eusebius  (h.  e.  VI,  13;  V,  11)  zu  folgern  ist,  Clemens  habe  bei 
Abfassung  der  Hypot  noch  in  einem  engeren  Verhältnis  zu  Pan- 
tänus  gestanden,  als  bei  der  der  Strom.  Endlich  legte  sich  aus 
den  Beobachtungen,  die  oben  in  bezug  auf  das  sog.  8.  Buch  an- 
gestellt worden  sind,  die  Schlußfolge  nahe,  daß  Clemens  durch 
den  Tod  an  der  Vollendung  bez.  Weit^rführung  der  Strom,  gehindert 
worden  ist>  daß  die  Beschäftigung  mit  ihnen  also  seine  letzte  Lebens- 
arbeit bildete.  Denkbar  wäre  es  ja,  daß  er  die  Hypot  zwischen 
Buch  7  und  dem  zu  schreibenden  8.  eingelegt  hat,  aber  die  An- 
nahme ist  doch  prekär.  Diese  Gründe  zusammengenommen,  ist  es 
überwiegend  wahrscheinlich,  daß  die  Hypot  als  ein  älteres  Werk 
des  Clemens  zu  betrachten  sind^  Die  gänzlich  in  der  Luft  schwe- 
bende Hypothese,  die  Hypotyp.  seien  ein  Bestandteil  der  Strom., 
lasse  ich  beiseite.  Die  Hypot.  waren  ein  großes  exegetisch-histo- 
risches Werk  zur  Bibel.  In  diesem  Zusammenhange  ist  die  Mit- 
teilung des  Anastasius  Sin.  vielleicht  interessant  (Pitra,  Anal.  IL 
p.  208),  Clemens  habe  Bibelhandschriften  in  Stichen  abgeteilt  2. 

Die  von  Eusebius  genannte,  verlorene  Schrift  des  Clemens  IleQl 
Tov  jidöxa  anlangend,  hat  uns  von  der  Goltz  (Texte  u.  Unters. 
Bd.  17,  H.  4  S.  4 8  f.)  mit  einem  neuen  Fragment  aus  einem  Athos- 
Kodex  beschenkt  (zu  IJoh.  4,  3)^.    Die  Schrift  war  aus  Anlaß  der 


1)  Sie  können  beträchtlich  älter  sein  als  Strom.  I— IV.  Man  vergesse  nicht, 
daß  die  beiden  ältesten  Zeugen  für  Clemens,  Julius  Africanus  und  Hippolyt», 
ihn  zu  den  Schriftstellern  in  der  Zeit  des  Commodus  rechnen  (s.  o.  S.  O). 

2)  Dazu  vgl.  die  im  1.  Teil  dieses  Werkes  Prolegg.  p.  XXXI V  gemachte 
Mitteilung,  nach  welcher  in  einer  armenischen  Quelle  Clemens  als  Autorität  für 
eine  bestimmte  Reihenfolge  der  Paulusbriefe  zitiert  wird.  Wahrscheinlich  ist 
aber  darauf  nichts  zu  geben.  Wäre  die  Nachricht  zuverlässig,  so  hätte  Clemens 
den  3.  Korintherbrief  (aus  den  Acta  Pauli)  gekannt  und  anerkannt.  Aber  eben 
dies  —  um  von  anderem  zu  schweigen  —  macht  die  Sache  verdächtig. 

3)  Wir  erfahren,  daß  Clemens  [ßv  tw  negl  tov  ndaxct  ).6yit)),  Origenes  und 
Irenäus  1  Joh.  4,  3  nicht  /jiy  6/jio).oyH,  sondern  ?,vfi  gelesen  haben.  Diese  Les- 
art, die  bisher  nur  in  lat.  Handschriften  und  bei  lat-einischen  Vätern  von  Ter- 
tullian  an  nachgewiesen  war  (doch  hat  Socrat.,  h.  e.  VII,  32  bezeugt,  daß  die 
alten  griechischen  Mss.  sie  aufgewiesen  haben),  erscheint  nun  mit  einem  Schlage 
treff'lich  bezeugt;  doch  a.  Polyc.  ad  Philipp.  7. 


Clemens  Alexandrinus.  21 

gleichlautenden  des  Melito  geschrieben  und  berücksichtigte  auch  den 
I  renäus  (Euseb.,  h.  e.IV,26, 4 ;  VI,  13,  3)  K  Die  Angabe  des  Eusebius,  daß 
Clemens  in  dieser  Schrift  ixßiaoO^^vac  ofioXoysl  jtQog  zmv  tzalgcop, 
ag  STVxe  ytaga  räv  aQXCiloov  JtQtoßvxiQwv  axtpcomq  JtaQaöooeig  YQatp^ 
Totg  fisza  tavxa  jtaoadovvac,  bestätigt  nur,  daß  nach  dem  Sinne 
des  Clemens  solche  Überlieferungen  im  Grunde  überhaupt  nicht 
aufgezeichnet  werden  sollen  oder  doch  nur  in  besonderen  Fällen 
und  mit  großer  Vorsicht  Die  Zeit  der  Schrift  ist  unbekannt;  aber 
am  nächsten  liegt  es,  sie  auf  die  Zeit  zu  datieren,  in  der  der 
Passahstreit  sich  abgespielt  hat,  also  auf  den  Anfang  der  neunziger 
Jahre.  Gegen  die  Quartodezimaner  ist  Clemens  in  ihr  aufgetreten 
(vgl.  Euseb.,  h.  e.  V,  25).  Es  ist  ein  Beweis  für  die  Wichtigkeit  der 
Frage,  daß  der  „Philosoph"  Clemens  in  den  Streit  eingegriffen  hat 
Die  in  einem  vatikanischen  Kodex  (s.  T.  I  S.  300)  dem  Clemens 
beigelegte  \4jt66ei$,ig  jtaQi  xov  jtaoxa  [so,  nicht  etg  ro]  ist  unecht; 
der  Titel  erinnert  an  den  Titel  einer  hippolytischen  Schrift  (s.  dort)  2. 

Die  Schrift  Kapcov  ixxXijöiaorixog  tj  JtQog  rovg  ^lovödtC^ovxag 
(Euseb.),  die  dem  Freunde  Alexander  gewidmet  war,  gehört  eben 
deshalb  schwerlich  noch  in  die  alexandrinische  Zeit  des  Clemens. 
Das  eine  erhaltene  Fragment  läßt  den  Charakter  der  Schrift  nicht 
sicher  erkennen.  Gewiß  war  sie  nicht  gegen  die  Juden  gerichtet  \ 
wahrscheinlich  gegen  solche  Christen,  welche  das  Eecht  der  pneu- 
matischen Exegese  zugunsten  der  buchstäbelnden  beanstandeten. 
Wäre  auch  sie  wie  die  Schrift  IltQi  xov  Jtaaxa  eine  Kampfschrift 
gegen  die  Quartodezimaner  (Zahn,  Forsch.  111,  S.  39),  so  wäre  der 
Ausdruck  Kava>v  IxxjiTjaiaoxixog  befremdlich;  auch  spricht  das 
wahrscheinliche  Datum  der  Schrift  gegen  diese  Beziehung;  denn 
im  ersten  Jahrzehnt  des  3.  Jahrh.  ruhte  u.  W.  der  Streit  mit  den 
Quartodezimanern. 

Die  beiden  Predigtsammlungen  [öiaXi^eig),  die  Euseb.  (h.  e.  VI,  1 3) 
nennt  {IlBQi  vr/oxslag  und  IIsqI  xaxaXaXiäg).  sind  spurlos  -ver- 
schwunden; denn  daß  eines  oder  das  audere  der  titellosen  Clemens- 
fragmente zu  ihnen  gehörte,  läßt  sich  nicht  beweisen.  Ob  Clemens 
in  den  Predigten  jt^qI  xaxaXaXiäg  auf  die  Verleumdungen  (Vor- 
würfe) eingegangen  ist,  denen  der  Gnostiker  und  der  christliche  Ge- 
lehrte seitens  der  Pistiker  und  Idioten  ausgesetzt  war  (s.  die  ver- 
steckten und  offenen  Klagen  in  den  Strom,  n.  die  Selbstverteidi- 
gung des  Origenes,  auch  des  Tertullian  und  Hippolyt),  bleibt  un- 

1)  Irenäas  ist  auch  in  den  Strom,  ausgeschrieben,  vgl.  VII,  18,  100  mit 
Iren.  V,  8. 

2)  Eine  Zusammenschweißung  von  Clementinis^chem  und  Hippolytischem 
findet  sich  auch  sonst  (s.  Zahn,  Forsch.  III  S.  M). 

3)  So  de  Faye  (a.  a.  0.  p.  42),  aber  'lovöaiZo vtfg  sind  nicht  Juden. 


22  I^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

gewiß.  Die  Fastenfrage  ist  durch  den  Montanismus  (sekundär  auch 
durch  die  Quartodezimaner)  und  durch  die  Enkratiten  angeregt 
worden.  Beide  Predigtsammhmgen  gehören  wohl  in  die  Zeit,  da 
Clemens  als  alexandrinischer  Presbyter  sich  genötigt  sah,  auf  solche 
Fragen  vor  der  Gemeinde  einzugehen.  Doch  können  sie  auch  aus 
der  Zeit  stammen,  da  er  die  verwaiste  Gemeinde  in  Cäsarea  Kapp, 
„stärkte  und  vermehrte".  Seiner  Tätigkeit  als  Presbyter  ist,  wie 
der  Titel  deutlich  lehrt,  die  ebenfalls  von  Eusebius  (1.  c.)  genannte 
und  verlorene  Schrift  V)  jtQOTQtJtrixog  jtQog  vjtofiovfjv  ?}  jtqoq  tovc 
vecoörl  ßeßajtziOfitPovQ  zuzuweisen*. 

Weder  eine  besondere  Schrift  IleQl  hyxQaxelaq  {koyoq  yafiixog) 
hat  Clemens  geschrieben  (s.  o.  S.  9f),  noch  hat  er  einen  Traktat 
IIsQi  dQX(5v  xal  O^soXoyiag  wirklich  verfaßt  Auch  die  anderen 
von  ihm  angekündigten  Abhandlungen  ^  waren  entweder  sämtlich 
oder  teilweise  als  Abschnitte  der  Strom,  gemeint  und  sind  höchst- 
wahrscheinlich nicht  erschienen  (s.  o.  S.  13  if.). 

Erst  im  7.  Jahrhundert  wird  dem  Clemens  von  Maximus  Conf. 
und  Anastasius  Sinaita  eine  Schrift  IIcqI  jtQovolag  (bez.  nagt  jcqo- 
voiag  xal  dixaioxQioiag  Xoy.  a\  also  mindestens  zwei  Bücher)  bei- 
gelegt. Die  wenigen  Fragmente  (philosophisch-theologische  Defini- 
tionen und  eine  Auslegung  zur  Schöpfungsgeschichte)  enthalten 
nichts,  was  Clemens  nicht  geschrieben  haben  könnte,  aber  auch 
nichts,  was  seine  Autorschaft  verrät.  So  läßt  sich  keine  Sicher- 
lieit  gewinnen.  Ein  bisher  nicht  bekanntes  Clemensfragment  aus 
(lern  (od.  Anibros.  H  257  inf.  will  Barnard  ^  auf  diese  Schrift  zu- 
rückfuhren. Daß  Clemens  Elg  ro2^  :rQ0(f7iTi}v  Uticog  geschrieben 
hat,  wird  man  nicht  für  sicher  halten  können,  da  nur  Palladius 
(s.  den  J.  T.  dieses  Werkes  S.  303)  es  bezeugt.  In  den  SS.  Parall.^ 
finden  sich  2  Zitate  mit  demselben  Lemma:  KXrjuevrog  orQcofuc- 
Ttcog  ix  Tyg  xa  tJcioroX^jg  und  ein  Zitat:  E/Jjfisvzog  iTriOroXi]-'. 
Die  Zitate  sind  des  Clemens  nicht  unwürdig;  eine  Briefsamuilung 
des  Clemens  aber  auf  sie  zu  bauen,  ist  unsicher. 

Ob  das  dem  Pädagog  angehängte  „Fischerlied"  (Titel:  v^ivog 
Tov  örozTjQog  Xqiotov)  dem  Clemens  gebührt,  ist  zweifelhaft.     An 


!•  Ein  Fragment  glaubt  Barnard  gefunden  7ai  haben  (Texts  and  Stud.  V,  2 
ISDT}  p.  47 if.)  in  einem  frülier  nicht  bekannten  Clemens-Stück. 

2)  8.  die  Titel  im  1.  Teil  dieses  Werkes  S.  3()8f.  Eusebius  (h.  e.  VI,  13,  8, 
hat  in  den  Strom,  eine  Schrift  Elg  ttjv  FhiOLv  angekündigt  gefunden;  er  hat 
die  Stellen  III,  II,  1)5  u.  VI,  18,  lOS  mißverstanden. 

o)  a.  a.  0.  p.  50. 

4)  Holl  in  d. 'Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  2  (I89!i)  S.  120 f. 

5)  Das  erste  Lemma  lindet  sich  in  Zitat  I  nur  in  R,  in  Zitat  II  nur  in  OA, 
das  zweite  Lemma  nur  in  PM. 


Judas,  Chronograph.  —  Deinetriuö,  Bischof  von  Alexamlrien.  23 

diese  Stelle  gehört  es  sicher  nicht,  wie  die  Überschrift  und  der 
mangelnde  Zusammenhang  mit  den  Ausführungen  im  Pädagog  be- 
weisen. Das  handschriftliche  Zeugnis  für  den  clenientinischen  Ur- 
sprung geht  nicht  hoch  hinauf.  Material  in  bezug  auf  die  Ver- 
gleichung  mit  den  echten  Schriften  des  Clemens  bietet  das  Gedicht, 
soviel  ich  sehe,  nicht  Doch  ist  der  hohe  Schwung  des  Liedes  für 
Cl.  nicht  unpassend.  Ein  halbes  Jahrhundert  nach  Clemens  hat 
sich  der  ägyptische  Bischof  Nepos  als  Dichter  geistlicher  Lieder 
bekannt  gemacht  (s.  Dionysius  bei  Euseb.  h.  e.  VII,  24).  Der  an- 
gehängte Hymnus  dg  top  Jtaiöaycoyov  ist  wohl  von  Arethas  (s.  Stäh- 
lin, Unters,  üb.  d.  Schollen  z.  Cl.  AI.,  1897,  S.  48). 

Über  die  Echtheit  der  ziemlich  zahlreichen,  nur  mit  dem  Namen 
„Clemens"  oder  „Clemens  Strom."  bezeichneten  Fragmente  kann  hier 
nicht  gehandelt  werden.  Sie  sind  übrigens  alle  so  gut  wie  wertlos, 
und  Sicherheit  ist  kaum  bei  einem  einzigen  zu  gewinnend 

2)  Judas,  Chronograph. 

Wir  wissen  über  diesen  Mann  nicht  mehr,  als  was  uns  Euseb. 
h.  e.  VI,  7  mitgeteilt.  Hiernach  hat  im  10.  J.  des  Severus  (202/3)  ein 
Christ.  Namens  Judas,  unter  den  Schrecken  der  Verfolgung  ein 
W^erk  Elg  rag  jtaQa  xm  Aavi7]X  tßöo^fjxovra  ißöofiaöag  geschrieben 
und  die  Ankunft  des  Antichrist  als  nahe  bevorstehend,  nach  Daniel, 
verkündigt.  Wo  er  geschrieben  hat,  wissen  wir  nicht;  denn  Eu- 
sebius  selbst  wußte  es  nicht.  Die  Stellung  zwischen  den  alexan- 
drinischen  Autoren  läßt  lediglich  vermuten,  daß  er  zu  diesen  gt^- 
hört.  Ob  Hippolyt  ihn  (im  Komm.  z.  Daniel)  gekannt  hat,  läßt  sicli 
auch  nicht  ausmachen;  zitiert  hat  er  ihn  nicht.  Schlatter's  Ver- 
such (Texte  u.  Unters.  Bd.  12,  H.  1),  das  Werk  des  Judas  auf  das 
10.  Jahr  des  Pius  zu  stellen  und  mit  einer  chronographischen 
Quelle  des  Clemens  zu  identifizieren,  ist  gescheitert  (s.  den  1.  Band 
dieses  Teils  S.  223  if.  406  flF.). 

3)  Demetrius,  Bischof  von  Alexandrieu  (188,9-231  [232]). 

Die  Zeit  des  Demetrius  ist  im  ersten  Band  dieses  Teils 
(S.  202  flf.  205)  und  das,  was  wir  über  ihn  wissen,  im  1.  Teil  dieses 
Werks  (S.  330 if.)  festgestellt  worden.    Da  er  außer  Briefen  nichts 

1)  In  der  Bibliothek  des  Klosters  S.  Salvatoro  zu  Messina  befand  sich  nach 
einem  Katalog  v.  J.  1563  (s.  Batiffol,  Rossano,  1801,  p.  141)  ein  Codex  „Cle- 
menüs  Alexandrini  onomata".  Das  ist  keine  Verschreibung  für  „Stromata*', 
sondern  ein  unechtes  etymologisches  Werk.   S.  auch  ßarnard,  1.  c.  V,  2  p.  50  ff. 


24  I^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

geschrieben  hat  (man  kann  ihn  nicht  ffir  „den  h.  Demetrius"  halten, 
unter  dessen  Namen  Pitra,  Anal.  11,  p.  345f.  ein  Fragment  elg  xov 
aeio/dov  publiziert  hat;  denn  die  Bezeichnung  „Bischof  von  Alexan- 
drien"  fehlt),  diese  Briefe  sich  aber,  soweit  wir  sie  kennen,  lediglich 
auf  die  Passahfrage  und  die  Geschichte  des  Origenes  bezogen 
haben  ^  so  können  wir  hier  über  ihn  hinweggehen.  Nach  vielleicht 
glaubhafter  koptischer  Nachricht  ist  Demetrius  105  Jahre  alt  ge- 
storben, also  im  J.  126  geboren.  Er  war  somit  älter  als  Irenäus. 
Man  begreift  es,  daß  dieser  Christ  aus  einer  alten  Generation  den 
Origenes  nicht  zu  ertragen  vermochte,  auch  wenn  er  nicht  ehrgeizig 
und  neidisch  war. 


4)  Heraklas,  Bischof  von  Alexandrien  (231  [232]-247  [248]).^ 

Auch  er  ist  schwerlich  Schriftsteller  gewesen  (über  einen 
„Kanon"  von  ihm  s.  Dionysius  Alex,  bei  Euseb.,  h.  e.  VII,  7,  4) ;  aber 
im  Untei'schied  von  Demetrius  gehörte  er  ursprünglich  zu  den 
kirchlichen  „Gnostikern"  wie  Clemens,  Origenes  und  Dionysius. 
Er  ist  jedoch  der  erste  Theologe,  von  dem  wir  wissen,  daß  er  als 
Kirchenmann  die  Ideale  der  Wissenschaft  preisgegeben  oder  doch 
eingeschränkt  hat.  Origenes  (bei  Euseb.,  h.  e.  VI,  19)  rechtfertigt 
seine  Beschäftigung  mit  den  profanen  Wissenschaften  damit,  daß  er 
sie  nach  dem  Vorgang  des  Pantänus  und  Heraklas  getrieben  habe, 
„der  jetzt  im  Presbyterium  zu  Alexandrien  sitzt;  ihn  fand  ich  bei 
dem  Lehrer  der  philosophischen  Wissenschaften  (Ammonius),  dessen 
Zuhörer  er  schon  5  Jahre  lang  gewesen  war,  ehe  ich  nur  ange- 
fangen hatte,  jene  Vorträge  zu  hören  [Heraklas  ist  also  schwerlich 
lange  nach  d.  J.  170  geboren].  Er  legte  daher  auch  die  gewöhn- 
liche Kleidung,  welche  er  früher  getragen  hatte,  ab  und  zog  den 
Philosophenmantel  an,  den  er  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  bei- 
behält, sowie  er  auch  nicht  aufhört,  die  Bücher  der  Griechen  mit 
Eifer  zu  studieren"^.    Origenes  aber  imponierte  dem  Heraklas  so. 


1)  Zu  den  Stellen,  welche  von  Briefen  des  Demetrius  handeln,  ist  Orig,. 
('omm.  in  Joh.  T.  VI,  2  hinzuzufügen:  tneixa.  xov  ^yßgov  ntxgoxaxa  Tjfidiv 
itaxaoxQaxevaafXbvov  diu  xwv  xaivwv  avvov  yQa/bi/jidxwv  (gemeint  ist  der  von 
Demetrius  veranlaßte  Beschluß  der  2.  alex.  Synode  gegen  0.)  tivv  dkrj^wc 
^yßgwv  Tip  evayy€?.iü)  xal  ndvxag  xoig  iv  Alyvnxw  dvtfxovg  XTJg  71ovt]qI<xq  xaS^ 
i](ji(i)v  iySLQavxoq. 

'J)  Über  die  Zeit  s.  den  ersten  Band  dieses  Teils  S.  202ä'.  205,  sonst  meinen 
Art.  in  der  Protest.  REncykl.  3  Bd.  7  S.  092  f. 

3)  Das  Zeugnis  steht  in  einem  Brief  des  Origenes,  dessen  Zeit  leider  nicht 
zu  bestimmen  ist;  nur  so  viel  steht  fest,  daß  er  vor  231  i232)  geschrieben  ist; 
denn  Heraklas  war  noch  nicht  Bischof. 


Heraklas,  Biachof  von  Aloxandrien.  25 

daß  er  (und  sein  Bruder  Plutarch)  die  ersten  Schüler  des  jugend- 
lichen Lehrers  wurden  (Euseb.,  h.  e.  VI,  3).  Nun  wurde  er  Christ 
und  zeichnete  sich  als  wissenschaftlicher  Theologe  aus,  so  daß  er 
anfangs  an  Ruhm  mit  Origenes  wetteiferte.  In  seiner  Chronik 
(ann.  221)  erzählt  Julius  Africanus  (bei  Euseb.,  VI,  31),  daß  es  der 
Ruf  der  Gelehrsamkeit  des  Heraklas  gewesen  sei,  der  ihn  nach 
Alexandrien  gelockt  habe.  Origenes  übertrug  dem  H.  die  Leitung 
der  katechetischen  Vorschule  (Euseb.,  VI,  15).  Wahrscheinlich  ist 
die  Lehrweise  und  der  philosophisch-theologische  Standpunkt  des  H. 
dem  des  Origenes  wesentlich  ähnlich  gewesen,  aber  er  muß  es 
verstanden  haben,  den  Vorwürfen  auszuweichen,  die  das  Leben  des 
O.  verbitterten,  oder  er  hat  seine  Lehrweise  allmählich  dem  Be- 
kenntnis strenger  angepaßt.  Beweis  dafür  ist,  daß  ihn  Demetrius 
zum  Presbyter  erhoben  hat.  Vergebens  bemühte  sich  Origenes  in 
seinem  Streite  mit  dem  bejahrten  eifersüchtigen  Bischof,  sich  durch 
die  Berufung  auf  den  philosophischen  Presbyter  zu  schützen.  Dieser 
trat  nicht  für  den  Freund  und  Lehrer  ein,  sondern  ließ  ihn  fallen. 
Eusebius  hat  die  Verhältnisse  nicht  deutlich  gemacht,  aber  wir 
besitzen  andre  Zeugnisse,  die  sie  außer  Zweifel  stellen.  Schon  die 
Tatsache  spricht  laut  genug,  daß  Heraklas,  nachdem  Origenes  nach 
Cäsarea  gegangen  war,  Vorsteher  der  Katechetenschule  und  etwa 
ein  Jahr  darauf  Bischof  von  Alexandrien  geworden  ist  (Euseb.,  VI,  26). 
Ausdrückliche  Nachrichten  machen  es  aber  zweifellos,  daß  Heraklas 
direkt  Partei  gegen  0.  genommen,  ja  es  ist  wahrscheinlich,  daß 
er  ihn,  als  er  noch  einmal  nach  Alexandrien  zurückkehrte,  noch 
einmal  exkommuniziert  hat,  s.  Gennadius,  de  vir.  inl.  34  (sab  v. 
„Theophilus".  Theophilus  hat  in  einem  Schreiben  erklärt,  nicht 
er  sei  der  erste,  der  den  Origenes  verurteilt  habe,  „sed  ab  antiquis 
patribus  et  maxime  Heracia  fuisse  et  presbyterio  nudatum  et  de 
ecclesia  pulsum  et  de  civitate  fugatum") ;  das  Synodalschreiben  eines 
unter  Theophilus  gehaltenen  Konzils  ägyptischer  Bischöfe  in  der 
ep.  Justiniani  adMennam  (III,  p.  263  Hardouin,  cf  die  allerdings 
sonst  unzuverlässige Mystagogia  S.Alex.  beiRouth,  Eeliq. Sacr. ^ IV, 
p.  81:  ri  dh  bIjkd  HgaxXav  xai  Ar/fi/iTQiov  rovg  f/axaQiovg  ijri- 
oxojtovg,  oiovg  jtaiQaOfiovg  vjtköxrioav  vjto  rov  ^avevrog  ^SlQiyirovg); 
Vita  Pachom.  (Acta  SS.  14.  Mai  §  21  p.  30);  Photius  {^vpayo^ycd  xai 
ojiodei^eig  bei  Döllinger,  Hippolyt  u.  Kaliist,  S.  264 f.):  Heraklas 
hat  den  Bischof  Ammonius  v.  Thmuis  abgesetzt,  weil  er  den 
exkommunizierten  Origenes  in  seiner  Kirche  habe  predigen  lassen. 
Auch  die  Kopten  (Synax.,  8  Kihak,  Wüstenfeld  II,  S.  160)  wissen 
in  ihrem  Heiligenkalender  davon  zu  erzählen,  daß  Heraklas  und 
Origenes  sich  befehdet  haben. 


26  I^iß  Litteratur  des  Morgenlandes. 


5)  Origenes«^ 

Was  wir  über  und  von  Origenes  wissen,  verdanken  wir  fast 
ausschließlich  dem  Paniphilus  und  Eusebius.  Jener  hat  die  Werke 
desselben  gesammelt  —  es  waren  größtenteils  die  Handexemplare 
des  Origenes  mit  seinen  eigenhändigen  Bemerkungen  (Euseb.,  L  e. 
VI,  24,  3  und  Stellen  bei  Hieron.  u.  a.)  — ,  einige  selbst  abgeschrie- 
ben und  einen  Katalog  über  sie  verfaßt  (1.  c.  VI,  32;  der  Katalog 
umfaßte  auch  die  Schiiften  anderer  Autoren,  die  Pamphilus  für 
seine  Bibliothek  zusammengebracht  hatte).  Beide  haben  eine 
Apologie  für  Origenes  zusammen  geschrieben  z.  Z.  der  großen  Ver- 
folgung,   als  Pamphilus  im  Gefängnis  saß  (das  6.  Buch  ist  von 

ll  über  den  zweiten  Namen  (nicht  Ehrennamen)  „Adamantius"  s.  Euseb. 
VI,  14,  10;  Hieron.,  de  vir.  inl.  54;  Epiphanius,  haer.  (34, 1;  Unrichtiges  bei  Hieron. 
ep.  SH,  '^  [Photius  cod.  118]  und  Epiph.  haer.  (>4,  73.  Bis  zum  J.  1805  ist  die  neuere 
Litteratur  über  Origenes  von  Krüger  (Gesch.  der  altchristl,  Litteratur,  1S95) 
sorgfältig  vorzeichnet.  Die  wichtigsten  Arbeiten  sind  die  Origeniana  des  Hu  etius 
tlO<IS>,  Redeponnings  Origenes  (2  Bde.,  18-111),  Moellers  u.  Westcotts  Art. 
in  der  Prot.  KEncyklop.2  Bd.  11  8.  OL>ff.  bez.  im  Diction.  of  Christ.  Biogr.  Bd.  4 
S.  U()fl".  (das  überliefeiiingsgeschichtliche  Material  ist  in  dem  1.  Teil  dieses 
Werkes  S.  3M2ft'.  von  P reuschen  zusammengestellt).  Ich  füge  die  wichtigsten 
Kischinimugen  seit  dem  Jahre  1895  hinzu  (mit  Weglassung  der  von  Batiffol 
(MÜrrteii  Tnu't.  Orig.  ii.  der  dazu  gehörigen  Litteratur):  Mcrcati,  D'un  paliui- 
psi'.>t(>  Ambros.  conteueiite  i  salmi  esai»li  etc.  (Atti  della  Accad.  di  Torino  T.  31. 
l.v.)."»i;,  |i.  (;.").') tl'.),  dazu  Ceriaui  in  d.  Rendieonti  del  R.  Ist.  Lomb.  Ser.  II,  2iK 
IMm;,  ]..  KiOli*.  N.-stle  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.  189G  Kol.  301tf.  u.  Klostermann 
in  d.  Zt^chr.  f.  d.  alttest.  Witis.  Bd.  10,  ISDö,  8.  334if.  Klostermann,  Griech. 
Exzerpte  a.  Hom.  des  Orig.  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  12,  H.  3,  1895.  Klo  st  er- 
mann, Analecta  zur  LXX.  Hexapla  etc.,  Leipzig,  1895.  Lagrange,  Origene. 
La  eriti(iue  text.  in  Bev.  l)ibli(iue  T.  1,  1895,  p.  50lf.  T.  5,  1890,  p.  87 ff.  Morin. 
Anecd.  Man'dsol.  111,1,  IMC).  Rolffs,  Urkunden  aus  dem  antimontan.  Kampf 
in  T.'xte  u.  Tnters.  Bd.  12,  ü.  4,  1S!>5,  S.  lU9ff.  Nestle,  Hexapla,  in  d.  Zt^jchr. 
f.  wiss.  Theol.  Bd.  3S.  1S1)5,  S.  231ff.  Brooke,  The  coniment.  of  Origen  on 
S.  .lohn's  gosp.»l,  2  Bde,  Cambridge,  1890  (dazu  Koe tschau  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.. 
ISIIT,  Kol.  24:{fr.  Kerl) er,  Syrohexapl.  Fragmente  aus  Bar-Hebraeus  in  d.  Ztschr. 
f.  .1.  aUt.'st".  Wissenseh.  Bd.  10,  ISDO,  S.  219ff.  8ickenberger  in  d.  Tüb.  Quar- 
talsilir.  Bd.  TS,  ls90.  S.  IKSff.  [zu  den  Luc.-Hom.].  Klostcrmann  in  Theol. 
Lit.-BL.  lS!iO,  S.  Ollf.  zum  .loh. -Komment..  Falconer,  Origen  and  return  to 
(ire«'k  theology  in  d.  Biblinth.  Saera,  IMMI,  p.  100 ff.  Nenniann,  Celsus,  in  d.  Prot. 
RKnrvkl.3  Bd.  3.  l^iiT.  S.  772ff.  Klostermanu,  Die  Seliriften  des  0.  in  Hieron. 
Brief  an  Panla  iSitzungsber.  d.  Berl.  Akad.,  1S1)7,  II  S.  85.") ff.).  Wot k  e ,  .Tahresber. 
d.  k.  k.  >taatsLrvmna.>ianis  im  17.  Bezirk  v.  Wien,  1S!)7  'z.  (ienes.  Homil.  . 
Eisen  hofer.  L'rokopius  v.  (ia/a,  Freibnrg  1S97,  S.  IS  ff.  Klostermann,  Di»- 
Überlief,  d.  .leremiashom.  in  Texte  u.  T'nters.  Bd.  li>,  H.  M,  1897.  Batiffcl. 
L'eiiehiridion  d'Origene  in  d.  Rev.  biblique  T.  7,  1S9S,  j».  205 ff.  Boom,  Ori- 
giMies  als  exegeet  in  d.  holl.  Ztsehrift  f.  ref.  Theol.,  1S!>S,  S.  13ff.  Riedel,  Au^- 
legnng  drs  Holienlieds  in  d.  grieeh.  Kirehe,  Leipzig,  ISÜS.    Barth,  Prediger  u. 


Origenes.  27 

Eusebius  hinzugefügt;  die  übrigen  sind  in  erster  Linie  Pamphi- 
lus'  Werk)i. 

Diese  Apologie  existiert  nur  noch  in  einigen  Bruchstücken  so- 
^'ie  in  der  Übersetzung  des  1.  Buches  durch  Rufin.  um  so  wert- 
voller ist  für  uns,  was  Eusebius  im  6.  Buch  der  KGeschichte  über 
das  Leben  des  Origenes  mitgeteilt  hat.  Es  ruht  ganz  auf  jener 
Apologie  und  ist  auch  mit  genauen  Zeitbestimmungen  reichlich 
ausgestattet.  Zu  diesem  wichtigsten  Hilfsmittel  kommt  der  Kata- 
log der  in  Cäsarea  befindlichen  Werke  des  Origenes,  den  Hieronvr 
mus  auf  Grund  des  Verzeichnisses  des  Pamphilus  (welches  Euse- 
bius in  das  3.  Buch  seines  „Lebens  des  Pamphilus"  -  gestellt  hatte) 
in  seinem  Schreiben  an  die  Paula  mitgeteilt  hat^. 


Zuhörer  im  Ztalter  des  Orig.  in  d.  Festschr.  f.  Orelli,  Basel  1S1»S,  S.  24 ff.  Drä- 
seke,  Das  Job.  Kvaiip.  bei  Celsiis  in  Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  f),  ISaS,  S.  13iMr. 
Cap  itain,  De  Origenis  ethica,  Münster,  1808.  Da  vi  es,  Origen*s  theorie  of 
knowledge  in  The  American  Journal  of  theol.  Vol.  2,  1808,  p.  73711*.  Koetschaii. 
Origenes'  Werke  1.  u.  2.  Bd.  (Berliner  akad.  Ausgabe) :  Exhort.  ad  niart.,  C.  C«*ls., 
De  erat.,  1809  [dazu  Wendland  in  (iött.  Gel.  Anz.  1800  S.  27Gff.  Dujdik  von 
Koetschau,  Krit.  Bemerkungen  usw.,  Leipzig,  1800.  Jülicher,  Theol.  Lit.-Zt«;.^ 
I8f)0  Kol.  rK>Otf.].  V.  d.  Goltz,  Eine  textkrit.  Arbeit  d.  IM.  >)ez.  (>.  Jahrb.  in' 
Text^*  u.  Unters.  Bd.  17,-  H.  4,  1800.  Faulhaber,  Die  rroi^heten-Catenen  in  Bil.l. 
Stud.  Bd.  4.  H.  2f.,  1800.  Holl,  Fragm.  vornic.  KW  aus  den  SS.  Parall.  in  «1. 
Texten  u.  Unters.  Bd.  20,  K  2,  18f»0.  Preuschen  in  d.  Berl.  Philol.  Wochenschr. 
ISOO  Nr.  30.  40  [Über  Orig.  Bibelzitate].  Diekamp,  Die  origenistisrhen  Streitig- 
keiten, 1809.  Ehrhard,  Die  altchristl.  Litteratur  usw.,  10<k>,  S.  32()-3:>1. 
Linke,  Zu  Orig.  c.  Gels.  IV,  83  in  Philolog.  Bd.  50  S.  lOOf.  Bratke,  Die  ange^bl. 
Origenes-Hdschr.  Nr.  800  der  Bibel  von  Troyes  in  Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  21,  101  mi, 
S.  445ff.  Koetschau,  Bibelzitate  bei  Orig.  in  Ztsclir.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  -l  !, 
lUiiOj  S.  321  ff.  Taylor,  Hebrew-Greek  Cairo  Genizah  Palimpsests  .  .  .  includinir 
a  fragraent  of  the  22.  psalm  according  to  Origen*s  Hexapla.  Cambridge,  IImm». 
Klostermann,  Origenes'  Werke  3.  Bd.  (Berliner  akad.  Ausgabe):  Jereni.- 
Homil.  etc.,  1001.  Fairweather,  Origen  and  the  Greek  patrist.  theol.,  Edin- 
burg,  1JH»1.  Mcrcati,  Note  di  letteratura  biblica  e  cristiana  anticu.  L<'ipzig,  10(»1, 
8.  Stück  4  u.  5  (zur  Hexajda).  Julius,  Die  griecli.  Danielzusätze.  Freiburg,  lO^l. 
Zöllig,  Die  Inspirationslehre  des  0.  Freiburg,  1002.  f*rouschen,  Origeu«'s' 
Werke  4.  Bd.  (Berliner  akad.  Ausgabe):  der  Job. -Kommentar,  lOO!).  Winter, 
Über  den  Wert  der  direkten  u.  indirekten  Cberliefening  von  Orig»'nes'  BB.  c. 
Gel.s.  (Programm  des  Gymnasiums  von  Burghausen),  I.  Teil,  lOlKJ.  Winter  ent- 
scheidet sich  gegen  Koetschaus  Grundsätze. 

1)  Ober  das  Maß  des  Anteils  beider  s.  den  Streit  zwi:^chen  Hieronymus 
n.  Rufin  (die  Stellen  im  1.  Teil  dieses  W^erks  S.  r)40ff.\  Hieronymus  hatte  in 
si»riterer  Zeit  ein  Interesse,  den  Anteil  des  Pamphilus  so  klein  wie  möglich  er- 
scheinen zu  lassen. 

2)  Das  „Leben  des  Pamphilus"  ist  verloren.  S.  über  dasselbe  Hieron.,  D«* 
vir.  inl.  81;  adv.  Rufin.  1,  0;  2,  22. 

3)  Klostermann  (Sitzungsber.  1807)  hat  ihn  kritisch  ediert.  Leider  ist 
die  Überlieferung  schlecht;  auch  läßt  sich  nicht  mehr  sicher  erkennen,  welche 


28  I^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

Ich  gebe  zuerst  eine  Regeste  des  Lebens  des  Origenes  nach 
Euseb.,  h.  c.  VI:* 

185  (186)  Geburt  (VI,  2,  12)  in  christlicher  Familie2. 

202  3  Märtyrertod  des  Vaters  des  Origenes  ^  Leonides  ^  im 
10.  Jahr  des  Severus  unter  dem  Statthalter  Latus  (VI,  2, 2).  Da- 
mals war  Origenes  im  17.  Lebensjahr  (mittellos  mit  sechs  jüngeren 
Geschwistern),  VI,  2, 12;  bis  dahin  hatte  er  den  Clemens  (nicht  den 
Pantänus,  denn  aus  VI,  14  folgt  das  nicht)  in  der  Katecheten- 
schule gehört  ^  der  aber  in  der  Verfolgung  die  Schule  und  die 
Stadt  verließ  (VI,  6;  VI,  3,  1).  Die  Schule  ist  nur  kurze  Zeit  auf- 
Abweichungen vom  Original  die  bekannten  Flüchtigkeiten,  Versehen  und  Ein- 
grifte  des  Hieron.  verschuldet  haben  und  welche  (wahrscheinlichen)  Lücken, 
Umstellungen  und  Fehler  den  Abschreibern  zur  Last  zu  legen  sind.  Daß  Hieron. 
den  Katalog  auf  Grund  seiner  eigenen  Sammlung  von  Origenes'  Schriften  (ep.  84,3' 
angelegt  hat,  ist  ganz  unwahi-scheinlich.  Solche  Mühe  machte  er  sich  nichts 
wenn  er  j)lündern  konnte.  Auch  aus  Adv.  Ruf.  2,  22  u.  ep.  34,  1  folgt  die  Ab- 
hüngigkeit  von  Pamphilus. 

1)  Über  die  vier  Origenes  betreffenden  Eintragungen  in  der  Chronik  habe  ich 
im  ersten  Band  dieses  Teils  S.  32 f.  40.  GOff.  gehandelt.  Sie  gehen  natürlich  auch 
auf  die  Apologie  zurück.  Die  erste  (z.  10.  Jahr  des  Severus;  der  Arm.  hat  eine 
falsche  Zahl)  deckt  sich  mit  h.  e.  VI,  2:  Tod  des  Leonides,  des  Vaters  des  Ori- 
genes, in  der  severianischen  Verfolgung.  Die  zweite  (Arm.:  12.  Jahr  des  Sever., 
Hieron.  10.  Jahr)  deckt  sich  wohl  mit  h.  e.  VI,  3,  3;  hier  wird  berichtet,  daß 
Origenes  im  IS.  Jahr  Vorsteher  der  Katechetenschule  wurde,  d.  h.  iui  J.  2<'ti 
oder  2'M.  In  das  J.  204  fallt  das  12.  Jaln-  des  Severus.  Die  Eintragung,  wie 
sie  der  Ann.  bietet  („Origenes  luirabilis  Alexandriae  puerili  aetat-e  cognos- 
cebatur''  >,  bezieht  sich  also  auf  den  Antritt  des  Lehramts.  Die  dritte  Ein- 
tragung (zum  S.  Jahr  des  Alexander):  „Origenes  Alexandriae  in  schola  erat  hi> 
tfnij»oribus'*,  ist  für  uns  undurchsichtig.  Warum  hat  Eusebius  dieses  Jahr 
markiert,  wrlches  kurz  vor  der  Cbersiedelung  nach  Cäsarea  liegt?  Die  vierte 
Eintragung  endlich  deckt  sich  mit  h.  e.  VT,  20:  Die  Cbersiedelung  nach  Cäsarea. 
Sie  steht  hier  beim  10.  Jahr  des  Alexander,  und  dieses  Jahr  ist  gegenüber  dem 
Schwanken  in  den  Handschriften  der  Chronik  festzuhalten.  —  Nach  der  Kirchen- 
goschicht^'  muß  man  es  als  Fehler  betrachten,  daß  der  Amtsantritt  des  Herakia« 
zwei  .lahre  vorher  angesetzt  ist;   anders  DöllingiM-,  Hi]>pol.  u.  Kallist  S.  2()2. 

2)  Die  Cln-istlichkeit  der  Eltern  wird  durch  ror]»hyrius  bei  Euseb.  VI,  11*,  7 
nicht  widerlegt.  Epiphanius  nennt  ihn  einen  „Agyi>tier"  (haer.  ()4,  1)  T(5 
yizvei,  Porphyrius  einen  „Hellenen".  Beides  entscheidet  nicht.  Auch  der  Name 
gibt  keine  Aufklärung. 

3:  Die  Ausdru(!ksw(Mse  des  Euseb.  (VI,  1,1;:  AfOvidrjQ,  6  ÄeyofÄtrog  ^ifjt- 
yivovq  Ttan'iQy  ist  sehr  merkwiinlig.     Es  ist  wohl  als  P'hrennanie  zu  verst<»hen. 

4)  Der  Name  der  ^lütter  ist  unbokaiuit;  die  Frage,  ob  sie  eine  Jüdin  war. 
\>i  aufgeworfen  und  bejaht  worden  auf  (inuid  eines  ^lißverständnisses  von 
Hieron.  ep.  :>0,  1,  dem  noch  Westcott  zum  Opfer  gefallen  ist. 

r>)  Daß  er  auch  Schüler  des  Ammonius  Sakkas  gewesen  ist.  Ijczeugt.  Tor- 
]>hyrius  bei  Euseb.  VI,  l!l,  0.  Zell  er  hält  die  Nachricht  für  sehr  unwahrschein- 
lich (Philos.  d.  kriechen  IIP.  2  S.  -irjütf.).  aber  seine  Gründe  liaben  mich  nicht 
überzeugt  (s.  Krüger  in  Ztschr.  f.  bist.  Theol.  1S43  Heft  1  S.    ii^tt".).    In  bezuir 


Origenes.  29 

gelöst  gewesen.  Eine  begüterte,  theologisch  angeregte  Frau  nimmt 
den  Origenes  auf  (VI,  2, 13). 

203/4  Er  wird,  nachdem  er  zuerst  Privatkurse  gehalten,  Vor- 
steher der  Schule  „im  18.  Lebensjahi-**  nach  Anordnung  des  Bischofs 
Demetrius  unter  dem  Statthalter  Aquila,  der  die  Verfolgung  fort- 
setzt (vielleicht  fällt  in  diese  Zeit  die  von  Epiphanius  erzählte 
Anekdote  beim  Tempel  des  Serapis,  haer.  64, 1);  Plutarch  und  He- 
raklas  seine  ersten  Schüler.  Er  gibt  den  Unterricht  in  der  Gram- 
matik auf  (VI,  3,  3.  8).  „Viele  Jahre"  im  beständigen  Studium  der 
Philosophie  (VI,  3,  9). 

Vor  211  die  Selbstverstümmelung^  (VI,  8). 

Unter  Zephyrin  (also  vor  217)  und  Caracalla  (also  nach  211 
und  vor  215/16,  s.  u.)  Reise  nach  Rom  (VI,  14, 10),  wo  er  einer 
Predigt  des  Hippolyt  beiwohnt  (Hieron.);  vielleicht  auf  dieser 
Reise  fand  er  in  Nikopolis  bei  Actium  eine  bisher  unbekannte 
griechische  Übersetzung  ATlicher  Bücher  (VI,  16,  2  =  die  5.  Über- 
setzung in  der  Hexapla,  s.  Mercati,  Studi  e  Testi  5  p.  28flF.). 
Zurückgekehrt,  nahm  er  sein  Lehramt  wieder  auf,  und  Demetrius 
war  ihm  noch  freundlich  gesinnt  (VI,  14, 11). 

Unter  Caracalla  (also  vor  218)  nimmt  er  Heraklas  als  Unter- 
lehrer an  der  Schule  an  (VI,  15). 

Unter  Caracalla  lernt  er  Hebräisch  2,  kauft  hebräische  Bibeln 
und  spürt  griechischen  Übersetzungen  des  A.T.  nach;  in  Jericho 
fand  er  eine  neue  griechische  Übersetzung  ATlicher  Bücher  (=  die 
6.  Übersetzung  der  Hexapla,  s.  Mercati,  1.  c);  er  arbeitet  die 
Hexapla  aus  (VI,  16)1 

auf  die  hellenische  Bildung  des  Orig.  schreibt  Porphyrius  (1.  c):  „l'lato  war  sein 
immerwährender  Begleiter,  ebenso  hatte  er  die  Schriften  des  Numeniu?*,  Kronius, 
A])ollophane8,  Longinus,  Moderatus,  Nikomachus  und  der  berühmtesten  MJinner 
unter  den  Pythagoreeni  täglich  in  seinen  Händen.  Auch  gobnuichte  er  die 
Schrift-en  des  Stoikers  Chäremon  und  des  Comutus.  Von  diesen  lernte  er  die 
allegorische  Erklärungsweise  der  (Jeheimnisse  der  Griechen  und  übertrug  sie 
sodann  auf  die  jüdischen  Schriften". 

1)  Die  Anzweiflung  dieser  Tatsache  ist  ungerechtfertigt,  wie  Rede- 
penning  (Origenes  I  S.  202 ff.  u.  4.  Beilage)  gegen  Schnitzer  (Origenes 
p.  XXXIII ff.)  u.  a.  bewiesen  hat.  In  Matth.  T.  XV,  Itt'.  spricht  nicht  dagegen, 
sondern  dafür. 

2)  Auf  seinen  hebräischen  Lehrer  hat  er  sich  manchmal  in  bezug  auf 
Auslegungen  in  IIsqI  aQxdJv  und  sonst  berufen.  Daß  der  jüdische  Patriarch 
Huillus  ihm  Aufklärungen  gegeben  habe,  sagt  Hieron.  (adv.  Ruf  1,  1!^),  und 
es  bestätigt  sich  aus  Select.  in  Ps.  (T.  XI  p.  8r)2  Lomm.):  *Iov).X(p  zw  nar^iaQ- 
Xy  .  .  ,  dxi^xoa.  Die  eigenen  hebr.  Kenntnisse  des  0.  w^aren  nicht  groß,  s.  Re- 
depenning  I  S.  307 ff. 

3)  Daß  die  Ausarbeitung  der  Hexapla  die  erst<*  große  Arbeit  des  Origenes 
war,   sagt  auch  Kpi])han.,   haer.  04,  8,    ausdrücklich:  "O^ev  z6  TiQüixov  avxov 


30  Die  Litt^ratur  des  Morgenlandes. 

Unter  Caracalla  tritt  ihm  Ambrosius  nahe  und  wird  sein  Mä- 
cenas,  „Ergodioktes"'  und  unzertrennlicher  Freund  (VI,  17). 

Unter  Caracalla  bereits  stellt  sich  sein  wissenschaftlicher  Ruf 
auch  bei  den  „Griechen"  fest,  obgleich  er  noch  nicht  als  Schriftsteller 
aufgetreten  war  (VI,  18,  3  widerspricht  dem  nicht);    VI,  18. 19 ^ 

Unter  Caracalla  wird  er  vom  Statthalter  Arabiens  durch  Briefe 
an  den  ägyptischen  Statthalter  und  an  Demetrius  nach  Arabien 
(wohl  Bostra)  zu  einer  wissenschaftlichen  Unterredung  gerufen  und 
geht  dorthin  (VI,  19,  15). 

215/6  Blutbad  des  Caracalla  in  Alexandrien^:  Ori genes  flüchtet 
nach  Cäsarea  und  predigt  vor  der  Gemeinde  auf  Aufforderung  der 
Bischöfe  (VI,  19,  16).  Den  Tadel  des  Demetrius  beantworten  die 
paläst.  Bischöfe  (VI,  19, 17  f.).  Dem  Gebot  seines  Bischofs  folgend 
kehrt  0.  (nach  geraumer  Zeit)  nach  Alexandrien  zurück^  und 
nahm  sein  Lehramt  wieder  auf  (VI,  19, 19).^ 

Zwischen  218  und  222,  wahrscheinlich  218,  wird  er  nach  An- 
tiochien  zur  Kaiserin-Mutter  Mamäa  zu  theologischen  Vorträgen 
gerufen  (VI,  21,  3)^;  zurückgekehrt,  nahm  er  sein  Lehramt  wie- 
der auf. 

218  oder  bald  darauf  beginnt  er  auf  Betreiben  des  Ambrosius 
seine  biblischen  Kommentare  zu  schreiben  (VI,  23,  1  f.),  und  zwar 


{^TiifxsXöjg   ^(fi?.OTi/nyaazo   ovvayaytlv  xwv  e|  hQfjiijvsiwv  xxX.   —   Der  Fund  in 

.Ii'riclio  wird  wohl  er^t  i.  J.  210  7  {^»»iiiiieht  worden  nein  während  des  notorischen 
Aufenthalts  in  rnliistina,  so  daß  man  eine  besondere  Reise  dorthin  nicht  an- 
zunehmen braucht.  Dies  bestäti»i[t  Kpi]>hanius,  der  in  De  mens,  et  pond.  das 
7.  Jahr  des  Caracalla  nt-nnt.  Die  Worte,  in  denen  sich  Origenes  über  den 
Fund  der  .').  u.  H.  Übersetzung  geäußert  und  die  Eusebius  ausgeschrieben  hat. 
besitzen  wir  noch,  s.  Mercati,  1.  c. 

1)  Von  dem  Ib'ieffragment  VI,  10,  iL? f.  läßt  sich  nur  sagen,  daß  es  geschrieben 
wurde,  bevor  Heraklas  Bischof  geworden  ist,  also  vor  *Ji>l  (s.  o.  unter  Heraklas). 

2)  S.  Dio  77,  22,  Iff.  llerodian  IV,  S,  Gif.  Spart.,  Carac.  0,  2f.  Pauly- 
Wissowa,  Bd.  II  Kob214ri. 

3)  Daß  er  noch  im  .1.  217  in  Palästina  gewesen  ist,  läßt  sich  daraus  er- 
schließen, daß  Kpiphanius  angibt,  er  habe  im  7.  .bihr  des  Caracalla  in  Jericho 
die  ({').]  Lbersetzung  des  A.  T.  gefunden  (s.  o.). 

4)  Origenes  hatte  schon  damals  die  Absicht  gehabt,  ganz  in  Palästina  zu 
bleiben,  und  fügte  sich  nur  dem  liebot  seines  Bischofs.  Dies  geht  aus  Comni. 
in  Joh.  I,  2  hervor,  wo  Origenes  die  Zeit  seines  dauernden  Auf(?nthalts  in 
Alexandrien  erst  von  jener  Bückkehr  an  rechnet;  s.  P  reuschen,  Vorrede  z. 
4.  Bd.  der  AVerke  des  V).  S.  LXXVlIlf. 

5)  Eusebius  b<'richtt't  den  lv«'gieningsantritt  des  Klagal)al  und  Alexander 
unmittelbar  nacheinander,  so  daß  das  Folgende,  was  er  eiv.ählt,  in  die  Zeit 
dieser  beiden  Kaiser  fällt.  Da  für  Alamäa  ein  Aufenthalt  in  Antiochien  in 
den  ersten  U  .Tahren  der  Regierung  ihres  Solines  nicht  nachweisbar  und  auch 
nicht  wahrsclieinlich  i.-t,  der  Aufentlialt  aber,  den  sie  mit  dem  Sohne  im  Winter 
2ol    in  Antiochien    genommen    liat   is.   Pau  1  y -^Vi^so w a ,    I^>d.  II  Kol.  2.j35f.), 


Origenos.  3  { 

hat  er  noch  in  Alexandrien  verfaßt  die  5  ersten  BB.  des  Kommen- 
tars zum  Johannes  (mit  dieser  Arbeit  hat  er  begonnen,  s.  I,  2),  die 
S  ersten  BB.  des  Kommentars  zur  Genesis,  die  Erklärungen  der 
25  ersten  Psalmen,  den  Kommentar  zu  den  Klageliedern,  die  zwei 
in  diesem  Kommentar  erwähnten  BB.  über  die  Auferstehung,  die 
4  Bücher  IIsQi  dQxcöv\  die  10  BB.  Stromateis  (VI,  24  nach  den 
eigenhändigen  Einzeichnungen  des  Origenes). 

230/1  „z.  Z.  des  Pontian  in  Rom  und  Zebinus  in  Antiochien"^ 
(VI,  23,  4)  reist  er  in  dringenden  kirchlichen  Angelegenheiten^ 
nach  Griechenland  und  wurde  auf  der  Durchreise  in  Cäsarea  (Pa- 
lästina) zum  Presbyter  geweiht  (VI,  23,  4)^. 

zu  spät  für  den  Besuch  dos  Origenes  fallt  (gegen  Neu  mann,  a.  a.  0.  8.  2(.)7), 
da  ferner  dieser  damals  mitten  in  den  schweren  persönlichen  Käm])fen  stand, 
ja  vielleicht  gar  nicht  mehr  in  Alexandrien  war  —  so  ist  der  Besuch  bei 
Mamua  wahrscheinlich  unter  Elagabal  anzusetzen,  und  ihre  Bezeichnung  bei 
Kusebius  als  Mutter  des  Autokrators  ist  ein  Hysteron-Proteron.  Im  J.  218 
weilt-e  Elagabal  nach  der  Besieguug  des  Macrin  (und  bevor  er  nach  Nikomedien 
ging)  in  Antioehien.  Damals  war  Mamäa  dort,  und  damals  oder  gleich  darauf 
wird  sie  den  Origenes  empfangen  haben.  Das  ist  nuch  Tillemonts  Meinung, 
Hist.  des  empereurs  T.  III  (UVJlf.)  p.  (>24«'.  not.  VIII.  Westcott  verlegt  den 
Besuch  in  dasselbe  Jahr  und  ninnut  an,  daß  der  Besuch  des  Origenes  in  Palä- 
stina 80  lange  gedauert  hat,  daß  er  von  dort  nach  Antioehien  gereist  ist.  Das 
ist  nicht  unmöglich. 

1)  Sie  mit  Schnitzer  schon  auf  die  Zeit  um  212  zu  datieren,  liegt,  kt'in 
Eirund  vor.  S'o  früh  hat  0.  überhaupt  noch  keine  Bücher  veröffentlicht.  — 
Über  die  Anfänge  der  Schriftst-ellerei  des  Origenes  und  speziell  über  UsqI 
fi<}XOtv  s.  da«  interessante  Urteil  des  Marcell  von  Ancyra  (bei  Euscb.  c.  Slur- 
cell.  I,  4),  das  Eusebius  freilich  als  eine  öiaßoh)  bezj'ichnet:  Kalxoi  el  öh 
td?.r^^€g  Ttegl  ^Qiyivovg  eineTv,  lovto  TtQooTJxei  /Jyen\  ort  agri  xdiv  xarie 
fft).oao<fiav  dnooxaq  nad'rißux<j)Vi  xäl  xolq  Sfioig  of/uf^aai  nQotkößtvoq  /.oyoig 
ngo  T^5  thegißovg  xwv  yQa(pwv  'Aaxah)\i:to)q  dia  xo  7io).v  xal  (pikoxifiov  xf/g 
icOf^Bv  Tiatdevaeiog  ^äxxov  xov  ÖBOvxoq  aQ^uuevoq  vnoyQonfeiv  fniel. 
yi»a<pHv)  V7t6  X(öv  xijq  <pi/.ooo(piaq  Tiag/jxO-ti  Aoywr,  xal  xivcc  d/'  furovg  ov 
xa/.wg  yiyQafp€.  6tf).ov  Si'eii  yatt  xwv  xov  IJkdxojvog  //f/n7///tV<)c  öoyfjLcctcov 
xal  x^g  xwv  apy^oßv  nag^  avx(o  öiatfogaq  „Uegl  dgywv"^  ytyQacpt  ßiß/Jov,  xal 
xavxTjv  X(p  avyygdfjifjLaxi  xrjv  iniyi)a<prjv  b&txo.  ösTy^a  de  xovxo  fteyiaxov  x6 
fjiTjöh  dXXoS-iv  no^Bv  xrjv  dgytjv  xwv  li^ewv  avzov  ?]  xrjv  imyQa(ptfV  xov  ßißUov 
Tioi/^aacB^ai  «AA*  and  xwv  ID.dxwvog  ).e/ßivxwv  (nifxdxviv.  yiygaipe  yag  agyo- 
ftevog  ovxwg'.jjoi  nsniaxevxoxeg  xal  neniaxsvfjibVoC'.  xovxo  xo  grjxov  ovxwg 
BlgTjfiivov  evQOig  av  iv  xqt  Vogyla  ID.dxwvog. 

2)  Pontian  ist  am  21.  Juli  2'i()  Bischof  geworden,  Xj'binu^  .spätestens  23<) 
oder  2'Sl.  Hiemus  ergibt  sich  ffir  die  Keise  des  0.  <1.  J.  2i](Vl,  da  er  231/2 
definitiv  nach  Cäsarea  übersiedelte. 

3)  Nach  Rufin  und  Hieronynms  (vir,  inl.  5-1)  zur  B»'kelining  v.  Häretik»'rn. 

4)  Augenscheinlich  weil  ihm  Demetrius  di»'so  Würde  hartnäckig  und  eifer- 
süchtig verweigeH^f.  Das  Nähere  über  diese  Katastrophe  im  Leben  des  0.  hat 
Eusebius  in  seiner  Apologie  des  0.  Buch  2  erzählt  (s.  VT,  23  Hne)  und  daher 
leider  hier  nicht  mitgeteilt. 


32  ^i<?  Litteratur  des  Morgenlandes. 

231/2  Die  Rückreise  von  Athen  oder  den  Weg  dorthin  nahm 

0.  über  Ephesus  und  Antiochien^  Nach  seiner  Rückkehr  berief 
Demetrius  eine  Synode  von  Bischöfen  und  einigen  Presbytern  in 
Alexandrien,  die  den  Origenes  zur  dauernden  Verbannung  ans 
Alexandrien  verurteilte  [eine  ganz  ungewöhnliche  Entscheidung], 
ihm  aber  das  Presbyteramt  nicht  aberkannte.  Der  Beschluß  ge- 
nügte dem  Demetrius  noch  nicht;  er  berief  eine  rein  bischöfliche  Ver- 
sammlung, ließ  diese  dem  Origenes  die  Amtswürde  aberkennen  und 
teilte  den  Beschluß  den  Kirchen  „der  ganzen  Welt"  mit  (Photios 
cod.  118  nach  der  Apol.  des  Pamphilus;  Hieron.  adv.  Ruf.  I;  Euseb. 
VI,  8  [damals  rückte  Demetrius  auch  mit  dem  Vorwurf  der  Selbst- 
entmannung hervor],  VI,  23)^.  Diese  stimmten  zu  mit  Ausnahme 
der  Kirchen  von  Palästina,  Phönizien,  Arabien,  Achaja^  Origenes 
siedelte  aber  noch  vor  jenem  zweiten  (vielleicht  schon  vor  dem 
ersten)  Beschluß  freiwillig  nach  Cäsarea  über  (Comm.  in  Joh,  VI, 

1.  2)  im  10.  Jahr  Alexanders  (Euseb.  VI,  26)^  und  schrieb  zu  sei- 
ner Verteidigung  Briefe  an  die  Kirchen  (VI,  36)  *,  den  Demetrius 
scharf  angreifend  und  ihm  uuevangelische  Gesinnung  vorwerfend 
(Comm.  in  Joh.  1.  c;    Hieron.  adv.  Rufln.  II,  18)^     Demetrius  ist 


1)  Es  liegt  am  nächsten,  ja  es  ist  fast  geboten,  den  Aufenthalt  an  diesen 
Orten  und  die  Verdrießlichkeiten  daselbst,  von  denen  Origenes  in  einem  Brief 
an  seine  Freunde  in  Alexandrien  (Rufin.,  De  adulterat.  bei  Lommatzsch,  Opp. 
OvliT.  T.  25  i».  8HSff.;  Hieron.,  adv.  Rufin.  II,  18,  10)  berichtet,  auf  diese  Reise  zu 
bt'/.ioheii.  In  Atlien,  wo  er  sich  länger  aufgehalten  hat,  wird  er  auch  die  dortigen 
Philosophen  gehört  haben,  und  darauf  wird  sich  Epiphan.  haer.  04,  1  beziehen, 

2)  In  welchem  Umfang  Demetrius  damals  dem  Orig.  Irrlehren  vorgeworfen 
hat,  bleibt  dunkel.  In  der  späteren  Zeit  sah  man  in  ihnen  den  Hauptgrund 
der  Zensurierung. 

3)  8.  Hieron.  ep.  33,  4:  „Damnatur  a  Demetrio  episcopo,  exceptis  Palae- 
stiuae  et  Arabiae  et  Phoenicis  atque  Achaiae  sacerdotibus.  In  daninationem  eiufi 
cousentit  urbs  Romana :  ipsa  contra  hunc  cogit  senatum,  non  j)ropter  dogmatum 
novitatem,  non  propter  haeresim,  ut  nunc  ad  versus  eum  rabidi  canes  simulaut.,  sed 
quia  gloriam  eloquentiae  eins  et  scientiae  ferre  non  poterant  et  illo  dicente 
omnes  muti  putabantur".  Ep.  84,  10;  Rufin.,  luvect.  in  Hieron.  II,  20.  Aber  die 
mangelnde  Orthodoxie  nmß  doch  bei  der  Absetzung  oino  Rolle  gespielt  haben. 
Die  Absetzung  eines  irregulären  Priesters  hätte  man  nicht  alh'u  Kirchen  angezeigt. 

4)  Das  10.  (nicht  das  12.)  Jalir  ist  die  richtige  Lesart  bei  Euseb.  Da  das 
feststeht,  korann'u  die  Schwankungen  in  der  Olx'rlieforung  der  Chronik  nicht 
in  Hetracht. 

5)  Diese  Brief«'  sind  natfirlich  nicht  alle»  aus  dem  .T.  2.'n/2,  sondern  die 
briefliche  Selbstverteidigung  vor  den  auswärtigen  Kirchen  dauerte  fort;  so 
schrieb  0.  zu  diesem  Zweck  an  den  römischen  IMschof  Fabian,  der  erst  i.  J. 
23<>  Rischof  geworden  ist  (VJ.  ;-;(>  u.  Hi(»ron.,  t'p.  S4,  1(M. 

<»)  Die  abscheuliche  Anekdot«*,  welch«*  Ei)iiihaTiius  (haer.  (M,  2)  als  Grund 
für  die  Flucht  aus  Alexan«lri«'n  und  <lie  Lbersiedelung  d«'s  O.  nach  Cäsarea 
mitteilt,  ist  mit  Recht  als  böse  Verleumdung  jetzt  verschollen. 


Origenes.  33 

gleich  darauf  gestorben  (231/2)  und  Heraklas,  den  Origenes  preis- 
gebend S  ihm  als  Bischof  gefolgt 2. 

Nach  232  und  vor  235  besucht  0.  von  Cäsarea  auf  Bitten  und 
^zum  Nutzen  der  Kirchen"  den  Firmilian  in  Cäsarea  Kapp.  (VI, 
27)  %  und  dieser  kommt  später  zu  ihm  nach  Cäsarea  Pal.  (1.  c). 
Hier  wirkte  0.  nun  als  predigender  Presbyter  und  als  Haupt  einer 
Schule«. 

235  oder  etwas  später  schreibt  er  die  Exhortatio  ad  marty- 
rium  für  Ambrosius  und  Protoktetus,  die  in  der  Verfolgung  des 
Maximinus  Thrax  verhaftet  waren ^    „Origenes  hat  diese  Zeit  der 


1)  DionysiuB  ist  dem  Orif?.  freundlicher  gesinnt  geblieben;  er  hat  ihm 
später  eine  Schrift  über  das  Martyrium  gewidmet  (£useb.  VI,  4H)  und  auch 
durch  seine  Theologie  seine  Treue  gegen  den  Lehrer  bewiesen.  Aber  ganz 
ohne  A^orbehalte  kann  auch  seine  Freundschaft  und  A'erehrung  nicht  gewesen 
sein,  und  auch  Origenes  kann  ihn  "nicht  rückhaltlos  geschätzt  haben,  sonst 
inüßt<?  er  ihn  in  den  Schriften  der  letzten  Jahre  genannt  haben.  Wir  besitzen 
aber  nicht  eine  Äußerung  über  ihn.     S.  auch  sul)  „üionysius". 

2)  Daß  Origenes  noch  einmal  später,  wohl  bald  nach  dem  Regierungsan- 
tritt des  Heraklas,  nach  Alexandrien  zurückgekehrt  ist,  dann  aber  noch  einmal 
—  von  Heraklas  —  exkommuniziert  worden  ist,  scheint  glaublich,  aber  Sicher- 
heit läßt  sich  durchaus  nicht  gewinnen.  Auf  die  Chronik  des  Euseb.  darf  man 
sich  nicht  berufen  (s.  o.),  wohl  aber  auf  andere  Stellen  (s.  unter  Heraklas).  In- 
dessen muß  die  Möglichkeit  zugestanden  werden,  daß  Photius  den  Heraklas 
mit  Demetrius  verwechselt  hat.  Jedenfalls  ist  die  Erzählung,  daß  Origenes  in 
Thmuis  gepredigt  hat  und  daß  der  dortige  Bischof  deshalb  abgesetzt  worden 
ist,  authentisch  —  Epiphanius  (haer.  r)4,  3)  behauptet,  Origenes  habe  28  Jahre 
in  Tyrus  gelebt.  „Tyrus"  ist  sicher  falsch;  dort  ist  0.  nur  vorübergehend  ge- 
wesen (und  gestorben) ;  aber  auch  die  28  Jahre  lassen  sich  nicht  unt^jrbringen. 
Sie  führen,  wenn  man  den  Tod  -des  0.  auf  254  ansetzt  (s.  u.),  auf  d.  J.  220; 
aber  erst  231/2  hat  0.  Alexandrien  definitiv  verlassen,  und  die  R^jise  nach  Achaja 
kann  man  nicht,  ohne  dem  Eusebius  zu  nahe  zu  treten,  in  d.  J.  220  setzen 
(nach  Eusebius  füllt  sie  230  1,  s.  0.).  Aber  auch  das  ist  unwahrscheinlich,  daß 
zwischen  der  Reise  nach  Achaja  und  dem  definitiven  Aufbruch  aus  Alexandrien 
4 — 5  Jahre  gelegen  haben. 

3)  Es  scheint  mir  zu  skeptisch,  wenn  Neumann  (a.  a.  0.  S.  220)  auf 
Grund  des  Wortlaut-es  diesef  St-clle  zweifelt,  ob  0.  wirklich  nach  Kappadozien 
gereist  ist. 

4)  Er  predigte  regelmäßig  Mittwochs  und  Freitags,  häufig  aber  auch  täg- 
lich vor  Gläubigen  und  Kat<?chumenen. 

5)  Hier  bleiben  über  Zeit  und  Ort  der  Schrift  ITnsichcrhoiten  nach.  „Als 
Ort  der  Abfassung  ist  mit  Sicherheit  Cäsarea  l*al.  zu  nennen",  schreibt  Koet - 
schau  (Orig.*  Werke  I  S.  IX),  und  dasselbe  behauptet  Neumann  (a.  a.  0. 
S.  218.  228f.).  Allein  (1)  ist  das  in  der  Schrift  nicht  deutlich  gesagt;  die  Be- 
hauptung Neumanns,  in  den  Worten:  nro/a  akXrj  ovrcog  rifiiga  aattrjglag  dg 
ii  ijfiiga  T^g  toiavxTig  ^fidiv  ivxev^ev  dnalkayr)  müsse  unter  ^vrft-dfv  Cäsarea 
Pal.  verstanden  werden,    ist  mir   trotz  dem  Hinweise  auf  den  vorhergehenden 

Satz  [nolog  ovv  &kXog  svngooÖBxtog  xaiQog  ^  ore  öta  r^v  elg  O^eov  iv  XQiaz<p 
Harnack,  Altchristl.  Litteratargescb.  II,  2.  3 


34  ^iß  Litteratur  des  Morgenlandes. 

Verfolgung  im  22.  Buch  seiner  Erklärungen  zu  Joh.  sowie  auch 
in  verschiedenen  Briefen  bemerkt**  (VI,  28). 

238—244  („Unter  Gordian")  Gregorius  Thaum.  und  sein  Bruder 
werden  in  Cäsarea  Schüler  des  Origenes  und  bleiben  5  Jahre  bei 
ihm  1  (VI,  30). 

238 — 244  Abfassung  des  Jesajas-  und  Ezechiel-Kommentars.  Er 
reiste  nach  Athen  2,  vollendete  dort  den  Ezechiel-Kommentar  und 
begann  den  über  das  Hohelied  daselbst  (VI,  32).  Auf  dieser  Reise 
hielt  er  sich  auch  in  Nikomedien  auf,  wo  Ambrosius  mit  Familie 
ebenfalls  war  (also  hat  er  ihn  vielleicht  auch  nach  Athen  begleitet), 
s.  den  Brief  des  0.  an  Afrikanus,  der  von  Nikomedien  geschrieben 

tvai߀tav  vno  tpgovQav  nofJLnevovteq  xtX.;)  unbegreiflich;  (2)  sagt  Palladius, 
Origenes  habe  sich  während  der  Zeit  der  Verfolgung  zwei  Jahre  lang  im  Hause 
einer  christlichen  Jungfrau  Juliana  in  Cäsarea  Kapp,  verborgen  gehalten  (Hisi 
Laus  c.  147;  in  ihrem  Besitz  befanden  sich  Werke  des  Symmachus,  die  sie  von 
Symraachus  selbst  geerbt  hatte,  s.  Euseb.  VI,  17).  Es  liegt  nahe,  anzunehmen, 
daß  0.  in  Kappadozien,  wo  er  zum  Besuch  weilte  (s.  o.),  von  der  Verfolgfung 
üljcrra^cht  worden  und  etwa  zwei  Jahre  daselbst  geblieben  ist  (s.  Hieron. 
catal.  54:  „Fimiilianus  cum  omni  Cappadocia  eum  invitavit  et  diu  tenuit"). 
Die  Exhort.  ad  mart.  könnte  dort  geschrieben  sein,  oder  sie  könnte  auch  nach 
seiner  Rückkehr  nach  Cäsarea  Pal.  verfaßt  worden  sein.  Es  ist  ja  nicht  nötig, 
vorauszusetzen,  daß  Ambrosius  und  Protoktetus  bei  Beginn  der  Verfolgung  ver- 
haftet worden  sind ;  sie  können  auch  erst  im  J.  230  gefänglich  eingezogen  worden 
sein ;  auch  braucht  Origenes  nicht  235  und  230,  sondern  kann  sehr  wohl  234  und 
235  (bez.  bis  230  init.)  in  Cäsarea  Kai>p.  geweilt  haben.  Anderseits  ist  es 
auch  möglich,  daß  Origenes  beim  Anfang  der  Verfolgung  noch  in  Cäsarea  Pal. 
weilte,  die  Exhoi*t..  schrieb,  dann  aber,  sich  der  Verfolgung  entziehend,  der 
Einladung  nach  Kai)padozien  gefolgt  ist.  Daß  die  Nachricht  des  Palladius  ein- 
fach wertlos,  weil  aus  Eusebius  zurecht  gemacht  sei  (Neumann  S.  220),  ver- 
malt ich  nicht  einzusehen.  M.  E.  stammt  die  Eintruj^ung,  auf  die  sich  Palladius 
beruft,  wirklich  von  der  Hand  des  Origenes.  Aber  Sicheres  läßt  sich  nicht  aus- 
machen. Die  Annahme,  Origenes  sei  in  der  Verfolgung  nach  Kappadozien 
geflohen,  läßt  sich  gewiß  nicht  strikt  beweisen,  aber  merkwürdig  bleibt  es 
doch,  daß  er  in  den  Homilien  zum  Kichterbuch  (hom.  IX,  1  Lommatzsch 
T.  XI  p.  280),  die  nicht  lange  nach  235  gehalten  sind,  folgendes  ausgesprochen 
hat:  „Licet  tamen  etiam  hoc  in  militia  Christi,  si  forte  aliquando  inferiorem 
te  viribus  senseris  in  persecutionibus,  et  non  aequum  tibi  adversum  crudeli- 
tatem  tyranni  j)er  fragilitatem  corporis  videris  esse  certamen,  dare  locum  irae 
et  fugere  de  loco  ad  locum:  nee  tibi  in  hoc  adscribitur  militare  commissum. 
Designatur  hoc  etiam  in  legibus  Christi,  dicentis":  Folgt  Matth.  10,  23.  Klingt 
das  nicht  wie  eine  Selbstverteidigung?  Indessen  hat  sich  0.  ähnlich  auch  sonBt 
ausgedrückt,  s.  Redepenning  1  S.  198. 

1)  Näheres  s.  unter  „(iregorius". 

2)  Reisen  in  die  weitere  Umgebung  von  Cäsarea  hat  Origenes  öfters  ge- 
macht. Gewiß  ist  er  mehrmals  in  Jerusalem  und  Bethlehem  (s.  c.  Cels.  I,  51) 
gewesen.  Möglicherweise  fällt  jetzt  erst  der  Besuch  in  Jericho  (s.  o.).  Schon 
er  ist  —  der  erste  fromme  Pilger,  den  wir  kennen  —  der  evangelischen  Ge- 
scrhichte  nachgegangen,  wie  in  Bethlehem  so  auch  in  bezug  auf  andere  Stätten 


Origenes.  ;j5 

ist  K  Nach  Cäsarea  Pal.  zurückgekehrt,  vollendete  0.  den  Kommen- 
tar zum  Hohenlied  (VI,  32). 

238—244  Reise  nach  Bostra  zur  Synode  zur  Widerlegung  des 
Beryll  (VI,  33). 

Um  246  bez.  246—249  „Der  bereits  über  60  Jahre  alte"  Ori- 
geues  2  läßt  endlich  Stenographen  zu  seinen  Predigten  zu  ^  (VI,  36). 
Er  schrieb  das  große  Werk  gegen  CelsusS  25  Tomoi  über  das 
Matthäus-Ev.  ^,  die  Tomoi  über  die  zwölf  Propheten,  je  einen 
Brief  an  den  Kaiser  Philippus  und  an  seine  Gemahlin  und  andere 
Briefe^  (unter  ihnen  an  Fabian  von  Rom  und  andere  Bischöfe 
über  seine  Rechtgläubigkeit) ;  s.  VI,  36. 


(s.  Comm.  in  Joh.  VI,  40:  //i)  Selv  Bfj&avUc  avayL-yviooxeiv  akka  Brj^aßagäj 
yevofievoi  iv  xoXq  tonoig  tnl  loxogiav  zwv  l^vüHv  'Itjaov  xal  tdiv  fxa&rjrwv 
avxov  xal  x<ov  TtQOtprjzüiv.  Ein  Aufenthalt,  und  zwar  ein  längerer,  in  Sidon 
k  folgt  aus  Hom.  XIV,  2  in  Jesu  N.  (Lommatzsch  T.  XI  p.  1*27).  Einen  Aufenthalt 
L  in  Antiochien  erwähnt  Orig.  auch  in  der  ep.  ad  quosdam  caros,  Lomni.  XXV 
;  I».  391.  Er  hat  auch  nicht  nur  in  Cäsarea  gepredigt,  sondern  auch  in  Jeru- 
*'    salem  (Loiuin.  XI  p.  21K))  und  in  manchen  Kirchen  (Lomm.  XI  p.  H'2). 

1)  Der  Briefwechsel  mit  Afrikanus  zeigt,  daß  0.  früher  eine  Streitunter- 
redung   mit   einem   gewissen  Bassus    (wohl    in  Palästina)   gehabt   hat,    deren 
Ohrenzeuge  Afrikanus   gewesen    ist.   —  Auf  der  R<^iso   ist  Origenes  von  einer 
owoöla  begleitet  gewesen,  s.  Africani  ep.  ad  Orig. 
i  2)  S.  auch  Pamphil.,  Apol.  pro  Orig.  (Lommatzsch  T.  XXV  p.  30t2):  „in 

ecclesia  catholica  senuit". 

8)  S.  Pamphil.,  Apol.  pro  Orig.  (Lommatzsch  T.  XXV  p.  *29S):  „.  .  .  trac- 
tatus,  quos  paene  quotidie  in  ecclesia  habebat  ex  tenij»ore,  quos  et  de- 
scribentes  notarii  ad  monimentum  posteritatis  tradebant". 

4)  Eine  nähere  Datierung  hat  mit  R^cht  Neumann,  a.  a.  0.  S.  'JfJöft'., 
geboten,  indem  er  bewies,  daß  die  politischen  Zustände  des  J.  *J4!)  die  Haltung 
hätten  durchkreuzen  müssen,  die  Origenes  im  Anti  -  Celsus  eingenommen 
hat.  Da«  Werk  muß  also  zwischen  240  (Origenes  hat  den  Ifömerbrief- Kom- 
mentar nach  Vollendung  des  (>().  Jahres  verfaßt,  dann  folgte  der  Anti-Celsus) 
und  248  niedergeschrieben  sein.  Daß  aber  der  Anti-Celsus  genau  im  J.  248  ab- 
gefaßt sei  aus  Anlaß  der  Millenar- Feier  Roms  („So  tritt  Origenes  mit  seinen 
Büchern  gegen  Celsus  der  Jubelfeier  des  10(K>jährigen  heidnischen  Reiches  in 
seiner  Weise  entgegen,  wie  aus  ähnlichen  Motiven  die  Kurie  das  Lutherfest 
von  1883  mit  ihren  Monumenta  refomiationis  Lutheranae  begleitet  hat",  Neu- 
mann  S.  273),  ist  unerweislich.  Eine  solche  Absicht  müßte  doch  irgendwie  im 
Buche  angedeutet  sein.  Was  ging  übrigens  (änen  Agyptier  imd  Chi-iston,  ydo 
Origenes,  jene  Jubelfeier  an?  —  Die  Ilinaufsetzung  dos  Anti-Celsus  auf  d.  J. 
228,  welche  Doulcet  (Essai  sur  les  rapports  de  T^glise  ehret,  avec  PEtat 
romain,  1888,  p.  162)  gegen  die  ausdrückliche  Angabe  Eusebs  vorgeschlagen 
hat,  entbehrt  der  Begriindung  und  ist  m.  W.  eindnickslos  geblieben. 

5)  Die  Auslegimgen  zu  Matthäus  müssen  in  zw<»l  Formen  von  Origenes 
publiziert  worden  sein,  s.  u. 

C)  EusebiuB  hat,  wie  er  VI,  80  bemerkt,  über  HJ<)  Briefe  des  0.  f  natürlich 
aus  verschiedenen  Zeiten)  in  eigenen  Büchem  gesammelt. 


36  l^i**  Ijittenitur  des  Morgeulaudes. 

246—49  Zweite  Reise  nach  Arabien  zur  Bekämpfung  der 
Thnetopsychiten  (M,  37  und  was  sub  Dionysius  Alex,  am  SchlaB 
bemerkt  ist). 

246—49  Die  Honiilie  über  den  82.  Psalm,  in  der  er  die  Elke- 
saiten bekämpft  (VI,  38). 

249  250  In  der  Verfolgung  des  Decius  wird  er  verhaftet  und 
erleidet  standhaft  große  Martern  ^  (in  Tyrus?);  Briefe  nach  dieser 
Zeit  mit  „herrlichen  Aussprüchen"  sind  von  ihm  noch  erhalten 
(VI,  39)'^. 

254  unter  Gallus  stirbt  er  „nach  vollendetem  69.  Jahr"  in 
Tyrus  3  (VII,  1;  Hieron.  ep.  65  ad  Pammach.),  wo  er  auch  begraben 
wurde. 

Nicht  früher  als  im  J.  218  bez.  bald  darauf  hat  Origenes  seine 
schriftstellerische  Ttätigkeit  begonnen  (auch  gepredigt  hat  er  das 
erste  Mal  L  J.  215/6);  in  der  Zeit  nach  249/50  hat  er  Schriften 
nicht  mehr  geschrieben  oder  diktiert,  sondern  nur  Briefe;  somit 
fallen  alle  seine  Werke  rund  in  eine  Zeit  von  ca.  30  Jahren.  Inner- 
halb dieser  Zeit  sind  die  Jahre  unter  Philippus  Arabs,  also  die 
letzten,  weitaus  die  fruchtbarsten  gewesen. 

1)  Der  Kichtor  wollte  ihn  nicht  töten. 

•Ji  Nicht  piuz  rifhtijjf  ist  es,  wenn  Neumimn  zu  dem  von  EusebiuB  an 
gej^ebeiieu  I)atuni  für  den  Anti-CelsuH  und  damit,  wie  es  scheint,  zu  den  euße- 
hiiinlKchcn  Datierunfifen  ori«reni^tischer  Werke  überhaupt  (8.  270)  bemerkt:  „R 
ist  unerwrislich  und  unwiihrsclx'inlich,  diiß  Eusebius  über  das  Datum  der  Schrift 
^o»^en  C'clsu.s  rinc  bestimmte  (.'berlieferunjj:  besessen  hat,  die  von  der  Schrift 
selber  und  ihrem  Inhalte  uiiabbiuif^ijjr  jj^ewesen  "wilre.  Ihn  leitete  bei  Beiner 
elironolof^isi.'lien  Fixieruii«^  eine  Andeutung  des  Origenes  über  den  Frieden  der 
Kirche,  welche  ««r  sogar  in  engem  Anschluß  an  den  Wortlaut  reproduziert  hat 
(vgl.  Euseb.  VI,  :;<;,  l  niit  c.  Cels.  VII,  20);  ihn  leiteten  ferner  die  Verweisungen 
auf  bereits  vollench'te  und  ins  Auge  gefaßte  Werke.  Es  ist  ein  Schluß  und 
keine  Cberb'eferung,  was  Hnse]»ius  über  die  Abfassungszeit  der  Bücher  c.  Cek 
aussagt.  A])er  der  Schluß  ist  umsiclitig  gezogen  luid  ist  schwerlich  ansni- 
fecliten".  Eusebius  stützt  sicli  im  H.  Buch  in  bezug  auf  das  Leben  und  die 
Werke  des  Origenes  auf  seine  mit  ram]»hilus  zusammen  veröffentlichte  Apologie 
IS.  o.);  für  di(?se  aber  waren  die  Handexemplare  der  Werke  des  Origenes  be- 
nutzt, von  denen  viele  Einzeichnungen  des  Origenes  über  Ort  und  Zeit  der 
Abfassung  tnigen  (s.  \'l,  'Jl  fin.).  (Jewiß  hat  Eusebius  auch  innere  und  relatiTf 
Zeugnisse  beachtet,  aber  seine  Hau])tquelle  tur  <lie  Datierungen  werden  Jen* 
Einzeichnungen  gewesen  sein,  und  er  hat  augenscheinlich  aus  der  großen  Mengr 
der  Werke  des  Orig.  hauptsächlicii  snlL-he  geiuinnt,  welche  einen  von  Orig. 
selbst  herrührenden  Vermerk  trugen. 

3)  Wit^  und  warum  er  dorthin  gekommen  ist  und  wann,  weiß  man  nicht 
Die  Tatsaelie  wird  nicht  dur«'h  Eusebius,  aber  durch  Hieron.  (de  vir.  inl.  M^ 
[Thotius  cod.  TIS])  und  Epii»lianius  diaer.  (II.  .")  u.  de  pond.  et  mens.  18)  be- 
zeugt. Photius  teilt  zwei  rberH«*ferungen  über  den  T(»d  des  0.  mit.  Nach  eiBer 
rberlieferun«;  ist  ?r  in  Cäsarea  unter  Decius  «gestorben. 


Origcnes.  ;{7 

Zeitgeschichtliche  Anspielungen  sind  in  den  Werken  des  0. 
nur  sehr  spärlich  zu  finden.  Stets  lebte  er  in  der  Sache  und  wollte 
Belehrung  und  Erbauung  geben;  daher  trat  das  Zeitgeschichtliche 
und  Individuelle  ihm  ganz  zurück.  Auch  wo  er  konkrete  Mißstände 
in  den  Predigten  bekämpft,  bietet  er  selten  ein  konkretes  Detail, 
und  auch  das  „Ich"  ist  sehr  selten  zu  finden. 

Das  gesamte  Material  (wenige  im  Original  erhaltene  voll- 
ständige Schriften,  viele  lateinische  Übersetzungen  und  eine  Fülle 
von  Fragmenten,  noch  längst  nicht  gesichtet)  hat  Preuschen  im 
1.  Teil  dieses  Werkes  verzeichnet  Ich  beschränke  mich  hier  dar- 
auf, die  chronologischen  Daten  für  die  einzelnen  Werke  zu  geben, 
und  lege  das  von  Hieronymus  überlieferte,  von  Pamphilus  (bez.  von 
Eusebius,  s.  h.  e.  VI,  32)  heiTührende  Verzeichnis  der  Schriften  (nach 
Klostermann)  zugrunde:^ 

Quorsum  Varronis  et  Calcenteri  mentio  facta  sit  queritis; 
videlicet  ut  ad  nostrum  Adamantium  nostrumque  Calcenterum  veni- 
amns,  qui  tanto  in  ss.  scripturarum  commentariis  sudore  laboravit, 
ut  iuste  adamantis  nomen  acceperit.  Vultis  nosse  quanta  ingenii 
sui  reliquerit  monimenta?  sequens  titulus  ostendet: 

scripsit  2 

In  Qenesim  libros  XIV  (XIII  Ruf.,  XII  Euseb.)  [I.  Teil  S.  343ff. 
Buch  I — VIII  in  Alexandrien  geschrieben,  der  Rest  in  Cäsarea, 
s.  0.  S.  31;  es  war  ein  Kommentar  zu  Genes.  1—4,  der  in  älterer 
Zeit  vielfach  benutzt  und  ausgeschrieben  worden  ist]. 

Localium  (locarum)  omeliarum  libros  II  [der  Titel  ist  ver- 
dorben und  unverständlich,  daher  nichts  auszumachen;  Rufln 
schreibt  vielleicht  mit  Recht  „mysticarum"]. 


1)  Epiphan.  (haer.  (>4,  03  und  nach  ihm  andere)  veranschlaget  die  Zahl  der 
Schriften  des  0.  auf  6000;  s.  dagegen  die  Bemerkungen  des  Ruün  n.  Hierony- 
mus bei  Hieron.  adv.  Rufin.  II,  22  etc.  Der  Katalog  des  Hieron.  umfaßt  keine 
8<X)  Nummern  (wie  wir  ihn  besitzen),  und  Hieron.  sagt,  daß  das  Verzeichnis  bei 
Pamphilus  keine  2000  aufweise.     Wie  er  gezahlt  hat,  wissen  wir  nicht. 

2)  Hier  ist  die  Cberschrifb  „Tomorum  in  Votus  Testamentura"  oder  «?iue 
ähnliche  ausgefallen.  Schon  diese  St-elle  beweist,  daß  die  Überlieferung  den 
Verzeichnisses  mangelhaft  ist.  Daß  aber  Hieronymus  selbst  es  nicht  genau 
wiedergegeben  hat,  ist  bei  seiner  bekannten  Art  ziemlich  sicher  anzunehmen. 
Endlich  war  es  von  Hause  aus  kein  vollständiges  Verzeichnis,  sondern  stellte 
den  Besitz  des  Pamphilus  an  Origeniana  dar.  Man  hat  somit  den  Katalog 
unter  dieser  dreifachen  Einschrilnkung  zu  würdigen.  Km  kleiner  Teil  des  Ver- 
zeichnisBes  steht  auch  bei  RuHn,  adv.  Hieron.  II,  10;  doch  hat  Rnfin  keine 
Belbgföndige  Kenntnis  gehabt,  sondeni  lediglich  den  von  Hiornn.  übertragenen 
Katalog  eingesehen. 


38  I^i^  Litteratiir  des  Morgenlundes. 

In  Exodum  excerpta  [I.  Teil  S.  34 6 ff.,  verfaßt  vor  dem  Eomm. 

z.  Hohenlied  (s.  Lomni.  T.  XIV  p.  314),  also  vor  240]  ^ 
In  Leviticum  excerpta  [I.  Teil  S.  348;  Näheres  nicht  bekannt] l 
Stromatum  libros  X  [I.  Teil  S.  383;  verfaßt  in  Alexandrien  unter 

Alexander,  also  222—230]^. 
In  Isaiam  libros  XXXVl  fl.  Teil  S.  360f.;  verfaßt  238—244]. 
Item  in  Isaiam  excerpta*. 

In  Osee  de  Effraim  librum  I  [I.  Teil  S.  366;  Zeit  nnbekannt]^ 
In  Osee  commentariiim  ] 
[n  Johel  libros  II  ) 


1 )  Kin  Kommentar  zum  Exodus  wird  nirgends  bezeugt  (aus  c.  Cels.  VIII,  4<» 
Hißt  Hich  nichts  folgern;  gegen  Neu  mann,  Rom.  Staa£  u.  Kirche  I  S.  2tX»); 
auch  die  I'hilokalia  (p.  2.12  Rol».)  kennt  nur  OTifjteiwaeig  (—  excerpta,  cf.  Hieron.. 
(.'omni,  in  Isai.  lib.  I  J'raef.:  „orjfjLeiwaBig^  qua»  nos  Kxcerpta  possiimus  appel- 
Iure")  zu  diesem  Buch;  dcjnn  xal  nakiv  ^v  aX).v)  zonip  (nicht  tofiqt)  tv  x.  atToS; 
elg  T.  *E^o6ov  OTjfjiei.  ist  zu  lesen.  Die  „tractatus  in  Kxod.",  wie  sie  der  Komm, 
z,  Hoht'nlied  nennt,  werden  mit  den  Kxc(»ii)ta  zu  identifizieren  sein,  da  Homilieu 
damals  noch  nicht  aufgezeichnet  waren. 

2)  Kin  Kommentar  zum  Levit.  wird  nirgends  bezeugt.  Einen  Kommentar 
zu  Deuter,  hat  Orig.  nach  Comm.  in  Joh.  XXX II,  IS  spät  noch  (11)  geplant: 
T«  ne^l  fx6v  zoitov  oixtioxiQov  ^v  xolq  elg  ro  /JevteQOvo/uov  ^^ttaaMii  iv. 
Daß  er  dazu  gekommen  ist,  ist  unwahrscheinlich. 

3)  Der  Athos-Kodex  von  der  (ioltz'  hat  uns  über  die  Strom,  wichtige 
Aufscliln.-<e  gegeben  (Texte  u.  Unters.  lid.  17  S.  iMIil*.).  Sie  waren  ein  großes^ 
exegeti^eh-apulogetisches  Work  ii])er  ausgewählte ,  schwierige  Schrittstelleu. 
iiiid  es  ist  sehr  wohl  möglieh,  daß  <'in  Teil  der  in  der  Überlieferung  als 
arjfiFiiooeig  bezeichneten  Stücke  auf  sie  zurückgeht,  da  der  Schreiber  de? 
Athos-Kodex  seine  Exzerpte  aus  den  Strom,  mit  arjfxfuoxhov  oti  einleit<»t.  Da- 
zu ist  Hieron.,  Connn.  in  (lalat.  I'raef.  zu  vergleiehen :  „decimum  stromatum 
suoruni  lil>runi  conimatico  super  exj)laiiatione  eins  sennone  c(»m]>levit."  „Seii- 
tentiae  ]>hilosophoruni"  waren  mit  den  Bibelst<'llen  v»M-gliclien  (IJioron.,  ej>.  70,  4\ 
Die  Abfassung  <les  Werkes  unter  Alexander  Sevorus  in  Alexandrien,  also 
222-2:^,1»,  hat  Orig.  nach  Ku>,eb.  VI,  21,  M  selbst  ^ernlerkt.  Di(>ses  Werk  hat 
ror]>hyrius  wahrscheinlich  im  Auge  gehabt,  wo  er  die  holh'nische  lUldung  de:? 
0.  bezeugt;  denn  Hieron.  charakterisiert  es  iL  c.i  also:  „(.'lementem  Alex,  imi- 
tatus  (Jrigenes  seripsit  Stnunateas  Christianoruni  et  philoso])honim  int^T  ^ 
sententias  coni]>arans  et  omnia  nostrat;  religionis  dogmata  de  Piatone  et  de 
Aristotele  Numenio  Cornutojiue  contirmans  (vgl,  dazu  KuscV».  Vi,  llh.  Die 
Stellung  der  Strtun.  in  un-erem  Vr-rzeichnis  (unter  den  «'Xegetisehen  AVerken» 
bestätigt  ihn'n  Charakter.  Hie  iloflnung,  ^ie  im  K>knrial  noch  zu  finden,  ist 
gescheitert  (s.   K 1  o .«.  t  e  r mann  S.  SfJ-J ). 

-l)  Kusebius  kennt  nur  :i(»  F»U  (bi.->  .le>.  :i(),  di,  nnd  da  auch  sonst  nur 
diese  Zahl  überliefert  ist,  sin«!  die  0  weiteren  Hiielier  fraglich.  —  Die  Kxcerpta 
nennt  llieron.,  C'oinni.  in  Isai.  lil».  I  l'raef,  ausdrücklich.  l>er  Komm,  zu  .les, 
wird  c.  ('eis.   VII,   11    zitiert. 

r»!  Dies  war  eine  Monogra]»hie  für  sirli,  die  iiuch  llieron.  iComm.  in  0>. 
Traef  I  trckannt  hat. 


Origenes.  39 

In  Arnos  libros  VI 

In  Jonam  librum  I 

In  Micheam  libros  UI 

In  Naum  libros  II 

In  Abacuc  libros  III 

In  Sophoniam  libros  II 

In  Aggeum  librum  I 

In  principioZachariae  libros  II 

In  Malachiam  libros  II  (L  Teil  S.  3651;  dieser  Kommentar  in 
25  BB.  ist  zwischen  246  u.  249  verfaßt,  s.  0.  S.  35]  *. 

In  Ezechiel  libros  XXIX  [I.  Teil  S.  364f.;  verfaßt  238—  c.  240  in 
Cäsarea  und  Athen,  vor  dem  Komm,  zum  Hohenlied,  s.  oben  S.34]-. 

Excerpta  in  Psalmos  a  primo  usque 

ad  quintum  decimum.  —  Rursum: 

In  Ps.  I— XVI,  XX,  XXIV,  XXVm,  XXIX,  XXXVni,  XL,  XLUI 
— XLVI,  L— Lin,  LVII-^LIX,  LXII— LXV,  LX VIII,  LXX,  LXXI 
je  ein  Buch,  jedoch  in  Ps.  XLIII  und  L  noch  ein  zweites 
und  in  Ps.  XLIV  noch  ein  zweites  und  drittes. 

In  principio  LXXII  librum  I 

In  cm  libros  11  [I.  Teil  S.  356 ff.  Zwei  Werke  zu  den  Psalmen 
sind  hier  verzeichnet:  (1)  Die  Erklärungen  zu  den  ersten  25  [so, 
nicht  15  ist  zu  lesen]  Psalmen,  die  nach  einer  Bemerkung  im 
9.  Buch  des  Kommentars  zur  Genesis  noch  in  Alexandrien,  also 
vor  230,  verfaßt  waren,  (2)  Erklärungen  zu  42  Psalmen  in  47  BB. 
Die  Zeit  dieses  großen  Werks  ist  unbekannt]^. 

In  Proverbia  libros  III  [L  Teil  S.  358;  Zeit  unbekannt]. 


1)  2:")  BB  zu  den  kleinen  Propheten  »ind  auch  durch  Kuseb.  VI,  32,  2  und 
Hieron.  (Pamphil.),  De  vir.  inl.  7')  bezeuj^t!  Der  Kommentar  zu  Hosea  träjrt 
nicht  durch  Zufall  in  unserem  Verzeichnis  keine  Buchzahl;  er  war  schon  zur 
Zeit  des  Hieron.  (Comm.  in  Os.  Praef.)  axetpaXov  xal  ax^Xeoxov.  Hier  erweist 
sich  unser  Katalog  also  als  ganz  genau.  Die  Teilzahlen,  die  er  bietet,  geben 
zusammen  25;  allein  zwei  Schwierigkeiten  bleiben  nach:  Obadja  fehlt,  und 
Hieron.  (Prol.  in  Malach.)  gibt  3  BB  des  0.  zu  Malach.  an.  Zur  Erkl^lrung  des 
Fehlens  des  Obadja  kann  man  sich  nicht  auf  c.  Cels.  VU,  11  berufen;  denn 
die  Stelle  beweist  nur,  daß  da«  Werk  gegen  Celsus  mitten  inne  zwischen  die 
Abfassung  des  Komm,  zu  den  kleinen  Propheten  fällt  Uv  xolq  TiQayfiaxevd^slaiv 
y/iiy  eiq  x6v*^Haaiav  xal  elg  xör^Ietexii/k  xal  eig  xivag  xwv  ödöexa  —  daß  der 
Kommentar  zu  Sophonias  noch  nicht  geschrieben  war,  zeigt  VIII,  72).  Aber 
vielleicht  hat  0.  wirklich  keinen  Kommentar  zu  Obadja  verfaßt.  Die  Buchziffer 
für  Malach.  bleibt  unaufgeklärt.  —  Zu  „In  princii>io"  Zach.  vgl.  Hieron., 
Comm.  in  Osee  Praef. 

2)  Die  Buchzahl  ist  wahrscheinlich  falsch;  nach  Euseb.  VI,  82,  1  waren 
es  25  BB  (s.  die  Noten  des  Cod.  Vatic.  gr.  212;")). 

3)  Zu  dem  großen  Psalmenwerk  s.  Hieron.,  Commentarioli  in  Ps.  (Morin, 
Aneedota  Maredsol.  111,  1.  Prol.  1805). 


40  ^i^*  I-jitteratur  des  Morgenlandes. 

In  Ecclesiasten  excerpta  [I.  Teil  S.  358;  Zeit  unbekannt]. 

In  Canticum  Canticorum  libros  X  [I.Teil  S.  358f.;  die  ersten 
5  BB.  sind  in  Athen  c.  240  verfaßt,  die  folgenden  bald  darauf  in 
Cäsarea,  s.  o.  S.  34  fj. 

Et  alios  thomos  II 

quos  insuper  scripsit  in  adolescentia  [I.Teil  S.358f.,  vielleicht 
die  früheste  exegetische  Arbeit  des  0.]*. 

In  Lamentationes  Jeremiae  thomos  V  fl.  Teil  S.  363f^  ge- 
schrieben in  Alexandrien,  s.  o.  S.  31]  "'^. 

Rursum  [oder:  Iteram  moiiobiblia]^ 

Periarchon  libros  IV  (I.  Teil  S.  3781f.,  verfaßt  zwischen  220  und 
230  in  Alexandrien,  s.  o.  S.  31]^. 

De  resurrectione  libros  II 

Kt  alios  de  resurrectione  dialogos  II  [L  Teil  S.  358f.;  verfalit 
in  Alexandrien  vor  De  princ.  (s.  II,  10)  und  vor  den  Klageliedern 
(s.  Euseb.  VI,  24),  also  wohl  näher  an  220  als  an  230] ^ 

De  proverbiorum  quibusdam  questionibus  libruml  [L  Teil 
S.  386;  nichts  ist  bekannt]. 

Dialogum  adversus  Candidum  Valentinianum^. 

De  martyrio  librum  [I.Teil  S.  382;  verfaßt  235  oder  236,  der 
Ort  ist  nicht  sicher,  s.  o.  S.  33f]'. 

1)  Die  Chiirakterisieninji:  aU  ein  Jugendwerk  muß  auf  eine  wörtlich  gleich- 
lautende sjtatere  Eintragung  des  Origenes  selbst  zurückgehen,  s.  Philokal.  7: 
ex  xov  eig  uapLa  fjiiXQOv  JOfiov  (es  wird  trotzdem  an  den  2  BR  festzuhalt*»!! 
sein),  (Iv  tp  zy  veortjri  tygaxpsv). 

2)  Mehr  Bücla^r  hatte  auch  Kuseb.  (VI,  -4}  nicht,  setzt  aber  die  Exist^Miz 
von  mehreren  voraus.     Maximus  (.'onfessor  weili  von  ein(»m  10.  Buch. 

.'))  Die  zweite  Überschrift  })ei  Kutin,  und  sie  wird  richtig  sein.  Vielleicht 
ist  sie  als  (iesamttili?!  für  die  nun  folgenden  sechs  Monogra])hien  gemeint. 

\)  Die  lateinisch»'  Übersetzung  des  Rutin  kann  nur  bedingt-  als  ein  Werk 
des  Origenes  gelt(?n,  denn  er  hat  sich  die  größten  Eigenmächtigkeiten  erlaubt. 
Die  wörtliche  Cbersetzung  des  Ilieronymus  (s.  ep.  S'Jtf.)  ist,  wie  das  Original, 
bis  auf  wenige  Fragment«'  is.  bes.  ep.  UM)  imtcrgegangj'u.  —  Athanasius  zitiert 
(ep.  4  ad  Serap.  c,  U;  ein  owxayfJLuxiov  des  ().  über  die  Sünde  wider  den 
h.  (b.'ist.  Mau  kann  vermuten,  daß  damit  ein  A})schnitt  in  dem  Werk  .Tfpi 
((QXdiv  g<'meint  ist;  <!s  kann  aber  au(;h  eine  besondere  Schrift,  sein. 

5)  Zwei  Werke  IIsqI  civaGtaaeog  sin<l  auch  sonst  })ezeugt,  bez.  4  Bücher; 
wie  sich  die  erhalteiu'u  Zitate  verteiliMi,  läßt  sich  nicht  ausmachen.  Eu.seh. 
(VI,  24)  weiß  nur  \oii  zwj-i  Büehj'rn.  Die  dialogisch«' Form  {ih^^i  einen  Werkes; 
ißt  auch  durch  Tlieojthilus  Alex.  b»'i  Hieron.  ep.  U'J,  4  bezeugt, 

0)  S.  Rufin.,  De  adult.  libr.  Orig.  bei  Lomni.  T.  XXV  ]».  iiSOf,  Hieron. 
adv.  Buf.  II,  IS.  111.  Der  Dialog  ist  identisch  mit  d«'m  in  dem  Brief  ad  quos- 
dam  caros  suos  erwähnten,  s.  den  I.  T<'il  dii.'ses  Werkes  S.  171.  18*J.  377.  7r>Sf. 
Er  ist  zu  Athen  'J:)n/1  gehalten. 

7)  Ileftl  fxaQXVQiov  ist  auch  nach  Eus«4).  IV,  'js  d«'r  Titel.  Das  Werk  fallt 
unzweifelhaft  in  d.  J.  *J:55    oder  L^ijd,    d.  h,    in    die  Zeit    der  Verfolgung  Ma^si- 


Origenes.  4j 

De  NoTO  Testamente 

In  Matheum  libros  XXV  [I.Teil  S.  366 ff;  verfaßt  unter  Philippus, 
s.  0.  S.  35,  und  nach  dem  Komm,  zu  Rom.]  K 

In  Johannem  libros  XXXII  [I.  Teil  S.  371ff.;  B.  I— V  iu  Alexan- 
drien  verfaßt  seit  c.  218/9  (s.  o.  S.  31);  nach  der  Verfolgung  des 
Maximin  schrieb  0.  das  22.  Buch  (vielleicht  während  der  Ver- 
folgung); das  nie  vollendete  Werk  hat  ihn  noch  nach  238  be- 
schäftigt] 2. 

In  partes  quasdam  Johannis  excerptorum  librum  I  [nichts 

bekannt;  doch  s.  d.  vorige  NoteJ. 
In  Lucam  libros  XV  [I.  Teil  S.  368;  Zeit  unbestimmt]^ 
In  epistulam  Pauli  apostoli  ad  Romanos  libros  XV  [I.Teil 

S-  373 f.,  verfaßt  nach  244  und  vor  dem  Komm,  zu  Matthäus]^. 
In  epistulam  ad  Galathas  libros  XV  [I.  Teil  S.  374f.,  wohl  zu 

den  späteren  Arbeiten  gehörend]  ^ 
InEph.,  Philipp.,  Coloss.,  I  Thess.,  II  Thess.,  Tit,  Philem.  je 

ein  Buch,  aber  zu  Koloss.  noch  ein  zweites  u.  zu  Eph.  u. 


mins.     Ob    es  aber   iu   Cäsarca  Pal.  oder   in  Casarea  Kapj).  abgefaßt    ist,    ist 
unsicher. 

1)  Die  Buchzahl  ist  durch  Euseb.  IV,  iJ'i  gesichert.  Das,  was  uns  teils 
griechisch,  teils  lateinisch  erhalten  ist,  legt  die  Vermutung  nahe,  daß  zwei 
Ausgaben  dieses  großen  Werkes  von  Orig.  sell>8t  herrühren.  Der  Kommentar 
zum  Rßmerbrief  ist  in  unserem  Kommentar  XVII,  32  (Lomm.  T.  IV  ]).  l.")!)) 
zitiert.  Es  scheint  auch,  daß  c.  Geis,  vor  Matth.  geschrieben  ist;  s.  11,00  mit 
ComTD.  ser.  143  (T.  V  p.  79 f.)  u.  Neumann,  Der  röm.  Staat  usw.  I  S.  200. 

2)  Preuschen  hat  in  der  Vorrede  zum  Komm.  z.  Job.  p.  LXXVlIlf.  gezeigt, 
daß  nach  Komm.  I,  2  die  Arbeit  am  Johannes  die  erst^  Arbeit  dieser  Art  ge- 
wesen und  von  0.  daher  c.  218/J  unternommen  worden  ist.  Das  letzte^  IJurli, 
welches  vorliegt  (32.),  will  Neu  mann  ohne  durchschlagenden  (irund  nach 
c.  Gel»,  nicken  (der  röm.  Staat  u.  d.  allg.  Kirche  I  2<)!)).  :Mehr  als  32  Bü(?her 
hat  O.  zu  diesem  Ev.  vielleicht  nicht  geschrieben  (wenigstens  sind  Nachrichten 
über  weit<»re  Bücher  nicht  sicher);  Eusebius  aber  hat  nur  22  (VI,  2-1)  gesehen, 
oder  soll  man  mitHuät,  Klostermann  u.a.  32  schreiben?  Die  Nachrichten 
über  spät^ire  Bücher  (s.  Gomm.  in  Matth.  ser.  J33)  mögen  auf  die  ..Excerpta" 
gehen.    Die  32  BB  reichen  bis  c.  13,  33. 

3)  Die  Zahl  15  ist  schwerlich  richtig;  Kutin  (adv.  Hieron.  II,  10)  \i.  Hieroii. 
(Hom.  Orig.  in  Luc.  Prolog.)  bieten  5. 

4)  Hier  hat  von  der  (ioltz,  a.  a.  0.  S.  02ft*.,  Neues  g<?braclit  und  u.  a.  auf 
(irund  de»  Athos-Kodex  zeigen  können,  wi«^  weit  jedes  einzelne  Buch  reicht«». 
Der  Kodex  bestätigt  auch  die  Buchzahl. 

5)  Die  Buchzahl  XV  ist  in  \  zu  korrigieren  (s.  Hieron.,  Comni.  in  e]).  ad 
Cial.,  Prol.;  ep.  112,  4  und  jetzt  auch  den  Kodex  von  der  (4oltz,  nach  welchem 
die  Grenzen  der  5  BB  bestimmt  werden  können).  Nach  Hieron.  (1.  c.)  waren 
im  10.  Buch  der  Strom,  viele  Erklärungen  zu  iial.  erhalt-en;  außer  diesen  und 
dem  Kommentar  aber  „(Origenes)  tractatus  quoque  varios  et  excerpta  quae  vel 
sola  possint  sufticere  composuit". 


42  I^i**  Litteriitur  des  Morgenlandes. 

I  Thess.  noch  ein  zweites  u.  drittes  [I.Teil  S.  375£;  wohl 

zu  den  späteren  Arbeiten  gehörend,  aber  der  Komm,  in  I  Thess. 

ist  vor  c.  Gels.  II,  65  verfaßt]*. 
Rarsas  omellarum  in  Yetus  Testamentam 
In  Genesi  omeliae  XVII  [I.  Teil  S.  344f.,  gehalten  nach  244,  von 

Rufln  übersetzt]. 
In  Exodo  omeliae  VIII  [I.  Teil  S.  347f.,  gehalten  nach  244] l 
In  Levitico  omeliae  XI  [I.Teil  S.  348f.,  gehalten  nach  244  n. 

zwar   wahrscheinlich   vor  den  Hom.  zu  Jerem.,   s.  Lev.  Hom. 

VIII,  3; -^ 
In  Numeris  omeliae  XXVIII  [I.  Teil  S.  350f.,  gehalten  nach  244; 

aus  XI,  3  ergibt  sich  Cäsarea  als  Ort]  \ 
In  Deuteronomio  omeliae  XIII  [I.  Teil  S.  352,  gehalten,  wie  es 

scheint,  vor  Hom.  in  Luc,  s.  die  VÜI.  Lomm.  Bd.  V  p.  113: 

.,Memini  quondam  Deuteronomium  disserentem  . . .  dixisse  me**]*. 
in  Jesu  Nave  omeliae  XXVI  [I.Teil  S.  352,  gehalten  nach  244, 

nach   den  Jerem.-Hom.  (s.  XIII,  3),  beim  Ausbruch   der  deci- 

anischen  Verfolgung  (s.  IX,  10),  also  249/50]  ^ 
In   libro  .Judicum  omeliae  IX  [I.  Teil  S.  354,  gehalten  vor 

dem  Komm,    zum  Hohenlied,   s.  den  Prolog  z.  dems.  (Lomm. 


li  !)]'♦'  Hiichziihl  Ix'l  Kj^hpH.  sobcint  auch  durch  den  Kod.  von  der  Goltz 
l»«'>tijti<;t  zu  w<'nl»Mi,  iu<lin'kt  auch  die  zu  Phil.  Die  Zahl  2  bei  Kolos>s.  iet  in 
.)  /u  vcrwandehi  (s.  von  <lfr(ioltz  S.  0'),  wo  die  Hücherabgrenzungen  gegeben 
siinl,  und  l'auiithil.,  Apol.  ')}.  1)»m-  Kommentar  reichte  bis  c.  4,  12  (s.  von  der  Goltz, 
a.  II.  O.  I,  wie  ja  aucli  der  ^rhhili  des  Hömerbriefes  nicht  erkliirt  gewenen  ist 
ivon  (b-r  ^ioltz  >.  DI).  DalJ  Orij::.  wirklich  auch  II  Thess.  erklärt  hat,  lehrt 
\on  d«'r  (toUz  S.  !i<j,  un«l  auch  die  Ziffer  ,,1  Buch**  wird  dort  indirekt  br- 
stätii^t.  Zu  Titus  s.  ramiihil..  Apol.  i>ro  Orig.  J.  U.  Zu  IMiilem.  s.  von  der  Goltz 
S.  !m;  II.   l'amphil.,  A|»ol.  »i. 

•Ji  l)i»' Zaiil  VIII  nnilJ  in  XIII  verwandelt  werdiMi:  dtuin  U>  Hom ilien  finden 
sirli  in   IJuiin.-j   1  Iwrsr'tzuuj^. 

!!•  l)i«'  Zahl  XI  muß  in  XVI  verwan<lelt  werden;  denn  lÜ  Homilien  finden 
>u'\\  in  KuHn<  fbersetzun^;  zur  Zeitbe^timmunLT  s.  Klostermann,  Orig.  Werke 
III   S.   IXf. 

\)  h'w  \  »'rweisung  auf  Kxe|^etihehes  zu  Num.  in  dem  Prolog  zum  Hohen- 
lifde  bezii'ht  Klrjsteruiann  auf  <lie  Homilien;  aber  es  wird  sich  zeigen,  daß 
ein   K\z«'ri)t»»n-Konnnent;ir  zu  Ninn.  *j:«'meiut  i^t. 

r>)  Ob  liuiin  >ie  übei'<<'tzt  hat,  ist  fraijrlich  's.  meinen  l'rolog  zu  Orig.  in 
Niini.i.  aber  wahrsi'heinlith;  dfun  Ka.->^lodor  hatte  il  V  SV  1.1  Vi  Homilien  zu  Di'ut. 
Das  einzij/e  <;riechi.-'ehe  Frajrment  laiis  der  7.  Homiliei  bietet  von  der  (lolt/ 
S.  HS. 

'ii  Die  Stelle  IX,  I''  lautet:  „Conveuerunt  rog(*^  terrai*,  senatus  populusque 
et  [irinei|n*s  Kf)njani,  ut  exi»ugnarent  nomeu  Jesu  et  Israel  simul;  decreverunt 
enim  legibus  suis,  ut  nun  siut  Christiani.  omnis  civitas,  omnis  ordo  Chriötia- 
nnriim  nouien  impuguat".     Das  ist  das  decianische  Dekret. 


Origeiies.  43 

T.  XIV  p.  317),  u.  bald  nach  einer  Verfolgung,  also  wohl  bald 
na<;h  235]  1. 

De  pascha  omeliae  VIII'-. 

In  primo  Regnorum  libro  omeliae  IV  [L  Teil  S.  355;  gehalten 
nach  244]^. 

In  Job  omeliae  XXII  [I.  Teil  S.  355f.;  gehalten  nach  244  und 
vor  den  Ezech.-Hom.,  s.  hom.  VI,  4  in  Ezech.]. 

In  Paroemias  omeliae  VII  [nichts  ist  über  die  Zeit  dieser  ver- 
lorenen Hom.  bekannt]. 

In  Ecclesiasten  omeliae  VIII  [I.  Teil  S.  358;  nichts  ist  über 
die  Zeit  dieser  verlorenen  Hom.  bekannt). 

In  Cantico  Canticorum  omeliae  II  [I.  Teil  S.  359 f.;  diese  bei- 
den in  der  Übersetzung  des  Hieron.  erhaltenen  Hom.  werden 
wohl  auch  nach  244  fallen]. 

In  Isaiam  omeliae  XXXIl  [I.  Teil  S.  361;  Zeit  unbestimmt,  wohl 
auch  nach  244]. 

In  Jeremiam  omeliae  XIV  [I.  Teil  S.  361;  gehalten  nach  244 
und  zwar  nach  den  Hom.  zu  Psalm,  und  Levit,  vor  denen  zu 
Ezech.  und  Josua]*. 

In  lezechiel  omeliae  XII  [I.  Teil  S.  364f.;  gehalten  nach  244 
und  zwar  nach  den  Jerem.-Hom.,  also  spätj^ 

1)  Aus  der  Stolle  im  Hohenlied- Komm,  geht  hervor,  daß  0.  die!^e  „onitiuii- 
culae"  selbst  ediert  hat.  Aus  Hom.  IX,  1  folj^t,  wenn  auch  nicht  mit  Sicher- 
heit-, daß  eine  Verfolf^ng  nicht  lange  vorherging. 

2)  Dies  ist  ganz  rätselhaft:  man  weiß  von  diesen  Homilien  sonst  nichts, 
und  die  Stellung  hier  befremdet  außerordentlich;  Kombinationen  mit  Hom.  zu 
Ruth,  Chron.,  Esra,  Nehem.,   die   man   erwartet,   schweben  völlig  in  «ler  Luft. 

3)  Die  Ziffer  durch  Kassiodorius  bestätigt.  Wir  besitzen  nur  noch  je  ein«» 
im  Original  und  in  lateinischer  Übersetzung.  Die  letzt<?re  ist  zu  JenisaU-m  (im 
Beisein,  wie  es  scheint,  des  Bischofs  Alexander)  gehalten,  s.  Lomm.  T.  XI 
p.  21M):  „Nolite  ergo  In  nobis  illud  requirere,  quod  in  jiapa  Alexandro  habetis; 
fatemur  enim  quod  omnes  nos  su])erat  in  gratia  lenitatis".  Die  erst^Tc  (über 
1  Sam.  28,  8ff.)  ist  (gegen  Redepennings  Vermutung  11  S.  7)  in  (Tisarea  ge- 
halten, s.  S.  XLlVf.  u.  '2HUj  5 — 1(>  ed.  Klostermann:  ci^  tiqwtjv  hXtyofjttv 
i&jyovftsvoi  Tor  xa  rpaXfiov  ....  /iSfjtvi'j/xeOaj  eTye  fie/ivtjfxeO-a  twv  Ugwi' 
ygafifiaxmv  fit/jivtj/iai  yag  avrwv  slgijfÄivwv  elg  xov  xa  %pa).(Ji6v.  Ob  es  noch 
eine  andere  Homilie  des  0.  über  denselben  Text  gegeben  hat?  (s.  Klohtermann 
S.  28S,  11  ff.  not.).  In  der  Hom.  HI,  4  (Lomm.  T.  XI  p.  ?>1)  zu  Josua  erwähnt 
Orig.  eine  früher  zu  1  Reg.  1]  gehaltene  Homilie;  aber  man  weiß  nicht,  ob  sie 
aufgezeichnet  worden  ist. 

4)  S.  Klostermann,  Orig.  Werke  lll  S.  IXf.  —  Die  Zahl  ist  die  der  lat. 
übersetzten  Homilien;  in  der  l'hilokalie  wird  die  .'59.  Homilie  zitiert,  Kassio- 
dorius berichtet  von  45,  und  das  wird  richtig  sein.  Im  Original  sind  19  er- 
halten. Hom.  iV,  3  zeigt,  daß  die  Märtyrer/eit  abgeschlossen  und  verfloss»'n 
ist,  somit  die  Friedenszeit  unter  Philijiims. 

5)  S.  Hom.  XI,  5  in  Kzech.:  „eo  tempore,  quo  Jeremiam  exposuimu»*'.    Die 


44  ^i^  Litte rat\ir  des  Morgenlandes. 

De  Psalm is  [I.  Teil  S.  357 f.;  gehalten  in  den  letzten  6 — 10  Jahren 

vor  Decius]^ 
In  Psalmo  lU,  IV,  VUl,  XII,  XIU  je  eine  Homüie 
In  Psalmo  XV  omeliae  III 

In  Psalmo  XVI,  XVIll,  XXII— XXVII  je  eine  Homilie 
In  Psalmo  XXXVI  omeliae  V 
In  Psalmo  XXXVII-XXXIX  je  zwei  Homilien 
In  Psalmo  XLIX,  LI  je  eine,  LH  zwei  Homilien 
In  Psalmo  LIV  omelia  I 
In  Psalmo  LXVIl  omeliae  VII 
In  Psalmo  LXXl  omeliae  II 
In  Psalmo  LXXII  und  LXXIII  je  drei  Homilien 
In  Psalmo  LXXIV  und  LXXV  je  eine  Homilie 
In  Psalmo  LXXVI  omeliae  HI 
In  Psalmo  LXXVII  omeliae  IX 
In  Psalmo  LXXIX  omeliae  IV 
In  Psalmo  LXXX  omeliae  II 
In  Psalmo  LXXXI  omelia  I 
In  Psalmo  LXXXH  omeliae  Hl 
In  Psalmo  LXXXIII  omelia  I 
In  Psalmo  LXXXIV  omeHae  II 

In  Psalmo  LXXXV,  LXXXVn,  CVm,  CX  je  eine  HoraiUe 
In  Psalmo  CXVTII  omeliae  III 
In  Psalmo  CXX  omelia  T 
In  Psalmo  CXXl— CXXIV  je  zwei  Homilien 

Zahl  kann  nicht  ri(rhti^  sein,  da  llioron.  selbst  14  übersetzt  hat.  Im  Griechißcben 
Avaron  es  vielleicht  no(!h  mehr.  —  Daß  die  Homilien  in  Jerusalem  (Aelia)  ge- 
halten sind,  hat  man  ohne  Not  aus  llom.  1,  11  (Lomm.  T.  XIV  p.  24)  j?e- 
srhlossen.  Sic*  sind  sicher  an  demselben  Ort  wie  die  Jerem.-Hom.  gehalten, 
diese  aber  gehören  sicher  nach  Cäsarea. 

ll  Das  Verzeichnis  zählt  liM  Homilien  zu  <)i>  Psalmen  auf.  Ob  das  alle 
gewesen  sind,  steht  dahin.  Interessant  ist,  daß  nach  Hieron.  adv.  Ruf.  U,  IS 
(^-^ej».  "U)  die  Krl^lilrung  zum  l'JO.  J*s.  in  der  JJibliothek  des  PamphLJus  ver- 
mißt wurde;  sie  tindet  sich  auch  hier  nicht  (ein  Beweis,  daß  das  Verzeichnis 
des  Hieron.  das  des  Pamphilus  ist).  —  Aus  dem  wenigen,  was  in  Cbersetzung 
durch  Kufin  (neben  den  griech.  Kateneu-Fragmenten)  erhalten  ist,  folfjft,  daß 
diese  Homilien  sjjJlt  gehalten  worden  sind,  s.  Hom.  l,  L?  zu  l's.  HU  (Lomni.  T.  XII 
S.  157):  ,,Vide  (juis  imperavit  ante  hos  triginta  annos,  quomo<lo  imperium  eiu:^ 
etfloniit,  continuo  autem  sii.'ut  tlos  foeni  cmarcuit  wohl  Caracalla;  denn  auf 
Sept.  Severns  \niiM  es  nichtj,  tunc  deinde  alius  ]iost  ijisum  [Klagabal],  deinde 
alias  atque  alius  [Alexander,  ^laximlnus,  etc.],  <]ui  deinde  ducr's  et  principe!': 
et  omnis  eonim  gloria  et  honor  non  solum  tamquam  flos  emarcuit,  veniui  etiam 
tamquam  jnilvis  aridus  et  a  vento  dispersus  ne  vestigium  (inidem  sui  reliquit". 
Dazu  Hom.  11,  1  zu  i*s.  oi>  d.  c  p.  170):  „rnde  et  meniini  me  frequ enter 
dixisse  ad  vos,  «piia   v<'niam  d»']ictornm  etc." 


Origenes.  45 

In  Psalmo  CXXV,  CXXVII- CCXXIX,  CXXXI  je  eine  HomiUe 

In  Psalmo  CXXXII-CXXXIV  je  zwei  Homilien 

In  Psalmo  CXXXV  omeliae  IV 

In  Psalmo  CXXXVII  omeliae  II 

In  Psalmo  CXXXVin  omeliae  IV 

In  Psalmo  CXXXIX  omeliae  II 

In  Psalmo  CXLIV  omeliae  IH 

In  Psalmo  CXLV— CXLVII,  CXLIX  je  eine  HomiUe 

Excerpta  iu  totum  Psalterium  [Abfassungszeit  ungewiß]^ 

Omeliae  in  Nomm  Testamentum 

Kara  MAß  evangelium  omeliae  XXV   [I.  Teil  S.  367;    Zeit 

unbekannt  (aber  nach  245),  da  alles  untergegangen  ist]'-^. 
In    evangelium   xara  AOYKAN  omeliae    XXXIX    [I.  Teil 

S.  368  ff.,  gehalten  vor  dem  Comm.  in  Matth.  und  Comm.  in  Joh. 

t.  XXXn  und  zwar  beträchtlich  früher  (aber  natürlich  in  Cä- 

sarea),  auch  von  Origenes  selbst  ediert] '^ 

1)  S,  Kloster  mann  (Sitzj^aber.  S.  8Ü8):  „Dieöe  Kxcorptu  in  totum  psal- 
t<*rium  i>flegt  man  richtig  mit  der  Notiz  de«  Hioron.  (Prol.  comm.  in  Ps.  cd. 
4J.  Moriu)  zu  kombinieren:  „Proxime  cum  Origenis  j)Balt^'rium,  quod  Knchiridion 
ille  vociibat,  strictis  et  necessariis  interpretationibus  adnotatum  in  commune 
le^^eremus,  Kimul  nt-erque  deprehendimuö  nonnulla  eum  vel  i)raeßtrinxi88e  levit«»r 
vel  intacta  penitus  reliquisse,  de  quibus  in  alio  opcre  latiasime  disputavit". 
(Vgl.  dazu  Hieron.  Comm.  in  Psalm.  (Morin,  1W)ü  p.  5):  „nam  h^anXov^  Ori- 
geuib  in  Caesareensi  bibliotheca  relegens'S  j).  VI:  „(^um  vetustum  Origenis  hexa- 
phim  psalterium  revolverem,  (piod  ipsiuH  manu  fuenit  emendatum").  Doch  ist 
die  gewöhnlich  dabei  vorausgesetzte  Deutung  des  "Wortes  „Enchiridion"  als 
Buchtitel  kaum  richtig.  Man  wird  besser  mit  Mercati  annehmen,  daß  Orig. 
den  Psalter  schlechtweg  oder  sein  Handexemplar  der  Psalmen  als  sein  „Hand- 
buch" bezeichnet  hat.  Morin  hat  übrigens  wahrscheinlich  gemacht,  daß  die 
lül>  tractatus  des  Trithemius  allerdings  [s.  d.  1.  Teil  dieses  Werkes  S.  iJöT)  nichts 
sind  als  das  Breviarium  in  Psalmos.  Wenn  man  zusammenzählt,  was  hier  an 
Arbeit-cn  des  Orig.  zu  den  I*salmen  genannt  wird,  so  versteht  man,  daß  Hieron. 
ep.  112,  20  Orig.  an  erst<?r  Stelle  imter  denen  nennt,  die  das  ganze  corpus  Pss. 
ausgelegt  haben.  Unter  Zuhilfenahme  der  Katenen  und  der  Erkläningen  von 
Hilarius,  Ambrosius,  Hieronymus  (vgl.  jetzt  Anecd.  Mareds.  11 T,  2,  1S97)  wird 
er  zum  größten  Teil  wiederhergestellt  werden  können".  Man  hat  also  (s.  o.) 
vier  Arbeiten  des  Orig.  zum  i'salter  zu  unterscheiden:  (1)  die  Kxcerpta  zu  den 
25  ersten  Pss.,  (2)  die  Kommentare,  (^J)  die  Homilien,  (4)  die  Kxcerpta  zum 
ganzen  Psalt<?r. 

2)  S.  Hieron.  Comm.  in  Matth.  Praef.:  „legisse  nie  fatoor  ante  annos  pluri- 
mos  in  Matth.  Origenis  XXV  volumina  et  totidimi  t?ius  homilias". 

3)  Hieron.  hat  30  llom.  übersetzt,  die  uns  erhalten  sind;  es  waren  aber 
mehr,  wie  Selbstzitat^  des  Orig.  und  der  Komm,  des  Ambrosius  beweisen.  Im 
Griechischen  ist  wenig  erhalten  (Thenn,  Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  1S1»1  S.  228ff. 
iSr^fF.;  ia02  S.  l()5ff.;  189;]  S.  274 ft".,  hat  nichts  Neues  -dazu  Unechtes]  gebracht. 
Daß  die  Hom.  vor  Comm.  in  Joh.  XXXJl.  2  [Iv  xaiq  tlq  x6  xaxä  Aovxäv  bfiiUaiq 
avvfxglvofiiv  dlh'ßaig  zag  TiagaßoXaq  yal  h^rut\(jauiv  t/  ficv  arjfiaivei  zo  xaza 


46  ^i^  Littorutur  deis  Morgenlandes. 

In  Actus  apostolorum  omeliae  XVII  [I.  Teil  S.  373,  Zeit  un- 
bekannt, nach  245]. 

In  epistula  ad  Corinthios  II  omeliae  XI  [I.  Teil  S.  374;  un- 
bestimmbar] K 

In  epistula  ad  Thessalon,  omeliae  II  [I.  Teil  S.  375;  unbe- 
stimmbar]. 

Jn  epistula  ad  Galathas  omeliae  VII  [I.  Teil  S.  374  f.;  unbe- 
stimmbar]. 

In  epistula  ad  Titum  omelia  I  [i.  Teil  S.  375 f.;  unbestimmbar]. 

In  epistula  ad  Hebreos  omeliae  XVIII  [I.Teil  S.  376;  unbe- 
stimmbarj-. 

T«^  xf-eiaQ  ygafpug  agiatov)  j^ohalten  sind,  ist  klar.  Eben  diese  Stelle  und 
C'omiu.  in  Miitth.  XIH,  2f»  {xa  ÖB  nsgl  xwv  q  Trgoßatatv  ^€«c  f^C  tag  xate 
Aorxäv  ofii/Jaq)  bewj'ison  muh  (Comni.  in  Matth.  XVI,  ll  gehört  nicht  hierher; 
dt^nii  OS  iiud»*t  sich  in  Hoiii.  XXXI V  in  Lne^ini),  daß  die  lateinigch  erhaltenen 
Honiili»'»  nur  einen  Teil  darstellen  un<l  dali  Orig.  sie  selbst  ediert  hat;  denn 
auf  bl()I5».'  NachricbtiMi  würde  vr  sich  nicht  in  dieser  Weise  bezogen  haben. 
Auch  das  nnterschcidot  sie  von  den  anderen  Honiilien,  daß  sie  am  Sonntag 
jrehalten  ssind  Is.  die  Aufschrift:  „Dictae  homiliac  in  diebus  dominicis*',  Zahn. 
<iesch.  «1.  NTlichen  Kanous  II  S.  02*2 f.).  Dazu  fii^  sich,  daß  Hieron.  sie  ans* 
drinklidi  uls  ein  Werk  dos  Mannesalters,  in  welchem  0.  sich  noch  gehen  ließ, 
nicht.  de<  (Ireisenalters,  bezeichnet  (Vallarsi  T.  VII  p.  24S:  „Fateor  ...  in  hL; 
Ori<(eneni  tractatilnis  quasi  ]iuorinn  talia  ludere;  alia  sunt  virilia  eins  et  aÜA 
sein'clutis  .--eria''.  Neu  mann  (der  römische  Staat  usw.  I  S.  200)  meint,  man 
solle  «liis  Wnrt  des  llieron.  als  ein  in  der  Polemik  flüchtig  hingeworfenes  nicht 
über.^ehät'/i'n.  Hr  wird  chirin  recht  haben,  dafi  man  dem  Wort  nur  entnehmen 
darf,  daß  die  Lu<;i<hniii.  die  iilt«'r^ten  Homilien  des  <.>rip.  sind.  Sie  sehr  hoch 
hinauf/.u^et/••n,  verbietet  si<'h  aiu'h  dadurch,  daß  in  lloni.  XVII  (Lomm.  T.  \ 
]».  1;")!)  ]v\*'«rotiea  zu  I  Kor.  vorausgesetzt  sin<l  („Meniini,  cum  int<»rpretaror 
illud,  i(und  ad  Corintliio.^  scribit-ur'',  folgt  c.  1,  2\  Auch  darauf  ist  aufmerkt^uui 
zu  maclien,  dali  in  diesen  ibunilieu  die  ej».  Africani  a<l  Aristidem  benutzt  \rX, 
s.  Anibros.  in   Lucam   lil,  41  f  u.  die  Nicetjis-Katene. 

1)  l»ei  «len  Kommentaren  scbweii^t  das  Verzeichnis  über  Arbeiten  z.  1  u. 
II  K(»r.,  und  hier  neimt  es  nur  11  Ibunllien  zum  2.  Brief.  Aus  dem  Kodex 
von  dr'r  Tioltz  i;i.  ;i.<>.  S.  DI)  geht  hervor,  daiJ  keine  Kxegetica  zu  I  Kor. 
(der  Verf  zitiert  für  diesen  nur  Stellen  aus  dcMi  Strom."),  wohl  aber  solche  zu 
II  Kor.  I jedoch,  wie  »«s  scheint,  kein  Konnnentari  bekannt  waren.  Dieser  IJofniul 
stimmt  mit  dem  Verzeichnis.  Aber  wie  ist  dann  clie  in  <ler  vorigen  Anmerkung 
angeführte  Stelle  aus  der  17.  Homilie  in  Lucam  zu  deut(MiV  Wie  die  Behauptunp 
des  Hieron.  (e]!.  l'J,  .1),  (")rigene.>  habe  lati>sime  diesi'n  Urief  interj »rotiert  V  Wio 
die  zahlreichen  Katenen-Fnigmente  zu  I  Kor.V  Di^r  erste  Einwurf  läßt  sich  zur 
Not  durch  Hinweis  auf  solche  Absehnitte  wie  in  e|>.  ad  Ibun.  VIII,  \  u.  Comm. 
in  .loh.  VI,  r>!»  erlecligon;  aber  der  zweite  und  drilie  bleiluMi  nach.  Die  Sache 
ist  rätselhaft.  Hat  Orig.  wirklich  einen  Komm»'ntar  zu  1  Kor.  geschrieben,  so 
muß  er  nach  c.  Cel-.  VIII,  21  fallen;  <lenTi  damals  existierti«  ein  solcher  Kouiiu. 
noch  nicht. 

2)  Der  Ko(l»'X    von    der  Tioltz    kennt    wcMler  Kommentiire  nrich  Homilien 
zu  llebr.;  aV>er  Kuseb.   VI,  2;")  brinjjt  einr»  Mitteilun«'  \\\\>  diesen  Hom. 


Origenes.  47 

De  pace  omelia  P. 

Exhortatoria  ad  Pioniam^. 

De  ieiunio,  de  monogamis  et  trigamis  omeliae  IP. 

In  Tharso  omeliae  11^. 

Origenis,  Firmiani  et  Gregorii  [der  uns  erhaltene  Brief  an 

Gregorius,  die  (der)  an  Firmilian]  ^• 
Item  excerpta  Origenis  et  diversarum  ad  eum  epistula- 

rum  libri  IL 
Epistulae  sinodorum  super  causa  Origenis  in  libro  11^. 


1)  Nichts  ist  bekannt.  Ob  der  Titel  richtig  überliefert  ist,  steht  dahin. 
Konjekturen  sind  nutzlos.  Übrigens  hat  Dionysius  Alex,  einen  Brief  itsgl 
eigi^vijg  geschrieben  (Euseb.  VI,  40,  5). 

2)  Auch  hier  ist  nichts  bekannt;  Pionia  mit  Pionius,  dem  bekannten  Mär- 
tyrer, zu  identifizieren,  ist  keine  beifallswerte  Vermutung.  „De  ieiunio"  ist 
vielleicht  zu  „Exbortiitoria  ad  Pioniam"  zu  ziehen:  so  wird  dieser  Titel  be- 
stimmter und  die  folgende  Zeile  verständlicher. 

8)  Lnßt  man  De  ieiunio  hier  fort  (s.  d.  vorige  Anmerkung),  so  gewinnt 
man  zwei  Homilien,  deren  Thema  nach  den  Anordimngen  des  Kallist  —  sie  sind 
dem  Origenes,  wie  Stellen  in  seinen  Homilien  beweisen,  nicht  unbekannt  ge- 
blieben (s.  Rolffs  in  den  Text<m  u.  Unters.  Hd.  ]*J  H,  4  S.  l()l)ff.,  der  indessen 
in  den  Ausdeutungen  sehr  kühn  ist)  —  geschichtlich  wohl  begreiflich  ist 
(Hom.  XVTI  in  Luc.  Lomm.  T  V  p.  151:  puto  enim  monogamum  et  virginem  et 
eum,  qui  in  castimonia  perseverat,  esse  de  ecclesia  dei,  eum  vero  qui  sit  diga- 
muä,  licet  bonam  habeat  conversationem  et  ceteris  virtutibus  polleat,  tarnen 
non  esse  de  ecxilesia  et  de  eo  numero,  qui  non  habent  rugam  aut  maculam  aut 
aliquid  istius  modi,  sed  esse  de  secundo  gradu  et  de  bis  qui  invocant  nomen 
tlomini  et  qui  salvantur  quidem  in  nomine  Jesu  Christi,  ncquaquam  tarnen 
coronantur  ab  eo".  Comm.  in  Matth.  T.  XIV  Lomm.  III  p.  308 ff.  81K:  inrj' 
nogovfiev  d*}  ogwweg  divaxov  elvai  ßsXxlovq  7io?Mo  xvyyaveiv  xivaq  diyaßovq 
fiovoyafxwv xxl.^om.lL^j  \  in  Jercm.  (Klostermann  p.  lS2f.).  Redepenningl 
S.  212  f.  Bekannt  ist  sonst  über  diese  Homilien  nichts.  Kloster  mann  (a.  a.  0. 
S.  869)  macht  auf  Hieron.,  ep.  i34,  0  aufmerksam:  „Nunquam  enim  exhortat-orias 
litteras  postulares,  si  ambigeres  de  bono  monogamiae".  Der  Anklang  kann  zu- 
fällig »ein;  ist  er  es  nicht,  dann  wäre  im  Text  „exhortatoriae"  zu  schreiben 
und  das  Wort  auch  für  <lie  folgende  Zeile  gelten  zu  lassen. 

4)  Dieser  Titel  ist  ganz  unverständlich  und  wahrsch<'inlich  verderbt. 

5)  Nach  „Gregorii"  scheint,  >vie  das  folgende  „Excerpta  ....  epistularum" 
lehrt,  „epistulae"  ausgefallen  zu  sein.  Das  „Finiiiani"  (so  8  Codd.,  einer 
„Frumani")  kann  nur  als  „Firmiliani"  gelesen  worden.  Ein  Brief  von  ihm  an 
Orig.  folgt  aus  Euseb.  VI,  27,  und  auch  sonst  hat  die  Nachricht  eines  Brief- 
wechsels zwischen  ihm  und  Orig.  nichts  Auffallendes,  ja  wir  besitzen  noch  das 
Fragment  eines  Briefes  an  ihn,  „de  bis  qui  fugiant  quaestiones"  bei  Victor 
v.  Capua  (Pitra,  Spie.  Solesm.  I  p.  208).  Klostermanns  Konjektur,  die  er 
sogar  in  den  Text  aufgenommen  hat,  „Africani",  ist  zu  verwerfen.  Bei  „(iregorii" 
ißt  schwerlich  an  den  Panegyricus  mit  zu  denken,  sondern  an  den  Bri«^fwechsel 
über  die  Susanna  (um  23G)  und  an  andere  verlorene  Briefe. 

6)  Diese  und  die  vorige  Zeile  scheint  mir  Klostermann  aufgehellt  zu 
haben.     Sie  referieren  über  eine  besondere  Briefsanimlung  in  zwei  Büchern,  in 


48  ^^i^'  Littoratiir  des  Morgcnlandeü. 

Epistularum  eius  ad  diversos  libri  IX. 

Aliarum  epistularum  libri  IL 

Item  (^pistula  pro  apologia  operum  suoram  libri  11^ 

in  der  Bibliothek  zu  Cäsarea  waren  demnach  Briefe  des  Ori- 
geiies  in  4  Sammlungen  vorbanden,  dazu  wurde  ein  langer  Brief 
in  zwei  Büchern  besonders  aufbewahrt:  (1)  Briefe  von  und  an  Ori- 
genes  an  und  von  Firmilian  und  Gregor,  (2)  Exzerpte  von  Orige&tfp 
briefen  und  „verschiedene*^  Briefe  an  ihn  in  zwei  BQchem;  ftuf 
seinen  l^rozeli  bezogen  sich  die  Schriftstücke  des  zweiten  Bacfa& 
(3)  eine  Sammlung  von  9  Briefbüchern;  es  war  die  Hauptsamfr 
hing,  (1)  eine  zweite,  nachträgliche  Sammlung  in  2  Briefbüchem 
(5)  ein  umfangreiches  Schreiben  [an  Fabian  von  Rom]  zur  Vö^ 
teidigung  seiner  Orthodoxie  und  seiner  Werke  in  zwei  Bächemi 

(Itrcn  -.  Hurh  «lie  rrtrih-  iiH?hrt?nT  Synoden  über  den  Prozeß  des  O.  entbaltei 
waren  (dio  Mss.  liietcn  IVt'ilich  für  ,,e])ii$tulue  i«ynodoruni"  vielmehr  „epis^ 
(»sifodonini").  I)ie  J.  Zcilo  ist  nUo  als  Nel>en})cmerkung  zur  ersten  zu  Ter 
stclit'ii.  Diis  ,,Kxci'r|)fa''  licwcist,  daii  die  Sanunlung  ein  zu  einem  bestimmta 
/werk  (ih'.v  Aiu»lo|/i«»  Wiv  Orij^jiMu's)  iinrjeli^gtoK  Inst-nimentum  war,  s.  Euseib.^ 
;J*),  1.  Nach  dicsm-  Stolli*  ist  sie  iiu  U.  Huch  der  Apologie  pro  Orig.  des  Pitt- 
iihilu.s  lind  Kusehius  verwertet  worden. 

1)  Dir  lihri  II  betVenideii  und  sind  vielleicht  eine  Ditt-ographie-  AlWi 
diesi«  HyiM)tin'S(?  ist  dorh  niclit  walirselK'inlich.  Handelte  es  sich  nicht  um  einW  i 
selir  innlanj^ncitlieii  Hrief,  so  stände  er  nicht  besonder».  Es  ist  wohl  jenes 
Srlin-il.KMi  fpußiarv*  xip  xcau  Pwf/tjv  iniaxono)  ntgl  xf^Q  xaz^  avzov  S(>&od(^SiK 
}^»iu»'int,  WL'hrhcs  Kus«'l)ius  I  VI,  .*)»).  I)  zitiert  und  das,  da  es  auch  „pro  apolop* 
oiMiuni  suoruni"  v^Tlallt  war.  iiirht  kurz  sein  konnte».  Dem  Hioron.  war  ft 
imeh  Ix-kannt  (s.  ej).  Sl.  lU).  (Jesclirieben  war  es  —  der  VorgJlngcr  des  FabiflB> 
INiniian,  hatte  drn  Orij^enes  verurteilt  —  wohl  am  Anfang  der  Kegieningsieit 
dt!S  l'abian,  also  l»ald  narli  d.  .1.  'J.lll. 

L'i  Da  die  ZiisainuhMish'llun},'  in  beznjjf  auf  Briefe  des  Orig.  im  ersten  Teü 
dieses  Werkes  S.  .'{STil".  nirlit  «:ranz  vollständi<x  ist,  j^ebe  ich  hier  eine  kurtt 
TlMTsielit  darübi'r.  was  wir  abp'srhen  von  dem  „Katalopr"  wissen: 

(a)  Kiisebins  VI,  iJÜ,  IJ  (Syiii-.ll.  ]..  (is-J.  Si  bemerkt.,  daß  or  über  UX)  Briefe 
Tinog  6ia<p6(H)vg  gesammelt  habe  ^r  Idiaiq  xofimv  neQiyQdipalg.  Das  ist  ife 
j^roße  Sanimlunj;  des  Verz»•ielmis^e^.  s.  o. 

(b)  Kuse]>ius  VJ,  *J,  1  saj^t,  dali  er  die  fobjfi'nde  Darsti^llung  auch  auf  Briefe 
des  Ori^.  «^rMnd(^ 

(e)  Kusebius  VI,  'J,  «i  t.'ilt  ein  Hruell^t^H•k  aus  einem  Brief  des 
junj^tMi  0.  an  seinen  Vater  mit. 

i<l)  Kusebius  VI,  L*s  bemerkt,  dall  0.  die  A'erfolj^'unp  (unter  Maximinus 
^riiraxi  in  mehreren  Mriefen  ]>rriiiiie  [das  spricht  viellei<*lit  dafür,  daß  or  zu  die«5ei 
Zrit  ni<;iit  in  Cäsarea  warj. 

M«)  Kiisrl».  VI,  .11  beriehlet  liber  dm  Briefweeh.sel  zwischen  Afrikanus  uiwi 
0.  über  die  Susaniia,;  dieser  Hrit?f Wechsel  existiert  noch  in  selb« 
ständi''«'!-  r  b^M-lieferunir.     Verlallt  In  Nikomedifu  e.  I'IO:  viele  Mss. 

<f)  Kuseb.  VI.  .';«i,  :»  notiert  je  eimMi  lirief  an  den  Kaiser  Thilippus  un»i 
an  seine  (Jemahlin  Severa  (Hieronvmus  nuuht  daraus  ., Kaiserin- Mutt-t^r**). 


Origcnes.  49 

Eine  ganze  Anzahl  von  notorischen  Schriften  des  Origenes 
sind  in  dem  Katalog  nicht  enthalten,  sei  es,  daß  sie  in  der  Biblio- 
thek zu  Cäsarea  fehlten  —  was  freilich  z.  B.  in  bezug  auf  c.  Gel- 

(g)  Euseb.,  1.  c,  notiert  einen  Brief  des  Orig.  an  Fabian  von  Rom  und 
Briefe  an  sehr  viele  andere  Bischöfe  in  bezug  auf  seine  Orthodoxie. 

(h)  Euseb.  VI,  39,  5  teilt  mit,  daß  aus  der  Zeit  nach  Decius  noch  viele 
Briefe  des  Orig.  vorhanden  seien. 

(i)  Euseb.  VI,  19,  12fl*.  teilt  ein  Bruchstück  eines  Briefes  des  Orig. 
MQoq  xivaq  fiBfitpafiivovg  (nämlich  Tadler  seiner  Beschäftigung  mit  den 
hellenischen  Wissenschaften)  mit. 

(k)  Vielleicht  sind  die  Worte  (Euseb.  VI,  14,  10)  nBv^aixevoq  trjv  apxoio- 
Tclrtiv  ^Pwfifiiwv  ixxXijaiav  löeTv'*  aus  einem  Brief  des  0.,  jedenfalls  sind  sie 
sein  Eigentum. 

(1)  Euseb.  VI,  14  teilt  ein  Fragment  eines  Briefs  von  Alexander  von  Jeru- 
Balem  an  Origenes  mit.  Hieronyums  (de  vir.  inl.  57)  berichtet,  daß  mehrere 
Briefe  des  Trypho,  eines  Hörers  des  Origenes,  an  diesen  existieren.  Doch  wird 
die  Stelle  vielleicht  richtiger  so  verstanden,  daß  es  sich  um  Briefe  des  0.  au 
Trypho  handelt.  Von  diesem  Trypho,  der  auch  Schriftsteller  war,  weiß  nur 
Hieron.,  genauer  läßt  sich  seine  Zeit  nicht  angeben  (s.  1.  Teil  S.  405).  Er  hat 
,yDe  vacca  rula'*  und  „De  dichotomematibus"  (Genes.  15,  9 ff.)  geschrieben. 

(m)  Ein  Brief  des  Firmilian  an  Orig.  geht  aus  Euseb.  VI,  27  hervor,  und 
ein  Bruchstück  eines  Briefes  des  Orig.  au  ihn  (lat.)  findet  sich  bei 
Victor  v.  Capua  „Do  bis  qui  fugiant  quaestiones"  (s.  o.  S.  47)  aus  dem 
Clod.  Sangerman.  60  nunc  Paris.  83S. 

(n)  Ein  Brief  des  Origenes  an  Gregor  Thaum.  ist  in  der  Philo- 
kalia  13  erhalten.  Auf  diesen  Brief  wird  sich  auch  die  Randnote  im  Cod. 
Vatic.  389  (s.  I  T.  S.  389)  beziehen.  Zur  Zeit  dieses  Briefs  (235/0)  s.  Dräsoke, 
Jahrbb.  f.  protest.  Theol.  1881  S.  106. 

(o)  Photius  cod.  118  berichtet,  Orig.  erzähle  in  einem  besonderen  Briefe, 
dafi  ihn  seine  Mutter  unter  Septimius  Hev.  vom  Martyrium  abgehalten  habe. 
Doch  mag  das  willkürlich  nach  Euseb.  VI,  2  erzählt  sein.  Willküriich  wird 
wohl  auch  die  Bezweiflung  der  Echtheit  der  von  0.  nach  der  Verfolgung  luitor 
Decius  geschriebenen  Briefe  (1.  c.)  sein. 

(p)  In  dem  Kodex  von  der  Goltz  (Text<?  u.  Untere.  Bd.  17  H.  4  S.  s<j.  99) 
wird  ein  Brief  des  0.  an  einen  Ati-anes  zitiert  und  eine  Lesart  zu  II  Tim. 
3,  13  ans  dem  Brief  mitgeteilt. 

(q)  Hieron.  sagt,  Orig.  habe  Briefe  an  Beryll  v.  Bostra  geschrieben  (de 
vir.  inl.  60);  aber  da  er  in  dem  Kapitel,  wie  gewöhnlich,  ganz  von  Eusobius 
abhängig  ist,  kann  man  sich  auf  das  Zeugnis  durchaus  nicht  verlassen.  An 
sich  ißt  die  Tatsache  wahrscheinlich.  Berylls  Zeit  ist  allein  nach  dem  Loben 
des  Origenes  zu  bestimmen  (s.  0.  8.  35).  Nach  Euseb.,  h.  e.  VI,  20,  1  f.  hat  er 
Briefe  und  Schriften  hinterlassen,  von  denen  sich  niclits  erhalten  hat.  Soknifes 
{h.  e.  III,  7)  bezeichnet  ihn  als  Bischof  von  Philadelphia  Anib.,  während  Eusebius 
Bostra  nennt.  Nicht  ganz  unmöglich  ist  oh,  daß  Sokrates  diesmal  recht  liat, 
da  er  an  der  angeführten  Stelle  die  Apologie  des  Pamphihis  benutzt  (s.  Prou- 
schen  in  d.  Theol.  Litztg.  1902  Kol.  208):  die  Verwechslung  wäre  so  zu  er- 
klären, daß  die  Synode  zu  Bostra  stattfand.  Allein  wahrscheinlicher  ist  es, 
einen  Lapsus  bei  Sokrates  anzunehmen.  Soll  sich  Eusebius,  der  doch  die  Apo« 
logie  mit  verfaßt  hat,  in  der  Kirchengeschiclite  so  gröblicli  geirrt  haben? 
Harnack,  Altchristi.  Litte ratargesch.  II,  2.  ■( 


50  Die  Litteratur  den  Morgcnlande«. 

siim  sehr  uiiwalirsclieinlich  ist  — ,  sei  es,  daß  Hieron.  sie  ans 
Flüclitigkeit  übergangen  hat^  sei  es,  daß  die  Abschreiber  seines 
Verzeichnisses  sie  übersehen  haben.  Es  sind,  soviel  wir  wissen, 
folgende,  wobei  festzuhalten  ist,  daß  manche  Schriften  des  Origenes 
existieil  haben  können,  von  denen  uns  nicht  einmal  die  Titel  er 
halten  sind-. 

IJsQi  tvxrjc:  Direkte  Angaben  über  die  Abfassungszeit  dieser 
Schrift  fehlen,  aber  aus  Andeutungen  in  der  Schrift  selbst  läßt  sich, 
wie  Koetschau^  u.  a.  richtig  gesehen  haben,  das  Datam  recht 
genau  ermitteln.    Nach  c.  3,3  waren  die  Excerpta  in  Exodum  noch 


(r)  Suidas  Liit  ein  Fraj'ineiit  aus  oinom  Brief  des  Orig.  an  einen 
Unbekannten  über  Auibrosius  autbewahrt.  Auch  Uieron.  hat  diesen 
Brief  gekannt,  aber  falsch  iil)er  ihn  bericht^jt  (ep.  4^,  1 ;  s.  unter  „  Ambrosiitf"). 
Briefe  des  Anil)roKius  an  Orijy.  erwiUmt  Hieron.,  de  vir.  inl.  56. 

(ti)  AuR  einem  Bri^'f  Ad  ipioBdam  caroü  suos  Alexandriam  teilen 
llufin  und  Hieronymu»  Bruchstücke  mit;  in  dem  Brief  war  von  einer 
I)isputatinn  (mit  dem  Valentinianer  Candidu«  über  die  KrIÖBungAfähigkeit  de« 
Teufj.'ls  die  R«'de,  aurh  hat  O.  in  ihm  den  Demetrius  scharf  angegriffen;  t 
Hieron.  adv.  Buf.  II,  IS:  Bufin  de  adulter.  ]»ei  Lomm.,  T.  XXV  p.  3S8-3K. 
Der  Brief  wird  von  Bufin  als  in  dr*m  4.  Buch  der  BriofBammlung  stehend  b^ 
zeichnet  (also  stand  <'r  in  der  jjroßen  Sammlung).  S.  zum  Brief  auch  Snlp.  Ser. 
Dial.  I,  7.  Verfaßt  ist  er  bald  nach  der  definitiven  C}>or8iedelung  nach  CSsani» 
«•twa  pjlcichzeitij^  mit  ('omni,  in  .loh.  VI,  1. 

(t)  Buiin,  1.  c.  p.  iJI>-  s<r]ireibt:  „Mcmiiiimus  sane  etiam  in  alia  eius  epi- 
stuhl  siinilcm  nos  de  libronim  suorum  falsitate  leprisse  querimoniam  [acfi. 
Orij^riiisl,  CUJUS  ejiistulae  excmplum  in  ]>raeHenti  non  habui". 

(ui  Unsiirher  ist  d<*r  Ih'ii'f  an  die  Presbyter  IMiotius  und  Andreiiä  [sdioi 
<lit'Sf'r  cliristlielu'  Nanur  b^fn-mdct  im  .").  .Tahrh.\  s.  (iallandi  XIV  App.  p.  10 
zu  Deut.  10,   lUf.,  da  er  die  V'brrsrliritl;  „Sev»>nanu<"  in  einem  Kod.  trägt. 

(v)  Aus  «'incm  C)ri«^on«'s-Brief  mit  der  <lnMmal  wiederliolten  Aufschrift 
,,Kx  e|»istola  OripMiis  ad  (in!»arum  dr  uuder/ima"  bringt  Victor  von  Capua  drei 
Fraj^nentf  (lat.i,  s.  IMtra,  Spie.  Solesni.  I  p.  '2^u  mit  dem  Cod.  Sangonn.  ft* 
nunc  Paris.  S.'iS,  s.  auch  Analcirta  V  ]).  HJi'.f.,  wo  mitgeteilt  ist,  daß  die  Ab- 
sclmitt«'  sieli  auch  Par.  PJiJoO  «aec.  IX  fiudi'u.  Ilire  Kchtheit  zu  beanstanden, 
sclu?  ieh  k»'inen  (inmd.  „De  und»Minia"  ist  wolil  dir  Ordnungsnuuiiner  in  der 
{ijroßen  Briefsannulunfj  dos  Ori^'.  Virtor  hat  dii'  Stü<*ke  natürlich  aus  zweiter 
oder  dritt^'r  Hand. 

1 1  Nur  aus  Fiüchlij^kcit?  Hat  rtwa  das,  was  von  Werken  dos  OriKene^ 
bereits  ins  Lateinisch«'  übt'rjrejzaniren  war.  ihn  an  einijxen  Stellen  beeinfluBt? 
S.   Klostermann,  OripMies'  Werke  111  S.  X  u.  XLIV. 

2)  Manche  dieser  Scliriften  sind  wahrsrheinlieh  st^'ts  nur  in  wenij^n 
Kxem]»laren  vorhanden  gewesen  und  daher  rasrli  unter fje.^anjjfen.  Ks  kam  iui 
Altertum  vor,  daß  ein  Autor  seine  ei<ronen  Schriften  nicht  mehr  auftreiben 
konnte.  Sr»  schreibt  Au«^ustin,  Confess.  I\',  l.*,:  „Siripsi  libros  De  pulchro  et 
apto,  ])nto  duo  aut  tres.  tu  scis,  «leus,  nam  excidit  mihi,  non  eniiu  habeniv 
cos,  sed  aberravennit  a  nobis,  nescio  quomoilo. 

:i)  Orijrcnes'  Werke  l  S.  LXXVtl". 


Origenes.  51 

nicht  erschienen  * ;  diese  sind  aber  (s.  o.  S.  38)  vor  240  ediert  worden. 
Anderseits  zeigen  die  Worte  in  c.  28,  10,  daß  Origenes  mit  Miß- 
fallen von  der  Bußgesetzgebung  des  Kaliist  in  Rom  Kenntnis  ge- 
nommen hat'-^,  und  aus  c.  23,4  folgt,  daß  Orig.  vor  IIbqX  evxfiq  be- 
reits seine  14  Bücher  in  Genes,  sämtlich  oder  nahezu  sämtlich  ver- 
öffentlicht hattet  Nur  die  8  ersten  BB.  dieses  Werkes  aber  sind 
noch  in  Cäsarea  geschrieben,  die  6  folgenden  in  Alexandrien 
(s.  0.  S.  37).  Man  wird  also  nicht  irren,  wenn  man  IleQl  svxfiq 
nach  dem  J.  232  setzt  Dafür  spricht  auch,  daß  nach  c.  15,1  *  unsere 
Schrift  mit  dem  Comment.  in  Joh.  X,  21^  gleichzeitig  zu  sein  scheint. 
Buch  X  des  Kommentars  ist  aber  (s.  o.  S.  31.  41)  zwischen  232  und 
234/5  verfaßt.  Also  ist  DeQl  tvx^g  in  diesem  Zeitraum  geschrieben; 
denn  die  Verfolgung  des  Maximinus  ist  noch  nicht  in  Sicht 

Kara  KiXoov:  Daß  dieses  große  Werk  in  8  BB.  zwischen  246 
u.  248  in  Cäsarea  abgefaßt  worden  ist,  ist  oben  S.  35  gezeigt  worden*^. 

IltQl  q>vO£(Dv:  Ein  Fragment  einer  Schrift  mit  diesem  Titel 
(und  zwar  nennt  er  das  dritte  Buch)  teilt  Victor  von  Capua  in 
einem  Konvolut  unverdächtiger  Origeneszitate  mit  Die  Zeit  ist 
unbestimmbar. 

Das  Protokoll  der  Disputation  mit  Beryll:  gehalten 
zwischen  238  und  244,  s.  Euseb.  VI,  33,  3'. 


1)  Jiä  xl  6k  otx  eTgfjzai  „xal  tjv^axo"  dq  inl  xwv  itgoxtQwv  äXX^  ,)H^' 
Ttiraae  xäg  z^^9^^  itQÖq  xigiov",  evxaiQorsißOv  iv  äXXoig  h^staaxiov, 

2)  Ovx  old*  OTiioq  huvxoTg  xiveq  hjux^etpaireq  xa  vnhg  xtjv  isganxrjv  a^lav^ 
taxtt  firjdl  axQtßovvxaq  tr/v  XsQaxtxliv  iTtiotfjfiTjVt  ai'xovatv  wg  övvdfievoi  xal 
eiöwXoXnxQfiaq  ovyxofQ^lv  /xoixsiag  xe  xal  nogvtiaq  atpUvaij  wq  öta  xrjq  tvxfjq 
nvxdfv  negl  xwv  xavxa  xexoXfjtrjxoxcov  Xvo/iivrjq  xal  x^q  ngdq  &dvaiov  afiagxlaq, 
H.  dazu  mein  Lehrbuch  der  Dograengesch.  P  S.  411. 

B)  Die  14  Bücher  bezogen  sich  auf  die  4  ersten  Kapitel;  in  bezug  auf 
Genes.  3,  8 f.  heißt  es  an  unserer  Stelle:  negl  xovtwv  öl  inl  nXelov  dieiXt)(pafiBv, 
i^exaCfOvxfq  xa  slq  tj}v  reveaiv.  Hiernach  liegt  es  am  nächsten,  daß  alle  14  BB. 
bereit«  abgeschlossen  waren.  Jedenfalls  wird  man  aber  die  Krkläi-ung  von  Hj  8  f. 
nicht  froher  als  im  9.  Buch  suchen  dürfen;  denn  (len.  1,  14—18  war  bereits  im 
8.  Buch  behandelt. 

4)  El  yag  ixegoqt  ciq  iv  aXXoiq  öeixvvxaij  xax  ovalav  xal  vnoxel/xevov 
iOTiv  6  vldq  xov  naxgoq  xxX. 

5)  JtjXovvxa  ?xegov  elvai  xov  lyelgavta  nagä  xov  iyrjyegfiivov  .  . .  firj 
6ia<ptgeiv  xtp  dgi&fjtip  xdv  vlov  xov  naxgoq,  d?.X*  tv  ov  fiovov  ovaia  ä/J,d  xal 
vnoxetftivqf  xvyx^vovxaq  nfitpoxtgovq. 

f>)  Die  noch  genauere  Datierung  Neumanns  (dem  Koetschau,  a.  a.  0.  I 
S.  XXII  f.  folgt)  auf  das  J.  248  ist  oben  S.  35  abgelehnt  worden.  Kr  beruft  sich  für 
sie  auch  auf  III,  15,  wo  „ij  inl  toaovxo  vvv  atdatq^*  auf  die  drei  (legenkaiser  des 
Jahres  248  { Jotapianus,  Pacatianus,  Uranius  Antoninus)  sich  beziehen  soll;  allein 
das  ist  keineswegs  sicher. 

7)  Die  Disputation  mit  dem  „quidam  auctor  haereseos"  in  Athen,  die  in 
dem   Brief  an  „quosdam  caros  Alexandriam"  als    aufgezeichnet   erwähnt   ist, 

4* 


52  ^^^  Littcratur  des  Morgenlandes. 

De  pascha:  Das  von  Anatolins  Alex^  d.  h.  Pseado-Anatolins, 
erwähnte  Werk  kann  mit  den  Homilien  de  pascha  (s.  o.  S.  43)  nicht 
identisch  gewesen  sein,  da  es  nach  der  Beschreibang  ein  wissen- 
schaftliches Werk  über  die  Passahberechnung  war.  Krasch  (Sta- 
dien z.  M Alichen  Chronologie  S.  317)  hält  das  Werk  für  unecht;  un- 
sicher gestützt  wird  die  Echtheit  durch  zwei  Zitate  bei  Victor  yon 
Capua  ,,aus  dem  ersten  Buch  über  das  Passah*^  die  gut  origenistisdi 
lauten  (Pitra,  Spie.  Solesm.  I,  p.  26S)  und  vielleicht  nicht  ans  den 
Homilien  stammen  (oder  bedeutet  „erstes  Buch"  erste  Homilie?). 
Ferner  hat  Zahn  (Forsch.  III,  S.  ISl)  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  Cummian  in  seinem  Brief  an  Segienns  von  Hy  (Migne 
T.  87  Col.  971)  V.  J.  634  eine  andere  Stelle  aus  der  Schrift  des 
Origenes  über  das  Passah  zitiei*t  hat.  Existiert  hat  also  eine  solde 
Schrift,  und  ich  sehe  keinen  sicheren  Grund,  die  Echtheit  zu  be- 
anstanden, fanden  sich  nicht  auch  in  den  irischen  Bußcanones  zahl- 
reiche Verweisungen  auf  Oj  igenes.  Obgleich  sie  noch  nicht  quellen- 
kritisch  untersucht  sind,  läßt  sich  doch  schon  jetzt  so  viel  sagen, 
daß  die  Mehrzahl  derselben  gefälscht  ist  (Eine  Untersuchnng  der 
Quellen  der  iri^^chen  Bußcanones  ist  ein  dringendes  Bedürfnis;  aber 
die  Aufgabe  ist  zu  weitschichtig,  als  daß  ich  ihr  hier  näher  treten 
könnte). 

'KQfir/vtia  riöv  IßQa'ixcov  o  ro//a  reo);  [inkl.  der  Maße  nnd  Ge- 
wichtig]: Diese  Schrift  (s.  Texte  u.  Unters.  Bd.  21,  H.  4  S.  55.  116. 
11&-,  Redepenning  1,S.  45Sff.;  Zalm,  Gesch.  d.NTlichen  Kanons II 
S.  94811'.),  w(^lche  die  Fortführung  eines  älteren  Werks  (Comm.  in 
.loh.  T.  11,  33)  —  wolil  Pliilos,  eventuell  auch  anderer  Gelehrter  — 
war,  war  noch  nicht  verftxßt,  als  Origenes  das  2.  Buch  des  Joh.- 
Konniientars  schrieb.    Näheres  ist  niclit  bekannt. 

ht  idi'iitiHch  mit  (l«'in  Dialog  ndv.  (■iunlidum  VuliMitiniammi  (8.  o.  S.  40i.  Cber 
clio  Akti'Ti  oiuor  p'fiilsc-htf^ii  T)isj)utiitioii.  für  dio  Origcnos'  Name  unt-er  seinen 
Aiit^^on  milibniuclit  worden  ist,  s.  ihm  1.  T<mI  di»':?i's  WtTkos  S.  40of.  Ob  der  iti 
dem  linefwochf?el  mit  Africnmis  crwiihnh'  Dialog  mit  Dns<>us  aiifgozoiehnot  worden 
ist,  steht  dahin. —  Was  drn  Beryll  \nn  Dostra  hctritrt  (s.o.  S.  4!)),  soistcrim 
Chron.  Hicron.  ad  ann.  'Jl'l  1  Abr.  als  „clanis  scriidor*'  bezeichnet.  (Ob  die« 
Notiz  aucli  bei  Kiiscbius  stand?  boi  ^^yia-ellus  und  im  Armen,  fehlt  sie).  Kusebio^ 
(h.  V.  VI,  'JO,  1)  sjiricht  von  Ibiofon  nnd  Schriften  Berylls,  ohne  sie  näher  si 
charakterisieren;  er  hattf^  sie  In  der  Bililiothek  zu  Jerusalem  gesehen.  Hierony- 
mus  will  wissen,  dal>  litTvll  in  einem  Brief  di'Ui  Origenes  dafiir  gedankt  hat. 
dal»  er  ihn  auf  den  irditen  Weg  zuriiekgebraeht  i.])e  vir.  inl.  (JOi;  aber  nur 
tlie  Tatsache,  dalJ  sich  15.  für  id)erz«'Mgt  erklärte,  ist  gewiß.  Kin  Protokoll  df' 
Disputation  zwischm  bridni  (Jeli-hrt.-n  h;it  bestanden  Is.  Knseb.,  h.  o,  VI,  »-i3, H'. 
l^io  Zi'it  des  I^fryll  «Mgibt  sich  aus  dem  Lebrn  di\-  Origenes  (zwiBchen  w3S  «■ 
lMI  find  die  I>lsj»utation  statt).  Die  Angabe  dc^  Hieron.:  „sub  Alexandn«. 
Miinnnaeae  iilio,  r\  Maximino  et  «iordiano",  ist  an  sich  wertlos,  doch  woM 
richtig  kr)iistruiert. 


Origenes.  53 

In  bezug  auf  die  bibelwissenschaftlichen  Werke  des  Origenes, 
welche  das  Verzeichnis  nicht  nennt,  ist,  die  Abfassungszeit  anlangend, 
wenig  zu  sagen.  Wann  das  große  textkritische  Werk  begonnen  worden 
ist  (die  Hexapla  etc.),  läßt  sich  ungefähr  angeben,  wann  es  vollendet 
worden  ist,  ebenfalls^.  Mercati  hat  seinen  glücklichen  Fund  von 
Kesten  der  Hexapla  bisher  nur  beschrieben,  aber  noch  nicht  veröffent- 
licht; Taylor  hat  einen  ähnlichen  Fund  publiziert  (Cambridge,  1900). 
In  bezug  auf  die  Schollen  sind  die  Abfassungszeiten  vollends  dunkel. 
Mit  den  otifisiciosig  dürfen  sie  schwerlich  durchweg  identifiziert 
werden,  obgleich  Hieron.  diese  wie  jene  mit  „Excerpta"  übersetzt. 
Auch  wird  man  zwischen  solchen  Schollen,  die  Orig.  selbst  in 
Büchern  gesammelt  hat,  und  solchen,  die  aus  seinen  Handexem- 
plaren stammen,  unterscheiden  müssen.  In  dem  Kodex  von  der 
Goltz  (a.  a.  0.  S.87f.  98;  Theol.  Lit-Ztg.  1900  Kol.  613)  werden  zu 
Hebr.  11,5  Scholien  zur  Genesis  zitiert  {iv  rotg  elg  ttjv  riveciv 
oXoXioig  ovxwq  avroXi^ei  (prjoliijy  von  denen  man  bisher  nichts  wußte. 
Viel  wird  man  aus  den  Nachweisungen  Eisenhofers  und  Faulha- 
bers noch  lernen. 2  —  Excerpta  zu  Numeri,  in  ein  Buch  befaßt,  ergeben 
sich  aus  dem  Prolog  zum  Hohenlied  (Lomm.  T.  XIV,  p.  314.  316) 
und  aus  der  Praef.  Rufins  zu  den  Hom.  in  Num.^;  sie  waren  also  vor  240 

1)  Als  Origenes  Comrn.  in  Matth.  XV,  14  schrieb,  scheint  es  vollendet 
gewesen  zu  sein.  Kpiphanius  (de  mens,  et  jiond.  18)  sagt.,  es  sei  erst  zu  Tyrus, 
also  in  der  letzten  Lebenszeit  des  Orig.,  beendigt  worden.  Daß  es  ein  Werk 
war,  an  welchem  die  Arbeit  nie  ruhen  konnte,  liegt  auf  der  Hand.  Die  Tetrapia 
(Euseb.  VI,  IG,  4)  wird  eine  Abschrift  (Auszug)  sein.  Eine  ti^xtkritische  Arbeit  zum 
N..T.  hat  Orig.  wohl  nicht  gemacht,  aber  öfters  verschiedene  LAA  angegeben,  und 
fieine  Texte  sind  später  wie  Rezensionen  angesehen  worden,  s.  Redepenning  II 
S.  182  ff.  Daß  er  viele  Handschriften  zu  NTlichen  Büchern  eingesehen  und 
verglichen  hat,  beweisen  vor  allem  die  Worte  im  Kommentar  zu  Matth.  XY,  14 
(Lomm.  T.  IH  p.  357):  Nvvl  dh  SrjXovoxi  noXXrj  ytyovev  17  xwv  avrtyQttcpwv 
öiafpogdy  ehe  dnd  ^aS-v/iiaQ  xivwv  ygatpitov^  ehe  dno  xohfjiriq  xivtSv  /ioxS-rjQag 
xfjq  öiOQ^iiaewQ  xc5v  ygatpofiivwvt  ehe  xai  dno  xwv  xa  tavxoTg  öoxovvxa  ^r 
Tj  öiogB-waei  TtQOtnt&ivxcjv  ij  dfpaiQovvxwv,  Origenes  spricht  dann  von  seiner 
kritischen  Rezension  des  A.  T.  und  fügt  (nach  der  lateinischen  Übersetzung 
des  Comm.  in  Matth.)  hinzu:  „In  exemplaribus  autem  Novi  Testamenti  hoc 
ipsum  me  posse  facere  sine  periculo  non  putavi."  —  Zu  den  kritischen  Zeichen 
des  Origenes  in  der  Hexapla  s.  jetzt  D.  Serruys,  Anastasiana  p.  189 fiF.  (in  den 
M61.  d'Arch^ol.  et  d'Hist.  publ.  par  FEcole  fran9aise  de  Rome  T.  XXII,  1002). 

2)  Der  genaueste  Kenner,  Mercati,  hat  bereits  mehrere  Vorstudien  zur 
geplanten  Herausgabe  der  Reste  der  textkritischen  Arbeiten  des  Origenes 
( namentlich  betreffs  der  Psalmen)  veröffentlicht,  s.  Studi  e  Testi  5  (1901):  „üna 
congettura  sopra  il  libro  del  Giusto"  (p.  1 — 7);  „Sul  testo  ebraico  del  Salmo 
140"  (p.  8—10);  „D'alcuni  frammenti  esaplari  sulla  V.  e  VI.  edizione  greca  della 
Bibbia"  (p.  28— 46);  „Sul  iesto  e  sul  senso  di  Eusebio,  h.  e.  VI,  10"  (p.  47-60). 

3)  „Quomodo  differant  opera  ab  operibus  operum  in  Numerorura  libro 
tractatibus,  prout  potuimus,  dictum  est  a  nobis."    „Sed  de  his  plenius  in  Nu- 


54      ^  ^^6  Litteratur  deu  Morgenlandes. 

abgefaßt.  Wann  die  je  eine  Homilie  zu  IL  Samnel.  (s.I.  Teil,  S.  355), 
zu  II  Chron.,  Esra  und  Nehemia  (a.  a.  0.)  abgefaßt  waren,  ist  ganz 
dunkel,  da  wir  sie  nicht  mehr  besitzen.  Das  Gleiche  gilt  von  der  Ho- 
milie in  Melchisedek  (Hieron.  ep.  73, 2)  und  von  der  Homilie  mit  dem 
kuriosen  Titel  (Hieron.  ep.  34,1)  K  Ein  Kommentar  zum  Hebräerbrief 
ergibt  sich  mit  Sicherheit  aus  der  Apologie  des  Pamphilns;  seine 
Zeit  ist  unbekannt  Ob  Orig.  die  Absicht  ausgefQhrt  hat,  einen 
Kommentar  zur  Apokalypse  zu  sclireiben'^,  weiß  man  nicht;  wah^ 
scheinlich  ist  es  nicht;  denn  die  Überlieferung  hätte  über  ihn  nicht 
geschwiegen,  wenn  er  ediert  worden  wäre^  Von  exegetischeD 
Arbeiten  zu  den  katholischen  Briefen  ist  nichts  bekannt^. 

Es  wäre  meine  Pflicht  die  Untersuchung  darüber  aufzunehmen. 
welche  Werke  Orig.  selbst  formlich  ediert  hat,  und  in  welchem 
Grade  wir  in  den  lateinischen  Übersetzungen  der  Werke  des  Orig. 
durch  Rufin,  Hieronymus,  Hilarius,  Ambrosius,  Bellator  usw.  den 
echten  Orig.  noch  besitzen,  was  und  wieviel  gekürzt,  kastriert  und 
übermalt  ist  Allein  bevor  wir  kritische  Ausgaben  dieser  Über 
Setzungen  (mit  Unterstützung  derKatenenfragmentej  erhalten  haben, 
ist  es  unmöglich,  der  Behandlung  dieser  Fragen  näher  zu  treten. 

6)  Ambrosius,  Freund  und  Mäcenas  des  Origenes. 

Das  Material  über  ihn  ist  Teil  I,  S.  328 IF.  dieses  Werkes  zu- 
sammengestellt ^  Unter  Caracalla(Euseb.,  h.  e.  VI,  18,1)  wurde  er  von 
( )rigenes  der  Kirche  zugeführt^.    Daß  er  unter  Alexander  Severas. 

incrorum  libro,  socniKluni  quod  dedit  nobis  domimis,  di«*tum  est",  llufin  8chreil»t: 
„(^naeciinque  in  Numeronim  lil)ro  sivt*  homilctico  stilo  nivo  otiam  ex  bis,  qua** 
Excerpta  ap]>f»llantiir,  »scripta  reporiiuus,  haoc  p^Mnirjxont^*  ti?,  Homana,  ut  j>o- 
tuimiiH,  ex  diversis  in  umnn  ordinein  collocta  digossimus."  Nicht  ein  wissen- 
schaftlicher Kommentar  zu  Niim.  existierte  also,  8on(h^rn  «»in  Kxzcrpton-Buch- 
Ihitin  hat  e«  bei  «einer  Cbertrapfiinpf  der  Homilien  ))eniitzt. 

1)  Walirscheinlich  eine  Homilie  zn  ]*s.  US  Vers  l*h.  —  Daß  Origenes  b**- 
sondere»  Schriften  oder  Homilien  zn  Daniel  verfallt  hat,  ist  (s.  I.  Teil  S.  BOT)' 
nach  Comm.  in  Matth.  ser.  40  („quae  aiiteni  sequuntnr  in  textu  Danielis,  sicnt 
l»otuimus  exposuimus")  wahrscheinlich. 

2)  Comment.  Ser.  in  Mattli.  40:  „.  .  .  .  exponetur  tempore  suo  in  rew- 
latione  .Tohannis". 

r>)  Über  an<.^ebliche  Schriften  dj's  Orijr.  s.  Klostermann,  SitzunprsWr. 
a.  a.  0.  S.  S7(). 

4)  über  die  „Tractatus  Orijjjenis  ile  libris  ss.  scrii>turarum",  die  Batiffol 
entdeckt  nnd  ediert  hat,  werde  ich  ln'i  den  lateinischen  Schriftstellern  handeln. 
obgleich  sie  einij:jes  Orijjjenistische  enthalten. 

r»)  Hinzuzufäf^^Mi  ist,  daß  auch  das  Werk  des  Orif^enes  über  die  iValme« 
ihm  f(ewidmet  war. 

())  Nach  Kusebius  war  er  vorher  Valtnitinianer,  nach  Hieron.  (de  vir.  inl. 
50.  Ol)  Marcionit.     Da  Hieron,  über  ihn  selbstUndig  unterrichtet  war  und  anch 


AmbrosiuB,  Freund  und  Mäceniw  des  Origenea.  55 

Maximinus,  Philippus  Arabs  die  Beziehungen  zu  Origenes  fortge- 
setzthat, lehren  Euseb.,  h.  e.  VI,  23,1  f.,  VI,  28  und  Origenes'  Schriften 
Eig  (iaQTVQiop  und  IIsqI  tvx^Qj  die  Kommentare  zu  Joh.  und  den 
Psalmen,  der  Brief  an  Africanus  und  die  Bücher  wider  Celsus*. 
Gestorben  ist  er  (nach  Hieron.,  de  vir.  inl.  56)  „ante  mortem  Ori- 
genis*'  (also  um  d.  J.  250),  „et  in  hoc  a  plerisque  reprehenditur,  quod 
vir  locuples  amici  sui  senis  et  pauperis  moriens  non  recordatus 
Sit"  (wahrscheinlich  ein  vorwitziger  Tadel:  der  bedürfnislose 
Origenes  würde  wohl  eine  Erbschaft  nicht  angenommen  haben).  Das 
Verhältnis  des  A.  zu  Origenes  war  ein  so  nahes,  daß  er  mit  ihm  nach 
Cäsarea  übergesiedelt  ist  und  ihn  auch  auf  Reisen  begleitet  hat 
(so  war  er  mit  ihm  in  Nikomedien ;  ob  auch  in  Athen P)^.  In  welcher 
Weise  er  die  Schriftstellerei  des  Origenes  förderte,  lehrt  Euseb., 
h.  e.  VI,  23,1  f.  u.  a.  St.  Man  darf  wohl  sagen,  daß  wir  dem  Ambro- 
sius  einen  großen,  wenn  nicht  den  größten  Teil  der  Werke  des 
Origenes  indirekt  verdanken;  aber  er  war  nicht  nur  ein  sachlich 
teilnehmender^  und  freigebiger  Gönner,  sondern  auch  ein  rück- 
sichtsloser Treiber  {iQyoötcoxx nq).^  Er  hat  den  fleißigsten  Mann 
der  Epoche  und  einen  der  allerfleißigsten  Männer  der  Geschichte 
immerfort  noch  zur  Arbeit  gehetzt^  und  die  Publizierung  auch 

Kpiphanius  (haer.  04,  8)  berichtet,  einige  sagt^Mi,  er  sei  Marcionit  geweöeu  (an- 
dere: Pabellianer),  so  ist  es  nicht  unwahrBcheinlieh,  daß  er  der  luarcionitischen 
Sekt^  angehörte.  Vielleicht  war  er  formell  überhaupt  nicht  Mitglied  einer 
Sekte  (das  könnte  man  dem  Bericht  des  Suidas  entnehmen\  Anspielungen  auf 
die  Tatsache,  daß  Ambrosius  früher  Häretiker  gewesen,  finden  sich  im  Kom- 
Bientar  zu  Johannes. 

1)  Hier  findet  sich  die  letzte  Notiz  über  ihn  als  noch  Lebenden.  —  Wie 
ilie  Widmungen  fast  sämtlicher  späterer  Werke  dos  0.  an  Ambrosius  aufzu- 
fassen sind,  darüber  hat  P  reu  sehen  in  der  Vorrede  zum  4.  Bd.  der  Werke  des 
Origenes  S.  LXXVIl  das  Richtige  gesagt. 

2)  Doch  waren  0.  und  Ambrosius  auch  zeitweise  (so  während  der  Ab- 
fassung der  5  ersten  BB.  des  Kommentars  zu  Johannes)  getrennt,  s.  P reu- 
schen, a.  a.  0.,  Redepeuniug  I  S.  ;>81f. 

3)  Epiph.  1.  c:  avPy(>  koyioq  xal  anovdaioq  negl  xaq  ^eiag  dvayvwasiq 
tdSv  ^siütv  ygatpdiv,    Hieron.,  1.  c:  „non  inelegantis  ingenii". 

4)  S.  Hieron.  de  vir.  inl.  (U.  Einem  Brief  des  Origenes  hat  Hieron.  die 
Bezeichnung  fiir  Ambrosius  ^Qyoöiwxzrjg  entnommen.  Das  Wort  findet  sich 
auch  im  Komm.  z.  Joh.  V,  1. 

5)  S.  das  bei  Suidas  erhaltene  Fragment  ein(js  Briefes  des  Origenes  an 
einen  Unbekannten  (abgedruckt  im  T.  Teil  dieses  W^erkes  S.  :}3()).  Hieron.  hat 
diesen  Brief  (ep.  4.^  ad  Marcell.)  auch  gekannt  und  benutzt,  aber  ihn  irrtüm- 
lich dem  Ambrosius  beigelegt.  Bernoulli  (Der  iSchriftstellerkatalog  des  Hieron., 
1805,  S.  270 f.)  bestreitet  das  und  meint,  die  Verschiedenheit  in  der  Inhalts- 
angabe bei  Hieron.,  verglichen  mit  dem  Fragment  des  Origenes-Briefs  bei  Suidas, 
sei  80  groß,  daß  sehr  wohl  beide  Briefe  ne>)eneinander  bestehen  könnten.  Die 
Möglichkeit  räume  ich  ein,  aber  wahrscheinlich  ist  es  nicht. 


56  Dio  Littenitur  (Ich  Morgciilaudes. 

solclier  Arbeiten  veranlaßt,  die  Origenes  selbst  nur  für  den  engsten 
Kreis  bestimmt  hattet 

Ambrosius  war  ans  vornehmem  Geschlecht^,  sehr  begütert', 
stand  zeitweise  in  hohen  Munizipalämtern  (..von  zahllosen  Städten 
^echrt")^  und  war  verheiratete  Die  (öffentliche  Tätigkeit  muß  er 
anfgejreben  haben,  als  er  nach  Cäsarea  übersiedelte.  Dort  wurde  er 
Diakon*'.  In  der  \' erfolgung  des  Maximin  wurde  er  zusammen  mit 
dem  Presbyter  Trotoktetus  gefangen  gesetzt  (daher  Origenes'  Schrift 
EiQ  funiTVQioif  an  sie;  die  Anrede  r^isQt^  an  Ambrosius  hat  Origenes 
schon  vor  dem  «Martyrium  •  gebraucht).  Nach  c  41  dieses  Traktats 
scheint  es,  als  hätte  er  nach  Germanien  verbannt  werden  sollen. 
Origenes  schreibt,  Ambrosius  und  er,  Origenes,  werden  dem  Paulas 
nachfolgend,  sprechen  können:  El  xara  ard-Qtoxov  dv^jQtB-fjv  tp 
rtnf/uria.  Allein  wenn  wirklich  das  ferne  Germanien  gemeint 
wäre,  wäre  diese  Aussicht  von  Origenes  nicht  nur  beiläufig  ein- 
mal im  Traktat  erwähnt  worden".  FtQ^aria  ist  wohl  ein  Schreib- 
fehler; gemeint  ist  entweder  eine  uns  und  dem  Abschreiber  unbe- 
kannte Lokalität  in  Cäsarea  oder  ein  Ort  in  der  Nähe  der  Stadt 
odtT  —  möglicherweise  —  ein  Bergwerk  in  Palästina  oder  Syrien^. 
Will  man  ..Germania"  halten,  so  kann  man  mit  Neuniann  (Der 
römische  Staat  u.  die  allg.  Kirche  I,  S.  221.  228,  vgl.  Koetschan, 
Orig.  Werke  I,  S.  IXj  sich  erinnern,  daLN  Maximinus  im  Winter  235 

li  Ilirron.  <•]>.  Sl  lad  rimiuiiu-li. i:  „l|>sc  Ori^cnos  in  i'i»istolu,  quam  scnbit 
ml  ]'al»l;iniiiii  K(Mii;Mia(.'  niliis  <»|»i><<n»iini.  i»:j»'iiit«'iitiani  ii^lt,  cur  tiilia  scrij'- 
^«'l•it■,  et  cimsa^  triiH'ritatis  in  Aiiil»iosiinu  ri'l'«'rt,  «jiiod  srurrto  cilita  in  piiblicani 
]»rotulont".  Zu  «l'n'scr  rntrrsrli.'idun«;  rj.  l*anii»hil.,  Apol.  i>ro  Oripf.  (Loin- 
niatz^cli,  T.  XXV  y.  oJO),  wo  unter  «Im  Hüclu-in  des  Orijx.  s(dclu»  iM'zi'U'lini't 
wcriU'u,  ,.«iU(js  in  Kcrieto  ai'ud  seinetijt^uni  null«)  ar»»itn»  interc<'<l<»nti.»  dictabat*'- 

*J)  Jlieron.,  de  vir.  inl.  .VI:  ,,vir  n(^l^Hl^''.  Dir  Vorncliniheit  dos  Ambrosia? 
\lA\i  auch  daraus  hervor,  dali  er  in  Liq  fxaitx.  de>  Orijjeues  vor  l*rütoktehi> 
jirenaunt  winl,  ohjjjleicli  »lieser  Treshyler,  Ainhrosius  luir  Diakon  ist. 

W)  Orijj.  Elq  fiaQT.  c.   1  1  f.    II». 

A}  K}»il»han.  1.  c.:  TcfJr  dn'jfuvwv  iv  av'/.ciiQ  ßc.oi/jxal^  ((h*r  Ausdruck  ist 
freilich  dunkel i;  aber  deutlich  «^eht  aus  C>ri|4.  AVj  fxuQZ.  c.  !>♦)  hervor,  daß  er 
aui'esehene  Ämter  hekh'iilet  hat. 

r»)  Klq  fiaQX.  l.*i.  :i><;  Ori^'.  ej».  ad  Afric.  Die  (Jemahlin  hieß  MarCA^Un 
{•ti  nioxoxuTti  GVußiOQ.     Kinde]-  11.  ec. 

(Ji  Diesi'  Ani^ahi'  des  llii'ion.  idi'  vir.  inl.  ."»«Ii  hätte  HerufMiUl  i a.  a.  <»■ 
S.  *Jllt'.)  niclit  hean-taialen  sollen:  d^nn  (hiir..  Kl<;  finoT.  4L',  hestätij^t  di»' 
Nacliricht.  Daj^ej^en  i<i-  längst  JM-wiesen.  dalJ  tla-.  was  llieron.  De  vir.  inl.  Td 
über  Ambrosius  s.ij^t,  au.-  eitieni  lei<-htt"ertiLren  MiI)V»M>tänduis  iler  Worte  d»- 
Kusebiu-i  stammt. 

7)  Schon  Jluetiu-.  Orij^.  I,  <■.  '.'>.    1,  hat  Au>t«>I»  <jenonnnen. 

8)  In  dersclbi'u  \  «'rtoljjunf^  wurden  Tontiau  uiul  Ilii»i><dyt  in  die  Herj:- 
werke  nach  Sanlinlen  \eibannt. 


DionysiuB,  Bischof  von  Alexandrien.  57 

nach  PaDnonien  aufgebrochen  ist  und  daß  Origenes  somit  daran 
denke,  der  Kaiser  werde  über  ihn  und  Ambrosius  dort  den  ver- 
urteilenden Kichtei*spruch  sprechen,  nachdem  sie,  persönlich  sich 
nach  Germanien  begebend,  ihre  Appellation  an  ihn  angebracht 
hätten  (aber  Neumann  läßt  selbst  durchblicken,  daß  dieser  Modus 
zwar  in  bezug  auf  Ambrosius,  nicht  aber  in  beziig  auf  Origenes 
und  Protoktetus  wahrscheinlich  ist).  Aus  dem  Gefängnis  in  Cäsarea 
ist  Ambrosius  jedoch  wieder  befreit  worden. 

Briefe  von  ihm  erwähnt  Hieron.  (de  vir.  inl.  56);  man  wird 
ihm  Glauben  schenken  dürfen,  wenn  auch  das  Fragment  eines 
Ambrosius-Schreibens  im  43.  Brief  auf  Mißverständnis  beruht  (s.  0.). 
Briefliche  Anfragen  des  Ambrosius  an  Origenes  gehen  ja  auch  aus 
der  Schrift  des  Orig.  über  das  Gebet  klar  hervor,  ja  c.  5  wird  so- 
gar ein  Fragment  mitgeteilt.  Als  Schriftsteller  wird  Ambrosius 
nirgends  erwähnt. 

7)  Dionysins,  Bisehof  von  Alexandrien.  ^ 

Dionysius  war  Bischof  v.  J.  247(248)— 264(265),  nachdem  er 
im  J.  231  (232)  Nachfolger  des  Heraklas  an  der  Katechetenschule 
geworden  war  2.  Der  Beiname  „der  Große"  findet  sich  zuerst  in 
der  Praef  der  Hist.  eccl.  Euseb.  1.  \  IL  Er  ist  vielleicht  daher  zu 
erklären,  daß  er  auch  als  Bischof  Vorsteher  der  Schule  blieb  '^  — 
eine  Kombination,  die  er  zuerst  und  allein  vollzogen  hat  und  die 
die  Spannungen  zwischen  Kirche  und  Theologie  zeitweilig  beseitigte 
(„den  Lehrer  der  katholischen  Kirche"  nennt  ihn  Athanasius,  Sentent. 
Dionysii  6).  Hauptquelle  für  sein  Leben  ist  Euseb.,  h.  e.  VI,  40 — 
VII,  26,  aber  seine  Schriften  waren  auch  dem  Eusebius  die  Haupt- 
quelle für  die  Zeit  von  249—264.  Da  er  an  der  ersten  gegen  Paul 
von  Samosata  gehaltenen  Synode  Alters  und  Schwäche  wegen  nicht 
teilnehmen  konnte  (wahrscheinlich  im  J.  263/4,  s.  Chronologie  1, 
S.  215fif.  u.  Euseb.  VII,  27),  so  wird  seine  Geburt  nur  einige  Jahre 
später  als  die  des  Origenes,  dessen  Schüler  er  warS  fallen.  Er 
wird  im  letzten  Jahrzehnt  des  2.  Jahrhunderts  geboren  sein''.  Daß 

• 

1)  Dittrich,  Donysius  d.  Gr.  v.  Alex.,  1867;  Foerstor  in  d.  Ztschr.  f.  d. 
hist.  Theol.  1871  S.  42ff.;  Westcott  im  Diction.  of  Christ.  Biogr.  I.  p.  850. 

2)  S.  den  1.  Band  dieser  Chronologie  S.  205  u.  den  I.  Teil  diese«  Werke« 
S.  400 — 127.  Die  Kaisergleichzeitigkeiten  sind  folgende:  Bischof  im  dritten 
Jahr  des  Philippus  (Euseh.  VI,  2!)),  Tod  im  12.  Jahr  des  Gallieuus  (Kuseb.  VII,  28). 

3)  Eusebius  würde  uns  wohl  seinen  Nachfolger  genannt  haben,  wenn  es 
einen  solchen  bei  Lebzeiten  des  Dionysius  gegeben  hatte. 

4)  Euseb.  VI,  29,  4. 

5;  Daß  er  schon  Presbyter  war,  als  er  Vorsteher  der  J^chule  wurde,  sagt 
Hieron.  (De  vir.  inl.  09);  divs  ist  an  sich  wahrscheinlich,  aber  das  Zeugnis  des 


5S  ^i^'  Littemtur  des  Morgenlandes. 

er  ursprünglich  Heide  war,  folgt  aus  VII,  7,  daß  er  als  Bekehrter 
eine  Zeitlang  von  gnostischen  Gedanken  affiziert  gewesen  ist^  ans 
derselben  Stelle.  Aus  Vli,  U,  18  geht  hervor,  daß  er  von  Haus  ans 
ein  begüteiler  Mann  war,  Ehrenämter  (Staatsärater?)  bekleidet  hat 
und  bei  den  Statthaltern  in  Gunst  gestanden  hatte ^. 

Sein  Episkopat  bildete  eine  Kette  von  Katastrophen.  Kaum 
ein  Jahr,  vielleicht  nur  wenige  Monate  war  er  Bischof,  da  brach 
in  Alexandrien  eine  schwere  lokale  Verfolgung  (Euseb.  VI,  46,  l£) 
aus  und  im  Jahr  darauf  die  decianische  Verfolgung,  in  der  er  ge- 
llohen ist  (Euseb.  VI,  40);  in  der  valerianischen  Verfolgung  wurde 
er  verhaftet  und  erst  nach  Kephro  in  Libyen,  dann  nach  dem  rauheren 
und  barbarischen  Kolluthion  in  der  Mareotis  verbannt  (VII,  lüt). 
Zwei  bis  drei  Jahre  blieb  er  fern  von  seiner  Gemeinde,  wenn  auch 
der  Verkehr  mit  ihr  fortdauerte.  Das  im  J.  260  erfolgte  sog.  Toleranz- 
edikt des  Gallienus  (d.  h.  die  Zurückziehung  der  valerianischen 
Verordnungen,  s.  VII,  13)  ist  in  Ägypten  nicht  sofort  gültig  ge- 
worden; aber  im  9.  Jahr  des  Kaisers  (=261/2)  war  Dionysius  jeden- 
falls wieder  in  Alexandrien,  s.  VII,  21,  1;  23  extr.  Allein  furcht- 
bare Zustände  warteten  seiner  dort,  ein  wilder  Bürgerkrieg,  Pest 
und  Hungersnot  (VII,  21—22).  Sie  rieben  die  Kräfte  des  alten 
Mannes  auf,  der  im  12.  Jalir  des  Gallienus  (VII,  28,3)  gestorben 
ist  (264/5). 

Bewunderunofs würdig  ist  es,  daß  der  Bischof  unter  solchen 
Umständen  Zeit  gefunden  hat,  eine  j^roße  litterarische  Tätigkeit 
hauptsäclilicli  durch  Lehrbriefe,  zu  entfalten.  Er  ist  dadurch 
der  erste  alexandrinische  Bischof  von  ökumenisch-kirch- 
licher Bedeutung  geworden.  Er  hat  den  Stuhl  des  Markus 
über  Ägypten  hinausgehoben,  ihn  an  die  Seite  des  Stuhls  Petri  ge- 
stellt und  die  universale  Politik  der  alexandrinisc-hen  Bischöfe,  die 
sich  bis  Dioskur  fortsc^tzt,  begründet,  weil  ihm  das  Gesamtwohl  der 
Kirche  am  Herzen  la^g  und  er  an  allen  Fragen,  welche  die  Kirchen 
in  der  Welt  bewehrten,  wirksamen  Anteil  nahm.  Der  Name  «der 
(ifroße"  gebührt  ihm  in  dieser  Hinsicht  nicht  mit  Unrecht.  Man 
braucht  nur  die  Liste  seiner  Adressaten  zu  überschauen,  um  fest- 


lli<'roii.  k(niiint  cbt-ii  «loslmll)  nicht  in  Hrt nicht,  iiiul  kiiuii  nicht  für  clironoloj^isJchi- 
Schlüsse  hfnutzt  witiUmi. 

1)  Auf  «Itis  Chmii.  Oricntah«  fl'aiis,  l'i.M)  z.  J.  '2^\\  möchte  ich  mich  nicht 
bcnifiMi.  ,,Hic  erat  Saluiitu  ?]  sai»icnti>>inins  et  ex  dentis  i>riinorilms  atqu»* 
<»l»tiioiitihats".  Lcktün*  <lcr  iiaulinischcn  liricf«'  snll  ilm  /um  Oliiuben  j^oführt 
habi'n.  Das  ist  wohl  ein«'  Ausspinnnn«^  von  Kuscb.  VII.  7,!),  wo  Dionysius  bi- 
richtft,  (laß  ihn  niclit  »'in«'  übiTwältl^j^cndc  Aniorität  oder  nioralische  Krwrignn«feii. 
sondern  vonirt«*iNh)Sfs  >tuiliuiu  i«']itri()}<(.i-  S(  liritti-n  alU*r  Art  zum  Glauben  ge- 
bracht  luit.     JJieselbc  <2"*'ll''  berichtet,  Denn.'trius  habe  den  Dionysius  getauft. 


DionyHiuB,  Bischof  von  Alexaiulricn.  59 

zustellen,  daLi  an  Umfang  und  Weite  der  Korrespondenz  ihn  kein 
römischer  Bischof  übertroffen  hat*.  Was  aber  Gehalt  und  Viel- 
seitigkeit seiner  Briefe  anlangt,  so  ist  ihm  kein  Bischof  des  Alter- 
tums gleichgekommen.  Auch  C-yprian  von  Karthago  vermag  nicht 
mit  ihm  zu  rivalisieren^. 

Auffallend  ist  es,  daß  Eusebius  wider  seine  Gewohnheit  die 
Briefsammlung  des  Dionysius,  aus  der  er  geschöpft  hat,  nicht 
charakterisiert  (ja  nicht  einmal  nennt)  und  uns  überhaupt  darüber 
ganz  im  Dunkeln  läßt,  wo  und  in  welcher  Zusammenstellung  er  die 
Werke  des  Dionysius  gefunden  hat.  Auffallend  ist  auch  eine  ge- 
wisse Kühle  dem  Dionysius  gegenüber  bei  aller  Bewunderung  und 
allem  Respekt  Ich  glaube  das  so  erklären  zu  müssen  (s.  0.  S.  33), 
daß  Dionysius  zwar  im  wesentlichen  Origenist  war  und  die  wissen- 
schaftliche Theologie  vertreten  hat,  daß  er  aber  doch  kein  so 
schlechthin  unbedingter  Verehrer  des  Origenes  gewesen  ist,  wie 
Eusebius  es  war^. 

Zu  einer  genaueren  Chronologie  der  einzelnen  Werke  und 
Briefe  des  Dionysius  reichen  die  uns  erhaltenen  Fragmente  der- 
selben nur  in  bezug  auf  die  nach  Rom  gerichteten  Schriftstücke  aus. 

1.  Der  Brief  an  Germanus  (wo?);  er  ist  im  J.  259  oder  gleich 
darauf  von  D.  geschrieben  zur  Verteidigung  seines  Verhaltens  in  der 
valerianischen  und  —  D.  blickt  zurück  —  decianischen  Verfolgung. 
Man  darf  diesen  Brief  voranstellen,  weil  die  uns  bei  Euseb  er- 
haltenen Fragmente  (VI,  40;  VII,  11)  das  meiste  geschichtliche 
Material  über  D.  bringen. 

2.  Einen  Kommentar  zum  Anfang  des  Predigers  Salom.  zitiert 
Dionysius  selbst  in  einem  Briefe  bei  Euseb.  VII,  2G,  3.  Die  Zeit 
des  Kommentars  ist  unbekannt,  und  es  ist  daher  eine  grundlos(5 
Vermutung,  daß  D.  ihn  abgefaßt  hat,  bevor  er  Bischof  wurde. 

3.  Dasselbe  gilt  von  dem  philosopliischen  Werk  IIeqI  ^vöscog, 
das  in  Briefform  gekleidet  seinem  Sohne  Timotheus  gewidmet  war 
(Euseb.  VII,  26,  2,  Praepar.  evang.  XIV,  23—27)  und  sich  die  Be- 
kämpfung des  Epikur  zur  Aufgabe  gesetzt  hatte*. 

1)  Dionysius  hat  lUißtM*  an  Hgyptischo  und  pcntai)olitani.sclu'  IJiscliöfo  Brirfc 
nach  Rom,  nach  Antiochien,  nach  LaoiUcea  Phon.,  na(rh  Cäsaroa  Pal.  und  nach 
Armenien  gericht-et.  In  bczu^  fiiif  die  rftmischiMi  VcrhaUiüsso  ist  er  in  Briefen 
iiiienuüdlich  gewesen,  als  sei  er  Oberbischof  für  Koni.  Römisch«»  Briider 
scheinen  ständig  in  Alexandrien  anwesend  gr'wesen  zu  sein,  s.  Euseb.  VII,  11. 
Zweimal  ist  er  nach  Antiochien  zu  großen  Synoden  eingeladen  worden,  VI,  40 
11.  VII,  27. 

2)  Übrigens  —  daß  Dionysius  keine  Brief«.^  mit  Cypriau  gewechselt,  dieser 
jenen  nie  genannt  hat,  ist  eine  sehr  merkwürdige  Tatsache. 

3)  S.  auch  den  I.  Teil  S.  41Sf.  -JJ2f. 

4)  PiS  gibt  auch  einen  Brief  von  Pseudo-Dionysius  An-opagita  an  Timotheus. 


00  ^^^  Litt^ratur  des  MorgenlundeK. 

4.  Auch  die,  ebenfalls  in  Briefform  gekleidete  Schrift  Begi 
:xnQaO(ia)v  (an  Euphranor,  VII,  26,  2)  läßt  sich  nicht  datieren  und 

5.  leider  auch  nicht  der  zwei  ovyyQa/ifiara  umfassende  Traktat 
IltQi  b:xa'fytXi(Jjv  (gegen  die  Schrift  des  ägypt  Bischöfe  Nepos 
"Ektyxog  aXXiiyonior(7)v\  Doch  ergibt  sich  aus  den  Fragmenten 
des  letzteren  wenigstens  dies,  daß  er  aus  der  bischöflichen  Zeit  des 
Dionysiiis  stammt  (Kuseb.  VII,  24.  25).  Nepos  war  schon  gestorbea 
als  Dionysius  zum  Angriff  gegen  seine  Anhänger,  an  deren  Spitze 
ein  gewisser  Korakion  stand  (VII,  24,  9),  vorgingt 

().  Das  große  Werk  in  4  Büchern  *'EXtyxog  xal  axoXoyla  {xqo^ 
^c(ßf:k/.i((povS^  jroog  ^aßtXXiop?  —  s.Euseb.  VII,  26;  Praep.  evang. 
Vll,  19;  Athanas.,  var.  11.;  Basilius,  de  spiritu  29;  Rufin  beiHieroD. 
adv.  libr.  Ruf.  II,  17)'^  an  den  römischen  Bischof  Dionysius  kann 
ziemlich  genau  datiert  werden:  die  beiden  Dionyse  regierten  vom 
22.  Juli  259  bis  204.5  gleichzeitig.  In  der  Zeit  der  schrecklicbeo 
inneren  Zustände  in  Alexandrien  (seit  261  2)  ist  die  Schrift  schwer- 
licli  geschrieben;  Verhandlungen  mit  dem  röm.  Dionysins  waren 
ihr  schon  vorhergegangen  *;  sie  stammt  also  aus  dem  J.  260  oder 
201  (Anfang). 

7.-10.  In  diesen  Streit  gehören  vier  Briefe  an  Ammon  von 
Berenike,  an  Telesphorus,  Euphranor  und  Ammon  [und  Euporus' 
xaza  ^\i;hW()v  (Kuseb.  VII,  26,  1).  Es  liegt  sehr  nahe,  sie  mit 
den  Briefen  zu  identifizieren,  die  Dionysius  in  einem  Schreiben 
an  Sixtus  von  l\üm  (Euseb.  VII,  0)  als  gegen  Sabellius  geschrieben 
zitiert  und  von  denen  er  Abschriften  dem  Sixtus  übersandt  hat. 
Dann  müssen  diese  Briefe  vor  257  S  —  denn  nur  in  diesem 
Jahr    von    August    zu    August    war    Sixtus    Bischof   —    verfabt 

1)  I)«M-  .Vus«liink  li.  ♦'.  VII,  Jl,  «lalJ  /(t/Qi  rvi'  v'u'l»^  UriUliT  sich  an  d-v. 
j^ristlichiMi  Li»Ml«'rn  des  N«']>o.s  orfnnion,  lo^t  <li»'  Annalinu»  iiiiho,  daß  Ne}»«»' 
iiiehf;  vor  j^iiiiz  knr/.tT  Zeit  <rt'>torbon  war.  Pas,  was  man  iibor  Nt^pos  weil?, 
ist  im  I.  'rdl  «lirsi's  Wrrkrs  S.  -ll'Tf.  zusaiiiin»'n.L,^'>it'llt.  N<»i>os  war  ein  Christ 
altrn  Schlairs,  <h'r  (b'ii  aU«Mi  H«*ali>nuis  nml  d'w  Apokalyptik  pojjfon  Orij?on»' 
auiVoclit-  erhirlt  uinl  ^it-li  «lanmi  mit  Vorlirlu*  an  »li«»  Ajjokalypse  dos  Johaiun- 
liit'lt.  Dionysius  Inlit  sfiuo  niGiiq,  (fi/.onovla  und  ?/  m*  t(u^  yga^fctig  6^aTQt^i\ 
snwii'  st'inj'  nro/A/]  xi'cO.fwtdla  ln-rvor,  J  //<-/(^'  vvv  Tio/./.ol  rwr  döelfföüv  tvi^i- 
fioivTfii.  Kr  liatt«'  in  den  unt«'räuryi»tis<'lirn  UüriVm  «'int'n  pr(»[j,»n  Anhanp,  nvA 
♦*s  kam  zu  „Srlii-nu-n  und  Aldall".  /u  wi-it  darf  man  di«'  L«'l»t'ns7.t'it.  dosha':!' 
nirlit  hiuaufs«'t/.»'M.  w«'il  lli^hinn'r  in  ALrviiti'U  in  itwa>  Lrrr»l)j.'n'r  Zahl  erst  unt» : 
Ht'rakias  iro^riind»!  wnrdfu  -ind. 

'_')  Auf  «-In  ]»i.-liir  unln'kannii'^  Shii-k  aii<  «lif-i-m  Wrrk  d«'S  Dionysius  hat 
Böhmer- Höh  mundt  anfm»'rksam  jx«'ina<lit.  Ks  strht  in  finoni  Fraf^iuoiit 
<'in«'r  Schi'ift  d«'s  Afliana.-iu<  von  Anazarhus.  und  di»'s»'s  ri-aj;mont  seilest  find»'t 
sicli   l)«'i   (*in«'iu  nnldii»'u>»*r  Krat^mmtistfu   (/tstlir.   f.  wls-j^nscli.  Theol.  T^d.  V\ 

;))  S.  d.'u  I.  Tril  di«'.-cs  \Vrrk»'.s  S.    \\{). 


Dionysius,  Bischof  von  Alexandrien.  61 

gewesen  sein.  Auch  nach  Euseb.  VII,  26, 1  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  die  Briefe  dem  großen  Werk  vorangegangen  sind  und  daß  sie 
die  Briefe  sind,  auf  Grund  deren,  wie  uns  Athanasius  berichtet 
(8.  Teil  I,  S.  414ff.)»  Dionysius'  Christologie  verleumdet  und  er  selbst 
bei  seinem  Namensvetter  in  Rom  verklagt  worden  ist.  Die  kleine  Vari- 
ante in  der  Bezeichnung  eines  Briefs  („an  Ammonius  und  Euphranor") 
reicht  schwerlich  aus,  um  den  Brief,  den  Athanasius  im  Auge  hatte, 
von  jenen  vier  Briefen  zu  unteischeiden.  Die  Briefe  sind  wohl 
unmittelbar  vor  dem  an  Sixtus  geschrieben  —  Dionysius  ist  gleich- 
zeitig durch  das  Interesse  für  den  Ketzer  tauf  streit  und  die  christo- 
logische  Frage,  in  der  seine  Oi-thodoxie  angegriffen  wurde,  in  An- 
spruch genommen  — ,  also  i.  J.  257. 

11. — 25.  Fünfzehn  Briefe  erwähnt  Eusebius  als  vonD.  in  Sachen 
des  Martyriums,  der  Behandlung  der  Gefallenen  und  des  Novatiani- 
schen  Schismas  verfaßt,  nämlich  drei  nach  Ägypten,  acht  nach  Rom, 
je  einen  nach  Laodicea  Syr.,  Armenien,  Antiochien  (an  den  dor- 
tigen Bischof  Fabius)  und  an  Origenes.  Alle  diese  Briefe  gehören 
der  Zeit  250/1—253  an^)  und  standen  augenscheinlich  in  der  Brief- 
sammlung, die  Eusebius  (VI,  46)  vorlag,  zusammen,  und  zwar  in 
dieser  Reihenfolge: 

a)  An  die  Brüder  in  Ägypten  IltQi  fieravolag  —  die  Regeste, 
die  Eusebius  gibt,  zeigt,  daß  der  Brief  gleich  nach  Erlöschen 
der  Verfolgung  geschrieben  ist;  wie  der  Titel  sagt,  war  D. 
noch  im  Versteck  (251). 

b)  An  Konon,  Bischof  von  Hermopolis  IIsq!  fievarolaa. 

c)  An  die  Gemeinde  in  Alexandrien,  IsrioroX?]  ijtiotQtjtrix^, 
also  war  D.  noch  im  Versteck  (250/1). 

d)  An  Origenes  IIsq!  fiagrvQlov]  der  Brief  ist  als  Trost-  und 
Bewunderungsbrief  zu  verstehen,  also  250,1  verfaßt. 

e)  An  die  Brüder  in  Laodicea  Syr. 

f)  An  die  Brüder  in  Armenien  IleQl  fisravolag. 

g)  An  Cornelius  von  Rom,  nachdem  er  dessen  Schreiben  wider 
Novatian  empfangen  hatte;  da  der  Tod  des  Fabius  in  dem 
Brief  mitgeteilt  war,  ist  unser  Brief  252/3  geschrieben. 

h)  An  die  Brüder  in  Rom  durch   Hippolyt,   öiaxovtx/j  (Was 
heißt  das?);  der  Brief  ist  seiner  Stellung  nach  um  dieselbe 
Zeit  verfaßt. 
i)  An  die  Römer  IJ^q]   uQjjVfjg,  wohl   auf  das   novatianische 
Schisma  bezüglich. 

1 )  I^ei  dem  Brief  an  Fabius  von  Antiochien  und  bei  dem  au  Corneliuy  von 
Rom  ißt  daß  ohne  weitere«  khir;  denn  jener  war  von  ITA)  bi«  'J;7J  Knde  (oder 
•J.^3  Anfang),  dieser  vom  Frühjahr  251  bis  Juni  :1')'\  Hisehof.  In  dem  IJrief  an 
('orneliuß  ht  der  Tod  des  Bißchof«  Fablu8  miti^etcrilt. 


(52  l^H*  LitU'ratur  des  Morgenlandes. 

k)  An  die  ßöiner  ntQi  lurarolag  (beide  Schreiben  wohl  auch 
2512). 

1-  An  die  römischen  Konfessoren,  die  auf  Seiten  Novatians 
standen;  Näheres  s.  sub  Cyprian  (251/2). 

ni)  und  n)  An  die  römischen  Konfessoren,  nachdem  sie  zu  Corne- 
lius zurückgekehrt  waren;  Näheres  s.  sub  Cyprian  (251/2). 

Die  beiden  Schreiben  der  Sammlung  o)  u.  p)  an  Novatian  und 
an  Fabius  von  Antiocbien  hatte  Eusebius  schon  in  den  cc  45  bez. 
41.42.44  vorweggenommen.  Das  erste  ist  unmittelbar  nach  Aus- 
biucli  des  Schismas,  also  im  J.  251,  geschrieben  und  fordert  deo 
Novatian  auf,  die  Einheit  der  Kirche  schleunig  wiederherzustellen. 
Das  zweite  ist  ihm  wenige  Monate  darauf  gefolgt  und  sucht  den 
dem  Nuvatian  zuneigenden  Bischof  von  Antiocbien  von  dem  Ernst 
der  Haltung  der  Katholiken  (speziell  des  Dionysius  selbst)  zu  über- 
zeugen und  bei  der  großen  Kirche  festzuhalten*. 

20.— :J3.  Eine  weitere  Gruppe  bilden  die  in  dem  Ketzertauf- 
streit  nach  Kom  gericliteten  acht  Schreiben  (Euseb.  VII,  2—9)*. 
1  )er  erste  Brief  über  die  Taufe  war  an  Bischof  Stephanus  gerichtet 
(VII,  2. 4. 5),  stammt  also  aus  den  J.  255— 257;  die  in  früheren  Briefen 
des  1).  genannten  Bischöfe  Fabius  von  Antiocbien,  Alexander  von 
Älia  und  Thelymidres  von  Laodicea  waren,  wie  der  Brief  angibt, 
bereits  gestorben.  Der  zweite  und  dritte  Brief  waren,  wohl  gleich- 
zeitig: mit  dem  an  iStcphanus,  an  die  rc'anischen  Presbyter  Philemon 
und  Dionysius  gerichtet  (VII.  5  extr.).  Der  vierte  Brief  über  die 
Taufe  wendet  sich  an  Sixtus  (Vll,  5.  t)\  ist  also  zwischen  Herbst 
257  und  Sommer  258  verfallt.  Der  fünfte  und  sechste  Brief  an 
die  römischen  Prcsbytta-  Pliilemon  und  Dionysius  begleiteten  das 
Schrei]>en  an  Sixtus  (Vll,  5  extr.  7.  S);  die  beiden  Männer  müssen 
b(;sonders  einflulNri^ichc-  Glieder  des  rrmiischen  Presbyterkollegiums 
<»ewesen  sein;  Dionysius  ist  ja  auch  Nachfolger  des  Sixtus  geworden^ 
Der  siebente  und  acljte  Brief  über  die  Taufe  sind  wieder  an  Sixtus 
gerichtet,   sind   also  auch  vor  August  258  geschrieben,  der  achte 

V)  Am  Scliliiß  tlk'sor  Hrlffsinuiiiluiii;  .stainL'n  iiocli  iin(l«'re  Schreiben,  t- 
VI,  K)  (;xtr.:  Kai  a?.?,oiq  dh  n'/.tiooiv  ö/hoiwj:  iSiu  yQauudxvn'  o^u),t]Gaq^  noixiJiai 
ToT^    f'r/    rh'    07iovör]v    ntnl    roig    ?.oyov^    avrov    notovfiiroiq    xaxa)M,ointif 

OJ(ff:).U(CZ. 

lii  in  ili'i*  Siiininlnnjx,  «lir  Kui»iO)iii.-  vorlag',  Ifrfandi'n  sich  nur  sech»*;  iil»er 
Dionysin.-^  erwähnt  seilest  in  <h*ni  IJrit'f  an  >ix(u:?.  dalJ  it  .-rlion  früher  ( über  dii' 
'l'autV)  an  di«'  riWnisehj.'n  l'^e^^hytl'r  Thilrinon  mul  Dinnysins  jx«"J^t'hrh?beii  haW. 
Dit'se  lu-ith-n  iilt»'n*n  Hricf»»  stamU'n  nii-lit  in  «Lt  Sannnhm^.  wohl  aber  die  unter 
Sixtus  an  dit'St'lbcn  p'rielit^'ten. 

''\)  Na<-h  (h'ni  I>ii»'f  aji  I'hilj'uion  i.-t  ••<  wahrscluMnlicli.  «hiß  Dionysius  den 
HriefweehM>l  zwisclien  C'y]»rian  un<l  Firniilian  von  (Titjan'a  «Erkannt  hat. 


Dionysius,  Bischof  von  Aloxaudrion.  63 

zugleich  im  Namen  der  alexandrinischen  Gemeinde  an  die  römische, 
also  hochoffiziell  (VlI,  9j  K 

34. — 42.  Der  Überlieferung  seines  Stuhls  gemäß  hat  Dionysius 
Osterfestbriefe  jährlich  geschrieben.  Eiisebius  (VII,  20flF.)  sagt  das 
ausdi'ücklich  und  teilt  uns  auch  Bruchstücke  aus  ihnen  mit.  Man 
darf  annehmen,  daß  er  aus  ihnen  in  chronologischer  Reihenfolge 
geschöpft  hat'-^;  daß  sie  in  einer  Sammlung  standen  und  gezählt 
worden  sind,  geht  auch  aus  den  Fragmenten  in  den  Sacra  Parallela 
hervor,  die  „aus  dem  4.  Festbrief"  (ob  auch  aus  dem  zweiten?) 
zitieren^.  Der  Festbrief  nun,  der  an  Hermammon  und  die  Brüder 
in  Ägypten  gerichtet  ist  (Euseb.  VII,  22  extr.  23;  auch  VII,  1.  10 
waren  schon  Mitteilungen  aus  ihm  gemacht),  ist  nach  VII,  23,  4  im 
Hinblick  auf  das  Osterfest  im  9.  Jahr  des  Gallienus  geschrieben, 
d.  h.  im  Hinblick  auf  das  Osterfest  des  J.  261.  Daraus  ergibt  sich, 
daß  der  Festbrief  VII,  21,  1  zur  Zeit  des  Bürgerkriegs  der  des  J.262, 
der  Festbrief  an  Hierax  während  des  Bürgerkriegs  VII,  21,  2  ff.  der 
des  J.  263,  der  Festbrief  Vll,  22,2ff.  zur  Zeit  der  Pest  der  des 
J.  264  und  endlich  der  letzte  in  ruhigeren  Zeiten  geschriebene  Fest- 
brief VII,  22,  11  der  des  J.  265  ist.  (Da  man  nicht  weiß,  wie  lange 
vor  dem  Fest  die  Festbriefe  erlassen  sind,  kann  Dionysius  schon 
Ende  264  gestorben  sein). 

Die  drei  Festbriefe  an  Flavius,  Domitius  und  Didymus  und  an  die 
Presbyter  in  Alexandrien  (VII,  20;  aus  dem  zweiten  hat  Eusebius 
schon  VII,  U,  20flF.  zitiert)  sind  die  Briefe,  mit  denen  die  Sammlung 
der  Festbriefe  begann.  Somit  wird  der  an  Flavius  der  Festbrief 
für  das  J.  249  oder  250,  der  an  Domitius  und  Didvmus  der  für  das 
J.  250  oder  251  sein  (er  ist  aus  dem  Versteck  in  Libyen  unter 
Decius  geschrieben,  Eusebius  hat  ihn  VI],  11  irrtümlich  auf  die 
valerianische  Verfolgung  bezogen)^,  der  an  die  Presbyter  in 
Alexandrien  ist  der  des  Jahres  251  oder  252  (auch  er  wird  noch, 
wie  die  Adresse  wahrscheinlich  macht,  aus  dem  Versteck  geschrieben 
sein).  Die  Festbriefe  zwischen  252/3—261  hat  Eusebius  nicht  er- 
wähnt^;  denn  die  Bemerkung  VII,  20  extr.  {txeQoiq  re  ofwv  öia- 

1 )  Der  7.  Brk^f  ist  nach  VIl,  i),  '2  gleich  nach  O^Un-n  'Jr>S  abgefaßt. 

2)  Mit  Ausnahme  des  historisch  roichhaU-igsten  Festbriefs  an  Hennammon, 
den  er  an  mehreren  Stellen  seiner  Kirchengeschicht^  ausgebeutet  hat. 

3)  Holl  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  20  II.  2  S.  151. 

'I)  Augenscheinliiih  ist  auch  VII,  *J0  (die  Notiz  über  die  ;>  ersten  Festbriefe) 
zu  sput  gesetzt.  In  dem  Brief  an  Domitiiis  und  Didymus  war  ein  achtjähriger 
Osterkanon  mitgeteilt,  s.  VII,  20.  —  Mösrlich,  wenn  auch  nicht  wahrscheinlich 
ist,  daß  Dionysius  zwei  Briefe  an  Domitius  und  Didymus  geschrieben  hat 
(B.  BernouUi,  a.  a.  0.  S.  1, ")()).  In  diesem  Falle  kann  man  Kusebius  von  dem 
Vorwurf  entlasten,  den  Brief  um  c.  10  Jahre  zu  sjiät  gesetzt  zu  haben. 

.'i)  Die  SS.Parall.  zitieren  aus  dem  J. Festbrief,  d.h.  aus  dem  des  J.lM'J  oder  2,"5'i. 


64  ^^^  Litt^^nitur  des  Morgeulundes. 

ffOQcoQ  [ijtiOToXag  öiaxciOCiTTH]f  xal  xavzaq  Bti  rov  öicuY/iov  üvv- 
horoJToq)  bezic^ht  sich  nicht  auf  Festbriefe,  sondern  überhaupt  auf 
Briefe,  die  in  der  Verfolgung  geschrieben  worden  sind. 

4^$.— 4S.  Sechs  Briefe  an  Verschiedene  erwähnt  Eusebins  nocb. 
nämlich  an  Dionysius  Rom.  —  der  Brief  ist  zwischen  Angust  259 
u.  264/5  (s.  0.  S.  60)  geschrieben,  „über  Lucian",  wie  Eusebius  VII, 9 
<'xtr.  angibt,  als  müsse  man  wissen,  wer  das  ist>;  er  stand  hinter 
den  Briefen  über  die  Taufe  — ,  an  Oermanus  —  geschrieben  in  der 
Verbannung  während  der  Verfolgung  Valerians,  s.  Euseb.  VI,  40; 
VTI,  1 1,  also  zwischen  258  u.  260  — ,  an  Theoteknus  von  Cäsai-ea  — 
nach  dem  Tode  des  Origenes  und  zu  dessen  Lobe,  also  bald  nach 
254,  s.  Stephanus  Gobarus  bei  Photius  Cod.  232  — ,  an  Aphrodisios 
—  die  Zeit  ist  unbekannt-  — ,  an  Basilides,  Metropolit  in  der 
Pentapolis  (mehrere  Briefe;  ein  Brief  [Antwort  auf  ein  Schreiben 
des  Basilides]  ist  in  extenso  erhalten)  —  die  Zeit  ist  anbekannt^ 
aber  nach  der  Stellung,  die  Euseb.  VIT,  26  ihnen  gibt^  ^hören  sie 
der  spätesten  Zeit  an'*  — ,  endlich  an  die  antiochenische  Gemeinde 
über  l*aul  von  Samosata,  \'1I,  27,  2,  das  letzte  Schreiben  des  Diony- 
sius  kurz  vor  seinem  Tode*. 

19.— 51.  Noch  werden  folgende  in  Briefform  abgefaßte  Schriften 
erwälint:  IhQi  oai^t^uTov  (Euseb.  VIT,  22,  11),  IleQl  yvnvaolov  (L  c 

J)  Vi«'ll«'iclit.  i-l-  iin  »L'u  iM^riiliuitiMi  LoIiht  (L's  Ariii:*  zu  cleukou;  aber« 
iiiüßti.'  als  liolior  >i«tl)zi;^i'r  '^»'storl)«'!!  sein. 

•Ji  S.M-lis  liniclistCa-kc  in  «1.  SS.  rjiral!.,  s.  IIoll,  1.  o.  S.  I4J>f. 

'.\)  I);w  »'rhultiMit;  .'^(•hi-t'ilM'n  liiuulrlt  Ihi^l  tot  fifya/.ov  aaßßaxov  Tioif^ 
/(>//  u7TOi'?iOTi"C,ho*hu  mul  von  ainL'n'ii  DinjTrii.  I^ionysius  u.  Mit  don  AdressaWn 
^«'i1UMl  ,,jr<'lii'l»l«*ii  >()hn  iiiul  HnidiT,  don  ^ntt;x<'lu»rHan!.  ii  Mit»lit?iii'i'**.  Es  itt 
•  'in  Aiit\vorist:hriibi'u  auf  einen  Urief  »li»s  Ha^ii'.idi'S,  «lor  versehiedone  Fnigen 
«•nthirli-.  J)ic  Antwort  b»?jncksichtij^t  auch  die  i\Mnische  Praxis  {».  Kouth, 
lu'liir.  >:iri\  IM-  p.  LL'.'IiV. •.  J)i«;  vier  anjjfoliän«:ten  Canones  worden  wolü  echt 
sein,  alu  r  nielit  zu  diesem  }iri<.'Ie  «gehören,  ^nnd^•rn  aus  anderen  Schreiben  an 
d«.Mi.^'Ihen  stammen. 

1 1  S.  auch  Knsel).  VII,  :)<\  '.).  Der  Urief,  ul)j;:loich  er  dem  Schreiben  «liT 
antioehiMiisehen  ^ynode  («.'i-tTt-n  Tanl)  l>eijrelejj:t  worden  ist,  ist  nicht  erhalten. 
Kine  Inl)alt.san»:abe  stellt  im  Synaxarium  c<»]>t(»-aral>.  (Wüstenfeld  I  S.  THi. 
ist.  aber  p'fä'sclit.  ^„Der  Vater  I)ionysiiis  \erfal)ti'  ein  Sendschreiben  —  an* 
L(eblie]i  l.')  Jahre  vor  dem  Konzil  v.  Nicäal  —  des  Inhalts,  dal»  Christus  das  "Wort 
und  sein  Scdin  sei,  dal»  er  ihm  ^^leieh  sri  an  rer>on,  (Gottheit  und  Kwiirki^-it. 
dalJ  <lie  I)r«*ifalti^ki'it  drei  I'rrsonen  in  ilinrr  Hes(»nih'rheit  cMUe  iiottheit  ans- 
nniche,  dalJ  (Mner  der  Freiheit,  welehi-r  der  ^()hn  >ei.  sich  als  vollkoiuiuener 
Mensch  verkörpert  habe,  usw.  Kr  bewies  «lies  durch  viele  /eu^nisse  jiuk  den 
Schriften  dt?s  A.  u.  N.  T.s  u.  schickte  das  Sendschreiben  ab  durch  zwei  gi- 
lehrte  Triester  a\is  s«'iner  «Irnu-inde.  l>;i  kamen  Ü)  IJiscliöfe  vunl  die  beiden 
Priester  [in  Antioehicn]  zusammeu  usw.''».  ilieron.  (de  vir.  inl.  •)!))  Kajrt,  der 
Brief  sei  „ant^?  paucos  die^  quam  nioreretur"  «^'eschrieben,  aber  das  ist  Willkür. 


Dionysiuä,  Bischof  von  Alexandrien.  65 

u.  Holl,  I.e.  S.  151)  und  IleQi  ya(i(ov  (mindestens  2  Briefe,  aus 
dem  2.  ein  Fragment  bei  Holl  S.  150 f.).  Ihre  Zeit  ist  nicht  zu 
bestimmen  K 

Merkwürdig  ist  folgender  Bericht  im  SjTiaxarium  copto-arab. 
(Wüstenfeld  I,  S.  8):  „An  dem  3.  Tage  des  Monats  Tut  fand  eine 
h.  Versammlung  statt  in  Alexandria  im  2.  Jahre  der  Regierung 
unseres  h.  Vatei^s  des  Patriarchen  Amba  Dionysius  (also  247/48  oder 
248/49).  Die  Veranlassung  zu  dieser  Versammlung  war,  daß  Leute 
in  dem  Verwaltungsdistrikt  des  Arianus  [soll  heißen  „Arabiens**, 
s.  Euseb.  h.  e.  VI,  37]  aufgestanden  waren  und  behauptet  hatten, 
die  Seele  sterbe  mit  dem  Körper,  und  am  Tage  der  Auferstehung 
stehe  sie  wieder  auf  mit  ihm  [genau  nach  Euseb.  1.  c.].  Sie  hatten 
hierüber  einige  Sätze  aufgestellt  und  an  Leute  in  Alexandria  ge- 
schickt, und  als  dies  D.  erfuhr,  wurde  er  darüber  sehr  aufgebracht 
und  suchte  sie  von  dieser  Ansicht  abzubringen,  und  als  sie  davon 
nicht  ablassen  wollten,  ließ  er  gegen  sie  diese  Versammlung  zu- 
sammenkommen (s.  Euseb.  1.  c),  disputierte  mit  ihnen  [s.  Euseb. 
1.  c]  und  bewies  ihnen  ihren  Irrtum.  Als  sie  sich  nicht  bekehrten 
und  von  ihrer  Ansicht  nicht  abbringen  ließen,  verfluchte  er  sie 
[ganz  anders  Euseb.  1.  c]  und  setzte  gegen  sie  eine  Schrift  auf, 
welche  begann:  „Siehe  die  Liebe  Gottes  zu  den  Menschen  ist  wahr- 
lich sehr  groß"  —  und  er  setzte  darin  fest,  daß  die  Seele  weder 
sterbe  noch  sich  verändere  noch  verschwinde,  sondeni  bestehen 
bleibe  wie  die  Engel  und  Teufel  bestehen,  weil  sie  geistig  sei  und 
keine  Veränderung  und  keine  Verschlechterung  erlitte;  von  der 
Zeit,  da  sie  den  Körper  verläßt,  wird  sie  an  irgendeinen  anderen 
Ort  versetzt  nach  Verhältnis  ihres  Verdienstes,  und  am  Tage  der 
Auferstehung,  wenn  mit  der  Posaune  geblasen  wird  und  die  Körper 
auferstehen  auf  Befehl  dessen,  der  sie  entstehen  läßt,  nimmt  jede 


1)  Dittrich  (a.  a.  0.  S.  129f.)  iat  in  bezug  auf  die  Chronologie  des  D.  zu 
folgenden,  von  den  unsrigen  abweichenden  Ergebnissen  gelangt:  In  die  JJ. 232 — 247 
setzt  er  IlfQl  ^vaeatv  und  den  Kommentar  zum  Anfang  dos  Ekkles.  und  in  die 
JJ.  253 — 257  De^l  inayysXioiVj  was  unerweislich  ist.  Unrichtig  ist  es,  den  Brief 
an  Dionysius  über  Lucian  i.  d.  J.  257  zu  setzen;  denn  damals  war  Dionysius 
V.  Rom  noch  nicht  Bischof.  Zu  spät  sind  wahrscheinlich  die  Briefe  an  Ammon 
von  Berenike,  an  Telesphorus,  an  Euphranor  und  an  Ammon  (u.  Euporus)  gesetzt, 
nämlich  erst  258 — 2()1  (statt  z.  Z.  des  Sixtus  257/58),  und  die  Opterfcstbriefe  an 
Flavius  und  an  die  Priester  in  Alexandrien  werden  auch  zu  spat,  nUmlich  nach 
258  bis  262  datiert  statt  auf  249/50  bez.  251/2  (sie  gehören  zu  dem  von  Ditt- 
rich richtig  datierten  Brief  an  Domitius  und  Didymus).  In  das  Jahr  262  wer- 
den —  was  unmöglich  ist  —  drei  Osterfestbriefe  gest-ellt,  nämlich  der  an  Her- 
mammon, an  die  Alexandriner  zur  Zeit  des  Bürgerkriegs  und  an  Hierax,  statt 
sie  261,  262,  263  anzusetzen;  erst  in  dem  Pestbrief  sieht  Dittrich  den  Osterbrief 
für  d.  J.  263  (statt  264). 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesch.  II,  2.  5 


66  Die  Littvrntur  des  Morgenlandc*«. 

Seele  ihren  Körper  wieder  an  and  empfang  mit  ihm  die  Belohnmig 
oder  die  Strafe,  die  für  die  Seelen  geeignet  ist,  und  beide  ve^ 
bleiben  in  dem  Znstande,  der  ihnen  zuteil  wird,  und  kommen  nicht 
aus  ihm  heraus  für  alle  Zeit  und  Ewigkeit" 

Daß  hier  Euseb.,  h.  e.  VI,  37  zugrunde  liegt  und  daß  Diony- 
sius  und  Origenes  verwechselt  sind,  ist  klar;  aber  um  der  frappanten 
Datierung  und  des  mitgeteilten  Initiums  willen  ist  es  wahrschein- 
lich, daß  der  Krzähler  mehr  gewußt  hat  als  bei  Eusebins  steht 
(Indirekte  Kenntnis  der  Akten?). 

Aus  Hier.  ep.  49,  3  ist  nicht  zu  folgern,  daß  D.  einen  Kommen- 
tar zum  1.  Korintherbrief  oder  zu  einigen  Abschnitten  desselben 
verfaßt  hat 

Uneclit  ist  der  Brief  an  Paul  von  Samosata  (s.  den  1.  Teil 
dieses  Werkes  S.  425),  sowie  der  Brief  an  den  MOnch  Theodosius 
und  der  an  den  Lektor  Ursenuphius  (s.  Mcrcati,  Studi  e  Testi  5 
1 1901]  Nr.  7  p.  82  ff.)}  obschon  die  beiden  letzteren  einige  auff&Uende 
Stiherwandtschaften  mit  den  echten  Briefen  des  Dionysins  haben. 
Über  das,  was  syrisch  und  aimenisch  erhalten  ist  h^be  ich  mich 
a.  a.  0.  S.  425£  ausgesprochen  und  habe  dem  nichts  hinznzufOgea 

8)  Theognost,  Picrius  und  Achillas.  < 

Nur  Philippus  Sidetes  bezeichnet  fnacli  einem  Exzerpt  im  CoA 
Barocc.  142)  den  Theognost  als  Vorsteher  der  alexandrinischen 
Katecheteuschule,  Eusebins  und  Hieronymus  nennen  ihn  überhaupt 
nicht  und  in  den  Zitaten  bei  Athanasius  und  anderen  erscheint 
er  nur  als  hervorragender  Exeget.  Doch  wird  die  Bezeichnuns: 
bei  Philippus  richtig  sein.  Dagegen  erweckt  die  Reihenfolge  „Pie 
rius,  Theognost"  bei  ilnu  Bedenken,  da  er  (bez.  der  Exzerptorl 
auch  sonst  die  alexaiidrinisclien  Lehrer  umgestellt  hat  und  da  sich 
nach  Pierius  kein  Raum  für  Tlieognost  mehr  findet  Weil  wir  für 
Theognost  chronologisches  Material  nicht  besitzen,  ist  von  Pieriii? 
auszugehen.  Als  A'orsteher  der  Katechetenschule  in  Alexandrien 
wird  der  Pn^sbyter  Pierius  von  Philippus  Sidetes  (1.  c)  und  von 
Photius  (Bibl.  IIS)  bezeichnet,  während  Eusebins  und  Hieronymus 
nur  sagen,  dal>  er  Prediger  und  Lehrer  gewesen  ist  (Euseb^  h.  e. 
VII,  32,  2(i:  axQoyg  dxTJjfiovi  iSicp  xai  fiaih'jfiaat  ffiXocofpoic  öeöoxi- 
(laOTo,  rat;;  jref/i  ra  d^tla  O^etDQlaig  xru  t§7]y7jae(ji  xai  ralq  Ijtl  toi 
xoivov   TTJc   lxxh]Oiaq  6ia?.t^£0tv  vjrtQffvöjg  b^)]Oxy]iikroQ.     HieroÜM 

1)  S.  Diokam]»  in  der  Tlujol.  (^mrhilscbr.  l!Mrj  Tl.  4  S.  48111*.;  hien« 
Harnack,  Die  Hypotyposeu  dos  Thoognost  in  den  IVxtcn  u.  Untoii*.  Bd.  -4 
H.  S  S.  7:5flf.  Zu  IMoriu«;  s.  de  Boor,  obendort  Bd.  :^  H.  "J  S.  11)7 ft*.  (Mittoilimi: 
neuer  Tragnicntc  und  Berichte),  Boutb,  Heliq.  S:ur.  1112  p,  4<>7fi'. 


Theognost,  Pierius  und  Achillas.  (J7 

de  vir.  inl.  76:  »Florentissime  populos  dociiit  et  in  tantam  sernio- 
nis  diversorunique  tractatuum,  qui  usque  hodie  exstant,  veiiit 
elegautiani,  ut  Origenes  iunior  vocaretur").  Eusebius  (1.  c.)  be- 
zeichnet ihn  als  seinen  Zeitgenossen  \  und  Hieronymus  (1.  c.)  gibt 
die  doppelte  Datierung:  „sub  Caro  et  Diocletiano  principibus  tem- 
pore quo  Alexandrinam  ecclesiam  Theonas  episcopus  regebat." 
Theonas  war  von  282  (281)  bis  300  (Sommer)  Bischof  von  Alexan- 
drien  (s.  den  ersten  Band  dieser  Chronologie  S.  205)  2.  In  dieser 
Zeit  also  (Carus  wurde  im  J.  282  Kaiser)  wirkte  Pierius  als  Pre- 
diger und  Lehrer.  Er  erlebte  in  dieser  Stellung  noch  die  diokle- 
tianische Verfolgung,  wurde  in  ihr  Confessor  (nicht  Märtyrer)^ 
und  siedelte  „post  persecutionem"  nach  Rom  über,  wo  er  bis  zu 
seinem  Tode  blieb  (Hieron.,  1.  c).  Diese  Übersiedelung  ist  auf- 
fallend; wir  kennen  die  Beweggründe  zu  ihr  nicht.  Auch  das  Todes- 
jahr des  Pierius  ist  uns  unbekannt  Jedoch  wissen  wir,  daß  er 
noch  nach  dem  Februar  309  gelebt  hat;  denn  er  hat  einen  Logos 
auf  das  Leben  des  h.  Pamphilus  nach  dem  Zeugnis  des  Philippus 
Sidetes  (deBoor,  1.  c.)  verfaßt.  Pamphilus  aber,  der  nach  Photius 
(Bibl.  119)  der  Schüler  des  Pierius  gewesen  ist,  erlitt  im  Februar 
309  das  Martyrium.  Somit  lassen  sich  c.  30  Jahre  für  die  Wirk- 
samkeit des  Pierius  abgrenzen^.    Ob  er  wirklich  in  dieser  Zeit 

1)  Und  zwar  als  allernächsten  Zeitgenossen:  iv  xol^  fiuXiaxa  xad^  ^A'c^C* 

2)  Sonst  ist  von  diesem  alexandrinischen  Bischof  so  gut  wie  nichts  be- 
kannt. Der  Brief  des  Bischofs  Theonas  an  den  Oberkammorherrn  Lucian,  den 
zuerst  d'Achery  (Spicil.  1675)  publiziert  hat,  ist  eine  Fälschung  der  Neuzeit, 
8.  meine  Abhandlung  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  24  H.  3.  Ich  gehe  daher 
nicht  mehr  auf  ihn  ein. 

3)  Dies  bezeugen  Philippus  Sidetes  und  Photius;  auch  die  Tatsache,  daß 
es  eine  nach  ihm  genannte  große  Kirche  in  Alexandrien  gab,  spricht  dafiir 
(Epiphan.  haer.  09,  2;  Philippus  Sidetes  in  einem  von  de  Boor  entdeckten 
StQck).  Um  ein  wirkliches  Martyrium  kann  es  sich  aber  nicht  gehandelt  haben 
(vgL  auch  das  Schweigen  des  Eusebius  und  den  Bericht  des  Hieronymus).  Mit 
P.  wurde  nach  Philippus  auch  sein  Bruder  Isidor  Bekenner.  Letzlich  geht 
bei  Philippus  und  Photius  diese  Nachricht  auf  ein  großes  (ledicht  zurück,  das 
ein  alexandrinischer  Rechtsanwalt,  namens  Theodor,  verfaßt  hat  (wann?).  In 
dem  13.  Buch  desselben,  wie  Philippus  berichtet,  war  das  Bekennertum  des 
Pierius  und  seines  Bruders  Isidor  verherrlicht  (de  Boorsches  Fragment).  Daß 
in  bezug  auf  Isidor  eine  Verwechslung  mit  dem  berühmten  alexandrinischen 
Märtyrer  gleichen  Namens  aus  der  Zeit  des  Decius  (Euseb.,  h.  e.  VI,  41,  19) 
vorliegt,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Es  gab  übrigens  nicht  nur  eine  Pierius- 
Eorche,  sondern  Photius  berichtet  auch  (Bibl.  118),  daß  den  Brüdern  Pierius 
und  Isidor  mehrere  Heiligtümer  geweiht  seien  (pv,  Sg  tpaat,  xal  ve<og  xal  oheot 
vnd  xwv  evaeßovvrofv  iSgvv^aav), 

4)  Da  er  sicher  noch  im  J.  309  gelebt  hat,  so  ist  schon  dadurch  die  An- 
gabe des  Philippus,  er  sei  der  unmittelbare  Nachfolger  des  Dionysius  an  der 
Katechetenschule  gewesen,  widerlegt. 


f)^  Die  Littt'ratur  des  Morgenlandes. 

oder  in  fineni  Abschnitte  dieser  Zeit  der  Vorsteher  der  Kate- 
chetenschule  gewesen  ist,  ist  deshalb  nicht  ganz  sicher,  weil  wir 
überhaupt  von  der  späteren  Geschichte  dieser  Schule  fast  nichts 
wissen,  und  weil  auch  mehrere  Lehrer  nebeneinander  an  ihr  ge- 
wirkt haben  kimnen  (s.  Origenes  und  Heraklas).  Dazu  kommt^ 
daß  sicli  Euseb.,  h.  e.  \1I,  32,  30,  wo  er  den  Pierius  zum  zweiten- 
mal erwähnt,  so  ausdrückt,  als  sei  zu  seiner  Zeit  Achillas  der 
eigtjJitliche  Vorsteher  der  Schule  gewesen  {xtxva  Osiovav  kxl  t^c 
\iki:^ctv6{ihiaQ  kjii  tcwtop  rr/i  DuqIco  jtQsaßvtBQlov  fj^imfiivog  *Axd- 
Xä'^  ^  kyvcoQiC^hTo,  T/jc;  legäg  jtioncoi;  ro  öiöaöxaXeloP  lYxexsiQUh 
(iivo<:,  ovötvoc,  //ttoi^  ojcavidrarov  g>iXooo(plaq  tQyov  xäi  xoXitelag 
tvayythxfjg  tqojiov  ypr^oiop  tJtiötötiy/iipog).  Muß  aber  „to  t^« 
hoäg  jtloTtcüz  diöaoxaXeiop"  notwendig  die  Katechetenschule  be- 
zricliiu^u?  Kann  der  Ausdruck  nicht  allgemeiner  verstanden  sein? 
J(MlenfalLs  ist  die  Sache  dunkeP. 

Worüber  Pierius  auch  gesprochen  und  geschrieben  hat — überall 
(selbst  in  der  Biographie  des  Pamphilus)  zeigte  er  sich,  wie  Ori- 
genes, als  Exeget  und  Bibelforscher.  Auch  in  textkritischer  Hin- 
sicht wurde  er  beachtet  (Hieron.  zu  Matth.  24,  36:  »In  quibusdam 
Latinis  Codd.  additum  est  .Neque  lilius^  cum  in  Graecis  et  maxime 
Adaniantii  et  Pierii  exeniplaribus  [Hieron.  wird  sie  wohl  in  Cir 
sarea  eingesehen  haben]  hoc  non  habetur  adscriptum").  Die  Nach- 
richt(^n  über  die  SchriftsteUerei  des  Pierius  ordnen  sich  am  besten 
durch  die  Annalnn(%  daß  er  auLser  der  Schrift  auf  das  Leben  des 
Pamphilus  nur  gesanunelte  Predigten  herausgegeben  hat  (ob  selbst?!, 
die  in  Walirlieit  weitschichtige  Abliandlungen  waren  („divers! 
tractatus"  Hieron.,  ,,ojtovdaO(iara'*  Pliilippus).  Vielleicht  gehörte 
die  Kcde  auf  Pamphilus  docli  auch  in  die  Sammlung.  Diese  Samm- 
lung (oder  ein  Teil  von  ilir).  zwölf  Stücke  umfassend,  kam  Photius 
in  die  Hände  (oline  eine  gemeinsame  Aufschrift);  es  befanden  sich  in 
ihr  eine  Predigt  Kig  ro  xara  Aovxäv  und  eine  andere  Elg  xo 
jcaoxa  xal  top  'Siofji  (diese  kannte  auch  Hieronymus:  ^-longissirnnm 
tractatum"",  gehalten  unmittelbar  vor  Ostern,  ^extemporali  et  di- 
sei-to  Sermone").  Philippus  zitiert  aus  den  ojrovöaOftara  den  ersten 
Logos  Tojp  elc  ro  rraoxa,  ferner  einen  Logos  :!t€Ql  rJjg  ^eoroxov 
(war  dies  wirklich  der  Buchtitel?)  und  auch  den  Logos  alg  r^r 
aQX^i^  roü  'ii(J//t,  der  als  Abhandlung  über  die  Ehefrage  besonders 

1)  D'u'ii  ist  iL*r  luirliinalijL^o  aL-ximdriiiisdi«'  Jüschof,  (U»r  Vorgauper  do? 
Alexander,  der  aber  mir  wniij^^e  Monate  das  liistmn  iniie  hatte  (Hieron.  Chrou. 
ad  aiin.  2327).  —  IMiili]»ims  Sidetrs  ii».'iiiit  als  Naelifol^i-r  des  Pierius  und  Theo- 
f^nont  au  der  K•ateeh^'t^•ll^e.llul♦•  St-rapio  und  IV-trus.  Jener  ist  fast  ganz  uii- 
ln'kannt. 

1')  Als  SohriftstrlliT  wird  Achillas  von  Kiisi-hius  nieht  geuanut. 


Philea«  von  Thmui».  (}9 

berühuit  gewesen  sein  muss^  Daß  Pierius  einen  Kommentar  zum 
I  Kor.-Brief  geschrieben  hat,  ist  trotz  des  Anscheins,  den  Hieron. 
(ep.  ad  Pammach.  49,  3)  erweckt,  ganz  unwahrscheinlich.  DaK 
Eusebius  die  Biographie  des  Pamphilus,  welche  Pierius  verfaßt 
hat,  unerwähnt  gelassen  hat,  ist  ein  Rätsel.  Vielleicht  hat  Pierius 
in  dieser  Predigt  sehr  wenig  über  Pamphilus  und  sehr  viel  Exe- 
getisches gebracht. 

Für  die  Zeit  des  Theognost  empfiehlt  es  sich,  an  die  Jahr- 
zehnte zu  denken,  die  zwischem  dem  Jahre  liegen,  in  welchem 
Dionysius  sein  Amt  in  der  Katechetenschule  niederlegte,  und  der 
Zeit  des  Pierius.  Hält  man  es  für  wahrscheinlich,  daß  Dionysius 
die  Katechetenschule  auch  als  Bischof  geleitet  hat  (s.  o.  S.  57),  so 
bliebe  die  Zeit  von  264/5  bis  c.  280  offen,  im  anderen  Fall  die  Zeit 
von  247/8  bis  c.  280.  Indessen  muß  hier  alles  dunkel  bleiben:  Theo- 
gnost kann  auch  schon  neben  Dionysius  und  er  kann  auch  noch 
neben  Pierius  gewirkt  haben.  Nur  das  wird  man  festhalten  dürfen, 
daß  er  der  jüngere  Zeitgenosse  jenes  und  der  ältere  dieses  ge- 
wesen ist.  Seine  „Hypotyposen",  das  gi-oße  systematische  Werk, 
von  welchem  uns  Diekamp  ein  neues  Bruchstück  aus  der  Mar- 
ciana  beschert  hat,  mögen  etwa  zwischen  260  und  280  verfaßt  sein. 
Ein  avpray/idtiov  über  die  Sünde  wider  den  h.  Geist,  welches 
Athanasins  erwähnt  (ep.  4  ad  Serap.  c.  11),  kann  nicht  leicht  als 
Teil  mit  dem  Hauptwerk  identifiziert  werden  2. 

9)  Fhileas  von  Thmnis^ 

Dieser  vornehme,  reiche  und  angesehene  Bischof  (Euseb.,  h.  e. 
VIII,  9,6 £;  13,7)  schrieb  aus  dem  Gefängnis  in  der  Thebais  an 
seine  Gemeinde  einen  Brief  de  laude  martyrum  (nämlicli  der  Mär- 
tyrer, die  vor  ihm  gefoltert  wurden  und  starben),  aus  welchem 
Eusebius  (h.  e.  VIII,  10)  große  Bruchstücke  mitgeteilt  hat.  Phileas 
wurde  bald  darauf  enthauptet;  Akten  darüber  existieren  noch   (s. 

1)  Von  (seltsamen)  etymologischen  Erklüningen  des  Pierms  fo^t  das  Ex- 
zerpt aus  Philippus  ein  paar  Probon  (nämlich  der  Naiuen  Philippiis,  Herodes, 
Herodias).  Diese  Erklärungen  werden  wohl  nicht  in  einem  Ononiastikon  des 
Pierius  gestanden  haben  —  von  einem  solchen  ist  nichts  bekannt  — ,  sondern 
in  einer  seiner  „Predigten".  Sie  zeigen,  daß  er  es  mit  dem  Hebrilischen,  übel 
genug,  versucht  hat. 

2)  Athanasius  sagt  a.  a.  0.,  daß  er  jüngst  auf  awrayfiatia  über  die  Sünde 
wider  den  h.  Geist,  die  Origenes  iind  Theognost  verfaßt  haben,  gestoßen  sei. 
Die  Möglichkeit,  daß  in  beiden  Fällen  Abschnitte  der  Hauptwerke  (s.  o.  S.  40) 
der  beiden  Autoren  gemeint  sind,  muß  offen  bleiben.  Aber  hätte  sich  Athana- 
sius so  ausgedrückt,  wenn  er  diese  im  Sinne  gehabt  hätti' ?  Sie  kannte  er  doch 
gewiß  längst. 

H)  S.  Routh,  Reliq.  Sacr.  IV2  p.  8;') ff. 


70  l^i^  Littenitur  des  Morgenlandes. 

Ruinart,  Acta  Mart,  1859,  p.  519  f.);  Eusebius  (h.  e.  VIII,  9  fin.) 
und  Hieronynius  (De  vir.  inl.  78)  haben  auch  solche  gekannte  In 
den  Brieffragmenten  wird  der  Statthalter  nicht  erwähnt;  aber  in 
den  Akten  steht  sein  Käme,  „Culcianus",  und  wir  wissen  jetzt  (s. 
Karl  Schmidt  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  4  S.  47ff.),  daü 
dieser  Culcianus  im  J.  303,  also  beim  Ausbruch  der  Verfolgung. 
Praeses  augustalis  in  Ägypten  (also  nicht,  wie  man  früher  gemeint 
liat,  Eparch  der  Thebais)  gewesen  ist*-^.  Wie  lange  er  es  geblie- 
ben ist,  ist  unbekannt;  doch  steht  fest  (s.  Schmidt  a.a.O.),  daü 
Hierokles  sein  Naclifolger  in  Ägypten  gewesen  ist  Für  das  J.  30S 
ist  dieser  dort  bezeugt;  aber  er  kann  sehr  wohl  sein  Amt  daselbst 
schon  einige  Jahre  früher  angetreten  haben,  ja  es  läßt  sich  wahr- 
scheinlich machen,  daß  er  schon  im  J.  306  daselbst  fungierte  (s. 
Neumann,  in  der  Protest.  REncykl.'*  Bd.  8  S.  40).  Jedenfalls 
gehört  das  Martyrium  des  Phileas,  und  deshalb  auch  der  Brief 
dem  ersten  großen  blutigen  Sturm  der  Verfolgung  an.  Dies  ist 
auch  durch  Eusebius  bezeugt.  Das  Jahr  305  wird  das  richtige  sein\ 
Noch  ein  zweites  Schreiben,  an  dem  Phileas  beteiligt  ist,  be- 
sitzen  wir  (in  lateinischer  L'bersetzung)\  Es  ist  der  Brief,  den 
die  Bischöfe  Hesychius,  Pachomius,  Theodorus  und  Phileas  an 
Meletius  von  Lykopolis  seiner  Eigenmächtigkeiten  wegen  gerichtet 
liaben.  Dieser  Brief  ist  ungefähr  gleichzeitig  mit  dem  vorigen; 
denn  auch  er  stiimnit  aus  dem  Gt^fängnis^    Der  kurze  historische 

Ij  Dit?  Ix'i  Kuiuart  ^tL•lu.*Hd^'Il  latoiiiischeii  Akti'ii  halte  ich  für  wesenr- 
lieh  /uvt'iläi?hi^.  IiitiTpolirtc  grk'chi.scht»  Akten  voröflentlichte  schon  Combefit 
illlustr.  Christi  luurt.,  \m\  p.  U.jfl'.).  S.  über  ilie  Akten  Le  Blant,  Not^  m 
h'<  artt-s  «le  S.  l'hileas  (Nuovc  bnlh^t.  «li  luvheol.  crist.  Bd.  2  [1S1H5J  p.  27if/. 
Schmidt  hat  st.'in«'  A'envortuiij?  der  (Jlauhwürdij^keit  der  Akten  {Texte  u. 
liiterr.  l^d.  -JU  H.  4  S.  22)  nicht  begründet. 

2j  Unter  den  von  (1  renfeil  u.  llnnt  entdeckten  nnd  publizierten  Ost- 
rliynclni.s  Papyri  (Part  1,  IS'JS,  S.  i:]2f.)  tindet  sich  ein  datiert-er  vom 4.  Phamenotb 
oO.J,  drshen  Kingang  laiit«'t:  Kko)6iv)  KovXxtaviji  nö  dia\OJjfjiota)rio  t^-TnxQXtp  Alyh- 
KW  naQa  AvQt^/.lov  JrjfxfitQt'ov  Nti/.ov  d^txiSQaTevoccvtog  t/]^  lAgaivoizittv  nvltvf;- 

.'{)  Das  Jahr  /KU  ic^t  deshalb  nicht  wahrschehdich.  weil  eine  läutere  Ver- 
bannung dem  Martyrium  vorausgegangen  i?ft.  Sceck  (Ztschr.  f.  Kgesch.  Bd.  1' 
S.  «32  il.)  g«'lit  irrig  bis  in  das  .1.  DI  2!)  lienmter,  «.'bcnno  Achelis  (8.  unt<*r  „Petra? 
V.  Alex.". 

4)  In  «lem  in>  Lateinische  nbt.Tsetzten.  auf  der  Bibliothek  zu  Yeroiiii  tr* 
halteneu,  von  Matfri  zurrst  publizierten  Konvolut  von  Aufzeichnungen  eiu^ 
/•'itgfno>ften.  das  mrlctianisrhe  Schisma  botreibmd,  (_'od.  Capitul.  A'eron.  *^0\,l^- 
saee.  A'II  =^  der  Samndung  dfs  'J'ln'odosius  Diakoiuis,  s.  Houth,  Reliq.  Sacr.^  IV 
p.  Dl  ff.;  Mauss,..n,  i>.41en  1   S.  :;:>:;.  511;.  :>-J!.)f. 

r»)  Hat  Kus(?bius  <lieM'S  Schreiben  nicht  gekannt  oder  verschwiegen,  «Va 
•  r  das^  meletianische  Schisma  fibi-rhaui)t  nicht  berühren  wollte?  In  der  h.  e.  Vlli. 
\'.\,  7  zählt  er  die  vier  Bischiife  in  derselben  lieihenf()lge  als  Märtyrer  auf;  nur 
d»'U  Phileas  hat  er  vorangi'stellt,  weil  er  ihm  drr  wichtigste  war. 


Petrus  von  Alexandrien.  'Ji 

Bericht  des  Zeitgenossen,  der  sich  in  der  Quelle  anschließt,  erzählt, 
daß  der  Brief  nichts  gefruchtet  hat  und  daß  Meletius  nach  der 
Hinrichtung  der  vier  Bischöfe  nun  seine  Spaltung  auch  nach  Alexan- 
drien trug.  Hieraus  ergibt  sich  noch  einmal,  daß  der  Tod  des 
Phileas  in  den  Anfang  der  Verfolgung  gehört 

10)  Fetrns  yon  Alexandrien. 

Die  Chronologie  der  Amtszeit  dieses  Bischofs  ist  durch  die 
bestimmten  Angaben  des  Eusebius  (h.  e.  VII,  32  fln.;  von  Hierony- 
mus'  Chronik  sehe  ich  ab)  festgelegte  Nach  ihnen  hat  Theonas, 
der  Vorgänger  des  Petrus,  19  Jahre  regiert,  Petrus  selbst  12,  und 
zwar  nicht  volle  3  Jahre  vor  der  Verfolgung,  also  auch  noch 
9  Jahre  nach  der  Verfolgung.  Da  diese  im  Febr.  303  begonnen 
hat,  so  ist  Petrus  im  Sommer  300  Bischof  geworden  und  hat  somit 
—  da  die  12  Jahre  nicht  voll  gewesen  sein  müssen  —  zwischen 
Sommer  311  und  Sommer  312  das  Martyrium  erlitten.  Da  nun 
als  Todestag  des  Petrus  (bei  Griechen,  Kopten  und  Lateinern)  der 
25.  bez.  26.  Nov.  (29.  Athyr)  überliefert  ist,  so  ist  er  Ende  Nov. 
311  enthauptet  worden  (vgl.  Euseb.,  h.  e.  VIII,  13,  7;  IX,  6,  2; 
Chron.  pasch,  p.  514,  7;  Beda,  Maityrul.  zum  25.  Nov.)^.  Nach  Phi- 
lippns  Sidetes  war  Petrus  (vor  seinem  Episkopat?)  Vorsteher  der 
Katechetenschule,  und  zwar  nach  Pierius,  Theognost  und  dem  un- 
bekannten Serapio^.    Eine  Chronologie  kann  man  hier  nicht  auf- 


1)  S.  den  1.  Band  diorior  Chronologie  S.  202  ff. 

2)  Den  25.  Nov.  311  setzt  auch  Seeck  an  (Zt^chr.  f.  KGesch.  Bd.  17 
S.  m).  (^utschmids  Ansatz  „31C/*  (Kleine  Schriften  ed.  Kühl,  Bd.  II  S.  427 ff.) 
kann  nicht  bcHtehen.  Karl  Schmidt  ist  (Texte  ii.  Unters.  Bd.  20,  H.  4  S.  32f.) 
für  das  J.  312  einj^etreten,  aber  ans  Krwiigungen,  die  wenig  Wahrscheinlichkeit 
haben  und  dazu  auf  einer  unsicheren  Urkimde  fußen.  Für  den  Nov.  811  spricht 
noch  folgende  Überlegung.  Das  Toleranzedikt  des  (lalerius  vom  April  oder 
Mai  311  hatte  überall  im  Orient  die  Folge,  daß  die  Geflüchteten  zurückkamen 
und  ihre  Platze  wieder  einnahmen  (Euseb.,  h.  e.  IX,  1,  10  f.).  Allein  im  Ge- 
biete de«  Maximinus  Daza  dauert<>  der  Friede  nur  (>  ^lonate  (Euseb.  IX,  2j, 
also  bis  Oktober  oder  November  311;  dann  erhob  sich  die  Verfolgung 
aufs  neue.  In  diesem  Zusammenhang  nun  schreibt  Eusebius  (IX,  (j):  „Für  uns  er- 
neuerten sich  wiederum  Verbannung  und  grausame  Verfolgungen,  indem  sich  die 
Statthalter  aller  Provinzen  aufs  heftigste  gegen  uns  erhoben  .  .  .    Um  dieselbe 

Zeit  wurde  auch  Petrus  Alex ohne  irgend  einen  Anlaß  ergritten  und  wider 

alb*  Erwartung  plötzlich  und  ohne  allen  (Jrund  angeblich  auf  Befehl  des  Maxi- 
minu«  enthauptet."  Hier  erkennt  man  deutlich,  daß  das  Martyrium  des  Petrus 
jrleiclisam  aus  heiterem  Himmel  kam,  also  nicht  18,  sondern  G  Monate  nach 
d«^iu  Toleranzedikt  erfolgt  ist,  d.  h.  eben  im  Nov.  311.  Wäre  es  erst  im  Nov. 
:>rJ  erfolgt,  so  hätte  Eusebius  nicht  so  schreiben  können,  wie  er  geschrieben  hat. 

3)  Doch  erwähnt  Epiphanius  (haer.  OO,  2)  eine  Kirche  des  Pierius  und  Sera- 
]»ion.    Das  wird  der  unsrige  sein  (s.  S.  ÜSj,  da  eine  Kirche  des  Theonas  vorhergeht. 


72  I^i*-'  Iiitt**ratur  des  Mor^enlamies. 

stellen,  da  die  Schiilverhältnisse  (ein  oder  mehrere  Lehrer  zur  Zat?) 
ganz  dunktd  sind. 

Nicht  durchschauen  lai^sen  sich  leider  die  Anfänge  des  nele- 
tianischen  Schismas.  Nur  so  viel  läßt  sich  bemerken,  daß  der  neueste 
Versuch  von  AchelisS  diese  Anfänge  erst  in  den  Herbst  311  zu 
verlegen,  sehr  wenig  Wahrscheinlichkeit  hat;  denn  nach  dem  Be- 
richt des  Eusebius  ist  Petrus  ganz  unerwartet  plötzlich  enthanpt^t 
worden,  hat  also  vorher  iiberhaupt  nicht  im  Gefängnis  gesessen 
und  hat  sich  nicht  in  der  Situation  befanden,  die  den  meletiani- 
sehen  Wirren  unmittelbar  vorausgegangen  ist.  Es  bleibt  also  das 
Zeugnis  des  Athanasius  (ad  episc.  Aegypt  22)  in  Kraft,  daß  das 
Schisma  im  J.  3UG  (oder  305)  ausgebrochen  ist^,  und  daß  sich  da- 
her seine  Anfänge  auf  jene  Situation  beziehen,  in  die  die  Bischöfe 
durch  das  sog.  vierte  diokletianische  Edikt  vom  Mai  304  versetzt 
worden  sind-*.  Damals  oder  bald  darauf  ist  Petrus  geflohen ^ 
Wie  lange  er  von  Alexandrien  entfernt  blieb,  wo  er  geweilt  hat 
(in  M(\sopotamien?  Phönizien?  Palästina?),  wissen  wir  nicht  Daß 
er  einmal  auch  in  Alexandrien  gefangen  gesessen  hat,  ist  möglich; 
aber  sonst  steckt  hier  und  in  bezug  auf  die  Anfänge  des  meletia- 
nisclien  Schismas  alles  in  einem  undurchdringlichen  Nebel,  weil 
die  beste  Quelle,  die  Maffeischen  Veroneser  Fragmente  (Routh, 
Reliq.  Sacr.-  lA'  p.  91  flf.;  s.  auch  sub  ,.Phileas'•)^  zu  kurz  und  ab- 

1)   I*roto.4.  REnrykl.:»  JM.   \'2  S.  .MStt'. 

J;  Viiii  /i'u^nis  tl«.'s  Athüiiusius  ist  «.»in  iii(liivktt'.s.  Kr  sa^ti  in  der  ep.  ad  episc. 
dalJ  dir  Mi'lt'tiaiuT  vor  .V)  .IiilinMi  filr  Sc'liisiuat.ik«'r  «»rklärt  wordou  seien.  Dieeif 
«'piiitula  ist  ini.l.;ir)<>odfr  Ü'IL  vt-rfaßt;  difSyin^lr,  auf  dor  dit'  VordammungderMelt'- 
tiamM-  cHoljxtv,  umß  also  im  J.  :i(il  (.UK).  :\\y2)  odrr  .'Hk;  i.'Ju.:».  :i()7)  abgehalten  worden 
sein.  Da  das  rrsto  J)atmii  schwor  orträ«jrlirh  ist,  woil  zu  früh,  ist  die  Verdammung  im 
.1.  rJiM»  (;{()."».  ;)(i7)  rrfoljrt,  di-r  Hricf  ad  t'piftc.  somit  im  J.  iJOl  geschrieben,  s.  Hefel«'. 
Com'il.  (iifsch.  12S.  1  17.  Ihit  Loofs  ( IVotest.  KKnovkl.aHd.  2  S.  VM))  recht mitdem 
Ansatz  für  den  liricf  auf  Febr.  !}."»<»  7,  so  müßtt^  mau  auuehmen,  daß  Meletius  sebon 
vor  dt-r  diokh'tianis<h»Mi  Verfnlgung  Wirn?u  erregt  hat  und  zennuriert  worden  Ut 
Auf  eiu»'u  so  späteu  Ausatz,  wie  Achelis  will,  wird  mau  jedenfalls  nicht  geführt. 

.'))  Dali  die  vi«*r  J-Jisehöfe  (J'liileas  und  (leuosseii),  die  an  Melctiu^s  ifife- 
>ehri«"ben  liabeu  und  dann  ^lärtyrer  gewonleu  sind,  von  Kusebius  h.  e.  VIH. 
ri.  7  luit  Pt.'tnis  zugleifli  ^«-Tiaunt  >ind.  ub^leicli  bie.  wenn  dtiö  meletianiscbe 
Sj-hisma  im  .1.  iJiMl  ausgebrcu-hen  if?t,  ein  i>aar  .lahre  vor  ihm  Märtyrer  j^r 
wonU'U  sind  —  genügt  uicht,  uui  dir  .\nfäu|^i'  <les  Schismas  bis  z.  J.  3J 1  herab- 
zurücken, denu  der  JJericht  d«'s  Ku>«'l)ius  VIII.  l:i.  7  ist  summarisch  und  anti* 
zipatoritjch.  l'mgirkelirt  brweirt  vielmehr  das  Martyrium  vou  IMiileas  und  <ir 
noBsen,  daß  das  meletianische  Schisma  si»ätesteus  !'>«».')  »3  el»t^tauden  ist;  denu  dicÄ" 
Märtyrer  litten  ;s.  o.  sub  l'hileas'  unt.<M"  Culcianus  und  nicht  erst.  nnt4.*r  Hierokles. 

4)  Die  Flucht  stvht  durch  mehrere  Zeugniss»«  f«.'st.  Die  Kxkommuiiikatiou 
des  Melefcius  tallt  noch  m  d.  .T.  ;i05   (^oder  :}(»•;. 

r>)  Secck  hat  sie  sidtsann-rweiM-  für  eine  Fälschuug  erklärt-  (Ztschr.  f. 
KT.esch.  Bd.  17  S.  fJOf.;. 


Petnis  von  Alexandrien.  73 

gerissen  ist,  die  zweite  Quelle  (bei    Epiphan.  haer.  68)  schwere 
Verstöße  zeigt  und  sich  zur  ersten  Quelle  disparat  verhält  ^  und 
die  Überlieferung  über  das  Leben  des  Petrus  (s.  die  ganz  unglaub- 
würdigen Akten)    durch    zahlreiche  Legenden    (s.  u.)    verdunkelt 
worden  ist.    Von  seinen  Schriften,  um  die  sich  die  Gelehrten  des 
Zeitalters,  die  Origenisten,  nicht  viel  gekümmert  haben  mögen 
und  die  daher  zum  geringsten  Teil  konserviert  worden  sind,  sind 
die   14  Canones  (dazu  noch  einiges  nur  syrisch  Erhaltene)  jtsQl 
fi€Tavolag  (wohl  aus  einem  Briefe  stammend)  im  J.  306  verfaßt, 
wie  ihr  Eingang  {ijtl   roliwv   rexaQxov   tJötj  jtdoxa   ijnxaTel2,rjg)6 
rov  öicoyiiov)  beweist.    Der  Brief  an  die  Alexandriner  (Routh,  1.  c. 
p.  94),  in  welchem  vor  Meletius  gewarnt  wird,  stammt  aus  dem  J. 
305/6.    Die  übrigen  Schriften  von  ihm  sind  nicht  näher  zu  datieren. 
Zu  der  Übersicht  über  die  Schriftstellerei  des  Petrus,  die  ich  im 
1.  Teile  dieses  Werkes  S.  443  ff.  gegeben  habe,  habe  ich  folgendes 
hinzuzufügen:    1)  Zu   den   griechisch   erhaltenen  Stücken  aus  der 
Schrift  IlbQl  tpvxfjg  vgl.  die  lateinischen  Stücke  in  der  Exposit.  in 
Heptat.  des  Johannes  Diaconus  bei  Pitra,  Spie.  Solesm.  I  p.  283. 
2)  Eine  AiöaaxaXla  üirQov  anlangend,  bemerkt  Ehrhard  (Die  alt- 
christl.  Litt,  1900,  S.  355):   „In  dem  Cod.  Vatic.  Gr.  2081   fol.  94v 
aus  dem  10.  Jahrh.  steht  unter  dem  vollen  Namen  des  Petrus  eine 
AiöaaxaXla,  die  noch  nicht  ediert  ist  (Inc.:  IlQOöix^Te  top  loyov 
fisr    dxQißelag  xal  xUrare   rb  ovg  vfi^v  big  xa  QTj^ara   rov   öro- 
fiarog  (lov .  .  . .  Desin.:  dyajtfjre  dXXi^Xovg  xal  ouyx^Q^^'^^  dXXrßoig 
xa  JtaQaxxdfiaxa.    Oder  gehört  dieses  Stück  zum  Kerygma  Petri?). 
Da  auch  Leontius  ihm  eine  Didaskalia  zuschreibt,  so  ist  es  wohl 
unrichtig,  wenn  sein  Zitat  als  Fragment  des  Kerygma  Petri  auf- 
gefaßt wurde".    3)  Das  S.  447  f.  signalisierte  Stück  UtQi  ßXaog)?/- 
filag  kann  echt  sein ;  die  Erwähnung  des  Paphnutius  in  ihm  scheint 
mir  kein  Indizium  der  ünechtheit.    4)  Die  „Mystagogia*  Petri,  in 
der  Petrus  in  der  1.  Person  spricht  und  von  Theonas,  Dionysius, 
Heraklas,  Demetrius  und  Origenes  berichtet  (S.  448),  ist  eine  Fäl- 
schung.   5)  Für  eine  Fälschung  halte  ich   auch  nach   längerem 
Schwanken  das  koptische  Stück,  welches  Karl  Schmidt  in  den 
Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  4  (1901)  aus  dem  Cod.  Copt.  130^  der 
Pariser  Bibliothek  saec.  X.  vel  XI.  vorgelegt  und  als  echt  ver- 
teidigt hat.    Auch  hier  spricht  Petrus  in  der  1.  Person,  und  die 
Annahme  liegt  daher  nahe,  daß  dieses  koptische  Bruchstück  zur 
„Mystagogia"  gehört.  Die  Worte  „die  Begebenheit,  die  zugestoßen 
ist  mir,  dem  Petrus,  dem  Mitteilhaber  der  Leiden  Christi. 
Ihr  wißt,  daß  ich,  als  ich  während  langer  Zeit  floh  von  Ort  zu  Ort 

1)  Der  energische  Versuch  von  Achelis  (a.  a.  0.),  die  beiden  Quellen  zu 
vereinigen,  hat  mich  an  wichtigen  Punkten  nicht  überzeugt. 


74  ^i^'  Littcratur  des  Morgenlaudes. 

aus  Furcht  vor  Diokletian*  und  seiner  Verfolgung,  die  auf  uns 
noch  jetzt"",  ferner  „ich  dachte  nach  über  die  Verfolgung,  welche 
Diokletian  gebracht  hatte  über  die  Kirche",  endlich  die  Be- 
zeichnung des  Petrus  als  ^Vater  des  Glaubens"  und  die  Anrede 
„Petrus,  du  letzter  Märtyrer"  -  —  sind  sehr  verdächtig.  Dazu  kommt 
eine  Gesetzgebung  für  den  Sonntag,  die  in  vomicänischer  JZeit 
unerhört  ist-^  Wie  sich  die  „Mystagogia",  das  koptische  Stfick 
und  die  Akten  des  Petrus^  (in  ihnen  eine  Rede  des  Petrus  an 
Achillas  und  Alexander  im  Gefängnis)  verhalten,  bedarf  noch  der 
Untersuchung,  die  hier  nicht  geführt  werden  kann.  Höchst  wahr- 
sclieirilich  ist  die  Mystagogia  einfach  mit  den  Akten  identisch: 
denn  was  von  ihr  bekannt  ist  steht  in  diesen.  Von  Achelis  ist 
eine  Monographie  über  Petrus  zu  erwarten,  die  über  diese  Fragen 
hoffentlich  Liclit  bringen  wird.  Zu  bemerken  ist  aber  noch,  dal> 
es  neben  dem  von  Schmidt  publizierten  auch  andere  koptische 
Stücke  gibt,  die  den  Namen  des  Petrus  Alex,  tragen.  Den  HiD- 
weis  verdanken  wir  neben  Schmidt  Crum,  der  sie  koptisch  und 
z.  T.  englisch  veröffentlicht  hat  (Journ.  of  Theol.  Stud.,  1903,  p.  387  ff,), 
mit  Ausnahme  der  Stücke,  die  schon  Schmidt  kopiert  und  deren 
Publikation  er  sich  vorbehalten  hat^  sowie  zweier  anderer,  deren 
Untersuchung  Crum  Achelis  überlassen  hat  (Petrus  und  ein  heid- 

1)  Miixiiuin  wiir  doch  dor  Vorfol<^<»r. 

2)  Di«.'.s  ist  di«'  jrt'wölndiclH'  Hezcnchiuing  fiir  Petrus  in  der  »pilt-oren  Tra- 
dition (s.  Acta  Petri  M.  Vitoau  \k  TU:  IlkXQOQ  oiQxh  dnooxoXiov^  IHtqoq  tkko; 
IxaQxi'Qwv), 

?>)  Aurli  D.'lehayo  (Anal.  Ikdland.  t.  XX,  10(H,  p.  lOlf.)  hat  sich  gegen 
di<'  Echtheit  mit  starken  (Jründcn  erklärt-. 

4)  S.  die  verHchiedj'u  gestalteten  Akten  bei  Combefis,  Ulutstr.  Chri:«ti 
Mart.,  1()(>Ö,  1».  lS!»rt'.  und  bei  Viteau,  Passions  des  ss.  Ecaterine  et  Piern* 
d'Alexandrie  etc.,  Paris  1807,  p.  (i'it*.  Lateinisch  bei  Surius  z.  20.  Nov.  (cf. 
ausführliclier  bei  Mni,  Spie.  Knin.  T.  ITI  p.  OTütl'.),  koptisch  bei  Hyvernrtt 
(Les  actes  des  niart.  p.  *J<K>ti'.),  syrisch  bei  Bedjan  (Acta  Mart.  et  Sanet.  T.  V 
1».  5i:)tt'.'.  Dir?  rnglaubwiirdigkeit  der  Akten  ergibt  sich  fast  aus  jeder  .*^tz- 
gnii»pe:  Das  Martyrium  soll  unter  Diokletian  gt?schehen  sein;  Arius  wird  für 
inuner  exkommuniziert;  Petrus  sj.'tzt  diMi  Achillas  und  Alexander  zu.  seinen 
Nachfolgt'rn  ein,  kopiert  die  A})schiedsrede  des  Paulus  in  Milet  et<;.  Daß  dor 
Verf.  einige  liistorische  Nachrichten  besessen  liat  (s.  die  Erwähnung  von  Philea>. 
Ilesychius.  Pachomius  und  Tluvjdorus),  ist  klar.  Er  kannt-e  den  antimeletia- 
nisehen  Anonymus  und  wahrscheinlich  noch  anderes,  was  uns  fehlt.  Aber  wir 
besitzen  keim^  Mittel,  Haltbares  auHzuschoiden,  da  er  auch  das  Haltbare  vor- 
dreht haben  wird.  Ein  Nachklang  guter  Erinnerung  findet  sich  in  der  Stell-' 
über  Origenes,    an  «ler   namentlich    der  Name  des  lleraklas  })eaehti*n8wert  ist. 

;"))  Schmidt  hat  aulier  dem  von  ihm  publizierten  Stück  noch  einen  Bri«'f 
des  Petrus  an  .\polloniu8  von  Lyknj>olis  aus  dem  Kod.  abgeschrieben  (h.  Schmidt, 
a.  a.  O.  S.  40)  und  einen  Hrief  des  Petnis  an  p'fangene  Pischöfe.  Diese  beiden 
Stücke  hat  er  \\\nn'  bisher  noch  nicht  ediert. 


Petrus  von  Alexandrien.  —  Anatolius,  75 

nischer  Philosoph  Diogenes;  Martyrium  des  Petrus).  Mit  diesen 
drei  Schmidtschen  und  zwei  Achelisschen  Stücken  (von  denen  aber 
bisher  nur  eines  zugänglich  gemacht  worden  ist)  sind  es  zehn.  Von 
ihnen  gehören  acht  einer  zerstörten  Handschrift  an  (sechs  Stücke 
finden  sich  in  Paris,  je  eines  im  Britischen  Museum  und  in  Rom), 
die  zwei  anderen  einer  Pariser  Handschrift.  Die  fünf  Stücke,  die 
uns  Crum  mitgeteilt  hat,  sind  ziemlich  umfangreich.  Das  erste 
scheint  aus  einem  Brief  an  die  alexandrinische  Gemeinde  zu  stam- 
men und  ist  ziemlich  farblos.  Das  zweite,  ebenfalls  ein  BriefErag- 
ment,  ist  amüsant  und  bringt  eine  Anekdote  über  den  Bischof 
Theonas,  der  wie  in  den  Acta  Petri  (p.  75  ed.  Viteau:  6  äva^Qt- 
yag  (it  jratf^Q  fiox\  cf.  p.  79)  der  „Erzieher"  des  Petrus  heißt.  Das 
dritte  ist  sehr  zerstört,  so  daß  Crum  auf  eine  Übersetzung  verzichtet 
hat;  es  tändelt  von  der  fabelhaften  „Aloe*".  Das  vierte  erwähnt 
wieder  den  „Erzieher"  Theonas;  es  schöpft  aus  Moses- Apokiyphen 
und  nennt  zwei  sonst  unbekannte  Häretiker,  Enotes,  der  eine  Ge- 
nesis (wider  die  Genesis  des  Moses)  geschrieben  hat,  und  Sietes '. 
Das  fünfte  Stück,  über  welches  Crum  nur  referiert  hat,  bringt 
eine  Anekdote,  die  der  Erzählung  in  dem  von  Schmidt  publizier- 
ten Stück  sehr  ähnlich  ist 

Die  Echtheit  dieser  Stücke  ist  durch  die  Unechtheit  des  von 
Schmidt  veröflfentlichten  Stücks  präjudiziert  (sowie  durch  deut- 
liche Vei-wandtschaft  mit  den  Akten  des  Petrus).  Das  gilt  vor 
allem  vom  5.  Stück,  weil  es  dem  Schmidtschen  gleichartig  ist. 
Im  einzelnen  bieten  die  Fragmente  noch  manche  Anstöße;  z.  B. 
daß  Theonas  einem  Simonianer  und  zwar  einem  simonianischen 
Bischof  begegnet  sein  soll,  wird  man  schwerlich  für  glaubwürdig 
halten  können,  mag  man  sich  aucli  erinnern,  daß  noch  Origenes 
Simonianer  kennt.  Die  Geschichtchen  sind  Heiligenlegenden.  Den- 
noch mag  Crum  recht  haben,  daß  P^chtes  zugrunde  liegt;  aber  man 
kann  es  m.  E.  nicht  ausscheiden.  Am  wenigsten  Anstöße  bietet 
das  farblose  ei*ste  Stück  ^. 

11)  Anatolius. 

Die  Zeit  dieses  hervorragenden  und  angesehenen  Alexandi'iners 
kann  ziemlich  genau  bestimmt  werden.  Wir  hören  von  Eusebius, 
daß  dieser  in  allen  Wissenschaften  gebildete  Mann  von  seinen 
alexandrinischen  Mitbürgern  so  lioch  geschätzt  worden  ist,  daß  sie 
ihn   in  den  Senat  der  Stadt  aufgenommen  hatten  und  ihn  baten. 


1)  In  der  boheiritichen  Version  heißen  die  Namen  „Isidonis"  und  „Isiödes**. 

2)  Cher  die  Fragmente  in  orientalischen  Sprachen  8.  Loofö,  Theol.  Lit.-Ztjjr. 
1W<<-1   Nr    '>:-? 


70  Die  liittt^ratur  dos  Morgenlandes. 

eine  Schule  für  aristotelische  Philosophie  einzurichten  (Enseb.,  h.  e. 
VI],  :$2,  6).  Ferner  hören  wir  (1.  c.  7—11),  daß  er  in  dem  Stadt- 
kriege,  der  in  Alexandrien  tobte  (Belagerung  von  Bruchium  durch 
die  Rr»mer),  durch  weise  Maßregeln  einen  gi*oßen  Teil  der  Be- 
völkerung gerettet  hat.  Dieser  Stadtkrieg  muß  identisch  sein  mit 
der  Erhebung  des  Äniilianus  in  Ägypten  und  den  damaligen  Stadt- 
kämpfen z.  Z.  des  Gallienus  (s.  Vita  Gall.  4,  1;  5,6;  9,  1;  Trig. 
Tyrann.  22;  26,4;  Victor  Ep.  32).  An  eine  spätere  Revolution  in 
Ägypten  zu  denken  ist  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  nach  Enseb., 
1.  c,  Eusebius,  der  alexandrinische  Diakon,  damals  noch  in  Alexan- 
drien war.  Nach  VII.  ;V2,  5  ist  er  aber  z.  Z.  der  Kontroverse  mit 
Paul  von  Samosata  nach  Syrien  gegangen  und  dort  (in  Laodicea 
Syr.)  festgehalten  und  zum  Bischof  gemacht  worden.  Dies  kann 
nur  (S.  den  Artikel  ..raul  von  Samosata")  um  264  geschehen  sein. 
Mit  ihm  ist  aber  auch  ( VII,  32,  12)  gleich  nach  dem  alexandrinischen 
Bürgerkrieg  Anatolius  nach  Syrien  gegangen.  Man  darf  vielleicht 
annehmen,  daß  Dionysius  von  Alex.,  da  er  des  hohen  Alters  wegen 
nicht  selbst  mehr  nach  Syrien  gehen  konnte,  seine  beiden  tüchtigsten 
Männer  dorthin  geschickt  hat:  für  so  wichtig  hielt  man  in  Alexan- 
drien die  von  Paul  angeregte  Kontroverse.  Indessen  nur  von 
Eusebius  Alex,  wird  ausdrücklich  gesagt,  daß  er  Pauls  wegen  nach 
Syrien  gegangen  sei;  Anat-olius  kann  aucli,  weil  er  politisch  kom- 
promittiert  war,  Ägypten  verlassen  haben.  Er  ging  nach  Cäsarea 
l^il.,  und  der  alte  Bischof  Theoteknus  weihte  ihn  daselbst  zu  seinem 
Koadjutor  und  Nachfolger  (ein  merkwürdiger  Fall ;  Euseb.  VII,  32, 21). 
Allein  nur  ganz  kurze  Z(»it  stand  er  neben  Theoteknus  der  Ge- 
meinde von  C'äsarea  vor.  Noch  vor  der  letzten  Synode  gegen  Paul 
( Euseb.,  1.  c.)  starl)  Eusebius  in  Laodicea  Syr.,  und  die  dortige 
Gemeinde  .,nötigte"  den  zur  Synode  nach  Antiochien  die  Stadt 
I)assiereiiden  Anatolius,  der  Nachfolger  seines  Freundes  zu  werden. 
Dies  geschah  somit  im  J.  2GS  oder  um  dieses  Jahr.  Hieraus  folgt, 
daß  die  beiden  Daten  für  Eusebius  und  Anatolius  in  der  Chi-onik 
desEusebius-Hieronymus  wertlos  sind  (Eusebius  Laod.:  ad  ann.2292, 
bez.  nach  Hieron.  ad  ann.  2290;  Anatolius  Laod.:  nach  Hieron.  ad 
ann.  2295;  nach  Syncell.  zum  3.  Jahr  des  l^robus;  der  Armenier 
fehlt).  Nur  das  Spatium  zwischen  beiden  wird  annähernd  richtig 
sein:  Eusebius  kann  in  der  Tat  liüclistens  5  Jahre  Bisehof  von 
Laodicea  gewesen  sein.  Die  Daten  sind  aber  um  c.  10  Jahre  hinauf- 
zurücken. Wann  Anatolius  gestorben  ist,  wissen  wir  nicht;  die 
Angabe  des  Hieron.  (de  vir.  inl.  73',  er  habe  ,.sub  Probo  et  Caro"* 
geblüht,  wird  richtig  sein,  aber  stammt  schwerlich  aus  bestimmter 
Kunde.  Die  Verfolgung  hat  er  nicht  mehr  erlebt;  denn  damals  war 
der  feige  Stephanus  Bischof  von  Laodicea  (1.  c.  §  22)« 


Aiuitolius.  77 

Eusebius  nennt  zwei  Werke  des  Anatolius,  IlBQi  rov  jtacxa 
(xcrorcc)  und  V<(ud^//?yr£x«l  elcayrnyai  in  10 Büchern  (I.e.  §  14 ff.  20) ^ 
Aus  dem  ersteren  hat  er  ein  sehr  interessantes  Bruchstück  mit- 
geteilt (§  14 — 19),  das  von  der  wirklichen  Gelehrsamkeit  des  A. 
(der  asti'onomLschen  und  litterarischen)  eine  gute  Probe  gibt. 

Der  „über  Anatoli  de  ratione  paschali"  (ed.  Bucher  1634, 
Migne,  Ser.Gr.T.  X.  Col.  209ff.,  zuletzt  Krusch,  Studien  z.  christl.- 
MAlichen  Chronologie  1880  S.  316ff.)  ist  von  Hagen  (Dissert.  de 
cyclis  paschal,  1736,  p.  115 ff.)  als  unecht  erwiesen  worden,  und 
Ideler  (Chronol.  IL  S.  230)  und  Krusch  haben  ihm  beigestimmt. 
Zahn  (Forschungen  III  S.  177—196)  hat  dagegen  Bedenken  erhoben, 
will  aber  auch  nicht  die  Echtheit  in  jeder  Hinsicht  behaupten'-^. 
Sicher  ist,  daß  der  jetzige  Text  der  Schrift  eine  Interpolation  er- 
fahren hat.  Im  jetzigen  Text  steht  eine  Berufung  auf  Isidor,  und 
Hagen  gründete  auch  auf  sie  die  Unechtheit  der  ganzen  Schrift 
Allein  Krusch  hat  S.  313 ff.  gezeigt,  daß  schon  Columban  sich  auf 
diesen  lateinischen  Anatolius  berufen  hat,  mindestens  10  Jahre  vor 
Isidor  (bez.  vor  dessen  „Origines"),  vergl.  Monum.  Germ.  Hist, 
Epist.  lU  p.  156  f,  ep.  ad  Gregor.  Also  ist  „Isidor"  eine  Interpolation, 
die  man  einfach  zu  tilgen  hat.  Allein  auch  auf  Hieronymus  beruft 
sich  dieser  Anatolius  in  demselben  Zusammenhang.  Da  „Isidor'^ 
getilgt  werden  muß,  ist  die  Annahme,  daß  auch  Hieronymus  fallen 
muß,  gewiß  nicht  schwierig,  zumal  da  die  Namen  in  einer  Paren- 
these stehen.  Indessen  selbst  wenn  man  diese  Namen  streicht, 
bleibt  die  Echtheit  der  Schrift,  die  formell  undurchsichtig  ist 
(c.  16  u.  17  findet  sich  plötzlich  eine  Anrede),  zweifelhaft.  Dazu 
kommt,  daß  sich  nicht  das  ganze  Stück,  welches  Eusebius  aus 
Anatolius  zitiert  hat,  in  ihr  findet,  sondern  nur  §  14—18  (§  19 
fehlt)  ^.  Femer  stimmt  der  den  Eusebius-Zitaten  in  der  lateinischen 
Schrift  entsprechende  Abschnitt  mit  der  Übersetzung  des  Rufin 
überein,  ist  also  dem  Rufin  entnommen.  Um  diesem  der  Echtheit 
tiidlichen  Argument  zu  entgehen,  hat  man  angenommen,  Rufin 
sei  der  Übersetzer  der  Schrift  des  Anatolius  gew^esen.  Die  ge- 
schichtlichen Partien  des  Buches  verraten  m.  E.  die  Abhängigkeit 
von  Eusebius'  Kirchengeschichte  deutlich:  was  es  von  Hippolyt, 


1)  Dazu  spricht  er  von  &k).a  ÖsiyfiaTa  zijq  nsgl  xa  x^tla  ayolriq  te  avrov 
xal  noXvnnQiaq.  Die  >>etitelten  beiden  Scliriften  sind  wohl  noch  in  Alexiindrien 
abgefaßt. 

2)  Der  Cberuetzer  soll  als  Bearbeiter  tiiu«riert  und  Torheiten  verschuldet 
haben. 

3)  In  der  Au8|,^be  von  Mijj^ne  «tt'ht  aber  auch  das  dem  §  1 0  bei  Eusebius 
Entsprechende  in  lateinischer  Cbersetzunjj;  sie  ist  also  an  diesem  Punkt  irre- 
führend. 


78  Di<'  Litt^Tiitur  des  Morgenlandes. 

Mctor  y.  Rom,  Polykiates,  IreDäus  sagt,  kann  man  alles  bei  Eüs^ 
bius  lesen.  Endlich  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  daß  sich  der  echte 
Anatolius  mit  gallischen  und  afrikanischen  Komputisten  ausein- 
andergesetzt hat,  wie  dieser  Lateiner  c  8  und  15  tut  Die  Schrift 
wird  im  6.  Jahrhundeii;  oder  schon  früher  im  Zusammenhang  mit 
der  britisch- römischen  Osterkontroverse  gefälscht  woi'den  sein*. 
Damals  und  später  ist  von  den  Iroschotten  manche  Fälschung  ver- 
brochen worden,  wie  die  irischen  Bußcanones  beweisen.  Spuren, 
daß  dieser  Lateiner  aus  dem  Griechischen  geflossen  ist,  habe  ich 
niclit  gefunden.  Der  Verfasser  war  übrigens  kein  Stümper.  Der 
Versuch  von  Zahn,  in  Isidor  und  Hieronymus  alexandrinische 
Chronologen  des  3.  Jahrhunderts  zu  erkennen,  wird  schwerlich 
irgendwo  Nachfolger  finden  2. 


1)  Zahn  stollt  diis  In  Abn?de,  und  in  der  Tat  weist  die  Schrift  des  Ana- 
tolius D(;tails  auf,  die  sich  aus  jener  Kontroverse  nicht  erklären.  Deshalb  U\ 
Khrhard  (Die  alteliristl.  Litt.,  19(X\  S.  .TrJ)  geneigt,  Zahn  beizustimmen  (,.Ton 
Zahn  seheint  mir  bewiesen  zu  si'in,  daß  der  Traktat  nicht  im  Streite  der  Brit« 
und  Römer  entstanden  ist.  Au(rh  ist  on  revht  unwahrscheinlich,  daß  man  im 
i).  Jabi'li.  auf  einen  obskuren  Nanion  zurückgriiP*).  Zuzugestehen  ist-,  daß  nw 
di(*  l^edinfnii^l^^-n,  unter  d(^nen  die  Schrift  ent«tanden  ist,  keineswegs  ganz  deat* 
lieh  sind.  Daher  wird  die  Frajj:«',  ob  sie  nicht  doch  wesentlich  echt  ist,  immer 
wiediT  auftauchen.  Übrigens  haben  sich  jüngst  zwei  englische  Forscher,  die 
sich  mit  ihr  br^schiiftif^.  haben,  auch  für  die  l'ucchtheit  entschieden;  aber  zu 
üben.'instinmienden  KrJ:lfeb^i^sen  sind  si»«  nicht  gelangt.  Anscombe  (Tli«' 
l»aschal  canon  attributtMl  t(»  Anatolius  of  Laodicea,  in:  The  Engl.  Hist.  Rev. 
T.  10,  189'),  p.  r)ir)lV.)  läßt  sie  in  Himi  um  d.  J.  458  entst-anden  sein;  Turnvr 
(The  i)aschal  canon  of  „Anatolius  of  Laodicea",  I.e.  p.  ßOOiF.)  weist  sie  der  Zt'it 
."iSO — ()(M»  und  dem  Kloster  Jona  zu.  Vielleicht  haben  wir  es  mit  einer  Schrift 
des  Anatolius  zu  tun.  die  s(thon  bei  d(T  Übersetzung  und  dann  weiter  noch 
Umgestaltungen  und  Bereicherungen  erfahren  hat.  Chronologische  Traktate 
ditjser  Art  hatten  einen  luaktischt^n  Zweck  und  mußt-en  daher  immer  wietW 
nach  den  neuen  Krkenntnissen  und  Bedürfnissen  umgemodelt  werden. 

'2)  Zahn  hat  versucht,  dem  „Hieronymus  Alexandrinus  saec.  11 1."  nachzu- 
gehen (a.  a.  0.  S.  17!) ti'.,  107  ff.),  und  will  in  ihm  den  Verfasser  von  ö  Psaliufn- 
Kcholien  erkennen,  die  er  in  den  Codd.  Goisl.  10  u.  187  unter  dem  Namen  ili*? 
llienmymus  gefunden  hsit.  S.  diigegen  den  [.  Teil  dieses  Werkes  S.  783 £,  V'> 
ich  dieser  Hypothese  die  Meinung  entgegengestellt  habe,  man  habe  es  in  solcht-n 
und  iihidichen  Fällen  stet^  mit  echten  oder  unechten  Stücken  de«  berühmten 
Hieron.  zu  tun.  Demgej^enüber  bemerkt  Eh rhard  (a.  a.  O.  S.  .^HO f.):  „Drei  von 
den  Zahnschen  in  den  ('o«ld.  Coisl.  entdeckten  Ilieronymus-Scholien  habe  ioli 
in  der  Psalnienkat(*ne  des  Cod.  Taiirin.  VA-  (H  VII  !jO)  wahrgenommen.  Die«? 
Unzialhandschritt,  die  ich  in  das  S.--i).  Jiihrh.  datiere,  enthalt  noch  eine  ganz»' 
Reihe  von  Scholien  eines  Presbyters  Ilieronynnis,  d«'n  sie  indes  einige  Mak 
ausdrücklich  als  Pre.O»yter  von  Jerusalem  bezeichnet  (z.  B.  fol.  72v,  75,  210^'. 
An  t^inen  alexandrinischen  Schriftsteller  kann  also  nicht  gedacht  werden,  wohl 
aber  muß  die  Frage  näher  nntersuclit  werden,  ob  dieser  Presbyt-er  von  .Vni- 
saleni   identisch  \>t  mit  dem  gleichnamigen  Presbyter  von  Jerusalem,  den  uuin 


Alexander  vou  Alexandrien.  79 

Was  die  „Arithmetica"  des  Anatolius  betrifft,  so  sind  grie- 
chische Fragmente  unter  diesem  Namen  vorhanden  (s.  die  Fund- 
orte im  1.  Teil  dieses  Werkes  S.  437;  dazu  Migne,  Ser.  Gr.  T.  X 
p.  231  ff.).  Ein  sicheres  Urteil  über  ihre  Echtheit  ist  m.  E.  nicht 
möglich;  aber  ich  sehe  nicht  ein,  warum  sie  unecht  sein  müssen: 
sie  stammen  jedenfalls  aus  der  vorbai'barischen  Zeit,  und  die  Her- 
vorhebung des  Aristoteles  in  ihnen  spricht  für  unseren  Anatolius, 
den  die  Alexandriner  gebeten  haben,  eine  aiistotelische  Schule  in 
ihrer  Stadt  zu  errichten.  Ob  unser  Anatolius  der  Anatolius  sein 
soll,  der  in  dem  43.  pseudohieron.  Briefe  (ad  Daniasum,  Migne, 
T.  XXX  p.  292)  als  Autor  erwähnt  ist  in  der  Frage:  ^De  panibus 
a  fidelibus  in  altari  oblatis,  quis  illis  iure  uti  debeaf",  steht  dahin. 

Vi)  Alexander  von  Alexandrien. 

Wann  dieser  Bischof,  der  Vorgänger  des  Athanasius  und  Nach- 
folger des  Achillas,  sein  Amt  angetreten  hat,  kann  nicht  ganz 
genau  ermittelt  werden.  Wir  wissen,  daß  Achillas  sehr  kurze  Zeit 
(nur  Monate)  regiert  hat  (falsche  Annahme:  Januar  bis  Juni  31 1) 
und  daß  sein  Vorgänger  Petrus  Ende  November  311  Märtyrer 
geworden  ist;  aber  wie  lange  die  Sedisvakanzen  zwischen  Petrus, 
Achillas  und  Alexander  gedauert  haben,  wissen  wir  nicht 
Hieronymus  hat  in  der  Chronik  (der  Armenier  und  griechische 
Fragmente  fehlen)  den  Amtsantritt  des  Alexander  zum  ann.  Abr. 
2338  (Olymp.  275,  2)  gestellt  Bei  der  Verwirrung,  die  in  diesem 
Teile  der  Chronik  des  Hieron.  herrscht',  kann  dieses  m.  E.  das 
Jahr  319,  320  oder  321  sein.  Auch  das  früheste  dieser  Jahre  ist 
viel  zu  spät;  denn  von  einer  achtjährigen  Sedisvakanz  in  Alexan- 
drien würden  wir  wissen.  Auch  aus  der  Geschichte  des  Arius 
läßt  sich  die  Zeit  des  Amtsantritts  des  Alexander  nicht  bestimmen ; 
denn  sogar  das  ist  unsicher,  ob  der  Streit  im  J.  318  ausgebrochen 
ist  und  ob  die  Synode  in  Alexandrien,  welche  den  Arius  verurteilt 


früher  in  das  Ende  des  4.  Jahrh.  verlegte?  und  den  I*.  Batilibl  (J^röme  de  J6ni- 
salem  d'aprea  un  document  in^dit,  Rev.  des  (luedt.  hiat.  Bd.  HJ)  [lvS8*3]  p.  2480*.) 
für  einen  Schriftsteller  des  8.  Jahrh.  erklärt  hat,  oder  ob  ein  älterer  griechischer 
Hieronymus  angenommen  werden  muß.  Hamack  (s.  o.)  hat  geglaubt,  es  könnten 
die  von  Zahn  edierten  Psalmenscholien  nur  dem  berühmten  Hierou.  zugeschrieben 
werden.  Die  von  mir  aus  der  Turiner  Handschrift  abgeschriebenen  Scholien 
berühren  sich  aber  nicht  mit  den  S'cholien,  noch  mit  den  Homilien  zu  den 
Psalmen,  die  G.  Morin  jüngst  herausgegeben  hat  (Anecdota  Maredsolana  III,  1 
[1895],  HI,  2  [1897])."  Die  ganze  Frage  hat  tiir  uns  hier  kein  Interesse,  da  ein 
Hieronymus  Graecus  im  3.  Jahrh.  weder  in  Alexandrien  noch  sonstwo  ge- 
schrieben hat. 

1)  über   die  Verwirrung    in   der  Colum.  Rom.  s.  Schöne,  Chron.  p.  W.l 


80  Die  Littoratur  des  Morgenlandes. 

hat,  im  J.  320  oder  321  oder  in  einem  angrenzenden  Jahre  ab- 
gehalten worden  ist  K  Wir  können  also  nicht  mehr  sagen,  als  daß 
Alexander  einige  Zeit  nach  dem  November  311  Bischof  geworden  ist 
Sein  Todesjahr  (fünf  Monate  nach  der  Rückkehr  von  Nicäa)  und 
der  Amtsantritt  seines  Nachfolgers  (Athanasius)  stehen  fest  (326). 

Es  gab  (Epiphau.  haer.  69,  4)  eine  Sammlung  von  über  70 
Briefen  des  Alexander  in  Sachen  des  Arius.  Die  große  Mehrzahl 
derselben,  wenn  nicht  alle,  wird  der  Zeit  vor  dem  Nicänum  bez. 
der  Zeit  um  320  angehören.  Sicher  ist  das  von  den  beiden  in  ex- 
tenso erhaltenen  Briefen,  dem  älteren  an  Alexander  von  Eonstan- 
tinopel  (Theodoret,  h.  e.  I,  4)'^  und  dem  etwas  späteren  an  alle 
katholischen  Bischöfe  (Sokrat,  h.  e.  I,  6)  ^.  Über  die  Adressen 
einiger  verwandter  Briefe,  die  wir  sonst  noch  durch  Epiphanias 
u.  a.  kennen,  s.  den  1 .  Teil  S.  449  flf.  Der  Brief  des  Alexander  an 
Konstantin,  den  Kpiphanius  in  seinem  chronologisch  ganz  konfusen 
Bericht  über  die  (jeschichte  des  Arius  verzeichnet  (haer.  69,  9),  ist 
vor  das  Nicänum  in  das  J.  324  zu  setzen*. 

Gegen  die  Echtheit  des  syrisch  erhaltenen  Aoyog  jibqI  ^wx^g 
xal  adfiaroQ  xal  tlq  rb  jtd&og  weiß  ich  positive  Gründe  nicht  gel- 
tend zu  machen'^;  die  Abhängigkeit  von  Melito  ist  kein  Q^en- 
argument,  da  Werke  dieses  Bischofs  nachweisbar  dem  Clemens 
und  Origenes  bekannt  gewesen  sind.  Kein  sicherer  Verlaß  ist  auf 
die  syrischen  Fragmente  bei  Pitra  (Anal.  IV,  433 f.),  die  aus  Ho- 
milien  des  Alexander  (eine  9.,  3.,  5.  wird  zitiert)  genommen  sein 

1)  S.  Loofs  „Ariiinisnius"  i.  d.  FroteBfc.  KEncykl.s  Bd.  2  S.  llf. 

2)  Im  SyriBchoii  sind  auch  Stücke  aus  ihnen  erhalten  (Pitra,  Anal.  IV 
p.  4H0f.)  sowie  Stücke  venvaudten  Inhalts.  Daß  der  Brief  an  Alezander  von 
Konstant inopel  nicht  der  erste  dieser  Art  war,  den  Alexander  geschrieben,  er- 
giebt  sich  aus  Theodoret. 

3)  Der  Brief  an  Silvester  von  Rom ,  den  Liberius  in  seinem  Schreiben  an 
Konstantius  v.  .T.  H54  (ep.  4,  4)  erwälint,  gehört  auch  in  diese  Zeit,  sowie  die 
Ka&algeaig  ^Agelov  an  die  Presbyter  und  Diakonen  von  Alexandrien  (Äthan. 
Opp.  1  j).  890),  di(;  Seeck  (Ztschr.  f  K(Jesch.  Bd.  17  S.  50 f)  ohne  zureichende 
Gründe  für  eine  Fälschung  erklärt  hat. 

4)  Daß  in  der  Frage  des  Ostertermins  Alexander  und  ein  gewisser  Cres- 
centius  gegeneinander  geschrieben  haben,  berichtet  Epiphanius  (haer.  70,  9). 
Von  diesem  Crescentius  ist  sonst  nichts  bekannt,  wenn  er  nicht  identisch  ist 
mit  Tricentius,  an  den  l*etnis  von  Alex,  seine  Schrift  ü})er  das  Passah  gerichtet 
hat  (s.  Teil  1  dieses  Werkes  S.  44;">  und  Duchesne,  Rev.  des  quest.  hißt.  T.  XXVIIl 
p.  31 ).  Auch  von  dem  unter  Alexander  als  Schismatiker  aufgetretenen  alexan* 
drinischen  Presbyter  Kolluthus  läßt  sich  wenig  Sicheres  sagen  (s.  das  Material 
im  1.  Teil  dieses  Werkes  S.  4SC));  lediglich  als  Zeitgenosse  des  Alexander  kann 
er  datiert  werden. 

5)  S.  Krüger  in  d.  Ztschr.  f  wiss.  Theol.  Bd.  M  (INSS)  S.  434 tf.  (Thomas, 
^Telito  von  Sardes  [Osnabrück  18Ü3J  S.  40ff.). 


Ammonius,  Bischof  von  Thmuid  u.  s.  w.  gl 

sollen  (das  letzte  Stück  aus  der  Epist.  ad  Alexandrum  Constanti- 
nop.}.  Doch  gibt  es  keine  sicheren  Beobachtungen  gegen  die  Echt- 
heit Das  wiederholte  „d^eoroxog'  ist  keine  solche;  der  Terminus 
hat  schon  damals  gegolten  (s.  unter  „Pieiius"  S.  68),  und  der 
Sammler  hat  augenscheinlich  Stücke,  die  diesen  Terminus  aufwei- 
sen, zusammengestellt. 


13)  Ammonlns,  Bischof  yon  Thmuis.    Ammonius,  der  Alexan- 
driner.   Ammonlns,  der  Verfasser  einer  synoptischen  Arbeit. 

Photius,  einer  alten  Quelle  folgend,  erzählt  {2vvay.  x.  ajtoÖBl- 
§ug  Nr.  9),  daß  der  Bischof  Ammonius  von  Thmuis  dem  Origenes, 
als  er  nach  Syrien  reiste,  gestattet  habe,  in  seiner  Kirche  zu  pre- 
digen, und  daU  er  deshalb  von  Heraklas  abgesetzt  worden  sei  (s. 
oben  S.  25.  33)  K  Dieser  Ammonius  war  also  ein  wissenschaftlich  ge- 
richteter, dem  Origenes  befreundeter  Mann,  der  im  4.  Jahrzehnt 
des  3.  Jahrh.  lebte.  Es  liegt  nahe  —  doch  mehr  läßt  sich  nicht 
sagen  — ,  ihn  mit  dem  Alexandriner  Ammonius  zu  identifizieren, 
den  Eusebius  (h.  e.  VI,  19,  9f)  mit  seinem  Zeitgenossen,  Ammonius 
Sakkas,  verwechselt  hat  ^  und  dem  er  eine  Reihe  von  verbreiteten 
Schriften  beilegt,  unter  ihnen  mit  Namen  die  Schrift  IleQl  zTJg 
Mcovöiwg  xat  ^Irjöov  ovfiq^corlag  nennend.  Diese  verlorene  Schrift 
wird  sich  wohl  gegen  die  Gnostiker,  vornehmlich  die  Marcioniten, 
gerichtet  und  die  „Antithesen"  zwischen  dem  A.T.  und  dem  Evan- 
gelium aufgelöst  haben.  Eine  Schrift  dieser  Art  setzt  genaue 
Bibelkenntnis  voraus,  und  so  kann  man  weiter  fragen,  ob  nicht 
der  „Alexandriner"  Ammonius,  dem  Eusebius  in  dem  Brief  an 
Carpianus  eine  synoptische  Arbeit  in  bezug  auf  die  Evangelien 
auf  der  Grundlage  des  Matthäus  beilegt  (Tischendorf-Gregory, 
Prolegg.  zu  edit  VIII.  N.T.  p.  145if.)^  eben  unser  Ammonius  ist. 


1)  Heraklas  setzte  an  seine  Stelle  —  ^o  berichtet  Pbotiiis  weiter  —  «»inen 
gewissen  Philipjnis.  Auf  Bitten  der  Thmuitaner  gewährte  er  später  aber  die 
Wiedereinsetzung  des  Ammonius,  der  nun  mit  Philippus  zusammen  rej^iertt*. 
S.  auch  K.  Schmidt,  Texte  u.  Unters.  Bd.  20  H.  4  S.  Ü. 

2)  S.  Zeller,  Ammonius  Sakkas  und  Plotiu,  im  Archiv  f.  Gesch.  d.  l'hilos. 
VII,  '-i  (1804)  S.  2115 ff.  —  Derselbe  Ammonius  mag  gemeint  sein,  wenn  Ana- 
iita»ius  Sin.  zu  „den  alten  und  ersten  Kxcj^eten",  die  das  Hexaemerou  auf 
Christus  und  die  Kirche  gedeutet  haben^  nelx'n  Papias,  Clemens  und  Pantilnus 
auch  einen  „weisen  Ammonius"  rechnet  (Anast.  Sin.,  Contempl.  in  Hexaeni. 
lib.  I). 

•S)  Die  Arbeit  war  also  kt»ln  Diatessaron,  obgleich  Eusebius  sie  fep  nennt: 
*Afifi6vioq  ßhv  6  ^AksSavögeig  noXXfjv  wi;  ebcdg  (piXonovlav  xal  dnoi^S^if'^^laa- 
y'ioxwg  To  6iä  xeaaaQmv  ^fiiv  xaxaXiXoinev  evayyiXiov,  X(B  xarcL  Mäib^Töi^ 
Harnack,  Altchristl.  Litteraturgesch.  II,  8.  0 


g2  Die  Littenitur  des  Morgenlandes. 

Das  ist  die  Meinung  des  Hieronymiis  (de  vir.  inl.  55),  und  sie  scheint 
ganz  probabel;  aber  von  einer  größeren  Wahrscheinlichkeit  sind 
wir  noch  immer  weit  entfernt,  da  Eusebius  die  Zeit  dieses  Am- 
monius  nicht  angegeben  hat,  der  Name  ,,Ammonius"  in  Ägypten 
liäufig  war  ^  und  —  die  Identität  des  Alexandriners  und  des  Thmuitcn 
Ammonius  vorausgesetzt  —  die  Annahme  prekär  ist,  Easebins  habe 
nicht  gewußt,  daß  der  „Alexandriner"  Ammonius  später  Bischof 
von  Tlimuis  geworden  sei.  Alles,  was  Spätere  über  die  verlorene 
Evangelienharmonie  des  Ammonius  berichtet  haben,  geht  auf  Euse- 
bius-Hieronymus  zurück  —  mit  einer  Ausnahme.  In  der  „Ge- 
schichte des  Mönchtums",  die  Maruta  von  Maipherkat  niederge- 
schrieben hat  (Braun,  De  S.  Nie.  Synodo;  Syr.  Texte  des  Mai'uta 
usw.,  1898,  S.  21  ff.),  findet  sich  der  Satz:  „Besonders  können  wir 
es  erfahren  (nämlich,  daß  das  xayua  der  Mönche  im  alten  Bunde 
einen  anderen  Namen  hatte)  aus  jenem  [Briefe],  den  Magna  von 
Alexandrien  an  Serapion,  das  Haupt  der  Einsiedler,  schrieb  — 
dieser  Magna  war  aber  derselbe,  der  zuerst  ordnete  [und]  nieder- 
schrieb das  Krniqön  in  der  Kirche;  auch  Eusebius  erinnert  daran 
an  der  Spitze  der  Canones,  die  er  über  die  vier  Evangelien  ge- 
macht hat,  und  ebenso  in  seinen  anderen  Schriften."  Hiernach  ist 
offenbar,  wie  ich  Theol.  Lit.-Ztg.  1S99  Kol.  47  gezeigt  habe,  statt 
„Magna"  vielmehr  „Ammonius"  und  statt  Krniqön  „Karovixov'^  zu 
lesen.  An  der  Zuverlässigkeit  der  Nachricht,  daß  der  Ammonius, 
welcher  das  synoptische  Werk  verfaßt  hat,  an  den  Einsiedler- Vor- 
steher Serapion  einen  Brief  gerichtet,  den  Maruta  noch  gesehen 
hat,  ist  schwerlich  zu  zweifeln.  Wie  sollte  Maruta  von  sich  aus 
dazu  gekommen  sein,  zu  dem  so  häutigen  Namen  „Ammonius"  hin- 
zuzusetzen, eben  dieser  Ammonius  sei  der  Verfasser  des  Karovi- 
xop,  wenn  er  es  nicht  bestimmt  gewußt  hätte  (sei  es,  daß  er  es 
aus  dem  Briefe  selbst  herausgelesen  hat,  sei  es,  daß  er  es  aus  uns 
unbekannter  Überlieferung  wußte)?  Dann  aber  wird  die  Identifi- 
zierung mit  dem  Anmionius,  der  über  Moses  und  Jesus  geschrieben 
hat  (und  auch  mit  dem  Ammonius  von  Thmuis),  sehr  unwahrschein- 
lich; denn  ein  Brief  an  ein  Haupt  der  Einsiedler,  d.h.  an  einen 
Vorsteher  eines  Mönchvereins,  am  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  ist 
gewiß  keine  leichte  Annahme.  Am  Ende  des  3.  Jahrhunderts  hat 
er  keine  Schwierigkeit.    Diesem   Argumente  kann  man   nur  ent- 

rag  ofiotpwvovg  rwv  Xoinwv  evayyshotwv  TieQtxoTiag  nagad^eu^  wg  i§  dvdyxfi 
av/jißfjvfti  xov  rtjg  axoXov^lag  HQfxbv  rwv  tqiüjv  öiaff&aQfjvaty  öaov  inl  tä 
Vilbel  tijg  avayvcjaecog. 

1)  Zu  dor  im  1.  Tril  .^.  4(M;f.  angeführten  Litteratiir  füge  (iwilliam,  Tbf 
Ammonian  Sections  et<'.  in  the  Syriuc  Tetraevangeliuni,  in  tl.  Stiid.  Bibl.  (Oxf.)  H 
\K  241  ff. 


Hesychiiis.  —  Hierakas.  §;{ 

geben  und  die  Behauptung  des  Hieronymus  betreffend  die  Identität 
beider  rechtfertigen,  wenn  man  annimmt,  der  Titel  „Haupt  der  Ein- 
siedler" sei  von  Maruta  selbst  gegeben  oder  unrichtig  übersetzt; 
Serapion  sei  vielmehr  ein  zu  seiner  Zeit  berühmter  Asket  gewesen. 

14)  Hesychius,  Rezension  der  LXX  und  der  Evangelien. 

Die  Rezension  der  LXX  und  der  Ew.,  die  z.  Z.  des  Hierony- 
mus für  Alexandrien  und  Ägypten  die  maßgebende  gewesen  ist 
(Praefat.  in  Paralip.;  Apol.  adv.  Ruf.  II,  27;  Praef  in  evv.,  cf. 
Decret.  Gelas,)  und  um  deren  Wiederherstellung  sich  Lagarde 
(Septuag.-Stud.  I,  1891)  und  Bousset  (Texte  u.  Unters.  Bd.  11  H.  4 
S.  75  ff.)  in  unseren  Tagen  bemüht  haben  ^  kann  genau  nicht  datiert 
werden.  Nur  so  viel  ist  gewiß,  daß  sie  nach  Origenes  und  geraume 
Zeit  vor  Hieronymus  fällt  (da  sie  zu  seiner  Zeit  bereits  in  Ägypten 
verbreitet  war).  Sie  wird  also  in  weiten  Grenzen  um  das  Jahr  300 
anzusetzen  sein,  und  dafür  spricht  auch,  daß  sie  von  Hieronymus  mit 
der  des  Lucian  zusammen  genannt  wird.  Doch  kann  sie  auch  ein 
paar  Jahrzehnte  nach  Lucian  fallen.  Ob  der  Bischof  Hesychius.  den 
Eusebius  h.  e.  VIII,  13,  7  unter  den  Opfern  der  diokletianischen  Ver- 
folgung nennt  und  der  mit  Phileas  und  anderen  ein  Schreiben  an 
Meletius  gerichtet  hat  (s.  o.  S.  70),  ihr  Urheber  gewesen  ist,  läßt 
sich  nicht  ermitteln;  Bousset  hält  es  für  wahrscheinlich,  aber 
Argumente  für  diese  Annahme  (außer  dem  Namen  und  dem  Lande; 
denn  die  Rezension  ist  gewiß  ägyptisch,  da  sie  dort  und  nur  dort 
verbreitet  war)  gibt  es  nicht. 

15)  Der  Asket  und  Schriftsteller  Hierakas.- 

Dieser  zuerst  (als  Christologe)  von  Arius  (Epiphan.  haer.  67,  7) 
um  das  J.  320  erwähnte,  in  Leontopolis  im  Nomos  von  Heliopolis 

1)  Neue  Aufschlüsse  erwarten  wir  von  Sodens  Ausgabe  des  Neuen  Testa- 
luente.  Bousset  hat,  über  die  Negationen  von  Westcott  und  Hort  hinaus- 
Htrebend,  in  den  Codd.  BkLT  und  Minuskel  3.']  die  Rezension  des  Hesychius 
gesehen.  Ceriani  erkennt  in  dem  Cod.  Manihalianus  einen  Zeugen  derselben 
(De  cod.  Marchaliano  seu  Vaticano  Gr.  -125  etc.,  1890,  in  der  Ausgabe  des 
Tod.  Prophet,  von  Cozza-Luzi).  Zu  dieser  R<»zension  s.  auch  Euringer  in 
der  Rev.  biblique  T.  7,  180H,  p.  18:}ff.,  Nestle,  Einführung  in  d.  griech.  N.  T., 
1?.  Aufl.  (1809)  S.  148 ff.  und  Rahlfs  in  seiner  Abhandlung  über  das  Alter  des 
Vaticanus  (Nachr.  d.  K(Jesellsch.  d.  Wissensch.  z.  Göttingen  1891),  H.  1  8.  72  iK), 
in  der  freilich  der  Versuch,  einen  festen  tenuinus  a  quo  für  den  Ursprung  dos 
Vaticanus  zu  gewinnen,  mißglückt  ist. 

2)  Außer  Teil  1  dieses  Werkes  S.  407  f.  s.  auch  meinen  Artikel  in  der 
Protest.  REncyklp.3  IJd.  S  S.  :j8f.  Kunze,  Marcus  Eremita,  1895,  8.  70 ff. 
S2ff.  u.  in  der  Neuen  Kirehl.  Ztschr.  VIIJ,  7,  1897,  S.  550ff.  Prcuschen, 
Pjilladius  u.  Rufinus,  1S{»7,  S.  124.    Kattenbusch,  Apost.  Symbol.  H,  1  S.  242ff. 


y^4  l^^^*  Litterutur  des  Morgenlaudei». 

lebende  Gelehrte  und  Asket,  der  giiechisch  und  koptisch  (also  in 
einem  unterägyptischen  Dialekte)  *  schrieb  und  den  Spiritualismus  des 
Origenes  und  seine  asketische  Moral  noch  übertrumpfte,  ist  nach 
dem  Zeugnis  des  Epiphanius  (1.  c.  c.  3 )  über  90  Jahre  alt  geworden 
und  hat  einem  Asketenverein  nicht  nur  weltflüchtige,  sondern  auch 
häretische  Impulse  gegeben.  Als  Epiphanius  schrieb,  war  H.  nicht 
mehr  am  Leben;  er  ist  also  spätestens  um  das  J.  275  geboreo. 
Wie  lange  seine  Schriftsteller  ei  (Kommentare  zu  den  h.  Schriften 
in  griechischer  und  koptischer  Sprache,  speziell  zum  Sechstage- 
werk; eine  besondere  Schrift  über  den  h.  Geist?  Christologisch- 
Trinitarisches ;  über  die  Ehe;  zur  Empfehlung  der  Virginität; 
..viele  neue  Psalmen")  gedauert  hat,  wissen  wir  nicht  (daß  er 
bis  zu  seinem  Tode  kalligraphiert  hat,  berichtet  Epiphanius i. 
Begonnen  hat  sie  schon  vor  Arius,  also  am  Anfang  des  4.  Jahr- 
hunderts. Unseres  Wissens  ist  er  der  erst«  Gelehrte,  der  koptisch 
geschrieben  hat. 


16)  Der  Calalogiis  Claromontanus. 

Das  im  Cod.  graeco-latinus  D  der  paulinischen  Briefe  (saec.  VI» 
hinter  dem  Philemon-  und  vor  dem  Hebräerbrief  auf  fol.  467 f.  stehende 
stichometrische  Verzeichnis  der  h.  Schriften  '^  gehört  innerlich  nicht 
zu  der  Handschrift^  und  stammt  aus  der  Zeit  vorEusebius  und  Atha- 
nasius,  bez.  aus  einer  Kirche,  die  durch  die  Festsetzungen  dieser 
Männer  über  den  Kanon  nicht  beeinflußt  war.  Da  die  Hand- 
schrift D  und  der  Katalog  nur  zufällig  zusammengeschweißt  sind, 
so  läßt  sich  aus  den  Feststellungen  über  Herkunft  und  Alter  der 
Vorlage  von  D  nichts  in  bezug  auf  den  Katalog  folgern;  er  ist 
fiir  sich  zu  betrachten.  Daß  er  aus  dem  Griechischen  übersetzt 
ist,  hat  Zahn  (a.a.O.  S.  166 ft.)  sehr  wahrscheinlich  gemacht  Seine 
..kleinen"  Argumente  dafür  sind  freilich  nicht  beweisend,  aber  der 
Inhalt  des  Katalogs  spricht  dafür:  das  4.  Makkabäerbuch  beft-emdet 


■  '  ■  I-  '  I  . 


1)  ^l  riieil)oidt,  uScheimti^  von  Atripe,    in  d.  Texten  und  Unters.  Hd.  '3 
Ü.  i  S.  Hfy.      '    ■     ;■::   -^'l^l  .'.     .  .■•      /   .;•:    • 

■  *i)/I)ttiroh;«m  V^evs^licciid^  »Sclireiloer*  defcTHed».  1  u.  U,  l^hüipp.  und  wohl 
Mieh  HelbrJ  ^Ufa^efaUeii  (hiÄ<A?r  Zcöle  r>7);  '.  .'■  .  :  ■  :  ;./. 

'  H)  S,  Zkbniy  (jdtich;  des  NTlichen  Kaiiioiiii  il  S.  a57ft'. .  D«in  Katalog  w^rde 
angefügt,  als  der  S'ehreiber  mit  seiner  Aufgabe  »u  Ende  war,'  die  sidli  auf  die 
1^  PnliiliiBln^ele  "beüog;  iNaeli.-derTAiifiigiing  isrt  danii  noch 'der  Hälbrilcrbrief 
hiny.u^etii^fworden^itsbi  "€1^^  d(iß  öich.dojf  Schreiber,  sei  et«,  dtiß  Blüh  sein  Ailf- 
trap?giHier  ri11)er^l^lif^e,''daß'  dtr  in  dei 'Vorlagi»  nicht,  enthaik^ne  lirief  ;doch.  laut'- 


, ) 


Der  Catalogus  Claromontanus.  g5 

in  einem  lateinischen  Verzeichnis.    Noch  deutlicher  aber  redet  die 
Aufzählang  der  NTlichen  Bücher.    Diese  schließt  also: 

Petrus  I,  II 

Jacobus 

Johannes  I,  II,  IIT 

Judas 

Bamabas 

Revelatio  Johannis 

Actus  Apost. 

Pastor 

Actus  Pauli 

Eevelatio  Petri. 

Wäre  dieses  Verzeichnis  abendländisch,  so  könnte  es  frühe- 
stens dem  letzten  Drittel  des  4.  Jahrhunderts  angehören;  denn  da- 
mals erst  ist  im  Abendland  allmählich  (durch  griechischen  Einfluß) 
die  Siebenzahl  der  katholischen  Briefe  zum  Abschluß  gekommen. 
Diese  sieben  stehen  aber  hier  nicht  nur  zusammen,  sondern  auch 
vor  den  folgenden  sechs  Schriften.  Wo  sie  aber  so  zusammen- 
stehen, da  können  wir  (für  den  Ausgang  des  4.  Jahrh.)  nicht  an 
eine  abendländische  Winkelkirche  denken,  sondern  nur  an  eine 
orthodoxe  große  Kirche,  die  direkt  oder  indirekt  mit  der  griechi- 
schen Kirche  in  Fühlung  stand.  Aber  eine  solche  Kirche  kann 
unmöglich  zwischen  c.  306  und  400  noch  den  Pastor,  die  Actus  Pauli 
und  die  Revelatio  Petri  ohne  Bemerkung  in  ihrem  Neuen  Testa- 
ment gehabt  haben;  sie  kann  auch  nicht  die  Joh.-Apokalypse  und 
die  Apostelgeschichte  so  mitten  unter  diesen  geführt  haben,  wie 
das  Verzeichnis  dies  tut  (über  „Barnabas"  s.  u.).  Ist  das  Verzeich- 
nis abendländisch,  so  führt  mithin  der  Versuch,  es  unterzubringen, 
zu  einem  Widerspruch:  es  muß  der  Zeit  c.  366—400  (oder  späten 
und  es  muß  dem  3.  Jahrhundert  angehören.  Dagegen  wird  alles 
einfach,  wenn  man  das  Verzeichnis  als  orieutalisches  und  zwar 
aLs  alexandrinisches  in  Anspruch  nimmt.  Dann  bildet  es  die 
nächste  Vorstufe  zu  dem  Kanonsverzeichnis  des  Euse- 
bius,  eine  Vorstufe,  wie  man  sie  ausEusebius  selbst  noch 
zu  rekonstruieren  vermag. 

Claromont.  Euseb. 

Vier  Evangelien  Vier  Evangelien 

Apostelgeschichte 

Paulusbriefe  Paulusbriefe 

I  Joh. 
I  Petr. 

7  katholische  Briefe  5  katholische  Briefe 


>t> 


Dir  Litt-eiutur  det;  Morgenlandes. 


Claroniout. 

Barnabas 

Kevelatiü  Joliannis 
Apnstelgeschichte 
Pastor 
Acta  Pauli 
Revclatio  Petri 


Easeb. 

Acta  Pauli 

Pastor 

Revelatio  Petri 

Barnabas 

Didache 

Revelatio  Joliannis 


Ik'kanutlich  ist  Kusebius'  Verzeichnis  ein  Kompromiß.  Der 
strengen  Beurteilung,  bez.  der  kritisch  behandelten  Praxis  gegen- 
über, die  das  N.  ^J\  in  21  Schriften  abgeschlossen  sein  läW^  zu  der 
die  Ai)()kalypse  Job.  als  22.  tritt,  stehen  Überlieferungen,  welche 
fünf  weitere  katlmlisclie  Briefe  und  dazu  noch  sechs  Schriften  an- 
♦  rkennc^n.  I)aL>  diese  Überlieferungen  alt  sind  und  vomehnilirb 
nach  Alexandrien  und  Ägypten  weisen,  steht  fest  is.  Clemens  Alex.'. 
Kns(tbius  hat  sich  nun  so  geholfen,  daß  er  den  Begriff  des  Kanon 
—  unbekünnnert  um  die  kirchlichen  ITolgen,  bez.  um  die  praktische 
Unvollzielibarkeit  seines  Auswegs  —  auflöste  und  di'ei  Gruppen 
von  absteigendem  Werte  schuf  21  (22)  +  5  +  6  (5).  Im  CataL 
(Jlaroiiiont.  nun  haben  wir  ein  Verzeichnis,  in  welchem  dieselben 
:31  Cyi)  Schriften  noch  auf  einer  Fläche  stehen.  Mag  sich  auch 
in  der  Reihenfolge  ein  gewisses  Abnehmen  der  Dignität  ausdrücken. 
liervorgehoben  ist  dieses  Abnehmen  nicht.  Dali  der  Befund,  den 
Kusebius  vor  sich  hatte  und  ordnete,  zufällig  derselbe  ist,  wie 
dei-,  den  der  Claromontanus  ordnet,  ist  ausgeschlossen;  denn  bis 
auf  eine  Schrift  (die  Didache,  die  im  C'laromont.  fehlt)  ist  er  iden- 
tisch '.  Später  als  Eusebius  und  von  ihm  abhängig  kann  aber  der 
("laromont.  unmöglich  sein;  denn  es  wäre  unerhöi-t,  daß  ein  Ka- 
nnnist,  der  auf  Eusebius  fnl>t,  die  Apostelgeschichte  z^vischen  Be- 
\el.  Job.  und  Pastor  stellt  und  die  dritte  (Gruppe  des  Eusebius 
wieder  zu  vollen  Kliren  bringt.  Dal>  er  die  7  katholischen  Briefe 
niclit,  wie  Eusebius,  in  2  -'  5  zerteilt,  ist  in  diesem  Falle  noch 
kein  Zeugnis  für  eine  spätere  Zeit.  Diese  Tatsache  muß  vielmehr 
mit  der  anderen  zusammengehallen  werden,  daß  er  auch  die  fol- 
genden si^-chs  Schriften  ohne  Bemerkung  zum  N.  T.  rechnet.    Knd- 


Ii  \)\\<  Vt'\\\i'u  im  ('IiirniiKMii.  ist  vii'Ui'ifht  nur  ziilalliji:;  ilit'  llaiuL^chntt 
iVt  «4(Ml;iiik»*iilo.>  «XI *><'lni ('])»'!).  Man  kiiiui  \rnuuti'ii,  diilJ  die  Didacht»  in  iltr 
V<»i-la;j:«'  «irs  (MaroiiuMit.  zwi.-clicii  IJanial».  und  Job.  Ut?v.  ^et$timdeii  luit.  I^*r 
«irnjijn'  IJarn.il).,  Pidarlu*,  lu'vcl.  .Inh.  In-i  Ku>«*l).  würdo  dann  im  nanmiuut. 
<li«*  (lru|>|M^  Jianial».,  l)iilaclu',  Hi'vcl.  Juli,  «-bfiiso  fiitspHTheii  wie  der  tlnii»]*«* 
Acta  Pauli,  l^astor,  Hfvi'l.  l*<-tri  b.'i  Kiistl».  dir  (!rii})|M»  l'astor.  Acta  l*aiili.  Krvi!. 
•  '•'tri  im  Clarrmiont. 


Der  Cataloguä  Claromontanut«.  87 

lieh  zeigt  die  Vergleicbiing  mit  Eusebius  klar,  daß  die  epistola 
Bai-nabae  des  Claromont  nicht  der  Hebräerbrief  sein  kann  —  dieser 
wird  oben,  wo  Thess.  I,  II  und  Philipp,  fehlen,  mitausgefallen  sein; 
der  Schreiber  glitt  von  „ad  Efesios*  sofort  zu  der  nach  „ad  Ebreos" 
stehenden  Eintragung  seiner  Vorlage  hinüber,  indem  die  Ähnlichkeit 
der  beiden  Worte  ihn  verführte.  Der  apokryphe  Barnabasbrief  ist 
gemeint.  Allerdings  ist  der  Hebräerbrief  im  Abendland  öfters  in 
älterer  Zeit  als  epistula  Barnabae  bezeichnet  worden,  aber  das 
Fehlen  des  Zusatzes  ,,ad  Hebraeos"  wäre  doch  auffallend,  und  unser 
Verzeichnis  wird,  wie  gezeigt,  rätselhaft,  wenn  man  es  für  das 
Abendland  in  Anspruch  nimmt. 

Hätte  Clemens  Alex,  ein  Verzeichnis  der  NTlichen  Schriften 
aufgestellt,  so  hätte  er  wahrscheinlich  alle  die  im  Claromont.  auf- 
geführten 31  (32)  Bücher  und  vielleicht  noch  einige  (aber  wenige) 
dazu  genannt;  aber  er  hätte  sie  nicht  auf  eine  Fläche  gestellt. 
Origenes  aber  hätte  sie,  der  damaligen  Praxis  seiner  Kirche  fol- 
gend, überhaupt  nicht  mehr  zu  einer  Einheit  befaßt.  Aber  Alexan- 
drien  ist  nicht  Ägypten.  Unser  Verzeichnis  gibt  eine  Kirchen- 
praxis wieder,  in  der  sich  der  Zustand  des  Kanons,  wie  wir  ihn 
bei  Clemens  Alex,  finden,  in  entgegengesetzter  Richtung  zu  der- 
jenigen entwickelt  hat,  deren  erster  Zeuge  für  uns  Origenes  ist. 
Während  Origenes  die  eintretende  Verkürzung  der  Sammlung 
bezeugt,  bezeugt  der  Claromont.  die  Fixierung  der  größeren  Sanmi- 
lung  und  damit  den  Versuch,  in  ihr  die  Dignitätsuntei'schiede  zu 
verwischen,  die  doch  bei  Clemens  deutlich  hervortreten.  Daß  aber 
ein  solcher  Zustand  wirklich  in  einigen  Kirchen  geherrscht  hat 
um  das  J.  300,  d.  h.  daß  sie  eine  solche  größere  Sammlung  mit 
gleicher  Dignität  der  Bücher  wirklich  besessen  haben,  zeigt  das 
Kapitel  über  das  N.T.  bei  Eusebius.  Eusebius  wäre  es  gewiß  nicht 
eingefallen,  jene  sechs  Schriften  —  sei  es  auch  nur  in  der  von 
ihm  beliebten  Weise  —  dem  N.  T.  zuzuordnen,  wenn  er  nicht 
Kirchen  gekannt  hätte,  die  sie  als  volle  kanonische  Schriften  gel- 
ten ließen.  Da  dies  sicher  nicht  palästinensische  oder  syrische 
Kirchen  waren,  so  können  es  nur  ägyptische  gewesen  sein;  denn 
mit  ihnen  ist  der  Horizont  des  Eusebius  abgeschlossen,  und  für 
sie  sprechen  auch  Clemens  und  Origenes. 

Der  Claromont.  darf  also  als  ein  ägyptisches  Verzeichnis  aus  dem 
3.  oder  anfangenden  4.  Jahrhundert  betrachtet  werden.  Die  kui-zen 
Bemerkungen  Jülichers  (FCinl.  in  d.  N.  T."^  S.  426),  der  den  abend- 
ländischen Ursprung  festhält,  haben  mich  nicht  überzeugt.  Gewiß 
kann  man  Actus  Pauli  und  Pastor  auch  für  abendländische  Kanons- 
verzeichnisse des  3.  oder  anfangenden  4.  Jahrhunderts  in  Anspruch 
nehmen;  aber  fiir  Eevelat.  Petri  ist  das  schon  schwieriger;  die 


8S  I^i*i  LitU»ratur  de«  Mor^eulandes. 

„Barnabae  epistola"  muß  man  zum  Hebräerbrief  umstempeln  trotz 
des  fehlenden  ad  Hebraeos,  und  mit  einem  abendländischen  Kanous- 
Verzeichnis  um  330,  welches  die  sieben  katholischen  Briefe  enthält, 
jschafFt  man  ein  kanonsgesehichtliches  Novum.  Aber  auch  die  Zu-^ 
sammenstellung:  Barnab.,  Joh.  Rev.,  Actus  Apost,  Pastor,  Actus 
Pauli,  Petri  Kev.,  ist  in  dem,  was  sie  enthält  und  nicht  enthält,  für 
das  Abendland  paradox.  Für  das  Moi-genland  (Ägypten)  befremdet 
sie  nicht. 


Zweites  Kapitel. 

Die  von  den  Alexandrinern  beeinflußten 

Schriftsteller. 

1)  Sextus  Julius  Africanus.  ^ 

Sextus  [so  Suidas]  Julius  Africanus  war  nach  Suidas  aus  Li- 
byen gebürtig  {<piX6co(poq  Alßvg)  und  nach  seinen  militärwissen- 
schaftlichen Kenntnissen  wahrscheinlich  ursprünglich  Offizier  (des 
Lateinischen  war  er  kundig,  wie  seine  Auszüge  aus  Sueton,  De 
regibus  in  der  Chronographie  beweisen).  Nach  der  osrhoenischen 
Expedition  des  Severus  im  X  195  —  er  wird  sie  in  seiner  Eigen- 
-sctfäfE  äIsT)fflzierTnTtgemacht  haben  (wohl  auch  den  Feldzug  nach 
Adiabene)  — ,  auf  der  er  auch  bis  zum  Araratgebirge  vorgedrungen 
ist  und  Kelänä  in  Phönizien  berührt  hatte  (s.  die  Kearol  und  Syn- 
cellus,  Chron.  p.  669,  20),  ließ  er  sich  in  Emmaus  (Nikopolis)  in 
Palästina  nieder.  Indessen  ist  das  wahrscheinlich  nicht  sofort  ge- 
schehen; er  scheint  vielmehr  sich  mehrere  Jahre  in  Edessa  auf- 
gehalten zu  haben,  wie  seine  Freundschaft  mit  dem  Könige  Abgar 
Severus  bar  Ma*nü  (f  213)  beweist  (mit  dem  Sohne  desselben  ist 
er  auf  die  Jagd  gegangen ;  beides  nach  den  KsötoD  \    Von  Emmaus 


1)  Geizer,  >>xtus  Julius  Afric,  2  Bdt^,  1880.  1885.  Routh,  Reliq. 
Sacr.2  II  p.  221  fF.  Seh  war  tz,  Die  Königsliöten  des  Eratosthenes  usw.  in  d. 
Abhandl.  d.  K.  Gesellsch.  d.  Wiss.  z.  Göttingen  Bd.  XI,  2,  1801.  Spitta,  Der 
Brief  des  J.  Afric.  an  Aristides,  Halle  1877. 

2)  Dazu  auch  Euseb.,  Chron.  ad  ann.  2231:  „ALgarus  vir  sanetus  regnavit 
Edessae  ut  vult  Africanus."  Die  Nachricht  des  Moses  von  Chorene  (11,  27), 
daß  Africanus  Auszüge  über  die  edessenische  Königsgeschichte  aus  dem  Archiv 
zu  Edessa  gemacht  habe,  wird  zuverlässig  sein  (s.  Baum  gar  tn  er  in  d.  Ztschr. 
d.  Deutschen  Morgenl.  Gesellsch.,  Bd.  40  S.  457 ff.  ed.  Hallier  in  d.  Texten  u. 
Unters.  Bd.  0  H.  1  S.  50 f.).  Die  Woi-te  des  Moses  lauten:  „Ich  will  anfangen, 
dir  nach  dem  5.  Buch  des  Chronisten  Africanus  zu  erzählen  ....  Jener  nämlich 
exzerj)ierte  alles,  was  in  den  Papieren  des  Archivs  von  Edessa,  d.  h.  Urha,  über 
unsere  Könige  erzählt  wird".  In  Edessa  ist  auch  Bardesanes  dem  Africanus 
bekannt  geworden,  s.  eine  Stelle  aus  den  Keoxol  (Vet.  Matheni.  Opp.  p.  275  sq.), 


i)[)  Die  Littoratur  des  MorgeuUuides. 

aus  ist  er  zeitweise  nach  Alexandrien  übergesiedelt,  um  den  Heraklas 
zu  hören  (s.  die  Chronographie  nach  Euseb.,  h.  e.  VI,  31)  ^  Dies 
muLs  einige  Jahre  vor  221  (Publizierung  der  Chronogi-aphie)  ge- 
schehen sein;  denn  die  Chronographie  hat  ihn  gewiß  ein  paar  Jahre 
beschäftigt^.  Nach  Einniaus  zurückgekehrt,  ging  er  im  Auftrag 
seiner  Mitbürger  als  Gesandter  zum  Kaiser  nach  Rom  —  nach 
Euseb.,  Chron.  ad  ann.  2237  zu  Elagabal  (Syncellus  676,  6  nennt 
Alexander  Severus)^.  Noch  um  das  J.^AO  hat  er  gelebt;  denn 
damals  hat  Origenes  von  Nikomedien  aus  an  ihn  geschrieben  (s. 
0.  S.  34f.)  *.  Da  er  schon  im  J.  195. im  Mannesalter  gestanden  hat. 
muß  er  zwischen  160  und  170  geboren  sein;  das  bestätigt  sich 
durch  die  BeobachtungrdalTer  in  seinem  Brief  an  Origenes  diesen 
„xvQiog  fiov  xal  r/oc"  nennte  Sokrates  (h.  e.  II,  35)  hat  ihn  also 
mit  Recht  zwischen  Clemens  und  Origenes  gestellt. 

Eusebius  hat  in  der  Chronik  den  Africanus  als  „Chronographen**, 
in  der  Kirchen geschichte  (VI,  31)  als  .,o  rojv  IjriyeyQafi/iivojv  Kt- 
OToJv  ovyy(/a(pevg'^  bezeichnet  Die  Chronographie  und  die  Ksoxoi 
waren  also  seine  Hauptwerke.  .lene  {XQovoyQa(plat^,  in  5  BB.,  s. 
Euseb.,  Chron.  I,  p.  97  f.)  reicht  bis  zur  250.  Olymp,  bez.  bis  zum 
\,  Jahre  Elagabals  (s.  die  Fragmente  39  u.  50  bei  Routh,  1.  c, 
p.  287.  306j.    Die  von /Beizer  versprochene  Sammlung  der  Frag- 


(lio  ich  unkorrigiert  abdrucke  [\'\*\.  von  (Jii tscbniid,  Osrocne,  in  den  Abbauül. 
der  Petcrsburj^er  Akiid.  ISST  S.  .Kj):  iXQi'toaxo  t//  ndgr.  ravt^  xal  SvQfio;  o 
Ixv&Tjg  xal  BaQÖtjOavTjg  6  nuQ&og,  xd^a  dt  nov  xal  n).eiovsg,  eiöov  xal  avio; 
bv  ^AßyccQOv  Tov  BaoO.koq  Mdvvov  xov  Tiaiöög  avxov  noXXdxiq  nBtgdaavto; 
i'jnov  v(priyTioatxivov.  i^v  öh  aga  aoipöq  xo^oxt^g  Bagöfjodvrjgj  etneg  xiq  txego; 
itblj^t  eine  dieses  Urteil  beb»pf<'nde  Krzäbhinjjfi. 

1)  Der  Huf  des  llenikbis  butte  ibn  {Lj:eb)ckt,  siigt  er.  Man  wundert  i?ich, 
daß  ibn  nicht  Origenes'  Ruf  jjjelockt  bat;  (ielzer  (a.  a.  0.  1  S.  13)  scblielU 
daraus,  daß  Origenes  damals  in  Rom  wnr.  Aber  d<'r  Aufenthalt  daselb.<t  war 
schwerlich  von  längerer  Dauer.  Wenn  man  überhaupt  hier  etwas  schließen 
will,  so  wird  man  daran  denken,  daß  Origenes  zwischen  21()  u.  218  nicht  in 
Alexandrien,  sondern  in  l*alästina  gewesen  ist.  Vielleicht  hat  eben  der  be- 
scheidene Origenes  den  Africanus  auf  Heraklas  aufmerksam  gemacht.. 

2)  Wober  (ielzer  (I  p.  12)  die  Nachricht  bat,  die  Chronographie  habe  den 
Africanus  spätestens  schon  im  J.  212  beschäftigt,  weiß  ich  nicht. 

'.])  Die  l*assabchronik  p.  41M»,  5  setzt  die  Reise  in  das  2.  Jahr  Alexanders 

i22:j). 

-1)  Man  bemerke  auch,  <biß  Eusebius  in  der  Kiiesch.  (VI,  151)  den  Afri- 
canus   (»rst  bei   der  Regieningszeit   des  (Jordian  (s.  VI,  21»,  1)  verzeichnet  bat. 

'))  Auf  späten^  Nachrichten,  die  den  Africanus  zum  Bischof  machen,  i^t 
nichts  zu  geben.     Auch  nicht,  daß  er  (leistlicber  gewesen,  läßt  sich   beweistai. 

(ii  S.  zum  Titel  Euseb.,  h.  e.  VI,  Ijl,  2  und  Euseb.,  Denionstr.  VIII,  2,  4i.». 
Daneben  kommen  die  Namen  laxoQiaiy  xd  laxogixov,  xwv  XQOV(i>v  initoßt)  vor 
(Hieron.:  „tem}>orum  liistoriae",  „volumina  dt?  temporibus"). 


Sextuö  Julius  Africaiiuti.  91 

mente  ist  noch  nicht  erschienen;  zn  ihnen  sind  aucli  die  Bischofs- 
listen zu  rechnen,  die  Eusebius  uns  mitteilt;  denn  bis  Kallistus  ep. 
Rom.  (Elagab.  ann.  1)  stammen  sie  aus  Africanus,  wie  ich  Chrono- 
logie I,  S.  120  ff.  erwiesen  habe.  Das  als  Ganzes  leider  verlorene, 
schon  von  Hippolyt  benutzte  Werk  ist  die  Wurzel  der  christlichen 
Chronographie;  Tatiau,  Theophilus  und  Clemens  kommen  als  Vor- 
läufer des  Africanus  kaum  in  Betracht. 

Die  ^eorol  Qj  üa^aöosa),  eine  Art  von  technischer  Enzyklo- 
pädie und  turiositätensammlung,  waren  dem  Alexander  Severus 
gewidmet;  in  welches  Jahr  dieses  Kaisers  sie  fallen,  ist  unbekannt. 
Der  Zweifel  über  die  Anzahl  der  Bücher  (Syncelius  9,  Photius  14, 
Suidas  24)  war  bereits  früher  gegen  Syncelius  entschieden;  ganz 
jungst  ist  er  zugunsten  des  Suidas  gehoben  worden;  denn  Gren- 
fell  und  Hunt  haben  angekündigt,  daß  jsie  denSchhiLs  des  18.  Buches 
in  Ägypten  gefunden  haben.  Ebenso  sind  die  Bedenken  gegen  die 
Autorschaft  unseres  Africanus  —  das  Buch  schien  in  einigen  Par- 
tien eines  Christen  unwürdig  —  widerlegt;  denn  der  V'erf  zeigt 
sich  mit  der  Bibel  vertraut,  und  das  Zeugnis  des  Eusebius  wäre 
nui'  durch  die  stärksten  Gegengründe  umzustoLsen. 

Der  uns  erhaltene  Briefwechsel  mit  Origenes  über  die  Peri- 
kope  voUj  der  Susanna  (je  ein  Brief)  stammt  aus  der  Zeit  um  240 
(s.  0.).  Der  in  Bruchstücken  auf  uns  gekommene  Brief  an  Aristi- 
des  über  die  Genealogien  Jesu  Christi  läßt  sich  auf  Grund  dir 
Beotachtung  etwas  näher  datieren,  daß  ihn  Origenes  in  seinen 
Homilien  zu  Lucas  is.  dort)  benutzt  hat.  Diese  Homilien  sind  dio 
ältesten  des  Origenes.  Dafür,  daß  Africanus,  der  des  Lateinischen 
kundig  war  und  nach  freilich  sehr  fragwürdigen  Nachrichten  als 
Übersetzer  ins  Lateinische  gegolten  hat  ^  der  Übersetzer  der  Apo- 
log.  Tertullians  gewesen  ist  —  habe  ich  i^Texte  u.  Unters.  Bd.  8 
H.  4, 1892)  einige  Argumente  geltend  gemacht-.  Aufschriften,  die 
ihm  beigelegt  worden  sind  auf  Grund  einer  Verwechslung  mit 
^Aphroditianus",  gehe  ich  nicht  ein.  Die  Behauptung  sehr  später 
Berichterstatter,  Africanus  habe  Kommentare  zum  N.T.  geschrie- 
ben, ist  unglaubwürdig. 


1)  S.  den  ersten  Teil  die««*«  Werkes  S.  .")i:i. 

2)  Wenn  Khrhiird  (Die  altcbristl.  Litfct^ratur  usw.,  1!MM>,  S.  .iTui  kVw^w 
Hypothese  u.  a.  entgegenhält,  daß  Afrieanus,  der  sein  Chiist»'ntuni  mit  welfcliclnMi 
.^tudien  und  Vergnügungen  [aber  let/.t^Ter?  als  junger  Mann]  zu  verbinden 
waßte,  der  mit  Prinzen  auf  die  Jagd  ging  und  s*'in<»  Ksatoi  ilem  Kais»»r 
Alexander  widmete,  kein  großes  apologetisches  Interesse  halxni  und  sich  vou 
der  düsteren  Phantasie  Tertullians  kaum  angi.'zogcii  fühlen  koinite  —  so 
Heheint  mir  diese  Diflerenzierung  nicht  ri<.'htig  zn  st^n.  Außerdem  l»«»w.*ist  dl»« 
Chronographie  ein  starkes  apologetisches  hiti'n.'sse. 


\)2  I>i<.'  liittorahir  i\va  Mür^eiiliiiuloii}. 

i)  Alexander  Ton  Jernsalem. 

Dii:^  Zeit  dieses  Bischofs,  der  ein  hohes  Alter  erreicht  haben 
iiiiiLs   habe  ich  im  ersten  Band  dieser  Chronologie  S.  223  festge- 
stellt': er  regierte  in  Jerusalem  (zuerst  als  Mitbischof  des  alten 
Xarcissus)  von  2\'2j:\  (Kuseb.  nennt  das  2.  Jahr  Caracallas)  bis  25U, 
wo  er  im  Gefängnis  in  der  decianischen  Verfolgung  gestorben  ist 
t  Kuseb.  VI,  39,2;  VI,  4(),  4'.  Vor  212  3  war  er  aber  bereits  Bischof 
in   Kiippadozien  (Kuseb.  VI,  11)   und  Konfessor  unter  Septimins 
Severus  (s.  u.),  und  zwar  in  Cäsarea  (s.  Dionysius  v.  Telmahar, 
Chronik  p.  69  und  Gre*ror  v.  Nyssa).    Er  war  also  etwas  älter  als 
Origenes.    Studiert  hat  er  in  Alexandrien  unter  Pantänus   und 
Clemens  (s.  seinen  Brief  an  Origenes  bei  Euseb.  VI,  14,  8)  und  hat 
dann    die  kirchlich-wissenschaftlichen  Studien    nach  Eappadozien 
und  nach  .lerusalem  getragen.    Dorthin  soll  er  als  Wallfahrer  ge- 
kommen sein;  unter  welchen  Umständen  er  dort.,  seinen  Sitz  in 
(  äsarea  aufgebend,  geblieben  ist,  ist  dunkel  (wie  alles,  was  Ease- 
bius  aus  der  Geschichte  des  Narcissus,  dem  er  als  Bischof  bei- 
gegeben wurde,  h.  e.  VI,  9— 11  erzählt).    In  Jerusalem  liatA.  eine 
Bibliothek  begründi't,  in  der  Origenes  u.  a.  eine  BriefsammluDg 
des  A.  gefunden  hat  (VI,  20).    Über  die  Bedeutung,  die  er  fttr  das 
Leben  des  Origenes  gewonnen  hat  durch  die  ihm  erteilte  Erlaub- 
nis zu  predigen   und  durcli  die  Weihe  zum  Priester,  s.  sub  „Üri- 
^^enes".    Die   vier  Briefe  des  A.,  aus   denen   Eusebius  Mitteilung 
gemacht  hat,  lassen  sich  näher  datieren.    Der  ei'ste  (Kuseb.  VI,  11' 
ist  an  dit'  (iemeiiide  zu  Antiochien  geschrieben  ^  und  von  dem  be- 
rühmten Presbyter  Clemens,  der  damals  in  Cäsarea  seinen  Wohn- 
sitz hatte,  überbracht  ■'.    Alexander  saß  im  (icfängnis  und  schrieb 
aus  demselben,  um  den  Antiochenern  zu  ihrem  neuen  Bischof  As- 
klepiades  zu  gratulieren;   der  Brief  ist  also  21 11 2  verfaW-*.    Der 
zweite  Brief''  d.  c.i   ist  an  die  (lemeinde  von  Antinoe  in  Ägypten 
gerichtet.    Er   i.st  aus   der  Zeit   der  gemeinschaftlichen  Bistums- 
verwaltung in  dem  Jahre  gesehrieben,  als  der  Mitbischof  Narcissus 
!!6.1ahre   alt  gewordtMi    war.    Nach   Kpiphan.,  haer.  66,  2o,  hat 
Narcissus  bis  zur  Zeit  des  Alexandt^r  S(»v.  gelebt,  nach  Eutychiiis 
soll  er  1!  Jahre  nach  '1\'1'\  regiert  haben.    Obgleich  beide  Daten 

li  \  ixl.  jiin'li  Ti'H   I   i'il. •-.'->  \\'i'rkt'>  S.  .'i».MV. 

'2)  Al»'X.iinlt'r  kiiniiii'  «lir-i«  <  li'nn-indi-  ;iii^  t'i  iilii'nT  Zrit  wabrtfrht'inl'uU 
e-'i-öiilicli. 

.'!)  C'l«'iii«'iis  -tiiiul  ih'U\  Ali-xamltT  iiiilic  iind  li;ii  ihm  sriin*ii  Kai'dtv  txxXtt- 
'uaoTixoq  jr«*wi(liiict  (Imi>»'1).  VI.  1:;,  :;\ 

li  S.  riinni(»l(><_M«'  I  .'S.  iM.I. 

.'))  ICntaxohd    ^  i'in   lirirl". 


Alexander  v.  Jerusalem.  —  (iregorius  Thiiumaturguö.  93 

sich  nicht  widersprechen,  sind  sie  doch  nicht  zuverlässig  (s.  Chro- 
nologie I,  S.  222  u.  225 f.);  aber  a  priori  ist  es  wahrscheinlich,  dali 
unser  Schreiben  nicht  viele  Jahre  nach  212/13  anzusetzen  ist;  in  den 
Beziehungen  des  Origenes  zu  Jerusalem  spielt  Narcissus,  der  um  das 
J.  100  geboren  sein  mag,  keine  Rolle  mehr.  Der  dritte  Brief  ist  an 
Origenes  gerichtet  (Euseb.  VI,  14);  er  scheint  das  erste  Schreiben  des 
Alexander  an  0.  zu  sein;  an  Pantänus  und  Clemens  (als  schon  Ver- 
storbene) wird  erinnert  (s.  dort  u.  sub  „Origenes"  S.  28.  49).  Der 
Brief  ist  daher  wahrscheinlich  vor  216,  aber  nicht  lange  vorher 
geschrieben  und  bahnt  die  engen  Beziehungen  zwischen  beiden 
Männern  an.  Der  vierte  Brief  endlich  (Euseb.  VI,  19)  ist  das 
Schreiben,  das  A.  in  Gemeinschaft  mit  Theoktistus  von  Cäsarea 
an  Demetrius  von  Alexandrien  in  Sachen  des  Origenes  gerichtet 
hat  Es  gehört  dem  J.  c.  216  an  (s.  oben  S.  30)^  Ein  Zeugnis 
des  Origenes  über  A.  findet  sich  in  der  Hom.  in  lib.  I  Sani.  (Lomm. 
T.  XI  p.  290).  Über  die  „membrana  Alexandri  episcopi  qui  fuit 
in  Hierusalem,  quod  transscripsit  manu  sua  de  exemplaribus  apo- 
stolorum"  s.  v.  Dobschütz  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  9  H.  1 
S.  136—150. 

3)  Gregorius  Thaumaturgus. 

Erst  nach  der  Erwähnung  der  Verfolgung  des  Maximinus  Thrax 
und  des  Regierungsantritts  des  Gordian  bemerkt  Euseb.  (h.  e.  VL 
30),  daß  Theodorus-Gregorius  und  sein  Bruder  Athenodorus  -  zu 
Origenes  nach  Cäsarea  gekommen  und  im  ganzen  fünf  Jahre  bei 
ihm  als  Schüler  geblieben,  dann  aber  —  trotz  ihrer  Jugend,  um 
ihrer  theologischen  Kenntnisse  willen  —  Bischöfe  im  Pontus  ge- 
worden seien.  Diese  Angabe  fordert  nicht,  daß  die  beiden  Brüder 
erst  nach  dem  Regierungsantritt  Gordiaus  in  Cäsarea  eingetrofien 
sind,  sondern  sie  ist  gedeckt,  wenn  sie  unter  Gordian  in  Cäsarea 
wai*en  bez.  unter  ihm  Cäsarea  wieder  verlassen  haben.  Da  Gor- 
dian zwischen  238  und  244  regiert  hat,  so  fällt  in  diese  Zeit  der 
Abschluß  der  funQährigen  Studien  der  Brüder  bei  Origenes. 


1)  Diesen  Brief  erwähnt  Hieron.  (de  vir.  inl.  02)  nicht,  wohl  aber  will  er 
von  einem  anderen  Schreiben  des  A.  an  Demetriiis  wissen  betretts  der  Pres- 
byter-Weihe des  Origenes.  Hieron.  hat  denEusebius  fliuhtig  gelesen,  bez.  das 
(lelesene  unsicher  behalten,  und  ist  so  zu  der  Verwechslung  gekommen.  Er 
will  auch  von  „epistolae  ad  diversos"  des  A.  wissen. 

2)  Drei    Fragmente    unter    diesem  Namen    und    aus    einer    S\*hrift    nsgl 
Xßfktofkav'm.  den  SS.  Parall.,  s.  Holl  in  d.  TcxUmi  u.  Unters.  Bd.  20  H.  2  S.  1(31. 

In  einem   der  Fragmente   wird  A.  als  Bruder  (iregors   bezeichnet.     Cber    die 
l^ebtheiD'fößt'Hiöh  mcht«  sageii.  ''  ' 


tj4  l^it^*  Littonitur  des  Morgenlandes. 

Aus  der  „Dankrede"  des  Gregorius  (c.  5,63)  hat  Koetsehau' 
schließen  wollen,  daß  Gregorius  ungefähr  gleichzeitig  mit  0.  in  Cäsarea 
Pal.  eingetroffen  sei,  d.  h.  daß  0.  damals  eben  erst  Alexandrien 
definitiv  verlassen  habe  und  nach  Cäsarea  gekommen  sei.  Da  nun 
(s.  0.)  das  10.  Jahr  des  Alexander  Severus  als  das  Jahr  der  Über- 
siedelung des  0.  nach  Cäsarea  feststeht  (=  231/2),  so  wäre  Gregorius 
damals  oder  wenige  Monate  später  in  diese  Stadt  zu  0.  gekommen; 
das  ist  auch  Koetschaus  Meinung,  der  (233  für  231/2  setzend) 
die  Jahre  233—238  als  die  Zeit  des  Aufenthalts  des  Gregorius 
bestimmt  und  gegen  Einwendungen  zu  erhärten  versucht  Allein 
die  Worte  des  Gregorius  (1.  c):  rov  ö' ItQov  xovxov  avÖQa  ix  rtj^ 
Alyvjtrov  ix  rrjc  A}.f:^av6Qiwv  jtoXecoc,  evd-a  rfjp  iorlav  txmv 
hTVXf  JTQOTBQov,  xcil  avTov  kxivtt  xol  fisTavlOT?]  IjtI  rode  ro  xp- 
i^ov,  ojöjtsfj  djtavT7jöovTa  7]fjtW,  ?rf(>a  jrQayfiaxa^  schließen  die  An- 
nahme nicht  aus,  daß  Origenes  schon  eine  gewisse  Zeit  in  Cäsarea 
lebte,  als  Gr.  dorthin  kam.  Seine  Vbersiedelung  war  eine  cause 
celebre,  die  dadurch  noch  nicht  verwischt  war,  daß  sie  ein  paar 
»lahre  zurücklag.  Wir  wissen  also  noch  nicht,  wann  Gregor  nach 
(/äsarea  gekonmien  ist.  Bevor  wir  weitergehen,  ist  ein  Punkt 
zu  erledigen:  Eusebius  (1.  c.)  bestimmt  den  Aufenthalt  auf  5  Jahre. 
Man  hat  diese  Angabe  korrigieren  und  auf  die  Zahl  „8  Jahre" 
bringen  zu  müssen  gemeint-,  weil  (Jregur  in  der  Dankrede  c.  1 
sagt:  ov  fifjv  aX/M  xcd  oxTair/jg  fioc  XQ^^'^^  ovrog  ?jd?j.  Ig  ov  ovrt 
i:vTo^  tljtcov  Tt  ij  yfjaifmi;  Xoyov  rira  fityav  //  fnXQOV  oXcoq  rvr^'- 
yavco,  ovTB  aXXov  ?jxovöa  rov  löia  yoafpovTog  //  Xtyovroq  i]  xdi 
df/iwoia  jtart}yvQixovQ  Xoyovg  xal  dyojvcorixovg  jraQSXofdivow 
Allein  die  8  Jahre  beziehen  sich  nicht,  wie  nach  dem  Vorgang 
des  Casaubonus  und  Bengel  von  Koetsehau  (S.  XI  f.)  richtig 
ei'kannt  ist,  auf  den  Aufenthalt  bei  Origenes,  sondern  auf  die  Zeit 
der  Abwendung  von  der  Ehetorik.  Diese  Abwendung  kann  sehr 
wohl  schon  erfolgt  sein,  bevor  Gregor  Origenes  kennen  lernte,  ja  das 
ist  das  einzig  Wahrscheinliche,  denn  (iregor  war  ja,  als  er  mit 
0.  zusammentraf,  auf  dem  Wege  nach  Berytus,  um  als  Jurist  die 
hohe  Schule  doii:  durchzumachen,  hatte  also  schon  die  entscheiden- 
den Studien  für  dieses  Fach  getrieben,  die  ihn  von  der  Rhetorik 
(Mitfernt  hatten.  PiS  liegt  also  kein  Grund  vor,  die  bestimmte  An- 
gabe des  Eusebius  zu  korrigieren -^ 

1)  D^'^^  (4ro<rorlos  Th.  Danknult*  :in  Origenes,  ISiM,  S.  IX.  S.  dazu  Woj- 
luiin  im  l'hilolofnis  l^d.  Tm,  ISlKi,  S.  4l)2tt'.  Hrinkmiinn  im  Rhein.  Museum 
N.  V.  Bd.  .")(),  1<M)1,  S.  r)."iff. 

J)  S.  Rysscl,  <Jn.^rorIns  Tli.  (ISSO.  S.  IJ.  Dazu  Jahrld).  f.  protest.  Theol. 
IM.  7,  IS^l,  *S.  :»(r)f. 

'.)'■  Rysscl  will  (a.  a.  0/)  dio  l>fM<len  AiijTa})on   so  vrri'inijron,   daß  (irepor 


(irogoriuö  Thaumaturgiis.  95 

Deutlich  folgt  aus  der  Daiikrede  des  Gregor,  daß  die  Zeit  seines 
Studiums  bei  0.  ununterbrochen  war.  Wäre  sie  längere  Zeit  hin- 
durch unterbrochen  gewesen,  so  hätte  Gr.  das  sagen  müssen.  So- 
mit ist  Gr.  nicht  während  der  Maximinschen  Verfolgungszeit  in 
Cäsarea  gewesen;  denn  in  dieser  Zeit  war  Origenes  in  Kappadozien. 
^^'ir  haben  allerdings  oben  (S.  33  £)  darauf  aufmerksam  gemacht, 
daß  Unsicherheiten  in  bezug  auf  den  Aufenthalt  des  Origenes  in 
den  Jahren  235  und  236  nachbleiben  und  daß  die  Nachricht,  er 
sei  damals  zwei  Jahre  in  Kappadozien  gewesen,  um  der  ^'erfolgung 
zu  entgehen,  allein  auf  der  Autorität  des  Palladius  ruht.  Allein 
ich  kann  mich  doch  nicht  entschließen,  diese  Nachricht  einfach  in 
das  Keich  der  Fabel  zu  verweisen.  Koetschau  tut  das  (auch  Neu- 
mann und,  ihnen  folgend,  Ehrhard)  und  setzt  den  (ungestörten) 
Aufenthalt  des  Gregor  in  Cäsarea  bei  Origenes  auf  233 — 238  K 
Allein  selbst  angenommen,  Origenes  wäre  in  der  Verfolgimgszeit 
ruhig  in  Cäsarea  Pal.  geblieben,  so  hätte  sich  doch  die  mit  Orig. 
erlebte  Verfolgungszeit  in  der  „Rede"  des  Gregorius  abspiegeln 
müssen.  „Ungestöi-t"  war  diese  Zeit  gewiß  nicht,  wie  die  Werke 
des  Orig.  beweisen.  Somit  —  mag  nun  Origenes  während  der  Ver- 
folgung in  Cäsarea  Pal.  geblieben  sein  oder  nicht  —  wird  man 
die  Ankunft  Gregors  bei  ihm  nicht  früher  als  auf  das  Jahr  230 
ansetzen  dürfen,  in  welchem  die  Verfolgung  wieder  abflutete.  Da 
das  Ende  der  Zeit  noch  unter  (lordian  fällt,  so  liegen  die  5  Jahre  des 
Aufenthaltes  somit  zwischen  236—240  oder  237—241  oder  238—242 
oder  239—243  oder  240—244.  Allein  die  letztgenannten  Zeiträume 
sind  auszuschließen;  denn  noch  unter  Gordian  fällt  die  lange  Reise 
des  Origenes  nach  Athen  und  Nikomedien.  Man  wird  somit  schwer- 
lich irren,  wenn  man  die  Dankrede,  die  Gregor  seinem  Lehrer  ge- 
halten hat,  zwischen  die  Jahre  240  und  242  setzt-. 

in  «'infin  Zeitraum  von  S  Jahnni  T»  Julin*  boi  Ori<f(Mie.s  «^owi-son  ist;  in  dvi\  .'» 
.T;ihn.*n  der  Maximinschen  Vorfolf^m^  sei  der  V»»rkehr  iinterbroclien  gewesen. 
Allein  dies«?  Annahme  ist  sehr  künstlich  und  iins  der  „Hede"  des  Grej^or  nicht 
zu  bolej?pn,  ja  sie  widersi>richt  ihr. 

1)  Man  vffl.  auch  Dräsckes  Ausführunj^en  über  die  Zeit,  des  Aufenthalts 
in  CTisarea,  die  aber  auch  nicht  haltbar  sind  (Jahrbb.  f\  ]u'ot(»st.  Thcol.  Hd.  7, 
INSI,  S.  lOBif.). 

•J)  Ffir  da«  J.  '2:]H  hat  Koetschau  fa.  a.  O.  S.  Xlllf.)  noch  das  Arf^iment 
j;elt<?nd  zu  miU'heu  f^esucht,  dafi  ein  Bild,  welches  (ire^or  in  der  Dankrede 
})raucho  (c.  2,  17  f.).  augenscheinlicli  aus  Ori<r.,  Comm.  in  Joli,  t.  XXXII,  c.  0 
rrtaiume  und  daß  dieser  Tomus  sehr  wohl  um  d.  .1.  2iJS  publizieii  sein  könne, 
Wf'nn  der  22.  Tomus  (Kusel).,  h.  e.  VI,  28)  im  .1.  2iir)/(>  niederp^esch rieben  worden 
ist.  Allein  abgesehen  von  der  Fragwürdigkeit  d»'r  littorarischen  Abhängigkeit 
--  warum  kann  der  Tomus  nicht  auch  240  oder  212  gesc.hri<'ben  oder  in  diesiMi 
.Jahren  von  (Jregor  benutzt  worden  sein? 


96  l^io  Litterutur  des  Morgen]  audes. 

Wann  Gregor  Bischof  geworden   ist,  wissen  wir  nicht;  doch 
sagt  Eusebius  (1.  c),  daß  er  es  früh  wurde.    Wir  wissen  aber,  dali 
er,  als  er  den  Origenes  verließ,  zunächst  in  seiner  Heimat  Rechts- 
anwalt gewesen  ist.    Damals  schrieb  ihm  Origenes  den  noch  jetzt 
erhaltenen  Mahnbrief,  in  welchem  Koetschau  (a.  a.  0.)  Anspielungen 
auf  die  Danki*ede  bemerkt  hat  K    Daß  er  die  Advokatur  ausübeu 
konnte,  r)bgleich  er  in  Cäsarea  kein  Jus  studiert  hatte,  ist  erstlich 
ein  Beweis  dafiir,  daß  er  schon  gelernter  Jurist  war,  als  er  zu 
Origenes  kam,  zweitens  ergibt  sich,  daß  Origenes  zunächst  als 
theoretischer  Keligionsphilosoph    auf  ihn  eingewii*kt  und  seinen 
Entschluß,  in  einen  praktischen  öflFentlichen  Beruf  einzutreten,  nicht 
wankend  gemacht  hat.   Die  Wahl  zum  Bischof  erfolgte  wie  die  des 
berühmten  Ambrosius.    Die  christliche  Kirche  raubte  sich  den  her- 
vorragenden Mann,  wie  uns  das  Gregor  v.  Nyssa  in  seinem  Panegy- 
rikus  berichtet:  Phädimus,  der  pontische  Metropolit,  weihte  ihn  zum 
Bischof   Da  Gregor  schon  eine  Zeitlang  Bischof  gewesen  war,  als 
die  decianische  Verfolgung  im  Jahre  250  hereinbrach  (das  berichtet 
ebenfalls  Gregor  von  Nyssa) '-,  und  da  er  es  jung  geworden  ist, 
so  läßt  sich  doch  ein  ungefähres  chronologisches  Bild  gewinnen, 
wenn  man  rückwärts  rechnet.    Setzt  man  die  Bischofsweihe  um 
243  an,  so  ist  Gregor,  da  der  damals  „tri  vioq"^  war,  um  213  geboren. 
Nach  dem  Tode  seines  heidnischen  Vatei-s,  14  Jahre  alt,  wurde  er, 
wie    dieses    Ingenium    praecox  selbst  in   der  Dankrede  (c,  5, 5<n 
berichtet,  auf  die  christliche  Ecligion  aufmerksam.    Bevor  er  zu 
Origenes  kam,  hat  er  erst  rhetoiisclie,  dann  (3  Jahre)  juristische 
Studien  getrieben.    Man  sieht  auch  hier,  daß  man  die  Ankunft  bei 
Origenes  nicht  wohl  fi-üher  als  auf  das  Jahr  236  ansetzen  kann. 
Zwischen  236  und  238  kam   er  zu  Origenes  (Familienverhältnisse 
führten   ihn  auf  dem  Wege  nach  Berytus  in  die  Stadt  Cäsaren", 
verließ  ihn   zwischen  240  und  242  ^  war  dann  in  seiner  Heimat 
eine  Zeitlang  Rechtsanwalt*  und  wurde  um  243  Bischof  seiner  Vater- 
stadt Neo-Cäsarea. 

1)  Mit  (Ik'eifn  Anr^pioluiigeii  luuj»  es  sich  wie  immer  verhalten  —  daß  dtr 
Urief  in  die  Zeit  bald  nach  der  Dankrede  gehört,  hat  Koetschau  m.  E.  mit 
Uechfc  ang<moinnn'n.  Die  Ki-mahrjungen  erscheinen  allerdings  als  sehr  elein»"i'.- 
tar,  ab«T  man  darf  bei  <h'r  Dankrede  (iregorti  nicht  vergossen,  daß  ihr  Vi '•- 
fasser  in  das  weltliehe  Leben  zurücktrat,  daß  also  —  wenigstens  iiu  Sinne  d«'> 
Origeneft  —  «-ine  Klnft  zw^ischen  seiner  TlK'orie  und  seiner  Praxis  bestand. 

2)  Er  entzog  sieh  der  Verfolgung,  indem  er  ins  Versteck  ging;  er  hatr<' 
aber  bereits  —  das  wird  man  dem  Nyssener  glauben  dürfen  —  eine  bedeuten«!«' 
Wirksamkeit  entfaltet. 

'S]  tJregor  von  Nyssa  fabelt  in  seinem  i*anegyrikus  von  einer  Reise  mvli 
Ah'xandrien,  w«'il  er  den  Origt-nr's  dorthin  versetzt. 

i)  Lange  wird  «*r  Cfc  nicht  geblieben  s.*in:   OrigeneS;  der  verehrte  Lehn.'. 


(iregonus  Thiiuiuaturgus.  97 

Nach  der  großen  Verfolgung  erlebte  Gregor  die  furchtbaren 
oten-Einfalle  unter  Valerian  und  Gallienus;  der  kanonische  Brief, 
en  wir  von  ihm  besitzen,  fällt  nach  dem  Abzug  der  Goten  aus 
em  Pontus*.  An  der  ersten  Synode  gegen  Paul  zu  Antiochien 
ahm  er  sowie  sein  Bruder  teil  (Euseb.,  VII,  27.  28),  wahrschein- 
ich  auch  an  der  folgenden,  schwerlich  an  der  letzten;  denn  sein 
lame  fehlt  dort  (Euseb.,  VII,  30),  bez.  kann  nur  unsicher  in  dem 
Theodorus"  gesehen  werden*-^;  spätere  Zeugnisse ^  aber  sind  niclit 
ntscheidend.  Nach  Suidas  ist  er  unter  Aurelian  gestorben  (270 
75).  Daß  er  bereits  vor  der  letzten  Synode  gegen  Paul  verschie- 
len ist,  läßt  sich  nicht  erweisen^. 

Die  spärlichen  Notizen,  die  sich  über  das  Leben  des  Gregor 
►ei  Euseb.  (h.  e.  VI,  30;  VII,  14.  28.  30),  Basilius  (De  spiritu  s.  29); 
:p,  28.  204.  207.  210)  und  Hieronymus  (Comm.  in  Eccl.  c.  4;  ep.  70,  4) 
inden  und  z.T.  schon  oben  benutzt  sind,  sind  viel  zuverlässiger 
ils  die  legendarischen  Berichte  Gregors  von  Nyssa  [Blog  xal  ty- 
((6fiiop)y  des  syrischen  Anonymus  saec.  VI  (Vita  Gregorii)  *  und  Rufins 
Zusätze  zur  Übersetzung  der  eusebianischen  Kirchengeschichte). 
Doch  stellt  sich  in  diesen  drei  Berichten  der  Niederschlag  pon- 
:ischer  Lokaltraditionen  dar,  der  manches  Wertvolle  enthält*'.    Ihr 

lat  ihm  heftig  zugesetzt  (s.  den  Brief  des  Orig.)*f  ^'^  selbst,  wie  neine  „Dank- 
■ede"  beweist,  war  im  Heraen  dem  weltlichen  Leben  entfremdet,  und  der  Mi*- 
Topolit  des  Pontus  wird  sich  dieses  Rüstzeug  niclit  lange  haben  entgehen 
assen.  War  es  doch  —  namentlich  für  jene  halbbarbai'ischen  und  fast  noeli 
^anz  heidnischen  Gebiete  —  ein  unerhörter  Fall,  daß  der  Sohn  einer  der  vor- 
lehmsten  Familien  auszog,  um  sich  in  Berytus  in  der  Jurisprudenz  zu  vervoll- 
kommnen, und  statt  dessen  mit  der  religionsphilosophischen  Weisheit  des  g««- 
eierten  Origenes  zurückkehrte. 

1)  Eine  nähere  Bestimmung  als  nach  d.  J.  254:  ist  m.  E.  nicht  möglich, 
la  mehrere  Einfälle  anzunehmen  sind.  Gewöhnlich  nennt  man  das  J.  'ifiS. 
fcVenn  im  can.  5  Euphrosynus  „avyyiQwv"  genannt  wird,  so  folgt  nicht,  daß 
iregor   damals  schon   ein  Greis  war,   denn  ovyyeQojv  ist  =  avfinQsaßvtSQog. 

2)  Wäre  Theodorus  =«  Gregorius  (was  nicht  unmöglich  ist,  da  Gregor  auch 
enen  Namen  führte],  so  wäre  wohl  auch  der  Bnulei*  Athenodorus  genannt.  Der 
^ame  „Gregorius"  findet  sich  übrigens  schon  in  dem  Brief  des  Origenes;  jüso 
lat  ihn  Theodorus  nicht  ei*8t  als  Bischof  angenommen.  Daß  er  sich  aber  auch 
päter  noch  Theodorus  genannt  hat,  ist  unwahrscheinlich. 

3)  S.  Ryssel,  a.  a.  0.  S.  18. 

4)  Die  Nachricht  bei  »Suidas  ist  freilich  von  geringem  Wert,  da  er  sich 
licht  selbständig  über  Gregor  orientiert  zeigt. 

.'))  Die  Handschrift  (Mus.  Brit.  S'yr.  add.  14(>48)  ist  aus  dem  G.  Jahrhundert, 
iyssel  hat  dieses  Stück  in  der  llieol.  Ztschr.  aus  der  Schweiz,  1804,  8.  228 ff. 
ns  Deutsche  übertragen.  Der  syrische  Text  auch  bei  Bedjan,  Acta  Mart. 
W.  0  p.  83  tf. 

0)  Das  Glaubwürdige  in  der  Vita  des  Nysseuers  hat  Ko  et  sc  hau,  Dank- 
ede  S.  VI  ff.  richtig  bestimmt. 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesoh.  U,  2.  7 


98  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

gegenseitiges  Verhältnis  hat  Koe tschau  (Ztschr.  £  wissensch. Theol. 
Bd.  41,  1898,  S.  211  ff.)  genau  untersucht  S  nachdem  Byssel  (a.a. 
0.)  zu  zeigen  versucht  hatte,  daß  dem  Gregor  Nyssenns  und  dem 
Syrer  eine  gemeinsame  griechische  schriftliche  Quelle  zugrunde 
liege,  die  dem  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  angehöre,  also  vor- 
nicänisch  sei.  Allein  die  Nachrichten  des  Nysseners  machen  durchaus 
nicht  den  Eindruck,  sämtlich  aus  einer  schriftlichen  Quelle  geflossen 
zu  sein.    Koetschau  hat  sich  daher  daf&r  entschieden,  daß  beide 
(und  auch  ßufln)  auf  mündliche  Überlieferungen  zurückgehen.  Diese 
Annahme  wird  dahin  zu  ergänzen  sein,  daß  f&r  einzelne  Legenden 
über  Gregor  auch  schriftliche  Aufzeichnungen  schon  zur  Zeit  des  Nys- 
seners vorhanden  waren  und  an  seinem  Gedächtnistage  vorgelesen 
wurden;  denn  die  Übereinstimmungen  der  Zeugen  in  einigen  Par- 
tien lassen  sich    nicht  wohl  ausschließlich  durch   die  mündliche 
Überlieferung  erklären.    Der  Bericht  des  Nysseners  macht  einen 
relativ  älteren  Eindruck  als  der  anonyme  syrische. 

Eine  Übersicht  über  die  Werke  Gregors  —  er  ist  nicht  nur  der 
wahre  Stifter  der  pontischen  Kirche,  sondern  auch  der  wirkliche 
Bekehrer  des  Pontus  gewesen,  s.  can.  7  des  kanonischen  Briefies: 
IIovTixol  xal  XQicxtapol  —  in  besonderer  Hinsicht  auf  die  Ecbt- 
heitsfrage  muß  hier  angeschlossen  werden: 

1)  Die  Dankrede  an  Origenes;  die  Echtheit  ist  unbestritten 
(S.  o).  Die  Rede  ist  vor  Origenes  und  einem  großen  Publikum  iu 
Cäsarea  gehalten  worden^. 

1)  Vgl.  dazu  Heinrich  Hilgcnfeld,  a.  a.  0.  S.  452ff. 

2)  Ihre  Erhaltung  verdanken  wir  wohl  dem  Umstand,  daß  sie  Pamphil»'' 
in  seine  Apologie  für  Origenes  aufnahm,  jedenfalls  war  sie  ihr  angefugt;  dio> 
berichtet  Sokrates  (h.  e.  IV,  27).    Er  schreibt  folgendes:  IIbqI  xovxov  xov  Fgrr 
yoQiov   no),vq  6   Xoyog  i'-v   ts  'Ad^/jvatg  xal  Btiqvxw  (??)  xal   ok^  xy  Uovtt», 
^loixr/afi,  wg  6h  elnslVf  xal  naay  xy  olxovfAtvfj.    ovxog  yciQ  c^  rcwv  *A&ijv^(fi 
TtaiösvxTjQicov  dvaxoiQt)oaq  (?)  ^v  xy  BijpvxiJ)  vofiovg  ifxdvd^ave  (?).    nvS^Ofifvo^ 
xs  iv  xy  KaioapBlu  xä  U^a  ygäfAfAata  ^g/irjvevftv  ügiyevrjv  ÖQOfJialQ  inl  Ti?v 
Katadgsiav  nageylvexo  [das  ist  unrichtig].    dxQoaaafievoq  xe  x^g  /aeyaXogfcivov 
d-ewQiaq   xwv  \bqwv   ygafifidrcDV  nolla  yßiQSiv  flnwv  xoTg  ^fiatxoXg  vofioi; 
dxd^QiOXog  tjv  xov  Xoitiov  xov  )2Qiy^vovg.    xal  vn   avxov  TtaiöevMq  xrjy  dXrfi^i 
ifiXoaoiflav  xal  fxsxd  xavxa  inl  xrjv  naxglöa  xwv  yoviwv  xaleadvxmv  dvfx^Q^^^ 
xdxel  71QWX0V  fiev  la'ixog  wv  noV.a  arj/uHa  inoirjas^  voaovvxag  d-eganeveov  xal 
öaifiovag  öi*  imaxolüiv  (pvyaöevwv  xal   xovg   E^J.rjvi^ovxag  xoTg  xe  Xoyoig  xal 
nXlov  xoTg  ytvofi^votg  im*  avxov  nQoaayojusvog.     fjtifivrjxai  6h  avxov  xal  Dan- 
(ptXog  6  jLidgxvg  ^v  xolg  tisqI  ^^igiyivovg  novrjOeZaiv  avxw  ßtßkloig,    iv  oig  xal 
avaxaxixog    Xoyog    F^r^yoglov    eig    ^Qgiylvrjv    nugdxeixai.    Die   Meinung    von 
Freusch(?n,   Sokrates  habe  die  hier  stehenden  Mitteilungen  über  Gregor  aus 
der  Ai)ologie  des  rami)hilu8  geschöpft  (Theol.  Lit.-Ztg.  1002  Kol.  208),  vermag 
ich  nicht  zu  teilen ;  denn  sie  sind  fast  sämtlich  falsch  und  zeigen  zugleich  Ab- 
hängigkeit vom  Enkoniium  des  (iregor  von  Nyssa. 


Gregorius  Thaumaturg^s.  99 

2)  Der  sog.  kanonische  Brief  (s.  0.);  der  11.  Kanon  ist  nicht  ge- 
nügend bezeugt,  um  für  echt  gelten  zu  können.  Ob  die  Canones  in  der 
Gestalt,  wie  sie  in  die  kanonischen  Sammlungen  übergegangen  sind 
und  uns  vorliegen,  vollständig  sind,  ist  fraglich  K  Der  Brief  scheint 
von  einer  Synode  zu  stammen,  richtet  sich  aber  wohl  an  den  Me- 
tropoliten des  Pontus,  der  mit  legh  Jtajta  angeredet  wird. 

3)  Die  "Exd^BCig  xlözscog.  Die  Bezeugung  (zuerst  von  Rufln 
und  in  dem  ^Eyxci/iiov  des  Nysseuers)  ist  nicht  ohne  Bedenken^. 
Oründlich  ist  dieses  in  den  drei  kirchlichen  Sprachen  über- 
lieferte, sehr  philosophische  Bekenntnis  von  Caspari  (Alte  u.  neue 
<5uell€n  z.  Gesch.  d.  Taufsymbols,  1879,  S.  1  ff.)  untersucht  worden, 
vgl.  auch  Kattenbusch,  Das  apostopL  Symbol  I,  1894,  S.  338  ff. 
Die  Gründe  aber,  die  Caspari  dafür  beibringt,  daß  das  Bekennt- 
nis zwischen  260  und  270,  ja  wahrscheinlich  zwischen  260  und  265, 
abgefaßt  sei,  sind  nicht  durchschlagend.  Er  glaubt,  dasselbe  setze 
die  Kontroverse  der  beiden  Dionyse  und  andere  christologische 
Kämpfe,  die  um  260  geführt  worden  sind,  voraus.  Allein  das  Be- 
kenntnis wird  doch  aus  den  inneren  Zuständen  der  pontisch-kappa- 
dozischen  Kirche  hervorgegangen  und  zunächst  für  sie  berechnet 
gewesen  sein.  Diese  aber  kennen  wir  nicht  Die  Echtheit  scheint 
mir  überwiegend  wahrscheinlich,  da  innere  Gründe  gegen  sie  nicht 
aufzubringen  sind  und  dieser  höchst  originell  formulierte  „Glaube" 
einer  starken  Autorität  bedurfte,  um  sich  einzuführen  und  zu  be- 
haupten.   Rücksicht  auf  den  Arianismus  ist  nicht  nachweisbar. 

4)  Die  Metaphrase  zum  Prediger  Salom.  Diese  litterargeschicht- 
lich  höchst  merkwürdige,  das  Original  an  Umfang  kaum  übertref- 
fende Paraphrase  ist  in  den  meisten  Handschriften  dem  Gregor 
Naz.  beigelegt;  die  Autorschaft  unseres  Gregors  hat  aber  an  den 
Zeugnissen  des  Rufin  (h.  e.  VII,  25)  und  Hieron.  (de  vir.  inl.  65  u. 
Oomm.  in  Eccles.  4)  so  starke  Stützen,  daß  sie  nicht  zu  bezweifeln 


1)  S.  zum  Brief  Draseke  in  d.  Jahrbb.  f.  protest.  Theol.  Bd.  7,  IHSl, 
S.  724 ff.  Abdruck  und  Kommentar  bei  Routh,  Reliq.  Sacr.^  III  p.  256 ff.  Die 
Einteilung  in  Canone»  ist  nicht  ursprünglich.  Bei  dieser  Zerlegung  können 
Stacke  des  Briefs  verloren  gegangen  sein;  das  war  sogar  fast  unvermeidlich. 
Den  Kommentar  des  Zonaras  zum  Brief  gab  D  r  ä  s  e  k  c  heraus,  Zeitschr.  f.  wiss. 
Theol.  Bd.  ,37,  1894,  S.  240  ff. 

2)  Nach  dem  Nyssener  ist  das  Bekenntnis  dem  (Ir.  offenbart  worden  und 
/.war  von  Johannes,  der  ihm,  die  Maria  begleitend,  erschienen  sei  und  ihm  auf 
ihr  Geheiß  die  Formel  mitgeteilt  habe.  Die  Sache  ist  deshalb  interessant,  weil 
<iregorius  in  Pontus  und  Kappadozien  überhaupt  den  Grund  zum  kirchlichen 
Synkretismus  (mit  den  vorgefundenen  Kulten)  gelegt  hat.  Man  kann  auch  ihn 
wie  seinen  großen  Namensvetter  in  Rom  den  „pater  superstitionum"  nennen 
trot2  seiner  sublimen  Philosophie.  —  Das  Autogra])h  der  Formel  war  nach  dem 
Nvsscner  damals  noch  in  Neocäsarea  vorhanden. 


7:5« 


](Mj  Die  Littoratur  des  Morgenlandes. 

ist  K  AVaiin  Gregor  —  aus  ästhetischen  Motiven  —  diese  Arbeit 
niedergeschrieben  hat,  weiß  man  nicht  Nicht  der  hebräische  Text 
liegt  ziiginnde,  sondern  die  LXX. 

5^  Die  nur  syrisch  erhaltene  dialogische  Schrift  „an  Theopomp 
über  die  Leidensunfähigkeit  und  Leidensfähigkeit  Gottes'' '  hat 
nach  ilirem  Charakter  —  sie  ist  ganz  philosophisch  nnd  wurzelt 
in  ihrem  Materialc  in  der  griechischen  Überlieferung  (auch  Ver- 
wandtschaft mit  Methodius  ist  vorhanden)^  —  Anspruch  darauf 
fiir  eine  echte  Schrift  Gregors  zu  gelten,  obgleich  es  auffallend  ist, 
daLi  die  großen  Kappadozicr  sie  nicht  kennen^.  Dagegen  sind 
nähere  Bestimmungen  über  Situation  und  Zeit,  wie  sie  Ryss 
(a.  a.  0.)  und  Dräseke*^  versucht  haben,  als  unbegründet  abzu- 
weisen. 

6)  Eine  von  Basilius  (ep.  210,  5)  zitierte  und  daher  gewiß  echte 
Atakeitg  .yQog  AlXiavov  (einen  Heiden)  ist  untergegangen.  Sie 
gab  den  Sabellianern  —  seltsam  genug  bei  einem  Origenesschfiler 
wie  Gregor!  —  Anlaß,  sich  auf  den  gefeierten  Bischof  zu  berufen*. 

7)  Für  echt  darf  man  auch  den  rein  philosophischen  Xoyoq 
y.uf(OMioy6r}q  jciqI  ^pvxfjg  JtQog  Taxiavov  halten.  Daß  er  nicht  etwa 
mittelalterlich,  sondern  alt  ist,  bezeugen  das  syrische  Bruchstfict 
das  Lagarde  (Anal.  Syr.  p.  31)  und  zwei  Mss.  saec.  VIIL,  und  die 
syrische  Übersetzung,  die  A.  Smith  Lewis  (Stud.  Sinait  I,  1894, 
iS.  19 ff.)"  aus  einem  Cod.  saec.  VII  veröffentlicht  haben.  In  der 
Übersetzung  steht  allerdings  der  Name  Gregors  nicht,  aber  der  Anfang 
der  Schrift  fehlt,  und  so  ist  die  ganz  unbestimmte  Überschrift  „von  dem 
Philosophen"  ergänzt  worden.  Dräseke  ist  es  gelungen,  ein  äußeres 
Zeugnis  fdr  den  in  den  griechischen  Handschriften  dem  Gregor 
beigelegten  Logos  zu  entdecken,  nämlich  bei  Nikolaus  von  Methone 

1)  K  Oft  seh  an  will  auch  s?tilistischo  Cbereinstimraungen  mit  der  Dank- 
n«!»*  l)eiii»M*kon. 

2)  Doiitsdi  bei  Ryssol,  a.  a.  0.  S.  73ff.,  s.  auch  S.  118ff. 

:])  S.  Overheck  in  d.  Thool.  Lit.-Ztg.  1S81  Kol.  280,  Bonwetsch  in 
i\i'V  l»rot.ost..  RKnzykl.3  \M\.  7  S.  löTf. 

\)  Di«'  Fia^o  «lor  Lfidr'Tisfiihigkcit  (lottes  hat  mit  den  christologisclien 
Stivitif]fkrit«Mi  nichts  zu  tun,  sondern  wird  im  apologetischen  Sinne  (gegen  di»* 
ir«Md»'n)  b«'handelt.  Da.  die  Schrift  nicht  christlich  im  spezifischen  Sinne  de>' 
Wortes  ist,  hat  sio  wohl  Ixm  den  Kappadozir-rn  keine  Beachtung  mehr  gefunden. 

:►)  S.  Jahr!)b.  f.  luotcst.  Thol.  i).  Bd.,  IKS.%  S.  G34ff.  Die  Meinung,  di.» 
frhrift  nnisso  vor  die  Risohofsweihe  (Jrejrors  fallen  (so  Ryssel  u.  auch  Barden- 
Jicwer,  l*atrolo«rit-2  s.  l.')l\  wird  der  Tatsache,  daß  firegor  auch  als  Bischof 
i»«'lij^ionsphilosoph  jx«'blii*ben  ist,  nicht  j^t  recht. 

•  I)  l'nterj^ccrantr«'n   sind  auch    die  Briefe,    von  denen  Hieronymus    (De  vir. 
Inl.  \\'))  spricht. 

7)  Di'ntseho    (  bcrscfzunir    von    Kyssel    im  Rhein.  Museum    N.  F.  Bd.  ."d. 

i^!m;.  s.  jff.  s.  :{i«tf. 


Gregorius  Thaumaturgus.  ]\)[ 

(Ztschi-.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  39,  1896,  S.  I6G  ff.,  und  Byzant.  Ztschr. 
Bd.  5,  1896,  S.  362).  Das  Zeugnis  ist  aber  zu  spät,  und  die  Be> 
hauptung,  Nikolaus  habe  hier  den  Prokop  ausgeschrieben,  falsch. 
Innere  Gründe  gegen  die  Echtheit  sind  m.  E.  jedoch  nicht  vor- 
handen ^ 

8)  Ebenfi|lls  als  echt  wird  sich  die  Schrift  „an  Philagrius 
(Evagrius)  über  die  Wesensgleichheit"  erweisen.  Im  Syrischen  ist 
sie  unserem  Gregor  zugeschrieben,  im  Griechischen  steht  sie.  wie 
Dräseke  zuerst  erkanntet  sowohl  unter  den  Werken  des  Gregor 
von  Naz.  (Migne,  Bd.  37  Kol.  383)  als  unter  denen  des  Gregor  von 
Nyssa  (Migne,  Bd.  46  Kol.  1101  ff.)  unter  dem  Titel  IIqo^  EvayQior 
fiovaxop  JitQl  ^eoTfjzog.  Sie  ist  aber  mit  der  Schrift  „an  Theo- 
pomp"  blutsverwandt,  zeigt  nirgendwo,  daß  die  arianischen  Kämpfe 
ihr  vorausgegangen  sind,  und  hat  die  philosophische  Art  des  Thau- 
maturgen  ^ 

Dagegen  sind  die  fünf  nur  armenisch  überlieferten  Homilien, 
die  Pitra  (Anal.  S.  IV  p.  134  ff.  156  ff.  386 ff*.  404  ff.)  zuerst  ediert 
hat,  sämtlich  zu  verwerfend  Loofs  hat  das  bereits  für  die  zweite 
bis  fünfte  nachgewiesen  (Theol.  Lit-Ztg.  18S4,  Kol.  551  fi'.);  aber  das, 
was  er  zur  Eechtfertigung  der  ersten  beibringt  (V^er  wand  tschaft 
mit  der  Schrift  an  Theopomp),  reicht  nicht  aus,  um  ein  Stück,  das 
in  einer  so  verdächtigen  Umgebung  steht,  zu  halten  \  Es  sind  uns 
überhaupt  keine  echten  Homilien  Gregors  überliefert;  denn  die 
fünf  griechisch  (z.  T.  auch  syrisch  und  armenisch)  überlieferttii 
Predigten  auf  Maria  Verkündigung  (drei),  auf  das  Fest  der  Erschei- 
nung und  auf  alle  Heiligen  tragen  den  Stempel  der  Unechtlieit  an 
der  Stirn. 

Des  Nachweises  der  Unechtheit  der  Schrift  7/  yMrc.  (ii{to^ 
jtloxig  (Caspari  a.  a.  0.  S.  65  ff.)  und  der  KB(pa),hia  jttin  jtloxHo^ 
iß'  (Funk,  KGesch.  Abhandl.  u.  Unters.  Bd.  2,  S.  329  ff.)*'  bedarf  es 

1)  Wad  es  mit  dem  Xöyoq  ngbq  <pvkaxit)QiOv  V''7V?  *ö^  awfjLaio^  im  Cod. 
i*arits.  Suppl.  Gr.  920  saec.  X.  auf  sich  hat,  wi»^^en  wir  noch  immer  nicht,  da 
die  Uandüchrift  noch  nicht  eingesehen  ibt  (dazu  eine  Notiz  bei  Elirhard,  Die 
altchriatliche  Litteratur,  1900,  S.  ;]ül). 

2)  Patrist.  Abhandlungen,  lasO,  S.  lOSft. 

.3)  So  auch  Bonwetsch,  a.  a.  0.  S.  ir»8,  s.  aucli  Ky««*el  in  dm  .lahrhb. 
f.  j.roteet.  Theol.  Bd.  7,  1881,  S.  505  ft. 

4)  Auch  eine  Bechste,    die  Conybeare  zuerst  veröttentlicht  hat  im  ,.Kx 
jioaitor**,  189C  I  S.  101  ft".     Conybeare  hält  «ie  für  echt.     Ein  Verlaß  ist  auch 
hier  nicht. 

5)  Dazu  kommt,  daß  das  besondere  Interesöe  an  der  Virginität  der  Maria 
post  partum  im  8.  Jahrh.  etwas  auffallend  ibt.     8.  auch  Bonwetsch,  a.  a.  C>. 

C)  S.  auch  Dräseke,  Patrist.  Abh.  S.  7Sft.  und  Laudiert  in  der  Tüb. 
Quartalschr.  19(K)  S.  895  ff. 


\i)2  ^i<^  Littenitur  des  Morgenlandes. 

nicht  mehr,  obgleich  die  letzteren  in  den  SS.  ParalL  (s.  Holl  in 
den  Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  2  S.  158)  als  Eigentum  unsere» 
Gregor  zitiert  werden. 

Die  Fragmente  können  hier  nicht  untersucht  werden.  Allei» 
Exegetische  unter  Gregors  Namen  ist  verdächtig,  da  er,  wie  nicht  als 
Homilet,  so  auch  nicht  als  Exeget  bezeugt  ist.  Das^  schließt  aller- 
dings nicht  aus,  daß  aus  echten  Werken  kurze  Bemerkungen  über 
Bibelstellen  ausgezogen  worden  sind  (s.  eine  solche  in  den  SS. 
Parall.  p.  159  zu  I  Kor.  8,  4).  Die  ausführlichsten  exegetischen 
Fragmente  sind  die  in  der  Catena  Ghisleri  (abgedruckt  bei  Rys- 
sel  S.  55  flF.,  der  S.  43  ff.  auch  dogmatische  Fragmente^  publiziert 
hat)  2. 

4)  Flrmilian,  Bischof  von  Cäsarea  Kapp. 

Dieser  Bischof,  der  eine  ähnliche  ökumenische  Stellung  ein- 
genommen  hat  wie  seine  Zeitgenossen  Dionysius  von  Alexandrien 
und  Cyprian  von  Karthago,  taucht  für  uns  auf  als  Bischof  von 
Cäsarea  unter  Alexander  Severus  (s.  Euseb.,  h.  e.  VI,  26)  ^  und  als 
Verehrer  des  Origenes,  mit  dem  er  korrespondierte,  den  er  zu  sich 
nach  Cäsarea  rief  und  zu  dem  er  nach  Palästina  reiste  (s.  oben 
S.  33  f.  47  ff.).  Daß  ihn  Origenes  für  das  Christentum  gewonnen  hat. 
wie  Gregor  von  Nyssa  sagt,  ist  unwahrscheinlich.  Dagegen  ist 
die  Nachricht  desselben^  gewiß  zuverlässig,  Gregorius  Thaum.  sei 


1)  Das  uiufangreichsk^  dogmatische,  nur  arabisch  erhaltene  Fragiueut 
(Ky  ssel  S.  44 ft*.)  ist  unecht;  denn  die  chalcedonensischen  Bestimmaugen  scheinen 
vorausgesetzt,  und  im  H.  Jahrh.  hat  man  schwerlich  die  Frage  erörtert,  ob  die 
Trinität  durch  die  Menschwerdung  ein  incrementum  erlitten  habe.  Es  muß 
übrigens  dieses  Fragment  zusammengehören  mit  einem  anderen  (griechischen  i, 
das  sich  in  einem  Wiener  Kod.  befindet  (Ryssel  8.  40)  und  mit  den  Wort-eii 
beginnt:  ix  kBv  xaO^  ^f*äQ  ioti  yvwvai  xa  vTihg  rnnäq;  denn  in  dem  arabischen 
Fragment  st^'ht  (S.  45)  Verwandtes.  —  Ein  paar  Fragmente  des  Pamphilus  sind 
im  Syrischen  unter  den  Namen  des  <iregor  geraten. 

2)  Zur  Kritik  der  von  Pitra  veröffentlichten  Fnigmente  s.  Loofs  in  d. 
Theol.  Litztg.  1884  Nr.  2:1.  —  In  bezug  auf  die  Notiz  S.  480  im  1.  Teil  diese* 
Werkes  bemerkt  Ehrhard  (a.  a.  0.  8.  357):  „Die  Angabe,  daß  in  dem  Cod. 
Vatic.  18()2  eine  Expositio  in  prov.  Salom.  unter  (iregors  Namen  stehe,  ist 
falsch;  denn  in  dem  von  V.  Batiffol,  M61.  d'arch.  et  d'hist.  0  (1880)  p.  28—48, 
publizierten  Katalog  der  griech.  Handschr.  des  Bischofs  Lollino  von  Belluuo. 
die  in  die  Vaticana  kamen,  steht  bei  dem  Kod.  US  =  Vatic.  1802  der  Nam^ 
in-egors  Naz.,  u.  nur  eine  Notiz  von  späterer  Hand,  die  Batiffol  filr  die  de^ 
Leo  Allatiuß  hält,  äußert  den  Zweifel:  „Vide  an  sit  Gregorii  Neocaesar"." 

3)  Das  iv  rovzip  (Euseb.  VI,  2<))  geht  nicht  auf  das  einige  Zeilen  vorher 
genannte  bestimmte  Jahr  des  Alexander,  sondern  auf  seine  Regienmg  überhaupt. 

4)  Vita  (iregorü  Thaum.  l)ei  Migne  T.  40  Kol.  005. 


Firmilian,  Bischof  von  Cäsarea  Kapp.  —  Pamphilu».  103 

mit  Firinilian  —  rcip  evjtaxQiöAv  Kajtjtaöoxag,  xoofiog  tJjg  kxxXrj- 
olaq  xäv  KaioaQicov  yBrofiepog  —  (bei  Origenes)  zusamniengetroflFen  ^. 
Nachdem  Firmilian  auf  den  beiden  ersten  antiochenischen  Synoden 
gegen  Paul  mitgetagt,  vielleicht  ihnen  präsidiert  hatte  \  starb  er  auf 
der  Reise  zur  letzten  Synode  in  Tarsus  (Euseb.  VII,  30,  3  ff.),  also 
im  J.  268.  Er  ist  demnach  c.  40  Jahre  Bischof  gewesen.  In  dieser 
Zeit  hat  er  in  Eappadozien  die  Wissenschaft  gepflegt  (in  Nachfolge 
Alezandei*s)  und  an  den  großen,  die  Kirche  bewegenden  Kämpfen 
teilgenommen.  Seine  Stimme  galt,  wie  die  Briefe  des  Dionysius 
(bei  Euseb.  VI,  46,  3;  VII,  5, 1.  4)  und  Cyprian  beweisen,  als  be- 
sonders gewichtig.  Basilius  d.  Gr.  erwähnt  (De  spiritu  s.  29,  74) 
„Aoyoi''  von  ihm;  aber  es  ist  nichts  bekannt^.  Dagegen  liegt  ein 
Schreiben  von  ihm  im  Ketzertaufstreit  an  Cyprian  in  lateinischer 
Übersetzung  vor,  über  dessen  Zeit  und  Integrität  sub  ,, Cyprian" 
zu  handeln  ist,  da  es  uns  allein  in  dessen  Briefsammlung 
(ep.  75)  erhalten  ist  und  nur  von  ihr  aus  beleuchtet  werden  kann. 
Stephanus  von  Rom  hat  ihn  exkommuniziert  (Dionys.  Alex,  bei 
Euseb.,  h.  e.  VII,  5,  4).  Die  Nachricht  des  Moses  Choren,  (bist. 
Armen.  II,  75)  über  „viele  Bücher",  die  Firmilian  geschrieben  hat, 
und  über  eine  Verfolgungsgeschichte  in  der  Zeit  des  Maximian  (?), 
Decius  und  sodann  in  der  Zeit  des  Diokletian  [l)  richtet  sich  selbst. 
Ob  ihr  etwas  Haltbares  zugrunde  liegt,  läßt  sich  nicht  entschei- 
den. Man  kann  daran  denken,  daß  in  dem  bei  Cyprian  erhalteneu 
Brief  des  Firmilian  die  Verfolgung  des  Maximinus  Thrax  geschil- 
dert ist 

5)  Pamphilas. 

Pamphilus,  der  Verehrer  des  Origenes  und  der  Verehrte  des 
Eusebius^,  ist  unsterblich  geworden  durch  seine  Sorge  für  die  nach- 
gelassene Schriftstellerei  des  Origenes  und  für  die  Bibliothek  in 

1)  Die  Märtyrerin  Capitoliua  in  Cäsarea  Kapp,  rühmte  sich  (z.  Z.  Dio- 
kletians), daß  sie  aus  dem  Geschlechte  Firmilians  stamme  (b.  Tillemont, 
M6m.  IV  p.  300). 

2)  Schon  vorher  (im  J.  250. 1)  hatte  er  sich  an  der  novatianischen  Kontro- 
verse beteiligt,  hatte  zu  einer  antiochenischen  Synode  mit  eingeladen  (Dionys. 
Alex,  bei  Euseb.,  h.  e.  VI,  46,  3)  und  hatte  (1.  c.  VII,  5,  1)  den  Novatianismus 
verworfen. 

H)  Man  kann  vermuten,  daß  sie  nicht  publiziert  waren,  sondern  daß  sie 
Basilius  im  Kirchenarchiv  von  Cäsarea  gefunden  hat. 

4)  Aus  dem  Beinamen  „Famphili"  des  Eusebius  (<plXog  tov  11.),  den  er 
sich  selbst  gegeben,  schlössen  Spätere  (cf.  Niceph.  Call,  h,  e.  VI,  37),  er  sei  der 
Sohn  bez.  der  Neffe  des  Pamphilus  gewesen.  „Necessarius"  sagt  Hieronymus, 
de  vir.  inl.  75.  Verwandtschaft  mit  Eusebius  ist  durch  h.  e.  VII,  32,  25  aus- 
geschlossen,    cf.  Sokrat.,   h.  e.  111,   7.     Nach   Photius   (ep.  73)   war   Eusebius 


'     ;  hl'-  iJtt»*rdtiir  dv^  Mnr^enlainlr-r. 

-.v-.rra.  3Iit  eigener  Hand  hat  er  Origenes  Kodizes  abgeschrielHrn. 
:;::e::  KataloL'  der  Werke  des  O.  und  anderer  in  Cäsarea  befind- 
.i'rher  BQch^-r  abgefaßt  .'s.  o.  sub  ^origenes**»  und  zahlreiche  Bibel- 
•exte  konveniert  bez.  korrigiert  und  verbreitet.  Was  in  dieser 
ilin^icht  im  ].  Teil  dieses  Werkes  S.  543  ff.  zusammengestellt 
worden  i.st.  bedarf  teils  der  Korrektur,  teik  der  Ergänzung  K  Doch 
kann  das  hier  nicht  nachjreholt  werden.  Eine  genaue  umfassende 
r'ntersuchiing  über  die  Eigenart  und  die  Verdienste  des  Pamphilus 
Hill  die  Bewalirun^r  eines  guten  Bibeltextes  und  über  den  Umfang 
seiner  Tätigkeit  ist  ein  dnngendes  Bedürfnis. 

Pampliihis  kann,  da  er  aus  Berytus  stammte  (s.  Mart  Pal, 
Texte  u.  Unters,  Bd.  14  H.  l,  S.  85»,  als  Kind  den  Origenes  noch 
jreselien  haben,  aber  darüber  ist  nichts  bekannt  Nach  Eusebins 
war  er  aus  voineinnein  Geschlecht,  lebte  früher  wie  ein  Vomehnier 
und  hat  sich   nur  ausgezeichneten  Männern  angeschlossen'-;   nach 

<1»T  Sklavi*  <lrs  i'aiii|>hiliis  —  ,.a  l»luinl»Tinj;  lit«Tali«iu  or  an  i^oble  «lrca^lu" 
«Li j/l»tfor)t).  WUn*  <l«T  lih.  II  de  tid»*  adv.  Sabt'llium  (Migne,  Ser.  (ir.  -4 
I».  \(i)[i)  vr»ri  Kusr})ius.  ro  war»'  «Irr  ,,}»Kitus  illt*  vir",  der  dort  genannt  ist,  wohl 
rainpliiluf'.  Aber  dtT  Traktat  i>t  mit  ll()ch^t♦'r  Wahrscheinlichkeit  uns»'n*m 
Kii«<b.  ahziiKjinMthcii. 

1)  S.  Khrhard  in  «l.  Könj.  i^iaitalKchr.  Bd.  f)  (ISOl)  S.  1>-Jlff.  u.  CentralM. 
t.  Hil^liotll»•k^w^'S('n  \U\.  s  (ISlUi  S.  :>S5,  HouBset  in  den  Texten  n.  Unt<•r^. 
Hd.  11  H.  1,  ISIM,  S.  \')iy.,  von  I)o]>s(hütz,  Kuthaliusstudien  in  der  Zte^chr.  f. 
K(MMb.  IM.  lU,  ISÜ'.K  S.  loTH'..  v<»n  der  (loltz,  Text<*  u.  Unters.  Bd.l7  H.  4,  I^IH«, 
S.  \1\\'.,  Lin<ll.  Dir  Oktat<Mulikat«'n«'  und  die  LXX-Foröchung,  lfK)2,  u.  ai.  Von 
•  •iiirr  i.laimiiUiij^'on  «Mj^fniMi  Bibrln-zension  do  i*ami»hihiB  darf  man  wahrscheiii- 
lirli  so  wrnij;  spn'rht'n.  wi«*  V(»n  einer  sololien  d(»s  Kusehiui?. 

2i  S.  Trxt»*  u.  Int^Ts.  Hd.  M  H.    1  S.  77  (Kubebiiisi:   „VamphiluB  war  au> 
vornehnior  Faniili«'  und  lohto  micli  Land^'s^sittr  wi<*  die  Vornehmen"  (vgl.  S.  7^: 
ranii)hilu>    hirlt  Sklav«Mi;    ,,l*oridiynns,    drr   tnr   (»inen  Sklaven  des  Paml)hilu^ 
«.ralt,    in  dfi-  Lirlic   zu  <ir>tt  al»er  und    im  iM'wnndt'rnswerten  Bekenntnisse  sein 
Bruder,   ja  noch    njohr  ein    «,'»'1i«'ht«T  Solm  für  «h'u  ]*anii»hilus  war  und  seinem 
Krziohcr  in  alh-m  ^'licli"j.     ......  Mein  Hon*  l*ani]»hilus  —  nicht  anders  ja  darf 

irh  d»'n  ^r<'>ttliohon,  seligen  Pamjihilu«  njMinen  als  mit  der  Anrede  „mein  Herr", 
er,  welcher  sn  tief  in  die  hei  den  (Jrieelien  bewunderte  Bildung  eingedrungen 
war,  dem  es  zu  seiner  Zeit  in  der  Kenntnis  der  dem  göttlichen  Geist<?  ent- 
stammt4«n  Schrift  und  des  ganzen  l'mfangs  der  göttlichen  Wissenschaft  niemand 
gleich  tat."  S.  S3:  „Kr  hat  ein  außerordentlich  nilimeswertes  Leben  geführt: 
denn  ««r  verschnn'ilite  und  verwarf  Reichtum  und  Hoffart  und  ergab  sich  dem 
Worte  (iottes.  Alles  urimlich,  was  ihm  von  seinen  Klt^rn  überkommen  war, 
verkaufte  er  und  verteilte  es  unt-er  die  Nackten,  Klenden  und  Armen.  Kr  aber 
blieb  in  bedürftigem,  besitzlosem  Lel)en  [ist  cimi  grano  salis  zu  verstehen]  und 
beschilft-igt^'  sich  mit  andauerndem  Studium  der  göttlichen  Pliilosophie.  Daher 
hattv  er  Berytus  verlassen,  woselbst  er  zugleich  an  Körper  und  Erziehung  groft 
geworden  war,  und  schloß  sich,  um  sein  Wiss(»n  und  seinen  Verstand  zu  bilden, 
an  vollkommene  Männer  an,  etc." 


i\iini»liilii<.  !().", 

Photius  (Cod.  118.  119)  war  er  in  Alexaiidrieii  Schüler  des  Pierius 
(über  dessen  Zeit  s.  o.  S.  66 ff.):  er  wurde  dann  Presbyter  in  Cäsarea 
(Euseb.,  h.  e.  VI,  32;  VII,  32;  VIII,  13;  Mart.  Pal.  11.  3),  auch  Vor- 
steher einer  Schule  und  ist  daselbst  in  der  Verfolgung  des  Maxi- 
minns  Daza  am  16.  Februar  309 '  mit  dem  Schwerte  hingerichtet 
worden,  nachdem  er  am  5.  November  307  (De  nmrt.  Pal.  7;  Texte 
u.  Unters.  Bd.  14  H.  4,  S.  58  f.)  ins  Gefängnis  geworfen  worden  war. 
Die  von  Eusebius  verfaBt^  Biogiaphie  in  drei  Büchern   (De  mart. 
Pal.  11,  3;    Hieron.  adv.  Ruf.  1,  9)    ist    nicht  auf  uns  gekoinmen, 
ebensowenig  die  des  Pierius,  der  —  ein  seltener  Fall  -     seinen 
Schüler  verherrlicht  hat  (s.  unter  ,.Pierius*).    Die  MuBe  im  Ge- 
fängnis benutzte  P.,  um  mit  Eusebius  zusammen  eine  Apologie  tVir 
Origenes  (AjioXoyla  vjtIq  'SiQiytvov^)  zu  schreiben  (gewidmet  den 
palästinensischen  Konfessoren) ,  deren   1.  Buch   uns   in  der  nicht 
überall  treuen  Übersetzung  des  Rufin  erhalten  ist  (sonst  nur  wenige 
Fragmente)^.    Ein  6.  Buch  hat  Eusebius  hinzugefügt.    Das  Werk 
•Buch  1 — 5)  ist  keineswegs,  wie  Hieronymus  in  si)äterer  Zeit,  um 
den  berühmten  Märtyrer  angeblich  zu  entlasten,   glauben  machen 
tollte,  wesentlich  die  Arbeit  des  Eusebius;  dagegen  protestieren 
i'^usebius   (h.  e.  VI,  33j,    Photius  (Cod.  HS.  117)    und  Hieronymus 
>^elbst  (in  jener  Zeit,  da  er  noch  weniger  log,  s.  de  vir.  inl.  7:)). 
^lan  hat  nach   den  besten  Zeugnissen  vielmehr  umgekehrt  anzu- 
i^ehmen,  daß  Pamphilus  der  eigentliche  Verfasser  von  Buch  1 — 5 
ge-wesen  ist.    Von  Briefen  des  P.  weiß  Hieronymus  auf  (irnnd  der 
ßiogi-aphie  (adv.  Enf.  I,  9:  11,  23)  ^    Was  sonst  noch  genannt  wird, 

1)  Das  Jahr  VM  Hißt  :*ich  aus  d«Mi  Anfraboii  «Ics  Kiisclnus  iHTi'chnen:  Paiu- 

l'uilus  wurde  am  r>.  Nov.  307  wnUn-  Urhanus  mit  mohrcroii  (irnosKeii  vt'rhaftt^t, 

^iiR  „zwei  Jahre"  im  (Gefängnis  (cf.  Text<'   u.  Unters.  IUI.  1-1  IL   1  S.  SOf.)    und 

^urde  unter  Firmilianiip  hinj^crichtot.    Der  IG.  F<d»niar  (Scl»fitj  steht  iuu*h  S.  SS 

^'''<  cf.  De  mart.  Pal.  11,  7. 

2)  S.  Routh,  Keliq.  Sacr.^  111  ]i.  ISTtt".  IV  p.  :j:;!»ir.  Nach  Socrat.,  h.  r. 
'^,27  war  ihr  die  Dankrede  de.-<  (Iregor.  Thauni.  an«;ehänj^t.  Daraus  erklärt 
*'^  sich  vielleicht,  daß  Fragmeute  der  Apologie  im  Syriselien  unter  den  Namen 
*!•«  riregor.  Thaum.  gerat^»n  sind  —  rUt^elhaft  freilieli,  daß  sie  dabei  die  Auf- 
'^'hrift  „ex  sermone  de  re8urr(*ctione*'  erhalten  haben;  s.  Hyssel,  (Jregor.  Thaum. 
^'.  47ff.  Kin  syrisches  Stück  findet  sich  nicht  untvr  den  griecliischen  Frajx- 
^Uenten.     Kinnicht  in  die  Apologie  hat  Sokrati^'s  luurh  h.  e.  111,  7  genommen. 

H)  Adv.  Ruf.  1,  U:  „li^se  Kusebius  amator  t-t  pnieeo  vt  contubernalis  Vani- 

I'hili  tres  libros  scri{>8it  elegautissimos  vitam  Vamidiili   eontiuentes,    in   quibus 

(.am    cetera  miriä   laudibus  praedicaret   luimilitatemque  eins  ferret    in  ciuduni, 

♦  tiam  hoc   in  t-ertio  libro  addidit:    „Queis  studio^orum    amicus  non    fuit  Tani- 

j'hilus?     si  qu08  videbat  ad  victum  ne(?essariis   indigere,   juaebebat  large   qua»» 

poterat.    scripturas  quoque  sanctas  non  ad  legendum  tantum,  sed  ad  habenduni 

tribuebat  promptissime,    nee  solum  viris  sed  et  feminis,   (juas  vidisset  lectioni 

d»Klita«.     nnde   et  multos    eodiees  ])raei)ar»ibat,    ut  cum    necessit^is    i>oi»osci!*sft 


106  ^i*^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

ist  sehr  zweifelhaft  oder  positiv  falsch  (so  eine  aDgebliche  Schrift 
adv.  matlieniaticos ,  s.  Gennadius  de  vir.  inl.  17).  Die  Pasdo  SS. 
Pamphili  et  sociorum  ist  ein  Bruchstück  ans  Eusebius'  größerem 
Werk  über  die  palästinensischen  Märtyrer  (neu  ediert  in  den  Ana- 
lect.  Bolland.  Bd.  16  [1897J,  p.  129  flF.,  cf.  Violet  in  den  Texten  u. 
Untersuch.  Bd.  14  H.  4)^. 

6)  Eusebins  Ton  Cäsarea.^ 

Eusebius  (von  Cäsarea,  von  Palästina,  der  Palästiner)  war 
jedenfalls  Palästinenser  und  wahrscheinlich  Cäsareenser  von  Geburt; 
daß  er  in  Cäsarea  getauft  ist  (s.  den  Brief  an  die  dortige  Gemeinde, 
c.  2),  läßt  sich  allerdings  nicht  mit  Gewißheit  folgern  (gegen 
Lightfoot  p.  ;J09).  Sein  Geburtsjahr  kann  schwerlich  später  als 
um  260 — 265  angesetzt  werden  (mit  Lightfoot  p.  309  gegen 
Preuschen,  REnzykl.^  Bd.  5  S.  60Sf.:  c.  275—280);  denn  (1)  rechnet 
er  (h.  e.  VII,  26.  31;  V,  28;  III,  28;  Theophan.  IV,  30)  sein  Zeit- 
alter von  der  Zeit  der  beiden  Dionyse  an,  die  247/8—264/5  bez. 
259 — 268  regiert  haben,  und  schließt  Paul  von  Samosata,  Mani  etc. 
ausdrücklich  in  dasselbe  ein,  (2)  muß  er  lange  Zeit  hindurch  mit 
Pamphilus  zusammengearbeitet  und  die  erstaunlich  umfangreiche 
Durchforschung  der  cäsareensischen  Bibliothek  zum  Zweck  chrono- 
logischer, litteraturgeschichtlicher  und  historischer  Studien  bereits 
abgeschlossen  haben,  als  die  große  Verfolgung  hereinbrach  \  Jünger 

voleutibiiö  largiretur.  ».»t  ipso  quidem  proprii  operis  niliil  oiunino  scripsit  ex- 
c«*i>tis  opistolis  [Dieties  Zougiüö  des  Eusebius  entöcheidet  gegen  alles,  was  dein 
l'.  au  vSchriffx^n  beigelegt  worden  ist],  quaa  ad  amicos  forte  mittebat  [Eusebiu^^ 
hat  t*i(^  nicht  genehcn,  sondern  setzt  sie  nur  vonuwj,  in  tantuni  se  humilitate 
deiecerat.  veterum  aut^ni  tractatns  scriptorum  logebat  studiosissime  et  in  eoruiii 
nieditatione  iugiter  verHabatur."*' 

1)  Vgl.  S.  (27).  28  f.  41).  oStf.  74— 7S.  S:i— ST).  87 f.  Ol  f.  94.  96.  99.  ICßf. 
(li:}.  11')).  117.  109. 

-)  Dil'  gründlicliHte  Arbeit  nach  den  Bemühungen  des  unsterblichen  Vale- 
sius  ist  noch  immer  der  Artikel  „EnEscbins"  von  Lightfoot  im  Dict.  of  Christ. 
Hiogr.  Vol.  il  (1880)  p.  Hi^fW  Die  Überlieferungsgeschichte  hat  Preuschen 
im  I.  Teil  dieses  Werkes  S.  551  ff.  behandelt  und  in  der  Protest.  REnzykl.' 
B<1.  5  S.  ()05ff.  den  Artikel  „Eusebiucj"  verfaßt.  Dort  ist  die  wichtigste  Litteratur 
bis  z.  .1.  1897  zusammengestellt,  auf  welche  ich  verweise.  In  der  Berliner  Aus- 
gabe der  griechischen  KW.  ist  bisher  die  Vita  Constantini  mit  den  zu  ihr 
g»*hOrigen  Schiiften  (Heikel,  1902)  und  die  Historia  eccl.,  Buch  I— V  (Schwartz 
]^.K):>)  erschienen.  Buch  VI — X,  das  Tontxov  (Kl ostermann)  und  die  „Theo- 
phania"  ((ireßniann)  sind  unter  der  Presse.  Eine  Monographie  über  E.  hat 
im  19.  Jalirh.  nur  Stein  (Würzburg,  iSöii)  zu  verfassen  versucht. 

;3)  Dies  folgt  aus  der  Beobachtung,  daß  nach  den  Eclog.  prophet.  1,  1  die 
i  'hronik  damals  l)ereits  erschienen  war.    Die  Eclogae  selbst  aber  sind  mitten  in  der 


Eusebius  von  Cilsarea.  107 

als  etwa  vierzig  Jahre  kann  er  doch  nicht  gewesen  sein,  als  er 
die  ungeheuren  Stoffe  bewältigt  hatte. 

Wann  er  mit  Pamphilus  den  Freundschaftsbund  (h.  e.  VII,  32), 
in  dem  sich  Eusebius  als  der  Empfangende  wußte  (nach  P.  hat 
er  sich  genannt),  geschlossen  hat,  ist  unbekannt.  Dieser  Bund  ist 
fast  das  Einzige,  was  wir  aus  älterer  Zeit  von  E.  wissen  (Vita  Con- 
stant  1, 19  hören  wir,  daß  E.  den  Diokletian  und  Konstantin,  als 
sie  durch  Palästina  reisten,  gesehen  hat,  im  J.  296).  In  der  Ver- 
ehrung für  Origenes  und  seine  Wissenschaft  schlössen  sie  sich  zu- 
sammen: sie  haben  diese  Verehrung  bewährt,  indem  sie  sein  Werk 
mit  eisernem  Fleiß  konservierten  und  fortsetzten.  Sie  vermehrten, 
ordneten  und  katalogisierten  die  Bibliothek,  konservierten,  kopierten 
und  korrigierten  die  Handschriften,  durchforschten  die  Bibel  nach 
dem  Vorbild  ihres  Meisters,  und  Eusebius  exzerpierte  Tausende 
von  Rollen  und  Büchern  heidnischer  und  altchristlicher  Schrift- 
steller, um  den  Bibelglauben  zu  rechtfertigen  und  zu  vertiefen. 
Ordnung,  Sauberkeit,  Zuverläßigkeit  —  unter  diesen  hellen  Sternen 
steht  die  bibliothekarische  und  wissenschaftliche  Arbeit  des  Eu- 
sebius. Ob  er  vor  303  zum  Presbyter  geweiht  worden,  ist  min- 
destens unsicher  (gegen  Lightfoot  p.  309).  Wir  wissen  überhaupt 
nicht  daß  er  Presbyter  gewesen  ist. 

In  der  Zeit  von  303—313  ist  Eusebius  sowohl  in  Cäsarea  unter  den 
gransamen  Statthaltern  ürban  und  Firmilian,  als  in  Tyrus,  als  zuletzt 
anch  in  Ägypten  Augenzeuge  der  furchtbaren  Leiden  der  Christen 
gewesen  (Cäsarea  und  Ägypten  waren  Mittelpunkte  der  Verfolgung). 
Ini  letzteren  Lande  war  er  am  Schluß  der  Verfolgung  (311—313 
wd  ist  vielleicht  selbst  vorübergehend  von  ihr  betroffen  worden, 
doch  ist  das  nicht  sicher;  in  Cäsarea  war  er  jedenfalls  am  Anfang 
ond  in  der  Zeit  vom  Nov.  307— Febr.  309  (in  dieser  Zeit  war  Pam- 
phUus  im  Gefängnis,  und  Eusebius  war  es  vergiinnt,  ihn  unge- 
hindert zu  besuchen);  in  Tyrus  war  er  wohl  nur  vorübergehend 
(die  Daten  sind  aus  der  größeren  Ausgabe  der  Mart.  Pal.  zu  ge- 
^nen,  cf.  h.  e.  VIII,  2;  VIII,  7—9).  Wie  er  selbst  dem  Geföngnis 
nnd  dem  Tode  entgangen  ist,  wissen  wir  nicht.  Potammon  von 
Beraklea  hat  ihm  auf  dem  Konzil  zu  Tyrus  den  Verdacht  ins 
Gesicht  geschleudert,  er  habe  wohl  geopfert  oder  etwas  ähnlich 
Greuliches  getan  (bei  Epiphan.,  haer.  68,  8);  begründet  ist  der 
Verdacht  nicht,  und  er  ist  wohl,  da  keiner  der  vielen  Feinde 


VerfolgUDgBzeit  geschrieben  (s.  I,  8).  Also  ist  die  bibliothekarische  Arbeit  für 
die  Chronik  1 — 2  Jahrzehnte  finiher  gemacht,  und  die  Ausgabe  kann  nicht  später 
als  bald  nach  303  fallen,  wohl  aber  frilher. 


10^  Die*  hitti'ratur  des  Morjrenlamles. 

des  Eusebius  sonst  ilin  erhoben  hat,  als  eine  Verleumdung  abzu- 
'W'eiseu '. 

Zum  Bischof  von  Cäsaiea  ist  E.  nach  dem  J.  313,  aber  nicht 
später  als  315  gewählt  worden;  denn  die  Rede  bei  der  Einweihung 
der  Kirche  von  Tyius  (h.  e.  X,  4)  kann  nach  der  Stelle,  die  ihr  iu 
der  KG.  aufgewiesen  ist,  und  nach  ihrem  Inhalte  nicht  nach  dem 
J.  315  (wohl  aber  ins  J.  314)  fallen,  und  während  der  noch  toben- 
den Verfolgung  ist  er  schw^erlich  gewählt  worden;  das  würde  er 
uns  erzählen.  Daß  ei-  dem  Agapius  direkt  gefolgt  ist  —  die  Aus- 
drucksweise in  h.  e.  Vll,  32  ist  der  Annahme  nicht  günstig  — ,  ist 
wahrscheinlich,  aber  nicht  gewiß  ^. 

.1.  325:  E.  auf  dem  Konzil  zu  Nicäa,  nachdem  er  bis  dahin  füi* 
Arius  (aucli  schriftlich  bei  Alexander  von  Alexandrien)  eingetreten 
war,  wenn  auch  vielleicht  von  Anfang  an  nicht  so  unbedingt,  wie 
Arius  und  Eusebius  von  Nikomedien  annehmen  (s.  bei  Theodoret. 
h.  e.  I,  4  u.  1,  5);  Sozom.,  h.  e.  I,  15.  Daß  er  dem  Konzile  formell 
präsidiert  hat.  ist  eine  nicht  zu  erweisende  Meinung;  aber  fest 
steht,  daß  er  zur  Rechten  des  Kaisei-s  saß,  die  panegyrische  Ein- 
leitungsrede an  ihn  hielt-*  —  Konstantin  feierte  damals  gerade 
seine  Vicennalien  -  und  überhaupt  der  geistige  und  wirkliche 
Führer  der  Synode  war  (Vita  Const.  Prooem.;  111,  11;  Sozom.,  Le. 
1.  19),  bis  er  gegenüber  Alexander  und  Athanasius  kapitulieren 
mußte.  Seine  Beziehungen  zu  Konstantin  und  der  kaiserlichen  Fa- 
milie können  erst  nach  der  Besiegung  des  Licinius  begonnen  haben 
(erstes  Dokument,  welches  aber  persönliche  Beziehungen  noch  nicht 
voraussetzt,  Vita  Const.  11,  40).    Walirscheinlich  ist  er  überhaupt 

1)  rotamiuoM  liat  (leui  Kuscb  iiiclit  vor^«'wort\*ii,  daü  er  beiiie  Pflicht  ah 
l'n'hbvtrr  (sofV'ni  vr  Ca öiirca 'verlassen  hat)  vtMietzt  habe.  Auch  ist  die  Tatsache, 
dal)  er  von  der  Verfolgung;  in  Palästina  unbehelligt  blieb,  leichter  vei'standUcli, 
^v^'nn  er  kein  Kleriker  war. 

'J^  Merkwürdig  ist  dit'  Ausdruekswelse  des  Alexander  von  Alex,  in  seinem 
IJrii'i"  an  Alexand«'j-  von  KonstantinoiK'l  (Theodon^t,  h.  e.  1,  8)  in  bezug  auf 
unsern  Eusebius,  I 'aulin  von  Tyrus  und  Theodotus  von  Laodicea  (ßie  sind  ge- 
meint): otx  oid^  onw>:  iv  SvQia  yeLQOTovfi^tvitq  inlaxonoi  xqeZq  6ia  toi* 
ovvuivHv  (cvTOiq  tTii  tu  '/U()Ov  vnfxxaiovoL  (Nösselt  ]i.  740 j.  Was  steckt  hinter 
dieser  Wendung?  —  Nicht  berufen  darf  man  sich  für  die  Annahme,  Eusebius 
sei  dem  Agapius  nicht  direkt  gefolgt,  auf  die  in  dem  ( größeren)  Verzeichnis 
der  Unterschriften  des  Konzils  v(»n  Ancyra  sich  findende  Nachricht,  Agri- 
colaus  sei  als  Uischof  von  Cäsarea  Pal.  Teilnehmer  an  diesem  Konzil  gewesen. 
Der  Syrer  und  das  Synodicon  bieten  „Agapius",  und  das  ist  wahrscheinlich 
korrekt,  da  ein  Bischof  Agricolaus  von  Cäsarea  l*al.  sonst  nicht  genannt  wird 
und  die  Nann.'n  Agiicolaus  und  Agapius  etwas  ähnlich  sind. 

H)  Die  entgegenstehenden  Nachrichten  Theodorets  (h.  e.  1,  0)  und  anderer 
erledigen  sich  duri;h  die  Annahme,  daß  auch  einer  oder  der  andere  der  großen 
Bischöfe  bei  der  Inauguration  einige  Worte  an  den  Kaiser  gerichtet  hat. 


Kusebius  von  CTisan-u.  |()9 

erst  in  Nicäa  dem  Kaiser  nahegetreten;  er  wurde  dann  in  beson- 
derem Sinne  sein  Vertrauensmann  und  genoß  als  großer  Gelehrter 
die  Bewunderung  des  Monarchen.    Dieser  korrespondierte  mit  ihm, 
machte  ihm  konfidentielle  Mitteilungen  —  wahrscheinlich,  damit  er 
sie  weitwbericbte  — ,  hörte  seine  Predigten  und  nahm  lateinisch 
fibersetzte  Traktate  des  E.  dankbar  entgegen  (s,  Vita  1,  28;  II,  0: 
III,  60.  61;  IV,  36;  IV,  45).    Daß  E.  auf  den  Kaiser  theologisch  ein- 
gewirkt hat,  unterliegt  keinem  Zweifel;  wie  tief  diese  Einwirkung 
neben  der  anderer  war,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis.   Für  manche 
kaiserliche  theologische  Eede  mag  er  das  Material  geliefert  haben. 
wenn  auch  die  Behauptung  nicht  begründet  und  an  sich  bei  der 
Eigenart  des  Kaisers  unwahrscheinlich  ist,  daß  er  diese  oder  jene 
Rede   in   extenso    dem  Kaiser   suppeditiert    hat.     Auch  mit  der 
Schwester  des  Kaisers,  Konstantia,  hat  er  korrespondiert  (s.  u.). 

Zwischen  325  u.  330:  Litterarische  Polemik  zwischen  E.  und 
dem  strengen  Nicäner,  dem  „großen"  Eustathius  von  Antiochieii 
(8.  Loofs  in  der  Protest  REnzykl.'^  Bd.  5  S.  ^26;  Socrat.,  h.  e.  I, 
23,8;  VI,  13;  Sozom.,  h.  e.  II,  19). 

J.  331:  Antinicänisch  gerichtete  Synode  zu  Antiochien  (Euse- 

bius  wai"  anwesend,  s.  Äthanas.,  Ap.  c.  Arian.  47).  Eustathius  wurde 

abgesetzt;  man  wünschte  Eusebius  als  Bischof;  er  lehnte  ab  (Vit. 

Const  III,  59  ff.),  weil  er  die  Bestimmung,  daß   ein  Bischof  nicht 

^n  einer  anderen  Gemeinde  übergehen  soll,  nicht  übertreten  wollte. 

J.  334:  Versuch  einer  Synode  zu  Cäsarea,  den  Athanasius  zu 
^t^Srzen  (unter  Beihilfe  des  Eusebius),  Sozom.,  h.  e.  II,  25;  Athanas. 
^^tbriefe,  ed.  Larsow,  S.  28. 

J.  335  (so  nach  Athanas.,  Ap.  c.  Arian.  75  i Aktenstück);  das 

*^^hr  336,  wie  Athanas.  Festbriefe  S.  28  wollen,  kann  nicht  richtig 

^^in):  Synode  von  Tyrus  (vor  den  Tricennalien  K.s  [25.  .hili],  also 

"^ohl  im  Frühjahr);   Athanasius  wird  gestürzt.    Welchen   Anteil 

^abei  Eusebius  genommen  hat,  ist  nicht  auszumachen:  Athanasius 

^at  ihn  als  seinen  Gegner,  aber  nicht  als  seinen  eigentlichen  Feind 

^trachtet.    Doch  leitete  E.  die  Synode  (das  Material  bei  Mansi. 

n,  p.  1139  ff). 

J.  335:  Synode  und  Kircheneinweihung  von  Jerusalem   (Vita 
Const  IV,  41  ff.;  Socrat.,  h.  e.  1,  33;  Sozom.  II,  26;  Theodoret  I,  31). 
E.  ist  Hauptakteur  bei  den  Festlichkeiten.    Tricennalien  Konstan- 
tins.   Beschluß,  den  Arius  wieder  zuzulassen.    Beginn  der  Aktion 
gegen  Marcell  von  Ancyra. 

J.  335:  Synode  von  Konstantinopel:  Eusebius  war  anwesend 
(Äthan.,  Apol.  c.  Arian.  87;  Euseb.  c.  Marcell.  II,  4).  Verurteilung 
des  Marcell  (Socrat.  1,35  f.;  Äthan..  Apol.  c.  Arian.  87,  Festbriefe 


110  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

S.  28  etc.).  Eusebius  hält  die  Rede  De  laudibus  Constantiiii  zu  den 
Tricennalien. 

22.  Mai  337:  Tod  Konstantins. 

Der  Todestag  des  Eusebius  steht  nach  dem  syrischen  Marty- 
rologiuni  saec.  IV.,  welches  auf  einen  Kalender  von  Nikomedien 
zurückgeht,  fest,  nämlich  der  30.  Mai.  Im  Sommer  des  J.  341  war 
Eusebius  sicher  nicht  mehr  am  Leben;  denn  auf  der  Synode  zu 
Antiochien  dieses  Jahres,  die  in  den  Mai  bis  September  fällt,  war 
bereits  sein  Schüler  Acacius  als  sein  Nachfolger  anwesend.  E.  ist 
also  am  30.  Mai  338  oder  339  oder  340  gestorben.  Das  erst- 
genannte Jahr  ist  recht  unwahi*scheinlich,  da  Sokrates  Ql  e.  II,  4) 
den  Tod  des  E.  im  Zusammenhang  von  Ereignissen  der  Jahre  339 
und  340  berichtet    Eines  dieser  beiden  Jahre  ist  also  anzunehmen. 

Werke  des  Eusebius^ 

la)  Das  Leben  des  Pamphilus  (3  Bücher). 
Ib)  Die  Apologie  für  Origenes  (6  Bücher). 

Dieses  (1  a)  fast  vollständig  verloren  gegangene  Werk,  welches 
einen  Katalog  der  auf  der  Bibliothek  zu  Cäsarea  befindlichen  Werke 
des  Origenes  und  anderer  Schriftsteller  enthielt  (s.  sub  „Origenes"), 
ist  vor  der  Kirchengeschichte  (erste  Ausgabe),  also  nicht  lange  nach 
dem  Tode  des  Pamphilus  (Febr.  309)  zwischen  309  und  312  ver- 
faßt, s.  h.  e.  VI,  32;  VUI,  13  und  de  mart  Pal.  11,  3.  —  Zu  den  ersten 
5  Büchern  der  Apologie  des  Origenes  (1  b),  die  Pamphilus  im  Gefängnis 
(Nov.  307  bis  Febr.  309,  s.  oben  S.  105)  verfaßte,  hat  E.  Beihilfe 
geleistet  und  ein  6.  Buch  —  nicht  lauge  darauf  —  hinzugefügt 
Er  schickte  das  Buch  an  die  Märtyrer  in  den  Bergwerken  im  süd- 
lichen Palästina. 

2)  Sammlung  alter  Märtj'rerakten  (Agxalcop  ftagrv- 
QLcov  ovvaymyy]). 

Diese  als  ganze  verlorene,  in  einzelnen  Teilen  erhaltene,  in 
dem  ältesten  Kalender  (dem  von  Nikomedien,  s,  das  alte  Martyrol. 

1)  Eußcbius  hat  chvas  Lat(»inisch  gekonnt  (h.  li.  o.  IV,  9;  VlI,  18;  VUI,  17 
11.  Text<3  u.  Unters.  Bd.  i:}  H.  4  S.  'JOf.)  und  wohl  auch  Syrisch.  Daher  kann 
ihm  auch  das  Hebräische  nicht  i^anz  unverständlich  gewesen  sein.  Auf  einen 
jüdischen  Didaskalos  bemft  er  sich  im  Jesaja- Kommentar  (zu  c.  22,  15 ff.  u.  39, 1). 
Einige  seiner  Werke  sind  sehr  frühe  ins  Syrische  übersetzt  worden,  vieüeicbt 
schon  unter  seinen  Augen.  Mußte  doch  auch  im  Gott<3sdien8t  in  Palästina  das 
«iriechische  in  mehreren  Gemeinden  ins  Syrische  übertragen  werden  (s.  meine 
Gesch.  der  Mission  S.  42(>f).  (Jwilliam  in  deu  Studia  Bibl.  Oxf.  Vol.  11  p.  2Glf.: 
,,lt  is  reasonable  to  suppose  that  the  works  of  Eusebius  were  in  part,  if  not  in 
whole  (?),  translat-ed  in  to  Syriac  within  th(;  lifetime  of  the  author;  and  for  the 
place  of  such  translations  we  turn,  of  course,  to  Edessa  and  its  iamous  school. 
In  that  city  was  writt^m  the  Cod.  Add.  12150  etc.'* 


Eusebius  von  Cäsaren.  Hl 

Syriacum  saec.  IV)  benutzte  Sammlung  ist  älter  als  die  „Kirchen- 
geschichte**, in  der  sie  mehrfach  zitiert  wird,  und  (um  ihrer  Begren- 
zung willen)  höchst  wahrscheinlich  schon  vor  dem  Jahre  303  zu- 
sammengestellt worden.  Daß  sie  nur  die  fünf  Stücke  enthalten 
haben  soll,  die  in  der  KG.  ausdrücklich  auf  sie  zurückgefilhrt 
werden  (Mart.  Polyc,  Pionü,  Carpi,  Papyli  et  Agathonices,  Christ. 
Lugdun.  et  Vienn.,  ApoUonii),  ist  unwahrscheinlich.  Die  „alten" 
Märtyrer  sind  die  der  Zeit  bis  Decius  (inkl.  oder  exkl.?).  Daß  der 
Brief  des  Hieronymus  an  Chromatius  und  Heliodorus,  der  sich  auf 
die  Herstellung  einer  Martyriensammlung  durch  Eusebius  bezieht 
(Opp.  Hieron.  ed.  Vall.  T.  IX,  p.  542),  eine  Fälschung  ist  ist  wohl 
nicht  zu  bezweifeln.  Auch  wenn  er  echt  wäre,  würde  er  sich  nicht 
auf  unsere  Sammlung  beziehen,  sondern  auf  eine  umfassende  neue, 
die  Eusebius  geplant  haben  müßte,  nachdem  Konstantin  Herr  des 
Ostens  geworden  war. 

3)  Die  Chronik  (XQopoyQaq)la  und  XqovixoI  xavoveg), 

4)  Die  Kirchengeschichte   {'ExxXrjaiaarix?!  lorogla), 
5a  und  5b)  Die  Paläst.  Märtyrer  (IIsqI  räv  kv  IIa- 

Xaicxlvxi  fiaQzvQfjöavrcop)  in  zwei  Ausgaben. 

Die  umfangreichen  Fragen  über  Anlage,  Ausführung  und  Edi- 
tion dieser  drei  eng  zusammengehörigen  Werke  können  hier  nicht 
erledigt  werden  und  sind  trotz  zahlreicher  Bemühungen  noch  nicht 
spruchreif.  Nur  die  chronologische  Frage  soll  eine  Beantwortung 
finden.  Ausgangspunkt  für  die  Zeitbestimmung  sind  die  beiden, 
oben  bereits  berührten  Stellen  in  den  Eclog.  prophet.  Nach  I,  8 
sind  diese  mitten  in  der  großen  Verfolgung  geschrieben  (. . .  fiijöh 
fifjp  cslead^ai  rtjp  jtlarip  vjto  rcop  xara  xaigovg  ÖKoyficip,  xal  (la- 
XiOxa  Tov  kpeCrwrog  vjchg  rovg  jtcijtore  öfpoÖQOTaxa  xad-^  fnimp 
:xvBVOapxoq,  xal  roiavra  ijciäei^afiipov  xara  rs  tcop  ixxXfjOicip 
xal  jraPTog  xov  Xaovy  ojcola  ovt8  ojco  ygatpr^g  ovrs  fifjp  hx  jtaga- 
doaewg  aQxala)P  rig  i/iP7]fi6peva6V.  ravra  öi  (pafisp,  ijtel  raxa  öo- 
%BUV  aPTtxQvg  xara  top  kpeoxwra  öioyfiop  rapapxla  ovfißsßrjxipai 
Tolg  slQTjfi^poig,  öia  xo  firiöh  ad^goiOfia  pvp  avpaorapat  öoxelp^  f/i^xt 
xov  xapopa  xmp  xijg  ixxXTjclag  aQxopxmp),  also  zwischen  303  und 
311  (schwerlich  darf  man  bis  313  gehen).  Nach  I,  1  aber  waren 
damals  schon  die  „XqopixoI  Kapopsg'^  verfaßt  Cloxtop  6*  cog  jvqo 
Tfjg  Jtagovcijg  vjtod^iösog  Xgopixovg  övpxa^apxeg  Kapopag.  tJtixo- 
fii^p  X6  xovxoig  Jtapxoöajtjjg  laxoglag  ^EXXrjpc9P  xs  xal  ßaQßaQOfp 
avxiJtaQad-ivxBg  X7]p  Mcovoicog  xal  xc5p  i§  avxov  jtQOfptjxcip  an- 
XaioxTjxa  di  avxcop  jtaQsoxTJOafisp.  olg  xijp  fisxa  x^fp«^  öjcogaärjp 
axolov&op  vjtoXafißdpopxsg^  elxoxoyg  fiex*  lxelp?jp  ijtl  xi}p  jtaQOv- 
aap  kXfjlvd^afisp  jtgayfiaxslap).    Die  XQ^^^^ol  xapopsc  sind  also  erst- 


112  ^^i'-  r-<itteratiir  «les  Morgenlandes. 

iiialig  nicht  später  als  um  das  ^.  303  ediert  worden;  da  nns  nun 
Hierouymiis  in  seiner  Übersetzung  und  Fortführung  der  Chronik 
herichtet,  Eusebius  habe  dieselbe  bis  zum  J.  325  gefuhrt,  so  folgt. 
daß  Eusebius  eine  zweite  Ausgabe  derselben  nach  zwanzig  Jahren 
veranstaltet  hat.  Es  liegt  indes  (trotz  entgegenstehender  Behaup- 
tungen) kein  Grund  vor,  in  der  zweiten  Ausgabe  eine  Bearbeitung 
der  ersten  und  etwa  im  Armenier  die  Übersetzung  der  ei-sten  zu 
sehen  '.  Die  Abweichungen  des  Armeniera  von  Hieronyraus  (und 
den  Syrern)  sind  sämtlich  nicht  so  beschaffen,  daß  sie  auf  eine 
andere  \'orlage  schließen  lassen,  vielmehr  sind  sie  dem  Übersetzer 
und  der  Überlieferung  zur  Last  zu  legen.  Man  wird  anzunehmen 
haben,  daß  Eusebius  seine  Chronik  für  die  JJ.  c.  303—325  ledig- 
licli  fortgeführt  hat  (wobei  natürlich  nicht  ausgeschlossen  ist, 
dal>  er  an  einigen  früheren  Stellen  Diorthosen  anbrachte). 

Aufijrund  desselben  Materials,  aus  dem  die  Chronik  auferbaut 
i>t  —  eine  staunenswert  umfangreiche  Exzerptensammlung,  die  in 
den  JJ.  285—303  angelegt  worden  sein  muß  ^  —■,  hat  Eusebius  die 
., Kirchengeschichte"  (der  Chronik  nachfolgend,  s.  d.  Praef.  zur  KG.) 
gestaltet.  Ist  die  Chronik  insofern  detaillierter,  als  sie  nach  Jahren 
(Regentenjahren,  die  auf  Jahre  Abrahams  reduziert  sind)  die  Er- 
eignisse gibt,  während  sich  die  KG.  in  der  Regel  auf  Kaiser- 
regierungen als  Faden  für  die  Darstellung  beschränkt,  so  ist  die  KG. 
die  viel  ausführlichere,  weil  sie  zahlreiche  Exzerpte  wörtlich  bringt, 
während  sich  die  Chronik  fast  ohne  Ausnahme  mit  der  kürzesten 
Regeste  begnügt.  Die  KG.  muß  aber,  ganz  wie  die  Chronik,  zwei- 
mal ediert,  bez.  ediert  (mindestens  niedergeschrieben)  und  dann 
(mehrmals)  fortgeführt  worden  sein.  Der  Prolog  zur  KG.  zeigt 
nämlich  klar,  daß,  als  er  geschrieben  wurde,  die  Toleranzedikte 
von  313  und  311  noch  nicht  erlassen  waren.  Er  hätte  anders  ge- 
staltet sein  und  hätte  den  Triumph  mit  Posaunenstößen  zum  Aus- 
druck bringen  müssen,  wenn  er  schon  eingetreten  wäre.  Diesen 
Triumph  kann  man  doch  nicht  in  den  Worten  sehen  (Prolog  §  3): 
x(ä  rijV  LtI  näoiv  Yasco  xal  tvusvT]  xov  oozfjQog  /}^c5r  avrih^ipiv. 
Diese  Worte  scheinen  mir  viel  zu  schwach,  um  ihn  zu  schildern, 
und  beziehen  sich  überhaupt  nicht  nur  auf  die  letzte  Zeit,  sondern 


1  Dit's  i.st  srlioH  «loshalb  aii.sj^osflilorJ.st'ii,  \v«mI  «Iit  AnutMiier  [daa  letzti* 
l»l;itt  tV'hlt)  ;uulj  I»is  z.  .1.  325  gegangen  i^t,  ft?.  Sirhot'ii«',  Chroiioj^r.  l  p.  71.  ]'M. 
Mai»  müßt«'  al^o  droi  Ausgaben  aiuiehnit'ii,  nänilirli  z\v»'i  nach  ileiu  J.  i-»2r>. 

2)  Tni  .Jo.J  »'xistii'if«'  alrro  auf  «1«m-  lUbliothrk  /u  (.'äsaiva  (1)  ein  goiiauor 
Katalog  «Irr  lfaiul<ehrifton,  (2)  «'in«'  unter  hi^torischfu  nm\  apologetischen  (io- 
slfhtspunktru  g«'niacht(»  und  g».'onhn't«'  Kxzerjiiensannnlunijr  —  bt.'id«'»s  von  Euso- 
bins  (»dt-r  untt-r  sj.'iufv  Direktion  veranstaltef. 


Eusebius  von  Gäsarea.  113 

auf  die  ganze  kircbengeschichtliche  Periode  ^  Was  der  Prolog 
nahe  legt,  bezeugen  die  sieben  ersten  Bücher  und  namentlich  der 
Schluß  des  siebenten  mit  Deutlichkeit  Vergleicht  man  den  Prolog 
(mit  der  Ankündigung:  xriXlxoi  xara  xaiQovg  rov  6i*  aXiiaroq  xdi 
ßacavfov  vjchg  rov  d^elov  Xoyov  öcs^^X&ov  aycipa,  xa  r*  inl  rov- 
TOig  xal  Tcad-^  ^fiäg  avrovg  fiaQtvQia)  mit  dem  Schluß  des  7.  Buchs 
und  wiederum  mit  dem  8.  (bis  c.  13,  7),  so  ergibt  sich  folgende 
Situation  als  die  wahrscheinlichste.  Als  Eusebius  die  Niederschrift 
der  KG.  unternahm,  war  der  Befehl  zur  Niederreißung  der  Kirchen 
schon  gegeben  und  waren  bereits  unter  seinen  Augen  Martyrien 
(die  Martyrien  der  ersten  Jahre)  erfolgt,  aber  den  Eindruck,  daß  es 
sich  um  ein  Unerhörtes  handle,  um  eine  Verfolgung,  wie  sie 
die  Kirche  noch  nie  erlebt  hatte,  hatte  er,  wie  es  scheint, 
noch  nicht.  Er  gedachte  in  7  Büchern  sein  Werk  auszuführen 
und  am  Schluß  des  7.  Buches  die  Niederreißung  der  Kirchen  und 
die  Martyrien  der  Gegenwart  zu  verzeichnen.  Als  er  sich  aber 
dem  Abschluß  des  7.  Buches  näherte,  war  die  Situation  eine  andere 
geworden,  d.  h.  sie  hatte  sich  als  die  schrecklichste  Leid-  und  Not- 
lage enthüllt;  denn  das  7.  Buch,  welches  den  Tod  des  Pamphilus 
und  die  Abfassung  der  Vita  Pamphili  voraussetzt  (VII,  32,  25),  ist 
einige  Zeit  nach  dem  Februar  309,  aber  noch  vor  dem  Toleranzedikt 
(313)  geschrieben  2.  Es  war  nun  nicht  mehr  möglich,  den  anfäng- 
lichen Plan  auszuführen  und  das  Ganze  in  7  Büchern  zu  been- 
digen. Aber  der  ursprüngliche  Plan  und  zugleich  die  Tatsache, 
daß  derselbe  bald  nach  dem  J.  303  zur  Ausführung  kam,  schim- 
meii;  noch  in  der  Schlußbemerkung  zum  7.  Buche  deutlich  durch 
(Vll,  32,  32):  'Ev  rovroig  rfjv  xAv  öiaöoxcov  jtSQiygätpapreg  vjtod'e- 
0ip,  ajto  Tfjg  rov  owTTJgog  fi(imv  ysveOscog  im  ttjv  xmv  JiQocevxzfj' 


1)  Hält  man  es  trotzdem  für  wahrscheinlich,  daß  die  Worte  auf  die  Toleranz- 
edikte gehen,  so  müßte  man  sie  ausscheiden,  d.  h.  als  später  von  Eusebius  hinzu- 
gesetzt erklären;  denn  (s.  oben  im  folgenden)  die  Ausführung  der  ersten  7  Bücher 
der  KOesch.  zeigt  klärlich,  daß  sie  konzipiert  sind,  als  die  Kirche  noch  nicht 
den  Frieden  hatte.  —  Ich  glaube  noch  Spuren  davon  wahrnehmen  zu  können, 
daß  der  Plan  zur  KGesch.  noch  vor  dem  Ausbruch  der  großen  Verfolgung 
entworfen  ist  und  daß  daraus  allerlei  Inkonzinnes  erklärt  werden  muß,  was 
sich  in  der  Anlage  findet.    Doch  kommt  man  über  Probabilia  hier  nicht  hinaus. 

2)  Dafür  gibt  es  noch  einen  schlagenden  Beweis.  In  h.  e.  VII,  18  erzählt  K. 
von  der  Statue,  die  von  dem  blutflüssigen  Weibe  in  Paneas  errichtet  worden  s^ei, 
und  die  er  selbst  gesehen  habe.  Im  Komment,  zu  Lukas  erzählt  er  dies  aucli 
(Migne,  Ser.  Gr.  T.  24  p.  542),  fügt  aber  hinzu:  {rovzov  xov  dSgiavta  rov 
^Itjaof;  elxova  ^igeiv  Slfyov),  ov  Magifilvoq  tz/c  eavzov  övaaeßeiag 
noLQtQyov  h7toi7)aaTO.  Maximin  hat  die  Statue  beschimpft  oder  gar  nieder- 
legen lassen  (sie  ist  später  wiederaufgerichtet  und  von  Julian  abermals  nieder- 
frerissen  worden).    Dies   war   aber   damals,    als  Eusebius   die  KGesch. 

Harnack.  Altcbristl.  Litteraturgesch.  II,  2.  .^ 


114  ^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

qIcop  xad^dQtoiv  elg  erri  ovvxüvovcav  xivxB  xolL  TQicacocia^,  q>iQt 
t^^g  rovg  xad^  W^g  '^civ  vxhQ  evceßaiag  dvögicafiipov  ay&vac, 
0001  TS  xcu  jifjXixot  yeyovaOLy  xai  xolg  (isd-*  iJldäg  elöivai  6ia  yga- 
fff^g  TcaraZsitpiDfisp.  Eusebins  schloß  nim  (im  J.  312,  als  er  in 
Ägypten  weilte;  denn  in  diesem  Jahre  befinden  wir  uns  höchst 
wahrscheinlich)  Buch  VllI,  c.  1—13,  7  an  die  sieben  ersten  Bücher 
unmittelbar  an;  denn  hier  ist  ein  deutlicher  Einschnitt  Hierauf 
verfaßte  er  die  Schrift  über  die  palästinensischen  Märtyrer,  un- 
mittelbar nach  dem  großen  Umschwung  im  J.  313.  Er  gedachte  zu- 
erst sein  kirchengescbichtliches  Werk  dadurch  zu  ergänzen,  daß 
er  einen  Auszug  aus  jener  Schrift  ihm  beigab,  und  verfuhr  sol 
Aber  das  genügte  ihm  nicht;  er  entschloß  sich,  die  KG^schichte 
fortzufuhren,  indem  er  VIU,  13,  8— VlIL  16  und  IX  hinzufügte  (Be- 
nutzung von  Lactant,  de  mort  persec).  Dies  geschah  nicht  später 
als  im  J.  313/4;  denn  am  Schluß  von  Buch  IX  erscheinen  Kon- 
stantin und  Licinius  noch  im  tiefsten  Frieden  \  Nach  c  elf  Jahren 
endlich  fügte  Eusebius  auf  den  Wunsch  des  Paulinus  von  Tyrus 
noch  das  10.  Buch  hinzu.  Welche  Dioilhosen  bei  diesen  Zusätzen 
in  bezug  auf  den  Text  der  älteren  Bücher  vorgenommen  worden 
sind  und  wie  sich  in  der  Zeit  des  Wachstums  der  KGeschichte 
Neubearbeitung  und  Edition  verhalten  haben,  kann  nicht  mehr 
ermittelt  werden.    Das  Ergebnis  ist  folgendes: 

Nicht  später  als  bald  nach  303  erste  Niederschrift  und  wohl 
auch  Edition  der  Chronik^. 

c.  303—5  P^clogae  Prophet. 

c.  305— 312; :j  Arbeit  an  der  KGeschichte,  die  nach  dem  ur- 
sprünglichen Plan  7  Bücher  umfassen  sollte. 

Hchriob  (d.h.  Buch  Vll),  noch  nicht  geschehen.  Die  Kunde  von  dem  Er- 
eigniö  hätt«.  wenn  es  schon  eingetreten  gewesen  wäre,  zu  Eusebius  kommen 
müssen,  da  die  Statue  ohne  Zweifel  in  ganz  Palästina  den  Christen  bekannt 
war.  Also  ist  Buch  VII  der  KGesch.  geschrieben,  bevor  Maximin  aUe  seine 
Oreuel  erfüllt  hatte. 

1)  So  zählt  Eusebius,  nach  unserer  Zeitrechnung  sind  es  303. 

2)  Warum  er  sich  nicht  mit  der  längeren  Form  begnügte,  da  er  das  Werk 
doch  nicht  organisch  mit  der  KOesch.  verbunden  hat,  ist  dunkel.  Vielleicht 
erschien  ihm  die  längere  Form  zu  intim  und  spezilisch  auf  Palästinenser  bo- 
recrhnet.  Fragen,  die  das  Verhältnis  der  beiden  Formen  sonst  noch  erweckt 
und  die  die  Fassung  der  kürzeren  Form  hervorruft,  muß  ich  beiseite  lassen. 
Auch  das  l*roblem,  welches  ein  Blatt  bietet,  welches  in  einigen  Mss.  dem  8.  Buch 
folgt,  soll  hier  nicht  behandelt  werden. 

3)  Die  Bemerkungen  gegen  Licinius  JX,  0,  1.  12  können  demnach  nur 
spätt^rc  Zusätze  des  Eusebius  vom  J.  325  sein. 

4)  Dies  folgt,  da  die  Chronik  der  KGesch.  (nach  der  Praefatio  der  letzteren) 
vorhergegangen  ist,  aus  dem  chronologischen  Ansatz  für  die  KGesch. 


Kusebius  von  Cäsarea.  1|5 

307 — 309  Biographie  des  Origenes  (zusammen  mit  Pamphilus). 

309—312  Biographie  des  Pamphilus. 

312/3  Buch  I— VII  und  Buch  VIII,  1—13,  7  sind  abgeschlossen  K 

313  De  mart  Palaest  in  beiden  Ausgaben  2;  die  kürzere  (spä- 
tere) ist  für  die  Leser  der  KGeschichte  bestimmt 

313/4  Buch  VIII,  13, 8— VIII,  16  und  Buch  IX. 

Zwischen  Ende  324  und  den  ersten  Monaten  325  Buch  X,  Ge- 
samtausgabe der  KGeschichte  in  10  Büchern^,  gleichzeitig  Fort- 
führung der  Chronik  bis  325  ^ 

6a)  Über  das  Leben  Konstantins  (4  Bücher). 
6b)  Konstantins  Rede  an  die  h.  Versammlung. 
6c)  Tricennatsrede  an  Konstantin. 

Das  große  Enkomium  auf  K.  (nicht  ,,Blog'')  ist  nach  dem  Tode 
des  Kaisers  und  der  Deklaration  der  drei  Söhne  als  Augusti  (IV, 
68),  also  nach  dem  September  337  (der  term.  ad  quem  ist  der  Tod 
Eusebius'  im  J.  339  oder  340)  abgefaßt.  Neue  Studien  brauchte 
Eusebius  für  das  Werk  nicht  zu  machen;  die  Aktenstücke  lagen 

1)  Genannt  hat  EuscbiuK  von  seinen  eigenen  Werken  in  der  Ktiesch. 
(ll  die  Chronik  (I,  1),  (2)  die  Eclog.  proph.  (1,  2,  27),  (3)  die  Sammlung  der  alten 
Martyrien  (öfter),  (4)  die  Apologia  pro  Orig.  (VI,  23.  33.  3(3)  —  also  int  das 
€•  Buch  nicht  vor  300  geschrieben  — ,  (5)  die  Vita  Pamphili  (s.  o.). 

2)  Daß  beide  Ausgaben,  die  nur  syrisch  vollständig  (aber  auch  in  «großen 
Jfriechischen  und  lateinischen  Fragmenten)  erhaltene  längere  (Cure ton,  1<S01) 
wnd  die  kürzere,  von  Eusebius  selbst  sind,  ist  höchst  wahrscheinlich. 

3)  Um  Crispns  willen,  der  am  Schluß  des  Werkes  genannt  und  gefeiert 
^ird,  kann  die  Abfassung  nicht  nach  Sommer  326  gesetzt  werden.  Die  Kata- 
''^rophe  des  Licinius  ist  noch  erwähnt  (323/4),  da«  nicänische  Konzil  und  di<* 
'^rif^nnalien  Konstantins  (Juni  325)  nicht. 

4)  Brieger  in  d.  Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  3  S.  586ff.   Overbeck,  Cber  die 

Anfänge   der   Kirchengeschicht^schreibung,    1802.    Viteau,    De   Kusebii  Caen. 

^»ipHci  opusc.  negl  t(öv  iv  UaX.  fjtaQZvgija.,  1S93.    Derselbe,    La  fin   perdne 

<1<^  martyrs   de  Palestine    in  Compte  rendu  du  IIT.  Congres  scientif.  intemat. 

'^es  Catholiques,  1805.    Harnack,  Gesch.  d(T  altchristl.  Litt.  II,  1  S.  Iff.,  1807. 

Heinrici,    Das  Urchristentum   in  der  KGesch.  des  Kusebius,  1894.    Halmel, 

^«  Entstehung   der  KGesch.    des   EusebiuH,    180().     Derselbe,    Die   palästin. 

^toyrer  des  Eusebius  von  Cäsarea,  1808.     Violot,  Cber  die  paläst.  Märtyrer 

in  d.  Texten  und  Unters.  Bd.  14  H.  4,  1800.    Acta  Bolland.  T.  17,  1808,  p.  n:Jff. 

%ei  wichtige  Fragmente  aus  der  längeren  Fassung  der  Mart.  Pal.).    Mancini, 

Della  compos.  della  Hist.  Eccl.  di  Eusebio  in  d.  Stud.  storici,  T.  VF,  1807,  p.  321  iV. 

•"^•ilmon,    Chronicle    of  Eus.    im  Diction.    of  Christ.    Biogr.  Vol.  111   p.  3481t'. 

Mommsen,    Über   den  Oxforder  Kodex    der  Chronik    des  Hieron.  fm  Hermes 

Bd.  24  (1889)  S.  303ff.    Derselbe,  ebendort  Bd.  30  (1805)  S.  321ff,   [Nachweis, 

«laß  die  EEandschrift  der  Chronik  von  Etschmiatzin  die  Vorlage  der  übrigen  ist]. 

>^chöne,   Die  Weltchronik  des  Eusebius  in  ihrer  Bearbeitung  durch  Hieron., 

If*00.    Die  Prolegg.  von  Schwartz  zu  seiner  maßgebenden  Edition  der  Kirchen- 

peschichte  (bisher  1.  I — V  erschienen)  st-ehen  noch  aus. 

8* 


]  16  Die  Litteratur  dos  Morgenlandes. 

bereit,  und  aus  seinen  älteren  Werken  konnte  er  ganze  Partien 
abschreiben  (s.  die  Ausgabe  Qeikels,  p.  XXVIII  ff.).  Das  Werk 
wird  wohl  sehr  bald  nach  dem  Tode  des  Kaisers  erschienen  sein, 
also  wohl  im  J.  338;  nach  ihm  hat  E.  noch  die  Tricennatsrede  (s. 
unten)  samt  Zubehör  publiziert  Die  älteren  und  neueren  Zweifel 
an  der  Echtheit  der  Aktenstücke  (am  radikalsten  Crivellucci, 
Della  fede  storica  di  Eusebio,  1888)  oder  an  ihrer  Integrität  (Victor 
Schnitze  in  der  Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  14, 1894,  S.  503ff.)  sind  von 
Seeck  (Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  17,  1896,  S.  52ff.,  Bd.  18, 1897,  S.  321  ff.) 
zum  Teil,  durchgreifend  und  abschließend  von  Heikel  (a*  a,  0. 
p.  LXVIff.)  widerlegt  worden  ^  Es  lohnt  nicht,  auf  sie  zurück- 
zukommen. Ich  selbst  bin  an  der  Echtheit  niemals  irre  geworden. 
Die  .,Rede  an  die  h.  Versammlung",  die  Euseb.,  Vit.  Const  IV,  32 
angekündigt  hat  (als  Appendix)  und  die  sich  in  den  Mss.  wirklich 
findet,  hat  Heikel  (a.  a.  0.  p.  XCIff.)  dem  Konstantin  (und  dem 
Eusebius)  abgesprochen  \  Ich  habe  in  den  sorgfältigen  Ausführungen 
Heikels   auch  nicht  ein  wirklich  beachtenswertes,    geschweige 

1)  Daß  die  Aktenstücke  größtenteils  Cbersetzungen  sind  (nicht  von  Euse- 
bius selbst,  wie  Heikel  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat),  darf  man  natürlich 
nicht  vergessen.  —  Cbm*  ein  Bruchstück  einer  Rede  Konstantins,  über  die  Kus«/- 
bins  nur  kurz  referiert  liat  (Vita  Const.  IV,  55),  s.  meine  Bemerkungen  in  der 
Theol.  Tiit/tg.  10()*J  Kol.  374 f.  zu  Mercati,  Alcuni  Reliquie  Liturgiche  Am- 
brosianc  o  lU»mane  con  un  excursus  sui  frammenti  dogmatici  Ariani  del  Mai 
(Studi  «'  Testi  Nr.  7),  11K)1.  Der  historische  Wert  der  Vita  Const.,  die  man  — 
es  ist  noch  nicht  lange  her  —  in  den  tiefsten  Abgrund  verwiesen  hat,  ist  sehr 
groß.  Was  man  abzuziehen  hat,  ist  leicht  zu  erkennen.  Daß  Kusebius  als 
Uistorik«'!-  hier  ein  anderer  geworden  ist,  als  der  er  bei  Abfassung  der  KOe- 
schichte  wai-,  ist  eine  grundlose  Annahme;  nur  ist  unser  Werk  kein  historisches, 
sondern  es  enthält  Historica.  Ks  ist  nur  eine  fiiktische,  nicht  eine  beabsichtigte 
Fortst^tzung  der  K<ieschichte.  Cberschlägt  man,  was  ein  „Knkomiura"  (Uimal> 
}>ringen  und  wi«'  es  roden  mußt^^,  und  erwägt  man,  was  Konstantin  der  Kirchs 
geleistet  hat,  so  winl  man  in  Eusebius  nicht  mehr  das  Muster  eines  skrupel* 
losen  Schmeichlers  s«'lu'n.  Cber  di(»  Grenzen  des  Eusebius  als  Historiker  h;jt 
Lightfoot  im  Dict.  of  Christ.  Biogr.  111  p.  325f.  das  Besto  gesagt  —  den  Vor- 
wurf, er  sei  (?in  zu  milder  Hiehter,  kann  man  ihm  nicht  machen. 

'Ji  Kossignol  (Virgile  et  Coustantin  le  Grand,  Paris  1845)  suchtt»  Euse- 
bius als  Verfasser  zu  erweisen,  "Mancini  (Studi  storici  Vol.  UI,  1804,  p.  92tt'. 
2<)7tf.)  hielt  sie  für  eine  nacheusebianische  Fälschung,  Victor  Schnitze  erklärt^' 
sie  fiir  interpoliert  (zuglcMch  für  eini»  Übersetzung),  Seeck  (Ztschr.  f.  KGesch. 
Bd.  18,  18!)7 ,  S.  312)  hielt  die  ^i'^i'n  die  Echtheit  vorgebrachten  inneren 
Gründe  nicht  für  durehsehlagend.  Jü lieher  (Theol.  Litztg.  11X)2  Nr.  6)  hat 
Heikel  beigestimmt,  der  die  „Hede"  nach  der  I.Hälfte  des  5.  Jahrb.  ansetzen 
will.  —  Nicht  bekannt  geworden  ist  mir  Franchi  de*  Cavalieris  Abhandlung: 
„Di  un  franmiento  di  una  Vita  di  Constantino"  in  den  Studi  e  Documenti  «li 
storia  e  «liritto  Bd.  IS  (1S07)  p.  Sil  ff.,  welche  von  Ehrhard  (Die  altchristl.  Litt. 
lOlX),  S.  7h)[)  genannt  wird.  Mit  der  eustjbianischen  Vita  Const.  hängt  das  Frag- 
ment wohl  nicht  zusammen. 


Eusebius  von  Cäsarea.  117 

zwiDgendes  Argument  gegen  die  Echtheit  gefunden,  dagegen  eine 
recht  stattliche  Anzahl  von  Merkmalen,  die  auf  die  Zeit  Konstan- 
tins, ja  auf  seine  Persönlichkeit  vorzüglich  passen.    Die  seltsam 
mangelhafte  Bibelkenntnis  schließt  einen  hohen  Kleriker  aus,  das 
Material  und  die  Anschauungen  —  das  hat  namentlich  Schnitze  mit 
Recht  hervorgehoben  —  zeigen  die  frappierendste  Verwandtschaft  mit 
Lactantius  (und  zwai*  mit  den  Div.  instit.  und  mit  De  mort.  persec.) 
—  wo  kommt  später  dergleichen  vor?  — ;  die  gleichsam  schwebende 
Philosophie  ist  ganz  die  Philosophie  vornehmer,  apologetisch  ge- 
richteter Dilettanten ;  das  Christentum  der  Rede  ist  die  Spezies  von 
Christentum,  die  wir  für  Konstantin  teils  vermuten,  teils  beweisen 
können.     Wendland   (Berliner  Philol.  Wochenschr.   1902,  Nr.  8) 
liat  dieselben  Eindrücke  gewonnen   und  sie  zum  Teil  im  Detail 
begründet.    Man  darf  daher  diese  Rede  —  eusebianisch  ist  sie 
gewiß  nicht  —  mit  Fug  für  konstantinisch  halten,  natürlich  in 
der  Einschränkung,  in  der  es  überhaupt  längere  Reden  von  Mo- 
narchen giebt,  d.  h.  sie  werden  in  der  Kanzlei  vorbereitet  und  nachträg- 
lich in  der  Kanzlei  redigiert.    Der  Autoranspruch  des  Kaisei*s  kann 
trotzdem  groß  sein  und  ist  es  in  diesem  Falle  allem  Anschein  nach. 
Die  Tricennatsrede  an  Konstantin  (Heikel,  1.  c.  S.  CIV  ff.)  ist 
im  kaiserlichen  Palaste  zu  Konstantinopel  im  Jahre  :i:i5,  25.  Juli 
»Tita  r\^,  46)  gehalten  worden.    L.  c.  teilt  Eusebius  mit.  er  werde 
eine  bereits  niedergeschriebene  Beschreibung  der  Märtyrerkirche 
niit  der  Tricennatsrede  verbinden   und  edieren.    Diesen  Plan  hat 
«r  nicht  durchgeführt    Dagegen  hat  er  mit  der  Tricennatsrede 
(c  1— 10)   ein  anderes  Stück    (c.  11—18)    verbunden  (und  einen 
Prolog  vorgesetzt),  das  sich  aufs  engste  mit  der  „Theophanie**  be- 
rShrt  und  in  der  hier  besten  Handschrift  die  Überschrift  ..Baaüu- 
f05'  trägt  (cf.  c.  11  init).    Diese  Rede  ist  (c.  11,  Heikel,  p.  TV) 
in  Jerusalem  gehalten.    Eusebius  hat  wohl  nachträglich  bemerkt, 
daß  die  Zusammenschweißung  der  Beschreibung  einer  Märtyrer- 
kirche und  der  Tricennatsrede  untunlich  sei;   er  hat  daher  nicht 
jene,  sondern   nur  eine  damals  in  Jerusalem  gehaltene  Rede  mit 
dieser  verbunden  und  zusammen  ediert    Doch  scheint  die  Tricen- 
natsrede auch  besonders  von  ihm  herausgegeben  worden  zu  sein. 
Ahnlich  so  auch  Wendland  a.  a.  0. 

7)  Adversus  Hieroclem^ 

Hierokles  war  zur  Zeit  der  Verfolgung  ei-st  Statthalter  in 
Bithynien,  dann  in  Ägj-pten.  Dort  ist  Eusebius  später  selbst  Augen- 

1)  Ugo^  za  VTio  fpiXoargdtov  elg  *A:ioX).(üViov  rdv  Tvavta  öia  rr)v  '^Isgo- 
xXil  TtagaXrjip&etaav  avtov  X€  xal  Xqiotov  avyxQiatv.  —  Ilgog  tovq  vTihg 
UnoXXwvloiy  xov  Tvavtojg  ''leQoxXkOvg  Xoyovg. 


W^  Di«'  Littfr^ratur  iles  Monrenlande«- 

zeuge  seiner  Grausamkeiten  gewesen.  Aber  dieser  Statthalter  hat 
auch  mit  der  Feder  die  Christen  angegriffen  (./O  ^iXaX^t^g''  [jtQ02 
XQioriavovq],  s.  Lactant..  Div.  Inst  V,  2;  das  Pamphlet,  das  den 
ApoUonius  gegen  Christus  aui^spielte,  war  in  Palmyra  geschrieben  *). 
Das  Werk  ist  nicht  erhalten,  wohl  aber  Eusebius  (nicht  umfas- 
sende, sondeiTi  nur  partikulare)  Gegenschrift  Sie  ist  vor  Euse- 
bius' Aufenthalt  in  Ägypten  verfaßt;  denn  Eusebius  hätte  es  in 
dem  Buclie  doch  erwähnt  wenn  er  seinem  Gegner  in  derselben 
Provinz  gegenübergestanden  und  seine  Wirksamkeit  beobachtet 
hätte.  Sie  ist  aber  wohl  überhaupt  vor  dem  Ausbruch  der  großen 
Verfolgung  im  J.  303  verfaßt;  denn  Hierokles  ist  zwar  als  ein 
lioher  Staatsbeamter  ic.  '2u),  nicht  aber  als  Verfolger  charakteri- 
siert, und  von  der  Verfolgung  ist  überhaupt  nicht  die  Rede.  Aus 
Lactant,  1. C,  folgt  nicht  notwendig,  daß  Hierokles  erst  nach  dem 
Ausbruch  der  Verfolgung  geschrieben  hat  Mir  scheint  Eusebius' 
Schrift,  die  sich  sehr  merkbar  von  seinen  anderen  Werken  unter- 
scheidet, eine  Jugendarbeit  zu  sein,  die  zwar  nicht  die  Gelehrsam- 
keit, wohl  aber  die  Gravität  der  späteren  Zeit  vermissen  läßt  und 
gezierter  gesclirieben  ist  als  die  späteren  Werke.  Eusebius  selbst 
hat  sie.  wenn  ich  nichts  übersehen  habe,  später  niemals  zitiert,  ob- 
gleich die  Gelegenheit  dazu  nicht  fehlte. 

Si  Ad  versus  Porphyrium  (25  Bücher). 

\'on  diesem  umfangreichen  Werke,  das  fast  spurlos  unter- 
gegangen ist-,  gilt  dasselbe,  was  vom  vorigen  gesagt  ist:  Eusebius 
selbst  hat  es  niemals  zitiert,  so  oft  er  auch  den  Namen  des  Por- 
phyrius  jrenannt  hat.  Auch  dieses  Werk  wird  daher  nicht  etwa 
eines  seiner  letzten  gewesen  sein  ^  —  nach  dem  Siege  des  Christen- 
tums hatte  Eusebius  am  wenigsten  Grund,  sich  ausführlich  mit 
Porphyrius  zu  beschäftigen  — ,  sondern  eines  seiner  frühesten. 
Porphyrius.  der  sein  Landsmann  und  älterer  Zeitgenosse  war  und 

1)  S.  Ducht'siiif,  IX*  Macario  Magii.,  Paris  1877,  p.  11.  Eusebius  W- 
hauptet  (c.  1),  das  Werk  dej*  Hierokles  sei  nach  Inhalt  und  Ausdruck  ein  un- 
vi'r.s(hämt«\<  Plafriat  an  iUtenMi  Schriften,  besonders  an  Celsus. 

2)  Kin  neues  FrajJTiuent  l>ei  von  der  Goltz,  Text^  u.  ünt<?rs.  Bd.  17  H.  4 
S.  41  f.  —  Hier  maj?  auch  foljxendo  Eintraj^img  in  einem  (im  Kod.  1280  säet-. 
XV N.  stehenden)  Kataloj,'  von  hviron  (Athos-,  der  im  1.  Teil  diedes  Werkes 
noch  nicht  erwähnt  worden  ist,  ihre  Stelle  finden  (Meyer  in  d.  Ztscfar.  f. 
Kcir'sch.  Bd.  11  S.  156):  eioeßiov  xtjq  xataagela;  ßlßkoq  negl  x^q  xwv  e^yye- 
Xiwv  dia(pü){viaq)  —  elq  rov  ngotpi^Trjv  t]oalav  Xoyoi  x.  xovxd  [sie]  —  nogipv- 
glov  Xoyoi  )!  [sie]  —  xoniTtov  Xoyog  a  —  ano/.oylu  vnhg  oigiyivovg  —  negl 
ßiov  na/xfflXov  xov  fxdgxvgog  Xoyoi  y  —  n^gl  fiaoxvglov  —  eig  xovg  gv  \paX- 
fiovg  vnoinv^fxaxa. 

3)  Das  ist  die  Meinun}^  des  Valesius. 


Eusebius  von  Cäsarea.  119 

den  Eosebius  auch  als  Zeitgenossen  behandelt  (h.  e.  VI,  19;  Prae- 
par.  1, 9,  20;  IV,  6,  2;  V,  2,  9),  hatte  einst  in  Cäsarea  gelebt  und 
dort  üble  Erfahrungen  mit  den  Christen  gemacht  (Socrat,  h.  e. 
m,  23),  nachdem  er  ihnen  eine  Zeitlang  (ob  als  Zuhörer  des  Ori- 
genes?)  näher  gestanden  hatte.  Seine  bitteren  Angriffe  auf  das 
Christentum  und  speziell  auf  Origenes  zu  widerlegen,  muß  dem 
Verehrer  des  Origenes  und  Cäsareenser  Eusebius  auch  als  eine 
lokalpatriotische  Ehrenpflicht  erschienen  sein.  Noch  vor  300  wird 
er  das  Werk  geschrieben  haben,  das  ihm  aber  später  selbst  nicht 
mehr  genügte  —  wie  soll  man  sonst  das  Schweigen  über  dasselbe 
erkläi-en,  während  Eusebius  so  oft  (s.  die  KGesch.,  die  Praeparatio, 
auch  die  Demonstr.  III,  7, 1,  p.  134)  aus  Porphyiius  zitiert? 

9)  Praeparatio    evangelica    {Evcr/yeXixr}   UgoTtaga- 

cxBvrDy  (15  Bücher). 
10)  Demonstratio  evangelica  (^vaz/ejl^xry  Vijrorffeg^c), 
(20  Bücher). 

Diese  beiden  großen  Werke  —  von  dem  zweiten  fehlen  uns  die 
letzten  10  Bücher  bis  auf  ein  Fragment  des  15.  —  gehören  zu- 
sammen und  sind  dem  Bischof  Theodotus  von  Laodicea  Syr.  ^  ge- 
widmet In  Praep.  X,  9,  11  sind  die  XqovltcoI  xapopeg  zitiert;  aber 
da  wir  nicht  wissen,  welche  Ausgabe  gemeint  ist  (s.  oben),  nützt 
uns  dies  Argument  nichts  für  die  Zeitbestimmung 2.  In  Praep.  XII, 
10, 7  lesen  wir:  dXXa  xal  eloixt  öevQo  ol  ysppatoi  tov  ocor^gog 
W^v  fiaQTVQsg  xad-*  okr/g  rfjg  avb^Qconov  olxov/iipfjg  ov  t6  öoxbIp, 
oUi  To  slpai  dlxacol  re  xal  tvotßelg  doxovifteg  xrX.  Diese  Worte 
können  nicht  vor  303  und  nicht  nach  313  geschrieben  sein.  Aber  auch 
nach  Demonstr.  lU,  5, 78  herrscht  die  bitterste  Verfolgung^  Dagegen 
öach  Demonstr.  V,  3, 11  herrscht  ein  blühender  Friedens- 
2ö8tand:  Tlg  ö^ra  ovp  6g>d^aXfiolg  OQcip  kv  fiiöaig  ralg  jcoXeaip, 
^^  Tf  xcifiaig  xal  XG>()a£^,  xad^^  oXrjg  tb  rijg  olxovfitprjg,  dpB^ovöag 
^c§  TOV  OoT^Qog  tfiiciv  lxxXi]Olag,  rovg  xe  JtQog  avrov  xvQtevoiiivovg 
hoiiq^  xal  (ivglapÖQa  jtXrjd^rj  xAv  avxcp  xad-coötionipcov  xxX.,  und 


1)  Bekannter  Arianer;  er  wurde  während  der  Vertblgunj^  Bischof  von 
Laodicea  (Enseb.,  b.  e.  VII,  32)  und  war  es  jedenfalls  noch  im  J.  335. 

2)  Ebensowenig  nützt  die  perplexe  Beobachtung,  daß  in  Demonstr.  VJl, 
3, 18  die  Quaestiones  ad  Stephanum  zitiert  werden,  wJihrend  in  dieHen  (p.  912) 
Demonstr.  I,  3  zitiert  wird.     S.  daiüber  unten. 

3)  *Y)   [seil,    die    Verfolgungen   durch    Könige   etc.]   xal    aativ    elg    Sevgo 

^((OQOvvxaq    ivsgyoifiEvoVj   xatanXayfjvai    rrjv   ngoggr^oiv.    tj  yag  xov  ^rjaov 

ovifittzog   oßoXoyla  rovg  ^fiovq  ei'wS'ev  ixxaUiv  xwv  aQxovxiav.    xav  firjösvl 

yap  fpavXov  y  nsTtQayfitvov  tv)  xov  Xgiaxbv  ofioXoyovvxiy  xoXdtl^ovaiv  ofiolw^ 

alxiZofiBvoi  dta  x6  ovofxa  avrov,    cSc  napx(ov  dvooiovoywv  x^^Bnwxigovgf  xx?,. 


120  ^^^  Littenitur  des  Morgenlandes. 

in  Demonstr.  VI,  20,  17  ist  die  Katastrophe,  die  über  die  Verfolger 
der  Christen  in  Ägypten  hereingebrochen  war,  vorausgesetzt:  ecti 
öh  ijtl  TOVToig  rovg  Alyvjtrlovg  Jtavxaq  rovg  elöcuXokaTQag,  x6  tc 
ireQyovv  Iv  avrotg  rfjg  elöcoXoXatQelag  xvBviia,  öwiöetv  xaQaxxo- 
liivovg  döixi  vvv  xal  jtoZka  fihp  ßovkevofitpovg  xaxa  xfjg  xov 
Xqiöxov  öiöaöxaZlag,  cog  ap  oißouv  avxfjp  xal  J§  avd-Qcajccov  aq^a- 
viootBv,  öiaoxtöappvfitpovg  6e  vjtb  xov  ß-sov.  Somit  ist  die  Prae- 
paratio  und  die  Demonstr.  I— III  (IV)  vord.  J.313,  Demonstr.  V  (R^) ff. 
aber  nach  diesem  Jahre  geschrieben.  Es  ist  auffallend,  welch  eine 
große  Zahl  gewichtiger  Werke  von  Eusebius  während  der  Ver- 
folgung (303—313)  verfaßt  worden  ist.  Es  läßt  sich  das  nur  so 
erklären,  daß  die  Vorarbeiten  —  ein  ungeheures,  geordnetes  Zettel- 
material —  fertiggestellt  waren  und  daß  er  diese  mit  verhältnis- 
mäßig leichter  Mühe  zu  Büchern  zu  verarbeiten  vermochte.  Das 
zeigt  aufs  neue,  daß  seine  großen  Vorarbeiten  in  die  JJ.  285 — 302 
fallen  müssen  und  daß  man  daher  bei  vielen  seiner  Bücher  gar 
nicht  sagen  kann,  wann  sie  begonnen  worden  sind^ 

11)  Praeparatio  P^cclesiastica  (ExxXfjOiaaxixf]  üqo- 
jcaQaöxavTj),  (?  Bücher). 

12)  Demonstratio  FjCclesia,sticB,CExx?.r]öiaoxix7]  ^Ajto- 
öac^ig),  (?  Bücher). 

Über  diese  verlorenen  Werke  läßt  sich  nichts  sagen,  als  dali 
sie  wohl  nach  der  Praepar.  et  Demonstr.  Evangelica  abgefaßt  sind. 
Dies  wäre  freilich  anders,  wenn  Lightfoot  (I.e.  S.  331  f.)  recht 
haben  sollte,  daß  Praepar.  ev.  I,  3,  12  die  Demonstr.  eccl.  gemeint 
sei  und  daß  demgemäß  Theophan.  üb.  4  dieser  verlorenen  Schrift 
entspreche. 

13)  'EXiyxov  xal  yljcoXoyiag  loyoi  ß\ 

Dies  verlorene  Werk  lag  dem  Photius  in  zwei  Ausgaben  (die 
zweite  4  Bücher  umfassend)  vor,  die  Zeit  ist  unbekannt. 

14)  Gtofpdvsca  (5  Bücher). 

Dieses  in  einer  wohl  gleichzeitigen  syrischen  Ubei'setzung 
erhaltene  Werk  (viele  griechische  Fragmente)  ist  durch  die  zahl- 
reichen Selbstplagiate,  die  Eusebius  auch  sonst  liebt,  besonders 
bemerkenswert  (s.  vor  allem  die  Tricennatsrede  [d.  h.  in  erster  Linie 
den  BaaiXixog,   der  ihr  angehängt  ist]   und  die  Demonstr.  evang., 

1)  Zum  Text  der  Praepar.  s.  lloiki^l,  De  Praepar.  ev.  Ensebii  edendaie 
ratione  quacstiones.  Helsingforb  1888.  Kino  neue  kritische  Ausgabe  der  Prae- 
paratio von  Gifford  in  4  Bänden  mit  englischer  Übersetzung  und  Noten  ist 
soeben  in  London  (1903)  erschienen.  Die  Demonstratio  ist  bisher  von  der  Kritik 
und  der  geschichtlichen  Wissenschaft  stark  vernachlässigt  worden. 


Eusebius  von  Cäsarea.  121 

ich  die  Praep.).  Daß  das  Verhältnis  nicht  umzukehren  ist,  hat 
ightfoot  (1.  c.  S.  333)  in  bezug  auf  Praepar.  und  Demonstr.  ge- 
jigt  In  bezug  auf  die  Tricennatsrede,  d.  h.  den  „BaoiXixog'^  — 
e  eigentliche  Tricennatsrede  hat  nur  weniges  mit  der  „Theophanie** 
imein,  s.  Heikel,  a.  a.  0.  S.  CVI  —  wird  aber  die  Priorität  der 
?heophanie"  anzunehmen  sein,  und  es  erscheint  die  Hypothese 
ightfoots,  beide  Werke  seien  gleichzeitig  bez.  die  Theophanie  sei 
)ch  nicht  ediert  gewesen,  unnötig.  Glewiß  gehörte  die  „Theo- 
lanie"  zu  den  späteren  Werken  Eusebs  (gegen  Lee),  wenn  man 
3  auch  nicht  mit  Sicherheit  zu  den  letzten  rechnen  darf  Der 
ille,  seit  Jahren  errungene  Sieg  des  Christentums  ist  überall 
►rausgesetzt;  Eusebius  zitiert  das  Werk  niemals,  und  das  Bestehen 
!S  unzüchtigen  Kultus  in  Balbek  ist  trotz  Vita  Const.  HI,  58  kein 
jheres  Argument  für  die  Abfassung  vor  dem  Edikt  Konstantins 
igen  jenen  Kultus.  Die  Schrift  scheint  nicht  abgeschlossen  zu  sein, 
id  das  könnte  man  als  Argument  für  die  Annahme,  sie  sei  das 
tzte  Werk  Eusebs,  verwerten.  Allein  das  wäre  ein  sehr  unsicheres 
rgument    Eine  neue  Ausgabe  von  Greßmann   ist   im  Druck. 

15)  IIsq!  rfiq  xcip  jtaXaiwv  dpÖQcop  Jtokvjtaiölag. 

Dieses  verlorene,  von  Basilius  M.  (De  spiritu  s.  29)  zitierte 
^erk  ist  in  der  Demonstr.  I,  9  flu.  und  Praepar.  VH,  8,  29  zitiert 
id  charakterisiert  (es  handelt  nicht  von  den  „Geschlechtsregistern", 
ie  Preuschen,  Teil  I  dieses  Werkes  S.  572  in1;ümlich  angibt). 
5  ist  (s.  die  Abfassungszeit  der  Praeparatio)  entweder  am  Anfang 
r  Verfolgungszeit  oder  schon  früher  verfaßt  worden. 

16)  Bibel-Handschriften. 

Die  Bibelhandschriften,  denen  Pamphilus  seine  Sorge  zuteil 
3rden  ließ,  haben  auch  die  des  Eusebius  erfahren.  Über  Ver- 
eitnng  der  Codices  ab  Origene  elaborati  durch  beide  s.  Hieron., 
-aefat.  in  Paralip.  Über  Eusebius'  Sorge  für  Bibelabschriften 
if  Geheiß  Konstantins)  s.  Vita  Const  IV,  36f  Preuschen  meint, 
habe  sich  a.  a.  0.  nicht  um  ganze  Bibeln,  sondern  um  Lektionarien 
handelte 

17)  Die  Sektionen  und  Canones  zu  den  Evangelien. 

Wann  diese,  dem  Karpianus  gewidmete  Arbeit  (s.  dazu  G  william 
den  Stud.  Bibl.  Oxf  Vol.  H  p.  241flF.)  von  E.  gemacht  worden 
'^  ist  gänzlich  unbekannt. 

1)  Für  die  Zurückfiihrung  des  Cod.  Vatic.  (B)  nicht  auf  Eusebius,  sondern 
f  AthanasiuB  haben  sich  Zahn  (Gesch.  des  NTlichen  Kanons  I  S.  73  u.  sonst), 
jstle  (Einführung  in  d.  N.  T.  2.  AuO.  S.  149)  u.  Rahlfs  mit  guten  Gründen 
sgesprochen,  s.  Athanas.,  Apol.  ad  Constant.  4. 


122  ^^*'  Litteratiir  des  Morgenlandea. 

18a)  Übersetzung    ethnologischer    Termini    der    h. 

Schriften  ins  Griechische. 
18b)  Beschreibung  des  alten  Judäa  (vielleicht  von  Ebed- 

Jesu  mißverstanden  und  genannt:  „d^  figura  mundi'') 
18c)  Plan  Jerusalems  und  des  Tempels. 
18d)  IIbqi   xd>v   xojcixdtv   opofiaxcop   xciv  Iv  xfj  f^eia 

Nur  das  4.  Stück  ist  erhalten,  und  hier  sind  in  der  Von-ede 
die  drei  anderen  genannt.  Geschrieben  waren  sie  auf  Aufforderung 
des  Pauliu  von  Tyrus,  dem  sie  auch  gewidmet  waren.  Ob  das 
Werk,  in  welchem  sie  zu  einer  Einheit  zusammengeschlossen  stiiudeii. 
noch  mehr  solcher  selbständiger  Stücke  enthielt,  ist  nicht  auszu- 
machen. Hieronymus  hat  das  4.  Stück  bearbeitet  und  übersetzt, 
cf.  Prokop  bei  Klostermann,  Texte  u.  Unters.  Bd.  12  H.  3  S.  10^ 
und  s.  vor  allem  Klosterniann,  a.  a.  0.  Bd.  23  H.  2  (1902).  Nach 
Hieron.  (Praef.  z.  s.  i^bers.)  hat  Eusebius  das  Buch  über  die  hebr. 
Namen  nach  der  Kirchengeschichte  und  nach  der  Chronik  verfaßt. 
Woher  wußte  er  das?  Paulin  von  Tyrus  ist  im  J.  328  Bischof 
von  Antiochien  geworden  und  nach  6  Monaten  gestorben.  Nach 
dem  J.  328  kann  unsere  Schrift  jedenfalls  nicht  verfaßt  sein. 
Klostermann's  Ausgabe  ist  im  Druck  abgeschlossen. 

19)  //t(>l  X7jg  xov  ßißXiov  r&v  jrQ0(prjX(5p  opofiaoiai. 

Die  Zeit  dieses  übrigens  nicht  sicher  echten  Stückes  ist  unbe- 
kannt; die  Untersuchungen  über  sein  Verhältnis  zu  verwandten 
Stücken  (Epiphanius,  Chrysostomus)  ist  noch  nicht  abgeschlossen. 
s.  Nestle,  Marginalien  und  Materialien,  1893.  Gehört  das  kui*ze 
Stück  vielleicht  zu  den  ^ExXoyal  jrQo<p.  bez.  zur  Elcaycoy?]? 

20)  Elg  Tovg  y'aXfiovg. 

Über  den  Umfang  dieses  exegetischen  Hauptwerkes  Eusebs 
und  die  zweifellos  zu  ihm  gehörigen  Stücke  muß  man  sich  z.  Z. 
noch  des  Urteils  enthalten^.  Mercati  ist  seit  Jahren  mit  seiner 
Wiederherstellung  aus  den  Katenen  beschäftigt  und  hat  auch 
mehrere  Vorarbeiten  zu  demselben  veniffentlicht,  s.  „Alcune  note 
di  Lett.  Patrist.**  (Estrat.  dai  „Rendiconti"  Ser.  II  Vol.  31,  189S: 
„L'ultima  parte  perduta  del  comm.  d'Eusebio  Caes.  ai  salmi^'  p.  4  ff.) 
und  Studi  e  Testi  T.  5,  1901.    Die  Abfassungszeit  läßt  sich  einiger- 

1)  Hier  sind  H  von  ihm  4  BH.  so  betitelt:  al  xXijgovxlcci  —  al  ^Eßpätxnl 
hQfiijveiai  —  x6  Ttegl  tonixäjv  ovofjidtwv. 

2)  Ks  ischoint  zwei  Formen  «le.s  Werkes  j^ej^elKni  zu  haben  (s.  CyriU.  Alex. 
}K'i  l'itra,  Anal.  Saera  111  p.  631).  Ori^enes  ist  in  großem  Üm&ng  abjxe- 
sehricb(Mi. 


Eusebias  von  Cäsarea.  123 

Müen  bestimmen.  In  dem  Kommentar  zu  Ps.  87,  lof.  ist  die  Wieder- 

anfOndang  des  h.  Grabes  und  der  Bau  der  Basilika  (doch  braucht 

sie  noch  nicht  fertig  gewesen  zu  sein;  im  J.  335  wurde  sie  einge- 

'wdht)  Yoransgesetzt    Der  Kommentar  gehört  also  (s.  Vita  Con- 

stant  III,  20  ff.  28  ff.  IV,  45  f.)  der  Zeit  nach  c.  330  an. 

21)  ^YjtoiAVTKiaxa    slg   ^Iloatav  (15   [10]    Bücher    nach 
Hieron.). 

Mit  diesem  großen  Kommentar  steht  es  ebenso  wie  mit  dem 
Psalmen-Kommentar:  er  muß  erst  sicher  hergestellt  werden.  Auch 
or  ist  in  der  definitiven  Friedenszeit  verfaßt,  wie  die  Bemerkungen 
zu  c.  44,  5;  49,  23;  23,  17  beweisen  (die  Berufung  auf  die  Chronik 
za  c.  13, 17  läßt  einen  Schluß  auf  das  Datum  nicht  zu).  Die  Note 
zu  49,  23  {AI  61  tovt(dp  aQXOvcai.  Ö7]Xaö?j  al  xad^  %xaOrov  td^voq 
^ccd  xaQ^*  bxacxrjv  kjtaQxictv  aQXc^^  ^«i  l^ovoiai  rij  ävtaraxoD  ßaöiXela 
^fdcacovüVfiBPai  xQoq>Av  ölx?]v  i^vjtrjQhxovfievoi  xolq  Ivöeiot  x^g  ex- 
^cArjciag  vev/iaxi  ßaötXixw  xa  OixrjQtöia  xoQ^yovöcu  avxolg)  hat  die 
nächste  Parallele  zu  Vit  Constant.  IV,  28:  xatg  öh  ixxkTjclaig  xov 
^£0V  Tcad^  vJ€BQOXf)v  l^alQkxov  jtXelöd^  ooa  jtaQslxsv,  ojöe  fihp 
^^7Qovg,  aXXaxod-i  de  öixoöoolag  im  X^QVYk^  Jttprjxcov  ävÖQoJp  K 

22)  Kommentar  zu  Lukas  {??). 

Die  unter  dieser  Aufschrift  veröffentlichten  Bruchstücke  —  ob 
sie  aber  einem  Lukas-Komm.  angehören,  ist  sehr  zweifelhaft;  ein 
Teil  ist  jedenfalls  der  Theophanie  zuzuweisen,  s.  Sickenberger, 
Xiukaskatene  des  Nicetas  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  22  H.  4, 
W02  —  zeigen,  daß  die  Verfolgungen  vorüber  waren,  als  sie  nieder- 
geschrieben wurden;    denn   die  Stellen,   wo  im  Evangelium  von 
Verfolgungen  die  Eede  ist,  deutet  Eusebius  nicht  mehr  auf  die 
Öegenwart   Auch  wird  p.  542  (Migne  T.  24)  Maximin  so  erwähnt, 
daß  man  erkennt,  er  gehört  der  Vergangenheit  an  (s.  oben  S.  113f.l 
Die  Bruchstücke  verlangen  noch  eine  kritische  Sichtung  und  Unter- 
suchung. 

23)  Kommentar  zu  I  Kor. 

Es  ist  trotz  des  Zeugnisses  des  Hieron.  (ep.  49,  3)  sehr  unge- 
wiß, ob  E.  einen  Kommentar  geschrieben  hat;  denn  an  derselben 
Stelle  legt  er  auch  dem  Pierius  (s.  o.  S.  69)  einen  solchen  bei,  der 
doch  sicher  keinen  verfaßt  hat. 


1)  Die  in  Katenen  oder  in  der  Überlieferung  sieh  tindendeu  Bruchstücke 
zu  Proverb.,  Cant.  Cant.  (s.  Zahn,  Forsch.  2.  Bd.  S.  238  ff.),  Prophet.,  Daniel, 
Matth.,  Hebr.  übergehe  ich,  da  sie  ganz  unsicher  sind. 


124  ^^^  Litteatur  des  Morgenlandes. 

24)  IleQi  öia^copiag  evayytklcov. 

Dieses  Werk,  welches  aus  zwei  selbständigen  Werken  bestand 
[Z^jr/jf/ara  xäl  Xvotig  tlg  rijv  ytveaXoylav  xov  aoozfJQog  rifiAv  XQOc 
^Tk(pavov,  2  Bß.  und  Z//r.  x.  Xvo,  elg  rijv  ävaOTaOLV  xov  ocoztJQo; 
.tQog  MaQivov),  ist  in  einer  Epitonie  (die  von  Euseb.  selbst  her- 
rühren kann,  vgl.  Mart.  Pal.)  vollständig,  sonst  in  großen  Bruch- 
stücken erhalten.  Das  Problem,  daß  in  Demonstr.  VlI,  3,  18  die 
Quaest.  ad  Stephanum  zitiert  werden,  während  in  diesen  (p.  912, 
Migne  T.  22)  Demonstr.  I,  3  angeführt  wird  (s.  o.  S.  119),  löst  sich  am 
einfachsten  so,  daß  Demonstr.  1. 1  älter,  Demonstr.  1.  VII  junger  ist  als 
unser  Werk  *.  Hiernach  wird  man  nicht  irren,  wenn  man  (s.  den  An- 
satz für  die  Demonstr.)  unser  Werk  +313  ansetzt  Es  ist  bisher  noch 
wenig  durchforscht  und  ist  doch  sowohl  eine  Fundgrube  patristischer 
Wissenschaft  als  auch  eine  besonders  charakteristische  Probe  der 
Wissenschaft  des  Eusebius,  ihrer  Vorzüge  und  ihrer  Grenzen. 

25a)  ^11  xov  xad^oXov  oxoixticiöfjg  slcaycoy?]. 
25b)  [AI  jreQi  xov  Xgtoxov)  ^ExXoycu  jcQo<pr}xixaL 

Die  uns  erhaltenen  4  Bücher  'ExXoyai  (vgl.  zu  Gaisfords  Aus- 
gabe Nolte  in  d.  Tüb.  Quartalschr.  1861  S.  95 ff.)  bilden  das 
6.-9.  Buch  eines  großen  Werkes  unter  dem  Titel  Elcayrnyi]  (über 
das  1.— 5.  u.  10.  Buch  lassen  sich,  da  wir  nur  wenige  Fragmente 
und  Hinweise  besitzen,  nur  Vermutungen  aufstellen).  Doch  ist  es 
möglich,  daß  nur  die  5  ersten  Bücher  den  Titel  Elaaywy?]  getragen 
haben.  Die  'ExXoyai  sind  nach  I.  8  mitten  unter  den  Schrecken 
der  Verfolgung  geschrieben,  also  zwischen  303  u.  311  (s.o.  S.  111). 
Bereits  in  dem  ersten  Buch  der  KGesch.  sind  sie  zitiert  (I,  2,  27). 
Man  wird  also  nicht  irren  (s.  o.  S.  1 1 4),  wenn  man  die  ^ExXoyal  auf 
303—305  ansetzt.  Das  große  Material  für  sie  muß  Eusebius  früher 
gesammelt  haben,  und  die  ersten  5  Bücher  der  Eloaya)y7}  sind  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  vor  der  gi-oßen  Verfolgung  verfaßt 

'1^)  Kaxa  MaQXkXXovxov\\yxvQagi:nLOx6xov{2^ViC)i&[\ 

Die  Zeit  dieser  augenscheinlich  rasch  entworfenen  Schrift  ist 
durch  1.  H  c.  4  p.  114f  (ed.  Gaisford)  gesichert;  sie  ist  nach  der 
den  Marceil  verurteilenden  Synode  von  Konstantinopel  (335)  ver- 
faßt zur  Rechtfertigung   derselben,   aber  Maixell  hatte  auch  ihn 

1)  Das  rrobleiii  durch  Hinweis  da  rauf  zu  lösen,  daß  die  Epitome  das 
Zitat  aus  der  Demonstr.  bringt,  dasselbe  also  nicht  im  Original  gestanden  zu 
haben  braucht  (Lightfoot  p.  338),  scheint  mir  minder  wahrscheinlich. 

2)  Hier  ist  die  Textgestalt  bei  Migne  (Nolte)  neben  der  bei  Oaisford 
nicht  zu  übersehen. 


EusebiuB  von  Cüsarea.  125 

selbst,  den  Eusebius,  sowie  den  entschlafenen*  Freund  Paulinus  von 
Tyrus  [Antiochien]  und  den  großen  Origenes  angegriffen  (I,  4).  Im 
J.  335  oder  336  hat  Eusebius  geschrieben ;  denn  die  Schrift  scheint 
der  Synode  auf  dem  Fuß  gefolgt  zu  sein. 

27)  ÜQog  MaQxeXXov  iksyxoc  JtSQi  rfjg   ixxXrjöiaöTt' 
xriq  d^BoXoylaq  (3  Bücher). 

Dieses  umfangreiche  Werk,  dem  Bischof  Flacillus  von  Anti- 
ochien (333—342)  gewidmet  (s.  das  Widmungsschreiben),  knüpft  I,  1 
an  das  vorige  an  und  ergänzt  es  durch  scharfe  Widerlegungen 
Marcells  (in  dem  ersten  sollte  bereits  die  Darstellung  der  Lehre 
M.S  eine  Widerlegung  derselben  sein).  Es  ist  die  letzte  große 
Arbeit  Eusebs  (337  oder  338  ediert),  und  er  hat  in  ihm  alle  seine 
Kraft  zusammengenommen,  um  den  verhaßten,  nach  seiner  Meinung 
in  jeder  Hinsicht  haltlosen  und  geföhrlichen  Lehrtropus  Marcells 
zu  überwinden.  Wie  Athanasius  in  Arius,  so  hat  Eusebius  in 
Marcell  den  eigentlichen  Widersacher  und  den  Zerstörer  der  kirch- 
lichen Theologie  gesehen.  Dieses  Werk  mußte  notwendig  das 
kleinere,  vorangehende,  welches  nicht  gründlich  genug  war,  ver- 
drängen, und  so  kennt  Sokrates  (h.  e.  I,  36;  II,  20  f.)  nur  dieses, 
nicht  aber  das  erste,  und  bezeichnet  es  als  „Bücher  gegen  Marcell". 
Auffallend  ist  es,  daß  Hieronymus  und  Photius  über  beide  Werke 
schweigen.  Daher  ist  das  erste  überhaupt  nur  handschriftlich  be- 
zeugt^. 

28)  IIbqI  tov  Jtaöxct  {fivörcxti  dpaxaXvtpig). 

Für  Konstantin  nach  Vita  IV,  35  f.  geschrieben  zur  Erklärung 
des  Festes  und  sofort  für  ihn  ins  Lateinische  (nicht  von  Eusebius 
selbst)  übersetzt  Das  erhaltene  große  Fragment  macht  es  nicht 
wahrscheinlich,  daß  in  dieser  Schrift  eine  Ostertermin-Berechnung 
enthalten  war;  eine  solche  aber  legt  Hieron.  dem  Eusebius  (de  vir. 
inl.  61)  bei:  „Hippolytus  usque  ad  primum  annum  Alexandri  imp. 
XVI  annorum  circulum,  quem  Graeci  txxaiötxaexTjQlöa  vocant, 
repperit  et  Eusebio,  qui  super  eodem  pascha  XIX  annorum  circu- 
lum, i.  e.  ippBaxaiöexaerTjQlöa  composuit,  occasionem  dedit."  Ver- 
faßt ist  die  Schrift  über  das  Passah  (nach  der  Erwähnung  in  der 
Vita)  im  J.  c.  334/5. 


1)  ndXai  xexoifii]fjikvov.    Paulin  war  im  J.  329  (oder  328  llmlv)  j^estorbin. 

2)  In  den  pseudoaugustinischen  Quaest.  in  Vetus  et.  Novum  Testam.,  die 
der  Zeit  des  Damasus  von  Rom  angehören,  heißt  es  qu.  125:  „Memini  me  in 
f[nodam  libello  Eusebii,  quondam  egregii  in  reliquis,  legisse,  quia  nee  spiritus 
s.  sciat  mysterium  nativitatis  domini  nostri  Jesu  Christi,  et  admiror  tantae 
doctrinae  vimm  hanc  maculam  spiritui  s.  inflixisse".  Wo  steht  dios  bei  Euse- 
bius? Praepar.  XI,  20  findet  es  sich  nicht. 


126  I^iß  Litteratiir  des  Morgenlandes. 

29)  Über  den  Stern  der  Weisen. 

Die  (Teil  I  S.  585f.,  cf.  Nestle  in  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol. 
Bd.  36,  1893,  S.  435ff.,  Hilgenfeld,  a.  a.  0.  Bd.  38,  1895,  S.  447ff., 
Nestle,  Materialien  u.  Marginalien  1893,  S.  72)  erwähnte,  in  einer 
syrischen  Handschrift  dem  Eusebius  beigelegte  Abhandlung  über 
den  Stern  der  Weisen  fußt  auf  der  Chronik  des  Eusebius,  ist  aber 
nach  Gutschmid  und  Nöldeke  nicht  von  ihm.  Ich  selbst  habe 
die  Abhandlung  nicht  einsehen  können.  Sie  ist  ausgezeichnet  durch 
eine  sehr  präzise  und  in  sich  harmonische  Zeitbestimmung,  nach 
welcher  im  J.  430=  119  p.  Chr.,  unter  der  Begierung  Hadrians, 
im  Konsulat  des  Severus  und  FulguS;  unter  dem  Episkopat  des 
Xystus,  Bischofs  der  Stadt  Rom,  die  Geschichte  von  den  Weisen 
aus  dem  Morgenlande  „in  [den  Gedanken  von]  Männern,  bekannt  mit 
den  h.  Büchern  sich  erhoben  hat,  und  durch  die  Mühen  der  großen 
Männer  von  veischiedenen  Orten  wurde  sie  vorgesucht  und  gefunden 
und  geschrieben  in  der  Zunge  derer,  welche  diese  Sorge  trugen*'. 
Hinter  diesen  nicht  durchsichtigen  Worten  scheint  etwas  Haltbares 
zu  stecken  und  zwar  etwas  für  die  Ausgestaltung  des  Matthäns- 
Ev.s  Wichtiges;  aber  man  wird  bei  dem  Abgerissenen  der  Nachricht 
doch  Bedenken  tragen,  auf  die  Stelle  etwas  Sicheres  zu  bauend 

30)  Rede  zum  Preise  der  Märtyrer  u.  andere  Reden. 

Die  im  J.  314  oder  315  gehaltene  Rede  zur  Einweihung  der 
Kirche  in  Tyrus  ist  in  h.  e.  X,  4  auf  uns  gekommen,  die  Vicennats- 
rede  v.  J.  325  zu  Nicäa  (Vita  III,  11)  fehlt,  die  Rede  über  das 
h.  Grab  (Vita  IV,  33.  46)  ebenfalls,  die  Tricennatsrede  v.  J.  335 
besitzen  wir  noch  zusammen  mit  der  Rede  Baoihxog  (s.  Vita  IV, 
4  5  f.  u.  oben  fS.  115ft'.).  Desgleichen  ist  uns  im  Syrischen  die  von 
Ebed-.Tesu  verzeichnete  Rede  auf  die  h.  Märtyrer  erhalten;  sie  ist 
bisher  nur  im  Jonrn.  of  Sacred  Literature  N.  S.  V  p.  403 ff.  (über- 
setzt von  Cowper,  1.  c.  VI  p.  129ff.)  gedruckt  worden.  Die  in 
die  unbedeutende  Rede  eingeflochtene  antiochenische  Bischofsliste 
macht  es,  wie  Lightfoot  (p.  344)  mit  Recht  bemerkt,  wahrschein- 
lich, dal>  sie  in  Antiochien  gehalten  worden  ist  Die  Zeit  ist  nicht 
zu  btstinimen.  —  Von  der  Rede  über  „Regenmangel",  von  Ebed- 
Jesu  erwähnt,  wissen  wir  sonst  nichts. 

31)  Briefe^ 

1)  Ein  nur  in  Fragmenten  erhaltener  Brief  an  Alexander  von 
Alexandrien  (nacli   den  Acta  Conc.  Nie.  secundi,  Act  VI,  Mansi 

1)  In  den  Quiu^st.  :ul  Stephan,  hat  sich  Eusebius  eingehend  mit  dem  Storn 
befaßt. 

2)  Eint;  Briefsammlung  des  Eusebius  lag  dem  2.  Konzil  von  Nicäa  vor, 
f?.  Mansi  T.  XIH  p.  316. 


Eusebius  von  Cäsarea.  127 

III  p.  317  war  er  nicht  der  einzige  an  ihn)  ist  vor  dem  nicäni- 
hen  Konzil  um  das  J.  318  geschrieben.  Eine  genauere  Da- 
Tung  ist  unmöglich,  da  die  Anfänge  des  arianischen  Streites  auch 
At  genauer  datiert  werden  können. 

2)  An  Euphration,  Bischof  von  Balanea  Syr.,  der  ein  Ortho- 
xer  im  Sinne  des  späteren  Nicänums  war.  Vor  diesem  Konzil 
.  dieser  bei  den  Athanasianern  besonders  berüchtigte,  uns  nur  in 
3nigen  Fragmenten  erhaltene  Brief  geschrieben. 

3)  An  die  Kaiserin  Konstantia,  die  Schwester  Konstantins  und 
^mahlin  des  Licinius,  eine  strenge  Arianerin.  Der  fast  voU- 
ändig  in  zahlreichen  Fragmenten  erhaltene,  freimütige  Brief, 
tssen  Echtheit  ohne  hinreichenden  Grund  von  Lee  („Theophanie" 
LXXII)nach  dem  Vorgang  desPetavius  bezweifelt  worden  ist 
:e  schreiben  ihn  dem  Euseb  von  Nikomedien  zu),  ist  von  den 
:onoklasten  mit  vollem  Recht  ausgebeutet  worden.   Der  Brief  ist 

die  Zeit  vor  324  zu  setzen,  wenn  die  Aufschrift  „Augusta", 
iter  der  er  auf  dem  2.  nicän.  Konzil  erwähnt  ist,  richtig  ist;  denn 
kch  dem  Sturz  des  Licinius  war  Konstantia  nicht  mehr  Augusta, 
ndem  „nobilissima  feraina"  (s.  Seeck  in  Pauly-Wissowa, 
Enzykl.  Bd.  4  Kol.  958). 

4)  An  die  Gemeinde  zu  Cäsarea  —  Eusebius  erklärt  und  be- 
honigt  hier  seine  Annahme  der  Nicänischen  Formel.  Geschrieben 
n  Nicäa  im  J.  325. 

5)  An  Karpianus  (s.  o.  S.  121). 

6)  An  Flacillus  (s.  o.  S.  125). 

7)  Briefe  in  Sachen  des  Arianismus  vor  dem  Nicänum. 


Auf  die  ganz  zweifelhaften  oder  sicher  unechten  Werke,  die 
1  1.  Teil  p.  584  fF.  angeführt  worden  sind,  gehe  ich  nicht  ein,  ob- 
eich  die  Liste  vermehrt  werden  könntet  —  Zur  „Theophanie"  vgl. 
ichträglich  die  die  Textüberlieferung  und  den  Text  sorgfältig  be- 
ndelnde  Abhandlung  von  Greßmann  in  den  Texten  u.  Unters. 
1  23  H.  3  (1903).  Die  Abfassungszeit  ist  hier  (S.  38flF.)  wie  von 
is  bestimmt:  um  das  Jahr  333,  wahrscheinlich  (aber  nicht  sicher) 
►r  der  ganzen  Tricennatsrede. 

1)  Erwähnt  sei  nur,  daß  dem  Eusebiurf  im  Cod.  Paris.  Graec.  1452  fol.  12S 
f  Pasöio  Onesimi  zAigeschrieben  wird:  ^A&Xtjaig  rov  ay.  x,  ivdo^ov  dnooxoXov 
Tjaifjiov  (naS'rirov  yevofxevov  TlavXov  x.  dnoar.  avyyQaifHaa  naga  Evoeßlov 
V  UafiffiXoVf  ferner  das  Fragment  über  die  Märtyrer  inl  Mdgxov  ^Avtovivov 
l  Aiovxiov  BriQoVy  ediert  von  Tri  arte,  R<^g.  Bi>)l.  Matrit.  Codd.  Gr.  ms.  Ma- 
W  \  \\  548—552. 


Drittes  Kapitel. 

Orientalische  Schriftsteller,  die  von  den  Alexandrinern 
unbeeinflusst  oder  ihre  Gegner  sind. 

1)  Bardeganes  nnd  das  Werk  iJfQi  eifiag/uivtiq  (wahrscheinlich 
von  Philippus,  einem  Sehfiler  des  Bardesanes).    Prepon« 

Bardesanes  (in  Edessa),  der  Freund  Abgars  IX.,  lebte  von  154 
(11.  Juli)  -  222/3  und  hat  sich  bereits  unter  M.  Aurel  (s.  Euseb^ 
h.  e.  IV,  30,  Epiphan.  haer.  56)  bekannt  gemacht  (s.  den  1.  Teil 
dieses  Werkes  S.  184  ff.  u.  den  1.  Bd.  dieses  Teils  S.  534).  In 
welclKT  Zeit  seines  Lebens  er  die  hauptsächlich  von  Ephraem  uns 
überlieferten  Hymnen  gedichtet  hat,  durch  welche  er  der  Schöpfer 
der  syrischen  Kirchengesänge  und  des  Kirchenlied-Metrums  über- 
haupt geworden  ist^  läßt  sich  nicht  ermitteln.  Der  Konflikt  mit 
einer  katholischen  Partei  in  Edessa  scheint  unter  dem  katholischen 
Bischof  daselbst,  Palut,  den  Serapion  von  Antiochien  geweiht  haben 
soll  (also  zwischen  190/1  u.  211  2),  ausgebrochen  zu  sein  (Doctrina 
Addaei  ed.  Phillips  p.  50).  Hippolyt  weiß  in  der  Refut  (VI,  35 
u.  Vll.  31),  daß  Bardesanes  zur  valentinianischen  Häresie  gehört- 
und  daß  der  assyrische  Marcionit  Prepon  gegen  diesen  „Armenier"' 
geschrieben  hat**.  Wohl  durch  Vennittelung  Victorins  von  Pettau 
ist  die  Kunde  Hippolyts  zu  Primasius  gekommen,  der  den  B.  unter 

1)  Nach  Sozoni.  li.  t».  III,  16  (cf.  Thoodoret,  h.  i\  IV,  20)  gebührt  ewt  dem 
Snlnio  des  nanh'sancs,  Jhinnonius,  dieses  VcnlienBt.  Daß  dieser  auch  Griechisch 
vt'rutanden  (er  soll  rs  in  Athim  pclcrnt  haben),  erzählt  Theodoret,  h.  f.  I,  22. 
Hannoniiis  hat  wohl  die  Jlyniiien  8eiii«*s  ^'aters  j^esammclt,  ediert  und  vielleicht 
v»'rnichrt. 

•J)  Narh  Kiis(fbiiiH  (h.  e.  IV,  ')0)  war  or  erst  Valentinianer,  danu  entfemt^^ 
vr  sich  von  Vah'ntin,  bekäninfto  ihn,  bihh»t<»  aber  auf  dem  Grunde  der  valenti- 
nianisrhen  eil»»  citifene  Irrlehre  aus. 

'.\)  I*or])hyrius,  (I)«»  ab.stin(?nt.  IV,  17)  und  llicron.ynius  (Adv.  Joviu.  H,  14 1 
ju'nnrn  ihn  eha'ii  IJabylonirr,  Kusebius  i  l'rai'pnr.  ev.  VI,  9f.)  u.  a.  einen  Syrer. 

I")  Dali  Dardrsanos  st-incrseits  die  Marcioniten  bekämpft  hat,  bericht<^t 
Fiusebiiis  (h.  e.  IV,  30)  nnd  Theodon-t,  h.  f.  I,  22  (cf.  Moses  v.  Clioren.  FI,  66 
p.  185 f.  ed.  Whistnn).     Cber  Prepon's  Schrift  ist  sonst  nichts  })ekannt. 


Bardesanes  und -«las  Werk  Ile^l  (Ifiapfiivi^g.  129 

den  häretischen  Christologen   neben  Valentin  aufzählt  (Komm,  zu 
^pok.  12,  1,  Migne,  Ser.  Lat  T.  68  p.  873).    Die  syrisch-griechi- 
schen Kirchenväter  von  Eusebius  an  haben  mehr  von  Bardesanes 
gewußt,  aber  geben  uns  doch  nur  eine  sehr  trümmerhafte  Kunde. 
Die  wenigen  durchsichtigen  und  haltbaren  Nachrichten  über  sein 
Leben  sind  aus  den  von  mir  Teil  IS.  184—191  zusammengestellten 
Testimonien  zu  abstrahieren.    Er  war  ein  reicher  Mann  in  glän- 
zender Stellung  (s.  auch  Acta  Abercii,  Acta  SS.  Oct.  IX  p.  512  c.  36). 
Von   den  Werken  des  Bardesanes^  haben   die   150  Psalmen 
<Kphraem,  serrao  adv.  haer.  53,  Opp.  syr.  II  p.  554)  die  gröWe 
£edeutnng   in    den    folgenden  Jahrhunderten    erlangt;    nur   sehr 
i?reniges  von  ihnen  ist  aber  bei  Ephraem  erhalten^.   Derselbe  macht 
Andeutungen  in  bezug  auf  andere  Schriften  des  B.,  die  aber  so 
unbestimmt  sind,  daß  sie  sich  nicht  fassen  lassen.    Sicher  ist  (s.  o.\ 
daß  er  gegen  Häretiker,  namentlich  gegen  Marcioniteri,  geschrieben 
hat,  und  zwar  in  dialogischer  Form  (s.  Euseb.).    Obgleich  diese 
l3ialoge  aus  dem  Syrischen  von  Schülern  ins  Griechische  übersetzt 
'forden  sind  (1.  c)^  hat  sich  doch  in  keiner  der  beiden  Sprachen 
in  primärer  Gestalt  etwas  von  ihnen  erhalten.    Auf  Grund  von 
Aditteilungen  einer  indischen  Gesandtschaft,  die  zu  dem  Kaiser 
^  Antoninus  aus  Emesa"  geschickt  worden  war  und  Kdessa  passierte, 
liat  Bardesanes  über  indische  Dinge  geschrieben^.    Nach  Eusebius 
liat  er  ferner  Schriften    .,aus  Anlaß   der  damaligen  Verfolgung*" 
(welcher?)  verfaßt    Es  liegt  nahe,  an   die  syrisch  geschriebene 
pseudomelitonische  Apologie  hier  zu  denken,  die  nicht  vor  der  Zeit 
des  Septimius  Severus  (aber  auch  nur  wenig  später)  verfaßt  ist 
^nd  die  wir  noch  besitzen  (s.  den  1.  Band  dieses  Teils  S.  522 f.): 
Aber  daß  sie  von  B.  stammt,  läßt  sich  leider  nicht  wirklich  be- 

1)  Kpi]>hun.  (p.  jG,  1):  Xoyov^  ovx  oXiyovg  ovveyQaiffato. 

2)  über  die  Hymnen  in  den  apokryphen  Thomasakten  s.  dort.  Kphracui 
'i^nnt  als  Vorgänger  de»  B.  (hymn.  22  p.  485)  einen  gowirisen  Kukus  (Ciieiijo): 
iiFaratuft  ei:t  gregem  Valentinus  ex  eccleBia  eiimqne  vocavit.  suo  nomine,  app(»l- 
'Ävit  eum  nomine  suo  Cucus,  fiiratus  est  eiim  calliduB  Bardesanew",  und  8])rioht 
^^ch  sonst  (p.  440.  493)  von  Kuciton.  Auch  andere  erwähnen  sie;  die  Haupt- 
^uellc  ist  Maruta  (h.  Texte  u.  i;nt<'rs.  Bd.  19  H.  1  J^.  lüf.V,  nach  seinen  An- 
gaben ißt  es  wahrscheinlich,  daß  sie  eine  judeneliristli<-h-^nost.is«*hp  Sekte  waren. 

3)  Nach  Kpiphan.  h.  50  «oll  auch  Bardesanes  seihet  <  Jrie('his<'h  verstände» 
"^H  wie  e»  scheint,  geschrieben  haben. 

4)  Sie  erschienen   dem   l'orpliyrins   so  interes>ant,   daß  vy  si«*  •/.  T.  an.s<je- 

«K-hrieben  hat  (De  abstinent.   IV,   17  u.  De  stv*^e^;    ilm   wiedennn    hat  Stobäns 

«Mgegchrieben  (Kclog.  i»liys.  I,  4,  7ii\]:  li'öol  ol  inl  xii^  ßaaiXdaq  xov  lAvxwvivov 

Tov   i(  ^Efisawv   elQ   xt^v  Zvgiav  BaQÖTfadrtj  xto   tx  Mfoonoxafiiaq  flq  Xoyovq 

ttf  1x6 fjLtvoi   i^ijy7}aavxo ,    wq  6  B.  rxrtyQaii'ev  ....     IJegl  ob  6  B.  xdSe  yQüOfirt 

\B7iaui  yaQ  tdxsivov  xaza  Xt^iv\    Ks  folgt  ein  längeres  Fragment. 

Harnaek,  A1t<;bri8tl.  Littcraturgcsel).  II,  2.  9 


130  ^ic  Litteratur  des  Morgenlandes. 

weisen  (doch  s.  untenj.  Moses  Choren,  nennt  und  benutzt  eine 
historisciie  Arbeit  des  B.  zur  armenischen  Geschichte.  Während 
man  früher  skeptischer  war,  ist  es  jetzt  wahrecheinlich  geworden, 
daß  Moses  eine  solche  wirklich  vor  sich  gehabt  hat^  Georg,  der 
Araberbischof  (s.  Ryssel,  Georgs  des  Araberbischofs  Gedichte  u. 
Briefe,  1891,  S.  48),  nennt  in  einem  Brief  vom  J.  714  den  Barde- 
sanes  ^den  alten  und  durch  die  Kenntnisse  der  Naturereignisse 
berühmten  Mann"  und  zitiert  aus  einer  astronomischen  Schrift  des- 
selben „über  die  gegenseitigen  Synoden  der  Sterne  des  Himmels". 
Unter  den  Dialogen  des  B.  hebt  Eusebius  einen  besonders 
hervor,  den  jtsqI  tliiaQiiivriq  an  Antoninus;  kirchliche  Schriftsteller 
des  Ostens  haben  ihn  später  auch  noch  zitiert^;  er  war  augen- 
scheinlich der  bekannteste^  Das  hartnäckige,  aber  ganz  unbe- 
gründete Vorurteil,  dieser  Dialog  müsse  identisch  sein  mit  einer 
Schrift,  aus  der  Eusebius  in  der  Praepar.  ev.  (VI,  10,  1 — 48)  zwei 
große  Bruchstücke  mitgeteilt  hat,  hat  erst  Nau*  zerstört  Diese 
beiden  Stücke  hat  Eusebius  (VI,  9)  so  eingeführt:  üagad^aofiai 
öi  Ooi  xäl  rmvöe  xaq  djtoöel^eig  l§  ävÖQoq  Hvqov  fisv  xo  ytvog. 
kjc    axQov  6e   r^g  XaXöaXxfjg  ijtiorrjfirjg  ikrjXaxoroc.     BaQÖr/odpfjs 


i)  ßardesanes  war  zeitweilig  (während  einer  Verfolf^np,  vielleicht  unter 
Caraciilla?)  in  dem  eigentlichen  Armenien,  fand  aber  dort  als  Missionar  keine 
Wirkpamkeit,   s.  Moses  Choren. 

2)  Nach  Kpiphanins  ih.  5(1)  war  er  gegen  den  Astrologen  Abidas  gerichtt^t. 

3'  Ob  Kusebius  unter  „Antoninus"  einen  Privatmann  oder  —  was  wahr- 
scheinlicher —  einen  Kaiser  diesos  Namens  verstanden  hat,  ist  zweifelhaft 
(Hieron.  hat  Marcus  Antoninus  eingesetzt).  Aber  selbst  wenn  es  ganz  sicher 
wäre,  daß  Eusebius  einen  Kaiser  Anton iiuis  gemeint  hat,  wüßten  wir  doch 
nicht,  wen  Bardesanes  selbst  ins  .Auge  gefaßt  hat.  Moses  Choren.  II,  00  schreibt: 
„Bardesanrs  t'tiam  ad  Antoninum  epistolam  scribere  ausus  est".  Hilgenfeld 
(Ketzergeschichte  8.517)  nimmt  demgemäß  an,  B.  habe  an  den  Kaiser  Kl agabal 
ein  Schreib«'!!  (zugunsten  der  Cl!ri8ten)  gei'iehtet.  Allein  es  liegt  nahe,  in  der 
Angabe  des  Mose^  nur  ein  Mißvcirstiuidnis  der  Tatsache  zu  sehen,  daß  die 
Schrift  7ie()l  slfiaQfitvijq  an  einen  Antonin  gei'ichtet  war.  Will  man  das  nicht 
ani!ehu!en,  so  kann  man  daran  denken,  daß  die  pseudomelitonische  Apologie, 
die  sich  al.s  „Oratio  ad  Antoninum  Caesareni"  gibt,  geiueint  sei,  und  könnte  so 
ein  freilieh  nocli  recht  unsicheres  Aignment  für  den  Ursprung  dieser  Schrift 
von  B.  gewinnen.  Kin  ebenfalls  unsicheres  Argument  ist  in  dem  Hinweise  auf 
die  Nu(!lii'icht  bei  Barhebriius  gegeben  (s.  T.  I  dieses  Werkes  S.  190),  B.  habe 
vor  seinem  Cbeitritt  zum  Christentum  dei-  I*i'iest<'rkaste  zu  Mabug  angehört. 
Mabug  inid  seine  IVi<^ster  aber  .»^ind  dem  Vei*fasser  der  pseudomelitonischen 
Apologie  ({'..  f))  ganz  besonders  gut  bekannt,  und  in  einem  Atem  mit  ihnen 
nennt  i'i-  Kdessa.  Daß  B.  sich  untei*  M,  Auiel  stan«lhaft  gezeigt  und  beinaht' 
Märtyrer  geworden  wäiv,  berichtet  Kpi]»han.,  ha(?r.  50. 

4)  Nau,  Ihie  bidgraphie  inedite  de  Ba!'desane  l'asti'ologue,  tiree  de  l'hi- 
st-oire  de  Michtd  le  (Jiand,  patria!The  d'Antioche.  Taris  iS97.  Derselbe,  Bar- 
<lesan  rastrologue,  Le  Üvre  des  lois  des  pays,  Paris  ISOO. 


Hardesanes  und  da«)  Werk  IJegl  elßaQfJtivriQ.  \^i 

ivoiux  xA  avÖQl,  oq  iv  rolg  JtQog  rovg  ItalQovq  diaXoyoiq  rads  Jirj 
pvrifiov&oBxai  tpavat.  Daß  B.  der  Verfasser  der  Dialoge  ist,  ist  min- 
destens nicht  deutlich  gesagt;  er  kann  auch  nur  der  Int.erlokutor 
in  diesen  ^Dialogen  an  die  Freunde"  sein,  ja  diese  Auffassung  ist 
^gar  die  nächstliegende.     Daß  es  sich  um  Bardesanes'  eigenen 
Dialog  xbqI  slfiaQfiiprig  handelt,  wird  lediglich  eingetragen.    Diese 
beiden  Bruchstücke  nun  finden  sich  (1)  wesentlich  identisch  wieder 
in  den  pseudoclementinischen  Rekognitionen  (IX,  19 ff.),  wie  wenn 
^ie  zu  ihnen  gehörten,  und  (2)  in  einer  im  J.  1855  uns  zugänglich 
gemachten  syrischen  Schrift:   „Buch  der  Gesetze  der  Länder**  ^ 
^ie  zu  erwarten,  gibt  sich  dieses  dialogische  Buch  nicht  als  ein 
"Werk  des  Bardesanes,  sondern  als  ein  solches  eines  seiner  Schüler 
<8elir  wahrscheinlich  eines  Philippus,  der  in  der  ersten  Person 
redet).    Bardesanes  selbst  wird  aber  redend  eingeführt.    Die  Mei- 
nung,  daß  das  Buch  von  den  Bekognitionen  abhängig  sei,   die 
flilgenfeld  vertreten  hat 2,  ist  an  sich  unwahrscheinlich  und  nicht 
bewiesen.    Die  Rekognitionen  sind  vielmehr,  wie  Merx  und  Nau 
gezeigt  haben,  von  dem  Buche  abhängig.    Merkwürdig  aber  ist, 
■daß  das  Exzerpt  bei  Eusebius  und  das  Exzerpt  in  den  Rekogni- 
tionen sehr  verwandt  sind  und  Eigentümlichkeiten  gegenüber  dem 
syrischen  Buche  gemeinsam  haben.    Das  ist  entweder  so  zu  er- 
klären, daß  die  Rekognitionen  von  Eusebius  abhängig  sind'^  oder 
<Jaß  Eusebius  und  die  Rekognitionen  eine  andere,  ältere  Rezension 
"des  Buchs  benutzt  haben^.    Dieses  selbst  ist  schwerlich  ursprüng- 
üch  syrisch  geschrieben*;  denn  griechisch  ist  das  Werk  gedacht, 
^üd  sein  Verfasser  ist  augenscheinlich  durch  eine  griechische  Philo- 
^phenschule  hindurchgegangen.    Griechisch  ist  ja  auch  das  Werk 
^on  Eusebius  und  dem  Verfasser  der  Rekognitionen  benutzt  worden, 
ßaß  es  größtenteils  aus  Anleihen  besteht,  welche  die  Schüler  bei 
4er  Gelehrsamkeit  ihres  Meisters  Bardesanes  gemacht  haben,   ist 
^ohl  anzunehmen.    Aber  was  dem  B.  in  dem  Werke  gebührt,  läl>t 
^ch  natürlich  nicht  sicher  ausscheiden.    Es  ist  gewiß  nicht  vor 
i^m  Tode  des  B.  niedergeschrieben  und  gehört  demgemäß  frühestens 
in  das  2.  Viei-tel  des  3.  Jahrhunderts. 

Ob  die  Werke  des  Bardesanes,welche  der  Fihrist  nennt  (Flügel, 
Mani  S.  85):  „Das  Licht  und  die  Finsternis"  —  .das  geistige  Wesen 


1)  Cure  ton,  Spie.  Syriaciini.  Ciiroton  hat.  auch  eine  en^lirjch»»  Cbcrsetziin«:^ 
<7t*f^eben,  Merx  (FWdeHaiios  von  Edcssa,  ISO.')}  oine  doiit.'-ch»',  Nau  (a.  a.  0.) 
^•inf»  tenzösischc. 

2)  Hilgenfcld,  HardosanoK,  dor  let/tt*  (Inostikor,  lSO-1. 

3)  So  Nau. 

4)  Nähere«  s.  unt-er  „R<»ko^nitionen  des  ClonienB". 

5)  Gegen  Morx. 


^32  ^*ß  Litteratur  des  Morgenlandes. 

der  Wahrheit"*  —  „Das  Bewegliche  und  Feste*',  wirklich  von  ihm 
herrühren  oder  seiner  Schule  angehöien,  wissen  wir  nicht  sicher; 
denn  es  hat  sich  nichts  aus  ihnen  erhalten  (sofern  nicht  das  oben 
angenicrktii  Zitat  des  Araberbischofs  Georg  auf  eine  dieser  Schriften 
zurückgeht).  Doch  ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  dem  Bardesanes 
selbst  g(:bühren:  denn  der  Fihrist  unterscheidet  Schriften  der  späte- 
ren Bardesaniten  über  dieselben  Themata  von  jenen.  Auf  Schriften 
von  Schülern  des  B.  spielt  auch  Philoxenus  v.  Mabng  (bei  Cureton, 
Spie.  p.  Vf.)  an  in  einem  Briefe  an  die  Mönche:  „Hut  thou  hast  not 
been  niindful  of  Ihy  instructor,  Bardesan,  whom  his  disciple  cele- 
brate  in  their  books  for  his  patience  and  polite  answers  to  every 
man."  Hymnen  eines  Bardesaniten  erwähnt  Ephraem  (Sermo  adv. 
haer.  54).  Daß  der  Sohn  des  Bardesanes,  Harmonius,  die  Lehren 
seines  X'aters  noch  weiter  präzisiert  hat,  bemerkt  Sozoni. 
(h.  (\  III,  10);  wir  wissen  nicht,  welche  Quelle  er  für  diese  Angabe 
benutzt  hat,  vielleicht  eine  verlorene  Schrift  Ephraems.  Geschicht- 
lich am  wichtigsten  ist  die  Angabe  Ephraems  in  seinem  Kommentar 
zum  3.  (falschen)  Korintherbrief  (s.  Zahn,  Gesch.  d.  NTlichen 
Kanons  II  S.  51)8,  Vetter,  Der  apokr.  dritte  Korintherbrief,  1894. 
S.  72),  daß  die  Bardesaniten  diesen  Brief  nicht  in  ihren  Kanon  auf- 
genommen haben.  Ephraem  fährt  fort:  „Von  ihnen  wurden  auch 
Praxeis  der  Apostel  geschrieben,  um  unter  den  Taten  und  Zeichen 
der  Ai)ostel,  die  sie  geschrieben  haben,  im  Namen  der  Apostel  den 
Unglauben  zu  schreiben,  den  die  Apostel  vernichteten".  Unter  den 
apokryphen  Apostelgeschichten  gab  es  also  auch  bardesanitische. 
und  ich  habe  bereits  im  1.  Bande  dieses  Teils  S.  548  gefragt:  „Wa- 
rum sollen  die  Thomasakten  nicht  jene  Akten  aus  der  Schule  des 
Bardesanes  sein?". 


2)  Serapion,  antiochenischer  Bischof. 

Serapion  war  von  190  (191)  — 211  (212)  antiochenischer  Bischof : 
s.  den  1.  Bd.  dieser  Chronologie  y.  213.  Eusebius  hält  es  für  wahr- 
scheinlich, daß  nur  ein  Teil  d<?r  Schriftstellerei  dieses  Mannes  zu 
seiner  Kenntnis  gelangt  ist.  Er  erwähnt  (h.  e.  VI,  12)  eine  Schrift 
an  Domninus,  der  zum  jüdischen  Aberglauben  z.  Z.  der  Verfolgung 
abgefallen  war  (also  z.  Z.  der  \' erfolgung  des  Septimius),  ferner  einen 
Brief  an  die  kirchlichen  Männer  Pontius  und  Karikus  —  diesen 
Brief  oder  eine  andre  Schrift  hat  noch  Sokrates  (h.  e.  III,  7)  ge- 
kannt oder  von  ihm  gehört^  — .  weiter  Briefe  an  Verschiedene,  end- 
lich eine  Schrift  über  das  Petrusev.  an  die  Gemeinde  von  Rhossus 


c 


1)  Kr  woiß,  (l;iß  Serapion  die  niciiBchliche  Scole  Jesu  bezeuf^t  habe. 


Serapion.  —  GeminuB.  —  Die  i)8eudocleinentiii.  Briefe  De  virginitate.   133 

Bruchstücke  aus  letzterer  teilt  Euseb.  1.  c.  mit,  aus  deui  Brief  an 
Pootius  usw.  (der  sich  auch  gegen  den  Montanisnius  richtete)  h.  e.  V, 
19.  Zum  richtigen  Verständnis  des  Stückes  s.  Zahn,  Forschgn.  V 
S.  4f.;  die  zitierten  Unterschriften  stammen  nicht  aus  dem  Schreiben 
des  Serapion,  sondern  aus  einem  Schreiben  des  ApoUinaris  von 
Hierapolis,  das  Serapion  in  seinen  Brief  aufgenommen  hat.  In  der 
Doctrina  Addaei  p.  50  (ed.  Philipps)  ist  Serapion  samt  Palut  von 
Edessa  in  die  apostolische  Zeit  versetzt;  aber  richtig  wird  sein, 
daß  S.  diesen  ersten  katholischen  Bischof  von  Kdessa  geweiht  hat. 
Zu  Serapion  s.  auch  Acta  SS.  Oct.  T.  XIII  p.  248  ff. 

3)  Geminus,  antiochenischer  Presbyter. 

Nichts  ist  über  ihn  bekannt,  als  was  Hieronymus  berichtet,  tr 

habe  weniges  geschrieben  und  unter  Alexander  Severus  und  dem 

antiochenischen  Bischof  Zebinus  geblüht,  „eo  vel  maxime  tempore 

<luo  Heraclas  Alexandrinae  ecclesiae  pontifex  ordinatus  est"  (De 

vir.  inL  64,  cf.  Chron.  ad.   Olymp.  251,4,  Alex.  Sev.  6).    Die  drei 

-Zeitbestimmungen,  die  miteinander  gut  verträglich  sind,  führen  auf 

^  J.  231  (232),  und  die  Herbeiziehung  des   Heraklas  läßt  ver- 

'Jiuten,  daß  in  einer  der  schriftstellerischen  Kundgebungen  des 

<jeminus  (oder  in  der  Kundgebung)  die  Erwählimg  des  Heraklas 

Erwähnt  war  (vielleicht  ein  Gratulationsschreiben  im  Auftrag  des 

Bischofs  Zebinus).    Dieses  Schriftstück  mag  zufällig  in  die  Hände 

^^  Hieronymus  gekommen  sein,  und  er  freute  sich  sein  aus  Euse- 

l>iü8  zusaramengestohlenes  Büchlein  mit  einer  Neuigkeit  ausstaftieren 

zii  können.    Oder  hat  er  das  Schriftstück  gar  nicht  gesehen?  wa- 

^"^  sagt  er  „Geminus   pauca  ingenii  sui  monumenta  conposuit", 

^hne  einen  Titel  zu  nennen? 

4)  Die  psendoclemeiitinisehen  Briefe  De  virtiriiiitateJ 

Daß  diese  für  die  Vorgeschichte  des  Mönclitums  wichtigen 
Briefe  ursprünglich  einen  einzigen  Brief  gebildet  haben,   habe  ich 
Dachgewiesen,  und  der  Nachweis  ist,  soviel  ich  sehe,  nirgends  bean- 
standet,  von    Bardenhewer   (a,  a.  0.)    ausdrücklich    anerkannt 
worden.    Die  ünechtheit  steht  fest  und  bedarf  keines  Beweises 
mehr,   tauchen  doch  die  Briefe  erst  nach  der  Mitte  des  4.  Jahr- 
hunderts auf,  sind  fast  ausschließlich  nur  in  Syrien  und  Palästina 

1)  S.  Harnack,  Sitzungrfber.  il.  K.  IVcuß.  Akiid.  il.  Wissoiirjcli.  ISIM 
>.  .Wltf.  und  den  ai^teu  Teil  dieses  Werkes  (18(Ki)  S.  jlSf.  Hardenhewer, 
<;erfch.  d.  altkirchl.  Litt.  I  (10()2)  S.  ll^ff.  Abdruck  bei  Funk.  O]»!).  Patr.  A]>ost. 
Vol.  H  (1881)  p.  Jff. 


134  ^ic  Litt^nitur  des  Morgculande8. 

bekannt  und  setzen  ein  vollständiges  Neues  Testament  voraus. 
Streit  herrscht  aber  darüber,  ob  die  Briefe  unter  dem  Namen  des 
Clemens  gefälscht  sind  (Bardenhewer  u.a.)  oder  ob  diese  Prädi- 
zierung  erst  nachträglich  erfolgt  ist  Ich  halte  nach  wie  vor 
letzteres  für  das  sehr  viel  Wahrscheinlichere,  da  abgesehen  von 
der  Überschrift  „Clemens*'  schlechterdings  nichts  in  den  Briefen 
an  den  römischen  Presbyter  erinnert  oder  auf  ihn  weist  und  da 
die  Zertrennung  in  zwei  Briefe  so  früh  begegnet  wie  die  Aufschrift 
„Clemens",  diese  Zertrennung  aber  unzweifelhaft  in  Beziehung  steht 
zu  den  zwei  Korintherbriefen  des  Clemens,  zu  denen  man  ein 
Seitenstück  schaffen  (oder  sie  ersetzen)  wollte.  Die  Absicht,  jene 
zwei  clementinischen  Briefe  zu  ersetzen,  ist  in  Syrien  auch  wirk- 
lich gelungen  K 

A\'as  die  Abfassungszeit  betrifft  —  der  Ort  ist  auf  Grund  der 
Geschichte  des  Briefes  in  Palästina  oder  Syrien  zu  suchen  — ,  so 
ist  das  zweite  Jahrhundert  ausgeschlossen;  der  Verf.  schöpfte  aus 
einem  wesentlich  vollständigen  Neuen  Testament  (mit  Hebr.-  und 
Jakobusbrief) '^,  und  die  Zustände,  die  er  schildert,  lassen  sich 
im  2.  Jahrhundert  nicht  wohl  unterbringen.  Andererseits  bezeugt 
Epiphanius  (haer.  30,  15),  daß  diese  „enzyklischen"  Briefe  Vor- 
leseschriften in  den  h.  Kirchen  sind^.  Diese  Wertschätzung 
können  sie  z.  Z.  des  Eusebius  in  Syrien  bez.  Palästina  schwerlich 
schon  gehabt  haben;  denn  er  würde  uns  sonst  etwas  von  ihr  er- 
zählt haben;  ihre  Ausbildung  muß  also  zwischen  330  und  370  fallen. 
Sehr  wohl  aber  kann  das  Schreiben  als  einheitliches  und  ano- 
nymes bereits  in  den  Tagen  des  Eusebius  vorhanden  gewesen  sein, 
ja  dies  ist  sogar  zu  fordern,  da  nicht  abzusehen  ist,  wie  sich  sonst 
das  Ansehen  der  Briefe  in  vielen  Kirchen  Syriens  und  Palästinas 
bis  zur  Zeit  des  Epiphanius  so  mächtig  durchsetzen  konnte,  wie 
es  sich  durchgesetzt  hat. 

Man  gewinnt  somit  als  Abfassungszeit  die  Periode  von  c  200 ' 
bis  c. 320.  Bardenhewer  bleibt  bei  ihr  stehen.  Allein  ich  glaube. 
daß  man  sie  einschränken  darf.  Der  Brief  zeigt  in  bezug  auf 
Charismen ,  Lehren ,  Exorzismen ,  Krankenheilungen,  Wander- 
Asketen  so  viel  Altertümliches,  daß  man  mit  ihm,  wenn  der  Schrift- 
gebrauch es  nicht  verböte,  unbedingt  in  das  2.  Jahrh.  hinaufgehen 
würde.    Eben   deshalb   wird  man  den  \'erfasser,  der  die  Organt- 

1)  Mau  v^\.  die  (ioscbichte  dor  l^riofc,  die  ich  a.  a.  0.  ßkizziort.  habe. 

2)  Also  w'w  die  roscbittho,  s.  Sitziiiig8])er.  S.  360 f. 

.">)  So  sind  die  Worte  al  hv  taZq  iylaiQ  ixxXijalaiq  dvaytvwoxoficvai  zu 
vorstehon. 

i)  JüHcIh'i-  (I'anly-Wis80wa,  HKuzykl.  Bd.  IV  S.  17)  schreibt  „:-iCO'*;  diU^ 
ist  wohl  ciu  Druckfehler. 


Fabius.  —  Paul  von  SamoBata.  135 

sieroDg  der  Christenheit  in  Charismen  und  nicht  in  Ämtern  sieht 
and  der  die  Existenz  der  Prophetangabe  und  der  Propheten  (als 
Stand  über  den  Lehrern)  überall  voraussetzt,  lieber  in  der  ersten 
Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  bez.  am  Anfang  demselben  suchen  als 
in  der  zweiten  Hälfte.    Dazu  kommt,  daß  das  Mönchtum  noch  gar 
nicht  in  seinem  Gesichtskreis  liegt.    Jüngst  ist  noch  eine  wert- 
volle Bezeugung  des  Briefes  entdeckt  worden.    Maruta  von  Mai- 
pherkat  hat  (am  Anfang  des  5.  Jahrh.)  in  seinem  Abriß  der  Ge- 
schichte des  Mönchtums  ihn  verwertet  (s.  Braun,  De  S.  NicSynodo: 
Syrische  Texte  des  Maruta  usw.,  1898,  S.  21  iF.  u.  Harnack,  Theol. 
Lit-Ztg.  1899  Kol.  46f.).    Folgendes  ist  dabei  wichtig:  (1)  Maruta 
spricht  nur  von  einem  Brief  des  Clemens,  bestätigt  also  unseni 
Nachweis,  daß  die  beiden  Briefe  ursprünglich  ein  Schreiben  ge- 
bildet haben,  ^2)  er  hat  richtig  erkannt,  daß  in  diesem  Schreiben 
ein  Stück  Vorgeschichte  des  Mönchtums  steckt,  (3)  er  bezeichnet 
den  Brief   als  au  Dionysius    den  Areopagiten    geschrieben.    Ob 
letzteres  eine  Privatmeinung  des  Maruta  war  oder  auf  einer  ihm 
zugekommenen  Legende  beruhte  —  er  spricht  auch   von  Briefen 
des  Philo  an  Jakobus—,  steht  dahin.    Die  folgende  syrische  Über- 
lieferung kennt  diese  Adresse   ebensowenig  wie  Epiphanius,  und 
der  Inhalt  der  Briefe  schließt  sie  aus. 

5)  Fabias,  Bischof  von  Antiochien. 

Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  läßt  sich  ein  Brief  des  nova- 
tianisch  gesinnten  Fabius  an  Cornelius  v.  Rom  (nach  Euseb.,  h.  e. 
^  43)  statuieren,  vielleicht  auch  einer  an  Dionysius  von  Alexaii- 
drien  (s.  den  I.  T.  dieses  Werkes  S.  520).  Fabius  war  Bischof  von 
Antiochien  von  250—253  (init.)  oder  252  (fin.),  s.  den  1.  Band  dieser 
^Sironologie  8.  218.  Der  Brief  an  ('ornelius  fällt  unmittelbar  nach 
d^m  Ausbruch  des  novatianischen  Schismas. 

S)  Paul    von  Samosata,   Bischof  von  Antiochien,   nnd   der 

Presbyter  MalchionJ 

Paul  von  Samosata  (s.  Chronol.  1  S.  2 13  ff.)  wurde  Bischof  von 
Antiochien  um  d.  J.  260,  abgesetzt  spätestens  268  (offen  bleibt  267, 

1)  S.  den  ersten  Teil  dieties  Werkes  S.  o'JOff.     ^lalchion  heißt  (s.  a.  a.  0. 

>'.  521^)  bei  LeontiuH  v.  Byz.  ngeaßvteQoq  /IA/Aüv.    Ist  \AXxBi(;  eine  Ortschaft  bei 

Antiochien?    Nach  Eusebius  (h.  e.  VII,  20}  war  «m*  dvriQ  xd  xe  aXXa  Xoyiog  xai 

üoipiaz^  xwv  in  ^AvxioxsiaQ  *^Ek?.TjvtXQ}v  natöevxijglajv  öiaxgißTjg  ngofaxwg.    Zu 

der  von  mir  a.  a.  0.  f^egebenen  Sannnlunj^  des  !Mat-erials  ii^t  zu  bemerken,  daß 

von  den  10  syrischen  Stücken  (S.  ;V2i->)  drei   sieh  auch   gri«»chifch    bei  Leontiiis 

finden  (vgl.  Pitra,  Anal.  IV  y.  4J:jf.  Nr.  1.  2  u.  0  mit  Routh,  Rel.  SS.2  TU  p.Hll. 

;^12^.     Dies  macht  die  Echtheit  alh»r  10  Stücke  sehr  wahrscheinlich. 


136  ^^^  Litt^ratur  de«  Morgeiilaiulet«. 

nicht  uiiinöglicL  ist  auch  266)  und  removiert  im  J.  272.  Die  antio- 
chenischen  Synoden  gegen  ihn  fallen  in  die  JJ.  263—266  oder 
264—268;  die  Angabe  des  koptisch-arabischen  Synaxaiiums  zum 
19.  Babeh  (Wüstf^nfeld  I  S.  75),  dali  die  entscheidende  Synode 
45  Jahre  vor  d(?m  Nicänuni  stattgefunden  habe,  ist  also  nicht  zu 
halten.  Von  seinen  Beziehungen  zu  Zenobia  sagt  Eusebius,  der 
h.  e.  VII,  27—30  das  Syiiodalschreiben  (wohl  von  Malchion,  wie 
Hieron.,  de  vir.  inl.  71  vernuitet)  exzerpiert  hat,  nichts^.  Man 
weiß  daher  nicht,  welches  die  letzte  Quelle  der  Angaben  über  sie 
in  ihrem  Verhältnis  zu  Paul  ist*-. 

Von  Paul  gab  es  vjtofin/fiaTa  („opuscula")  und  Xoyoiy  von 
Malchion  kursierte  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  (außer  dem 
Synodalschreiben)  die  groL>e  Streitrede  {SLwf  dem  Konzil)  gegen  Paul, 
die  stenographisch  nachgeschrieben  worden  war.  In  ihr  waren 
auch  die  Antworten  des  Paul  verzeichnet;  denn  dialogisch  war 
der  Streit  vor  der  Synode  geführt  worden.  Die  unechten  Stucke, 
die  sich  neben  den  echten  Fragmenten  erhalten  haben,  habe  ich 
bereits  I  S.  52011'.  ausgeschieden^.    Ein  gewisser  Zweifel  in  bezug 

1}  Aber  AlfiiradKcli,  Hist.  Dynast,  p.  M ,  schreibt:  „Rofert.  Kiisebiuri 
chronologus  rtUilum  liuiic  iuliiitum  ii  .hulaissa  (iiiadaiii,  quam  Gallus  C;iesar 
Syriao  praoft'Ctjiat,  «juae  .sciiMitiain  A  sentcntiani  ipsiiii«  probaiiH  in  ipsum  patri- 
arrhatnni  Aiitiocbiac  rontulit.'*'     Wo  rsagt  Phisebius  das? 

•/>  Athanas..  Hist.  Arian.  71  ,1  j».  S7Ü):  ^lovöala  lyv  Zrjvoßia  xal  TlavXov 
TioosoTfj  xov  Safiooaxbwg,  aU,^  ov  dkdwxe  raq  ixxXrjaiag  ^lovSaiotg  slg  atvc- 
ywydg.  I*liilastr..  h.  Hl:  „l\iulus  Saiu.  judaizans  .  .  .  unde  ot  Zcnobiam,  quan- 
dam  iv^iiiani  in  orii'nt^»  tunc  teniporis,  lj>i*t*  docuit  iiidaizaro."  Chrysost.  Hom. 
VII  in  Joh.  p.  r»7:  xoixov  yvvaixl  Zivi  /aQt^ofjieyov  xr^v  awxrjgiav  ^aalv  dno- 
duöO^ai  Xf^y  tairov.  Theodoivt,  li.  f.  II,  S:  IlavXog  o  Safi.  xtjg  fihv  'Awioxito^' 
inlaxojiog  ?Jv.  Ztjvoßlag  6e  xax^  ^xelvov  xov  xaiQov  vnaQxovorig  —  Uegaai  yuQ 
*'Pu}fiaiovg  vtvixrjxoreg  xavxy  naQtSooav  xrjv  xtjg  ^vglag  xal  ^oivixijg  tjyefxoviav 
—  dg  XTjv  l'igxkfiatvog  t^cjxeiXev  algeoiv,  xavxtj  vo/uil^^cjv  &egan€V€iv  ixeivrjv 
xa  '[ovdaiwv  (fQOvoioav.     I'hotius,  cod.  -<u;  Nicej^hor.  h.  e.  VI,  27. 

M)  Zu  den  echten  Stin-kcn  darf  man  vielleicht  den  Brief  der  ti  Bischöfe 
(Hymi'näns  von  .h'rnsaleni.  Theophilus  von?,  Theoteknus  von  Cäsarea,  Maximut: 
von  BoKtni,  Prokhis  von?  und  Bolanus  von?)  an  Paul  rechnen,  der  j^iechisch 
zuerst  im  J.  KUX  publiziert  und  von  Houth,  1.  c.  IIP  p.  280 ff.  abgedruckt  iöt 
(HymenäuB  war  von  2<>i/(>— 297/!)  Bischof  von  Jerusalem,  s.  Chronologie  1  S.  228). 
Bei  d»*m  Mangel  an  Bcr/euj^ung  des  Briefs  (ob  Theodoret  h.  f.  11,  8  ihn  ge- 
kannt hat?)  und  der  blassen  und  daher  verdächtigen  Einleitung  kann  man  frei- 
lich d»'r  Echtheit  nicht  sicher  sein;  aber  er  enthält  m.  E.  nichts,  was  unzweifel- 
haft auf  eine  Fälschung  weist;  die  umfangreichen  christologischen  Aussagen 
können  zur  Not  als  voniicänisch  gelten  (yevvrjxoVy  fiovoysvFj  lioVy  elxova  xov 
doQOiXOv  d-Bov  xvyxdvovxa,  tiqwxoxoxov  ndarjg  xxiaewg,  ao<plav  xal  Xoyov  xal 
övvafJLiv  S^eovj  tlqo  alwvwv  ovra,  ov  nQoyvdan  dXk^  ovoia  xal  vnoaxdoH  9'b6vj 
d^eov  vldv  .  .  .  .  öl*  ov  o  naxrjg  ndvxa  nenolrjxsv,  ovx  (og  6i'  OQydvov,  "ov^  d>g 
6i'  iTitaxf'ifjtrjg  dwnooxdzov.    yswf)oavxog  fiev  xov  naxgog  xov  v\jbv  dg  ^^aav 


Faul  von  Samosat^i.  137 

anf  die  Echtheit  der  wichtigsten  Stücke  bleibt  freilich  noch,  näm- 
lich der  von  Mai  zuerst  edierten,  von  Routh,  1.  c.  III^  p.  329f. 
abgedruckten  ^  Fragmente  IlavXov  ^Jafiooaricog  ix  xciv  avxov 
3[{lii(;  Saßivov  Xoycov,  Sie  tauchen  spät  auf  (in  einer  Sammlung, 
die  662 — 681  angefertigt  ist),  und  Fragmente  ,,Kbions"  gehen  ihnen 
vorher.  Dies  muß  notwendig  Mißtrauen  erwecken.  Faßt  man  aber 
den  Inhalt  scharf  ins  Auge,  so  läßt  sich  nicht  verkennen,  daß  sie 
vott  einem  Theologen  herrühren,  der  die  wesenhafte  göttliche  Natur 
Christi  leugnet;  also  können  sie  nicht  von  Theodor  von  Mopsvestia, 
an  den  vieles  erinnert  und  an  den  man  zunächst  denken  würde, 
oder  von  einem  Gesinnungsgenossen  desselben  sein.  Die  Einheit 
der  Erlöserpersönlichkeit,  die  der  Verf.  nachweisen  will  (eine  Ein- 
heit des  Willens,  der  Gesinnung  und  der  Liebe),  ist  nicht  die  Ein- 
heit zwischen  seinen  beiden  eigenen  Naturen,  einer  göttlichen  und 
«iner  menschlichen,  sondern  es  ist  die  Einheit  des  (mit  dem  Ci  eiste 
gesalbten)  Menschen  Jesus  mit  Gott,  s.  das  5.  Stück:  xa^  i^v 
(scU.  xara  t^j^  xar'  ijtav^Tjaiv  ovöijroTS  Jtavofiii^rjv  xlv7]ötr}  ro) 
^€©  ovvafpO^tiq  o  Ocdt^q  ovöijrore  ötxsrat  fiSQiOuor  tlq  rovq  aidirag. 
Jtfan  wird  also  an  der  Echtheit  der  Stücke  festhalten  dürfen. 

Der  „Sophist"  Malchion,  ,,der  Einzige,  der  den  Paul  zu  ent- 
larven und  zu  widerlegen  vermochte",  hat  sich  hohes  Lob  bei  den 
Späteren  erworben.  Er  war  ein  zum  Christentum  bekehrter  Lehrer 
^^r  hellenischen  Wissenschaften  und  scheint  dieses  Amt  auch  als 


^^igyfiav   xal   ivvnootatov,    ivtgyovvra  xa   navxa  iv  nämv xov  ^fov 

^<5>»  o).(ov  daeßh^  ayyekov  vofiiaai  xaktlai^ai.  o  öh  ayyeXog  xov  TiaxQoq  6  v\6q 

^^UVf  avtog  xvgiog  xal  ^eog  wv\  iLt  Satz:  x6  Ix  xijg  napO^tvov  ocofjta  xotQijaav 

^uv  x6  nlr^goffia  xfjq  d-soxrjxog   ocjfJiaxLXwq  xy  S^foxr^xt    fhpinxwg  t]rQ}zni   xal 

'^^fonoiffCCUi  braucht  nicht  antinestorianisch  oder  nachiiicänisch  zu  tyAn,  hiuM 

*wt?r  allcrdingä  recht  bedenklich».     Er  mutt  zwischen  die  1.  und  '2.  oder  die  'J. 

^^d  3.  antiocheuische   Synode    falhni.     Der  Schnißnatz:  Tutxa    unb    nXsloxwv 

^Uya  aijfietwattfievoi  ßovXo/isO^a  fia&elv,  ei  xa  avxd  (fQorsig  ij/uiv  xal  öiSuoxttq, 

*cl  vnoaTjfjtetwaaa&al  oSy   fl  agioxtj  xoXq  nQoyeyQafjL[.itvoiq  r]  ovy  f^cheint  mir 

^Dverf&nplich  zu  nein.     AUerdinj^ö    vennißt  man    im  Hriete    pfauz  den    damals 

*<^hon  üblichen  Kurialstil  --  (?inem  so  «großen  Hischof  wie  dem  von  Antiochien 

Ktgenüber.     Indessen    ist  das    auch  kein  diirclisehlajrendes  Arj^inuent.     Für  die 

Kchtheit  hat  sich  Kattenbnsrh  (Das  a|»ost<d.  Symbol  II  S.  LMKJf.)  ansjjjesp rochen. 

I(aximu8  Confessor  (Proloj».  zu  den  <^pi>-  Dionysii   Areo}».,    ed.  Cordt'r    p.  !»(») 

behauptet,    Kusebins   habe  in   seiner  Kirchen*;eschie-hte  vieles  ansfr(?lassen ;   xal 

xoXXtäv  iöwdfXTjv   fjtvrjfiovevaai   /jirj    xxrj^tvxwv  avxip ,   xal   xavxa   XTJg   aviov 

Z^Qttgj   (og  ^Yfievalov  xai  Nagxloaov  TüJr  UgacivfJLtvwv  iv  ^hQoaoXvfxoig '  iyat 

yolv  ivhvxov  xiat  xwv  *YfjL€valov.    Sollte  <lamit  unser  Brief  gemeint  sein? 

1)  Im  ersten  der  f)  Fragmente  ist  noina^ai  statt  nov  kXiaS-ai  zu  lesen, 
im  vierten  ist  nach  wansg  yag  „ri  (pvaig"  einzuschalten.  Kinen  zuverlässigen 
Text  des  1. Fragments  bietet  Daniel  Serruys  (Auastasiana  p.  IS-l  in  den  Mel. 
d'ArchM,  et  d'Hist.  publ.  par  l'Ecole  franv-  de  Home  T.  XXII,  1002). 


)3S  l^i<^  Litten!  tur  det<  Morgenlandes. 

Christ  beibehalten  zu  haben.  Solche  gab  es  seit  dem  Ausgang  des 
3.  Jahrh.  nicht  wenige:  Lactantius,  Flavias,  Arnobins,  den  Ver- 
Criäser  der  .,Laudes  domini*"  in  Gallien,  den  Rhetor  und  „gramma- 
ticas  latinuK^  in  den  Gesta  apud  Zenophihm  etc.,  vgl  den  100  Jahre 
8pät<ir  schreibenden  Pseudoaugustin,  Quaest  in.  Vet  et  Nov.  Test 
nr.  IHfin.:  ..porro  autem  quoniam  haec  veritas  est,  quotidie  omni 
hora  sine  intermissione  deserentes  Jovem,  inter  quos  sophistae  et 
nobiles  mundi,  qui  eum  deum  confessi  erant  confugiunt  ad  Christum''. 
Für  die  Zen^üttung,  welche  die  von  Paul  angeregte  Kontro- 
verse in 'Syrien  hervorrief,  s.  den  Artikel  „Lucian''  und  die  Notiz 
bei  Euseb.,  h.  e.  MI,  32,  5  {alrla  avxA  [dem  alexandrinischen  Dia- 
kon KusebiusJ  xr^q  litravaoxaotcoq  [von  Alexandrien  nach  Laodicea 
Syr.|  vjt7iQ3,tv  r)  xaxa  xbv  llavXov  vJtod^eoig,  dt  op  r^g  SvQiaq 
lj[t[iag  jtQog  xojv  rrjdt  jtsqI  tö  O^ela  iojtovöaxoToov  x^g  olxadt 
jtOQtlag  tiQytxai,  antQuOrov  xi  O^eooeßalag  XQVf^^  ^^^^  xa^*  ly^ac 
ytvoiikvog).  Hiernach  muL>  man  annehmen,  daß  Eusebius,  die 
alexandrinisclie  Theologie  nach  Syrien  verpflanzend,  besonders  viel 
für  die  Niederwerfung  des  Lehrtropus  des  Paulus  getan  hat. 

7)  Lucian,  Presbyter  von  Antiochien.  ^ 

Die  chronologischen  und  biographischen  Angaben  über  Lucian. 
die  wir  besitzen,  sind  spärlich:  Nach  Suidas  (der  aus  guter  Quelle, 
wohl  den  Acta  Luciani,  schöpfte)  stammte  er  aus  Samosata  von 
angesehenen  Eltern  und  erhielt  seine  Bildung  in  der  Nachbarstadt 
Edessa,  wo  der  uns  nicht  weiter  bekannte  Makarius^  eine  Schule 
hielt  (s  den  Metaphrasten  zum  7.  Januar).  Ob  er  auch  in  Cäsaren 
gebildet  worden  ist,  ist  mindestens  unsicher.  Er  siedelte  spätestens 
z.  Z.  des  Paul  von  Samosata  (c.  265)  nach  Antiochien  über  (ob  mit 
ihm  zusammen  v\  Wahrscheinlich  aber  erfolgte  die  Übersiedelung 
und  das  Auftreten  als  Lehrer  daselbst'^  schon  früher;  denn  es  ist 

\)  S.  (l(Mi    1.  Tr'il    ili«'s<'s  Werkes  S.   VJ«;«'.  u.  IVotost.  HKnzyklop.  Bd.  IP 

2)  WtMiii  zwischen  diesem  «MlesscMii-schcii  Lehrer  und  Bardesanes  ein  Zu- 
BiimuKMiliiinf^  ])estiinden  liat,  so  krmnt^»  »'s  nur  ein  gegensätzlicher  gewesen  sein. 
CharaktcM'isiert  wird  er  (he'i  Suidas)  nur  in  den  Worten:  AovxiavoQ  naga  xijy 
TiQWTrjv  r,)Axlav  Maxaplw  tivl  xovvofxa  ovyyevofievoq  xrjv  "ESeaaav  obcovvxi 
xal  xag  le^ag  ßlßXovq  i^tjyovfiivip  näv  o  xi  xdkXiaxov  i(p6vg€  nsgl  xovxov. 
In  der  alten  l^iogniphie  Kp]na«'ms  (s.  Bickell,  Consp.  roi  Syronim  literaria^ 
j>.  \11)  wird  eine  zu  Kdessa  bestehende  Schuh»  erwähnt. 

3}  Mit  ihm  scheint  Dorotheus  an  der  Schule  gewirkt  zu  haben.  Doch 
stand  er  vielleicht  filr  sich.  Wir  wissen  von  ihm  nur  aus  Euseb.,  h.  e.  VB, 
32,  2  f.;  aber  diest^  Nachricht  genügt,  um  zu  erk<Mmen,  daß  dieser  Lehrer,  der 
z.  Z.  des  antiochenischen  Bischofs  Cyrill  arbeitete  (also  zwischen  279/80  u.  303), 


Lacian,  Presbyter  von  Antiochien.  139 

doch  wohl  anznerkenDen,  daß  der  Brief  des  Dionysius  von  Älexan- 
drien  an  Dionysius  von  Rom,  der  „über  Lucian"  zwischen  Aug. 
259  IL  264/5  geschrieben  ist  (s.  o.  S.  83),  sich  auf  unseren  Lucian 
bezieht  Die  Notiz  des  Ensebius  und  seine  Voraussetzung,  dieser 
Lucian  sei  bekannt,  ist  sonst  nicht  leicht  zu  erklären.  Hat  aber 
Lacian  schon  nm  260  seine  Schultätigkeit  in  Antiochien  begonnen, 
so  ist  er  schwerlich  nach  dem  J.  235  geboren.  Dieser  Ansatz  ist 
aber  auch  nicht  unmöglich;  denn  warum  soll  er  nicht  c.  77  Jahre 
alt  geworden  sein?  Er  war  also  etwa  ein  Menschenalter  älter  als 
Ensebius. 

In  Antiochien  muß  er  seinem  Landsmann,  dem  Bischof,  nahe 
gestanden,  d.  h.  den  Lehrtropus  desselben  wesentlich  vertreten 
haben;  denn  nachdem  unverwerflichen  Zeugnis  des  Alexander  von 
Aleiandrien  (Rundschreiben  v.  J.  c  321  bei  Theodoret,  h.  e.  I,  3) 
ist  er  „Diadoche"  des  Paul  in  der  Lehre  gewesen  und  hat  nach 
der  Absetzung  des  Paul  (c.  268)  während  dreier  Episkopate  außer- 
halb der  Kirche  gestanden  {ov  ötaöt^aiiEvoq  Aovxntvoq  ajtoovva- 
l^yoq  l(iBivB  xQiAv  lütioxojKDv  jioXvexelq  xQovovq),^  Unter  Domnus 
also,  Timäus  und  Cyrillus  (sie  haben  von  c.  268  bis  303  in  Anti- 
ochien regiert)  waren  er  und  seine  Schüler  schismatiscli.  Doch 
^  die  Angabe  nicht,  daß  L.  bis  zur  Gefangensetzung  des  Cyrill 
ini  J.  303  in  diesem  Verhältnis  blieb;  sie  ist  schon  gedeckt,  wenn 
er  auch  nur  noch  ein  oder  ein  paar  Jahre  unter  Cyrill  im  Schisma 
^erharrte.  Das  ist  aber  auch  das  Wahrscheinliche;  denn  als  Lucian 
den  großen  Zulauf  als  Lehrer  hatte  —  alle  die  Männer,  die  nach- 
JDals  Führer  des  Arianismus  geworden  sind  — ,  stand  er  wohl  wieder 


^f  Blüte  der   antiocbenirtchen  Schule   auch  <»twas    bei<^<'tr«i^<'n   hat,    obgloiirh 
Nichts  Schriftliches  für   ihn  bozcuj^t  int.     Kuöebius    hobt  es    besonders  hervor, 
<iaß  er  des  Hebräischen  mächtig  war.     Auch   bemerkt  er,    dal^  Dorotheus  von 
''<?burt  Eunuch  war.    Auch  dadurch  erschien  er  ehi-würdijr,  dq  xal  ßaatXla  öia 
^oitop  olov  xt   naQttSo^ov  avxov  otxetwoao^ai  xal  xifiTfOai  yf  imxQony  xfjg 
*ttra  IV'pov  aXovgyov  ßa<pfJQ.     Eusebius  hat  ihn  z.  Z.  des  Ib'sehofs  Cyrill  von 
•antiochien   persönlich    in  Antiochien    kennen    gehont:    „Nielit  ohne  Geschick 
'hörten  wir  ihn  die  h.  Schrift  vor  der  (i<;ni<»ind«.*  (daß  das  di<^  eiisaieensische  war 
nnd  daß  Dorotheus  rresbyt(»r   bei  ihr  gewesen  sei,   ist  doch  wohl  ein  lapsns 
Lightfoots,  Dict.  of  Christ.  Hiogr.  II  p.  'M)^))  auslegen''  (1.  c).     Ihn  mit  dem 
Dorotheus  Euseb.,  h.  e.  VllI,  1,  1;  (>,  1,  T»  zu  identitizieren,  liegt  kein  Onmd  vor. 
Der  „Dorothens  von  Tyms",  der  Kataloge  und  Vitiu»  der  l'ropheten  und  Apostel 
fi^eschrieben  hat,   hat  nie  existiert,  und  jene  Kataloge  und  Vitae  >ind  byzan- 
tinische spät-f;  Produkte. 

1)  „Von  der  Gottlosigkeit  dieser  Menschen",  heilit  rs  dort  weiter,  „haben 
jene  sozusagen  die  Hefe  eingeschlürft ,  die  da  .jetzt  mit  dem  Stichwort  i^  ovx 
ovtmv  gegen  uns  auftreten;  sii»  sind  gewissermaßen  dt'ren  verborgene  Sc^höß- 
linge." 


I4i|  I^-r  Lirt^rator   i-s  M.-kre^rnlandes. 

iu  der  Kirche.  Cvrill  ist  nach  der  nicht  weiter  zu  kontrollierenden 
Angabe  der  eusehianischen  Chronik  im  J.  279  SO  Bischof  von  Anti- 
ochien  geworden.  Ks  i<t  demnach  wahrscheinlich«  daß  Lacian  in 
den  achtziger  oder  neunziger  Jahren  des  3.  Jahrhunderts  seinen 
Frieden  mit  d«rr  groben  Kirche  gemacht  hat  Er  machte  ihn,  in- 
dem er  ^^ich  bequ«:mte,  den  hy[»ostatischen  präexistenten  Logos  an 
Stelle  des  .Mensclien-  Jesus,  wie  ihn  Paul  gefaßt  hatte,  zu  setzen, 
ohne  die  Aussagen  Pauls  über  die  Erlöserpersönlichkeit  sonst 
wesentlich  zu  korrigieren.  Divser  Lehrti-opus,  der  der  Wissen- 
schaft (und  dem  Polytheismus-  entgegenkam  und  das  Christentum 
duch  zu  bejahen  schien,  fand  unter  den  gebildeten  und  zu  bilden- 
den Theologen  dt-s  Orients  groben  Beifall,  zumal  da  ihn  Lucian 
mit  einem  strengen  Biblizismus.  eifrigstem  Schriftstudium  und 
asketischem  Leben  zu  verbinden  verstand.  Lucians  Autorität  löste 
in  weiten  Kreisen  um  d.  J.  300  geradezu  die  des  Origenes  ab,  und 
die  Arianer  haben  ihn  >tets  als  ihr  Haupt,  ihren  Lehrer,  Märtyrer 
und  Heiligen  verehrt  ^  Die  strengen  Orthodoxen,  wie  Epiphanius 
•  Ancorat.  33),  lehnten  ihn  ab:  di<^  Origenisten,  wie  Eusebius,  ver- 
hielten sich  kühl  und  vorsichtig,  im  Grunde  aber  zustimmend  zu 
ihm.  Den  Märtyrer  bat  sich  schließlich  die  Kirche  angeeignet 
(Mart.  Hierou.  z.  7.  Januan:  denn  sie  durfte  ihn  den  Arianern 
nicht  überlassen.  Pseudö-Athanasius  iSynops.  S.  Script  fin.)  nennt 
ihn  den  heiligen  und  groben  Asketen  und  Märtyrer,  und  Chryso- 
stomus  hat  ihm  eine  uns  noch  erhaltene  Lobrede  am  7.  Januar 
3S7  gehalten  (Opp.  T.  11  p.  524  ft*.-.  Die  Philosophie  und  die  exe- 
getische Methode  der  „Äntiochener"  des  4.  u.  5.  Jahrh.  geht  nicht 
nur  auf  Origenes,  sondern  auch  —  vielleicht  in  höherem  Maße  — 
auf  Lucian  zurück. 

Gestorben  ist  Lucian  als  Märtyrer  in  der  Verfolgung  des 
Maximinus  Daza  (nach  dem  Toleranzedikt  des  Galerius)  am  7.  Ja- 
nuar 312.  Er  war,  wie  damals  üblich,  vorher  aus  seinem  Wohnort 
fortgeschleppt  worden  und  zwar  nach  Nikomedien,  wo  der  Kaiser 
in  jenem  Winter  residierte  (Euseb.,  li.  e.  IX,  6;  '  Hieron.,  de  vir. 
inl.  77;  Rufin  zu  Euseb.,  li.  e.  IX,  0).  Seine  letzten  Tage  im  Ge- 
fängnis und  sein  Ende  hat  das  Gedächtnis  der  Folgezeit  ausge- 
schmückt (s.  die  Geschichte  von  seiner  Abendmahlsfeier  im  Ge- 
fängnis bei  Philostorgius,  h.  e.  II,  13,  Chrysostom.,  L  c,  Ruinart, 
Acta  Mart.  p.  503  sq..  Kufin.).  Unter  den  12tägigen  [pseudo- 
<>rig<*nistisclie  arianische  Expos,  in  Job,  Orig.  Opp.  T.  XVI  p.  163 


\)  Luciiin  im  ält^jrtton  uns  erhaltoneu  (ariaiiischen)  Kirchenkalender  von 
iNikoiin'dinii  (h.  Jon  ulton  syrischf^n  Killender  z.  7.  Januar),  vgl.  Philostorgiiis, 
h.  .'.  II,   rjii".  111,  If). 


Lucian,  FreHbytor  von  Antiochien.  14  J 

Lomm.]  Foltern  ist  er,  nachdeiu  er  eine  apologetische  Eede  ge- 
halten (Euseb.  h.  e.  VIII,  13,  2,  IX,  6,  3  und  Kufin.)  zusannneu- 
gebrochen.  Seinen  Leichnam  führten  die  Christen  über  die  Bucht 
der  Propontis  nach  der  schräg  gegenüberliegenden  Stadt  Drepanum. 
Den  Toten  ehile  Konstantin,  indem  er  mit  zu  dessen  Gedächtnis 
die  hinfort  nach  seiner  Mutter  Helenopolis  benannte  Stadt  neu 
aufbaute  und  ihr  Steuerfreiheit  gab.  Kurz  vor  seinem  Tode  soll 
er  selbst  dort  in  der  Märtyrerkirche  gebetet  haben  (s.  Chron. 
Pasch,  ad  ann.  327,  Ruinart  p.  505).  Philostorgius  (11, 12)  dagegen 
weiß  zu  erzählen  (s.  auch  Hieron.,  Chron.  z.  J.  33()\  Helena  habe 
am  Busen  von  Nikomedien  eine  Stadt,  Helenopolis,  gebaut,  weil 
der  Leichnam  des  Lucian  von  einem  Delphin  dorthin  getragen 
worden  sei  In  Antiochien  feierte  man  den  7.  Januar  als  Todes- 
tig  Lncians. 

Was  seine  litterarische   Tätigkeit   betrifil.  so    hat  Kusebius 
Dicht  eine  Schrift  von  ihm  genannt.    Sokrates  schweigt.  Sozome- 
nu8  (Tl.  e.  III,  5)  berichtet  in  denselben   allgemeinen  Ausdrücken, 
^e  Ensebius,  lediglich  von  ihm:  ra  rt  aXXa  tvöoxtfjtoiraTog  ymI 
ric  liQaq  elq  axQOv  jjxQtßfoxfog  y^atfag.    Etwas  ausführlicher  sind 
Hieronjrmus  und  nach  ihm  Suidas  und  der  Metaphrast.  Hieronymus 
nennt  (de  vir.  inl.  77)   1:  seine  Rezension  der  Hibelhandschrifteu 
' 8.  auch  Suidas  und  den  Metaphrasteni;  2:  libelli  .,de  tide*\  3:  non- 
^ollae   epistolae    (s.  auch   Suidas).    Dazu    konimt   die    von  Kutin 
h.  e.  IX,  6  mitgeteilte  apologi^tische  Rede.    \  on   den  Briefen  hat 
sich  m  dem  Chron.  pasch,  (pag.  277  edid.  Ducange)   ein  kurzes 
Bruchstück  eines  Schreibens  von   Nikodemieu  aus    an   die  Anti- 
*^chener  erhalten  (s.  Routh,  Reliq.  Sacr.  l\  -,  p.  b\  in  welcliem  der 
^ärtyrertod  des  Bischofs  Anthimus  mitgeteilt  ist.    \'on  Brieten  im 
allgemeinen  bemerkt  Suidas  (p.  450,  ed.  Küster):  Utihro  yan  xat 
^JTWroxac    dfdiXti  yiwatoraracy    i^   mv    (foy^aoai    rt^   av  hv  naXa 
Vüölcog,  ijv  6  avi]Q  jtiQi  rmv  d^slojv  too^e  yvoji/f/v.    Die  apologe- 
tische Rede  (Ruftn.,  ed.  Cacciari  I,  p.  515;  Kouth,  1.  c.  p.  5IK) 
^Slt  sich  im  Rahmen  des  Üblichen,  läl.Nt  al)er  den  christoloyischen 
•Standpunkt  des  Lucian  durchblicken  („Dens  nnns  est,  per  Christum 
öoMs  adnnnciatus  et  per  S.S.  nostris  cordihus  inspiratus**    .    . 
nDeus  sapientiam   suani   uiisit  in   hnnc   mnndum   earn«'   vestitani, 
?uae  nos  doceret  etc."    Die  Bedeutunjr  Christi  wird  durchaus  auf 
^inen  Lehrerberuf  und  auf  die  (Gesetzgebung  durch  ihn  beschränkt: 
selbst  dort,   wo   von  seiner  wesenhaften    Unsterblichkeit  geredrt 
wird,  macht  Lucian   nicht  di(^  Anwendung   auf  uns.    Durch  sein 
Menschsein  und  seinen  Tod  hat  Christus  uns  ein  B(?ispirl  der  Ge- 
duld gegeben).    Wichtig  ist  noch  die  Erwähnung  der  gefälschten 
Hiatusakten,  die  Bemerkung  ,.pars  paene  mundi  jam  major  huic 


142  ^^^  Littcratur  des  Morgenlandes. 

veritati  (seil.  Christi anae)  adstipulatur",  und  die  Erzählung:  „Adsti- 
pulatur  bis  ipse  in  Hierosolyniis  (so  wird  er  die  Stadt  schwerlich 
genannt  haben)  locus,  et  Golgathana  rupes  sub  patibuli  onere 
disrupta:  antruni  quoque  illud,  quod  avulsis  inferni  januis  corpus 
denuo  reddidit  aniniatum,  quo  puriiis  inde  ferretur  ad  coelum'*  (die 
Echtheit  der  Rede  ist  beanstandet  von  Tillemont  und  von 
Batiffol,  La  Passion  de  S.  Lucien  d'Antioche,  in  dem  Compte 
rendu  du  congres  scientifique  internat.  des  Catholiques  1891 
Sectio  II  p.  181  tf.  ^;  allein  in  den  Grundzügen,  in  denen  mau  allein 
an  die  Echtheit  solcher  Reden  denken  darf,  scheint  sie  mir  nicht 
verwerflich;  wie  die  apologetische  Rede  des  Apollonius  wird  sie 
auf  eine  Nachschrift  zurückgehen,  die  dann  redigiert  worden  ist; 
Rufin  wird  sie  dem  großen  Märtyrerwerk  Eusebs  entnommen 
haben).  In  den  Akten  des  Lucian  (BoUand.  I,  p.  363),  die  die  Über- 
arbeitung alter  arianischer  Akten  sind  (s.  Batiffol,  I.e.),  heißt 
es,  Lucian  habe  der  Kirche  von  Nikodemien  eine  Handschrift  des 
A  u.  NT,  die  er  selbst  geschrieben,  hinterlassen  (das  ist  nicht  un- 
glaublich; es  wird  das  Bibelexeniplar  gewesen  sein,  das  er  von 
Antiochien  nach  Nikomedien  mitgenommen,  und  bei  der  Verehrung, 
die  Lucian  sehr  bald  auch  als  Märtyrer  genoss,  kann  dieses  Exem- 
plar von  Bedeutung  für  die  Bibeln  in  jener  Gegend  und  in  Kon- 
stantinopel  geworden  sein).  Von  den  libelli  de  fide  ist  kaum  eine 
Spur  übrig  geblieben.  Doch  wird  es  sich  vielleicht  auf  sie  beziehen, 
wenn  Epiplianius  (Ancorat.  33)  sagt:  Lucian  und  die  Lucianisten 
leugnen  sämtlich,  daß  der  Sohn  Gottes  eine  menschliche  Seele  an- 
genommen habe,  und  wollen  ihm  nur  einen  menschlichen  Leib 
zuerkennen,  um  die  menschlichen  Aflfekte,  wie  Trauer,  Freude 
u.  dgl,  dem  Logos  selbst  zuschreiben  und  ihn  damit  für  ein  ge- 
ringeres Wesen  als  Gott,  für  ein  Geschöpf  erklären  zu  können. 
Ein  libellus  de  fide  Lucians  hätte  sich  jedoch  noch  erhalten,  wenn 
das  im  Jahre  341  von  den  in  Antiochia  versammelten  Bischöfen 
rezipierte  Glaubensbekenntnis  wirklich  von  ihm  herrühren  sollte. 
Dasselbe  findet  sich  mitgeteilt  bei  Athanasius  (Ep.  de  synod.  Arim. 


1)  Vpl.  dazu  aiicli  tlt^ss(.n)on  Studio  „I'arthenius  de  Lampsaque"  (Rö\n. 
i^uartalschr.  13d.  fi  [IMO'J]  S.  ijf)!!'.).  dej^ou  die  Tendenz  dieser  beiden  Studien, 
zu  zeigen,  dali  die  A rianer  se}u-  frühe  schon  Märtyrer-  und  Heiligengeschichten 
für  ihre  li»'lden  ang<*f«'rti<;t  haben,  um  sie  und  sich  zu  empfehlen,  s.  die  Bol- 
hmdiston  in  den  Acta  iJolland.  IM  Jl  (IS'.ri)  p.  471  u.  IM.  12  (189:^)  p.  75.  Eine 
l)ui)lik  von  Hat.iffol  in  d.T  Ilinn.  Quartalsclir.  13d.  7  (1898)  p.  2i)Sff.,  cf. 
Klirhard,  Di»«  altcliristl.  Litteratur  {V.m)  S.  551,  der  Batiffol  beistimmt.  Zu 
den  arianischen  iMärtyn'rakt«'n  pcehören  wahrscheinlich  auch  die  des  h.  Georgius 
und  des  Dux  Art<'nnus,  s.Yt>tt(»r,  Der  h.  (i»»org  von  Durne,  Halle  1806,  Fried- 
ricli,  Der  geschichtliche  h.  <ieorg  (Münchener  Sitzungsberichte,  1870,  2,  S.  loOff.). 


Luciaoi  Presbyter  von  Antiochicn.  |43 

et  Seleuc.  §  23.  Opp.  ed.  Montf  I,  2,  p.  735),  Sokrates  (h.  e.  11,  10), 
lat  bei  Hilarius  (de  synod.  §  29.  Opp.  ed.  Coust.  II,  p.  479);  s. 
Mansi  H,  p.  1340 sq.;  Hahn,  Bibliothek  der  Symbole,  3.  Aufl.,  §  151. 
Diese  drei  Zeugen  wissen  nichts  davon,  dalS  Lucian  der  Verf.  dieses 
Bekenntnisses  sein  soll;  dagegen  sagt  Sozomenus  (h.  e.  III,  5),  die 
Bischöfe  zu  Antiochien  hätten  es  ihm  beigelegt  (eXtyov  da  ravzfjv 
Ttiv  xloTiv  oXoygaq^op  svQrjxtvai  Aovxiavov  xt.X.)\  derselbe  berich- 
tet (VI,  12)  auch,  eine  in  Earien  367  versammelte  semiariauisclie 
Synode  habe  es  als  lucianisch  anerkannt,  das  Gleiche  haben  nach 
dem  Verf.  der  sieben  Dialoge  über  die  Trinität  die  Macedoniaiier 
getan  (Dial  III  in  Theodoreti  Opp.  V,  2,  p.  991  sq.  ed.  iSchulze 
et  Noss.).    Auch  die  Seniiarianer   scheinen  auf  der  Synode  zu 
Seleucia  im  Jahre  359  das  Bekenntnis  dem  Lucian  zugeschrieben 
ZQ  haben  (s.  Caspari,  Alte  und  neue  Quellen  zur  Gesch.  d.  Tauf- 
symbols, S.  42  f.,  n.  18).    Der  lucianische  Ursprung  wird  deshalb 
anch  von  Cave  (a.a.O.),  Basnage,  Baronius,  Bull  (Defens.  fid. 
Sic).,  Hahn  (a.  a.  0.  S.  184 f.),  Dorner  (EntNvickel.-(iesch.  d.  L. 
V.  i  Person  Christi,  I,  S.S021,  n.  20)  und  anderen  anerkannt.  In- 
dessen 1.  Sozomenus  selbst  bezweifelt  den  lucianischen  Ursprunp: 
des  Symbols  (xoxbqov  61  dXrjd^cig  ravta  hfaoav^  i]  xtjv  löiav  y{ia(pnv 
^\ivoxoiovpxBq   xm    dzicifjtaxi     xov    /taQTVQog ,    Xiykiv    oi;x    lx<o\ 
1  Der  Verf.  der  obengenannten  Dialoge  sagt,  das  »Symbol  sei  auf 
itr Synode  von  den  Bischöfen  interpolieit  worden,  und  getraut  sicli 
JK)ch  die  Zusätze  anzugeben  (xartyi'cop  xt]g  jT{»ool>7jxfi;:,  /}c  rrnoot- 
^«art,  xäi  ix(o  dei^ai,  oxl  jtQOOtOr^xaxt  Iravria  avrfj.  v/nl^  xf/r 
^poö^jjxi/r    Im   xb   doeßhOxtQOV  [?J  jT{)00ti)7)y.aTt).     \S.   Mit  Keclit 
^»cht  der  Herausgeber  der  Werke  des  Hilarius  z.  d   St.  darauf 
^Dfmerksam,  daß  Athanasius  einige  Phrasen  aus  dem  Symbol  als 
^"n  Acacius   und  Eusebius  herrührend   kenntlich   macht  und  dals 
'^cacius  selbst  mehreres  aus  demselben  dem  Asteiius  beilegt.  Audi 
Hilarius  läßt  durchblicken,   daß  die  auf  der  Synode  versammelten 
Bischöfe  die  Urheber  des  Bekenntnisses  seien.  4.  Kini<,'e  Absehnitte 
ködern  Symbol,  namentlich  gleich   der  Einganji;  urul   der  Schluß 
von  xavxi}v  ovx  ?x^pxsg  xr}v  xloxtv  ab,   verratim    sich  von  selbst 
als  antiochenische.  Der  lucianische  Ursprung  des  Symbols  ist  darum 
anch  von   Routh  (L  c.  p.  1 0 sq.),    Ifefele  ( Konzil. -(iesch.,  2.  Aufl., 
/,  S.  259.  524),  Keim  (A.  .Lucian"  in  der  ersten  Aufl.  d.  l*rotrst. 
REnzykU  und  anderen  bezweifelt  wordm.    .ledoch  wird  <'asi)ari 
^a.  a.  0.  S.  42,  n.  IS),  dem  Verf.  der  Dialoge  foljrend,  n^eht  haben. 
wenn  er  in  dem  Symbol,   in  welchem   er.   so  wie  es  vorliegt,  zu- 
nächst lediglich  das   der  antiochenisehen  Bischöfe  vom  Jahre  \\\\ 
erkennen   will,    eine    lucianiscln*    (irundlage   von   antiochenisehen 
Interpolationen    unterscheidet.      Die   Herstellung   der   lucianischen 


144  ^^c  Litteratur  ileü  Morfjcnlandeö. 

Vorlage  wird  im  einzelnen  nicht  mehr  möglich  sein;  doch  weist 
Caspari  auf  die  teilweise  Verwandtschaft  des  Bekenntnisses  mit 
der  Glaubensforinel  des  (iregorius  Thaumaturgus  hin,  so  daß  von 
hier  aus  vielleicht  manche  Phrasen  als  lucianische  ermittelt  werden 
können.  Kattenbusch  (Apostol.  Symbol  I,  S.  266 ff.)  ist  zu  der 
Annahme  geneigt,  daß  nicht  sowohl  die  2.  als  vielmehr  die  4.  an- 
tiochenische  Formel  und  das  Bekenntnis  in  den  Apostolischen  Kon- 
stitutionen (VII,  41)  auf  dem  Bekenntnis  Lucians  ruhen,  und  hat 
das  —  doch  läßt  sich  ausreichende  Wahrscheinlichkeit  nicht  ge- 
winnen --  zu  erweisen  versucht  (s.  auch  a.  a.  0.  II,  S.  202  f.).  Eine 
andere  Hypothese  in  bezug  auf  Lucians  theologische  Tätigkeit 
(1,  S.  394)  hat  er  11,  S.  2()5  wieder  zurückgezogen. 

Schließlich  ist  noch  von  dem  Hauptwerk  Lucians,  seiner  Bibel- 
rezension, zu  reden.  Auch  hierüber  sind  die  Berichte  spärlich. 
Hieronymus  erwähnt,  abgesehen  von  der  Stelle  de  vir.  inl.,  das- 
selbe noch  ein  paarmal  (ad  Damas.  praef.  in  evv.;  praef.  ad  Pa- 
ralip.;  ad  Rufin.  II,  26.  Epist.  106  ad  Sunniam).  Von  der  LXX- 
Rezension  Lucians  sagt  er,  daß  dieselbe  von  Konstantinopel  bis 
Antiochien,  also  in  der  Westhälfte  des  Ostreichs,  verbreitet  sei, 
während  man  in  Alexandrien  und  Ägypten  die  Rezension  des 
Hesycliius,  in  Syrien  und  Palästina  die  von  Eusebius  und  Pamphilus 
verbreiteten  Abschi'iften  der  Arbeiten  des  Origenes  lese.  Er  sagt, 
der  von  vielen  sog.  ^Lucianus*"  unterscheide  sich  bestimmt  von  der 
sogen.  xoivT},  deutet  also  an,  daß  viele  diesen  Unterschied  über- 
sähen.  Über  die  neutestamentl.  Textkritik  des  Ludan  spricht  er 
sich  noch  mi[Jgünstig<T  aus,  als  über  die  alttestamentliche:  „prae- 
termitto  eos  Codices  quos  a  Luciano  et  Hesychio  nuncupatos  pau- 
corum  hoiiiinum  asserit  perversa  contentio,  quibus  nee  in  tote  V.  T. 
post  LXX  interpretes  emendare  quid  licuit  nee  in  Novo  profuit 
(Mnendasse,  cum  multarum  gentium  Unguis  scriptura  antea  trans- 
lata  doceat  falsa  esse,  quae  addita  sunt."  Mit  Recht  sagt  Beuß 
(Gesch.  der  hl.  Schriften  NTs,  5.  Aufl.,  §  367):  „Dem  Wortlaute 
nach  könnte  man  hier  auf  die  Vorstellung  kommen,  jene  Männer 
wären  darauf  ausgegangen,  (apokryphische?)  Interpolationen  aus- 
zumerzen oder  umgekehrt  solche  einzuführen".  Indessen  prunkt 
Hieronymus  liier  augensclieinlicli  mit  seiner  Kenntnis  der  Versionen 
und  sucht  die  Arbeit  des  doj^matisch  verdächtigen  Lncian  zu  dis- 
kreditieren. Wahrscheinlich  hat  es  sich  lediglich  um  solche  Stellen 
gehandelt,  die  bereits  seit  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  in  den 
griechischen  Bibelhandschriften  entweder  fehlten  oder  hinzugefügt 
waren.  Der  Tadel  des  Hieronymus  hat  übrigens  so  viel  gewirkt, 
daß  im  sog.  Decretum  Gelasianum,  in  welchem  alles  mögliche,  was 
dem  Verf.  nur  nach  H ('»rensagen  bekannt  war,  präskribiert  worden 


Lucian,  Presbyter  von  Antiochien.  145 

H  auch  ^evangelia  quae  falsavit  Lucianus  apocrypha;  evangelia 
qaae    falsavit    Isicius    (seil.    „Hesychius",    s.  oben   S.  83)    apo- 
crypha" abgewiesen  sind  (Credner,  Geschichte  d.  Kanon,  S.  290; 
Eenß  a.  a.  0.  §  866).     Daß    unter   diesem   Lucianus    nicht   der 
berüchtigte  Leucius  zu  verstehen  ist  (Mi  11,  Prolegg.  in  N.  T., 
p. XXXVII  [1707]),  sondern  der  Märtyrer,  ist  gewiß  (s.  auch  Zahn, 
Acta  Joannis,  S.  LXXI,  n.  2).    Über  die  Quellen,  Beschaffenheit 
und  kritischen  Grundsätze  der  Rezension  des  NTs  durch  Lucian 
wissen  wir  noch  nichts  Sicheres  und  hoffen  auf  von  Sodens  Aus- 
gäbe.    Nach  dem  Vorgang  Alterer  hat  noch  Hug  (Kinl.  in  d.  NT, 
3.  Aufl^  S.  196  f.,  S.  203—222)  versucht,  nachzuweisen,  daß  Lucian 
sich  eng  an  die  syrische  Peschito   des  NTs  angeschlossen  hat. 
Aber  die  Peschito  ist  jünger  als  Lucian.    Weiter  haben  die  Unter- 
suchung Westcott  und  Hort  geführt.    Vielleicht  wird  sich   die 
ideale  Grestalt  des  textus  receptus  als  die  Rezension  Lucians  ent- 
puppen!   Besser  sind  wir  über  die  LXX-Rezension  Lucians  unter- 
richtet   Außer  Hierouvuius  berichten  über  dieselbe  Pseudoatha- 
uasins,  der  Metaphrast  und  nach  ihm  Suidas.    Der  letztere  sagt: 
rOVTo?   raq   isQag  ßlßXovq  löcbv  JtoXv  rb  vo&ov  doöe^^a^ttvac,    rov 
7^  XQovov   Xvfiijpaf/evov   jtoXXa  xmv   kp  avTclc   xcu  ttjj:  övvsyovq 
^^  ixiQODV  sie  ^TBQa  (jerad-iötmQ,  xal  /livroi  xal  tlvcov  aviyQcojrcov 
^ovTjQOTarcov    [d^eXfioavTcov],    oi    tov  "^EXXtiviotiov    jrQoö£Tf]x£aav, 
^^QaTQi\pai  TOV  iv  avxat^  vovv  jtetQctoaf/ivfov  xa)  jtoXv  to  xiß6f]Xoif 
^^  ravraig  OJteiQavrwv  [ivoxevaoafitvcov],  avroq:  ajractac  draXaßmv 
«*  T^g^EßQätöog  kjtaveveojOaTo  yX(x>TT7]g,  7]v  xcu  avtfjv  iixnißoyxo)^  lg 
''ö  HaXiöxa   rjv,   jtovov   tFj  tJtavoQd^coOei  jtXttOrov  elo^vtyxdfievog. 
^ach  diesen  Worten  (s.  auch  Pseudoathanas.  Üpp.  [Coloniae  IGSii] 
11,157:  „L.,  cum  in  praedictas  versiones  ctHebraeos  libros  incidisset, 
^t  diligenter,   quae   vel  veritati  deerant,   vel  superHua  aderant, 
ingpexisset,   ac   suis    quaeque    locis    correxisset,    versionem  hanc 
Christianis  fratribus  edidit,  quae  sane  post  ipsius  certameu  et  mar- 
tyrium,  quod  sub  Dioclet.  et  Maxim,  tyrannis  sustinuit,  libro  vide- 
licet  propria  ipsius  manu  scripto   comprchensa,  Nicomediae  sub 
Constantino    rege    magno   apud  Judaeos  in  i)ariete  armarii  calce 
circumlito,  in  quo  custodiae  gratia  posita  fucrat.  inventa  est'*)  wird 
herkömmlich  angenommen,   daß   Lucian   die  LXX  auch  aus  dem 
hebräischen  Texte  emendiert  habe;  indessen  ist  eingehende  Kenntnis 
des  Hebräischen  dem  Lucian  abgesprochen  worden  (s.  Dictionavy 
of  Christian  Biography  IT,  p.  859),   ob  mit  Grund,  mögen   andere 
entscheiden.     Die  Untersuchungen  über  die  LXX-Rezension  des 
Lucian  sind  noch   nicht  zum  Abschluß  gediehen  (Grabe  hat  be- 
hauptet, daß  der  Hiobtext  im  Cod.  Alex,  aus  ihr  stamme,  s.  Routh 
1.  c  p.  4).    Gefördert  sind  dieselben  worden  durch  Ceriani  (18S6) 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesch.  II,  2.  10 


J46  ^^^*^  Littcrahir  des  Morgenlandes. 

und  durch  Fields  Ausgabe  der  Hexapla  des  Origenes  (s.  Nestle 
in  der  Theol.  Lit-Ztg.  1S76,  Nr.  7);  es  sind  bereits  Kriterien  ge- 
funden, nach  welchen  di(j  lucianische  Rezension  bestimmt  werden 
kann,  s.  Nestle  in  der  Ztschr.  d.  deutschen  raorgenl.  Gesellscli. 
1878,  S.  465—508,  735f.,  Bickell  in  der  Ztschr.  f.  kathol.  Theol. 
III,  2,  S.  407f.  und  Swete,  An  introduction  to  the  Old  Test,  in 
Oreek,  1900,  p,  SlflF.  483  ff.  und  sonst.  Für  die  prophetischen  Bücher 
sieht  Field  die  lucianische  Rezension  in  der  Handschriften- 
familie 22,  36,  48,  51,  62  usw.,  für  die  historischen  in  den  Codd.  19, 
S2,  03,  108,  für  den  Oktateuch  und  die  poetischen  Bücher  hat 
er  sie  noch  nicht  sicher  aufgefunden.  Unter  den  Kirchenvätern 
kommt  namentlich  Chrysostomus  für  Lucian  in  Betracht.  Mit 
seiner  Hilfe  und  den  anderen  Hilfsmitteln  hat  Lagarde  den 
1.  Teil  der  LXX-Rezension  Lucians  hergestellt  (Libr.  V.  T.  can. 
pars  prior  Graece,  1883;  dazu  die  „Septuagintastudien").  Die 
Benutzung  der  Peschito  hat  Nestle  vermutet  (s.  ^Marginalien 
und  Materialien"  1893  und  seinen  Art.  „Bibelübersetzungen" 
in  der  Protest  REnzykl.  3.  Aufl.);  dazu  Stockmayer  in  d. 
Ztschr.  f.  ATliche  Wissensch.  1892,  S.  208  ff.  Die  Peschit»  ist 
nach  neueren  Untersuchungen  aber  später  als  Lucian.  Von 
exegetischen  Arbeiten  Lucians  ist  so  gut  wie  nichts  überliefert 
worden,  selbst  die  Katenen  gewähren  keine  Ausbeute.  Doch  ist 
es  sehr  wohl  mfiglich,  daß  L.  auch  auf  dem  Felde  der  Exegese 
schriftstellerisch  tätig  gewesen  ist.  Sixtus  Senensis  hat  zuerst 
darauf  aufmerksam  gemacht  (Bibl.  S.  IV,  p.  281),  daß  in  einer 
späten,  ins  Lateinische  übersetzten  Expositio  libri  Jobi  (Julian 
V.  Halikarnass)  sich  eine  Auslegung  Lucians  zu  einigen  Versen 
des  2.  Kap.  finde.  Routh  hat  1.  c.  p.  7  sq.  die  Stelle  abgedruckt 
LB.  Luciano  quae  adscripta  est  Expos.  Jobi  c.  11  comm.  9.  10 
apud  Anonymum  in  Commcnt  in  Lib.  Jobi  Latine  tantum  excuso, 
a  Joach.  Perionio  olim  converso").  Von  der  betreffenden  Auslegung 
de  beati  Jobi  uxore  sagt  aber  Julian  lediglich  dies,  daß  er  sie  von 
hl.  Männern  erhalten  habe,  die  sie  als  die  des  MärtjT^rs  Lucian 
..cui  (Christus  carus  fuif'  bezeichnet  hätten.  Es  handelt  sich  um 
eine  nur  mündlich  gegebene,  von  den  Schülern  im  Gedächtnis  be- 
wahrte „intelligentia*"  Lucians  zu  j.  St.;  denn  Julian  fahrt  fort: 
„Dicebant  illi,  ut  b.  Lucianus  explanans  docebat".  Ein  Zeugnis  für 
♦  ine  exegetische  schriftstellerische  Arbeit  des  L.  läßt  sich  der  Stelle 
nicht  entnehmen;  durch  welche  Verniittelungen  die  Überlieferung 
zu  Julian  gekommen  ist.  wissen  wir  nicht. 


Methodiutf.  14  7 

8)  Methodlus. ' 

Über  das  Leben  des  Methodius  (o  xai  Evi^ov/iiog)  wissen  wir 
io  gut  wie  nichts.  Dali  er  Bischof  von  Olympus  in  Lycien  war 
micht  in  Patara  ^  oder  in  Tyi*us  ^j,  lernen  wir  aus  Hieron.  de  vir. 

1)  S.  Teü  I  S.  4{JHK  (dazu  Khrhard,  Die  alt<jhri8tl.  Litt.  S.  m\i\\).  Nicht 
ffwälmt  iät  dort  die  Schrift  „über  den  Leib",  die  Methodhin  nelbst  nennt  in 
seiner  Abhandlung  „Von  dem  Fgel"  c.  10,  4  (S.  ;{S\)  Honvvetseh'.  Ausgraben 
tOQ  Jahn  (1S05}  und  —  niit  vielen  neuen  Stücken  aus  dem  Slavisehen  —  Hon- 
wet^ich  (1891,  J.  Bd.).  Eine  knappe  dogmengetjch.  Würdigung  des  Methodins 
labe  ich  zuerst  gegeben  (Lehrb.  d.  Dogmengesch.  I^  S.  740 tl'.^;  eine  unit'asöend«' 
DarsteUung  der  Theologie  dea  M.  hat  jüngst  lionwetnch  vorgelegt:  „Die 
Theologe  des  M.  v.  0.  unt^'ruucht",  IJMKl  Saluion  im  Dict.  of  Chr.  Hiogr.  111 
\KmS.  Zahn,  Ztschr.  f.  Klieöch.  Bd.  8  S.  1  tf .  15tf.  Bd.  1»  S.  L>LMff.  (Fest- 
i'tellung  de*  Bistums  des  M.  u.  anderes).  Bon  w  et  seh,  Gber  dit^  Schrift  Vom 
Aoasatz  in  den  Abhandl.  Öttingen  gewidmet,  181)7,  S.  85 fi*.  Kalemkiar  zeigt»' 
<Ue  Abhängigkeit  des  Esnik  von  ^lethodius  (s.  Vetter  in  d.  Tüb.  (^uartalschr. 
l^,  S.  r>2J)tf.).  Ph.  Meyer  in  d.  Ztschr.  f.  KOesch.  Bd.  11  S.  irni.  Krum- 
hacher,  Gesch.  d.  byzant.  Litt.2  S.  ür)3.  Holl,  SS.  Parall.  in  d.  Text^Mi  u. 
''nters.  Bd.  20  H.  2  S.  Ifj2if. 

2)  Dort  ist  er  zum  Besuche  gewesen,  s.  d.  Einl.  z.  Schrift  Ile(jl  dvaoxdafwc. 
Öiese  St*dt  wird  erst  seit  dem  7.  Jahrb.  als  Bistum  des  M.  gtMiannt.  Di««  CbiT- 
lieferung,  er  sei  Bischof  von  Philipp!  gewesen,  hat  Zahn  ijid.  8  S.  IS)  aus  der 
Angabe  inlaxonoq  q>iX6ao<pOQ  erklären  wollen.  Sie  findet  sich  bei  syrischen 
^Schriftstellern,  in  der  Cberschrift  zur  slavischen  Cbrrsetzung  d«^s  Traktats  üb^T 
'Jen  Aussatz  und  in  einem  Zitat  der  SS.  Parall.  (Holl  S.  \K\\  Die  Zuhnsche 
Uklärung  ist  nicht  einleuchtend,  auch  die  Bonwetschsche  (Werke  1 
^-  XXXIIJ),  Philippi  sei  aus  Olympus  entstanden,  ist  nicht  überzeugen«!.  Wir 
^■^rmögen  zur  Zeit  das  Rätsel  nicht  zu  lösen.  Auch  die  in  s}>ät»'rer  Überlief«'- 
^^ mehrmals  vorkommende  Bezeichnung  Me^odlov  ^iöriq  ist  riltöelliaft.  Zahn 
^int,  daß  dies  die  Oeburtsstadt  des  M.  gewesen  ist  oder  daß  er  daselbst  das 
Bürgerrecht  besaß. 

8)  Hieron.  schreibt  ganz  positiv  (1.  c):  „Methodius  Olympi  Lyeiae  et  post^'a 
Tyri  episcopus".     Diese  Angabe  hat  gegen  yich  1)  die  n(*gative  Tatsaelie,    daß 
•eine  griechische  Quelle  dies  bezeugt,    2}  die  positive  Tatsache,    daß  der  Mär- 
^vrer-Bischof  von  Tyrus  in  der  diokletianischen  Vertblgimg  (Euseb.,  h.  e.  \\\\, 
J3,  3)  Tyrannio  gewesen  ist  und  daß  nach  Euseb.  X,  4   Paulinus  gleich    nach 
dem  Sturz    des  Maximinus   Bischof   in  Tyrus  war.     Methodius  müßte  also  vor 
Tyrannio  in  Tyrus  als  Bischof  Märtyrer  geworden  sein,   aber  Hieron.  sagt,  er 
«•ei  „ad  extremum  novissimae  persecutionis"  als  Märtyrer  gestorben  (das  Mar- 
tyrium ist  auch  durch  Theodoret,  Dial.  1  Immutabilis  bezeuj^t).     Di«'  hier  ent- 
stehende Schwierigkeit  ist  so  groß,  daß  luan  an  Tyrus  als  Bistum  des  Mf'tho- 
«lius  nicht  glauben  kann.    Die  Deutung,  die  Zahn  (Bd.  S  S.  l!»f.)  gibt,  befriedigt 
freilich  auch  nicht.    Er  weist  darauf  hin,  daß  die  Stadt  Olympus  ebenso  wie  der 
iVrg,  an  dessen  nönUichem  Abhang  sie  lag,   auch  4hhvixovi;  hieß,  und  meint. 
«laß  aus  einer  Aufschrift  wie:    Me^odioi;  ^O/.vfinov  tfjg  Avxlaq  xov  xai  ^oirt- 
xovvxoq  inlaxonoq,  Hieron.  seinen  falsch«^n  Bericht  ln'rausgesponnen  habe.    Aber 
bei   aller  Leichtfertigkeit,   die   wir  bei  Hieron.   konstatieren  müssen  —  daß  er 
iniri    einer   solchen  Aufschrift  Tyi-us    in  Phönizien    zum  2.  Bistum    des  M.    ge- 

10* 


14S  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

inl.  83  (cf.  Socrat,  h.  e.  VI,  13;  Maximus  Conf,  Schol.  zu  Dionj^s., 
hierarch.  eccl.  7);  derselbe  berichtet,  daß  M.  unter  Maximin  (nicht 
unter  „Decius  und  Valerian"  in  Chalcis,  wie  eine  falsche  Über- 
lieferung lautete)  Märtyrer  geworden  sei  ^  Die  Schriften  sind  nicht 
zu  datieren  \  Aus  dem  Traktat  „Über  die  Unterscheidung  der  Spei- 
sen" folgt  (c.  1,  S.  290:  Bonwetsch),  daß  derselbe  nach  dem  Sym- 
posion und  nach  De  resurrect.  (doch  war  diese  Schrift,  wie  Meth. 
sagt,  noch  nicht  nach  den  Wünschen  ihres  Verfassers  vollendet) 
abgefaßt  ist^  Da  wir  nicht  wissen,  in  welchem  Alter  Methodius 
gestorben  ist,  kann  seine  Schriftstellerei  —  sie  war  sehr  umfang- 
reich, aber,  wie  es  scheint,  einförmig — schon  um  270  begonnen,  sie 
kann  auch  sehr  wohl  bereits  um  300  geschlossen  haben.  Spuren  der 
großen  Verfolgung  finden  sich  in  den  uns  erhaltenen  Werken  nicht 
(etwa  in  der  verlorenen  Schrift  IIbqI  fiaQzvQoov?),  Eusebius  hat 
den  großen  Gegner  des  Origenes  gekannt,  aber  fast  durchweg 
(so  in  der    K Geschichte)  ignoriert*.    Übrigens  war  die  Gegner- 

niacht  hat,  ist  unglaublich.  Ich  vermute,  daß  M.  in  der  diokletianischen  Ver- 
folgung nach  TyruB  disloziert  worden  ist,  wie  zahlreiche  andere  Bischöfe  da- 
mals, und  daß  er  dort  gestorben  ist.  Dann  erklärt  sich  der  Irrtum  leicht,  er 
sei  Bischof  von  Tyrus  gewesen.  So  wird  ja  auch  Lucian  von  Antiochien 
,,episcopus  Nicomediensis"  genannt,  weil  er  in  Nikomcdien  Märtyrer  geworden  ist. 

1)  Daß  auch  über  die  Zeit  des  Todes  eine  doppelte  Tradition  zu  Hieron. 
gekommen  ist,  zeigt,  wie  unsicher  die  Überlieferung  über  M.  gewesen  ist. 
Hicron.  hält  die,  nach  welcher  M.  „ad  extremum  novissimae  persecutionii;  [al.«*o 
im  J.  811  oder  noch  später]  martyrio  coronatus  est"  augenscheinlich  fiir  die 
glaubwürdigere.  Die  andere  („ut  alii  adfirmant  sub  Decio  et  Valeriano  iu 
Chalcide  (iraeciae"  —  die  letzten  drei  Worte  fasse  ich  mit  dieser  Zeitbestimmuncr 
zusammen)  ist  bereits  durch  die  unmögliche  Verkuppelung  „sub  Decio  et  Vale- 
riano" verdächtig  und  schoitert  an  der  Tatsache,  daß  M.  gegen  Vorphyrius  ge- 
schrieben hat.  Sie  beruht  wohl  auf  einer  Verwechselung  mit  einem  ^lärtyrer 
^Methodius  in  Chalcis  (Kuböa)  z.  Z.  des  Decius  oder  Valerian. 

2)  Versuche  bei  Bonwetsch,  Die  Theologie  des  M.  S.  7 ff. 

?})  „Wie  sehr  bist  du  mit  mir  gewesen  bei  jeder  Sache  der  Anfechtungen! 
W^ie  sehr  bereitete  der  Satan  nach  Beendigung  der  Abhandlung  wegen  der 
Jungfrauschaft  [das  ist  das  Symposion]  mir  Schmerzen!  Wie  sehr  aber  hat  er 
mir  wiederum  Beschwernis  bereitet,  nicht  gestatt-end,  die  Abhandlung  über  di.- 
Auferstehung  zu  vollenden!  Er  hat  erregt  Wellen  wie  unübersteigliche  Berg» . 
Luiden  sag(»  ich,  heranwälzend  Anfechtungen,  so  daß  wir  auch  am  Leben  ver- 
zwcifeltt'n,  obwohl  solche  Fälle  fi^rderlich  sind.  Denn  mehr  lieben  die  geger. 
^\  artigen  Menschen  Verleumdungen  und  Absclu'uliches  auch  gegen  Fronjm» . 
ni..'}ir  das  Br>se  hörend  und  nicht  das  Oute  von  dt-ni  Nächsten".  Was  das  fi:r 
Kämpft*  waren,  wissen  wir  leider  nicht. 

4)  Jni  ().  Buch  der  Apol.  pro  Orig.  hat  er  ihn  bekämpft,  s.  Hieron.  c.  Hut. 
I,  11,  Routh,  Keli«].  Sjicr.  i\\^  p.  40!l.  Kusebius  bemerkt,  daß  M.  früher  gniistiLi 
über  Orlg.  gourteilt  habe.  Das  ist  mit  der  «'ntgegengesetzten  Angilbe  di  - 
Sokrates  nicht  unvereinbar,  ^b'thodius  wird  zu  alh^n  Zeiten  Tadel  und  Lo^» 
d«'m  0.  gj'spendet  haben:  zeitweilig  überwog  der  Tadel. 


Methodius.  —  Adamantius.  149 

Schaft  gegen  Origenes  zwar  eine  dezidierte,  aber  keine  radikale; 

ja  nach  dem  Zeugnis  des  Sokrates  (1.  c.)  hat  Methodius  schließlich 

die  Palinodie  gesungen  und  in  seiner  Schrift  „Xenon'*  dem  Hart- 

bekämpft;en  seine  Bewunderung  gezollt.  Die  Scheidung  der  echten 

und  unechten  Schriften  ist  so  einfach,  daß  neue  Untersuchungen 

über  diese  Frage  unnötig  sind  (die  echten  sind:  Uv/utooiov,  IIsqI 

T(w  avTB^ovolov,   IIbqX   dvaoräösojg,   IlaQl   Z^jtgag,   Ilegl  yevrjrciv, 

Sivop  [Identifizierung  mit  der  vorigen,  in  der  ein  CoUocutor  Xenon 

heißt,  ist  möglich,  obgleich  in  IIsqI  ysptircov  Orig.  bekämpft  wird], 

Kara  üoQqiVQlov  [so  gut  wie  nichts  ist  von  dieser  umfangi'eichen 

Schrift  erhalten],  „Über  den  Leib",  IIsQi  naQxvQmv  [jctQi  fiaQrvglag, 

80  Holl  S.  208],  De  Pytonissa,  Gomm.  in  Genes.,  Comm.  in  Cant. 

Cantic.  [beide  Schriften  nur  von  Hieron.  genannt],  Comm.  in  Job 

[nor  nach  Fragmenten,  die  aus  anderen  Schriften  stammen  können, 

aber  doch  so  zahlreich  sind,  daß  diese  Annalime  unwahrscheinlich 

ist],  „Über  das  Leben  und  die  vernünftige  Handlung",  „Über  die 

Unterscheidung  der  Speisen  u.s.w,",  „Vom  Igel  u.s.w.")^.    Außer 

den  Werken  des  Plato  ^  und  Origenes  kannte  und  benutzte  Metho- 

dios  Werke   des  Justin,  des  Irenäus,   des  Athenagoras  u.  a.    Er 

ist  wohl  der  älteste  litterarische  Gegner  des  Porphyrius  unter  den 

Christen  gewesen  ^ 

• 

9)  Adamantius.* 

Fünf  —  in  Wahrheit  zwei  —  Dialoge  gegen  llarcioniten  und 
^alentinianer  (Bardesaniten),  deren  ursprünglicher  Titel  niclit  mehr 
zu  ermitteln  ist  {Ihgl  Ttjg  elg  d^eoi^  o(>^//i^  jtlöTeog?  so  nur  im  vor- 
gesetzten unechten  Prolog),  sind  unter  dem  Namen  des  Adamantius 
fiberliefert  und  bereits  in  der  2.  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  für 
ongenistisch  gehalten  worden  (s.  die  Philokalie  und  dii»  Über- 
setzung der  Dialoge  von  Rufin).  Daß  der  unl)ekannte  V(^rfasser 
•selbst  für  Origenes  gelten  wollte,  ist  ganz  unwalirsclieinlich;  denn 
in  diesem  Falle  hätte  er  nicht  den  Gegner  desselben,  Methodius, 
ausschreiben  und  sich  so  weit  von  der  Tlieologie  des  Origenes  ent- 


1)  Die  nur  slavisch  erhalteneu  Stücko  «ind  doshall)  niclit  ^iiiiz  zuv«'rl;Uf?i{X, 
weil  der  Cberstitzt^r  gokürzfc  hat.     Auch  wt'i^cn  sie  Lücken  auf. 

'2)  Für  die  Abhänp:if^k(?it  von  diesem  ist  das  jjSymposinni"  und  die  dia- 
logische Form  vitder  Schriften  cluirakteri-stisch. 

o)  Wie  unser  Metliodius  dazu  f^ekoiumeu  ist,  zum  Vt'rfasser  der  so  be- 
rühmten „Revelationes"  orwälilt  wordt'n  zu  sein,  ist  franz  rätselhaft, 

4)  Der  Dialofr  des  Adamantius,  hrsg.  v.  van  de  Sande  Bakhuyzen 
.Berliner  Akad.  Ausj^iibe',  1!H)1.  Zahn,  Ztschr.  f.  Kiiesch.  Bd.  0  (ISaS)  S.  llKJff., 
Gesch.  d.  NTlich.  Kanons,  Hd.  2  S.  -JOOif. 


\^i)  DiP  Litteratur  dorJ  Morgenlandes. 

fernen  können,  wie  er  getlian  liat  *.  Die  Personen,  die  er  auftreten 
läLst,  sind  fingerte  (oder  im  günstigsten  Falle  an  die  Namen  wirk- 
licher Personen  angelehnte);  den  katholischen  Dispntanten  hat  er 
Adaniantins  genannt;  die  irrige  Meinung,  dieser  Adamantius  sei 
der  X'erfasser  und  mit  Origenes  identisch,  mußte  sieh  fast  mit  Not- 
wendigkeit einstellen.  Die  Kappadozier  und  Rufin  sind  ihr  bereiti? 
Verfallen. 

Seit  wir  die  Übersetzung  Rufins  besitzen,  vermögen  wir  den 
Venetianns,  die  einzige  originale  griechische  Handschrift  (alle  übri- 
gen sind  direkt  oder  indirekt  aus  ihr  abgeschrieben),  zu  kontrol- 
lieren. Die  Vergleichung  ergibt,  daß  Rufin  in  der  Hauptsache  treu 
übersetzt  hat  —  auffallende  Züge,  die  er  allein  bringt,  wie  z.  B. 
die  Beziehung  auf  Manichäer,  sind  beiseite  zu  lassen  ^ — ,  daß  aber 
die  griechische  Handschrift  eine  Überarbeitung  des  Grundtextes 
ist.  Diese  Überarbeitung  hat  sich  nicht  auf  viele  Stellen  des 
Werkes  erstreckt,  ist  aber  eine  sehr  eingreifende  gewesen.  Die 
ursprüngliche  Gestalt  des  Werkes  stammt  (Dialog  I  p.  41)  aus  der 
Verfolgungszeit  ^;  da  aber  andererseits  Methodius  in  zwei  großen 
Partien  benutzt  ist  —  was  in  bezug  auf  die  eine  bereits  den  Ver- 
fassern der  Philokalia  aufgefallen  ist^  —  so  müssen  die  Dialoge 
vor  313  (Mailänder  P]dikt,  doch  kann  zur  Not  auch  noch  an  Lici- 
iiiiis  gt^dacht  werden)  und  nach  270— 2S0  fallen '\  Aus  anderen 
Stellen  in  dem  Werk  läßt  sich  nichts  für  eine  noch  bestimmtere 
Datierung  gewinnen.  Die  Überarbeitung  aber  hat  (p.  40)  jene  Stelle 
von  den  Verfolgungen  in  das  Gegenteil  umgewandelt,  indem  sie 
df^n  Adamantius  sagen  läßt,  in  früheren  Zeiten  seien  Verfolgungen 
vorgekommen,  rvv  öe  toi:  ßaaiXtoig  ovtoq  d^soosßovq  t/  q)TJg;  der 
König  kann  nur  Konstantin  sein;  denn  offenbar  ist  er  der  erste, 
der  Wandel    geschaffen  hat^    Die  Überarbeitung  schreibt   femer 

1)  (lO^en  Zahn  S.  211  f. 

*J)  (ie^r(>n  Zahn  S.  20i)ff.  218ff. 

'^)  tjVo]  ex  eo  (jnod  in  porsecutionibus  siinius  semper,  manifestum  debet 
Orfse  (?tc.",  ü'dcrt  dor  Marcionit-,  und  daß  er  niclit  nur  Marcionit^in- Verfolguni: 
meint.,  zei<?t  daK  P'ol^ende:  „(der  Weltschöpfer)  habet  in  manu  sua  cor  reffi- 
et,  inclinat.  ilhid  ad  persequendura  nos."  S.  auch  das  Weitere:  die  Rede  des 
Adamantius. 

4 )  Sie  haben  bemerkt  (c.  24\  daß  das  Euseb.,  Traepar.  VII,  22  zitiert^^  Stück 
eines  „Maximus'*  (in  Walirheit  des  Methodius,  nepl  tov  avts^ovalov)  sich  h\ 
den  Dialo^r(.n  findet.  Die  Verwechshmj::  „Maximus"  „Methodius"  ist  von  Zahn 
sicher  naeh^ewiestm  und  erledip^t.  Das  andere  Stück  st^^ht  in  der  Schrift  des 
Metliodius  nspl  dvaataaew;;. 

'))  Die  einzelnen  Schriften  des  Methodius  lassen  sich  nicht  genauer  datieren, 
s.  dort.     Metliodius  kann  sclion  um  d.  ,1.  270  geschrieben  haben. 

<j)  S.  Zahn  S.  200 f. 


Adamantins.  —  Die  päeudojustiniöcbe  Cobortatio  ad  Graecoi«.  15] 

iV,  p.  242):  olg[Tolg  ijtioxojtoig]  ovvaYÜ.a^ovrai  ßaoutlg  xal  jrarrtj 
J(i;i[orr£c,  während  Eufin  bietet  (p.  24:^):  „deum  .  .  .  ciii  obteiiipe- 
rare  reges  terrae  et  principes  populüniiii  atciiie  oiiiue  convenit 
liumanum  genus".  Man  sieht,  der  Überarbeiter  setzt  eine  Situation 
voraus,  die  im  Orient  erst  nach  der  völligen  Besiegung  des  Lici- 
nius  eingetreten  ist  Endlieh  findet  sich  gegon  ScIiIuLn  (p.  240)  der 
Iberarbeitung  der  Zusatz:  oiwovoiog  /«(>  xal  äxcüQiOTOj:  1)  fiuxaQic 
TQtag.  Hieraus  ergibt  sich,  daß  die  Überarbeitung  aus  der  letzten 
Zeit  Konstantins  stammt;  der  zuletzt  augeführte  Satz  mag  aber 
noch  später  zugesetzt  worden  sein  K 

Außer  Methodius  ist  auch  eine  nut  Irenäus  gemeinsame  (Quelle, 
wie  es  scheint,  in  den  Dialogen  benutzt  worden,  s.  Zahn,  S.  230  ff. 
Die  rohe  Art,  in  der  das  aus  Methodius  übernommene  Stück  ein- 
gefügt ist,  zeigt  einen  Schriftsteller  geringer  (Qualität. 

Die  Bekämpfung  der  Bardesaniten  entscheidet  für  den  Orient 
üüd  gegen  Ägypten  in  bezug  auf  den  Ort  der  Abfassung.  Die  Be- 
nutzung des  zu  Lycien  geliörigen  Schriftstellers  Methodius,  der 
noch  gelebt  haben  kann,  als  der  Verfasser  schrieb  —  litterarische 
Plünderungen  kommen  auch  bei  Lebzeiten  der  (geplünderten  vor—, 
unterstützt  diese  Vermutung.  Zwischen  Lycien  und  Edessa  wer- 
den unsere  Dialoge  entstanden  sein  -. 


10)  Die  pscudojustiuische  Cohortatio  ad  Graeeos. 

Diese  in  zahlreichen  Handschriften  unter  dem  Titel  ..Aoyo^ 
^^{mvtrixoQ  jtQoq^'EXhiva;;''^  überlieferte  Scljrift  kann,  wie  jüngst 
noch  Gaul  in  sorgfältiger  Nachprüfung  gezeigt  hat^  niclit  von 
Jnstin  stammen,  obgleich  die  gesamte  Cberliet'erung  sie  ihm  bei- 
legt. Stil,  Terminologie  und  Anschauungen  protestierten  in  gleicher 
^\'eise  gegen  diese  Vindizierung,  die  bereits  von  Hülsemann  (1G70) 
niidDupin  (1690)  bezweifelt  worden  i.st\    In   dem  letzten  Jahr- 

1)  Dial.  1  (p.  4.  5)  bieten  Bowohl  dor  (iriccliL'  als  difr  Lateint-r  ),6yo4 
Oßoovaiog  („verbuin  consubBtanfcivum").  Da  auch  Pamphilud  dicseu  Toriiiiiui> 
'tlejj  Origencä)  gebraucht  hat  (trotz  der  Synode  von  Antiocliion   v.  J.  *JüS),    »o 

wird   man  nicht  behaupten  dürfen,    Adaiuantius  könne  ihn  vor  dem  Nieänuni 

nicht  geschrieben  haben. 

2)  Dafür  kann  man  auch  anführen,  dali  Theodor« 't,  sovirl  wir  wisH»»n,  der 
einzige  ißt,  der  den  Verfasser  unseres  Dialogs,  den  auch  rr  Adaniantius  nennt, 
nicht  mit  Origenes  identifiziert  ihaer.  fab.  pra^f.;  1,-0}. 

8)  So  auch  in  den  Sacra  l'arall.,  vgl.  dazu  den  Anfang  der  Schrift  selbst: 
'Aoxo/Ätvog  T^s  npog  v/uäq  nagaivtatiug,  ävdneg"L?.?.7jvtg 

4)  Gaul,  Die  Abfassungsverhältnisse  der  pst'udojustinisehen  Cohort.  ad 
(ir.  (1902)  S.  44-ü:}. 

5)  S.  die  (teachieht«»  der  Kritik  bei  Gaul.  a.  a.  0.  S.  1  ff. 


152  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

hundert  hat  die  Annahme  der  Echtheit  nur  noch  wenige  Vertreter 
gefunden;  man  kann  daher  der  angekündigten  neuen  Verteidi- 
gung^ kein  günstiges  Prognostikon  stellen.  Hat  doch  auch  der 
Gelehrte,  der  im  J.  1840  sich  die  größte  Mühe  gegeben  hat,  den 
justinischen  ürspning  der  Schrift  zu  erweisen  2,  selbst  diesen  Ver- 
such nachträglich  für  vergeblich  erklärte 

Für  das  in  Ansehung  zeitgeschichtlicher  Spuren  ziemlich  farb- 
lose Buch  — man  vergleiche  dagegen  die  echten  Schriften  Justins! 
—  läßt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  ein  terminus  ad  quem 
angeben.  Es  ist  Gauls  Verdienst ^  dies  gezeigt  zu  haben.  Euse- 
bius  besaß  bekanntlich  einen  Index  Opp.  Jnstini  und  hat  ihn  seiner 
Kirchengeschichte  (IV,  18)  einverleibt.  Hier  wird  ein  Buch  Justins 
IlQog  ^EZXfjvag  erwähnt,  o  xat  indyga^ev  y^EXBfxpv''-  Das  Nächste 
ist  es,  einen  Doppeltitel  anzunehmen;  doch  kann  auch  ein  Titel 
gemeint  sein.  Aus  Photius  (Eod.  232)  läßt  sich  nun  vermuten,  daß 
er  bez.  Stephanus  Gobarus  unsere  Schrift  unter  dem  Namen 
,^EXByxo(i''  gelesen  hat^  der  in  der  Tat  neben  dem  Titel  „Aoyoq 
jtaQaivsTixog''  für  diese  besonders  passend  ist^.  Hat  aber  Photius 
(Stephanus  Gobarus)  unsere  Schrift  unter  dem  Titel  j^EXeyxog"  ge- 
lesen, so  ist  es  wahrscheinlich,  daß  ebendieselbe  auch  bei  Euse- 
bius  unter  diesem  Namen  zu  vei-stehen  ist  Zwingend  ist  dieser 
Schluß  freilich  nicht,  aber  er  liegt  sehr  nahe.  Die  Annahme, 
unsere  Schrift  gehöre  erst  dem  4.  Jahrhundert  an  (Dräseke, 
Asmus),  bedarf  dem  gegenüber  starker  Argumente;  sie  lassen  sich 
aber  nicht  finden ;  denn  der  Versuch,  der  Cohortatio  eine  spezielle 
Beziehung  auf  Julians  Streitschrift  zu  geben,  ist  nicht  geglückt 
Diesem  Versuche  lag  die  richtige  Einsicht  zugrunde,  daß  hinter 
unserer  Schrift  bereits  Auseinandersetzungen  zwischen  dem  Christen- 
tum und  der  griechischen  Philosophie  —  und  zwar  von  beiden 
Seiten  —  liegen ;  allein  diese  Auseinandersetzungen  brauchen  nicht 


1)  Durch  Widmann  (ß.  Ehrbar d,  Die  altchristl.  Litt.  u.  ihre  Erforschuiii? 
von  18.S4--190C),  I.  Abt.  [1900]  ?.  226f.). 

2)  w^emisch  in  seiner  Monof^raphie  über  Justin  I  S.  105 ff. 
8)  Semisch  in  d.  Protest.  REnzykl.  Bd.  7  (1857)  S.  185f. 

4)  A.  a.  0.  S.  20ff. 

5)  Photius,  1.  c.  (zu  einer  von  Stephanus  Ciobarus  zitierten  Stelle):  rairr^g 
6h  Ttjg  öo^Tjg  XQV^^^  f^^^  nage&tjxev  ix  xov  fiaQXvgoq  ^ovaxlvov  [nämlich  aus 
der  Cohortatio].    zw  öe  ngoq  zrjv  ^EXlijvtx^v  fikv  öo^av   avvi^vexxo  fidx^y   ^«^ 

xov  nXaxwvog   t'Afy;ro5   xax€(JxfvdL,fxo  elQtjxoxoq xal  0  fihv  fia^xig, 

x6  nXaxcjvixov  öieXiyytov  o6<ptOfxa,  inLÖeixvvoi  xov  nxdzwva  xov  xe  drifiiovQ- 
yov  sladyovxa  xdvavxla  X^yovxa  eavzo)  .  .  .  .,  6  de  Fößagoq  xdv  EkXfjvixov 
eleyxov  elq   dvaxQ07ii,v  ixßid'C.txai  x()^(j^fa  xov   (pQOvtjfjiaxog  xov  ixxXtjata- 

CtLXOV. 

6)  S.  den  Inhalt  der  Schrift  überhaupt  und  besonders  c.  11.  35.  36. 


Die  pseudojustinische  Cohortatio  ad  Graecos.  153 

die  des  4.  Jahrhunderts  zu  sein.  Karl  Schmidt  hat  uns  ge- 
zeigt, wie  lebhaft  sie  bereits  in  der  Mitt€  des  3.  Jahrhunderts 
waren  K 

In  das  3.  Jahrhundert  (nicht  in  das  zweite  und  schwerlich  in 
die  erste  Hälfte  des  dritten)  führen  uns  die  inneren  Merkmale  der 
Schrift,  soweit  solche  vorhanden  sind  —  negativ:  Erwähnungen 
von  Verfolgungen  fehlen  schlechterdings;  die  ganze  Frage  zwischen 
Heidentum  und  Christentum  ist  eine  geistige  Frage  geworden,  die 
Rivalität  zweier  Grottes-  und  Weltanschauungen;  positiv:  der 
Verfasser  scheint  nur  zwei  Hemmnisse  zu  kennen,  die  der  An- 
nahme der  christlichen  Religion  seitens  des  Hellenismus  entgegen- 
stehen, die  Pietät  gegen  die  Religion  der  Voreltern  (c.  1. 14.35.36) 
und  den  Anstoß,  den  man  an  dem  schmucklosen,  schlechten  Stil 
der  wahren  Propheten  nimmt  (c.  35.  36.  38).  Darüber  hinaus  wird 
schlechterdings  nichts  erwähnt.  Hat  man  so  im  2.  Jahrhundert 
und  im  Anfang  des  dritten  geschrieben  oder  überhaupt  schreiben 
können?  Dazu  kommt,  daß  Clemens  Alex.,  wie  auch  Gaul  sieht '^, 
jedenfalls  benutzt  ist,  daß  die  Septuaginta-Legende  (c.  13)  in  einer 
Gestalt  vorliegt,  die  jünger  ist  als  die  bei  Irenäus  und  Clemens 
aufgezeichnete,  und  daß  die  Sibylle  in  dem  Buch  eine  Rolle  spielt, 
die  ihrer  Rolle  bei  Lactantius  und  seinen  Zeitgenossen  näher  steht 
als  der  bei  Justin  und  Theophil us.  Diese  Merkmale  legen  die  An- 
nahme nahe,  daß  das  Buch  der  großen  Friedenszeit  in  der  2.  Hälfte 
des  3.  Jahrhunderts  angehört,  und  schließen  das  2.  Jahrhundert 
sicher  ausl 


1)  Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  5,  H.  4. 

2)  S.  73  ff.  61  ff. 

3)  Aus  der  einzigen  Stelle  (c.  38),  in  der  von  Jesus  Cliristus  gehandelt 
wird,  läßt  sich  leider  nichts  Sicheres  schließen.  Interessant  ist  sie,  weil  das 
Prädikat  dxfiQtftoq,  welches  Hemiiis  (Mand.  I)  von  (lott  selbst  braucht,  hier  auf 
den  Logos  übertragen  ist  —  ich  kenne  dafür  {xov  aioxtjQoq  t)fi(j5v  ^Iijaov  Xgiazovj 
oq  xov  &iov  vnaQ'/^iJDV  loyog  aywQritoq  öwccfiei  xzX,)  aus  älterer  Zeit  nur  einen 
Beleg,  nämlich  bei  Hippolyt  negl  xov  ndaxcc  (Achelis,  Hippolyts  Werke  I,  2 
S.  269).  —  Belanglos  für  die  nähere  Bestimmung  der  Abfassungszeit  ist  es,  daß 
der  Verf.  (c.  13)  die  Septuaginta  als  die  bei  den  Juden  gebräuchliche  Über- 
setzung bezeichnet,  während  Origenes  (ep.  ad  Afrie.)  mitteilt,  daß  die  Juden 
die  des  Aquila  jetzt  bevorzugen.  Kaum  das  4.  Jahrhundert  erscheint  dadurch 
ausgeschlossen  (gegen  Gaul  .S.  03).  Befremdlich  ist  es,  wenn  (iaul  (S.  73) 
eine  Übersicht  über  das  Verhältnis  der  Cohortatio  zu  der  übrigen  christliehen 
Litteratur  mit  den  Worten  beschließt:  „Hiemach  ist  klar,  daß  .  . .  unsere  Schrift 
in  der  Zeit  vor  221  verfaßt  worden  ist,  da  sie  mit  der  Litteratur  vor  Abfassung 
der  Chronographien  des  Julius  Afric.  mehr  und  engere  Beruh  rangen  als  mit 
der  späteren  aufweist."  Von  irgendwelcher  „Klarheit"  odt^r  einem  Beweise 
kann  hier  gar  nicht  die  Rede  sein;  denn  das,  was  <iaul  S.  ö3 — 73  zusammen- 
gestellt  hat,   beweist  nur,    daß  unser  Buch   gewisse  Stoffe   mit  den  Schriften 


154  l^it-*  Litt-fi-atur  des  ^Morgenhindes. 

Der  letzteren  Einsicht  hat  sich  auch  Gaul  nicht  vei-schlossen: 
aber  er  tritt  für  die  Abfassung  im  ei'sten  Fünftel  des  3.  Jahr- 
hunderts ein.  Kr  vermag  das,  weil  er  glaubt,  das  Hauptargument 
für  die  Abfassung  unserer  Schrift  nach  dem  ersten  Fünftel  des 
'A,  Jahrhunderts  entkräften  zu  können,  nämlich  die  Abhängigkeit 
Von  der  Chronographie  des  Julius  Africanus. 

Wir  haben  bisher  von  dieser  Tatsache  geschwiegen  —  sie 
ist  das  wiclitigste  litterargeschichtliche  Datum  in  bezug  auf  die 
f'ohortatio  — ,  um  zunächst  festzustellen,  daß  die  inneren  Merkmale 
der  Schrift,  weit  entfernt,  jenem  Datum  zu  widerstreben,  sich  viel- 
mehr harmonisch  zu  ihm  fügen.  Von  vornherein  ist  übrigens 
(laul  in  einer  prekären  Lage.  Er  verweist  unsere  Schrift  ins 
dritte  Jalirhundert,  aber  verschließt  ihr  in  demselben  alle  Jahr- 
zehnte bis  auf  die  zwei  ersten;  denn  Africanus  soll  sie  schon  be- 
nutzt haben.  Unmöglicli  ist  es  natürlich  nicht,  daß  wir  in  die 
glückliche  Lage  versetzt  sind,  eine  herrenlose  Schrift  so  genau 
datieren  zu  können  —  nach  den  Stromateis  des  Clemens  und  vor 
der  Chronographie  des  Africanus,  also  um  210 — ,  aber  wahrschein- 
lich ist  es  nicht. 

Schürer*  hat  das  Verhältnis  der  Cohortatio  zu  Africanus 
genau  untersucht  und  kam  zu  dem  Ergebnis,  daß  jene  diesen  ab- 
geschrieben hat.  (iaul  (S.  73  ff.)  sucht  das  Verhältnis  umzukehren. 
Beiden  gemeinsam  ist  die  Einsicht  daß  die  Annahme  einer  Quelle, 
die  sowohl  die  Cohort.  als  Africanus  benutzt  haben,  nicht  nur  un- 
nötig ist,  sondern  sich  auch  verbietet  2.  Diese  Einsicht  ist  richtig; 
aber  Gaul  hat  den  Beweis  Schürers  nicht  zu  entkräften  ver- 
mocht. ( Jleich  an  dem  ersten  Punkt  zeigt  sich  das.  In  dem  3.  Buch 
der  Chronogr.  des  Africanus  liest  man:  Mt'xin  fihv  rcov  ^OXvfixiaöwv 
ovöiv  dxnißi:;  lOToQ/jTca,  In  der  Cohort.  c.  12  heißt  es:  Ovöer 
EkhiOL  jroo  rojv  '0/,i\usnadojv  dxQißii:  löT6Qf]Tat.  Wie  kann  man 
nur  glauben,  daß  der  professionelle  Chronograph  diesen  für  seine 
Ausführungen  grundlegenden  Satz  aus  einer  paränetischen  Ab- 
handlung aufgelesen  hat?  Gaul  selbst  muß  einräumen  (S.  74),  er 
sei  das  Eigentum  des  Africanus,  scheint  aber  anzunehmen  —  ich 
verstehe  seint^  Haltung  nicht  — ,  daß  beide  Autoren  hier  unabhängig 
voneinander  auf  denselben  Gedanken  und  dieselbe  Formu- 
lierung geraten  sind.    In  dem  Folgenden  zeigt  Gaul  richtig,  daß 

vor  .luliuri  AtVic.  Unit,  hImt  ilmon  gegenüber  ganz  ßelbßtilndig  ist,  und  daß  wir 
aus  der  Zr'it  von  Julius  bis  Knsebius  nur  sehr  wenige  Schriften  besitzen,  die 
zu  einer  Vergleii-hung  mit  der  Cohortatio  einhiden.  übrigens  übersieht  Gaul 
<b'n  Laetantins,  dessen  Art  der  unseres  Verfassers  m.  E.  ähnlich  ist. 

1)  Ztschr.  f.  Ktieseh.  Bd.  'J  (1^77,8)  S.  iJlOtf. 

2)  S.  Gaul  S.  S'Jf. 


Die  pseudojustinitiche  Cohortatio  ad  Ciraeco»?.  155 

Clemens  Alex,  den  Tatian  benutzt  hat,  selbst  aber  Quelle  des 
Africanus  und  der  Cohortatio  bez.  dieser  oder  jenes  gewesen  ist. 
Kr  behauptet  aber,  daß  Africanus  den  Clemens  niciit  selbst,  sondern 
durch  Vermittlung  der  Cohortatio  benutzt  habe,   weil  in  der  Auf- 
zählung der  griechischen  Historiker  sich  bei  Africanus  Herodot 
finde,  der  bei  Clemens  und  in  der  Cohortatio  felilt;  die  Cohortatio. 
die  nach  hellenischen  Quellen  fahnde,  hätte  den  Herodot  nicht  fort- 
gelassen, wenn  sie  ihn  vorgefunden  hätte;  also  sei  sie  vor  Africanus 
zu  setzen;  erst  dieser  habe  den  Namen  des  Herodot  der  Liste  hin- 
zagefugt.     Dies  ist  an  sich  möglich;  allein  drei  Beobachtungen 
Schürers,  die  Gaul  vergebens  zu  entkräften  versucht,  sprechen 
dagegen  und  bestätigen  die  allein  natürliche  Annahme,  daß  Africanus 
nicht  seine  wichtigsten  Angaben  einer  philosophischen  Abhandlung 
tntnommen  hat,  sondern  daß  diese  ihren  chronogi'aphisclien  Exkurs 
dem  Chronographen  verdankt. 

(1)  Clemens,  die  Quelle,  nennt  den  Apion  (Strom.  I,21j  ,,o  yQctfi/ia- 
rixog^  6  nXsiOToi^ixrjg  ijtixhj&tig'' ,  Africanus  schreibt  ,' Anicov  6 
UoOHÖcDvlov ,  JtBQiSQfoxaTog  YQaft/iarixdii^^  die  Cohortatio  (c  9): 
.U:tl(ov  6  ITooeiöcDplov'',  Nach  Gaul  hat  Africanus  den  Clemens 
nur  durch  Vermittlung  der  Cohortatio  gekannt,  d.  h.  iiicht  direkt 
benutzt;  er  hat  ihm  also  zufällig  w^esentlich  dasselbe 
Epitheton  ornans  gegeben,  welches  bei  Clemens  steht 
und  welches  die  Cohortatio,  seine  angebliche  Quelle,  ge- 
strichen hatte!  Wer  kann  das  glauben?  Offenbar  ist  das  Um- 
gekehrte der  Fall:  die  Cohortatio  hat  den  Africanus,  der  direkt 
auf  Clemens  fußt,  ausgeschrieben,  aber  das  Ei)ithct()n  ornans  ge- 
jitrichen. 

(2)  Africanus  schreibt:  .MzoXefialog  öe  o  M^i^ö/joioc:,  ra  Alyv- 
ctxiiov  avixad^BP  Iotoqcjp,  uJtaoi  rovroig  övi^TQiyu'\  die  Cohort. 
iL  c):  Kai  IlToXB/iatog  de  o  Mti'ö/jOiog,  ra  Aiyvjir'KDV  löTOQcHr. 
itxaoi  TovToig  ovvTQkxti',  Daß  Africanus  das  „dptxa&ci^'  hinzu- 
gefügt hat,  wenn  er  lediglich  die  Cohortatio  exzerpierte,  ist  ganz 
unwahracheinlich;  vielmehr  ist  es  (wie  oben)  das  Nächstliegende. 
daß  der  Apologet  das  ihm  gleichgültig  scheinende  dvtxaihv  weg- 
gelassen hat.    Am  schlagendsten  aber  ist  die  dritte  Stelle: 

3)  Die  Cohortatio  (1.  c.)  schreibt:  Ovrco  yctQ  UokttioiP  re  Iv  r/j 
:tQ€oxxi  ^^^  ^EXXrjvix&v  lOTOQiatv  ittuvriTai  xai  \ijtio}v  xtL,  bei 
Africanus  liest  man:  IloXtfifov  (ilv  Iv  rfi  jiqcoth  royv  'E?J,r]vixcir 
ioxoQicip  XiyBL,  tJtl  "Ajtiöog  rov  fPoQovimgy  /wl^a  rov  Aiyvjcriaxov 
OTQaxov  ksi^BOtv  Alyvjtrov,  oV  iv  rij  IlaXaiOTlvtj  xaXovfiLPtj  ^vQia. 
ov  x6qq(d  ^AQaßiag  a)Xf]öav,  avrol  drjXovoTi  ol  fisra  Mwoico^. 
Axifov  61  xtZ.  Dies  ist  doch  entscheidend.  Africanus  bringt  das 
Zeugnis  des  Polemon  im  Wortlaut,  die  Cohortatio  verweist  nur  auf 


156  ^®  Litteratar  des  Morgenlandes. 

dasselbe.  Soll  man  annehmen,  Africanus  habe  den  Polemon  nach- 
geschlagen und  seine  Worte  in  den  Text  der  Cohortatio  gesetzt? 
Das  nimmt  Gaul  alles  Ernstes  an  und  sucht  diese  verzweifelte 
Hypothese  durch  den  Nachweis  zu  decken,  daß  das  Zitat  nicht  recht 
angebracht  sei.  Allein  selbst  dies  zugestanden,  was  ich  indes 
leugne  —  warum  muß  das  Zeugnis  schlagend  sein  und  welche 
Vorstellung  muß  man  sich  von  einem  Chronographen  machen,  der 
die  wichtigsten  und  grundlegenden  Nachweise  aus  dem  chrono- 
graphischen Exzerpt  eines  Dogmatikers  abschreibt,  aber  dabei  so 
gewissenhaft  ist,  die  Stellen  nachzuschlagen,  die  dieser  im  Sinne 
gehabt  hat?  Nein  —  überall  erweist  sich  die  Cohortatio  gegen- 
über Africanus  als  das  Exzerpt;  sie  läßt  den  Herodot  weg,  sie 
läßt  die  Charakteristik  des  Apion  weg,  sie  läßt  apixad-ep  aus,  und 
sie  beschränkt  sich  darauf,  Polemon  als  Zeugen  zu  zitieren,  ohne 
das  Zeugnis  desselben  anzuführen. 

Dasselbe  Verhältnis  läßt  sich  noch  an  der  gleich  folgenden  Satz- 
gruppe konstatieren  (bei  Afric.  geht  sie  vorher):  Afric:  xavra  yctQ 
ol  ra  ^Ad^rivalcDV  lözoQovvrsg,  ^EXXavixoq  rs  xal  ^iZoxoQog  ol  (6) 
rag  ^AxMöag,  ot  tb  xa  Svgia  KaCxfoQ  xoü  BaXXog  xäi  xa  jtavxcov 
AioöcDQog  6  xäg  ßißXiod^i^xagj  ^AXigapÖQog  xe  6  IIoXvtöxtaQ,  xai 
x&v  xad-*  rjiiag  axgcßsoxegov  ifin^od-tjCap  xäl  x&v  *Axxix6iv  axav- 
xoov^, 

Cohort.  c.  9:  Kai  ol  xa  \id^rivala)v  61  löxoQovvxeg^  ^EXXavixoz 
xe  xal  ^iXoxoQog  6  xag  ^AxO^löag,  KaoxcoQ  xe  xal  OaXXog  xai 
'AXi^avÖQog  6  IIoXvioxwQ,  exi  öe  xal  ol  oogxDxaxoi  ^lXa)P  xe  xai 
'l(D07jjtog,  ol  xa  xaxa  ^lovöaiovg  löxoQfjOavxeg,  a>g  OfpoÖQct 
aQxalov  xal  JtaXaiov  xcov  'lov6ala)P  agxopxog  MtDvoecoz 
fiefivr]vxai  [folgt  etwas  über  Josephus],  xal  6  kpöo^oxaxog  de 
jtag*  vfitv  xmv  loxoQLoyQag)a)v  Ai6ö(x>Qog,  6  xag  ßißXiod^xag 
ejeixefKDV  xxX. 

Die  Cohortatio  hat  das  nach  ,,xag  ^AxMöag''  ganz  unerläßliclie 
„Tß  ^vQia''  gestrichen,  und  sie  hat  den  Schlußsatz  des  Africanus 
dazu  benutzt,  den  Philo  und  Josephus  einzuschieben.  Die  umge- 
kehrte Annahme  führt  zu  der  Absurdität,  daß  Africanus  den  Philo 
und  Josephus,  die  „christlichen"  Chronographen,  gestrichen  und 
daB  er  in  einen  unvollkommenen  Text  mit  höchster  Feinheit  ,.xa 
2JvQca''  eingesetzt  haben  soll! 

Schürers  Nachweis  besteht  somit  zu  Recht  Die  Cohortatio 
hat  zweifellos  den  Africanus  ausgeschrieben;  also  ist  sie  nach  dem 
J.  221  verfaßt.  Aus  der  Benutzung  des  pseudoplutarchischen  Aus- 
zugs  aus   den  Placita  des  Aetius  in   der  Cohortatio  läßt  sich  für 


1)  Ich  habe  den  Text  mit  den  notwendigen  Verbesserungen  gegeben. 


Die  pseudojastiniäche  Cohortiitio  ad  Oraecos.  157 

ihre  Abfassungszeit  nichts  Sicheres  schließen,  wenn  auch  der  Xer- 
dacht  nicht  ganz  unterdrückt  werden  kann,  daß  sie  schon  die 
Praeparatio  des  Eusebius  in  den  betreffenden  parallelen  Abschnitten 
gekannt  hat   Indessen  ist  der  Verdacht  zu  schwach,  um  ernstlich 
iu  Betracht  kommen  zu  können,  und  der  oben  gegebene  Nachweis, 
daß  Eüsebius  in  der  Aufzählung  der  Justin-Schriften  wahrschein- 
lich schon  die  Cohortatio  genannt  hat,  bleibt  in  Kraft.    Somit  läßt 
sich   die  Abfassungszeit  der  Cohortatio   (was  den  terminus  a  quo 
betrifft,  mit  Sicherheit,  den  terminus  ad  quem  anlangend  aber  nur 
mit  Wahrscheinlichkeit)  auf  221— 302  feststellend   Innerhalb  dieses 
langen  Zeitraumes  von   80  Jahren  wird  man   aber  der  zweiten 
Hälfte  mit  Wahrscheinlichkeit  den  \'orzug  geben,  (1)  um  der  oben 
charakterisierten  allgemeinen  Haltung  der  Schrift  willen,  (2)  wegen 
ihres  Verhältnisses  zur  Geheim-  und  Weisheitslitteratur.    Das  Buch 
b^eht  sich  außer  auf  anderes  Krauses,  mit  dem  es  sich  zu  schaffen 
macht,   offenbar   auf  eine  reiche  christliche  Sibyllenlitteratur, 
näher  auf  eine  solche,  wie  sie  im  0.  u.  8.  Buch  der  Orac.  Sibvllina 
vorliegt.    Diese  Litteratur  ist  aber,   wie  ich  Teil  il  Bd.  1  dieses 
Werkes  S.  581  ff.  gezeigt  habe  und  gegen  Geffcken-  festhalte, 
höchst  wahrscheinlich  nicht  früher  entstanden  als  in  der  zweiten 
Hälfte  des  3.  Jahrhunderts.    Ferner  liegt  die  Annahme  st'hr  nahe, 
daß  der  Verfasser  sich  bereits  auf  Porphyiiiis  IxvJeht.  C.  1 1  schreibt 
tr  (vgl  c.  24):  'Egofiivov  ydo  tivckz,    €04  avrol  (farf.   ro  jraQ 
vfilv  XQfioxriQioVy   rlvag  ovvtßtj  ifeoofßtJ^   ard(ta;:  yfyfvTjOO^ai  jtotb, 
ovTCD  t6  xQriorrjQiop  tlgr/xtvai  g)aTt' 

Movicol  XaXöaloi  öO(pi?jv  Xayov,  ^S  «(/  ^E^Qaloi. 
AvToyerr/Tov  avaxxa  oeßa^o/ievoi  iitov  ayvcic. 

Aus  Porphyrius  aber  teilt  uns  Euseb  (Praepar.  IX,  10,3)  fol- 
gendes Stück  mit:  ^Eri  jtQo^  tovtok:  xcu  iv  irtQO)  yx^fjOfno  (fi^oiv 
0  AjtoXXcDv'  Movvoi  XaXöaToi  ....  d-eop  ayvfTjji'  xcu  srdhv  tnoj- 
trj^ilg  xrX.  Unser  Verfasser  zitiiat  also  nicht  nur  dassdbe  (ge- 
fälschte, chiistlich-jüdische)  Orakel  wie  Porj)hyiius,  sondern  er 
konstatiert  auch  ausdrücklich,  daß  es  von  einem  Hellenisten  als 
^kliches  Orakel  zitiert  worden  sei.  Als  wirkliches  Orakel  hat 
es  Porphyrius  zitiert. 

Hiemach  hat  innerhalb  der  80  Jahre  (221—302),  in  die  wahr- 
scheinlich unsere  Schrift  fällt ^  jedes  späten;  Viertel  die  größeie 
Wahrscheinlichkeit  in  bezug  auf  die  Abfassungszeit  für  sich.    Mag 


1)  Das  von  Drilaeko  ins  Auj^e  {^elnßtv  Dutmn  iMitt»?  de>  1.  Jahrh.)  ist  ali^o 
nirht  schlechthin  aui>^o.schlo.ss(Mi. 

2)  Texto  u.  UntfM-8.  iN.  F.  Hd.  S  11.  1. 

3)  Wenn  sie  nicht  doch  nachiMisobiaiiiscli  ist. 


158  ^^6  Litteratur  des  Morgenlandes. 

man  auch  die  JJ.  240—260,  ja  selbst  221—240  offen  lassen,  so  ist 
es  doch  viel  geratener,  die  JJ.  260—302  in  Ansprach  zu  nehmen 
und  innerhalb  derselben  bis  an  das  Ende  zu  gehen.  Schriften  wie 
die  des  Lactantius,  wie  die  apologetischen  Werke  des  Eusebius, 
wie  die  konstantinische  Rede  Ad  sanctum  coetum  sind  die  Geistes- 
verwandten unseres  Traktats,  nicht  aber  die  apologetischen  Schriften 
des  2.  oder  anfangenden  3.  Jahrhunderts. 

Was  den  Ort  der  Abfassung  betrifft,  so  ist  Alexandrien  und 
Ägypten  durch  c.  13,  Rom  und  Italien  durch  c.  37  ausgeschlossen  K 
Der  Verfasser  schrieb  also  im  eigentlichen  Griechenland  oder  in 
Kleinasien,  schwerlich  in  Syrien  2. 

11)  Anthlmus,  BIsehof  von  Nikomedien  und  Märtyrer, 

Mercati  hat  in  den  „Studi  e  Testi"  5  (1901)  p.  87—98  unter 
dem  Titel:  \4vk>i(Jov  ijricxojrov  Ntxofitjölag  xal  fiaQrvQog  Ix  Tc5r 
.TQog  OeoöcoQov  jt^qI  rfjg  ctyiag  IxxXrjCiag  ein  drei  Seiten  um- 
fassendes, bisher  unbekanntes  Stück  aus  zwei,  stark  voneinander 
abweichenden  Mss.  (Anibros.  H  257  inf.  saec.  XIII.  und  Scorial. 
Y.— /7.—  7  saec.  XIV.)  veröffentlicht,  welches  in  mehr  als  einer  Hin- 
sicht —  hauptsächlich  durch  seine  Zitate  aus  einem  unbekannten 
Werk  Valentins  IleQl  rcov  TQidir  (pvostDV,  aus  Hermes  Trismegistus 
und  Plato,  sowie  durcli  die  Mitteilung  eines  unzweifelhaft  echten 
Wortes  des  Apelles  —  interessant  ist^. 

Anthimus,  Bischof  v.  Nikomedien,  ist  nach  Euseb.  h.  e.  VIII,  6 
und  13  als  erster  bischöflicher  Märtyrer  in  der  diokletianischen 
Verfolgung  im  J.  303  enthauptet  worden  (cf.  den  Brief  des  Pam- 
philus   an   die  Antiochener  im  Chron.  pasch,  p.  277).    Sonst  war 

1)  Einem  römischen  od(T  großj^riechischen  Publikum  brauchte?  man  di»- 
Lape  von  Cumae  nicht,  so  zu  beschreiben,  wie  der  Verfasser  es  tut. 

•J)  Die  angekündipjte  Schrift  Widmanns  „Die  Echtheit  der  Mahnred»- 
.Tustins  (1.  M.  an  die  Heiden"  (Mainz  1902)  ist  nach  Abschluß  vorstehender  Aus- 
f;ihnin^»'n  erschienen.  Sie  nötigt  mich  nicht,  an  ihnen  etwas  zu  verändern 
(«.  Theol.  Lit.-Ztg.  l(K).->  Nr.  lO:  Anzeige  von  Gaul).  Die  sprachlichen  Über- 
einstimmungen, die  zwischen  der  Apologie  Justins  und  der  Cohortatio  bestehen, 
fiillen  angesichts  d<'r  (i<'samthaltung  der  letzteren  nicht  ins  Gewicht.  —  Dir 
übrigen  pseudojustiTiischen  Schriften  müssen  sämtlich  außer  Betracht  bleiben; 
denn  teils  steht  es  f.'sfr,  daß  sie  der  nachkonstantinischen  Zeit  angehören,  teil> 
ist  —  wie  bei  der  Epistola  ad  Zenam  et  Serenum  —  die  Abfassung  vor  Kon- 
stantin oder  z.  Z.  Konstantins  eine  bloße  Möglichkeit.  Über  die  „Oratio  ad 
(iraecos"  e.  Teil  II  Hd.  1  S.  51:1  ff. 

.■>)  Schon  in  den  Rendiconti  HA  Ist.  Lomb.  Serie  11,  Vol.  XXXI  Juni  18f6 
hatte  Mercati  nach  dem  Cod.  Ambros.  über  das  Stück  berichtet,  s.  dazu  Textf 
u.  Unters.  Bd.  '2^)  H.  .']  S.  94f. 


Anthmus,  Bischof  von  Nikomedion  und  Märtyrer,  ü^bg  Seodwgov,    ]59 

Msher  nichts  über  ihn  bekannt,  außer  daß  in  den  Märtyrer-Akten 
der  Domna  und  Inda  (Migne,  Gr.  T.  116  p.  1073  cf.  1076  A)  über 
einen  Brief  von  ihm  voll  Güte  und  Trost  bericlitet  wird,  d(»n  er, 
als  er  in  einem  Dorfe  sich  verbarg,  geschrieben  haben  soll  {xai 
jQafifiara  filv  rov  Hqov  'Avd^ifiov  ijttfiJttTo  jtQog  avrovc,  tr  xcofi?} 
fiiv  rivi  avxov  XQVjtro/itrov  lytyQajrro  6e...  yaQuvra  xai  oo}- 
rfjQia  xtX)' 

Das  Stück  ist  sicher  unecht  und  zwar  in  seinem  ganzen  Um- 
fang; denn  (1)  werden  Eusebius  von  Cäsarea  und  Asterius  zitiert, 
i'2)  werden  die  Manichäer  genannt  und  auf  Cerdo,  Marcion  und 
Lucian  zurückgeführt  \  (3)  gipfelt  die  Ketzerliste  in  den  Arianern. 
und  sie  werden  „Ariomaniten'*  genannt,  wie  von  Epiphanius, 
Ämbrositts  und  Hieronymus,  (4)  ist  die  Ketzerliste  nicht  unab- 
hängig von  der  des  Epiphanius  oder  (richtiger)  der  des  Philastrius, 
da  die  Namen  „Hermes  und  Seleukus"  sich  zusanmienfinden,  was 
nur  mit  Philastr.  55  belegt  werden  kann,  (5)  sind  die  Ausführungen 
über  die  Kirche  im  Eingang  bei  einem  Morgenländer  um  300 
unerhört  (bei  einem  Abendländer  wären  sie  nicht  auffallend^. 
Hieraus  folgt,  daß  das  Stück  frühestens  aus  dem  Ende  des  4.  Jahr- 
handerts  stammt^.  Es  ist  aber  auch  schwerlicli  viel  später  ge- 
schrieben; denn  die  Arianer  sind  dem  Verfasser  die  Erzketzer, 
obgleich  ihre  Herrschaft  vorüber  ist  und  sie  im  Absterben  sind 
ivie  die  Ausdrucksweise  in  §  S  beweist).  Daß  der  Verfasser  noch 
ein  Werk  des  Valentin  und  ein  solches  des  Apelles  kennt,  dazu 
den  Asterius  zitiert,  rät  auch,  die  Zeit  um  400  nicht  zu  ver- 
lassen. 

Wer  aber  ist  der  Verfasser  und  wie  ist  das  Stück  zu  dem 
Titel  ^Avd^ifiov  ijt.  Nixofirjdiag  xai  fiaQTVQoc  gekommen,  während 
doch  Anthimus  nirgendwo  als  Schriftsteller  genannt  wird?  Ver- 
gebens habe  ich  geforscht  und  mir  den  Kopf  zerbrochen.  Die 
Aufschrift  'JFx  rcop  jcQog  StoöcQQov  jrsgi  ttjc  äylac  txxh/oiaQ  wird 
^cht  sein.  Die  Schrift  führte  also  wohl  nicht  den  Titel  TJ^qI  t^c 
^'/laq  ixxXrjolacy  sondern  in  einer  Schrift  (einem  Brief)'*  an  Theo- 


1)  Der  Satz  steht  nur  im  Scorial.,  aber  an  seinor  Zujrohörijjkcit  zum  (ianzen 
liann  nicht  gezweifelt  werden. 

2)  Der  Versuch,  die  v?§  8 — 18  als  spätere  Interpolation    zu  streichen  und 

flnr  g§  1 — 7.  10  zu  behalten  und  dem  Anthimus   zuzuweisen,    scheitert   aucli. 

<iii  «ich  zwar  §  8  nicht  gut  zu   §  7   fügt  (jedoch  ist  di»»  Verbindung  nicht  un- 

•i'rträglich},  aber  die  Manichäer  und  die  Definitionen  der  Kirche  sich  in  ij  1 — 7 

änden. 

8)  Vgl.  §  8:  fV  clöhvaL  ex^*^i  ^'^'  ^^^'  Dieses  i'^otg  fügt  sich  zu  der  Auf- 
j^chrift  ix  twv  ngdq  Ssoöwqov  (es  ist  die  einzige  Stelle  dieser  Art  im  Frag- 
ment" nnd  protestiert  also  dagegen,  ^  Sff.  als  Interi)olation  auszuscheiden. 


150  ^6  Litteratur  des  Morgenlandes. 

dorus  war  von  der  h.  Kirche  gehandelt.  Da  es  Theodori  wie 
Sand  am  Meer  gibt,  so  hilft  uns  der  Name  auch  nicht  zu  einer 
näheren  Bestimmung.  Auch  das  bringt  uns  nicht  weiter,  daß,  wie 
Mercati  entdeckt  hat,  je  ein  bedeutungsvoller  Satz  in  §  2  und  §  3 
sich  auch  in  den  pseudoathanas.  Quaest.  in  Nov.  Test  (Migne 
Gr.  Bd.  28  Kol.  724)  findet.  Die  Zitate  zeigen  nur,  daß  unsere 
Schrift  noch  in  recht  später  Zeit  (direkt  oder  indirekt)  gelesen 
worden  ist.  Ich  muß  daher  meine  Bemühungen  um  das  wert- 
volle Fragment  in  positiver  Hinsicht  mit  einem  „Non  liquet" 
schließen.  Das  unechte  Stück  macht  es  indes  gewiß,  daß  Anthimus 
im  4.  Jahrhundert  angesehener  und  bekannter  war,  als  wir  bisher 
gedacht  haben. 


12)  Die  Canones  der  Synode  von  Aneyra.^ 

Nach  der  alten  Einleitung  zu  diesen  Canones  sind  sie  jcqo- 
yevioTBQOL  rcov  kv  Nixaia  kxrid-ivroDv  7cav6v(ov,  Das  bestätigt 
sich  durch  den  Inhalt;  sie  ordnen  die  Fragen,  die  sich  über  die  in 
der  großen  Verfolgung  Gefallenen  erheben  mußten.  Das  geschah 
selbstverständlich  möglichst  bald  nach  Erlösclien  der  Verfolgung 
(bez.  schon  während  derselben,  aber  die  Canones  setzen  die  Be- 
endigung voraus).  Das  Jahr  313  ist  somit  der  terminus  a  quo  — 
denn  die  diokletianische  Verfolgung  ist  gemeint  — ,  das  Jahr  325 
der  terminus  ad  quem.  Ist  es  aber  ratsam,  dem  J.  313  bez.  Ostern  314 
(im  Sommer  313  starb  Maximinus;  nach  Kanon  6  ist  unsere  Synode 
zwisclien  Ostern  und  Pfingsten  gehalten  worden;  also  ist  Ostern 
314  der  früheste  Termin)  möglichst  nahe  zu  bleiben,  so  wird  diese 
Erwägung  durch  die  beiden  Tatsachen  vollends  gerechtfertigt,  erst- 
lich, daß  Vitalis  von  Antiochien  auf  der  Synode  anwesend  war,  wie 
die  uns  erhaltenen  Unterschriften  erweisen  (Vitalis  folgte  aber 
dem  Tyrannus  als  Bischof  von  Antiochien  im  J.  312  oder  313  und 
war  6  Jahre  Bischof,  d.  h.  er  ist  im  J.  318  oder  319  gestorben), 
zweitens,  daß  an  der  Synode  nicht  Eusebius,  sondern  Agapius,  sein 
Vorgänger,  teilgenommen  hat  (Eusebius  ist,  s.  o.  S.  108,  nicht  nach 
d.  J.  315  Bischof  geworden).  Also  stammen  unsere  Canones  aus 
der  Zeit  Ostern  314  bis  Ostern  318  oder  vielmehr  aus  der  Zeit 
Ostern  314  bez.  spätestens  Ostern  315-. 


1)  Rout-h,  Reliq.  Sucr.  Vol.  IV^  p.  114ff.   Maaßen,  Gesch.  d.  Quellen  des 
kanonischen  Rechts,  J.  Teil,  1870.    Hefele,  Konzil.-Gesch.  P  S.  219ff. 

2)  Ausgeschlossen  ist  es  also,  daß  die  Canones  erst  aus  der  Zeit  nach  der 
Verfolgung  des  Licinius  stammen. 


Die  Canones  von  Neo-Cäsarea.  —  Actji  Edessena.  \ß{ 

13)  Die  €anones  Ton  Neo-Cüsarea.  ^ 

Die  alte  Überschrift  zu  diesen  Canones  sagt,  daß  sie  später 
als  die  von  Ancjrra,  früher  aber  als  die  von  Nicäa  sind.    Der  Inhalt 
der  Canones  widerspricht  dem  nicht  (die  Canones  von  Nicäa  sind 
nicht  berücksichtigt;  nach  325  konnte  man  sie  aber  bei  Bestimmungen 
über  die  Disziplin  nicht  mehr  beiseite  lassen).    Die  Unterschriften 
würden  das  Datum  bestätigen  und  noch  genauer  präzisieren  —  es 
sind  größtenteils  dieselben  Bischöfe  wie  zu  Ancyra  — ,  wenn  sie 
echt  wären;   aber  die  Echtheit  (mindestens  die  Unversehrtheit) 
unterliegt  schweren  Bedenken.   Somit  läßt  sich  die  Zeit  der  Synode 
zunächst  nur  in  den  Grenzen  von  10  Jahren  bestimmen:  314/5—324 
(inkl!.   Allein  die  Beobachtung,  daß  die  Gefallenen-Frage  erledigt 
var,  als  die  Synode  gehalten  wurde  —  kein  einziger  Kanon  be- 
schäftigt sich  mit  ihr  — ,  macht  es  ratsam,  die  Synode  nicht  un- 
mittelbar nach  314/5  anzusetzen;  denn  es  ist  unwahrscheinlich,  daß 
damals  Canones  über  die  Disziplin  aufgestellt  worden  sind,  ohne 
der  Gefallenen   zu   gedenken.    In    die  Zeit  der  Verfolgung  des 
Licinius  kann  die  Synode  aber  auch  nicht  fallen;  zwischen  dem 
Sturz  und  dem  Tode  des  Licinius  ist  ebenfalls  kein  Eaum  für  sie. 
Man  wird  daher  schwerlich  irren,  wenn  man  sie  um  d.  JJ.  318—320 
ansetzt 

14)  Acta  Edessena.^ 

Es  gab  in  Edessa  ein  königliches  Archiv  i  erst  aus  heidnisclier, 
danu  aus  christlicher  Zeit),  welches  hocli  hinaufreichte,  und  ein 
kirchliches  Archiv  (s.  Hai  Her  a.  a.  0.).  Aus  jenem  schöpfte  Julius 
Africanus  (a  Moses  v.  ('hör.  II,  10)  und  später  (um  550)  das  Chroni- 
cum Edessenum.  In  diesem  stammen  die  Eintragungen  über  die 
-Zerstörung  des  Heiligtums  der  christlichen  Kirche"  im  J.  201  durch 
die  große  Flut  (noch  aus  heidnischer  Feder),  über  das  Geburtsjahr 
Christi,   die  Ausscheidung  Marcions  aus  der  großen   Kirche  im 


1)  Roiith,  1.  V,  Vol.  IV2  p.  ISUV.     Hof.'hs  ii.  a.  0.  I2  S,  iMJtr. 
-)  LipsiuR,  Die  edossenische  Abprnrsa«^»»,  18S0  11.  Ai»okr.  Apostel jrosch.  II,  2 
>.  irsff.  11.  1.  c.  Suppl.  S.  lOnff.     Zahn,  Forsclmn<r,.n  I,   IKSl,   S.  IJ.")«»«".     Mat- 
theit, Die  edeBB.  Abgarsaj]fe,  Leij>zi^  1SS2.     Tix<^ront,  Les  orij?iiu's  d«.»  l'e^lisi.' 
»Vllthi^se  etc.   1S88.    Duval,    Hist.  pol.,  ivl.  vt  litt.  »VKdoss.s    ISO'J.    Halli«'r, 
rntow.  üb.  d.  edeBB.  Chronik  (Texte  u.  1-nterri.  15d.  9  H.  1,  1802).     Carriere. 
Li  Irjfende  d'Abj^ar  dann  Thistoire  d'Annt'^nie  de  Moise  de   Khoren,  Paris  1S!»5. 
von  DobBchüt/.,    ChristnöbUder    (Texte  u.  Unters,  i^d.   18,    1^99  n.  Ztnehr.  f. 
wiVs.    Theol.    Bd.  4:j,    19(K),    S.   4'J2ft'.i;    Hardenhewer.    (ieseh.    d.    altkirchl. 
Litt.  I  (1902)  8.  453ff.;  s.  den  1.  TA\  dieses  Werkes  S.  5:nff. 
Harnack,  Altchristl.  Litteraturgesch.  II,  2.  11 


152  ^^6  Litteratur  des  Morgenlandes. 

J.  137/8,  das  Geburtsjahr  Bardesanes'  im  J.  154,  das  Geburtsjahr 
Manis  im  J.  239/40,  das  Gründuugsjahr  des  großen  Eirchengebäudes 
(Bischof  Koinos)  im  J.  31 2/3  aus  jenem.  Aus  ihm  ist  auch  der 
Bericht  über  den  Briefwechsel  zwischen  Abgar  (V.)  und  Jesus  und 
die  Predigt  des  von  Judas  (=  Thomas)  nach  Edessa  gesandten 
Thaddäus  geschöpft  (Bekehrungsgeschichte  von  Edessa),  den  Euse- 
bius  h.  e.  1, 13  (cf.  I,  12,  3  f.  II,  1)  gegeben  hat  (übersetzt  aus  dem 
Syrischen):  J^x^ig  xal  xovrcov  avayQastxov  ztiP  fiaQzvglap  ix  tcov 
xarä  "Eöeoöav  ro  rriPixaöe  ßaaikevofiivfjp  jtoXiv  YQaiiiiatoipvXaxel(Dv 
Xrjq)&etoap.  ip  yovp  xolq  avToQ-i  drifioaloig  X«P^«^5^  '^olg  za  JtaXaia 
xal  Tcc  dfitpl  TOP  "'AßyaQOP  xgaxd-ipxa  jtsQiixovci  xäi  xavxa  elöiri 
xcd  PVP  i§  Ixelpov  jte^vXay/iipa  evQfjzai.  ovöhp  öh  olop  xäi  avrwp 
kjcaxovoat  tcop  ijtiOToXäp  cbto  twp  dgxslop  tjulp  äpaXrj^d-siocop 
xal  TOPOS  avtotg  Qtniaötp  Ix  xriq  Hvqcop  ^copfjg  fiszaßXfjd'SicSp 
TOP  TQOJtop.  Die  Briefe  und  die  Predigt  sind  zusammengehörige 
Fälschungen ^  die  in  das  3.  Jahrhundert  gehören;  d^n  erst  bald 
nach  201  (s.  o.)  ist  Abgar  IX.  bar  Ma*nu  (179—214)  Christ  geworden 
und  hat  sein  Königreich  christianisierte  Africanus  weiß  noch  nichts 
von  diesen  Legenden;  hätte  Eusebius  etwas  dergleichen  bei  ihm 
gefunden,  so  hätte  er  es  angemerkte  Eine  nähere  Bestimmung 
der  Abfassungszeit  ist  nicht  möglich;  doch  liegt  es  auf  der  Hand, 
daß  an  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrh.  nicht  leicht  gedacht  werden 
kann*. 

Der  weiteren  Geschichte  der  Sage,  in  der  auch  der  Apostel 
Thomas  eine  große  Rolle  spielt^  ist  v.  Dobschütz  nachgegangen. 
Eines  der  ältesten  Stücke  ist  die  vor  27  Jahren  zum  erstenmal 
vollständig  publizierte  syrische  Doctrina  Addaei  (ed.  Phillips, 
London  1876) ^  die  Zahn  sogar  mit  der  Quelle  des  Eusebius  für 
wesentlich  identisch  erklärt  hat.  Allein  vieles  in  ihr,  namentlich 
die  Verquickung  mit  dem  wunderwirkenden  Bilde  Christi  in  Edessa, 


1)  Nach  I,  13,  20  gestellt  auf  das  340.  Jahr  der  seleucidischen  Ära  = 
20  p.  Chr. 

2)  Der  Beweis  von  (lOmperz  (Archäol.-epigr.  Mitt.  v.  Österreich-Ungarn 
Bd.  10,  1890,  S.  154  ff.),  Abgar  sei  Jude  geworden,  ist  nicht  geglückt. 

3)  (legen  v.  Gutschtnid,  Lipsius  u.  a.  mit  v.  Dobschütz,  a.  a.  0.^ 
Belege  S.  103  f. 

4)  Die  auf  eine  Vermutung  Nöldekes  sieh  gründende  Annahme,  daß  das 
J.  232  als  das  Jahr  der  Translation  der  Gebeine  des  Thomas  von  Indien  nach 
Edessa  hier  von  Bedeutung  sein  könne,  ist  nicht  von  Gewicht.  —  Daß  Abgar 
nicht  „König",  sondern  „Toparch"  genannt  ist,   zeigt  auch  die  späte  Zeit. 

f))  Dazu  die  Thomasakten.  Über  Thomas-Judas  s.  die  anregenden  Unter- 
suchungen von  Harris,  The  Dioscuri  in  the  Christian  legends,  London  UK»:» 
(v.  Dobschütz  in  der  ITieol.  Lit.-Ztg.  1903  Nr.  20). 

0)  Bruchstücke  früher  schon  bei  Cure  ton  in  den  Ancient  Syr.  Doc.  18<U. 


Archdai  episcopi  liber  disputationis  adveräum  Manichaeum.  163 

das  die  Sylvia  um  385  noch  nicht  gekannt  hat^  zeigt,  daß  sie 
frühestens  der  Zeit  um  das  J.  400  angehört.  Einiges  in  ihr  (wenn 
aach  nur  weniges),  was  sie  Aber  Eusebius  hinaus  bringt,  mag  auf 
die  alte  Legendengestalt  zurückgehen.  Dazu  rechne  ich  das,  was 
über  den  ersten  Bischof  Palut  und  seine  Beziehungen  zu  Serapion 
von  Antiochien  gesagt  ist^. 


15)  Arehelai  episcopi  liber  disputationis  adyersnm  Manichaeam. 

Über  dieses,  nach  Heraclianus  Chalc.  saec.  V/VI.  (bei  Photins, 
Bibl.  85)  einem  Hegemonius  gebührende  Werk,  welches  uns  in  einer 
alten  lateinischen  Übersetzung  und  griechischen  Bruchstücken  vor- 
liegt, hat  Hieronymus  (De  vir.  inl.  72)  lauter  falsche  Nachrichten 
in  Kurs  gesetzt  Er  behauptet,  das  Werk  sei  von  Archelaus,  sei 
ursprünglich  syrisch  geschrieben,  und  sein  Verfasser  habe  unter 
dem  Kaiser  Probus  gelebt.  Allein  Archelaus  ist  nur  der  Inter- 
lokutor,  nicht  der  Verfasser  der  erdichteten,  von  geographischen 
Verstößen  wimmelnden,  aber  z.  T.  auf  sehr  gutem,  echtem  Material 
fußenden  Akten;  die  Annahme  eines  syrischen  Originals  wird  von 
Beausobre  (Manich6isme  I  p.  129),  Zittwitz  (Ztschr.  f.  d.  bist 
TheoL  1873  S.  467 f.),  Nöldeke  (Ztschr.  d.  Deutschen  Morgenl.  Ge- 
sellsch.  Bd.  43,  1889,  S.  537ff.)  und  Rahlfs  (Gott.  Anz.  1889  S.  927 f.) 
mit  starken  Gründen  bestritten  ^  und  unter  Probus  kann  das  Buch, 
welches  den  entwickelten,  dem  Christentum  gefährlichen  Manichäis- 
raus  voraussetzt,  nicht  entstanden  sein^  Der  terminus  ad  quem 
sind  die  Katechesen  des  Cyrill  (s.  cat.  6)  \  also  das  Jahr  c.  347; 
der  terminus  a  quo  ist  das  Jahr  c.  300.  Das  Werk^  stammt  also 
aus  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahrh.  Man  wird  aber  schwerlich 
irren,  wenn  man  es  innerhalb  dieses  Zeitraumes  lieber  nach  dem 


1)  Das  „Original"  des  Briefs  ist  ihr  gezeigt  worden;  iiueh  kennt  sie  die 
Ij^nde,  daß  die  Stadt  durch  seinen  Besitz  uneinnehm!)iir  sei;  s.  p.  02 f.  der 
^Viener  Ausgabe. 

2)  Aus  Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  459,  ersehe  ich,  daß  noch  in  jüngster 
ZeitNirschl  („Katholik"  1890  Bd.  2  S.  17tf.)  die  Echtheit  des  Briefwechsels 
Jeso  mit  Abgar  verteidigt  hat, 

3)  Keßler  (Mani  Bd.  1,  1889,  S.  87ff.)  ist  allerdings  der  Meinung  des 
Hieronymus. 

4)  Den  „Probus"  hat  Hieron.  wahrscheinlich  aus  c.  27  der  Acta. 

5)  Aber  dem  Cyrill  muß  das  Werk  in  einer  anderen  Gestalt  vorgelegen 
haben  als  uns.  Epiphanius  (haer.  00,  0—8.  10.  11.  21.  25.  H\  u.  De  mens,  et 
}>ond.  20)  scheint  das  Werk  in  der  uns  erhaltenen  Rezension  gebraucht  zu  liaben. 

6)  Beste  Ausgabe  bei  Routh,  R^iliq.  Sacr.  V^  p.  1 — 206  auf  Zacagnis  Aus- 
gabe fußend,  8.  auch  Text«  u.  Unters.  T,  H.  3,  S.  137  ff. 

11* 


1()4  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

J.  325  als  vor  demselben  ansetzt^.  Daß  die  arianiscben  Streitig- 
keiten nicht  erwähnt  sind,  ist  kein  Grund,  für  die  vornicänische 
Zeit  einzutreten;  denn  diese  Streitigkeiten  gehörten  nicht  hierher 2. 
Dagegen  ist  es,  wie  schon  Beausobre  sah,  wichtig,  daß  der  Verf. 
c.  27  sagt,  wenn  Mani  recht  habe,  so  sei  der  Pai*aklet  erst  mehr 
als  300  Jahre  nach  Christus  erschienen.  Pie  Annahme  liegt  nahe, 
daß  der  Verf.  hier  gedankenlos  seine  eigene  Zeit  ins  Auge  gefaßt 
hat,  obgleich  er  (1.  c.)  weiß,  daß  Mani  unter  Probus  zu  stellen  ist^ 
Die  Angabe  führt  auf  330—340.  Dieser  Zeitraum  ist  aber  auch 
deshalb  zu  bevorzugen,  weil  das  Verhältnis  zwischen  Christen  und 
Heiden  keine  Spannung  mehr  zeigt;  werden  doch  bei  der  Dispu- 
tation Heiden  als  Schiedsrichter  eingesetzt  Jedenfalls  ist  ein  Grund, 
das  Werk  in  die  vornicänische  Zeit  zu  rücken,  nicht  vorhanden. 
Zwischen  310  u.  325  schrieben  die  Christen  im  Orient  auch  schwer- 
lich solche,  der  eigenen  Lage  sicheren  Werke  wie  unsere  Akten. 
In  eine  Sammlung  der  vornicänischen  christlichen  Litteratur  würde 
ich  dies  Werk  nicht  aufnehmen.  Jacobi  (a.a.O.)  hat  den  Ver- 
fasser in  Ägypten  gesucht;  aber  seine  Gründe  sind  sehr  schwach. 
Kennt  auch  der  Verfasser  die  östlichen  (babylonisch-persischen) 
Landstriche  nicht,  über  die  er  redet,  so  hat  man  ihn  doch,  wie 
auch  die  älteste  Bezeugung  wahrscheinlich  macht,  in  Syrien  oder 
Palästina  zu  suchen.  Nach  Syrien  weist  die  merkwürdige  Christo- 
logie  des  Verfassers,  die  der  des  Paul  von  Samosata  sehr  nahe 
kommt  und  bei  einem  ägyptischen  Verfasser  hohes  Befremden  er- 
regen müßte. 

Anhang. 

16)  Syiumachus  und  die  Symmachianer.^ 

Tch  trage  hier  den  Symniachus  nach,  wie  ich  Bd.  I  S.  701  an- 
gekündigt habe. 

Symniachus'  sachkundige  und  sehr  wertvolle  Bibelübersetzung 
ist  nach  Eusebius  (h.  e.  VI,  16)  zu  der  Zeit,  als  Origenes  sie  in 
seine  Hexapla  aufnahm,  allgemein  bekannt  gewesen.  Da  Origenes 
seine  hexaplarische  Arbeit  früh  begonnen  hat,  so  spricht  diese  Tat- 
sache nicht  dafür,    daß  Synimachus,  wie  man   nach  Epiphan.,  de 

1)  Jacobi,  /tschr.  f.  KOosch.  Bd.  T  S.  40(3 f.,  entscheidet  sich  für  ±325. 

2)  Cbri^^ens  sagt  der  Verf.  einmal  (c.  'i]2):  „Quid  deo  potest  ex  istis  crea- 
turis  esse  homousion". 

3)  Jacobi  (a.  a.  0.)  hält  den  Verfasser  einer  solchen  Gedankenlosigkeit 
nicht  für  HUiig. 

4)  S.  den  1.  Teil  dieses  Werkes  S.  209—212.  886—838. 


Symmachus  und  die  Syiumiichiauer.  165 

mens,  et  pond.  16 — 18  angenommen,  unter  Sept  Severus  geschrieben 
hat*.    Auch  die  Geschichte,  die  uns  Eusebius  (h.  e.  VI,  17)  erzählt 
(c£  Pallad.,  bist  Laus.  147),  daß  Origenes  bei  einer  gewissen  Juliana 
(in  Cäsarea  in  Eappadozien)  um  das  J.  234  Bücher  des  Symmachus 
gefunden  habe,  die  sie  von  Symmachus  geerbt  habe,  läßt  ihn  als 
längst  verstorben  erscheinen.    Nun  aber  hat  Lagarde  (Vet  Test, 
ab  Orig.  rec  fragm.,  1880  p.  25.  28)  darauf  aufmerksam  gemacht, 
daß  die  syrischen  Handschriften  des  Epiphanius  auf  die  LA  ,, Verus" 
statt  „Severus**   führen.    Unter  diesem  Kaiser  wird  Symmachus 
geschrieben  haben^.    Mercati  (Letä  di  Simmaco  Vlnterprete  e 
&  Epifianio,  Modena  u.  Freiburg,  1892)  kommt  zu  derselben  An- 
sicht, glaubt  aber  auf  Grund  einer  unsicheren  Inschrift  nachweisen 
zu  können,  daß  Mai-cus  auch  den  Namen  „Severus"  geführt  habe^. 
Daß  Symmachus  noch  die  Zeit  des  Septimius  Severus  erlebt  hat, 
ist  natürlich  sehr  wohl  möglich,  aber  es  läßt  sich  nichts  darüber 
sagen. 

Die  Nachricht  des  Epiphanius,  Symmachus  sei  ein  zum  Juden- 
tum abgefallener  Samaritaner  gewesen  (rcov  jtctQ  avrotg  oogxxtv 
lifj  TifiTjd-eig  vjtb  xov  olxtlov  iO^vovg,  voorjOac,  (ftXaQxlav  xal  aya- 
vttxx^öag  xaxa  rijg  Idlag  q)vX7Jg)  und  er  habe  seine  Übersetzung 
QUtemommen  jtgog  dtaoxQocpriv  xwv  jtaQct  UafiaQslxaig  tQft7]veiwv 
kM^Bvoag,  steht  im  Widerspruch  mit  Eusebius  (Origenes),  Victori- 
nu8  Rhetor,  Ambrosiaster  und  Faustus  Manicliäus  (Augustin),  die 
voneinander  unabhängig  sind  und  einstimmig  berichten,  er  sei  Christ, 
aber  Ebionit  gewesen^.  Die  Lateiner  wissen  aber  aucli  von  einer 
Sekte  der  „Symmachianer"*  innerhalb  der  Ebioniten  —  sie  müssen 
also  spätestens  im  4.  Jahrhundert  in  das  Abendland  gekommen 
sein  — ,  und  Victorinus  Rhetor  (ad  Gal.  1, 19;  2, 26,  Migne,  Lat.  VIII 
C0L1155. 1162)  beschreibt  sie  so,  daß  die  Verwandtschaft  der- 
selben mit  dem  Kreise,  aus  dem  die  Pseudoclementinen 
stammen,   unverkennbar  ist:   „Nam  Jacohum  apostolum  Sym- 


1)  Das  Chron.  pasch.  1  p.  490  nennt  das  9.  Jahr  des  .Severuß. 

2)  Daß  ihn  Irenäun  nicht  nennt,  während  er  des  Aquila  und  Theodotion 
J?edenkt,  ist  kein  Gegenargument.  War  die  Cberuetzung  des  Symmachus  eini«?e 
Jahre  bevor  Irenäus  sein  großes  Werk  verfaßte,  im  Orient  eröcliitmcn,  so  brauchte 
sie  nicht  bereits  zur  Kenntnis  des  Bischofs  von  Lyon  gekommen  zu  sein. 

3)  S.  dazu  Nestle  in  d.  Theol.  Lit.-Ztg.  1898  Nr.  18. 

4)  Das  Gerede  des  Philastnus  (haer.  G3)  hisse  ich  beiseite.  An  d<'s  Epi- 
^fhanius  Mitteilung  wird  glaubwürdig  sein ,  daß  Symmachus  aus  SamariiMi 
f^tammie.  —  In  der  Demonstr.  ev.  1.  VII  c.  1  (Migne  Ser.  Gr.  Bd.  22  p.  497 — 
5Ul)  dfhreibt  Eusebius  über  Symmachus  und  di<;  Ebioniten :  liyexai  6\  6  Ä/i- 
fitcxo^  *EßiwvaLoq  elvai '  algeatg  d^  ijv  [!]  ovrcj  xalov/ih'wv  ttvwv  *Iovöal(oi'  elg 
Ä^^iorov  niaxtvuv  XeyofiivwVj  i^  wv  6  Stfifiaxog  »/r. 


156  ^^^  Litt-eratur  des  Morgenlandes. 

machiani  faciunt  quasi  duodecimum  et  hunc  secuntur^  qui  ad  domi- 
num nostrum  Jesum  Christum  adiungunt  Judaismi  observationem, 
quamquam  etiam  Jesum  Christum  fatentur;  dicunt  enim  eum  ipsum 
Adam  esse  et  esse  animam  generalem^,  et  aliae  huiusmodi  blasphe- 
miae".  Ambrosiaster  in  prol.  in  ep.  ad  GaL:  „Sicut  et  Symmachiani, 
qui  ex  Pharisaeis  originem  trahunt,  qui  servata  omni  lege  Christi- 
anos  se  dicunt,  more  Photini  Christum  non  deum  et  hominem,  sed 
hominem  tantummodo  definientes".  Philastrius,  haer.  63:  „Sj^m- 
machiani".  Faustus  Man.  bei  Augustin,  c.  Faust  XIX,  4:  „Hoc  si 
mihi  Nazaraeorum  obiceret  quisquam,  quos  alii  Symmachianos 
appellant,  quod  Jesus  dixerit  se  non  venisse  solvere  legem*^. 
Augustin,  1.  c.  17:  „li  sunt,  quos  Faustus  Symmachianorum  vel 
Nazaraeorum  nomine  commemoravit,  qui  usque  ad  nostra  tempora 
iam  quidem  in  exigua,  sed  adhuc  tarnen  vel  in  ipsa  paucitate  per- 
durant".  Augustin  c.  Cresconium  I,  31:  „Et  nunc  sunt  quidam 
haeretici,  qui  se  Nazarenos  vocant,  a  nonnuUis  autem  Symmachiani 
appellantur  et  circnmcisionem  habent  Jndaeoinim  et  baptismum 
Christianorum^.  Aus  dem  Orient,  aus  dem  sie  doch  stammen 
müssen,  hören  wir  nichts  von  diesen  Symmachianem. 

Von  'Vjtofivi^fiaTa  des  S.  weiß  Eusebius  (h.  e.  VI,  17),  die  noch 
jetzt  erhalten  sind;  in  ihnen  „befestigte  er  die  Häresie  der  Ebioniten, 
indem  er  sich  an  das  Matth.-Ev.  wendet*'  {jtQog  ro  xara  Maxd^alov 
djtoTsiPOfispog  evayyihop).  Die  Worte  sind  nicht  deutlich  —  von 
einem  Kommentar  zum  Matth.  ist  natürlich  keine  Rede — ;  wahr- 
scheinlich zog  S.  das  Matth.-Ev.  polemisch  bei  seiner  Verteidigung 
des  Ebionitismus  und  des  Ebioniten-Evangeliums  heran  (s.  zu  ajro- 
rdveo&ai  jtQoq  riva  Euseb.  h.  e.  IV,  18,  7;  VII,  11,  1).  Eben  diese 
Schriften  iiexa  xal  aXXmv  elg  rag  ygatpag  (jedenfalls  ATlichen) 
tQfirjvsicip  hat  Origenes,  wie  Eusebius  in  einer  Bemerkung  desselben 
gelesen  hat,  bei  Juliana  in  Cäsarea  Kapp,  gefunden.  Näheres  über 
diese  Auslegungen  ist  nicht  bekannt;  aber  noch  Ebed  Jesu  hat 
einige  Schriften  des  S.  in  syrischer  Übersetzung  in  Händen  gehabt 
und  den  Titel  einer  derselben  angegeben:  „De  distinctione  prae- 
ceptorum"  (Assemani,  BibL  Orient  III  p.  17).  Vielleicht  ist  dieses 
Werk  mit  jenen  Hypomnematen  identisch,  die  Eusebius  kurz  be- 
schrieben hat. 

Wo  S.  gelebt  hat,  wissen  wir  nicht  (über  die  Herkunft  s.  oben). 
Für  Kappadozien  spricht,  daß  dort  Juliana  Bücher  von  ihm  er- 


1)  8.  das  Hebrilerev.,  in  welchem  die  erste  Erscheinung  des  Auferstandenen 
vor  Jakobus  geschieht,  und  vgl.  die  Schätzung  des  Jakobus  in  den  Pseudo- 
clementinen. 

2)  Dies  ist  eine  Hauptlehre  in  den  Pseudoclementinen. 


Die  Elkesaiten.  167 

/lalten  hat  Durch  Symmachus,  den  einzigen  Christen,  der  im  Alter- 
tnm  das  ganze  A.  T.  ins  Griechische  übersetzt  hat,  erhielten  grie- 
chisch redende,  gnostische  Judenchristen  ihr  eigenes  A.  T. 

17)  Die  Elkesaiten. 

Das  Material  über  sie  ist  im   1.  Teil  dieses  Werkes  S.  207  ff. 
-zusammengestellt.    Über  ihr  Auftauchen  ist  kein  Streit.    In  Alci- 
't)iades  aus  Apamea  (Syr.)  erscheinen  sie  für  uns  zuerst,  und  zwar 
in  Bom  (ffippoL,  Refut  IX,  13)   zur  Zeit  des  Kallistus  (218—222) 
oder  unmittelbar  nach  dem  J.  222  (Hippolyt  ist  ihrer  Propaganda 
nach    seinem   Selbstzeugnis    entgegengetreten).      Origenes   meint 
liöchst  wahrscheinlich  diesen  Alcibiades,  wenn  er  hom.  in  Ps.  82  bei 
Eüseb.  VI,  38  schreibt:  ^EXr^lvd^i  xiq^  ixl  xov  jtaQOvroq  fitya  g)Qo- 
vAv  ijd  TW  övvaod-ai  jtQtoßsveiv  yvcifU]g  aO^iov  xal  aöeßeCrarf/Q, 
xaiovfidpfig  ^EXxeoalxöiv,    vecoöxl   ijcavicraiiivtjq    xaJq    ixxXi]alaig. 
tber  ihren  Ursprung  und    ihre   spätere  Geschichte  s.  Epiphan. 
baer.  19  U.  53:  ägiirivrai  (19,  1)  ovroi,    cog  elg  rmag  iX&ovöa  jteQi- 
iiu  xagadoOig,  äjtb  rijg  Naßanx^c  x^Q^Q  ^^^  ^IrovQalagj  Mcoaßi- 
tiiog  TB  xal  *AQr{tXlxtöog,    rwv  kjtixBtva  zfjg  xoiXaöog  t^c  \4Xvx7jg 
o?Tö§  iv  ry  d-ela  YQa9>y  xaXovfiivrig  vjtSQxeifitPfjg  x^Q^^'    ^^  sie 
immer  entstanden  sein  mögen  —  daß  sie  nicht  von  Hom  in  die 
eben  genannten  Landstriche  gekommen  sind,  sondern  in  diesen  vor 
dem  J.  222  schon  zu  finden  waren,  ist  gewiß.    Nun  sagt  Epiplia- 
nios  L  c^  daß  „Elkesai"  unter  Trajan  aufgetreten  sei,  und  dies 
1)estätigt  der  viel  ältere  Hippolyt  (von  dem  Epiphanius  nicht  ab- 
hängig ist),  indem  er  1.  c.  13  mitteilt,  Alcibiades  habe  auf  ein  altes 
Offenbarungsbuch  verwiesen,  welches  für  das  3.  Jahr  des  Trajan  eine 
neue  Sündenvergebung  angekündigt  habe.     Hiernach  steht   fest, 
daß  das  Buch  selbst  diese  Angabe  enthalten  hat'^;   denn  bequem 
war  die  Lage  für  Alcibiades  nicht,  auf  ein  Buch  verweisen   zu 
mflssen,  welches  durch  eben  diese  Angabe  veraltet  schien.    Alci- 
biades hat  also  das  Buch  samt  der  Angabe  nicht  erschwindelte 
Daß  das  Buch  nun  wirklich  so  alt  war  (und  damit  auch  die  Sekte), 


1)  Nicephoniß  Call.  (h.  o.  V,  24),  wo  er  diese  Worte  des  Origenes  wieder- 
gibt, schiebt  ein:  UXxißidÖTj^  tf  ^Ana/xelaQ  xij^  SvQiag  und  zeigt  damit  (wie 
auch  sonst),  daß  er  die  von  Hippolyt  stiimniende  Cl)erlieferiing  kennt  und 
richtig  untergebracht  hat. 

2)  Die  Hypothese,  die  ich  Chronologie  I  S.  2<)l)  not.  2  als  möglich  erwogen 
habe,  habe  ich  als  sehr  starken  Bedenken  unterliegend  selbst  bezeichnet. 

3)  Gegen  Bardenhewer,  Oesch.  der  altkirehl.  Litt.  1  S.  :J51:  „Es  drangt 
sich  die  Vermutung  auf,  daß  der  Pseudopro))het  Alcibiades,  welcher  das  Buch 
produzierte,  zugleich  auch  deijenige  gewesen  sei,  welcher  das  Buch  verfaßte". 


168  ^^6  Litteratar  des  Morgenlandes. 

ist  das  allein  Wahrscheinliche;  denn  wer  kündig  eine  Sündenver- 
gebung für  einen  verflossenen  Termin  an?  Es  heißt' ja  nicht,  vom 
3.  Jahr  des  Ti*ajan  an  stehe  diese  Vergebung  offen,  sondern  in 
diesem  Jahre  werde  sie  gespendet.  Der  Sektenstifter  —  wie 
immer  er  geheißen  haben  mag  (Elkesai?  Alexius?)  —  lebte  also  um  d. 
J.  100;  aber  seine  judaistisch-gnostische  Schöpfung  taucht  für  uns 
erst  ca.  120  Jahre  später  aus  dem  Dunkel  auf.  Was  Hippolyt  (IX,  14) 
und  Epiphanius  inhaltlich  über  die  Sekte  mitgeteilt  haben,  zeigt, 
daß  sie  mit  den  Symmachianem  und  dem  Kreise,  aus  denen  die 
Pseudoclementinen  stammen,  blutsverwandt  war.  Besonders  charak- 
teristisch ist  daifir  das  Adam-Christns-Dogma  (Christus  der  immer 
wieder  aufs  neue  auftauchende  Prophet:  Tov  Xgiozov  Xiyu  avd^Qco- 
jtop  ocoLvmg  JtaCt  ysyovivai,  rovxop  Sh  ov  vvv  XQcircog  bc  jtaQ&b- 
pov  yeyevv^oO^ai,  dXXa  xät  jtQoreQOV  xaL  avd-ig  JtoXXaxtq  yarvt}- 
^ivxa  xal  ysppcifievov  Jt€q)r]pipai  xal  gwecd-cu,  äXXaOOoPza  yepsöecg 
xal  fjttrepOcofiaTovfiSPOp). 


Viertes  Kapitel. 

Varia. 

1)  Zu  den  apokryphen  Apostelgeschichten. 

Wenigstens  in  Kürze  muß  ich  hier  auf  die  apokryphen  Apostel- 
geschichten (s.  Chronologie  Bd.  I  S.  491fr.  die  Acta  Pauli,  S.  493  ff. 
die  Acta  Pauli  et  Theclae,  S.  506  ff.  der  gefälschte  Briefwechsel  der 
Korinther  und  des  Paulus,  S.  541  ff.  die  Johannes-,  Andreas-  und 
Thomasakten,  S.  549  ff.  die  Petrusakten)  zurückkommen,  teils  weil 
a.  a.  0.  auf  weitere  Untersuchungen  verwiesen  worden,  teils  weil 
seit  dem  J.  1896/7  besonders  viel  Wichtiges  auf  diesem  Gebiete 
erschienen  ist^    Doch  lasse  ich  die  Acta  Pauli  beiseite,  weil  sie 


1)  Für  die  Akten  des  Paulus  ist  die  Situation  durch  Karl  Schmidts 
Kntdeckung  ganz  neu  geworden.  Kr  konnte  aus  koptischen  Papyrusfniginentou 
4er  Heidelberger  Bibliothek  (Neue  Heidelb.  Jahrbb.  Bd.  7,  1897,  k  117  ff.)  nach- 
weisen, daß  die  Acta  Pauli  et  Tlieclae,  die  falschen  Korinth erbriefe  und  da^? 
Martyrium  des  Paulus  Bestandteile  der  Acta  Pauli  gewesen  sind,  und  ich  ver- 
mochte diesen  Nachweis  aus  der  „Caena"  Pseudocyprians  zu  bestütigen  (Text».« 
u.  Unters.  Bd.  10  H.  lib,  1891);  Bd.  20  H.  H,  1900  S.  l(K)tf.,  cf.  Theol.  Lit.-Zt^'. 
15^7  Kol.  20i3ff.,  1898  Kol.  810f  Zahn,  Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  8,  1897,  8.  93:iff 
Khrhard,  Die  altkirchl.  Litt.  I,  1900,  S.  lö^ff.  Bardenhewer,  riesch.  der 
altkirchl.  Litt.  1,  1902,  S.  418ff.  Corssen,  Die  Urgestalt  der  Paulus-Akt^n 
'ZWhr.  f.  NTliche  Wissensch.  Bd.  4,  190:^,  S.  22ff.).  Die  groIJe  Publikation  von 
•''chmidt  über  die  Paulus- Akttm,  das  Werk  eines  fiinQiihrigen  Fleißes,  wird 
Anfang  1904  erscheinen. 

Zu  den  Johannesakten  s.  James,  Apocr.  anecdota  Ser.  II,  Cambridge  1897, 

P-  IX fF.  Iff.  144 ff.  in  d.  Texts  and  Stud.  Vol.  V,  1    (ein  umfangreiches,    neues 

Fragment).    Bonnet,   Acta   apost.  apocr.  Pars  11,  1,  189S,   p.  XXVI  ff".    151  ff'. 

idie  erste  kritische  Ausgabe  der  Fragmente;  auch  neues  Material).    Zahn  in 

H.  Neuen  Kirchl.   Ztschr.  Bd.  10,    1899,    S.  191  ff*,    (eine  Würdigung   der   durch 

Bonnets  Ausgabe   neugestellten  Frage)   u.  in    den  „Forschungen"  Bd.  <3,   \UQi\ 

S.  194ff.    Hilgenfeld  in  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  42,  1899,  S.  624ft'. 

IL  Bd.  43,  1900,  S.  Iff-.    Hennecke,   Theol.   Lit.-Ztg.  19(K)  Kol.  272ft'.     Ehr- 

hard,   a.  a.  0.  S.  158ff'.    K.  Schmidt   in    d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  24,  H.  1, 

19(0,  S.  2Cff.  77ft'.   lllff    Bardenhewer,  (^esch.  der  altkirchl.  Litt.  I,  1902. 

S.  437  ff. 


170  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

sicher  dem  2.  Jahrhundert  angehören.  Ich  habe  a.  a.  0.  S.  493  die 
JJ.  120—170  als  Abfassungszeit  offen  lassen  müssen.  Schmidt 
getraut  sich  zu  beweisen,  daß  sie  erst  bald  nach  dem  J.  170  ent- 
standen sind. 

Ich  beginne  mit  den  Petrusakten,  d.  h.  mit  der  zwar  nicht 
primären,  aber  doch  im  ganzen  zuverlässigen  Gestalt,  in  der  sie 
uns  in  den  Acta  Vercell.  und  in  griechischen  Bruchstücken  (auch 
einem  koptischen)  bekannt  sind.  Hier  liegt  die  ausgezeichnete  Unter- 
suchung von  K.  Schmidt  vor.  Sie  hat  meinen  Nachweis  bestätigt, 
daß  die  Akten  nicht  von  dem  Verfasser  der  Johannesakten  her- 
rühren und  daß  sie  nicht  gnostisch,  sondern  vulgär-christ- 
lich (fast  wehrlos  gegen  Doketismus)  sind^  Sie  hat  femer  be- 
wiesen, daß  die  Johannesakten  in  ihnen  benutzt  sind,  desgleichen 
das  Kerygma  Petri,  Justins  Apologie  und  —  wie  auch  ich  gezeigt 
habe,  aber  Schmidt  fährt  den  Beweis  z.  T.  mit  anderen  Mitteln  — 
die  Acta  Pauli  2.  Ich  glaube,  daß  diese  Ergebnisse  nicht  mehr  um- 
gestoßen werden  können.  Sicher  sind  die  Acta  Petri  benutzt  von 
Commodian  (aber  das  nützt  nichts  in  Hinsicht  der  Zeitbestimmung, 
daCommodian  selbst  nicht  zuverlässig  datiert  werden  kann;  s.  unten 
im  4.  Buch)  und  von  Porphyrius  (Schmidt  S.  167 ff.).  Um  das  J.  270 
waren  sie  also  zweifellos  vorhanden.     Schmidt   sucht   es   nun 


Zu  den  Andreasakten  8.  die  neue  Ausgabe  von  Bonnet,  a.  a.  0.  p.  XliF. 
p.  Iff.  mit  neuem  Material.  Derselbe,  La  Passion  de  Tapötre  Andr^  en  quelle 
langue  a-t-elle  6crite?  in  der  Byzant.  Ztschr.  Bd.  3  (1804)  S.  458 if.  James, 
1.  c.  p.  XXlXff.    Ehrhard,  a.  a.  0.  S.  161ff.    Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  432ff. 

Zu  den  Thomasakten  s.  Bonnet,  Acta  apost.  apocr.  Pars  II,  2,  1903  (zus, 
mit  den  Philippus-  und  Barnabasakten ;  erste  vollständige  Ausgabe;  doch  s.  das 
frühere  „Supplementum"  desselben  Editors,  1883).  L^vy,  Notes  sur  les  Indo- 
Sc.ythes  ;}.  St.  Thomas  etc.  im  Journ.  Asiat.  9,  9,  1897,  p.  27  ff.  Burkitt  in 
d.  Stud.  Sinait.  Nr.  9,  1900,  p.  23ff.  (Bruchstücke  der  syr.  Rez.).  Bevan,  The 
hymn  of  the  soul,  contained  in  the  Syriac  acts  of  St.  Thomas,  1897,  in  d.  Texts 
and  Studies  Vol.  V,  3.  Anal.  Bolland.  Bd.  18,  1899,  p.  27r)ff.  Burkitt  im  Journ. 
of  theol.  studies  Bd.  1,  1900,  p.  280ff.  (über  die  Originalsprache.)  Bonnet, 
Act.  de  S.  Thom.  Le  poeme  de  l'äme  etc.  in  d.  Anal.  Bolland.  Bd.  20,  liX)l, 
p.  löOff.     Khrhard,  a.  a.  0.  S.  163ff.    Bardenhewer,  a.  a.  0.  p.  442ff. 

Zu  den  Petnisakten  s.  James,  1.  c,  1897,  p.  XXIV ff.  Harnack  in  d. 
Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  8  S.  lOOff.  Erbes  in  d.  Ztschr.  f.  KGeschichte 
Bd.  22,  1901,  S.  Iff.  lOlff.  Ehrhard,  a.  a.  0.  S.  156ff.  Karl  Schmidt,  Die 
alten  Petrusakten  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  24  H.  1,  1903.  Ficker,  Die 
Petnisakten,  1903;  dazu  K.  Schmidt  in  d.  Gott.  Gel.  Anz.  1903  Nr.  5.  Hilgen- 
feld  in  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  46,  1903,  S.  321ff.  Bardenhewer, 
a.  a.  0.  S.  414  ff. 

1)  Mit  Zahn  und  anderen  hält  Bardenhewer  am  h&retisch-gnostischen 
Charakter  der  Akten  fest.    Ehrhard  ist  geneigt,  mir  beizustimmen. 

2)  Über  den  Umfang  desBen,  wa«  den  Paulus- Akten  entlehnt  ist,  bin  ich 
nicht  ganz  der  Meinung  Schmidts. 


Zu  den  ai>okryphen  AposMgOHchitrhtfiu  171 

wahi*scheinlich  zu  machen,  daß  Origenes  (im  GeDesis-Komm.).  Hippo- 
]yt  (in  den  Philos.)  und  das  Murator.  Fragment  die  Akten  gekannt 
haben  K    In  Bezug  auf  die  beiden  letzten  ist  er  selbst  nicht  ganz 
sicher  (S.  125).    Das  Muratorische  Fragment  (s.  u.  im  4.  Buch)  darf 
m.  E.  hier  nicht  angerufen  werden;  denn  daß  sein  Verfasser  aus  einem 
Buch  die  ihm  sichere  Nachricht  von  dem  Martyrium  des  Petrus 
und  der  Heise  des  Paulus  nach  Spanien  geschöpft  hat,  ist  min- 
destens nicht  das  Nächstliegende.    Von  einem  solchen  Bueli  liätte 
er  doch  sonst  etwas  gesagt'^.    Auch  die  Nachrichten  bei  Origenes 
i3.  Buch  des  Gcnesis-Komm.  bei  Euseb.  h.  e.  III,  1)  und  Hippolyt 
(Philos.  VI,  20),  daß  Petrus  auf  seinen  Wunsch  mit  dem  Kopf  nach 
unten  anfgepfälüt  worden  sei,  bez.  die  Simon  Magus-Geschichte 
brauchen  keineswegs  notwendig  den  Acta  Petri  zu  entstammen; 
denn  so   gewiß  Schmidt  recht  hat,  in  diesen  Akten  einen  ganz 
UDglaubwflrdigen  Boman  und  Fabeleien  zu  sehen,  so  gewiß  hat  ihr 
Verfasser  nicht  alles  als  erster  über  Petrus  gefabelt.    Gerade 
Schmidt  hat  ja  gezeigt,   daß  das  Werk  sich  auch  als  Kompi- 
lation älterer  Stoffe  darstellte    Somit  scheint  das  Urteil  in  Kraft 
zu  bleiben,  das  ich  (Chronologie  I  S.  559)  also  fornmliert  habe: 
-Diese  Akten  gehören  höchst  wahrscheinlich  erst  der  Mitte  des 
3.  Jahrhunderts  an.    Kaum  eine  Möglichkeit  besteht,  sie  noch  in 

1)  Benutzunji^  in  den  Actii  Archeliii  weist  Fi c kor  nach.  Für  die  /cit- 
^Kütimmung  ist  das  gleichgültig.  Wichtig  über  ist,  daß  die  Acta  Archelai  d'w 
iVtrosakten  nugenBcheinlich  als  eine  katliolischo  Schrift  betrachten. 

2)  Hält  man  die  Petnisakten  besonders  deshalb  für  die  (>uelle  des  Fra^jf- 
iiicniB,  weil  auch  sie  nicht  vom  Martyrium  des  l*aulus  handeln,  so  macht  man 
.Mfh  eine  sonderbare  Vorstellung  von  der  Art,  wie  sich  der  Verf.  des  Frag- 
n:«?nt(i  zu  den  Akten  gestellt  hat.  In  ihnen  ist  —  ganz  natürlich  —  das  Mar- 
tyrium des  Paulus  nicht  erwähnt,  weil  sie  eben  l*etrus -Akten  sind.  Soll  nun 
<W  Verf.  des  Fnigments  das  notorische  Martyrium  des  Taulus  beiseite  g»- 
liiüäen  haben,  nur  weil  es  in  den  Petrusakten  fehlte?  Das  setzt  doch  eine  merk- 
würdige Devotion  vor  diesen  Akttju  voraus!  Aber  warum  erwähnt  er  den  Mär- 
tyrertod de»  Paulus  nicht,  sondern  nur  dessen  spanische  IteiseV  Wir  wi^sen  e.> 
nicht.  Vielleicht  weil  er  in  den  NTlichen  Schriften  zwar  die  spanische  Heisi* 
'i»'S  Paulus  und  den  Märtyrertod  des  l*etrus  «»rwähnt  fand,  nicht  aber  den  des 
I'iiuloB. 

3)  Daß  aber  der  Kreuzestod  des  J'etrus  und  der  Aufenthalt  des  Simon 
MagQg  in  Rom  auf  älterer  Überlieferung  beruht^»n,  steht  fest  —  wanim  also  nicht 
auch  der  Kreuzestod  mit  dem  Kopf  nach  unten?  warum  nicht  die  Simon-Legende, 
''ie  Bie  Hip|>olyt  in  den  Philos.  erzählt?  Daß  der  Verfasser  der  Petrusakten  auch 
*^mst  Cherlieferungen  hatte,  deren  Quelle  wir  nicht  kennen,  geht  aus  Clem.  Alex.. 
Adumbrat.  (in  Petr.  I  p.  1(K)7  Potter)  hervor,  wo  es  heißt:  „Marcus  Petri 
•K'T-tator   praedicante    Petro    evangelium    palam    Komae   cor  am    quibusdam 

Caesareanis  equitibus  etc."    Ähnliches  erfllhrt  man  aus  den  Petrusakten; 

a'>er  deshalb  wird  man  doch  nicht  annehmen,   in   den  Adumbr.  (llypotyposen^ 

fe  Clemens  seien  sie  benutzt  worden! 


172  ^i^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

dem  letzten  Dezennium  des  2.  Jahrhunderts  unterzubringen"^.  Daß 
der  terminus  a  quo  die  Zeit  des  Septimius  Severus  ist,  sieht  auch 
Schmidt  ein;  denn  die  Akten  setzen  eine  solche  Verbreitung  des 
Christentums  in  Eom  — -  auch  unter  den  vornehmen  Ständen  — 
und  eine  solche  WeltfÖrmigkeit  desselben  voraus,  daß  man  über 
die  Zeit  um  200  nicht  hinaufgehen  kann  (gegen  Erbes,  der  die 
Akten  unter  Commodus  ansetzt).  Schmidt  will  aber  auch  nicht 
über  c.  210  heruntergehen.  Nicht  dafür,  wohl  aber  für  den  Ansatz: 
nicht  später  als  c.  220  gibt  es  allerdings  ein  starkes  Argument, 
das  ich  früher  nicht  gewürdigt  habe  und  an  welches  Schmidt 
mit  Recht  (S.  130)  erinnert.  Die  Regeste  aus  dem  3.  Buch  des 
Genesis-Kommentars  des  Origenes^  bei  Euseb.,  h.  e.  III,  1  legt 
(kombiniert  mit  dem  Urteile,  das  Eusebius  selbst  über  diese  apokr. 
Apostelgeschichten  gefallt  hat)  in  der  Tat  die  Annahme  sehr  nahe, 
daß  Origenes  Apostelgeschichten  unter  den  Namen  des  Thomas, 
Andreas,  Johannes,  Petrus  und  Paulus  (und  nur  unter  diesen  Namen) 
gekannt  hat.  Unter  diesen  Namen  allein  aber  hat  es  wirk- 
lich alte  Apostelgeschichten  gegeben.  Man  wird  sich  daher 
entschließen  müssen,  die  Jahrzehnte  200—220  (die  ich  offen  ge- 
lassen, aber  nicht  für  die  wahrscheinlichen  erklärt  habe)  doch  als 
diejenigen  zu  nennen,  in  welchen  unsere  Akten  voraussichtlich 
geschrieben  worden  sind'^.  Sie  bilden  in  diesem  Falle  vielleicht  eine 
Illustration  zu  den  Klagen  über  den  inneren  Zustand  der  römischen 
Kirche  unter  Zephyrin,  namentlich  aber  unter  Kailist,  die  wir  vun 
Hippolyt  hören  (laxe  Behandlung  grober  Sünder).  Über  den  Ort 
weiLs  ich  auch  nach  dem,  was  Ficker  ausgeführt  hat  (unter  nach- 
träglicher Zustimmung  Schmidts),  nichts  ganz  Bestimmtes  zu 
sagen.  Chronol.  I  S.  559  schrieb  ich:  „Nach  Rom  möchte  man 
sie,  der  gi-oben  Unkenntnis  des  Verfassers  und  des  Mangels 
jeder  intimeren  Lokalkenntnis  wegen,  nicht  gern  versetzen.  Doch 
ist  Rom  nicht  absolut  auszuschließen".  Ich  bin  jetzt  geneigt,  zu- 
gunsten Roms  noch  etwas  weiter  zu  gehen  \    Auf  andere  Fragen, 

1)  Die  eröteii  acht  Bücher  dieses  Kommentara  sind  noch  in  Cäsaren  go- 
-chrieben  (s.  oben  8.  31),  also  wird  das   dritte  Buch  220 — 280  anzusetzen  beiii. 

2)  Glaubt  man  auf  Origenes  in  diesem  Falle  nichts  bauen  zu  dürfen,  so 
bleibt  die  Zeit  von  2(X)  bis  kurz  nach  der  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  ottVn, 
Daß  auch  für  den  Ansatz  um  250  nach  unserer  Kenntnis  der  Dinge  manches 
spricht,  ji^laul)e  ich  ^ezei^t  zu  haben. 

!))  Schmidt  in  seiner  Monographie  dachte  in  erster  Linie  an  Rom;  Fickor 
trat  für  Kleinasieii  (Bithynien)  ein  auf  Grund  einer  Entdeckung  bez.  Kombi- 
nation, die  richtig  sein  mag  (der  Petrusschüler  MarceUus  =  Granius  Marcelhi-, 
Tacit.,  Annal.  1,  7-1),  die  aber  auch  anders  gedeutet  werden  kann,  als  Ficker  ^ic 
deutet.  Das  Christentum  wird  wohl  um  d.  J.  200  in  die  Familie,  det  Marcel]»^r 
eingedrungen  gewesen  sein,   und  so  griff  man  für  die  Anfange  naeh  einer  b«- 


Zu  den  apokryphen  ApostelpfoschichttMi.  173 

die  durch  Ficker*  und  Hilgenfeld^  angeregt  sind,  gehe  ich 
Uer  nicht  ein. 

In  Bezug  auf  die  Johannesakten,  die  wir  durch  James  und 
Bonnet  nnn  besser  kennen,  sind  die  Erkenntnisse  die  wichtigsten, 
die  wir  Schmidt  verdanken:  (1)  daß  die  Johannesakten  in  den 
Petrasakten  benutzt  sind,  (2)  daß  sie  nicht  gnostisch  sind,  sondern 
Tolgär-christlich  ^  aber  von  außerordentlich  starker  modalistischer 
lad  doketischer  Färbung  S  (3)  daß  der  Name  des  Leucius  Chariuus 
irsprünglich  nur  an  ihnen  —  nicht  auch  an  den  Andreas-,  Thomas- 

buuiten  Methode  auf  einen  Ahnen  zurück,  den  man  Kchon  im  apostolischen 
Zeitalter  bekehrt  sein  ließ.  Rom  ist  trotz  aller  Fabeleien  doch  der  Boden,  für 
fei  rieh  der  Verfasser  allein  interessiert.  Die  Abfassung  daselbst  wird,  wie 
Dobschütz  (Theol.  Lit.-Ztg.  1903  Nr.  21)  richtig  gesehen  hat,  noch  wahr- 
>beiiilicher,  wenn  Ficker  mit  der  Hypothese  recht  haben  sollt-e,  daß  der  Mon- 
uchianer  Theodot  (der  Lederarbeiter)  in  der  Maske  dey  Simon  Magiis  stecke. 

1)  Ficker  hat  manches  Neue  zur  (Jeschichte  und  dem  Verständnis  der 
Akten  beigebracht,  aber  im  ganzen  bedeutet  seine  Abhandlung  einen  Rück- 
iKihritt hinter  Schmidt;  denn  er  hat  sichere  Erkenntnisse,  die  bereits  gewonnen 
waren,  ohne  haltbare  Gründe  wieder  unsicher  gemacht  oder  verdunkelt.  Die 
Tbese,  die  Akten  seien  als  Fortsetzung  der  lukanischen  geschrieben  (so  auch 
Hilgenfeld),  ist  nicht  nur  unerweislich,  sondern  entstellt  auch  die  wahren 
Ahgichten  des  Verfassers. 

2)  Mit  Hilgenfeld  kann  ich  mich  in  Kürze  nicht  auseinandersetzen,  da 
er  die  pseudoclementinische  Frage  einflicht,  die  man  ohne  Schaden  von  «len 
Akten  femhalt>en  kann  (s.  unter  Pseudoclem.  im  Anhang  dieses  Werks).  Daß 
ertrotz  meiner  Nachweisungen  an  dem  früheren  Ansatz  tur  die  Akten  (s.  Zahn 
^Lipsins:  c.  KX)— 170)  festhält,  ist  mir  verwunderlich. 

3)  Bei  den  heute  noch  herrschenden  Vorstellungen  darü})pr,  was  gno- 
»ti^ch-häretisch  im  2.  Jahrh.  gewesen  ist  und  was  zum  Vulgär-christlichen  g»«- 
rwhnet  werden  muß,  wird  Schmidt  wahrscheinlich  zur  Zeit  nur  wenige  An- 
"^er  für  seine  These  finden;  aber  sie  wird  sich,  da  sie  auch  aus  der  Geschieht«' 
<lw  Bachs  von  ihm  erwiesen  ist,  allmählich  dun.'hsetzen.  Auch  ich  habe  früher 
•fie.lkt^n  für  gnostisch -häretisch  gehalten,  habe  mich  aber  von  Schmidt  über- 
^iigen  lassen,  daß  wir  das  Vulgar-christllche  hn  -.  Jahrh.  noch  viel  elastischer 
^I«  bisher  fassen  müssen.  Wir  müssen  selbst  zugeben,  daß  ein  solcher  Satz 
^i*^  der:  ol  vno  dvoiiov  öffsojg  vofAoBetovfxevot  *Iov6aioi,  sich  in  den  K^^pfen 
^Ji;ht-häretischer  Christen  mit  der  .Vnerkennnni;  dos  \.  T.s  vereinigen  ließ, 
""'atürlich  liegen  die  Akten  auf  der  (irenze  des  Vulgär-christliclu'n  und  des 
^»lostischen;   man  kann  sich  aber    diesen  Streifen    nicht  })reit  genug  denken. 

"^lir  so  wird  auch  die  eindi'ucksvolle  Kraft  der  häretischen  (Jnosis  verständlich, 
^urdenhewer  (S.  441)  nennt  das  Buch  „nicht  selten  stark  blasphemisch  und 
^^'•"»tiscli  gefärbt".  Das  erste re  ist  positiv  falscli,  das  letztere  richtig  —  für 
^*"i<eren  (leschmack. 

4)  Besonders  schlagend  hat  Schmidt  S.  127 lY.  er^viesen,  daß  die  bisher 
^^J*  valentinianisch  gehaltene  Stelle  in  den  Joh.-Akten  mit  Valentinianisnms 
^^ihts  zu  tun  hat.  —  In  den  Petnisakten  ist  das  modalistisch-doketische  Ele- 

"^^  *?nt  nur  ein  Einschlag,    der  eben  aus    den  Job.- Akten  stammt,    in  diesen  ist 
^    aber  ein  wesentliches  Element. 


174  I^iß  Litteratur  des  Morgenlandes. 

und  Petrusakten  —  gehaftet  hat,  daß  sich  die  Akten  als  von 
diesem  Leucius  (einem  angeblichen  Johannesschüler)  verfaßt  aus- 
gegeben haben,  daß  sie  aber  samt  dem  Verfassemamen  eine  pure 
Erfindung  sind,  (4)  daß  die  Akten  die  kanonisch-johanneischen 
Schriften  voraussetzen  K  Diese  Erkenntnisse  vereinfachen  die  Pro- 
bleme, welche  diese  Akten  bieten,  ungemein;  allerdings  besteht 
noch  ein  schweres  Hindernis:  eine  sichere  Abgrenzung  dessen,  was 
in  die  ursprünglichen  Akten  gehört,  ist  trotz  der  Verdienste  von 
James  und  Bonn  et  noch  immer  nicht  überall  möglich  2.  Aber 
die  Zeitfi-age  kann  in  Bezug  auf  den  term.  ad  quem  gelöst  werden. 
Die  Benutzung  in  den  Petrusakten,  in  den  monarchianischen 
Prologen  3  —  die  letzteren  gehören  in  die  Zeit  des  Zephyrin, 
spätestens  des  Kailist  —  und  wahrscheinlich  bei  Origenes^  stellt 
+  200  als  den  terminus  ad  quem  sichert  Denselben  noch  weiter 
herabzurücken,  sehe  ich  keinen  genügenden  Grund.  Schmidt  be- 
hauptet zwar,  die  Paulusakten  seien  jünger  als  die  unsrigen  (Petrus- 
akten S.  99),  aber  ich  weiß  nicht,  worauf  er  diese  Meinung  stützt. 
Ferner  wird  immer  wieder  behauptet  (s.  auch  Schmidt,  a.  a.  0. 
S.  120  f.),  in  den  Adumbrat  (Hypotyp.)  seien  unsere  Akten  benutzt 
und  deshalb  müßten  sie  vor  das  J.  180  gesetzt  werden;  allein  daß 
„traditiones"  —  so  nennt  der  Übersetzer  des  Clemens  die  Quelle  — 
die  Johannesakten  sind,  ist  nicht  wahrscheinlich  (dabei  ist  nocli 
nicht  in  Anschlag  gebracht,  daß  die  Übersetzung  unzuverlässig  ist 
und  ihr  auch  Fremdes  beigemengt  sein  kann).  Wie  vieles  über 
,,Johannes"  war  am  Ende  des  2.  Jahrhunderts  im  Umlauf  —  das 
hat  doch  nicht  alles  in  den  Akten  gestanden  !<^  Und  was  in  den 
Akten  gestanden  hat,  das  war  gewiß  z.  T.  auch  anderswo  zu  lesen 
oder  wurde  mündlich  erzählt.  Diese  Fabulanten  rafften  doch  auch 
zusammen,  was  sie  fanden.  Es  ist  also  nur  eine  Möglichkeit, 
daß  Clemens  unsere  Akten  gekannt  hat  Wie  weit  man  mit  ihnen 
hinaufgehen  muß,  läßt  sich  schwer  sagen.  Was  ich  Chronol.  1 
S.  542  ausgesprochen  habe,  kann  ich  nur  wiederholen:  Angaben 
über  den  term.  a  quo,  wenn  sie  über  den  Ansatz  für  die  kanonisch- 
johanneischen  Schriften  beträchtlich  hinausgehen,  schweben  in 
der  Luft.    Man  muß   sich  begnügen,  die  Zeit   130—200  (180)  zu 


1)  S.  auch  JameH  und  Zahn  gegen  Corssen. 

2)  Die  Metastase  des  Johannes  gehörte  sicher  zu  den  alt<in  Akten. 

3)  S.  über  diese  im  4.  Buch. 

4)  8.  oben  S.  172. 

5)  Schon  Chronol.  l  S.  542  hatte  ich  geschrieben:  „Immerhin  sehe  ich  in 
den  Fragmenten  keinen  sicheren  (inmd,  vom  2.  Jahrh.  abzusehen". 

0)  Man  denke  an  die  (leschichte  mit.  dem  Jüngling,  an  die  Legenden  über 
den  Ursprung  des  Kvangeliums,  an  das  Ölniartyrium  in  Rom. 


Zu  den  apokryjihen  Apostelgeschichten.  I75 

nennen.  Natfirlich  sind  (in  Ansehung  des  Inhaltes  des  Buches) 
innerhalb  dieses  Zeitraumes  die  ersten  Dezennien  minder  wahr- 
scheinlich, zumal  wenn  das  Buch,  was  das  Nächstliegende  ist,  nach 
Asien  gehört 

Der  karge  Bestand  an  Fragmenten  aus  den  alten  Andreas- 
akten ist  durch  neue  Funde  nicht  bereichert  worden*.    Aus  den 
späteren  Akten  das  zu  entwickeln,  was  in  ihnen  den  alten  ange- 
liört  hat,  halte  ich  f&r  ein  unausführbares  Unternehmen  (abgesehen 
Ton  der  Bezeichnung  der  Stoffe,  wie  sie  schon  Bonnet  bietet). 
Sei  der  so  kleinen  Anzahl  und  dem  geringen  Umfang  der  Fragmente 
ist  es  nnmöglich,  sicher  zu  entscheiden,  ob  auch  die  alten  Akten 
Tulgär-christlich  und  nicht,  wie  bisher  allgemein  angenommen  wird, 
^ostisch-häretisch  waren.     Allein    nach    der  Geschichte   auch 
dieser  Akten,  wie  sie  uns  Schmidt  im  Zusammenhang  mit  der 
der  übrigen  alten  Akten  vorgeführt  und  vei-ständlich  gemacht  hat, 
ist  es  wahrscheinlich,   daß  auch  sie  vulgär-christlich  waren.    Der 
Inhalt  der  Fragmente  setzt  dieser  Annahme  kein   entschiedenes 
^eto  entgegen.    Das  Alter  läßt  sich  nur  ungefähr  darnach  be- 
stimmen, daß  sie  —  wahrscheinlich  schon  von  Origenes  an,  s.  0. 
S.  172  —  mit  den  Johannes-  und  Thomasakten  zusammen  stehen 
Cs.  Chronol.  I  S.  544 f.)  und  denselben  „Geist"  (nach  den  Fragmenten) 
^tmen  wie  die  Johannesakten.    Daß  sie  aber  von  dem  Verfasser 
dieser  stammen,  ist  eine  nicht  zu  begründende  Annahme. 

Die  Paulus-,  Johannes-  und  Petrusakten  (wahrscheinlich  auch 
^e  Andreasakten)  gehören  derselben  Gattung  von  novellistischen 
I'abelbüchern  an,  haben  auch  sonst  eine  gewisse  Verwandtschaft 
(alle  stellen  den  Verzicht  auf  den  Geschlechtsverkehr  als  Ideal  auf), 
^ber  ein  jedes  Werk  ist  doch  ein  eigenartiges  litterarisches  Pro- 
dukt für  sich.  Dasselbe  gilt  von  den  Thoraasakten,  die  zwar  im 
Grundtext  nicht  mehr  vorhanden  sind,  die  aber  in  zwei  Bear- 
beitnngen  vorliegen,  welche  nach  Fassung  und  Zeit  augenscheinlich 
dem  Originale  ganz  nahe  stehen  und  uns  vollständig  überliefert 
^ind.  Was  ich  S.  545f.  der  Ghronolog.  Bd.  I  gegen  Lipsius  aus- 
S'eführt  habe,  man  könne  aus  den  „katholischen''  Bearbeitungen 
nirgendwo  das  „gnostische"  Original  sicher  ausscheiden,  modifiziere 
ich  nun  so  —  es  ist  eigentlich  nur  ein  Punkt,  der  noch  auf  den  Buch- 
5itaben  zu  setzen  ist,  aber  ihn  ändert  — ,   daß  sich  auch  in  den 


1)  Doch  gebe  ich  Biirdenhewcr  (S.  433  not.  5)  recht,  «laß  das  Fraguient 
•^^i  Pseudo- Augustin  doch  wohl  zu  den  alten  Akten  gehört.    Der  vulgär-katho- 
2^  *3che  Charakter   desselben  hinderte  mich   unter  Anderem  früher,  es  für  das 
original   in  Anspruch    zu  nehmen.    Da  man  aber  jetzt  eben  diesen  Charakter 


^^m  Original  selbst  vindizieren  darf,  fällt  dieser  (irund  fort. 


176  ^^6  Litteratur  des  MorgenlandeB. 

^.katholischen"  Partien  (besonders  in  der  griechischen  Rezen- 
sion) das  Original  selbst  in  leichter  Umformung  darstellt 
Anders  ausgedrückt:  der  Standpunkt  des  Verfassers  dieser  Akten 
war  wesentlich  ein  vulgär-christlicher,  aber  in  diesem  Falle  wirk- 
lich mit  einem  häretischen  Einschlag.  Das  Suchen  nach  einer  ganz 
verschiedenen,  rein  gnostischen  Vorlage  ist  vergeblich.  Man  braucht 
also  auch  nicht  die  vier  hervorragenden  und  besonders  gnostisch 
anmutenden  Stücke,  nämlich  die  zwei  Weihegebete,  eine  Ode  auf 
die  Sophia  und  einen  Hymnus  auf  die  Seele  \  von  dem  Ganzen  zu 
trennen.  Sind  aber  diese  Stücke  mit  Recht  als  ursprünglich  syrisch 
bezeichnet  worden  und  gehören  sie  zum  Ganzen  ^  so  ist  ein  sjrrisches 
Original  für  das  Ganze  anzunehmen,  oder  aber  es  sind  der  syrische 
und  der  griechische  Text  als  zwei  von  Anfang  an  nebeneinander 
gehende  Ausgaben  anzuerkennen.  Beide  Annahmen  legen  es  nahe, 
ja  gebieten  es  fast,  die  Thomasakten  nach  Edessa  zu  verlegen 
und  zu  der  Gruppe  von  Apostelgeschichten  zu  rechnen,  welche  die 
Bardesaniten  nach  dem  Zeugnis  des  Ephraem  verfaßt  und  in  Um- 
lauf gesetzt  haben.  Von  ihnen  wissen  wir,  daß  sie  sowohl  syrisch 
als  auch  griechisch  schrieben  und  daß  sie  geistliche  Poesie  gepflegt 
liaben.  Zu  ihnen,  die  der  großen  Kirche  nahe  standen,  paßt  auch 
der  dogmatische  Charakter  der  Akten.  Endlich  stimmt  auch  die 
Zeit  Nach  Epiphanius  (haer.  47,1;  61,1)  haben  die  Enkratiten 
und  Apostoliker  diese  Akten  gelesen;  Origenes  hat  sie  (s.  o.  S.  172) 
wahrscheinlich  gekannt.  Am  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  werden 
sie  demnach  entstanden  sein.  Ihr  Verfasser  wußte  um  einiges 
Indische  Bescheid,  was  in  Edessa  nicht  auffallend  ist  Will  man 
diese  Akten  nicht  mit  den  Bardesaniten  in  Verbindung  bringen, 
hält  man  sie  für  rein  griechischen  Ui'sprunges  und  trennt  man 
demgemäß  die  poetischen  Stücke,  weil  ursprünglich  syrisch,  vom 
Ganzen  ab,  so  muß  man  doch  aus  der  Orientierung  des  Buches 
auf  einen  Christen  im  Osten  schließen  und  wird  in  Bezug  auf  den 
Ursprung  auch  nicht  über  den  Anfang  des  3.  Jahrh.  hinuntersteigen 
dürfen.  Der  terrainus  a  quo  könnte  dann  allerdings  etwas  höher 
hinaufgesetzt  werden. 

Die  sogenannten  katholischen  Petrus-  und  Paulusakten  in  ver- 
schiedenen Rezensionen'^  (Lipsius,  Acta  apost  apocr.  I  p.  118 — 234) 
sind  hier  nicht  zu  erörtern;  denn  es  gibt  keine  Beweise  dafür, 
daß  sie  schon  in  das  3.  Jahrhundert  gehören.    Sie  setzen  vielmehr 

1)  Auch  or  ist  jetzt  <(rie('.hi8ch  vorhanden. 

2)  Damit  ist  nidit  von  jedem  dieser  Stücke  gesagt,  daß  der  Verfasser  des 
(»anzen  sie  selbst  gedichtet  hat  (das  ist  in  Bezug  auf  den  Hymnus  auf  die  Seele 
sogar  unwahrscheinlich);  nur  aufgenommen  hat  schon  er  sie. 

H)    IJQf'^etg  Tüiv  ay.  an,  fltrgov  xal  TlavXov  (Passio  ss.  app.  P.  et  VX 


Zu  den  apokryphen  Evangelien.  177 

die  gesamte  ältere  paalinische  und  petrioische  Legenden-Litteratar 
sowie  die  Pilatus-Legende  voraus  ^  Namentlich  die  alten  Petrus- 
akten sind  stark  benutzt  Zitate,  die  Lipsius  bei  Vätern  des 
4.  Jahrhunderts  (ja  schon  bei  Hippolyt)  gefunden  haben  will,  sind 
ganz  unsicher.  Ebensowenig  kommen  für  uns  die  Philippus-'^ 
Matthäus-  und  die  anderen  Akten  in  Betracht,  die  Lipsius  in 
seinem  großen  Werk  über  die  apokryphen  Apostelgeschichten  be- 
sprochen hat.  Ob  die  „QuaestionesBartholoniaei*',  die  sich  gi*iechisch 
und  altslawisch  finden,  eine  ältere  gnostische  Grundlage  besitzen 
imd  ob  diese  in  das  3.  Jahrh.  gehört,  läßt  sich  nicht  ausmachen  \ 

2)  Zu  den  apokryphen  Eyangelien. 

Chronologie  I  8.  589  ff.  habe  ich  von  20  Büchern  gehandelt  und 
sie  zu  datieren  versucht,  die  sich  unter  dem  Namen  . Evangelium  "^ 
darbieten,  nämlich 

(1) — (4)  Die  kanonischen  Evangelien. 

(5)  Das  Hebräerevangelium. 

(6)  Das  Evangelium  der  12  Apostel. 

(7)  Das  Petrusevangelium. 

(8)  Das  Ägypterevangelium. 

(9)  Das  Matthiasevangelium. 

(10)  Das  Philippusevangelium. 

(11)  Das  Thomasevangelium. 

(12)  Das  Protevangelium  Jacobi. 

(13)  Die  Pilatusakten  (Evangelium  des  Nikodemus). 

(14)— (16)  Das  Evangelium  des  Basilides,  des  Valentin  und 
des  Marcion. 

(17)  Das  Evangelium  der  Eva. 

(18)  Das  Evangelium  des  Judas. 

(19)  Die  Schrift  Hwa  MaQlag   (s.   auch   die    . großen   und 
kleinen  Fragen  der  Maria"*). 

(20)  Das  Evangelium  reXeiciotwc*, 

1)  Ober  den  Brief  dei>  Pilatus  an  Kaiser  Claudius,  der  in  den  Akten  steht, 
*•  Chronologie  I  S.  (X)4ff.  Er  ist  vielleicht  aus  der  Zeit  des  Maximinus  Dnza 
und  lag  dem  Redaktor  vielleicht  bereits  vor. 

2)  Zu  diesen  s.  jetzt  die  neue  Ausfjabo  von  Bonnet  (zus.  mit  den  Thomas- 
akten), 1908. 

3)  S.  Bonwetsch,  Die  apokr.  Fragen  des  Barthol.  (Nachrichten  d.  Gott.  Ges. 
d.  WiKS.  1897,  8.  lif.),  dazu  Brinkmann  im  Rhein.  Mus.  Bd.  54,  1809,  S.  93 ft'. 

4)  Abgesehen  ist  dabei  von  dem  Evangelium  des  Bamabas  (s.  T.  1  Bd.  1 
S.  18),  da  es  ein  altes  Zeugnis  nicht  besitzt,  ebenso  von  dem  angeblichen 
si'inonianischen  Evangelium.  Die  Fragment«»  apokrypher  Evangelien  sind  neuer- 
dings von  Preuschen  (Antilegomena,  1901)  zusammengestellt. 

Harnack,  Altchristi.  Littcratnrgesch.  II,  9.  12 


178  ^^^  Litteratar  des  Morgenlandes. 

Zu  diesen  Stücken  ist  das  Fragment  einer  Spruchsammlung 
Jesu  auf  Papyrus  saec.  II  vel  III  getreten,  welches  G renfeil  und 
Hunt  entdeckt  und  publiziert  haben  (Aoyia  ^Itjoovy  London  1897). 
welches  man  aber  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  Ägypterevangelium 
zuweisen  darf  ^.  Neue  Fragmente  (einer  anderen  Handschiift)  haben 
die  Entdecker  jüngst  angekündigt.  Ferner  sind  jene  koptischen 
Bruchstücke  eines  apokryphen  Evangeliums  hier  zu  erwähnen,  die 
Jacoby  publiziert  hat  (s.  S.  182).  Sie  gehören  vielleicht  zu  Nr.  6, 
vielleicht  aber  einem  unbekannten  Evangelium  an. 

Von  den  20  oben  genannten  Evangelien  gehören,  wie  a.  a.  0. 
S.  591  ff.  gezeigt  worden  ist,  der  Zeit  vor  dem  Ausgang  des  2.  Jahr- 
hunderts sicher  die  Nrn.  1—5.  7.  8.  11.  14—16.  18.  19  an.  Nr.  6 
(S.  625 ff.),  dem  Origenes  bekannt,  kann  sehr  wohl  erst  um  das 
J.  200  abgefaßt  sein,  ja  ist  schwerlich  früher  entstanden.  Von  Nr.  9 
gilt  (S.  595  ff.),  daß  es  sein  ältestes  Zeugnis  ebenfalls  bei  Origenes 
hat,  also  möglicherweise  nicht  dem  2.,  sondern  dem  Anfang  des 
3.  Jahrhunderts  angehört.  Nr.  10  (S.  592  f.)  kann  sowohl  noch  in 
dem  2.  Jahrh.  als  in  der  ersten  Hälfte  des  3.  geschrieben  sein. 
Für  Nr.  12  (S.  598  ff.),  bez.  dessen  Quellen,  muß  die  2.  Hälfte  des 

2.  Jahrb.,  aber  auch  der  erste  Anfang  des  3.  offen  bleiben*-^.  Wieder 
ist  Origenes  der  älteste  Zeuge.  Nr.  13  (S.  603—612)  gehört  weder 
ins  2.  noch  ins  3.  Jahrhundert,  sondern  ist  nacheusebianisch.  Nr.  17 
(S.  539)   und  20  (S.  536)  können  zur  Not  bis  in  den  Anfang  des 

3.  Jahrh.  heruntergesetzt  werden. 

Von  jenen  20  Schriften  kommen  also  für  das  3.  Jahrhundert 
(und  zwar  für  den  Anfang  desselben)  nur  6  in  Frage,  nämlich: 
Das  Evangelium  der  12  Apostel  *. 
Das  Matthiasevangelium. 
Das  Philippusevangeliuni  K 
Das  Protevangelium  Jacobi. 

1)  S.  Hiirnack,  Über  die  jüu^^st  enWeckten  Sprüche  Jesu,  1807.  D'w 
Litteratur  zu  diesen  Sprüchen  ist  inaBaenhiift. 

2)  Die  „Zeugnisse"  bei  Clemens  Alex,  und  Justin  sind  unsicher.  Der  selt- 
same Versuch  Conradys  (Die  Quelle  der  kanon.  Kindheitsgesch. ,  irKX),  und 
schon  früher  in  den  Stud.  u.  Krit.  Bd.  (>2,  1889,  S.  728ff.),  dies  Protevang.  Ja- 
cobi zur  Quelle  der  kanonischen  Kindheitsgeschichten  zu  machen,  ist  m.  W. 
allgemein  zurückgewiesen  worden,  s.  Berendts,  Studien  über  Zacharias- Apo- 
kryphen ISOo,  S.  50ff.,  V.  Dobschütz  im  Litt.  Zentral-Bl.  19(X)  Nr.  51/52  et<i., 
Holtzmann  in  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1901  Kol.  l^>5ff.  Sonst  vgl.  noch  Kl  oster- 
mann, Theol.  Litt.-Blatt  1807  Kol.  504. 

H)  Das  von  R.  Harris  im  J.  lOO)  (Cambridge)  veröffentlichte  „Go8i)el  of 
the  Xll  apostles"  ist  ein  ganz  spätes  Produkt,  welches  mit  dem  alten  Ev.  gleichen 
Namens  nichts  gemein  hat. 

4)  S.  auch  Zahn,  Forsch.  Bd.  G,  1900,  S.  24 ff. 


PapynißblÄtter  aus  christlichen  Werken  usw.  179 

Das  Evangelium  der  Eva. 
Das  Evangelinm  rsXsioiosmg, 

Sicherheit,  daß  auch  nur  eine  derselben  dem  3.  und  nicht  dem 
2.  Jahrhundert  angehöi-t,  besitzen  wir  nicht  *. 

3)  Papymsblätter  aus  christlichen  Werken  des  3.  nnd  an- 
fangenden 4.  Jahrhunderts. 

Papyrusblätter  aus  christlichen  Werken  des  1.  und  2.  Jahr- 
hunderts sind  in  griechischer  und  koptischer  Sprache  zahlreich  auf 
uns  gekommen  (Sprüche  Christi,  Fragmente  NTlicher  Schriften, 
Fragmente  des  Hirten  des  Hermas,  der  Acta  Pauli,  der  Ascensio  des 
Jesajas,  mehrerer  anderer  Apokalypsen,  gnostischer  Schriften  usw.), 
und  fort  und  fort  werden  wir  mit  neuen  beschenkt.  Auch  von 
Schriften  des  folgenden  Jahrhundeii;s  hat  sich  einiges  auf  Papyrus 
erhalten,  nämlich 

(1)  Zwei  Original-Libelli  von  libellatici  aus  dem  J.  250;  der 
eine,  jetzt  in  Berlin  befindliche,  ist  datiert  auf  Decius  und  den 
2.  Epiphi,  also  =  26.  Juni  250  (s.  Krebs  in  den  Sitzungsber.  der 
Berliner  Akademie  1893,  30.  Nov.,  Harnack  in  der  Tlieol.  Lit-Ztg. 
1894  Nr.  2);  der  andere,  in  Wien  befindliche,  ist  nicht  datiert.,  aber 
gehört  um  seiner  Gleicliartigkeit  mit  dem  erstgenannten  willen 
ebenfalls  der  decianischen  Zeit  an  (s.  Wessely,  Publik,  aus  den 
Papyri  Erzherzog  Rainer  1873,  Separatabzug). 

(2)  Ein  Tauflied  (25  Zeilen  erhalten)  aus  der  Zeit  c.  250-330 
'The  Amherst  Papyri  ed.  Grenfell  und  Hunt,  Part  I,  1900).  Der 
terminus  ad  quem  ergibt  sich  daraus,  daß  die  Handschrift  aus  der 
2.  Hälfte  des  4.  Jahrli.  stammt,  das  uns  vorliegende  Blatt  aber 
-is  removed  by  one  or  two  stages  froin  the  arcbetype".  Der  ter- 
^ninus  a  quo  (s.  Harnack,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie, 
1900,  1.  Nov.  S.  986 f.)  bestimmt  sich  nach  folgenden  Beobachtungen: 
^1)  Evangelischer  Steif  ist  vermischt  mit  dem  Stoif  Didache  c.  1 — 5 
(die  jüngeren  Rezensionen  der  Didache  zeigen  bereits  eine  Tendenz 
auf  solche  Vermischung);  (2)  die  Bezeichnung  a^araroc  Ccojj  ist 
technisch;  (3)  in  der  Taufermahnung  wird  vor  Irrlehrern  gewarnt; 
(4)  die  Bezeichnungen  V^yöot'c  und  {htoc;  wecliseln;  (5)  der  Jacobus- 
brief  ist  vielleicht  benutzt  (v.  18:  ov  fhiov  ^mrcov  tva  XaßxjQ, 
^'  Jacob.  1.  17);  (6)  das  Ganze  hat  eine  gewisse  konventionelle 
Haltung. 

1)  Aus  den  Stofton,  w«»lchc  Beroiults  (a.  a.  0.)  znsamnien<jetraji;eii  hat, 
laßt  sich  Material,  welches  mit  einiger  Sicherheit  dem  iJ.  Jalirh.  zugewiesen 
werden  kann,  nicht  {gewinnen.  —  Der  falsche  (lateinische)  Laodicenerbrief  des 
PaaluH  (Chronologie  I  S.  70'J)  kann  dem  ?>.  Jahrh.  angehören. 


130  ^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

(3)  Ein  leider  stark  verstümmelter,  aber  teilweise  doch  gut 
lesbarer  Brief,  der  von  Rom  an  Christen  im  arsinoitischen  Gau 
(bez.  an  ihren  Bischof  Apollonius)  geschrieben  ist  —  vielleicht  znr 
Zeit  einer  Hungersnot  [?];  als  Bischof  von  Alexandrien  ist  Maximus 
genannt.  Der  Brief  stammt  also  ans  der  Zeit  264  (265)— 282  (281). 
Die  Herausgeber  (Grenfell  und  Hunt,  The  Amherst  Papyri  etc.  I) 
haben  aus  paläographischen  Beobachtungen  und  aus  der  Unter- 
schrift geschlossen,  daß  das  Schreiben  zwischen  250  und  285  ab- 
gefaßt sein  müsse  (ohne  die  durch  die  Zeit  des  Maximus  gebotene 
Datierung  zu  kennen).  Sie  haben  sich  also  nicht  geirrt  Verfasser 
ist  wohl  nicht  einer  der  drei  zwischen  264  und  282  regiert  habenden 
römischen  Bischöfe,  sondern  ein  zeitweilig  in  Rom  weilender  ägy))- 
tischer  Christ  (s.  Harnack,  Sitzungsber.  d.  Berliner  Akad.  1900, 
1.  Nov.  S.  987  flF.). 

(4)  Ein  Brief  des  Presbyters  Psenosiris  an  den  Presbyter  Apollo 
(Grenfell  und  Hunt,  Greek  Papyri,  Ser.  II,  1897,  p.  115f.),  der 
aus  paläographischen  Gründen  dem  Ausgang  des  3.  oder  dem  An- 
fang des  4.  Jahrh.  zuzuweisen  ist,  s.  über  ihn  Deißmann«  Ein 
Originaldokument  aus  der  dioklet.  Christenverfolgung,  1902  und 
Theol.  Lit-Ztg.  1902  Nr.  12;  Harnack  in  der  TheoL  Lit-Ztg.  1902 
Nr.  7.  Der  Brief  lautet:  „Psenosiris  der  Presbyter  an  Apollo  den 
Presbyter,  seinen  geliebten  Bruder,  im  Herrn  Heil!  Vor  allem 
grüße  ich  Dich  vielmals  und  alle  bei  Dir  befindlichen  Brüder  in 
Gott.  Wissen  lassen  möchte  ich  Dich,  Bruder,  daß  die  Toten- 
gräber hierher  in  das  Innere  die  Politika  gebracht  haben,  die  in 
die  Oase  gesandt  war  von  der  Regierung.  Und  ich  habe  sie  den 
Treft'lichen  und  Zuverlässigen  unter  eben  diesen  Totengräbern  in 
Obhut  übergeben  bis  zur  Ankunft  ihres  Sohnes  Nilus;  und  wenn 
er  mit  Gott  gekommen  ist,  wird  er  Dir  von  allem  Zeugnis  geben, 
was  sie  an  ihr  getan  haben.  Tue  mir  aber  auch  Deinerseits  kund, 
was  Du  hier  getan  haben  möchtest;  ich  tue  es  gern.  Ich  wünsch«.^ 
Dir  Wohlergehen  im  Herrn  Gott."  Aus  inneren  Gründen  läßt  sich 
das  aus  dem  Archiv  der  Todtengräbergilde  in  Kysis  stammende 
Schreiben  nicht  datieren.  Dieterich  hat  jüngst  (Gott.  Gel.  Anz. 
1903  Nr.  7)  die  Interpretation  (und  dadurch  die  Situation)  des 
Briefes  zu  vereinfachen  versucht,  indem  er  behauptet  hat,  die 
„Politika '*  sei  als  Leichnam  der  Politika  zu  verstehen.  Vgl.  jedoch 
gegen  diese  verlockende  Annahme  die  sehr  beachtenswerten  Be- 
merkungen von  Deissniann  in  der  Ztschr.  „Die  Studierstube" 
I,  I9ii3  Dezember. 

(5)  Ein  Stück  liturgischen  Inhaltes,  gefunden  zu  Fajjum,  wahr- 
scheinlich aus  dem  Anfang  des  4.  Jahrhunderts,  jetzt  in  der  Samm- 
lung Erzherzog  Kainer,  s.  die  Mitt.  aus  dieser  Sammlung  ISST. 


Papyrusbl&tter  aus  christlichen  Werken  usw.  \g\ 

II.  0.  IILBd.  S.  If.  (Bickell)  u.  Österr.  Monatsschr.  f.  d.  Orient  1884 
S.  152  (Wessely),  auch  den  ersten  Teil  dieses  Werkes  S.  467, 
wo  der  unbedentende  Inhalt  des  Bruchstückes  abgedruckt  ist 

(6)  In  „The  Oxyrhynchus  Papyri*'  Part  I,  1898  haben  G ren- 
feil und  Hunt  (Nr.  IV  p.  7f.)  ein,  wie  es  scheint,  gnostisches  Frag- 
ment aus  einem  um  das  J.  300  geschriebenen  Papyrus  mitgeteilt 
Das  Stück  lautet  in  Übersetzung  ungefähr:  „. . .  so  wäre  der  Tod 
nichts  anderes  für  Gott  als  Strafe,  was  unmöglich  ist^  Diese 
[Lehren]  werden  bei  [von]  der  niederen  Seele  leeres  Geschwätz 
genannt  Die  höhere  Seele  aber  erkennt  das  ihr  Eigene:  der  Un- 
gerechte und  der  nicht  Ungerechte  sind  in  dem  Gewahrsam  [der 
Unterwelt]  gleich  [iaot\  und  dem  Ge[richt]  . . ."  Der  gnostische 
(Yalentinianische?)  Lehrer,  der  das  geschrieben  hat,  läßt  sich  nicht 
ermitteln  (s.  Harnack  in  den  Sitzungsber.  d.  Berliner  Akad.  1898, 
14.  Juli). 

(7)  An  demselben  Ort  haben  dieselben  Gelehrten  ein  zweites 
Fragment  (Nr.  Y  p.  8 f.)  ediert,  welches  über  die  Prophetie  handelt 
und  in  welchem  Herm.  Mand.  XI,  9.  10  und  Matth.  22,  43  zitiert 
sind.  Der  darüber  hinaus  lesbare  Satz  lautet:  ro  yao  jrQofpjtixov 
xpsvfia  TO  ccofiarelov  loriv  TTJg  JtQotp/jrixrjg  ra^toyg,  o  löriv  t6 
oAna  T^q  cagxog  ^I/]Oov  Xqiotov  ro  fiiyev  rfj  dvO^Qco:r6T7jTi  öia 
MaQiag'  oTi  61  öoxfj  öaxxixoif  Ion  ....  Zu  diesem  schwierigen  Satz 
s.  Sitzungsber.,  a.  a.  0.  S.  517  fF.  und  die  dort  übersehene  Stelle  aus 
dem  Brief  des  Serapion  an  Caricus  und  Pontius  (Euseb.,  li.  e.  \\  19, 2): 
'/  ii^tQysia  rf]q  tpevöovc  ravtTjg  Ta^eoyg  rJjg  ijtiXeyofitvrjg  viag 
^Qo^r^relagy  sowie  TertuU.  de  pudic.  13  fin.  21.  Das  Stück  kann 
aus  der  verlorenen  Schrift  des  Melito  UsqI  jiQoq)7jTtiag  stammen 
(Euseb.,  h.  e.  IV,  26);  sehr  viel  jünger  ist  es  schwerlich,  da  der  Ge- 
danke, daß  der  prophetische  Geist  sich  real  in  dem  Kollegium  der 
Propheten  (des  Propheten-Standes)  darstellt,  sehr  altertümlich  ist. 

(8)  Ein  bisher  noch  nicht  publizierter,  von  K.  Schmidt  in  den 
Sitzungsber.  der  Berliner  Akad.  1895,  20.  Juni  S.  705  ff.  signalisierter, 
ans  Achmim  stammender,  in  Kairo  befindlicher  Papyrus  saec.  IV. 
vel  V.  enthält  Gespräche  Jesu  mit  seinen  Jüngern  und  einen  aus- 
führlichen Auferstehungsbericht  eigentümlicher  Art;  Cerinth  und 
Simon  sind  als  Häretiker  genannt;  die  Schrift  (in  der  Petrus  her- 
vortritt) ist  also  großkirchlich ,  was  auch  die  Lehre  von  der  Auf- 
erstehung des  Fleisches  beweist.  Das  Gleichnis  von  den  klugen 
und  törichten  Jungfrauen  wird  allegorisch  erklärt.    „Gnostisches** 


1)  Der  Sinn  derWort<*:  ovöev  aXXo  rjv  o  O^avatoq  xo)  B^ewt  rj  ^rjfna  otibq 
a&vvaioVf  mag  sein:  „Wäre  Gott  der,  welcher  den  Tod  verhängt,  so  wäre  er 
fin  tstrafender  Oott,  was  unmöglich  ist." 


182  I^ie  Litteratur  des  Morgenlandes. 

findet  sieb  freilieh  genügt  aber  es  kann  nicbt  gegen  die  Kirebe 
gemünzt  gewesen  sein.  Ob  die  Sebrift  wirklieb,  wie  Sebmidt 
meint,  vor  c.  160  verfaßt  sein  muß,  ist  noeb  nicbt  auszumacben. 
Merkwürdig  ist,  daß  Jesus  in  einem  Gespräcb  dem  Petrus  seine 
Gefangennahme  ankündigt,  aber  nicbt  die  letzte,  sondern,  wie  es 
scheint,  die  in  Jerusalem  (Act  12)  und  noch  eine  zweite.  Auch 
über  das  „jtoti^qiop**  Christi  und  die  Abendmablsfeier  findet  sich 
ganz  Eigentümliches  2. 

(9)  Auf  Papyrusfetzen  (kopt)  der  Straßburger  Bibliothek  saec.  IV. 
vel.  V.  finden  sich  Fragmente  eines  unbekannten  Evangeliums,  aber 
nicbt  des  Ägypter-Evangeliums,  wie  Jacob y  (Ein  neues  Evangelien- 
fragment, Straßburg  1900)  wollte,  sondern  eines  späteren  Evan- 
geliums. Zahn  (Koptische  Fragmente  eines  apokr.  Evangeliums 
in  der  Neuen  Kirchl.  Ztschr.  Bd.  11, 1900,  S.  361fl^.)  und  Karl  Schmidt 
(Gott.  Gel.  Anz.  1900,  Nr.  6)  haben  gute  Gründe  dafür  beigebracht, 
daß  sie  dem  Evangelium  der  12  Apostel  angehören  [die  12  Apostel 
sind  redend  eingeführt];  s.  den  1.  Bd.  dieses  Teiles  S.  625 fll  Allein 
die  Identifizierung  ist  nicht  sicher  zu  erweisen.  Dieses  nEvangeliunr 
kann  auch  noch  später  sein.  Der  griechische  Papyrusstreifen  saec.  H'. 
vel  V.  in  dem  Museum  zu  Gizeh,  den  Jacoby  nach  einer  Abschrift 
Reitzensteins  mitveröflFentlicht  (eine  christliche  Gebets-  und 
Zauberformel),  dessen  Text  er  ins  2.  Jahrb.  versetzt  und  über  den 
er  wilde  Phantasien  gesponnen  bat,  ist  ein  wertloses  Produkt  des 
4.  oder  5.  Jahrhunderts.  Leider  ist  auch  aus  Jacobys  neuester 
Publikation:  „Ein  bisher  unbeachteter  apokrypher  Bericht  über 
die  Taufe  Jesu"  (Straßburg  1902)  —  sie  stützt  sich  auf  koptische 
Fragmente  — ,  in  geschichtlicher  Hinsicht  nicht  viel  zu  lernen.  Der 
apokryphe  Bericht,  den  er  konstruiert,  hat  weder  im  2.  noch  im 
3.  Jahrhundert  existiert  (s.  v.  Dobschütz  in  der  Theol.  Litt-Ztg. 
1902  Nr.  24). 

4)  Ein  auouyiiies  exegetisches  Stflck  zur  Kindheitsgeschichte 

Jesu. 

Eusebius  schreibt  in  den  Quaest.  ad  Stephanum  (s.  das  Frag- 
ment  derselben   in  einem  vatic.  Kodex,    abgedruckt  bei  Migne 

1)  Z.  B.  sagt  Jetiiis:  „Ich  wurde  in  dem  All,  in  einem  jeden".  Jesuu,  beißt 
es,  lial»o  sich  der  Maria  in  der  (iestalt  des  Gabriel  f»eoftenbart  und  sei  in  ihren 
Leib  einf?e«;janj<en. 

•_*)  Über  den  Papyrus  Brucianus  s.  unten  S.  19H.  Das  in  einem  Papyni.s 
Berol.  copt.  (saec.  V)  enthalt^Mie  gnostische,  noch  nicht  publizierte  Original- 
werk, über  welchfjs  Schmidt  ( Sitzungsber.  180(5,  0.  Juli  S.  S^Ofl'.)  berichtet  hat. 
ist  vorirenäisch  und  gehört  daher  nicht  hierher. 


Die  Aberciu8-lii8chrift.  Ig3 

Ser.  Gr.  Bd.  22  Kol.  973):  ^Evixvxov  6h  tQiu^vda  ave^iiyga^cp  XayovöUy 
«n  Ol  (itv  <paOL  avyyeplöa  rijp  ^EXiOaßtr  rfjg  jtag&ivov  jtaQa  rov 
ayyiXov  wvoßaod-aiy  ovx  (d<;  ix  rr^g  avr^g  (pvjLfjg,  dXXa  öia  rb  kx 
xAv  avxciv  jtQoyovcop  xai  rov  avrov  xoivmc  rmv  ^lovöaloDv  ytvovg 
anfoziQag  (DQfiijoO^ai,  dg  6  djtoöroXog'  ^EßovXo^iqv.  Xiytov,  dvaO-Sfda 
tlvai  v^\q  rcov  aösXtpmv  fiov  xäv  övyyevmv  (lov  xata  oagxa,  WaDn 
dieser  anonyme  Exeget  gelebt  hat,  weiß  man  nicht. 


5)  Die  Abercius-Inschrift  ^ 

Über  diese  rätselhafte  Inschrift  des  Abercius  von  Hieropolis 
weiß  ich  anch  jetzt  noch  nichts  Besseres  zu  sagen,  als  was  ich 
Texte  u.  Unters.  Bd.  12  H.  4  im  J.  1895  niedergeschrieben  habe  — 
zur  Zeit  einer  Kontroverse,  in  der  die  Theologen  den  vulgär- 
christlichen Charakter  dieser  Inschrift  verteidigten,  als  handle  es 
sich  um  ein  Heiligtum  der  Kirche.  Ich  halte  nach  wie  vor  die  In- 
schrift nicht  für  katholisch-christlich,  sondern  sehe  mich  zu  der 
Annahme  gedrängt,  daß  sie  aus  einem  Kultvereine  (s.  auch  Z.  15: 
9PÜo£:  das  ist  kein  katholischer  term.  technicus,  vgl.  meine  Gesch. 
der  Mission  S.  300 if.)  stammt,  in  welchem  Heidnisches  und  Christ- 
liches gemischt  war-.  Solche  Mischungen  waren  in  Kleinasien 
häufig.  Die  intimsten  Sätze  der  Inschrift  sind  übrigens  teils  zer- 
stört (auch  schon  z.  Z.  des  ersten  Abschreibers),  teils  nicht  sicher 
zu  erklären.  Daß  Abercius  identisch  ist  nut  dem  bei  Euseb- 
(h.  e.  V,  16,  3)  genannten  Kleinasiaten  Avircius  Marcellus,  ist,  ob- 
gleich die  Zeit  die  Gleichung  erlauben  würde,  doch  nur  eine  nicht 
zu  erhärtende  Möglichkeit. 

Die  Inschrift  (22  Verse)  ist  spätestens  am  Anfang  des  3.  Jahrh. 
gesetzt;  denn  eine  in  derselben  Gegend  (um  Hieropolis >  entdeckte 


1)  Ramsay  hat  den  (Jlrabstein  im  J.  1S8.*»  eiitdeckt  (Joiirii.  (»f  Hell,  rftud. 
ISS;^  p.  424),  auf  welchem  «üe  Inschrift  st<*ht,  die  durch  die  „Vita  Abercii"  seit 
ÖoiöBonade  (Anecd.  (Ir.  V,  1S!>S,  p.  40*2)  wieder  bekannt  war;  denn  in  diese 
^ita  hatte  sie  der  Verfasser  aufj^enommen.  Die  Inschrift  ist  jetzt  im  Lateran; 
Faksimile  in  der  K<3m.  Quartalschr.  IS!)4  Tafel  0  und  bei  Marucchi,  Nuovo 
Kuli,  di  Archeol.  Christ.  I,  1  n.  1'  p.  17—41  (ISDr». 

2)  Zahn  (Protest.  REnzykl.3  Bd.  1  S.  rJlO)  wendet  ein:  „Ks  handelt  sich 
'ini  eine  Reli^onsgemeinde,  welche  überall,  von  Rom  bis  Nisibis,  des  gleichen 
^ilanbenß  lebt  und  den  gleichen  Kultus  hat".  Davon  kann  i(jh  in  der  Inschrift 
nirhts  finden;  diese  Meinung  gehört  vielmehr  selbst  schon  der  Interpretation 
^»ez.  der  Auffassung  au.  —  Auf  der  Inschrift  ist  die  Tltaxiq  personifiziert,  wie 
^»♦?i  Valentin   und   im  Heidentum    (s.  D (tubner,   Personifikationen    abstrakter 

FJepifFe,   in    d.  Lex.  der   griech.   u.   röm.  Mythologie   Bd.  III   Kol.  iW.S.  2^M. 

'J(}92.  2098.  2124.  2140);    in  der  großen  Kirche   findet  sich  eine   soh-he  Personi- 

Ükation  kaum. 


1S4  ^i^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

Inschrift  eines  Alexander,  die  auf  das  J.  216  datiert  ist,  muß  als 
Nachbildung  der  des  Abercius  beurteilt  werdend 

Die  Vita  des  Abercius  (vgl.  auch  Acta  SS.  Oct  IX  p.  493  ff. 
u.  Migne  Ser.  Gr.  Bd.  115  Kol.  1211ff.;  Lightfoot,  Apost.  Fathei-s- 
11,  1  p.  726,  cf.  Class.  Review  1894  p.  64)  kann  verhältnismäßig  früh 
(etwa  um  400)  entstanden  sein.  Sie  läßt  den  Abercius  unt^r 
M.  Aurel  nach  Rom  reisen,  bringt  Bardesanes  (Barcha^anes)  mit 
ihm  zusammen,  bezeichnet  den  A.  als  Bischof  von  Hieropolis,  spricht 
von  einem  sehr  nützlichen  Lehrbuch,  das  A.  dem  Klerus  seiner 
Gemeinde  hinterlassen  habe,  bringt  in  extenso  ein  Schreiben 
M.  Aureis,  welches  Abercius  betrifft,  usw.  Zahn  (a.  a.  0.)  meint 
hier  nicht  nur  freie  Dichtung,  sondern  eine  neben  der  Grabschrift 
bestehende  Lokaltradition  über  A.  annehmen  zu  müssen.  Das  mag 
sein ;  aber  was  in  dieser  Fabel  auf  Lokaltradition  beruht,  ist  nicht 
zu  ermitteln.  Erdichtet  ist  jedenfalls  die  Behauptung,  A.  sei  Bischof 
gewesen,  erdichtet  das  Schreiben  M.  Aureis,  erdichtet  die  ßißjLog 
öidaöxaUaQ.  Und  als  „Lokaltradition"  kann  man  es  doch  auch 
nicht  in  Anspruch  nehmen,  daß  der  Verfasser  Statthalter  mit  Namen 
kennt,  die  wirklich  in  Kleinasien  fungiert  haben  —  nur  nicht,  wie 
der  Schwindler  fabelt,  zur  Zeit  M.  Aureis,  sondern  zu  der  Ciceros. 


6)  Die  sibyllinischen  Orakel. 

In  dem  1.  Bande  der  Chronologie  S.  581—589  habe  ich  die  Zeit 
der  christlichen  sibyllinischen  Orakel  untersucht  und  bin  zu  dem 
Ergebnis  gelangt,  es  lasse  sich  nicht  nachweisen,  daß  in  der  großen 
Sammlung  dieser  Orakel  auch  nur  ein  einziger  zusammenhängender 
Abschnitt  von  einem  Christen  des  l.  oder  2.  Jahrhunderts  herrührt-: 
erst  im  3.  Jahrhundei-t  —  wenn  nicht  alles  trügt,  sogar  erst  im 
letzten  Drittel  desselben  —  haben  Christen  sibyllinische  Orakel 
fabriziert,  und  zwar  stammen  dieselben  wahrscheinlich  aus  einer 
Schmiede  bez.  einem  Kreise^.    Seit  dieser  Untersuchung  ist  die 

1)  Auch  (lie  gegenteilige  Meinung  hat  natürlich  V^ertreter. 

2)  An  kleine  christlicht;  Interpolationen,  die  sich  überall  linden  mögen, 
ist  daVjei  nicht,  gedacht;  s.  Celsus  bei  Origenes  c.  Geis.  Vll,  53:  vvv  Sh  naQsy- 
YQd<peiv  fihv  elg  ta  txeivrjQ  [seil,  der  Sibylle]  TioAAa  xal  ßXdagtrjfia  elx^  6vvaa&e, 
8.  auch  V,  ^n. 

H)  Vgl.  hierzu  Khrhard,  Die  alt<*hri8tl.  Litt,  und  ihre  Erforschung  (llKH»i 
S.  ISO  f.:  „Diese  Meinung  stimmt  mit  der  Tatsache,  daß  noch  Clemens  Alex, 
nur  die  BB.  .'j — 3  kennt.  Sehr  ansprechend  ist  auch  Harnacks  Hypothoso, 
daß  sämtliche  christliche  Bestandteile  aus  einem  einzigen  Kreise  von  Fälschern 
stammen,  der  wenige  Dezennien  vor  Lactantius,  der  ja  zuerst  auf  die  Orakel 
großen  Wert  legt,  sein  unerfreuliches  Werk  getrieben  habe." 


Die  »*i})yllinisclien  Orakel.  Ig5 

neue  Ausgabe  der  Orakel  von  Geffcken  (Berliner  Akad.  Aus- 
gabe, 1902)  und  eine  Abhandlung  von  demselben  „Komposition  und 
Entstehungszeit  der  Oracula  Sibyllina"  (Texte  u.  Unters.  Bd.  23, 
H.  1,  1902)  erschienen.  Ich  werde  im  folgenden  an  diesen  Publi- 
kationen meine  These  kontrollieren. 

In  Bezug  auf  Buch  III,  IV  und  V  nimmt  auch  Geffcken 
nicht  an,  daß  in  ihnen  ein  größerer  christlicher  Abschnitt  aus  den 
beiden  ersten  Jahrhunderten  steckt  Das  wenige  Christliche,  was 
diese  Bücher  in  ein  paar  Zeilen  enthalten  ^  ist  farblos.  Von  dem 
deutlichsten  Stück  V,  256—259  meint  auch  Geffcken,  daß  es  eine 
späte  christliche  Interpolation  sei.  Ob  die  anderen  späten  Ein- 
schiebsel (V,  62— 71;  228—246)  sämtlich  christlich  sind,  läßt  sich 
nicht  ausmachen. 

Buch  VI  und  VII  sind  christlich;  nach  Alexandre,  Mendels- 
sohn und  Geffcken  soll  Buch  VI  ein  häretischer  Hymnus  sein. 
Es  kommt  darauf  an,   was  man  unter  „häretisch"  versteht    Im 
strengen  Sinne  des  Wortes  steht  schlechterdings  nichts  Häretisches 
in  dem  Buch.    Zitiert  wird  es  in  älterer  Zeit,  d.  h.  vor  Lactantius, 
nicht;  der  also  hat  die  Beweislast,  der  es  ins  2.  Jahrhundert  schiebt 
Geffcken  tut  das   und  beruft  sich  darauf,  daß  im  6.  Buch  auf 
2S  Verse  immerhin  noch  zwölf  mit  trochäischer  Cäsur  kommen,  die 
Barbarei  des  3.  Jahrhunderts  also  noch  nicht  eingerissen  sei.    Ich 
gestehe,  daß  ein  solches  Argument  auf  mich  nicht  den  geringsten 
Kindnick   macht;    denn    beim  Einbrechen    der  Barbarei  werden 
schwerlich  alle  so  barbarisch  geworden  sein,  daß  sie  Verse  mit 
trochäischer  Cäsur  im  Verhältnis  von  12  :  28  nicht  mehr  zustande 
brachten.    Es  bleibt  also  dabei,  daß  die  Zeit  der  Verse  nur  durch 
die  Angabe  zu  bestimmen  ist,  daß  sie  zuerst  bei  Lactantius  be- 
zeugt sind  2.    Ebensowenig  läßt  sich  der  Ursprung  des  7.  Buches 
aus  dem  2.  Jahrh.  beweisen  =\    Geffcken,  der  „etwa  die  Mitte  des 
2.  Jahrh."  fiir  das  Buch  in  Anspruch  nimmt,  erklärt  selbst  (S.  35 f.): 
-Alles  jedoch,   was  wir  sonst  [in  dem  Buch]  lesen   [nämlich  das 
meiste],  ist  so  absolut  neutral,  so  unpersönlich,  möchte  ich  sagen, 


1 )  Eb  ist  noch  wenijjjer,  als  ich  angenommen  habe ;  denn  die  LA  evofßimv 
in  V,  3<i  muß  nach  Geffcken  gehalten  werden,  und  dann  hat  auch  dieses  Stück 
»V.   1—31)  kein  Christ,  sondern  ein  Jude  geschrieben. 

-)  Auf  das  Argument,  daß  die  Worte  xoßaxa  net^evaei  (VI,  13)  sich  auch 
in  I,  ilöG  finden  und  in  I  (welches  dem  8.  Jahrh.  angehört)  aus  VI  entlehnt 
i«ein  können,  scheint  Geffcken  selbst  mit  Recht  keinen  Wert  zu  legen. 

3)  Über  den  angeblichen  , Judenchristlichen"  Charakter  des  Buches,  der 
, /entscheidend"  aus  v.  135  hervorgehen  soll,  scliweige  ich.  Der  Verfasser  spricht 
an  dieser  Stelle  den  Juden  das  Recht  ab,  sich  Hebräer  zu  nennen.  Auch  mit 
d^ra  „Gnostischen"  des  Buches  ist  es  nichts. 


Igß  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

SO  allgemein  gehalten,  daß  wir  uns  gestehen  müssen:  derartiges 
konnte  jeder  prophezeien.  Jeder  Stadt,  jedem  Lande  wird  in  den 
farblosesten  Ausdrücken  mit  irgendeinem  Unheil  gedroht  . . . 
Darum  möchten  wir  jedem  raten,  der  später  einmal  die  griechischen 
Orakel  sammeln  wird,  an  Buch  VII  vorüberzugehen:  da  findet  er 
nichts  als  Mache".  Ganz  meine  Meinung,  aber  warum  dann  davS 
2.  Jahrhundert?  Das  dritte  liegt  in  Bezug  auf  diese  Schriftstellerei 
viel  näher;  denn  die  verwandten  christlichen  sibyllinischen  Orakel 
gehören  sicher  in  dieses  Jahrhundert  Jedenfalls  ist  auch  nicht 
die  Spur  eines  Beweises  für  das  2.  Jahrhundert  zu  finden.  Ich 
vermute,  daß  das  „Judenchristentum"  Geffcken  veranlaßt  hat, 
dieses  Jahrhundert  zu  bevorzugen,  aber  judenchristlich  sind  die 
Verse  nicht. 

In  Buch  I  und  II  sieht  Geffcken  eine  jüdische  Grundschrift 
und  christliche  Bearbeitung,  wie  viele  vor  ihm  mit  Recht  unter- 
schieden haben.  Jene  verlegt  er  in  das  erste  Drittel  des  3.  Jahr- 
hundei-ts,  die  Bearbeitung  will  er  nicht  sehr  viel  später  setzen,  also 
doch  wohl  nach  der  Mitte  des  Jahrhunderts.  Wir  sind  hier  ganz 
einig. 

Buch  XII  läßt  Geffcken  von  einem  „regierungstreuen,  ganz 
und  gar  nicht  mehr  orthodoxen,  sondern  recht  reichsbürgerlichen, 
in  der  Zeit  nach  Alexander  Severus  dichtenden  Juden"  geschrieben 
sein*;  ein  Christ  habe  es  interpoliert:  „es  mag  der  christliche  Dichter 
vom  Buch  XIII  hinter  ihm  stecken*,  der  geschrieben  hat,  bevor 
sein  Glaube  Staatsreligion  wurde.  Ob  man  wirklich  eine  jüdische 
Grundschrift  sicher  unterscheiden  kann,  lasse  ich  dahingestellt;  es 
genügt  mir  hier,  daß  wir  auch  mit  der  Arbeit  dieses  Christen  in 
der  Nähe  des  Lactantius  Halt  zu  machen  haben  und  nicht  viel 
weiter  hinaufsteigen  dürfen.  Den  Verfasser  des  XIII.  Buches 
(einen  Christen)  —  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  er  mit  dem 
des  XII.  oder  mit  dem  Interpolator  desselben  identisch  ist  —  setzt 
Geffcken  mit  Recht  unmittelbar  vor  Aurelian;  denn  Decius  und 
sein  Untergang  ist  deutlich  bezeichnet  (XIII,  85  if.),  ferner  ist  Gallus 
(v.  103)  genannt  und  Odänath  ins  Auge  gefaßt  (v.  147flF.),  endlich 
sind  Valerian  und  Gallienus  bezeichnet  (v.  156flF.)  sowie  die  Kämpfe 
nach  dem  J.  260.    Dieses  Buch  stammt  aus  der  Zeit  um  das  J.  265  -. 


1)  Vgl.  tiuch  die  Abhandlung  deBBclben  Verfassers  in  d.  Nachrichten  d.  K. 
Gesellsch.  der  Wissensch.  in  Göttingen  1901,  S.  Iff. 

2)  Odänath,  dessen  Parteigänger  der  Verfasser  war,  scheint  noch  am  Leben 
gewesen  7a\  sein;  er,  nicht  Aurelian,  ist,  wie  schon  Alexandre  sah,  gemeint. 
Sonstige  Anspielungen  auf  Cäsarea  und  Ereignisse  der  Zeit  zwischen  241 — 2C»."> 
.s.  bei  Geffcken  S."  (X)— (>:-5. 


Die  ßibylHiiiöchen  Orakel.  187 

Die  Bücher  XI  und  XIV  liaben  jedenfalls  mit  einem  Christen 
des  2.  Jahrh.  nichts  zu  tun.  Nach  Geffcken  ist  das  XI.  von  einem 
Juden  nach  dem  Sturz  des  Partherreichs  (226)  geschrieben  —  der 
Jude  ist  mir  trotz  XI,  307  flF.  sehr  zweifelhaft;  denn  im  3.  Jahrh. 
empfand  mancher  Christ  die  alttestamentliche  Geschichte  des  Juden- 
tams  als  seine  Geschichte  — ,  das  XIV.  frühestens  im  4.  Jahr- 
hundert Ich  halte  dem  gegenüber  die  Hypothese,  daß  Buch  XI I — XIV 
Ton  einem  Verfasser  herrühren^  und  eine  Art  von  fortlaufender 
Geschichte  mit  angehängter  Fabel- Weissagung  darstellen,  noch 
immer  für  die  wahrscheinlichste  und  bin  auch  geneigt,  Buch  XI 
Mnzuzunehmen. 

Jedenfalls  hat  sich  ergeben,  daß  irgendeine  auch  nur  halb- 
wegs sichere  Spur  christlicher  Sibyllen-Orakel  vor  der  Mitte 
bez.  dem  letzten  Drittel  des  3.  Jahrh.  sich  in  der  Sammlung  der 
Orakel  —  vom  VIII.  Buche  noch  abgesehen  —  nicht  findet  Was 
ach  mit  einiger  oder  mit  vollkommener  Sicherheit  datieren  läßt, 
fillt  in  das  letzte  Drittel  des  3.  Jahrhunderts,  also  unmittelbar 
Tor  Lactantius '^.  Christliche  Sibyllistik  läßt  sich  für  das  2.  und 
die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrh.  nicht  nachweisen,  so  begierig  die 
Christen  die  jüdischen  Sibyllenorakel  aufgenommen  und  auch  be- 
leits  schon  an  einigen  Stellen  christlich  interpoliert  und  akzentuieit 
laben. 

Aber  wie  steht  es  mit  Buch  VIII?  Ich  habe  (a.  a.  0.  S.  586 <f.) 
2U  zeigen  versucht  daß  v.  1—216  jüdisch  und  kurz  vor  180  p.  Chr. 
^erfaßt  sind,  v.  217—501  aber  christlich  sind,  jedoch  nicht  von 
«inem  Christen  des  2.,  sondern  des  3.  Jahrhunderts^  Auch  Geffcken 
nimmt  50—72,  139—150,  169—216  (dazu  337—358)  zusammen  und 
läßt  sie  von  einem  Juden  kurz  vor  180  p.  Chr.  geschrieben  sein. 


1)  Geffcken  sieht  auch  in  dem  Verfasser  des  14.  Buchs  wegen  v.  HJjO 
einen  Juden,  was  mir  nicht  nötig  scheint.  —  Die  Annahme,  daß  noch  in  so 
«päter  Zeit  die  Juden  Sibyllisten  gewesen  sein  sollen^  ist  an  sich  schwierig. 
?^ie  hatten  damals  den  Hellenismus  schon  wesentlich  ausgestoßen. 

2)  Der  Versuch  von  Goffcken  (S.  Olift".),  die  bei  Theophilus  ad  Autol.  11, 

'^  sich  findenden  drei  Bruchstücke  von  Sibyllen -Orakel  (sie  stehen  bekanntlich 

nicht  in  der   uns  überlieferten  Sammlung,  sind  aber  dem  Proöm.  zu  Buch  III 

l>arallel)    als  künstliche    christliche  Nachäflungen  („Trugschrift",  „Fälschung") 

sog.  wirklicher  Sibyllen-Orakel  darzust^'llen,  scheint  mir  völlig  mißglückt.    Diese 

von  Theophilus  zitierten  Stücke  sollen  christlich  sein,    weil  sich  in  ihnen  der 

Aagdmck  }^(a^v  xltiQOvoßovai  ündet,  der  ans  dem  N.  T.  stammen  müsse.  Warum 

«oll  ein  ägyptischer  oder  ein  Diasjiora-Jnde  im  'J.  oder  1.  Jahrh.  so  nicht  haben 

'Schreiben  können?  Di»»  Stücke  (enthalten  sonst  absolut  nichts  Christliches,  son- 

<Iem  einfach  den  Monotheismus.     Auch   was  (leff'cken    sonst  über   die  Stücke 

ausfährt,  wird  wenige  üb<?r/eugi'n. 

3)  V.  5  ist  aucli  schon  dem  Theophilus  fad  Autol.  II,  'M)  bekannt. 


JSS  ^^6  Litterator  des  Morgenlandes. 

Dagegen  will  er  1—49,  73—130  einem  Chiisten  des  ausgehenden 
zweiten  Jahrhunderts  zuweisen  K  Allein  die  Verse  haben  schlechter- 
dings nichts  Christliches.  Daß  aber  bei  Gerichtsschilderungen  dieser 
Art  ein  Christ  des  2.  Jahrhunderts  sein  Christentum  durch  nichts 
angedeutet  habe,  ist  ganz  unwahrscheinlich.  Es  liegt  überhaupt 
kein  Grund  vor,  in  den  w.  1—216  größere  Partien  auszuscheiden 
und  sie  einem  anderen  Verfasser  beizulegen.  Mit  v.  217  erst  be- 
ginnt ein  neues  großes  Stück,  und  es  wird  eröffnet  durch  die 
Akrostichis  IHCOyC  XfeiCTOC  OGOy  Y^OC  CCJüTHf 
CrAYPOC.  Geffcken  nennt  sie,  wahrscheinlich  mitBecht,  „die 
erste  absolut  sichere,  bewußte  christliche  Fälschung"  (innerhalb 
der  Sibyllistik).  Aber  daß  sie  und  das  meiste,  was  in  den  w.  217 — 
501  steht,  aus  der  Zeit  der  Apologeten  vor  180  herrühren  soll,  ist 
ganz  unwahrscheinlich.  Wer  kann  glauben,  daß  Theophilus,  der 
VIII,  5  kennt,  daß  ferner  die  christlichen  Schriftsteller  vor  Lac- 
tantius,  Eusebius  und  dem  Verfasser  der  konstantinischen  Bede 
ad  S.  Coetum  an  dieser  Akrostichis  vorübergezogen  wären,  wenn 
sie  in  ihre  Hände  gekommen  wäre!  Ich  finde  auch  nicht,  daß 
G  e  f f c  k  e  n  irgendwelche  beachtenswerte  Beobachtungen  beige- 
bracht hat,  um  seine  frühe  Zeitbestimmung  zu  erweisen.  Er  weist 
die  christlichen  Stücke  verschiedenen  Verfassern  zu  —  das  ist  eine 
Kunst,  bei  der  man  alles  immer  anders  machen  kann  — ,  aber  sie 
sollen  doch  wesentlich  gleichzeitig  sein.  „Die  Denkweise  weist  auf 
die  Epoche  der  Apologeten  hin,  die  chronologischen  Spuren  führen 
auf  die  Zeit  vor  180";  aber  nach  letzteren  habe  ich  vergeblich 
gesucht  —  soll  die  willkürliche  Kombination  mit  Celsus  eine  solche 
sein?  — ,  und  die  apologetische  Denkweise  ist  der  des  Lactantius 
verwandter  als  der  des  Justin.  Die  Stücke  samt  der  Akrostichis 
sind  also,  wie  ich  S.  586  f.  getan  habe,  in  das  3.  Jahrhundert  ein- 
zustellen: die  Christologie  und  das  Wertlegen  auf  die  Logoslehre 
sind  ein  Zeichen,  daß  selbst  in  diese  Litteratur  die  christliche 
Theologie  eingebrochen  ist,  was  schwerlich  vor  den  monarchia- 
nischen  Kämpfen  geschehen  ist. 


1)  Er  bemerkt  dazu  etwas  phautasievoll  (S.  4*2 f.):  „So  blicken  wir  durch 
dns  8.  Bucli  in  ein»'  Welt  des  Kampfes  hinein.  Das  giftige  Hetzen  der  Juden 
^ej^cn  Rom  im  T).  Huch  (v.  öO— 7l?,  ];]0 — 150  nsw.)  verstummt  vor  dieser  Fanfiin' 
d»>  jungen  Christentums  (v.  1— Ül,  7o — 130  [aber  diese  Fanfare  bringt  auch 
nicht  einen  christlichen  Toni).  Aber  die  Oegner  sind  auf  der  Hut.  Wjr  ^T.söeu, 
wie  bitter  Celsus  die  Christen  verliöhnt-e,  daß  sie  die  Sibyllensprüche  inter- 
polierten. Darauf  mußte  geantwortet  werden.  Nun  war  die  Akrostichis  seit 
alter  Zeit  das  Kennzeichen  sibyllinischer  Kchtheit.  Aus  dem  Bedürfnis  nun. 
dem  heidnischen  Vorwurfe  zu  begegnen,  fabrizierte  man  die  große  Akrostichis 
VIII,  217— -JoO." 


Die  sibyllinischen  Orakel.  189 

Das  Eesultat  dieser  erneuten  Untersuchung  ist  in  Bezug  auf 
die  Zeit  bis  über  250  negativ:  man  kann  nicht  nachweisen,  daß 
es  christliche  Sibyllen-Orakel  vor  dieser  Zeit  gegeben  hat.  Das 
Ergebnis  ist  nichts  weniger  als  befremdlich:  wären  seit  der  Mitte 
des  2.  Jahrhunderts  solche  Weissagungen  mit  spezifisch  christ- 
lichem Inhalt  vorhanden  gewesen,  so  müßten  sie  uns  in  dem  Jahr- 
hundert zwischen  Justin  und  Cyprian  irgendwo,  ja  an  mehreren 
Stellen  begegnen;  wir  finden  sie  aber  nirgends.  Da  nun  das  große 
christliche,  bestimmt  zu  datierende  Sibyllenstück  der  Zeit  um  265 
angehört,  und  da  Lactantius,  Eusebius  und  ihre  Zeitgenossen  die 
ersten  Zeugen  einer  spezifisch  christlichen  Sibyllen-Litteratur  sind, 
so  wird  das  Urteil  kein  vorschnelles  sein:  diese  Litteratur  gehört 
der  Zeit  c.  265  fr.  an  und  lag  dem  Lactantius  schon  in  einer 
Sammlung  (und  Mischung  mit  jüdischen  Orakeln)  vor.  Geffcken 
hatte  seine  Untersuchungen  sicherer  und  eindrucksvoller  gestaltet, 
wenn  er  —  meinen  Andeutungen,  die  er  beiseite  gelassen  hat, 
folgend  —  zunächst  das  jüdische  und  das  sicher-christliche  Gut 
bestimmt  hätte.  Er  hätte  dann  bald  eingesehen,  daß  das  sicher- 
christliche Gut  dem  letzten  Drittel  des  3.  Jahrhunderts  angehört, 
und  diese  Einsicht  hätte  ihn  angeleitet,  die  vorschnellen  Datie- 
rungen christlicher  Stücke  auf  das  2.  Jahrhundert  zu  revidieren. 

Das  VI.,  VII.,  XIIL,  die  Bearbeitung  des  I.  u.  II.,  das  VIII. 
Buch  (v.  217 — 501)  und  wahrscheinlich  auch  das  XI.,  Xll.  u.  XIV. 
Buch  sind  christlich  ^  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  nicht 
mehr  als  vier  christliche  Verfasser  anzunehmen  und  daß  sie  ziem- 
lich gleichzeitig  sind.  Sie  schreiben  in  der  Periode,  in  der  die 
Kirche  an  Schriftstellern  am  ärmsten  gewesen  ist,  und  sie  charak- 
terisieren an  ihrem  Teile  diese  dürftige  Periode  in  der  Richtung 
ihrer  Schwäche  und  Unwahrhaftigkeit.  Ortsbestimmungen  für  die 
Verfasser  wage  ich  nicht  zu  geben.  Sie  schreiben  im  Orient  (nicht 
im  Abendland  und  nicht  in  Ägypten);  aber  wo,  bleibt  dunkel. 
Will  man  eine  Hypothese  aufstellen,  so  kann  man  vermuten  in 
einem  Lande,  in  welchem  sich  das  Interesse  für  Kleinasien  mit 
syrisch-palmyrensischem  kreuzte.  Die  stürmischen  und  entsetz- 
lichen Bewegungen  der  JJ.  240  -265  im  Orient  bilden  den  Hinter- 
grand der  Dichtungen. 

1)  Celsiifcj  hat  bereits  f.s.  o.  S.  184)  IiitiTpolatioiK'n  (Ut  Sibyllüii-Onikol  den 
Christen  vorgeworfen.  hv\  Liictant. ,  Inst.  IV,  15  heißt  es:  „llis  t^^stimoniis 
.'seil,  der  wibyll.  Orakel]  quidiim  revieti  solent  eo  confu»(«>n',  ut  aiant  non  esse 
illii  camiina  Sibyllina,  sed  a  nostris  iicta  atque  eomposita."  Kr  benift  si<*h 
«lern  gegenüber  auf  Cicero,  Varro  usw.,  welche  die  Krythraische  Sibylle  und 
<lie  anderen  gelesen  und  zitiert  hätten,  bevor  Jesus  jjjebort'u  worden  sei. 


.190  ^^^'  Litteratur  des  Morgenlandes. 

7)  Sextus  [Xystus]  Sprache. 

Nachdem  Elter  den  griechischen  Grandtext  der  Sprüche 
wiederentdeckt  und  publiziert  ^  ßysseP  die  syrischen  Über- 
setzungen noch  gründlicher  als  Gildemeister ^  untersucht,  mit 
dem  Grundtext  und  ßufln  verglichen  und  in  deutscher  Übersetzung 
ediert  und  Wendland ^  Nachweisungeu  über  den  Charakter  und 
die  Zeit  der  Sammlung  gegeben  hat,  ist  es  möglich,  viel  sicherer 
als  früher  über  sie  zu  urteilen  und  die  Fehler  zu  vermeiden,  in 
die  Gwynn  in  seinem  noch  immer  wertvollen  Artikel  über  die 
Sprüche*  geraten  ist. 

Es  steht  jetzt  fest,  daß  Rufin  in  der  Hauptsache  treu  übersetzt 
hat,  ferner  daß  die  Sammlung,  die  er  übersetzt  hat,  ganz  wesent- 
lich in  derselben  Gestalt  als  „Gnomen  des  Sextus**  bereits  dem 
Origenes  vorlag,  weiter  daß  —  wie  die  beiden  von  Origenes 
zitierten  Sprüche  beweisen  —  sie  den  christlichen  Charakter  schon 
vor  Origenes  besessen  hat^,  endlich  daß  sie  auf  eine  heidnische 
Spruchsammlung  zurückgeht^  die  christlich  bearbeitet  worden  ist. 

Ferner  kann  nicht  bezweifelt  werden,  daß  die  Sammlung  schon 
vor  Rufin  den  Autornamen  des  römischen  Bischofs  und  Mäiiiyrers 
getragen  hat  und  daß  damit  Xystus  II.  gemeint  war.  Da  aber 
dieser  ausgeschlossen  ist  (denn  Origenes,  s.  o.,  bezeugt,  daß  die 
Samnilang  älter  ist,  und  nennt  den  Verfasser  Sextus"^),  so   darf 


1)  Eiter,  (inomicii  I:  Soxti  Pythapforici  et-i'.  Sententiiie ,  1892.  Dazu 
Moybooiii,  De  sproukon  van  Sextus  in  d.  Theol.  Tijdsch.  Bd.  32,  ISIKS,  S.  45;") ff. 

•J)  Uyssel  in  d.  ZtHchr.  f.  wisseusch.  Theol.  1805  S.  (ilTtf.,  ISfKi  S.  508«'., 
1897  S.  i;-iiff. 

H)  (lildenieis^ter,  Sexti  Senteutiaruiu  recensioncö,  1873. 

1)  Wendland,  Herl.  Thilol.  Wochenschr.  18(K]  8.  23,  Theol.  Litt.-Ztjr.  1S9:; 
Kol.  .I9-Jtf. 

5)  (^wynn,  Diction.  of  Christ.  Biogr.  Vol.  IV  j).  1199ff.  8.  auch  Pren- 
hchen  in  diesem  Werke  1.  Teil  8.  705ti'.,  Ott,  Charakter  u.  Urt>])nint?  d. 
Spräche  des  l'hil.  SextiuH,  drei  Rottweiler  Propframnie,  ISGl — 1803.  Die  frühere 
Litterntnr  ist  antiquiert. 

Tu  in  Matth.  comni.  XV,  !>  z.  Matth.  19,  l'J;  c.  Cels.  VIII,  30:  „.\uö  diesen 
StelLn  ^eht  deutlich  hervor,  daß  Ori^^enes  diese  8])nichsammlang  als  eine 
heidnische  <^ekannt  hat",  schreibt  Preuschen,  (iwynn  aber  hat  den  entpogen- 
geset/ten  Eindruck.  Zum  (iliick  kommt  nicht  viel  auf  die  Frage  an;  aber  ich 
möchte  P  reu  sehen  reclit  geben:  Origenes  scheint  die  Christlichkeit  der  Samm- 
lung niciit  anzunelimen.  Man  l)iirdet  ihm  damit  allerdings  eine  starke  Kurz- 
sichtigkeit auf,  ab.>r  ich  v(»nnag  ihn  nicht  anders  zu  verstehen. 

7)  Wir  h;iben  hier  einen  der  seltenen  Fälle,  in  denen  die  Überlieferung 
eine  Schrift  jünger  gemacht  hat;  man  tausehte  aber  dafür  einen  Bißchof  und 
Märtyrer  als  Verfiisser  ein. 


St»xtu8  [Xystus]  Sprüche.  191 

natürlicli  an  den  römischen  Bischof  Xystus  I.  (so  Ewald)  nicht 
gedacht  werden,  weil  ihn  keine  Überlieferung  nennt  und  es  metho- 
disch unerlaubt  ist,  einer  Überlieferung,  wenn  sie  sich  als  unrichtig 
erwiesen  hat,  durch  Halbierung  zu  helfen:  der  Märtyrerbischof 
Xystus  wird  als  Verfasser  genannt,  aber  er  kann  es  nicht  gewesen 
sein.  Nicht  ausgeschlossen  dagegen  ist,  daß  der  nackte  Name 
Xystus  (Sixtus,  Sextus)  mit  Recht  an  der  Sammlung  haftet^  sei  es 
nun  au  der  christlichen  Bearbeitung,  sei  es  an  der  Grundschrift. 
Letzteres  ist  an  sich  das  Wahrscheinlichere  und  wird  von  Hiero- 
nymus  ausdrücklich  bezeugt:  er  nennt  als  Verfasser  einen  Pytha- 
goreer  Sextus ^ 

Wie  es  nun  mit  diesem  nicht-christlichen  Philosophen  Sextus 
steht  und  zu  welcher  Zeit  er  die  Grundschrift  kompiliert  hat,  diese 
Fragen  zu  behandeln  müssen  wir  anderen  überlassen.  Uns  inter- 
essiert nur  die  Zeit,  in  welcher  der  namenlose  christliche  Inter- 
polator  gearbeitet  hat.  Die  Beantwortung  der  Frage  wird  durch 
die  Unmöglichkeit  erechwert,  reinlich  auszustmdern,  was  in  der 
Sammlung  heidnisch  und  was  christlich  (d.  h.  von  einem  Philo- 
sophen christlichen  Bekenntnisses  formuliert  oder  verändert)  ist. 
Sprüche  stark  asketischer  und  rein  monotheistischer  Tendenz 
können  sowohl  von  einem  heidnischen  als  auch  von  einem  christ- 
lichen Philosophen  geprägt  worden  sein.  Jedenfalls  muß  bereits 
der  Heide  zahlreiche  solche  Gnomen  geboten  haben,  sonst  wäre  es 
überhaupt  keinem  Christen  eingefallen,  die  Sammliinp:  sowohl  durch 
Umformung  gegebener  Sprüche  als  auch  durch  neue  (lUomen  zu 
interpolieren *-*.  Unter  solchen  Umstünden  huiLn  man  sich  für  die 
Altersbestimmung  strikt  an  solche  Sprüche  halten,  die  in  der  vor- 
liegenden Forn)  unzweideutig  christlich  sind.  Den  terminus  ad 
quem  bieten  die  Zeugnisse  des  Origenes.  Da  er  zweimal  bezeugt, 
daß  diese  Sprüche  bei  „vielen"  Christen  im  Gebrauche  sind,  so 
dai'f  man  unbedenklich  annehmen  (obsehon  die  Stellen  aus  seinen 
spätesten  Schriften  stammen),  dal>  der  cliristliche  Interpolator  nicht 
nach  c.  220  gearbeitet  hat.  Der  terminus  a  (juo  erjribt  sich  aus 
der  Erwägung,  daß  das  ganze  Unternehmen,  heidnische  Philosophen 
zu  Kronzeugen  für  die  christliche  Kthik  und  Frömmigkeit  zu 
stempeln,  bei  den  Christen'*  vor  der  Zeit  des  Aristides  und  Justin 
nicht  wohl  denkbar,  jedenfalls  niclit  nachweisbar  ist.    Der  christ- 


1)  S.  die  St«»llon  im  1.  T«'il  ^li»'^^'^  Wi'ikos  S.  TüOf.  —  Die  nicht  int«Ti»oliert«' 
SextuB-Sammlunpf  war  doni  INniihyrius  lu-kannt. 

2)  Solche  Jnt-erpohitioiion  sind  dann,  wie  zu  <M'warton,  in  {\ov  riK-rlij'fonin}! 
noch  vennehrt  worden. 

3)  iSie  folg:t<»n  damit  der  Method«*  der  jüdischen  Apolop'tik. 


192  Die  Litteratur  des  Morgenlandes. 

liehe  Interpolator  ist  also  zwischen  c.  150  und  c.  220  anzusetzen. 
Nun  aber  hat  bereits  Wendland  (Eol.  493)  darauf  aufmerksam 
gemacht,  daß  er  ein  Christ  von  ausgeprägter  asketischer  Haltung 
war  und  daß  sich  am  meisten  Berührungen  zwischen  ihm  und 
Clemens  Alex,  finden.  Beides  ist  richtig  und  von  Wendland 
ausreichend  bewiesen,  aber  es  ist  hinzuzufügen,  daß  der  Interpolator 
noch  asketischer  zu  sein  scheint  als  Clemens,  ja  daß  er  an  der 
Grenze  der  „Enkratiten""  steht,  die  Clemens  bekämpft  hat  Nicht 
nur  beurteilt  er  die  Ehe  abschätzig  (Spmch  230a,  230b),  sondern 
er  dringt  auf  Enthaltung  in  der  Ehe  (239),  und  in  Nr.  13.  273  kommt 
er  der  Empfehlung  der  Selbstentmannung  ganz  nahe.  Da  der 
Interpolator  sicher  kein  Gnostiker  gewesen  ist  und  da  seine 
Religionsphilosophie  in  der  Ethik  stoisch,  in  der  Gotteslehre  pla- 
tonisch ist,  da  endlich,  abgesehen  von  der  leichten  Steigerung  der 
Askese  jeder  Zug  mit  den  Zügen,  welche  die  Bildung  des  Clemens 
trägt,  übereinstimmt,  so  muß  man  ihn  mit  Wendland  zeitlich 
neben  Clemens  stellen^.  Mir  scheint  aber,  daß  man  noch  einen 
Schritt  weiter  gehen  darf:  die  glatte,  leichte  Spruchform,  in  der 
hier  die  religiöse  Ethik  (auch  in  den  sicher  christlichen  Gnomen 
und  Wendungen)  gegeben  ist,  macht  die  Annahme  notwendig,  daß 
hinter  den  Sprüchen  bereits  eine  theologische  Arbeit  liegt,  die  es 
ermöglichte,  solche  runde  Gnomen  zu  bilden  und  ältere  heidnisch- 
philosophische  Sprüche  umzubilden.  Wer  anders  aber  kann  diese 
Arbeit  geleistet  haben  als  eben  Clemens  Alexandrinus?  Dazu  fügt 
es  sich,  daß  er  die  Sprüche  nirgends  erwähnt.  Schwerlich  wären 
sie  ihm  entgangen,  wenn  sie  schon  vorhanden  gewesen  wären. 
Schwerlich  wären  sie  entstanden,  wenn  er  nicht  vorgearbeitet 
hätte.  Also  ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  unter  seinem  geistigen 
Einfluß  entstanden  sind.  Dann  hj^t  man  sie  auf  das  erste  oder 
zweite  Jahrzehnt  des  3.  Jahrhunderts  zu  datieren. 

Wo  schrieb  der  Interpolator?  In  Cäsarea  Pal.  hat  Origenes 
sie  kennen  gelernt;  in  Alexandrien  scheint  er  sie  noch  nicht  gekannt 
zu  liaben.  Dann  folgen  Kufin  und  Hieronymus  als  Zeugen;  auch  sie 
sind  in  Palästina  gewesen.  Die  Grundschrift  hat  Porphyrius  der 
Tyrier  (der  zeitweilig  auch  in  Cäsarea  gewohnt  hat)  gekannt. 
Weist  das  nicht  auf  Palästina,  bez.  Phönizien?  Ist  vielleicht  jeuer 
AlcxaniU^r  der  A'erfasser,  der  Freund  des  Clemens  und  Bischof  von 
Jerusalem,  der  daselbst  die  Bibliothek  angelegt  hat?  Darüber  ist 
nichts  l)ekaunt,  aber  ein  Mann  wie  er  (und  sein  Zeitgenosse)  nnUv 
es  gewesen  sein. 

1)  Es  itit  jo«l»Mifalls  ein  Driickfelilcr,  worin  es  l)ei  Wendland  (a.  a.  O. 
Kol.  404)  lieißt:   „Jins  Knde  des  ersten  Jahrhunderts"  (lies  „zweiten"). 


Die  Pistiis  Sojjhitt  und  der  Papyrus  Brucianus.  193 

8)  Die  Pistis  Sophia  und  die  im  Papyrus  Brucianus  saec.   Y 
Tel  yi  enthaltenen  gnostisehen  Schriften. 

Über  die  Zeit  und  Herkunft  des  gnostisehen  Buches  „Pistis 
Sophia«  habe  ich  in  den  „Texten  u.  Unters."  Bd.  7  H.  2  (1891) 
S.  94— 114  aasfiihrlich  gehandelt  ^  Ich  fasse  hier  die  Beobachtungen, 
die  eine  ziemlich  genaue  Datierung  ermöglichen,  kurz  zusammen  \ 

(1)  Terminus  ad  quem:  die  Verfolgungszeit  (p.  277  ed.  Seh  wartze 
and  Petermann),  aber  der  Verf.  schreibt  in  einer  ruhigen  Zeit; 
das  Bach  ist  also  vor  302/3  entstanden. 

(2)  Terminus  a  quo:  die  vier  Evangelien  und  die  Paulusbriefe 
sind  heilige  Schriften  („verbum  domini  per  os  Pauli");  Kapitulation 
dieser  Gnosis  mit  dem  Vier-Evv.-Kanon  der  großen  Kirche;  Kapi- 
tulation dieser  Gnosis  mit  dem  A.  T.  (devote  Unterordnung  unter 
dasselbe);  A.  T.  und  Ew.  als  Stufen;  also  ist  das  Buch  nicht  vor 
saec  III  initium  geschrieben. 

(3)  Greisenhafter  Gnostizismus,  sofern  bei  den  ausschweifendsten 
gnostisehen  Lehren  und  Geschichtsvorstellungen  (die  Apostel  die 
Weltheilande;  sie  haben  präexistiert;  sie  haben  zwei  Naturen)  einci 
Bflckendeckang  an  dem  kirchlichen  Kanon  und  den  echten  Sprüchen 
Jesu  gesucht  wird;  also  künstliche  Symphonie  der  neuen  Offen- 
barung (in  den  11  Jahren,  die  Christus  nach  seiner  Auferstehung 
für  die  höhere  Unterweisung  seiner  Jünger  verwendet  hat)  mit 
der  alten. 

(4)  Der  Grundcharakter  des  Buches  weist  ins  dritte  Jahr- 
hundert: der  Sakramentismus  (der  viel  ausgebildeter  ist  als  der 
auch  schon  stark  ausgebildete  des  1.  und  2.  Jahrb.),  die  Frage 
nach  dem  Schicksal  der  Getauften,  wenn  sie  sündigen,  usw. 
Prophetie  und  Glossalie  erscheinen  versteinert  bez.  verwildert 

(5)  Die  fünf  Oden  Salomos,  die  das  Buch  neben  den  ATlicheii 
Psalmen  zitiert,  sind  selbst  gnostisehen  Ursprungs  und  werden  doch 
wie  alte  Urkunden  behandelt.  Wir  haben  hier  also  rinen  Gnosti- 
zismus, der  über  einem  älteren  auferbaut  ist.   Jene  Oden  sind  dem 


1)  Vgl.  auch  Liechtpnhan  in  d.  Ztschr.  f.  wiKsensch.  Thool.  Bd.  44  (1901) 
*S.  236  ff.,  der  eine  neue  Scheidunj^  des  Buches  in  drei  Hauptfceile  (S.  1 — 116; 
116 — 223;  22.Sff.)  und  eine  Redaktion  versucht. 

2)  Die  5  salomonischen  Oden  in  Buch  I  u.  II  gehören  schon  einer  älteren 
Zfr^it  an  und  dürfen  für  das  2.  Jahrh.  in  Anspruch  genommen  werden,  s.  mein«» 
Abhandlung,  a.  a.  0.  S.  85 fl'.  —  Die  ersk'n  ;]  Bücher  des  Werkes  bilden  zu- 
]?amnien  ein  Werk,  das  4.  steht  ffir  sich,  ist  aber  dem  großen  Werk  sehr  ver- 
wündt  und  kann  von  demselben  Verfasser  herrühren  (jedenfalls  aus  demselben 
Kreis).  Es  scheint  dem  großen  Werk  zeitlich  voranzugehen,  s.  Köstlin,  Theol. 
Jahrbb.  Bd.  13  (1854)  S.  Uff. 

Harnack.  Altcbiistl.  Litt^raturgosch.  11,2.  i:-{ 


194  Die  Litteratar  des  Morgenlandes. 

Verf  so  fremd,  wie  das  A.  T.,  und  er  erklärt  sie  ebenso  willkürlich 
wie  dieses. 

(6)  Man  ist  daher  geneigt,  die  2.  Hälfte  des  3.  Jahrh.  vor  der 
ersten  zu  bevorzugen,  und  dafür  spricht,  daß  man  p.  311  liest: 
„Rex  hodiernus  ...  remittit  g>opevoiv  et  concubitantibus  cum 
masculis  et  reliquis  peccatis  gravissimis,  dignis  molte^  Hier- 
nach ist  die  Unzucht  zwischen  Männern  als  ein  durch  das  Gesetz 
verurteiltes  Kapitalverbrechen  im  römischen  Reich  bezeichnet,  auf 
das  die  Todesstrafe  steht  (von  der  natürlich  der  Kaiser  zu  be- 
gnadigen vermag).  Vor  Philippus  Arabs  konnte  so  nicht  geredet 
werden;  denn  erst  von  diesem  Kaiser  heißt  es:  „usum  virilis  scorti 
removendum  honestissime  consultavit"  (Aurel.  Victor,  de  Caesar.  28 ; 
vgl.  dazu  Lampridius,  Alex.  Sev.  24.  39,  wo  deutlich  gesagt  ist,  daß 
Alexander  ein  solches  Verbot  zwar  geben  wollte,  aber  nicht  gegeben 
hat).  Näheres  s.  in  meiner  Abhandlung,  a.  a.  0.  S.  lOOf.  Für  die 
Abfassungszeit  des  Buches  ergibt  sich  somit  die  Spanne  von  Philippas 
Arabs  bis  Diokletian,  d.  h.  die  2.  Hälfte  des  3.  Jahrh.  ^ 

(7)  Der  Ort  der  Abfassung  ist  in  Ägypten  zu  suchen  (s.  „den 
15.  Tybi""  im  Eingang  des  Buches  als  Datum  einer  großen  Trans- 
tiguration  Jesu);  auch  schon  die  5  pseudosalomonischen  Oden  sind 
höchst  wahrscheinlich  ägyptischen  Ursprungs  (meine  Abhandlung 
S.  46:  Nilüberschwemmung). 

(8)  Daß  das  Buch  valeutinianisch  sei,  braucht  nicht  mehr  wider- 
legt zu  werden:  schlechterdings  nichts  spricht  dafür.  Dagegen 
liegt  die  Verwandtschaft  mit  den  ophitischen  Systemen  am  Tage; 
freilich  auch  hier  zeigt  die  Vergleichung  mit  der  Schilderung  der- 
selben bei  Irenäus  eine  Komplizierung  und  Verwilderung.  Ophi- 
tismus  ist  von  Haus  aus  syrischer  Gnostizismus.  Über  die 
syrisch-gnostische  Propaganda  —  überall  und  so  auch  in  Ägypten  — 
s.  meine  Abhandlung  S.  104£  Am  nächsten  kommt  der  Pistis 
Sophia  eine  Reihe  von  Angaben  über  Häretiker  bei  Epiphan. 
(namentlich  haer.  26,  auch  37— 40)^.  Schon  allein  der  Satz  haer. 
26,  6  ist  sehr  wichtig:  XQ^Pzac  xal  jtaXaia  xal  xaiv^  öiad^'^xxi ' 
anayoQtvovöL  61  xov  Xakrjöapza  kv  rf]  JcaXaia  öiad^xxj.  Es  lieg^. 
deshalb  sehr  nahe,  die  „Kleinen  Fragen  der  Maria",  die  P^pipha- 
iiius  haer.  26,  8  nennt,  mit  unserem  Buch  zu  identifizieren^;  denn 

1)  EinfluIJ  dt'8  Manichfiismuß  ist  möglich,  aber  zweifelhaft  (b.  in  ein  o  Ab- 
handl.  S.  lOÜ). 

2)  Epiphaniuö  liat  nach  ßcincm  eigenen  Zeugnis  Häretiker  in  Ägypt«'n 
selbst  kennen  gelernt  {haer.  ':)0,  1). 

3)  So  schon  Kenan,  Marc  Aurele  p.  120  not.  3;  ich  bin,  ohne  Renajis 
Hypothek«?  zu  kennen,  zu  derHclbeu  Annahme  gelangt.  Bedenken  gegen  die 
Identifizierung  hat  Liechtenhan,  a.  a.  0.  S.  240fll  erhoben.    Er  halt  es  für 


Die  Pistifi  Sophia  und  der  Papyrus  Brucianui«.  195 

als  „Fragen  der  Maria"  stellt  sich  die  Pistis  Sophia  resp.  der 
Hauptteil  des  Buches  dar  (s.  das  Nähere  a.  a.  0.  S.  107 ff.,  wo 
oanientlich  auch  darauf  hingewiesen  ist,  daß  p.  3S6f.  der  Pistis 
Sophia  die  schlagendste  Parallele  zu  dem  obscönen  Teil  der  Be- 
richte des  Epiphanius  [hacr.  26,  3  ff.]  hat;  vgl.  auch  Epiphan.  haer. 
26,  3  mit  Pistis  Sophia  p.  231.  2t)6f.).  Als  ophitiscli-sethitisch  (mit 
dieser  Häresie  sind  die  Archontiker  nah  verwandt)  im  Unter- 
schied vom  wüsten  Ophitismus  haben  wir  die  asketisch  gerichteten 
Häretiker  unseres  Buches  zu  bezeichnen  (s.  a.  a.  0.  S.  110  ff.). 

Die  gnostischen  Schriften,   die  im  Cod.  Brucianus  enthalten 
sind,  lassen  sich  in  zwei  ineinander  geschobene  Bücher  differen- 
zieren, von  denen  eines  wiederum  aus  zwei  Teilen  besteht    Das 
hat  Karl  Schmidt,  der  sie  als  erster  zuverlässig  ediert,  aus  dem 
Koptischen  übersetzt  und  bearbeitet  hat  (Texte  u.  Unters.  Bd.  8 
H.  1.  2,  1892),  sicher  erwiesen.    Erwiesen  hat  er  ferner,   daß  sie 
der  Pistis  Sophia  sehr  nahe  stehen,  d.  h.  aus  demselben  Kreise 
stammen.    Endlich  ist  es  ihm  gelungen,  diesen  Beweis  noch  da- 
durch zu  erhärten  und  zu  determinieren,  daß  er  zwei  in  der  zweiten 
Schrift  genannte  Namen,  den  des  gnostischen  Propheten  Marsanes 
nnd  den  des  Nikotheus,  identifiziert  hat.    Der  erste  findet  sich  bei 
den  Archontikern  ( Kpiphan.,  haer.  40,  7)  —   damit  ist  das  Siegel 
auf  das  gedrückt,  was  oben  ausgeführt  wurde  — ,  der  zweite  war 
auch  eine  Autorität  für  die  Gnostiker,  die  Plotin  in  Kom  bekämpft 
hat    (Porphyr.,  Vita  Plotin.  16).    Der    letzteren   i^eobachtung   ist 
Schmidt  in  seiner  gehaltvollen  Abliandlung  über  Plotins  Stellung 
zum  Gnostizismus  u.  kirchl.  Christentum  (Texte  u.  unters.  Bd.  20 
H.  4,  1900)  weiter  nachgegangen.    Dagegen  sind  gegen  den  Ver- 
such Schmidts,  die  erste  der  beiden   im  Brucianus  enthaltenen 
Schriften   (in   zwei  Büchern)   mit  den    von   der  lUstis  Sophia   ge- 


tuOglk'h,  (laß  ein  Toil  (lt?r  V.  S.  „Fnij^ou  «l«'r  Marin"  «^fhcißcii  liat;  nWr  pr 
meint,  daß  „die  kleinen  Fragen"  auch  obszön  «x<*we!?f'n  fc^oin  niüft!.son.  Liechten- 
li  an  entfernt  sich  übrigens  doch  im  Sr.hlußurti'il  nicht  weit,  von  nioinor  An- 
sicht (S.  1*42):  „Kine  gnostische  Sekt<^  in  Ajxypton  >)esaß  eine  reiche  Otten- 
barungslitt-eratnr,  worunter  sieli  (?in  Kvanj^eliuni  des  rhilip])us  nnd  Fraffen  der 
Maria  befanden.  Diene  Sekte  sj»altete  sieh  in  einen  asketischen  und  einen 
irbertiniHtisehen  Zweijr;  jede  (Jmpjie  bearbi'it^'te  die  überlii-ferte  li.  Litteratnr 
der  ^ekt<5  in  ihrem  Sinne.  Die  libertinistische  Redaktion  l)ekam  Fipijdianius 
zu  Gesicht,  die  asketisclie  ist  uns  im  1.  n.  2.  T.  der  IMstis  Sophia  erhalt<3n. 
Vielleicht  unterdrückte  der  Kedaktor  unserer  P.  S.  mit  Absicht  jene  durcli  die 
obscönen  BearbeitungiMi  kompromittierten  Titel.  Der  ;>.  Teil  der  P.  S.  läßt 
wich  mit  keinem  der  von  Kjiiphanius  h.  20  p^nannten  Hücher  in  Znsammenhang 
bringen". 


196  ^^^  Litterafcur  des  Morgenlandes. 

naDnten  beiden  Büchern  Jeu  zu  identifizieren,  von  Preuscben* 
und  Liechtenhan^  so  bedeutende  Einwendungen  gemacht  worden, 
daß  er  als  gescheitert  anzusehen  ist  Es  kommt  auch  wenig  auf 
diese  Identifizierung  an.  da  die  Verwandtschaft  der  Ideen  in  beiden 
Werken  auch  von  den  Gegnern  Schmidts  nicht  in  Zweifel  ge- 
zogen wird.  Was  die  Zeit  anlangt,  so  gehört  die  erste  größere 
Schrift  in  zwei  Büchern  in  die  Zeitnähe  der  P.  S.,  die  zweite, 
kleinere,  scheint  erheblich  älter  zu  sein.  Ein  Datum  für  sie  zu 
geben,  wie  Schmidt  es  getan  hat,  wage  ich  nicht 

9)  Hermlas,  Verspottung  der  nlcht-chrlstlicheii  Philosophen. 

Dem,  was  ich  S.  782  des  ersten  Teiles  dieses  Werkes  ausgeführt  habe  — 
nämlich,  daß  die  Annahme  grundlos  sei,  Hermias  sei  in  die  vorkonstantinische 
Zeit  zu  setzen  — ,  habe  ich  nichts  hinzuzufügen.  Krüger^  und  Barden hewer* 
treten,  wenn  auch  nicht  mit  voller  Sicherheit,  für  das  2.  bez.  3.  Jahrh.  ein. 
Bei  letzterem  findeich  aber  nur  folgendes  Argument:  „Der  Boden,  auf  welchem 
das  Werkchen  entsproßte,  muß  doch  wohl  eine  Zeit  heftiger  Reibung  gewesen 
sein,  welche  Funken  sprühen  machte.  Nun  ist  freilich  auch  um  die  Wende 
des  f).  Jahrh.  namentlich  vonseiten  der  christlichen  Sophisten  des  syrischen 
(laza  ein  lebhafter  Kampf  gegen  den  letzt-en  Ausläufer  der  antiken  Philosophie, 
den  Neuplatonismus,  geführt  worden.  Hermias  aber  scheint  den  Neuplatonisraus 
noch  nicht  zu  kennen.  Kr  schwingt  seine  Waffe  gegen  Platoniker,  Peripatetiker, 
Stoikt>r,  Pythagoreer,  Epikureer  usw.;  einen  Neuplatoniker,  Plotin  oder  Por- 
phyriufi  oder  Proklus,  nennt  er  nicht.  Selbstverständlich  hat  er  für  seine  Zeit 
geschrieben,  also  diejenigen  Systeme  verspottet,  von  welchen  er  wußte,  daß 
sie  in  den  öftentlichen  Schulen  vorgetragen  und  vertreten  wurden.  Und  damit 
dürft<*n  wir  in  das  rJ.  Jahrhundert  verwiesen  werden".  Hiergegen  ist  zu  sagen, 
daß,  wenn  die  Arpfumentation  richtig  wäre,  sie  vielmehr  ins  2.  Jahrhundert 
führen  würde.  Sie  ist  aber  ohne  Beweiskraft,  da  auch  noch  in  den  spätesten 
Zeiten  Wert  oder  Unwert  der  griechischen  Philosophie  lediglich  an  den  älteren 
Philosophenschulen  nachgewiesen  worden  ist  (daher  mit  Ausschluß  der  nen- 
])1  atonischen)  und  eine  Fülle  kleiner  Handbücher,  die  man  benutzte,  nicht  über 
die  Placita  der  Stoiker  und  Kpiknreer  hinausgingen. 

Krüger  beruft  sich  für  den  Ansatz  „Zweites  Jahrhundert"  auf  die  Be- 
rührungen mit  der  apologetischnn  Litteratur  dieser  Zeit  und  speziell  auf  die 
Berühning  mit  der  Cohortatio  Pseudojustini,  die  im  ersten  Fünftel  des  8.  Jahrh. 
geschrieben  sei  und  in  den  mit  der  „Irrisio"  gemeinsamen  Partien  als  die  ab- 
hängige erscheine.  Allein  die  Ven^'andtschaft  mit  der  apologetischen  Litteratur 
des  2.  Jahrh.  geht  über  die  gemeinsamen  Züge,  die  die  gesamte  apologetische 
Litteratur  der  alten  Kirche  aufweist,  nicht  hinaus,  die  Cohortatio  ist  nicht  im 
ersten  Fünftel  des  3.  Jahrhs.  geschrieben  (s.  o.  S.  151  ff.),  und  Krüger  räumt 
überdies  selbst  ein,  die  Abhängigkeit  der  Irrisio  von  ihr  sei  zweifelhaft,  denn 


1)  Theol.  Lit..Ztg.    lSO-1   Kol.  lS4f.     Ihm    antwortete   Schmidt   in    der 
Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  1804  S.  555 ff. 

2)  A.  a.  0.  S.  2r)()ff. 

■5)  Protest.  REnzyklop.s  Bd.  7  S.  756. 

4)  Gesch.  d.  altkirchl.  Litt.  1  (11)02)  S.  200 ff. 


Die  ptseudoiiolykarpianincheu  Stücke.  197 

etf  könne   auch  eine   gemeinname    Quellte    zii^ninde    lit'pMi.     Die    Behauptung 

aber,   der  all^J^eiueine  Charakter   der  „Irrisio"  weise   eher   in  dad  *J.  als  in  ein 

(Späteres   Jahrhundert,   ist   liöclist   auffallend.     Welche    für   Heiden    bestimmte 

christliche  Schrifb  deB   2.  Jahriiundcrtri    hat  einen    ähnlichen  Anfang  wie   die 

uni»nge?    Die  uusrige  beginnt  mit  den  Wörtern:  IlavXo^  b  fjLaxcLQtoq  dnoaxoXo^ 

toi^  TjJjV  *E?J.d6a  T^v  AaxtüvixTjv  naifOtxovai  KoQiv^lotq  •/{fniptov^  cJ  dyanr/tol, 

dntiff]yaxo,   JLtytav  *//  ooifia   tov  xoauov  rovtov  fiwQia   naga  xio   ^eio  (ovx 

daxontag  itnwv  *  doxel  ydg   /ioi  tiiv   dgyj^v  tlXrjtph-ai   dno   xF^g  X(5v   dyy^kav 

dHoaxaalag),   6i   i/v   aitlav  ovdh    av/itpwva  ovöh   ofidloya  ol   ipiXoootfOi  ngog 

dlX^Xovg  Xiyovisg  ^xti&fvzai  xu  ödy/iaia.    Fiel  man  im  wirklichen  christlicheu 

Altertum    so    plump  mit   dm-  Tür    ind  Haus  hinein,    mit    dem    »eligen  Aposttd 

1'auluti  und  dem  Engelfall?  Dit'S(>  Stelle  ir«t  die  einzige,  die  iuiKt>rer  farblosen 

Schrift   etwas  Farbe    gibt.     Diesi»  Färbt»  aber  erinnert  nicht  an  die  Apologetik 

iler  vorkonntantinitichen  Zeit. 

10)  Die  psendopolykarpianischeu  Stücke. 

Die  fünf  päeudopolykarpianiriclHMi  Stücke,  die  im  ernten  Teil  dieses 
Werke«  S.  7H  besprochen  worden  sintl  (exegetisch-historisch«'  Bemerkungen  zu 
Matth.  10,5;  'JÜ,  1*3;  Mark.  1,  1;  Luk.  M,  l'Jf.;  Joh.  17,  -1),  können  dem  .{.  Jahr- 
hundert angehören,  aber  beweis(>n  UKit  t'S  sich  nicht.  In  das  '2.  Jahrhundert 
l^ehören  sie  schon  deshalb  nicht,  w«m1  sicli  in  ihnen  der  Satz  befindet:  „L»'gitur 
et  in  dolio  ferventis  olei  i»ro  nomine  Christi  beatus  loannes  fuisse  deuHTsus" 
«Verweisung  auf  die  Acta  Joh.V),  man  mülJte  sie  denn  in  das  letzte  Knde  des- 
selben setzen  wollen'.  Die  Keihenfolge  der  4  Kvv.  (Matth.,  Job.,  Luk.,  Mark.), 
wie  ßie  das  3.  Stück  bietet,  gibt  leider  keinen  Aufschluß  über  den  Ort  der 
Herkunft,  da  diese  Keihenfolg**  (s.  Zahn,  (tesch.  d.  NTlicheii  Kanons  li  S.  370  f) 
sich  8])oradisch  in  verschiedtmen  (iebit»ten  tindet;  doch  ist  sie  für  Italien  am 
l>esten  bezeugt,  und  auf  Italien  weist  auch  die  stark»!  Cbereinstimmung  mit 
•lern  Murat. -Fragment  im  3.  Fragment  („evangelistae  principiis  diversis  utuntur, 
quamvis  una  eademque  evangelizandi  probetur  intentio").  /ahn,  der  früher 
(a.  a.  0.  I  S.  7S:if)  die  Kelitheit  ziemlich  zuversichtlieh  luOuiuptet  hat,  scheint 
jetzt  (Forschungen  VI  S.   103)  skeptiächer  gewonlen  zu  sein. 

Auch  das  von  Conybeure  aus  dem  AniienlMlien  verötfentlicht<'  .^tüek 
über  den  Woclientag  der  (Jeburt  Christi  („(luanlian"  ISJM,  is.  Juli;  deuttrch 
bei  Zahn,  Forsch,  a.  a.  0.)  ist  zu  spät  bezeugt  und  in  sich  zu  fragwürdig,  um 
ernstlich  als  ein  Fragment  Folykarps  in  Ans]»rucli  genoninu?!!  werden  zu  dürfen. 
Dazu  kommt,  dali  es  die  perpetiia  virginitas  Mariae  zur  Aussage  bringt.  Wie 
alt  es  ist,  läßt  sieh  nicht  ^agen;  doch  nniß  man  sieh  ClennMis,  Strom.  I,  21 
••rinnern:  flal  de  ol  nt(jieQy6tfQ0v  xfj  ytvaaei  tov  owiffito^  tf/Awv  ov  fiovov 
xo  izog  d)jM  xal  xtfV  tj/iitQav  nitoottO-ivtt^,  )\v  tfcoiv  tiov^  xtf  Avyovazov  ^v 
:it(ini^  llaxdtv  xal  elxdöi. 

11)  Die  Kede  des  ErzbisclH^fs  vou  Alexaudrieii  Athauasius  an 

den  jüdischen  Gesetzeslehrer  Zakehiius. 

über  ditfsen  Dialog  könnte  man  schweigend  hinweggehen,  hatte  ihn  nicht 
der  erste  Herausgeber,    Con yheare'-^,    in   merkwürdiger  Verblendung  als  vor- 

1)  Johannes-Traditionen  liegen  auch  dem  Satz:  „(Quamvis  [Johannes]  et  af- 
flictiones  plurimas  et  exsilia-  tiderarit",  zugrunde. 

2)  Aneedota  ()xonien>ia.  Chi>s.  S.M-ies,  V.  VIII,  ISUS,  vt\  Theol.  Lit.-Ztg. 
jsIK».  Nr.  *2(i. 


198  ^^^  Litteratur  des  Morgenlandes. 

koustantinisch  (um  d.  J.  300)  und  aus  der  Schule  Lucians  stammend  prokla- 
miort.  Nichts  spricht  dafür,  alles  spricht  vielmehr  dagegen  —  erstlich  die 
Überlieferung,  die,  nicht  ungeschickt,  den  Athanasius  nennt,  zweitens  die  Tat- 
sache, daß  die  origenistische  Ghristologie  in  der  Fassung,  die  sie  auf  dem 
rechten  Flügel  der  Origenisten  des  4.  Jahrhunderts  empfangen  hat,  die  Lehre 
beherrscht  1,  drittens  die  weitere  Tatsache,  daß  Jerusalem  als  eine  christliche, 
von  Mönchen  bewohnte  Stadt  erwähnt  wird,  in  der  die  Auferstehungskirche 
sich  erhebt^.  Da  diese  Züge  schlechterdings  nicht  als  Interpolationen  ausge- 
schieden werden  können,  so  ist  die  vorkonstantinische  Entstehung  unseres  Dia- 
logs ausgeschlossen.  Aber  auch  zu  der  Annahme  liegt  kein  Grund  vor,  daß 
ein  älterer  Dialog  zugrunde  liegt:  der  Verf.  benutzt  einfach  den  längst  ge- 
sammelten ai)ologetisch-antijädischen  Sto£  Die  Abfassungszeit  der  in  Ägypten 
entst-andenen  Schrift'  genauer  zu  bestimmen,  liegt  außerhalb  unseres  Interesses^. 


1)  Die  änagaXXaxrog  ovaia  bez.  {dTtagdXXaxtog)  etxwv  {td  cLTiagdkkaxtov 
X.  yvwfdrjQj  T.  S'iX^fiatoq,  r.  ovaiaq)  ist  das  entscheidende  Stichwort-,  s.  p.  15  f. 
49 f.  Gegen  eine  tQonij  des  Logos  wird  p.  20  polemisiert:  ovx  itganTj,  dkkd 
Xaßdfv  aoiQxa  xtA.,  cf.  p.  31:  ov  tganclg  ttfv  ipvoiv. 

2]  S.  40f.:  Odxiti  ydg  i<ntv'IeQOvaa/.yfi  ^lovöaiiov  ndXiQ,  dXXa  Xgiariavwv 
nöXiqt  xoi  xatvib  ovofjLaxi  xalovfiivri  *  dneX^v  ixetas  otpsi  A'giatov  tr^v  noXiv 
tavzrjv  ovaav  xal  tiova%6vx<ov  olxtjxf)QiOv,  xal  xov  Xgiaxov  xyv  *Avdaxaoiv, 
xal  ndvxaq  xovg  ßaaiXsTg  xtjv  öo^av  avxwv  tpegovxaq  . . .  xaxsaxQdfftj  xal 
7Jxifida&fj  ^lovöaloig^  (jixodofni&ii  dh  xal  ido^da^jj  XQiaxiavoXq. 

3)  S.  p.  32 f. 

4)  Auf  den  von  Conybearea.a.  0.  ebenfalls  abgedruckten  Dialog  zwischen 
Timothcus  und  Aquila  einzugehen,  haben  wir  womöglich  noch  weniger  Ver- 
anlassung, da  er  zugestandenermaßen  jung  und  die  Annahme  einer  ält^?ren 
Vorlage  gmndlos  ist. 


VIERTES  BUCH. 


DIE  LITTERATÜR  DES  ABENDLANDES 

VOM 

AUSGANG  DES  ZWEITEN  BIS  ZUM  ANFANG  DES 

VIERTEN  JAHRHUNDERTS. 


Erstes  Kapitel. 
Die  Schriftsteller  bis  zur  Zeit  des  Decius. 

1)  Zephyrinus,  Römischer  Bischof  (198/9- >17;8). 

Daß  er,  wie  Tertullian  und  Victorin,  die  Ketzer  „überwunden" 
habe,  behauptet  Optatus  (I,  9).  Eine  ketzerbestreitende  Schrift  des 
Zephyrin  deshalb  anzunehmen,  ist  jedoch  sehr  prekär,  da  eine 
solche  sonst  niemand  bezeugt  und  Z.  von  Hippolyt  (Philos.  IX,  11) 
als  aifTjQ  löicirrjg  xal  äyQafifdarog  xal  ajttiQog  rtJjv  ixxXrjOiaOTtxojp 
oQcop  bezeichnet  wird.  Eine  sehr  späte  Nachricht,  dali  er  über 
den  Tod  der  Apostelfürsten  geschrieben  habe  (?.  1.  Teil  dieser 
Litt-Gesch.  S.  597),  erklärt  sich  aus  einem  Mißverständnis  von 
Euseb.,  h.  e.  IT,  25,  6.  Dagegen  ist  es  nach  TertiiU.  De  virg.  vel. 
1—3  wahrscheinlich,  daß  unter  ihm  ein  Schreiben  der  Kölner  nach 
Karthago  ergangen  ist  in  Sachen  des  Schleierstreites  (s.  später). 

2)  Theodot  der  Lederarbeiter  und  seine  Sehiiler. 

Die  Zeit  des  Theodotus  ergibt  sicli  daraus,  daß  er  vom  Bischof 
Victor  von  Koni  (Euseb.,  h.  e.  V,  28,  6)  exkommuniziert  worden  ist. 
Er  ist  also  unter  diesem  oder  schon  unter  Kleutherus  nach  Rom 
gekommen  und  zwar  aus  Byzanz,  wo  er  (nach  Hippolj'ts  Syntagma) 
in  der  Verfolgung  verleugnet  haben  soll.  Schriftbeweise  für  seine 
Lehre  müssen  aufgezeichnet  existiert  haben,  sei  es  von  ihm  selber, 
sei  es  von  einem  oder  mehreren  seiner  mimischen  Schüler;  im  Syn- 
tagma hat  Hippolyt  einiges  davon  mitgeteilt,  was  uns  Epiphanius 
aufbewahrt  hat  (haer.  55,  8).  Wann  er  gestorben  ist,  wissen  wir 
nicht 

«^)  Theodot  der  Wechsler^  Asblepiodotns,  Hermophilus, 

ApoUonides. 

Schüler  des  Vorigen,  die  zwischen  190  und  220  in  Kom  eine 
Rolle  gespielt  haben.  Der  fehlgeschlagene  Versuch  einer  eigenen 
Kirchenstiftung  in  Rom  (Euseb.,  h.  e.  V,  28)  fällt  unter  den  Epi- 
skopat des  Zephyrin.    Schriftliches  ist  auch  von  ihnen  zur  Kennt- 


202  I^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

nis  des  Hippoljt  und  des  Verfassers  des  Stückes  Euseb.,  h.  e.  V,  28 
gekommen,  sowohl  kritische  Untersuchungen  des  Bibeltextes  als  Be- 
gründungen ihres  adoptianischen  Lehrbegriffs  (Epiphan.,  haer.  55, 8). 

4)  Artemon  (Artemas),  adoptianlseher  Lehrer  in  Rom. 

Dieser  Lehrer  in  Rom,  der  eine  gewisse  Rolle  gespielt  haben 
muß,  ist  ganz  dunkel.  Er  fehlt  bei  Hippolyt  (im  Syntagma  u.  in 
der  Refut),  bei  TertuUian  und  bei  Novatian.  Dagegen  ist  die  von 
Euseb.,  h.  e.  V,  28  exzerpierte  römische  Streitschrift  (höchst  wahr- 
scheinlich Hippolyt,  s.  dort,  und  nicht  Cajus)  gegen  ihn  gerichtet 
gewesen  {Ujtovöaofia  xaza  rrjq  ^jQzsfiSvog  algioecog,  Euseb.  hat 
ihr  aber  nichts  entnommen,  was  sich  auf  die  Person  des  Artemon 
bezieht);  er  wird  in  dem  Schreiben  der  antiochenischen  Synode 
gegen  Paul  v.  Samosata  als  ein  hervorragender,  wie  es  scheint 
noch  lebender  adoptianischer  Häretiker  erwähnt  (Euseb.,  h.  e. 
VU,  30:  „Paulus  mag  an  Artemas  Briefe  schreiben,  und  die  An- 
hänger des  Artemas  sollen  mit  ihm  Gemeinschaft  halten''))  und 
Epiphan.,  haer.  65,  1  will  wissen,  daß  Paul  v.  Samosata  die  schon 
erloschene  Häresie  des  viele  Jahre  früher  aufgetretenen  Artemon 
erneuert  habe.  Diese  Angaben  lassen  vielleicht  den  Schluß  zu,  daß 
Artemon  etwa  um  225—230  —  nicht  früher,  da  er  in  der  Refiit. 
des  Hippolyt  noch  fehlt  —  eine  der  Lehre  des  Theodotus  ähnliche 
Lehre  aufgestellt  (sie  kann  mit  ihr  nicht  identisch  gewesen  sein; 
s.  meinen  Art.:  „Monarchianismus"  in  der  Protest  REnzy kl. ^  Bd.  13 
S.  317)  und  sich  einen  kleinen  Anhang  erworben  hat  Novatian 
hat  wohl,  ohne  ihn  zu  nennen,  in  dem  Werke  De  trinitate  auf  ihn 
Rücksicht  genommen.    P^.r  scheint  lange  gelebt  zu  haben. 

«j)  Praxeasy  Epigonus,  Kleomenes  und  Sabellins.  Der  Verfasser 
der  monarchianlschen  Prologe  zn  den  Evangelien. 

Über  die  Zeit  des  Praxeas  s.  Teil  I  Bd.  I  dieses  Werkes 
S.  375 f.  Er  kam  entweder  unter  Victor  oder  wahrscheinlicher 
unter  Eleutherus  nach  Rom;  sicher  hat  der  ei*stere  die  Lehre  des 
Praxeas  zu  bestärken  sich  angelegen  sein  lassen  (s.  adv.  omn.  haer. 
fin.).  Praxeas  ging  dann  nach  Karthago;  aber  es  gelang  Je- 
mandem*', wahrscheinlich  TertuUian  selbst,  den  von  ihm  gesäeten 
L'rtum  wieder  auszurotten,  ja  den  Praxeas  zu  schriftlichen  Er- 
klärungen zu  veranlassen  („chirographum"),  die  als  Zurücknahme 
des  Irrtums  aufgefalU  wurden.  Diese  Erklärungen  wurden  im 
Kirchenarcliiv  deponiert  Es  geschah  dies  vor  TertuUians  Bruch 
mit  der  großen  Kirche  (also  vor  207/8  bez.  206/7),  wie  TertuUian 
(Adv.  Prax.  D  ausdrücklich  bemerkt    Weiteres  ist  nicht  bekannt. 


Prazeas,  Epig^nus,  Kleomenes  und  Sabellius.  203 

Tertullian  aber  hatte  mehrere  Jahre  später  doch  Grund,  auf  die 

Foo  Praxeas  ausgestreuten  Irrlehren  zurückzukommen  und  seinen 

Traktat  Adv.  Prazean  zu  schreiben  (s.  später). 

Nach  Hippel,  Philos.  IX,  7  kam  Epigonus ,   ein  Schüler  des 

SiDyrnenser  Modalisten  Noetus,  nach  Rom  (nach  Abfassung  des 
hippolytischen  Syntagmas  oder  kurz  vorher,  also  unter  Zephyrin) 
and  lehrte  selbst  den  Modalismus.   Er  brachte  es  aber  noch  nicht 
zu  größerer  Wirkung;  erst  seinem  Schüler  Kleomenes  gelang  dies 
nnter  der  Konnivenz  des  römischen  Bischofs  Zephyrin,    og   rra 
xigdei    JtQO0ipBQ0[iip(p   jtH&ofiSPOg   ovpsxdQSc    xolq    jtqoOiovöi    rm 
KleoiiivH  fiad^fjTBveod-ai  (also  ein  öidaCxaXtlop),  xal  avzbg  vjzoövqo- 
fi€ifOc  tA  XQ^^9^  ^^^  '^^  avra  Sgfifjro,   övfißovkov  xal  owaycovi- 
OTov  xAv  xaxAv  ovrog  avxA  KaXXlaxov, . . .  xovtcjv  xaxa  diaöox^^ 
ÖUfi€iV£  xb  öiöaöxaXelop  xQaxvpofievov  xal  ijrav^ov  öia  xb  ovpalQt- 
ad^cu  avxolg  xbv  Ze<pvQtpop  xal  xbv  KaXXiorov.    Ob  Epigonus  und 
Kleomenes  etwas  Schriftliches  hinterlassen  haben,  wissen  wir  nicht; 
aber  daß  modalistische  Äußerungen  auch  schriftlich  vorlagen,  er- 
kennt man  aus  Hipp.  c.  Noet  und  Tert.  adv.  Prax. 

Die  Zeit  des  Sabellius  ist  zu  bestimmen,  sonst  ist  fast  alles, 
was  ihn  angeht,  dunkel.  Hippolyt  (Philos.  IX,  11)  fühlt  ihn  so  ein, 
als  hätte  er  ihn  vorher  schon  genannt.  Da  er  das  nicht  getan 
bat^  so  muß  man  schließen,  daß  er  den  ersten  Lesern  ganz  bekannt 
war,  d,  h.  noch  unter  ihnen  lebte  (bei  Epigonus  und  Kleomenes 
ist  Hippolyt  anders  verfahren;  sie  waren  daher  wahrscheinlich 
nicht  mehr  am  Leben,  als  er  die  Philosoph,  schrieb).  Aus  den 
Worten  Hippolyts  folgt,  daß  Sabellius  in  der  letzten  Zeit  des 
Zephyrin  das  Haupt  der  modalistisch  Gesinnten  in  Rom  gewesen 
ist^  Hippolyt  bringt  ihn  nicht  mit  Kleomenes  in  Zusammenhang, 
sondern  deutet  in  dunklen  Worten  an,  daß  Kailist  selbst  ihn  ur- 
sprünglich zur  Irrlehre  verführt  habe  (ov  xal  avrbv  i^torf/oa  övvd- 
fitiHiP  xaxoQd-ovv).  Sabellius  blieb  ein  konsequenter  Modalist,  und 
Kallist,  der  andere  Wege  einschlug,  sah  sich  daher  genötigt,  ihn 
zii  exkommunizieren,  obgleich  er  ihm  dogmatisch  nahe  stand 
(Philos.  IX,  12:  xbv  SaßiXXiop  djrtwötp  cjg  ///)  g^QorovvTic  oQd^cbg, 
ÖBÖotxcbg  ifis  xal  rofiucop  orrco  övpaöO-ac  djTox()iil'ao&ai  xfjv  JtQbg 
xag  ixxXtjoiag  [also  waren  auch  andere  Kirchen  schon  beteiligt] 
xaxT/yoQlav,  mg  firj  dXXox{ncog  (pQOvAv),  Dies  geschah  um  d.  J.  220; 
denn  Kallist  war  217/8— 222  3  Bischof  in  Rom.  Sabellius  hat  gegen 
Kallist  nun  die  Anklage  erhoben  (ovvBymg  xarfjyoQjjöaxo),  er  habe 
den  ei-sten  Glauben  verlassen  (Philos.,  1.  c).  Für  uns  verschwindet 
nun  Sabellius  von  der  Bühne.  Mehrere  Väter  des  4.  Jahrhunderts, 
zuerst  Basilius,  nennen  ihn  einen  Afrikaner,  bez.  Libyer  (aus  der 
Pentapolis),  und  wir  haben  keinen  sicheren  Grund,   dies  zu  be- 


204  1^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

zweifeln.  Doch  ist  es  wohl  möglich,  daß  die  Nachricht  daher 
stammt,  daß  seine  Lehre  in  der  Mitte  des  3.  Jahrh.  in  der  Penta- 
polis  besonders  Wurzel  gefaßt  hat  Daß  Sabellius  Rom  nach  seiner 
Exkommunikation  verlassen  hat,  hören  wir  nicht.  Da  er  aber  zum 
Heros  eponymos  des  Modalismus  geworden  ist,  muß  er  entweder 
in  anderen  Landeskirchen  persönlich  gewirkt  oder  eindrucksvolle 
Schriften  geschrieben  haben  L  Leider  aber  ist  uns  nichts  Näheres 
bekannt,  nicht  einmal  die  Titel  seiner  Werke.  Wir  vermögen  da- 
her nur  unsicher  zu  entscheiden,  ob  die  Lehrformulierungen,  die 
unter  seinem  Namen  zitiert  werden  (s.  besonders  Athanas.  c.  Arian. 
IV,  9—29),  ihm  oder  seinen  Schülern  angehören  und  ob  sie  dem 
3.  oder  4.  Jahrh.  zuzuweisen  sind.  Aus  inneren  Gründen  kann 
mau  aber  doch  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  einiges  ihm  vindi- 
zieren (s.  meinen  Art.  Monarchianismua  in  der  Protest. REnzyklop.^ 
Bd.  13).  Da  das  fast  ausschließlich  „Gedanken"  sind,  die  wörtliche 
Fassung  aber  unsicher  ist,  müssen  wir  hier  von  dem  Versuche  ab- 
stehen, echt  Sabellianisches  auszuscheiden. 


Über  die  alten  monarchianischen  Prologe  zu  den  lateinischen 
Evangelien  besitzen  wir  eine  eindringende  Untersuchung  von 
Corssen,  der  auch  die  Texte  rezensiert  hat  2.  Daß  die  Prologe 
nicht  zur  Vulgata  gehören,  sondern  aus  viel  älterer  Zeit  stammen, 
daß  sie  aus  einer  Feder  sind^  und  von  vornherein  für  eine  Aus- 
gabe der  Evangelien  bestimmt  waren**,  läßt  sich  nicht  bezweifeln. 
Dann  aber  können  sie  nur  aus  einer  Zeit  stammen,  in  welcher  in 
der  römischen  Kirche  die  modalistisch-monarcliianische  Doktrin  die 
offizielle  gewesen  ist;  denn  diese  Doktrin  spricht  sich  unzweideutig 
und  stark  in  den  Prolocjen  aus.  Aus  Rom  aber  stammen  sie. 
„Sicher  ist,  daß  sie  niclit  allmählich  und  von  verschiedenen  Seiten 

1)  Diili  luiin  im  Ori(Mit  von  seiner  Person  nichts  wußte,  zeigt  P^piph. 
haer.  0*J,  1  sehr  deutlioli.  In  der  ^lystagogia  des  Petrus,  die  in  der  Ep.  Justiniani 
adMennam  enthalten  ist  (Koutli,  Reliq.  Hacr.^  iV  p.  81),  ist  von  Sabellius  so 
die  Rede,  als  habe  er  noch  zur  Zeit  des  Dionysius  des  Großen  gelebt  und  ihm 
persönlich  Schwierigkeiten  gemacht.  Allein  man  braucht  letzteres  nach  dem 
Wortlaut  nicht  notwendig  anzunehmen. 

2}  Texte  u.  Unters.  XV  H.  1;  s.  die  Texte  auch  in  Wordsworths  u. 
W  h i  t  e s  A usgaben  d(;r  Vulgata,  1  SSI)  ii'.  Dazu  Jülich  e r  in  den  Uött.  (icl.  Anz. 
ISIM)  S.  S41H'.  u.  Holtzmann  in  der  Tlieol.  Lit.-Ztg.  1897  Kol.  331ff. 

i>)  Wi(lers})rüche  fehlen  allerdings  nicht,  aber  sie  gehen  auf  die  Quellen 
zurück,  di«?  benutzt  sind.  Den  monarchianischen  Charakt-er  scheint  Ehrbar«! 
(Die  altehristl.  Litteratur,  1!HK\  S.  415 f.)  zu  beanstanden,  hat  aber  bisher  noch 
keine  (J runde  ang<*gj'l)eii,  sondern  zieht  sich  auf  die  prekäre  Unterscheidun;^ 
von  (Tlaubensv«Tkün(ligung  und  Tlieologie  zurück. 

A)  (U^<r,.n  Dol, schütz,  Studien  z.  Textkritik  d.  Vulgata  (1805)  S.  80. 


Praxcasy  Epigonus,  Kleomenes  und  Siibellius  ubw.  205 

in  die  Vnlgata  eiiigedruDgen  sind;  denn  dann  wäre  der  Prolog  zu 
Johannes  gewiß  auf  verschiedene  Weise  der  Vulgata  angepaßt 
worden.  Da  dieser  aber  nur  eine  Grundform  der  Bearbeitung  zeigte 
80  müssen  wir  annehmen,  daß  zu  einer  bestimmten  Zeit  an  einem 
maßgebenden  Orte  eine  einheitliche  Redaktion  der  Prologe  statt- 
gefanden  hat.  Das  kann  kaum  anderswo  als  in  Eom  p^ewesen  sein, 
ein  Umstand,  der  für  die  Geschichte  der  Vulgata  von  Bedeutung 
ist  Wenn  man  sich  aber  hier  entschloß,  diese  Prologe  in  die 
Valgata  aufzunehmen,  so  kann  man  damit  nur  der  Macht  alter 
Gewohnheit  nachgegeben  haben,  die  diese  vor  Hieronymus  mit  don 
EvaDgelienhandschriften  verbunden  wußte  und  sie  trotz  ihm  nicht 
entbehren  mochte*  K 

Die  Zeit,  in  der  die  modalistische  Doktrin  in  Kom  die  offizielle 
gewesen  ist,  ist  die  Zeit  des  Victor  und  Zephyrin  (c.  190 — 217). 
Damals  also  —  schwerlich  erst  unter  Kaliist,  zu  dessen  Zeit  der 
strenge  Modalismus  an  offizieller  Stelle  ins  Wanken  geriet  —  sind 
die  Prologe  verfaßt  worden,  bez.  ist  die  lateinische  Evangelien- 
edition (es  braucht  nicht  die  erste  lateinische  gewesen  zu  sein), 
zu  der  sie  gehören,  erschienen.  Man  wird  aber  lieber  an  die  Zeit 
Zephjrins  denken  als  an  die  Victors.  Denn  dt?r  Modalisnius  der 
Prologe  ist  kein  naiver  mehr  (wie  wir  das  für  die  Zeit  Victors 
vermuten  können,  den  Hippolyt  nicht  als  einen  Gegner  betrachtet 
hat),  sondern  ein  bewußter,  und  es  spiegeln  sich  in  dem  Materiale, 
welches  die  Prologe  benutzt  haben,  die  inneren  nimischen  Ver- 
hältnisse aus  dem  ersten  Anfang  des  3.  Jahrh.,  wenn  aucli  nicht 
mit  wünschenswerter  Deutlichkeit,  wieder.  Auch  das  Verhältnis 
zum Muratorischen  Fragment  (Co rssen,  a.a  0.  S.  OGf.  i:ir>ir.)  sja-icht 


1)  Co  rssen,  a.  a.  0.  S.  21.     I)in?kt  <^rw'«'is<"n  lälJt  sich  «Icr  rnmisclu»  Ur- 
bprong  nicht;  fiir  ein  Bolches  Werk  Jibcr  wie  das  einer  hitf-iniseheii  FMition  der 
Kvanjifplien  mit  Vorreden  läßt  sich  nberhaii])t  nnr  Hom  oder  Karthaj^o  als  Ort 
«ie8  Urspriinpfs  denken.    Aher  Karthafj;o  ist  anHj^<'sehlosH»'n  —  er«tlieh  wril  in  den 
♦Tst^n  Dezennien  des  3.  .Tahrhunderts  die  offizi«?lle  Kirche  dort  nirht  niodalistisch 
gedacht  haben  kann  (hjlt.t<i  sie  das,  so  liätte  uns  das  Tertnllian  in  fulminanten 
?*chriften  mitgeteilt;  aber  nur  von  der  röuiischen  Kirehe  sagt  er,  <hi(i  dort  „der 
Vat<;r   gekreuzigt   worden   s»'i"),    zw<»itens  weil    die  S])ra(:he   der   rn)loge    die 
>praehe  eines  Mannes  ist,  d«T  sich  mühsam  im  l/ateinischen  ausdrückt,  da  er 
augenscheinlich   ans  (!rlechi.sche  gewöhnt  ist.     „(.)fters  erseheint  der  Ausdruck 
jreradezn  durch  das  (iriechische  grbimdrn,  und  rinig»«s  ist  mir  aus  diesem  ver- 
ständlich.   Dennoch  ist  es  wahrs(?heinlich  (?),  daß  nicht  sowohl  eine  Cben3(»tzung 
al.=j   vielmehr   eine  Cberarb«*itimg    versehieden«'r   griechischer  Quellen  vorliegt. 
So  wenigstens  würde  di«»  fomuile  (tleichheit  bei  den  vorhandenen  mat^rialen 
Widersprüchen  am  leichtesten  zu  erklaren  sein"  (Corssrn,  a.  a.  0.  S.  0.'{\    So- 
mit bleibt  nur  Rom  übrig;  von  Rom  aber  wissen  wir,  daß  die  offizielle  christo- 
lo^sche  Lehre  um  das  Jahr  JfKJ  diejenige  war,  welche  die  Prologe  atmen. 


206  I^ie  Litteratar  des  Abendlandes. 

für  die  angegebene  Zeit  und  für  Rom.  Daß  in  dem  Prologe  zum 
Joh.-Evangelium  die  Leucius-Johannesakten  benutzt  sind,  ist  unver- 
kennbar (aber  nicht  in  bezug  auf  die  Entstehung  des  Evangeliums, 
s.  Karl  Schmidt,  Texte  u.  Unters.  Bd.  24  H.  1  S.  123f.). 

6)  Proculus  (Proclos). 

Die  Schrift  dieses  Hauptes  der  römischen  Kataphryger  für 
den  Montanismus  und  die  kirchengeschichtliche  Bedeutung  Klein- 
asiens —  der  Titel  ist  unbekannt  — ,  deren  Existenz  aus  dem  Dialog 
des  Cajus  gewiß  ist  (Kuseb.,  h.e.  III,  31,4),  ist  zur  Zeit  des  römischen 
Bischofs  Zephyrin  (schwerlich  schon  in  der  letzten  Zeit  des  Victor) 
entstanden  (Euseb.,  h.  e.  II,  25,  6;  VI,  20,  3).  Entweder  hat  er  in 
dieser  Schrift  in  einem  Exkurs  auch  die  Valentinianer  bekämpft 
oder  —  was  wahrscheinlicher  ist  —  eine  besondere  Abhandlung 
gegen  sie  (vielleicht  auch  zugleich  gegen  andere  Gnostiker)  ge- 
schrieben. Da  sie  von  TertuUian  in  dem  Traktat  Adv.  Valent. 
(c.  5)  an  letzter  Stelle  nach  den  Schriften  des  Justin,  Miltiades 
und  Irenäus  erwähnt  wird,  so  folgt,  daß  sie  nicht  später  als  z.  Z. 
Zephyrins  (unter  diesem  ist  TertuUians  Traktat  Adv.  Valent. 
erschienen,  s.  später)  und  schwerlich  früher  als  z.  Z.  Victors 
entstanden  ist.  TertuUian  hat  ihr  nichts  oder  so  gut  wie  nichts 
entnommen;  denn  er  ist  in  dem  Traktat  Adv.  Valent.  fast  durchweg 
von  Irenäus  abhängig.  Neben  TertuUian  in  Karthago  ist  Proculus 
in  Rom  der  litterarische  Vertreter  des  Montanismus  im  Abendland 
gewesen.  Daß  er  identisch  ist  mit  dem  Tert.  ad  Scapul.  4  genannten 
Proculus,  kann  mindestens  nicht  bewiesen  werden. 

7)  Cajus,  römischer  Christ. 

Seine  Zeit  steht  fest;  nach  dem  Zeugnis  des  Eusebius  (h.  e. 
II,  25,  6;  VI,  20,  3j  hat  er  unter  Zephyrin  einen  Dialog  gegen  den 
Montanisten  Proclus  verfaßt.  Zu  diesem  Datum  fügt  sich  auch, 
was  wir  sonst  von  diesem  Cajus  wissen.  Er  war  ein  konsequenter 
Gegner  der  Apokalyptik  und  der  Apokalypse;  als  solchen  liat  ihn 
Hippolyt  angegriffen  (s.  dort)  K  Als  Presbyter  wird  Cajus  erst  von 
Photins  Cod.  48  bezeichnet  (doch  beruht  das  auf  einer  Verwechslung 
mit  Hippolyt;  Eusebius  hat  den  Cajus  nur  einen  kirchlichen  und 


1)  Als  Hii)po]yt.  D(;  antichristo  und  den  Daniel-Kommentar  schrieb,  kann 
er  den  Dialof^:  deö  Cajus  noch  nicht  frokannt  haben,  also  war  dieser  auch  nocli 
nicht  erschienen  (d«'nn  beide  Männer  sind  römische  Christen).  Nun  aber  sind 
jene  Schriften  Hij)j)olyts  wahrscheinlich  um  das  J.  202  bez.  noch  etwas  später 
ediert;  also  werden  wir  nicht  irren,  wimn  wir  den  Dialog  des  Cajus  gegen 
Proclus   auf  c.  205—217   datieren  und  nach  dem  Syntagma  Hippolyts  (s.  dort). 


Römische  Bischöfe  von  Kollist  bis  Fabian.  207 

sehr  beredten  Mann  genannt),  der  ihn  unter  Victor  und  Zepliyrin 
wirken  l&ßt^  Was  man  sonst  in  älterer  oder  neuerer  Zeit  dem 
CaJQs  beigelegt  oder  ttber  ihn  vermutet  hat,  entbehrt  der  sicheren 
Gnudlage.  Auch  zu  den  Alogern  darf  er  nicht  gerechnet  werden, 
da  er  nicht,  wie  diese,  das  Joh.-Ev.  vei-worfen  hat.  Die  Sätze  von 
ihm,  die  Hippolyt  in  seinen  „Capita  adv.  Cajum"  zitiert  und  wider- 
\^  hat,  brauchen  nicht  in  einer  anderen  Schrift  als  in  dem  Dialog 
gegen  Proclus  gestanden  zu  haben. 

8)  Römische  Bischöfe  von  Kaliist  bis  Fabian. 

Dem  römischen  Bischof  Kailist  (2l7/8-222;3)  gehört  ein  Buß- 
^t  an,  das  wahrscheinlich  —  doch  läßt  sicli  Siclierheit  nicht 
gewinnen  —  von  einer  Abhandlung  über  die  Buße  begleitet  war 
(Tertall,  De  pudic.  Iff.),  die  auch  Hippolyt  in  den  Pliilosoph.  vor 
•Aogen  gehabt  hat,   s.  Preuschen,    Terts  Schriften  De  Poenit. 
|].  De  pudic,  189ü,  Rolffs,  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  11  H.  3 
iL  Bd.  12,  H.  4.   Da  aber  nur  eine  Herstellung  der  (iedanken  jeuer 
^Abhandlung,  nicht  aber  des  Wortlautes  gelingt  —  denn  TertuUian 
lischt  wirkliche  Behauptungen  der  Gegner  und  von   ihm  selbst 
ihnen  untergeschobene  Gedanken  und  Beweise  durcheinander,  so 
ist  von  einer  Rekonstruktion  im  einzelnen  abzusehen^.    Dasselbe 
gilt  von  einer  Abhandlung  über  das  Fasten.    Daß  der  Schrift  Ter- 
tullians  De  ieiunio  eine  römische  Abhandlung  dieses  Inhalts  zugrunde 
liegt,  hat  Rolffs  (1.  c.  Bd.  12,  H.  4)  wahrscheinlich  gemacht,  auch 
daß  sie  von  Kaliist  herrührt,  ist  plausibel,  w(»nn  auch  minder  ein- 
leuchtend (doch  kann   man  sich  auf  spätere  Nacliricliten,  Kaliist 
habe  ein  Fastenedikt  erlassen,  berufen,  s.  u.).    Allein  eine  Rekon- 
struktion der  Schrift  ist  hier  noch  aussichtsloser  als  bei  der  Ab- 
handlung   über    die  Buße.     Eine   christologische  Lehrformel   des 
Kaliist  hat  dem  Hippolyt   schriftlich  vorgelegen   (Philos.  IX,  12 
p.  458).     Ebenderselbe  erhebt  gegen  Kallist  folgende  Vorwüi-fe: 
(1)   er  sei  der  erste  gewesen,   welcher  durch  \  erkiindigung  der 
Sündenvergebung  Fleischessünden  Raum  gegeben  habe;  so  habe  er 
auch   den  Angehörigen   anderer  Denominationen  für  ilire  Sünden 

1)  Da  in  dem  Ahschiiitt  Cod.  IS  Cujus  von  IMiotiu.s  diirrhwcj^  mit  Hippolyt 
verwechaelt  worden  ist,  ho  ist  dio  Mitteilunjx,  Cujus  sei  -/.wm  Kisvhof  twv  tl^vwy 
geweiht  worden,  von  Hippolyt  zu  verst^'ln'n.  Jn  hezu«^  auf  Hijjpolyt  aber  liefert 
wahnscheinlich  eine  zweite  Verwechslung  mit  Beryll  von  Bostra  vor,  der  von 
Kusebius  und  HieronymuB  in  einem  Atvm  mit  Hijjpolyt  genannt  wird  imd  den 
man  als  inlaxonoQ  xwv  iO-vwv  bezeichnen  konnte,  weil  sein  Sprengel  nomadi- 
sierende Stämme  umfaßte.  Cbrigens  ist  Photius*  Bericht  ganz  wertlos,  da  er 
aus   uns  bekanntem  Quellen  (Kuseb.  und  Hieron.,  de  vir.  inl.  (ir.)  geflossen  ist. 

L>)  Vgl.  Achelis  in  der  Theol.  Lit.-Ztg.  1S05  Kol.  2:rJft". 


208  ^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

Vergebung  verkündigt,  wenn  sie  sich  seiner  Sekte  anschlössen,  und 
es  en-eicht,  daß  der  Auswurf  vieler  Häresien  und  auch  der  hippo- 
lytischen  Kirche  zu  ihm  gekommen  sei,  (2)  er  habe  bestimmt,  daB 
man  einen  Bischof  nicht  absetzen  dürfe,  auch  wenn  er  eine  Tod- 
sünde begangen  hätte;  unter  ihm  wären  Bischöfe,  Presbyter  und 
Diakonen,  die  in  zweiter  und  dritter  Ehe  lebten,  ordiniert  worden, 
und  wenn  ein  Kleriker  heiratete,  so  bliebe  dieser  im  Klerus,  als 
ob  er  nicht  gesündigt  hätte,  (3)  er  habe  (vornehmen)  Frauen  ge- 
stattet, dem  römischen  Gesetze  zuwider  nach  eigener  Wahl  einen 
Sklaven  oder  einen  Freien  zum  Manne  zu  wählen  und  darum  den 
gröbsten  Verbrechen  (Fruchtabtreibung)  Voi-schub  geleistet,  (4)  unter 
ihm  zuerst  habe  man  es  gewagt,  eine  zweite  Taufe  zu  erteilen. 
Diese  Vorwürfe  müssen  sich  mindestens  zum  Teil  auf  schriftliche 
Erlasse  des  Kailist  beziehen;  denn  nicht  nur  kennt  Origenes  etliche 
derselben  (s.  die  Stellen  im  1.  Teil  dieses  Werks  S.  604  und  dazu 
Comm.  Ser.  in  Matth.  61—69  Lommatzsch  IV  p.  344ff.),  sondern 
auch  die  pseudoisidorischen  Briefe  des  Kailist  behandeln  eben 
jene  Themata,  die  in  den  Vorwürfen  des  Hippolyt  vorliegen  (dazu 
Anordnungen  über  das  Fasten).  Das  hat  nach  früheren  Hinweisen 
Ficker  (Studien  z.  Hippolytfrage,  1893,  S.  109ff.)  scharf  und  richtig 
hervorgehoben  (vgl  auch  Bonizo,  Decret  1.  IV  [Katal.  der  röm. 
Bischöfe]  bei  Mai,  Nova  Patr.  Bibl.  VII,  III  p.  34 sq.).  Die  Sache,  ob 
sie  schon  für  Kailist  nicht  gleichgültig  ist,  ist  doch  für  Pseudo- 
isidor  sehr  viel  wichtiger  und  fordert  aufs  nachdrücklichste  dazu 
auf,  die  Quellen  Isidors  gründlicher  aufzuspüren,  als  dies  bisher 
geschehen  ist:  Isidor  muß  noch  direkt  oder  indirekt  Edikte  des 
Kailist  benutzt  haben!  Hat  er  nicht  auch  wirklich  an  die  Bischöfe 
Galliens  geschrieben?  Briefe  Hippolyts  nach  auswärts  in  Sachen 
dos  christologisclien  Streites  mit  Kaliist  folgen  mit  Sicherheit  aus 
Hipp.,  Refut.  IX,  12,  p.  456,  73.  Das  sich  im  Abendland  über  diesen 
Streit  eine  verdunkelte  Kunde  bis  ins  frühe  Mittelalter  hinein  er- 
halten hat,  darüber  s.  den  I.  Teil  dieses  Werks  S.  604  u.  Achelis, 
Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  1,  Hft.  4,  S.  32 ff. 

Pontian.  Da  dieser  Bischof  am  28.  Sept.  235  resignierte,  so 
fällt  das  Schreiben  einer  unter  ihm  gehaltenen  römischen  Synode, 
welche  den  Origenes  verurteilte  \  zwischen  230  und  235. 

Anter  OS.  Daß  er  eine  Sammlung  von  Märtyrerakten  (der 
Maximinschen  Verfolgung)  befohlen  hat,  darf  man  dem  Papstbiich 
vielleicht  glauben^.  Diese  Sammlung  fällt  zwischen  den  21.  Nov. 
235  und  den  3.  Jan.  236;  denn  dieser  Papst  hat  nur  in  diesen 
Wochen  regiert. 

1)  S.  Teil  I  dieses  Werkes  S.  048.  2)  S.  TeU  1  S.  648. 


ffippolyt.  209 

Fabian  (Bischof  v.  10.  Jan.  236  bis  20.  Jan.  250).  Sicher  ist 
ein  Brief  von  ihm  in  Sachen  des  lanibesitanischen  Häretikers 
Privatus  (Cypr.  ep.  59,  10).  Origenes  hat  ein  seine  Lehre  ent- 
scholdigendes  Schreiben  an  ihn  gerichtet,  und  wahrscheinlich  ist 
ein  Schreiben  des  Fabian  an  Origenes  (Enseb.,  h.  e.  VI,  86,  4; 
Hieron.,  ep.  84, 10  cf.  Baflh,  Invect  I,  44).  Auch  Verkehr  mit  Edessa 
laBt  sich  vermuten  (s.  den  Schluß  der  Akten  des  Märtyrerbischofs 
Barsamya  von  Edessa). 

9)  Hippolyt. 

(t)  ^AjtoÖH^ig  JtsQl  Xqiöxov  xal  ^AvxiXQioxov. 

(2)  IlBQi  d^tov  xal  oaQxog  avaoxaOBGx;. 
De  resurrectione. 

Sermo  de  resurrectione  ad  Mammaeam. 

ÜQoq  ßaöiXlöa  kjtiaxoXri. 

IIsqI  aPaoxaotcDg  xal  dg>ß'aQOlag. 

(3)  UQoxQSJixtxbg  JtQog  ^eßsQSlPav. 

(4)  IIbqI  d^soXoylag. 

(5)  IleQl  xäyad^ov  xal  Jtod^sp  xo  xaxov, 

(6)  Elg  xa  ayia  {^eotpapsia. 

(7)  nQooofiiXla  de  laude  doinini  salvatoris. 

(8)  IleQl  olxopofilag?  De  regiraine?    De  providentiti  ? 

(9)  *AjroÖ£ixTix?j  JtQog  %vdalovg, 

(10)  üegl  xrjg  xov  navxog  ovoiag. 

ÜQog  ^'EXXrivag  xal  jtQog  ÜXaxoyva  //  jreQi  tot  jravTo^, 

IleQl  xov  Jtavxoq, 

IltQl  XTJg  xov  Jtavxog  alxlai:, 

(11)  (JSvvxayfia)  ÜQog  ajtaoag  xa^;  aiQtotig. 
^OfiiXla  elg  X7]v  a?Qeoiv  No/jxov. 

(12)  Kaxa  x^g  ^AQxi^(Dvog  aiQtoecog, 
*0  OfiixQog  AaßvQivd-og. 

(13)  Ilgog  MaQxiwva. 

(14)  ÜQog  fidyovg, 

(15)  ^VjteQ  xov  xaxa  ^kodvvrjv  evayyeXlov  xcX  d:jroxaXvi}:ho)g. 

(16)  Capita  contra  Cajum. 

[(16*)  Eine  Schrift  gegen  den  Montanismus]. 

(17)  Kaxa  Jtaöojp  xg)P  aiQeoewv  eXeyxog- 
*0  AaßvQLviyog, 

(17*)  Die  SchluBkapitel  des  Briefs  an  den  Diognet. 

(18)  IleQl  xov  dyiov  Jtdoxa. 

(19)  ^Ajtoöei^ig  xQovojv  xov  ^«öx«- 

(20)  Der  Canon  paschalis  auf  der  Statue. 

(21)  Xqovixwp  (ßlßXog). 

Harnack,  Altchristi.  Litteratar{;esch.  II,  2.  14 


Die  Litteratur  des  Abendlandes. 

2)  Elg  X7IV  e^aijfisQOV. 

3)  Elg  xa  fisra  rriv  i^arniBQov, 

4)  (In  Genesin). 

5)  (In  Exodum). 

Auslegungen  des  Segens  Isaaks,  Jakobs  und  Moses'  {Elg 
Tfjv  €pdfiv  TTjv  fisyaZtip). 

6)  Eig  rag  BvXoylag  rov  Baiadfi, 
6*)  'EQfifjPsla  'Pov». 

7)  Mg  iyyaöTQlfivd^ov. 

8)  Elg  xov  ^EXxaväv  xoü  r^v  "Apvav. 
8*)  Auslegung  über  David  und  Goliath. 
8**)  Abhandlung  vom  Glauben. 

8***)  Abhandlung:  Die  Gestalt  (Weise)  des  (Jelübdes. 

9)  Elg  Tovg  tpaXfiovg. 

0)  IleQl  jtaQOifuäv  (ßg  rag  JtoQOifi.  2!o2J). 

1)  De  ecclesiaste. 

2)  Elg  To  g^öfia. 

3)  In  Esaiam. 

4)  In  Jeremiam]. 

5)  Elg  fiigt]  rov  *fs^sxc^X. 
Über  den  Tempel. 

6)  Elg  TOP  AavifiX. 

7)  In  Zachariam. 

8)  In  Matthaeum. 

9*)  Aoyog  elg  ttjv  xcöv  xaXapxoDv  öcavofifjp. 
9^)  Aoyog  elg  xovg  ovo  X^öxag, 

0)  Kommentar  zum  Evangelium  des  Johannes  und  zui'  Auf- 
erweckung  des  Lazarus. 

1)  De  apocalypsi. 

2)  Oden. 

3)  IleQl  x^Q^^l^d'^^^  ^AjtoöToZixf]  jtaQaöoötg, 
Unechtes. 

j  über  die  Lebensumstände  des  Hippolyt  in  den  Haupt- 
festgestellt werden  kann,  ist  durch  Döllinger^  Volk- 
eumann^  Ficker^  Achelis^  und  Bonwetsch^  (gegen 

ippolyt  11.  Kallist,  1853. 

ippolytus  u.  d.  röm.  ZeitgenosBen,  1855. 

Br  römische  Staat  u.  die  allg.  Kirche,  1.  Bd.,  1890,  und  Hippol.  v.  Roni 

Sfcellg.  z.  Staat  u.  Welt,  1902. 

udien  zur  Hippolytfrage,  1898. 

3xte  und  Unters.  N.  F.  Bd.  1  H.  4. 

3xte  und  l^nters.  N.  F.  Bd.  1  H.  J  und  d.  Art.  „Hippol."  in  der  Prot^^st. 

x3  Bd.  S  S.  120 ff. 


ffippolyt.  211 

de  Bossi,  Lightfoot\  Salmon,  Erbes,  Grisar,  Mommsen, 
Allard  iL  a.)  so  gesichert  worden,  daß  es  übei-flüssig  ist,  den 
Kampf  mit  den  alten  und  neuen  Legenden  wieder  aufzunehmen. 

Direkte  chronologische  Zeugnisse  sind  nur  wenige  vorhanden. 
(1)  Aus  der  Befutatio  (den  sog.  Philos.)  erfahren  wir 2,  daß  Hippolyt 


1)  Doch  hat  sich  Lightfoot  (Clement  of  Roiue,  2.  Bd.,  1890,  p.  817—477) 
^roße  Verdienste  um  Hippolyt  erworben;  aber  seine  These,  er  sei  Bischof  von 
Tortiis  gewesen,  ist  fsüsch. 

2)  Der  hippolytische  Ursprung  dieses  Werkes  bedarf  keines  Nachweises 
mehr.  Daß  es  auch  in  den  Anschauungen,  in  der  Sprache  und  im  Stil  mannig- 
faltige und  frappante  Obereinstimmungen  mit  den  übrigen,  niemals  bezweifelten 
Werken  desselben  Autors  aufweist  (vgl.  besonders  die  Homilie  gegen  Noetus), 
*»ei  ausdrücklich  hervorgehoben.  Vgl.  Funk  in  den  „Kirchengesch.  Abhandl.  u. 
Unters.",  2.  Bd.  (1809)  S.  161—197,  der  die  falschen  Hypothesen  über  den  Ver- 
fasser eingehend  widerlegt.  Zweifel  hat  noch  Batiffol,  Ancienncs  litt^rat. 
Chr§t.,  La  Littörat.  Grecque  (1897)  p.  156  f.  ausgesprochen,  bez.  die  Zweifel 
(leRossis,  Duchesnes  und  Denis*  (La  philosophie  d'Origöne,  1884,  p.  665 ff.) 
adoptiert:  (1)  Syntagma  und  Refutatio  seien  zu  verschieden,  es  sei  ein«.» 
,.diff6rence  d'un  esprit  k  un  esprit**;  aber  der  höchst  bunte  Stoff,  den  die  Gnostiker 
boten,  konnte  nach  20  Jahren  einen  und  denselben  Autor  zu  einer  sehr  ver- 
schiedenen Methode  der  Bekämpfung  veranlassen.  In  den  Hauptpunkten  sind 
zudem  der  Schluß  der  Refutatio  und  der  Schluß  des  Syntagmas  (die  „Homilie" 
^egen  Noöt.)  keineswegs  verschieden,  sondern  sehr  ähnlich.  (2)  Der  Osterzyklus 
Hippolyts  war  im  Gebrauch  der  römischen  Katholiken;  aber  er  erwies  sich 
bereits  vom  J.  237  ab  notwendig  als  falsch;  er  muß  alfio  von  den  Katholiken 
damals,  als  er  aufgestellt  wurde,  adoptiert  worden  sein,  im  J.  224  oder  später, 
,,8avoir  au  moment  du  pr6tendu  schisme".  Warum  nicht?  Warum  soll  man 
die  Berechnung  eines  Schismatikers  nicht  angenommen  haben,  wenn  man  sie 
für   richtig   hielt?    Auch   wissen  wir   nicht,    ob  Hippolyt  allein  in  Rom  diese 

•  falsche)  Berechnung  angestellt  hat.  (H)  „Nous  pouvons  ajouter  que,  non  seule- 
ment  les  textes  dörives  de  la  Chronique  d'Hippolyte  ne  mentionnent  pas  de 
Kchisme  sous  Calliste,  mais  t^moignent  que,  en  285,  sous  Pontien,  Hippolyte 
etait  pr^tre:  tont  souvenir  de  sa  pretendue  r^volte  6tait-il  donc  k  ce  point 
effac^?  et,  a  sa  reconciliation  avec  l'eglise,  on  l'avait  donc  r6int6gr6  dans  Tordre 
presby t^ral ?"  Daß  man  vom  Schisma  später  geschwiegen  hat,  ist  wohl  ver- 
Htändlich,  und  warum  ist  denn  Hippolyt  allein  mit  Pontian  verbannt  worden 
und  kein  anderer  römischer  Presbyter?  Die  Wiedereinsetzung  in  das  Presbyter- 
jimt  ist  doch  nichts  Auffallendes;  den  Novatianem  gegenüber  ist  dies  später 
fort  und  fort  geschehen.  (4)  Die  Berufung  auf  die  Selbstzitate  des  Verfassers 
der  Refutatio  sei  haltlos,  denn  die  frühere  Ketzerbestreitung  brauche  nicht  das 
hippolytische  Syntagma  zu  sein,  sondern  könne  irgendeine  andere  ketzer- 
bestreitende Schrift  sein,  der  Verfasser  der  Refutatio  habe  Ilegl  xrjq  xov  navxöq 
o'iaiaq  geschrieben.  Hipp,  aber  IJegl  xov  navxoq^  der  Verfasser  der  Refutatio 
»•ndlich  habe  eine  Schrift  Begi  fidywv  verfaßt,  die  bisher  unter  den  Werken 
des  Hipp,  nicht  nachgewiesen  sei.  Diese  Gegengründe  sind  schwach.  Niemand 
hat  sich  im  Sinne  eines  zwingenden  Beweises  darauf  berufen,  daß  das  Syntagma 
im  Proöm.  der  Refiitatio  angeführt  sei.  Andererseits  wird  die  Zahl  großer  ketzer- 
Wstreitender  Schriften,  die  in  Rom  um  2(K)  entstanden  sind,   nicht  bedeutend 

14* 


212  ^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

Gegenbiscliof  *  des  Kailist  in  Rom  gewesen  ist^  daß  er  unter 
Zephyrin  zum  Klerus  der  römischen  Kirche  gehörte  ^  daß  er  die 
Zeit  Victors  als  Augen-  und  Ohrenzeuge  erlebt^  und  daß  er  anderer- 
seits den  Tod  des  Kallist  noch  überlebt  hat\ 

(2)  Wir  hören  (s.  u.),  daß  Hipp,  eine  Schrift  an  die  Kaiserin 
Julia  Mammaea  gerichtet  hat,  also  z.  Z.  des  Alexander  Severus;  erst 
er  hat  seine  Mutter  zur  Augusta  ernannt.  Daß  Hipp,  unter  Alexander 
schrieb,  beweist  auch  sein  Osterkanon,  der  mit  dem  1.  Jahr 
Alexanders  beginnt,  also  damals  verfaßt  ist  (s.  die  Statue  u.  Euseb. 
h.  e.  VI,22),  sowie  seine  Chronik,  die  i.  J.  234/5  geschrieben  ist  (s.  u.). 

(3)  Im  CatÄlog.  Liberian.  heißt  es  (die  Notiz  stammt  ans 
der  Mitte  des  3.  Jahrb.):  „Eo  tempore  Pontianus  episcopus  et 
Yppolitus  Presbyter  exoles  sunt  deportati  in  Sardinia  in  insula 
nociva,  Severo  et  Quintiano  coss.**  [235  ann.].  In  eadem  insula 
discinctus  est  (Pontianus)  IV  KL  Octobr.  et  loco  eins  ordinatus  est 
Antheros  XI  Kl.  Dec.  cons.  ss."  [235  ann,].  Die  Verbannung  ist 
natürlich  nicht  von  Alexander  Severus,  dem  Christenfreunde  (er- 
mordet Anfang  März  235),  sondern  von  Maximinus  Thrax  angeordnet 
worden,  von  dem  wir  wissen,  daß  er  gegen  die  Kleriker  einge- 
schritten ist.  Die  Bezeichnung  des  Hippolyt  als  Presbyter,  ver- 
bunden mit  dem  allerdings  unklaren  und  konfusen  (ob  absichtlich) 
Epitaph  des  Damasus  auf  Hippolyt  (s.  Teil  I  dieses  Werks  S.  612. 
vgl.  auch  deji  späten  Nachhall  des  Schismas  S.  618)  und  seiner 
^'^erehrung  als  Märtyrer  in  der  römischen  Kirche  macht  es  deut- 


^ewesen  sein;  wir  keinuni  nur  (miic,  eben  das  Syutagniu.  Die  Tit-el  Uegl  xov 
navxoQ  und  Uegl  Tfjq  xov  narzog  ovaiag  stehen  sich  doch  selir  nahe;  8.  außer- 
dem, was  wir  unten  zu  Nr.  10  bemerkt  haben.  Endlich  —  Hipp,  hat  außer- 
ordentlich viel  geschrieben;  es  ist  nicht  auffallend,  daß  die  Schrift  i7f()2  ^aywv 
bisher  nicht  nachgewiesen  ist;  viel  auffallender  ist,  daß  in  der  Refiitatio  nicht^ 
noch  mehr  SchriftcTi  vom  Autor  als  die  seinigen  zitiert  sind,  die  wir  nicht 
nachweisen  köimen. 

1)  S.  Refut.  Prooem.  (p.  4,  ."iOtf.  ed.  Duncker). 

2]  Das  Schisma  })nich  sofort  nach  der  Wahl  des  Kallist  aus.  Die  Dar- 
stellung in  d(?r  Refut.  IX,  12  (j).  4;">(),  TOff.)  ist  so  zu  verstehen,  daß  Hippolyt 
sich  nach  der  Wahl  des  Kallist  sofort  protestierend  und  die  christologisclu» 
Irrlehre  «les  Kallist  aufdeckend  an  die?  Kirchen  gewendet  hat.  Kallist  sucht«' 
durch  Kxkommunikation  des  Säbel Hus  den  Vorwurf  abzuwälzen  und  behauptete 
sich  durch  dit'son  gf'sehickten  Cou])  in  der  Tat  gegen  Hii)polyt. 

.1)  Dies  folgt  aus  llcfut.  IX,  11  und  ergibt  sich  ferner  aus  der  Tatsach»-, 
daß  (Jrigenrs,  d«'r  unter  Caracalla  und  Zeidiyrin  in  Rom  war,  genauer  zwischiMi 
lill  u.  LMf)  <)  (Kuseb.,  h.  e.  VI,  14),  dort  den  Hipi)olyt  ])redigen  hörte  (Hieroii. 
De  vir.  inl.  Ol). 

4)  Die  Darstellung  in  der  Refut.  IX,  11  u.  12  macht  das  ganz  deutlich. 

5)  Das  besagen  die  Worte  Refut.  IX,  12  (p.  4(;2,  41  f.):  o'v  [KallioTovl 
SiafXivsi  xo  SiöaaxaXeTov  y.ik. 


Hippolyt.  213 

lieh,  daß  Hippolyt  zuletzt  seinen  Frieden  mit  der  Kirche  geschlossen 
hat.  Andererseits  aber  ist  er  noch  als  Bischof  verbannt  worden; 
denn  wäre  er  bereits  Presbyter  gewesen,  so  ist  nicht  abzusehen, 
warum  er  allein  aus  dem  Presbyterkollegium  herausgegi-iffen  und 
mit  dem  Bischof  zusammen  verbannt  worden  ist.  Das  gemeinsame 
Geschick  hat  ihn  mit  Pontian  versöhnt,  und  damit  war  das  Schisma 
erloschen.  Für  den  Ausgang  seines  Lebens  interessierte  sich  der 
Papstkatalog  nicht  mehr  (vgl.  dagegen  die  Notiz  über  Pontian). 
Hippolyt  ist  entweder  auf  Sardinien  gestorben  oder  bald  darauf 
in  Rom*.  Jedenfalls  ist  er  nicht  als  Märtyrer  gestorben,  sondern 
sein  Martyrium  war  eben  das  Exil.  Bestattet  wurde  er  (Depos. 
Mart  Catalogi  Liber.)  am  13.  August  [236?]  „in  Tiburtina",  wo 
noch  seine  Statue  gefunden  worden  ist.  Alles,  was  über  seinen 
Märtyrertod  von  Prudentius  ab  erzählt  worden  ist,  ist  pure  Fabel, 
wie  zuletzt  noch  Ficker  und  Achelis  erwiesen  haben.  Ganz 
willkürlich  ist  es,  auf  den  bloßen  Namen  hin  einen  alexanclrinischen 
Dionysius  mit  ihm  zu  identifizieren  (Euseb.,  h.  e.  VI,  46,  5). 

Die  Zeit  der  schriftstellerischen  Tätigkeit  des  Hippolyt  begi-eift 
also  die  JJ.  c.  200—235.  Ob  er  schon  vor  dem  J.  200  z.  Z.  des 
römischen  Bischofs  Victor  tätig  war,  läßt  sich  nicht  entscheiden; 
der  Bericht  in  der  Refut.  über  die  Vorgänge  unter  Victor  lautet 
nicht  so,  daß  die  Annahme,  Hippolyt  sei  damals  schon  römischer 
Presbyter  gewesen,  nahe  liegt.  Als  Schüler  des  Irenäus  bezeichnet 
Photius  (ßibl.  121)  den  Hipp,  auf  Grund  der  eigenen  Aussage  des- 
selben in  einer  seiner  Schriften  (dem  Syntaguia),  und  wirklich  steht 
Hipp,  keinem  anderen  Lehrer  so  nahe  wie  dem  irenäus'-^.  Man 
nmß  an  persönliche  Schülerschaft  denken  (s.  u.),  und  die  Annahme 
ist  daher  schwer  zu  vermeiden,  daß  Hippolyt,  etwa  um  190,  zeit- 
weilig in  Lyon  gewesen  ist.  (An  Kleinasien  ist  nicht  zu  denken, 
und  daß  Hipp,  des  Irenäus  Schüler  in  Rom  gewesen  ist,  ist  ebenso 
unwahrscheinlich).  Will  man  ihm  nicht  ein  exorbitant  hohes  Alter 
beilegen,  so  darf  man  mit  dem  Ansatz  für  seine  Geburt  nicht  über 
160 — 170  hinaufgehen;  aber  der  Presbyter  z.  Z.  Zephyrins  wird 
auch  schwerlich  später  als  c.  160 — 170  geboren  sein;  das  Datum 
seiner  Geburt  wird  ungefähr  in  die  Mitte  zwischen  der  des  Ter- 
tullian  und  des  Origenes  fallen. 


1)  Daß  Hi])polyt  bald  nacih  dem  .1.  -H5  gestorben  ist,  ergibt  sich  auch  aus 
folgender  Erwil^ung  mit  Wahrscheinlichkeit:  die  Ostertabellen,  die  auf  der 
Statue  eingemeißelt  sind,  haben  sich  schon  seit  dem  J.  237  als  falsch  erwiesen 
(und  zwar  wiesen  sie  einen  Fehler  von  3  Tagen  auf).  Also  ist  die  Statue  vor 
dem  J.  238  errichtet  worden.  Da  sie  nun  schwerlich  bei  Lebzeiten  Hippolyts 
♦  mchtet  worden  ist,  so  ist  Hippolyt  vor  dem  J.  238  gestorben. 

2)  S.  0 verbeck,  Quaest.  Hipp,  speciraen,  18135  u.  vgl.  die  Refiitatio. 


214  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

Im  folgenden  soll  (1)  bestimmt  werden,  was  Hippolyt  wirk- 
lich gehört,  und  (2)  die  Abfassungszeit  der  einzelnen  Schriften,  so- 
weit möglich,  ermittelt  werden.  In  der  Besprechung  der  Schriften 
folge  ich  der  Anordnung,  wie  ich  sie  im  1.  Teil  dieses  Werkes 
S.  605  ff.  gegeben  habe^ 

(1)  ^AjioÖBL^iq  jtBQi  Xqiotov  xal  ^AvxixqIotov\ 

Über  diese  Schrift,  deren  Echtheit  nie  bezweifelt  worden  und 
unzweifelhaft  ist,  haben  Overbeck,^  Achelis^  und  Neumann'* 
die  gründlichsten  Studien  angestellt.  Die  Schrift  ist  veranlaßt 
durch  „xsipdXaca''  (c.  1),  welche  der  Freund  des  Hipp.,  Theophilus. 
vorgelegt  hatte  ^.  Dieselben  müssen  Frageform  gehabt  und  sich 
auf  die  Zeichen  der  Zeit  und  die  Eschatologie  bezogen  haben. 
Direkte  Zeitangaben  fehlen  in  dem  Buch;  aber  die  indirekten  sind 
so  stark,  daß  sowohl  die  drei  oben  genannten  Forscher,  als  auch 
viele  andere  (z.B.  Zahn^  Bardenhewer®  und  Bonwetsch^)  in 
dem  Ansatz  zusammentreffen,  unsere  Schrift  sei  nicht  lange  vor 
d.  J.  202  geschrieben.  Ich  kenne  überhaupt  keinen  Gelehrten  außer 
Salmon^^  der  dieses  Datum  in  Zweifel  gezogen  hätte;  Salmons 


1)  Wir  besitzen  drei  —  oder  wenn  man  die  spärlichen  Angaben  des  Photiii»* 
und  Ebed  Jesu  mitzählen  will  (T.  1  dieses  Werkes  S.  615f.  G18)  fünf  —  Schriften- 
verzeichnisse des  Hippolyt.  Von  diesen  kommen  die  des  Eusebius  und  Hiero- 
nyraus  über  den  Wert  hinaus,  den  die  Einzelangaben  besitzen,  nicht  in  li»- 
tracht;  denn  von  einer  chronologischen  Reihenfolge  kann  nicht  die  R^de  sein. 
und  die  gebotene  Auswahl  wird  teils  parteiisch,  teils  zufällig  sein.  Das  Schriften- 
verzeichnis auf  der  Statue,  welches  bald  nach  dem  Tode  Hippolyts  angefertigt 
sein  muß  —  denn  wer  hatte  in  Rom  später  noch  ein  Interesse,  den  Hippolyt 
zu  verherrlichen?  — ,  kann  eine  Auswahl  nach  bestimmten  Gesichtspunkten 
sein,  aber  wir  vermögen  das  Prinzip  oder  die  l^rinzipien  nicht  mehr  zu  ent- 
decken (zumal  da  wir  das  Verzeichnis  nicht  mehr  vollständig  besitzen).  Schriften, 
die  bedenklich  schienen  oder  von  dem  Schisma  Zeugnis  ablegten,  ließ  man 
natürlich  fort.  Chronologisch  ist  die  Reihenfolge  der  Schriften  jedenfalls  nicht, 
denn  die  'AnoSsi^ig  ;i^()oVct>v  rov  ndaya,  die  früher  geschrieben  ist  als  die  Chronik 
(s.  u.),  steht  hier  nach  derselben. 

2)  Der  Titel  ist  nicht  sicher,  s.  die  Ausgabe  von  Achelis  (1897).  AußiT 
im  Slawischen  ist  die  Schrift  auch  im  (hnisinischen  vorhanden,  aber  noch  nicht 
veröffentlicht. 

3j  a.  a.  0. 

-l)  Texte  u.  Unters.  N.  F.  lid.  1  11.    1. 

5)  Hipp.  v.  Rom  (1902)  S.  11  ff . 

G)  7'a  n^oati^hta  vno  oov  rjuTVy  nicht  oot  Itt*  i/jiov,  ht  die  richtige  LA. 

7)  (iesch.  des  NTlich.  Kanons  H  S.  081  ff  lO'JOft'. 

8)  Patrologie,  2.  Aufl.  S.  188. 

0)  Protest.  RKuzyklop.3  Bd.  8  S.  129  f. 
10)  Hennathena  lid.  8  (1892)  p.  101  ff". 


Hippolyt.  215 

AnfstelloDgen  aber  sind  ganz  unhaltbar  ^    Der  Beweis  stützt  sich 
<t)  auf  die  Beobachtung,  daß  unsere  Schrift  dem  Daniel-Kommentar 
Yorhergeht  —  sie  ist  öfters  in  ihm  erwähnt  — ,  daß  aber  dieser  Kom- 
mentar anter  dem  Eindruck  der  VerfolgUDg  von  202/3  geschrieben 
ist  (au.);  er  stützt  sich  (2)  auf  die  Wahrnehmung,  daß  die  Zweifel 
an  der  Offenbarung  Johannis  dem  Hippolyt  noch  nicht  entgegen- 
getreten sind  und  sich  überhaupt  die  innerkirchlichen  Kämpfe,  die 
Hipp,  unter  Zephyrin    beschäftigt   haben,  in  der    Schrift   noch 
nirgends  widerspiegeln ''.    Anderseits  ist  das  Hauptwerk  des  Ire- 
näos  in  dem  Traktat  benutzt  und  die  Friedenszeit  unter  Commodus 
vorbei;  aber  auch  die  Stürme,  welche  das  römische  Reich  in  der 
ersten  Hälfte  der  neunziger  Jahre  an  den  Rand  des  Abgrunds 
brachten,  sind  vorüber   und   lassen   sich   nicht    mehr   erkennen 
(anders   im  Apolog.  Tertullians);   das   Reich   erscheint  vielmehr 
wieder  geschlossen  und  fest    Die  Lage  der  Christen  ist  sonst  die- 
selbe wie  im  Apolog.  TeiluUians:  Verfolgungen  sind  an  der  Tages- 
ordnung, aber  keine  akute  Verfolgung^.    Der  Gegensatz  gegen  das 
Reich  hat  sich  gesteigert;  das  sieht  man  deutlich,  wenn  man  die 
einschlagenden  parallelen  Abschnitte  des  Irenäus,  die  dem  Hippolyt 
vorlagen,  vergleicht    Unser  Traktat  ist  also  zwischen  197  und  202 
geschrieben;  „näher  steht  sie  dem  späteren  Datum"  (Neumann). 
Man  wird  der  Wahrheit  sehr  nahe  kommen,  wenn  man  mit  Over- 
beck  (p.  100)  den  Ansatz  macht:  ^circa  anmim  200". 

(2)  IleQl  d-eov  xal  OaQxog  avaoxaoecoq. 
De  resurrectione. 
Sermo  de  resurrectione  ad  Mammaeam. 

ÜQoq  ßaOiXlöa  ijtiOToX?], 

IIbqI  avaöxaöBcoq  xal  a<p^aQOlaj:, 

Daß  diese  Titel  sämtlich  auf  eine  Schrift  gehen,  ist  über- 
wiegend wahrsclieinlich.  Der  erste  Titel  wird  auf  dem  Schriften- 
verzeichnis der  Statue  im  Nachtrag  angeführt,   der  zweite  von 

1)  Salmon  avtzt  den  Danielkommcntar  in  die  letzte  Zeit  des  Severus 
Alexander  bez.  läßt  ihn  noch  später  und  nach  Hi])p.8  Tode  von  einem  Schüler 
«*diert  sein.  Diese  Annahme  scheitert  bereits  an  der  Tatsache,  daß  der  Daniel - 
kommentar  z.  Z.  einer  Verfol^ing,  bez.  unter  ihren  Nachwehen  verfaßt  ist, 
während  unter  Scverus  Alexander  Frieden  herrschte,  die  düstre  Beurteilung  des 
römischen  Reiches,  welche  der  Kommentar  aufweist,  daher  imerklärlich  würe. 
Aber  auch  sonst  stehen  sehr  starke  Argumente  diesem  ganz  singulären  Ansatz 
entgegen,  s.  Zahn,  a.  a.  0.  8.  102<Jff. 

2)  Gegen  die  Annahme,  Origenes  sei  in  der  Schrift,  benutzt,  s.  Overbeck, 
a.  a.  0.  S.  90flf. 

'S)  S.  Neu  mann,  a.  a.  0.  S.  0<X 


216  ^^^  Littcratur  des  Abendlandes. 

Hieronymus,  der  dritte  von  sjnrischen  Exzerpten,  der  vierte  von 
Theodoret,  der  fünfte  von  Anastasius  Sinaita.  Der  Inhalt  der 
spärlichen  Fragmente  bietet  kein  Hindernis,  sie  auf  eine  Schrift 
zurückzufuhren,  sondern  ist  dieser  Annahme  sehr  günstig  ^  Die 
Schrift  ist  in  der  Regierungszeit  des  Alexander,  also  zwischen 
222—235  geschrieben.  Interessant  ist  es,  daß  selbst  in  einer  Schrift 
an  die  Kaiserin  sich  Hippolyt  mit  den  Gnostikern  zu  schaffen 
macht  Die  Verwirrung,  welche  sie  anrichteten,  war  also  augen- 
scheinlich keine  bloß  innerkirchliche,  was  man  übrigens  auch  aus 
Justin,  Celsus  und  wiederum  aus  Plotin  lernen  kann  2. 

(3)  UQOTQSJiTcxog  JtQoq  SeßBQBlvav. 

Diese  Schrift,  welche  Döllinger  mit  der  IstioroXf^  jiqoq  ßaci- 
klöa  (s.  0.)  identifizieren  und  als  an  eine  Kaiserin  Severina  gerichtet 
auffassen  wollte,  ist  spurlos  verschwunden;  nur  das  Schritten  Ver- 
zeichnis auf  der  Statue  nennt  sie.  Eine  Kaiserin  Severina  hat  es 
in  der  Lebenszeit  Hippolyts  nicht  gegeben,  und  selbst  wenn  Seve- 
rina =^  Severa  genommen  werden  dürfte,  so  ist  an  Julia  Aquilia 
Severa,  die  zweite  Gemahlin  Elagabals,  doch  nicht  zu  denken,  da 
das  Schriftenverzeichnis  eine  Kaiserin  schwerlich  einfach  „Severa" 
genannt  hätte.    Vom  Inhalte  der  Schrift  wissen  wir  nichts. 

(4)  IIeqI  d^eoloylag. 

Nur  durcli  ein  Zitat  in  den  Akten  des  Laterankonzils  v.  649 
kennen  wir  eine  hippolytische  Schrift  dieses  Namens  und  erhalten 
ein  kurzes  Zitat  aus  ihr.  Die  Bezeugung  ist  zu  schwach,  um  die 
Schrift  für  echt  zu  nehmen,  und  der  Inhalt  des  Zitats  lautet  nicht 
liippolytisch,  sondern  schmeckt  nach  einer  späteren  Zeit  (To  d^iXsiv 

iX^C   6   ß-BOQ,  OV   TO   fit]    d^iXsiP'    TQfJtTOV   yciQ    TOVTO   Xül   JtQOaiQBTOV' 

dtöicp  yag  {^ekfjfiarc  d^eov  tjcerai  rä  yii^ofispa,  w  xal  yevofieva  ftevu 
owCofisifa)^.  Das  Rätsel  löst  sich  leicht.  Dem  Hippolyt  ist  eine 
Schrift  Karä  BriQcovoq  xaVlllixog  rcop  alganxciv  Jtsgl  &soXoylag 
xal  öaQxcQöecog  untergeschoben  worden,  aus  der  uns  8  große  Bruch- 
stücke überliefert  sind.    Zu  diesen  Bruchstücken  ffigt  sich  unser 

1)  Abdnick  der  Fraj^iionte  bei  Achelis  f,  2  p.  240 — -54,  der  indessen  die 
Schrift  TteQl  dvaoxdoewq  xal  d^S-agoiag  mit  der  anderen  zu  identifizieren  Be- 
denken trägt;  Hipj).  könne  dasselbe  Thema  zweimal  behandelt  haben. 

2)  über  die  Hypothese  Marrs,  die  Schrift  Uegl  S^sov  xal  aagxbq  dra- 
otdaewg  mit  einer  im  Gnisinischen  unter  dem  Namen  Hippolyts  erhnltt^non 
Schrift  zu  identifizieren,  r.  n. 

3)  Lagarde,  Hippel.  Opp.  p.  80. 


Hippolyt.  217 

Zitat  ausgezeichnet  (s.  bes.  das  1.  ii.  2.  Bruchstück),  und  da  auch 
der  Titel  stimmt,  ist  wohl  ein  Zweifel  nicht  mehr  möglich'. 

(5)  Hege  rayad^ov  xal  Jtod^ev  ro  xccxop. 

Von  dieser  Schrift,  die  nui*  der  Nachtrag  in  dem  Schrifteu- 
vei-zeichnis  der  Statue  nennt,  ist  schlechterdings  nichts  erhalten. 
Sie  handelte  von  der  berühmten  Doktorfrage  der  Gnostiker  und 
Marcioniten. 

(6)  J'Jlg  Ter  ayia  ß^so^apsia. 

Die  Echtheit  ist  nicht  zweifellos,  hatte  ich  Teil  1  dieses  Werkes 
S.  621  geschrieben.  Von  Achelis 2  und  BatiffoP  habe  ich  vollends 
gelernt,  daß  sich  die  Echtheit  der  von  Zahn\  Salmon^  Kleinert^ 
und  Lightfoot'  verteidigten  Schrift  kaum  halten  läßt^.  Schon 
die  Art  der  Rhetorik  eiTegt  Bedenken^  noch  größere  Bedenken 
erregt  die  Erwähnung  der  Dattelpalme,  des  Baptisteriums,  der  Ver- 
gleich des  Sternenhimmels  mit  einem  Mosaik  —  solche  Mosaiken  gab 
«s  schwerlich  im  3.Jahrh.in  den  Kirchen  —  und  die  Formel  01; j^raööe- 
-xai  T^  XQioxrp  bei  der  Taufe,  die  morgenländisch  ist;  besonders 
«instößig  ist  der  Satz'^^:  vjtb  oov  rov  öov/Lov  ßaJtrlCoticu  (so  spricht 
Jesus  zu  Johannes),  im  /iTjöatg  ßaaUicov  //  vjteQfjot^'^cQ^  öiajtrvo^ 
-vjto  xsvixQov  iBQtcog  ßajtriöd^TJpaL  Das  scheint  die  nachkonstan- 
tinische  Zeit  sicher  anzudeuten:  die  Rede  ist  wohl  bei  der  Taufe 
eines  sehr  vornehmen  Mannes  gehalten.  Den  Bedenken  von 
Achelis  haben  sich  auch  Ehrhard^^  Bardenhewer ^-,  Neu- 
niann^^  und  aufs  bestimmteste  Bonwetsch^*  angeschlossen.    Ab- 

1)  S.  Achelis,  Texte  ii.  Unters.  N.  F.  1,4  S.  iMOf. 

2)  a.  a.  0.  S.  104  ff. 

3)  Hippolytea  in  der  Rev.  biblique  T.  7  (189S)  S.  119  ff. 

4)  Ztschr.  f.  kirchl.  Wiss.  u.  kiixhl.  Leben,  Bd.  0  (188.'))  S.  33 f. 

5)  Bei  Smith  und  Wace  T.  111  p.  102. 

())  Z.  Christi.  Kultus-  u.  Kulturgesch.  (iaS9)  S.  22  ff.  2<>7ff. 

7)  Clement  of  Rorae^,  T.  11  p.  309. 

8)  Der  Titel  ist  übrigens  auch  unpassend;  es  ist  eine  Taufn?do,  keine 
Predigt  zum  Epiphanienfest. 

0)  Der  Reim  ist  ausgiebig  von  beiden  benutzt,  und  schwungvoll  ist  auch 
der  echte  Hippolyt  öfters;  allein  zu  den  besonderen  Bildern  und  der  rhetori- 
Bchen  Art  des  Verfassers  dieser  Homilie  finde  ich  bei  jenem  keine  sicheren 
rarallelen. 

10)  Hipp.8  Werke  hrsg.  v.  Achelis  S.  2(50,  9  ff. 

11)  Die  altchristl.  Litt,  und  ihre  Erforschung  (19(^0  S.  :;9(jf. 

12)  Patrologie  2  S.  191. 
1.3)  Hippolytus  S.  138. 

14)  Protest.  REnzyklop.^  Hd.  8  S.  13(». 


218  ^i^  Litteratur  des  Abendlandes. 

solute  Gewißheit  in  bezug  auf  die  Unechtheit  vermag  ich  indes 
nicht  zu  gewinnen.  Selbst  das  zuletzt  angef&hrte  Argument  könnte 
durch  den  Hinweis  entkräftet  werden,  daß  der  Prediger  ein  kühnes 
Wort  sprechen  wollte  und  daß  Könige  in  Edessa  schon  getauft 
worden  waren. 

(7)  nQoaofiiZla  de  laude  domini  salvatoris. 

Nur  Hieronymus  (De  vir.  inl.  61)  erwähnt  diese  Schrift,  und 
ein  Bruchstück  hat  sich  nicht  erhalten.  Da  Hieron.  (mitten  im 
lateinischen  Text)  das  griechische  Wort  IlQoöofiiXla  zur  Bezeich- 
nung des  Stückes  benutzt  und  dann  fortfiOirt,  Jn  qua  praesente 
Origene  se  loqui  in  ecclesia  significat",  darf  maii  vielleicht  an- 
nehmeU;  daß  das  Stück  keine  solenne  Predigt  gewesen  ist,  sondern 
eine  freiere  biblische  Ansprache.  Das  „se  loqui  significat"  schließt 
es  aus,  daß  die  Anwesenheit  des  Origenes  nui'  auf  dem  Titel  be- 
merkt war  (gegen  Ach elis),  vielmehr  hat  Hipp,  auf  den  berühmten 
Gast  als  Zuhörer  hingewiesen,  wie  später  Chrysostomus  in  ähn- 
lichen Fällen  in  seinen  Predigten  oft  getan  hat  Die  Predigt 
stammt  aus  der  Zeit  Zephyrins,  denn  (s.  o.)  unter  ihm  machte  Ori- 
genes seine  Reise  nach  Rom.  Doch  muß  man. an  die  letzte  Zeit 
Zephyrins  denken;  denn  vorher  war  Origenes  noch  kein  berühmter 
Mann.  Er  hat  damals  in  Rom  für  den  Standpunkt  des  Hippolyt 
und  gegen  die  Politik  und  Haltung  Zephyrins  und  seines  Ratgebers 
Kailist  Interesse  gewonnen,  wie  aus  seinen  späteren  Schriften  deut- 
lich hervorgeht.  Dagegen  läßt  sich  in  Hippolyts  Schriften  keine 
Teilnahme  für  Origenes  und  keine  Beeinflussung  durch  ihn  wahr- 
nehmen. 

(8)  HsqI  ülxorofilag":!    De  regimine?    De  Providentia? 

Ebed  Jesu  (Catal.  7)  führt  eine  Schrift  Hipp.s  unter  dem  Titel 
jÄnn:nmtt  b:p  icanD  an;  man  streitet  sich  darüber,  wie  das  zu  über- 
setzen ist.  Die  drei  oben  gegebenen  Übersetzungen  scheinen  mög- 
lich.   Daher  sind  Vermutungen  über  ihren  Inhalt  ausgeschlossen. 

(9)  \4jtoöeLxrixij  jtQog  ^lovöalovg. 

Das  aus  der  willkürlichen  Verbindung,  in  die  es  Simon  de 
Magistris  mit  Pseudocyprian  adv.  Jud.  gebracht  hat,  befreite 
Stück  *  bietet  bei  seiner  Kürze  leider,  soviel  ich  sehe,  nicht  An- 
haltspunkte genug,  um  seine  P^chtheit  oder  Unechtheit  zu  beweisen. 


1)  S.  DrUsck«'  in  d.  Jahrbb.  f.  prot.  Thool.  Bd.  12  (188G)  S.  456 ff.    Text 
kritisches  bei  Ficker,  a.  a.  0.  8.  105. 


Hippolyt.  219 

Dafi  niemand  sonst  dem  Hipp,  eine  Rede  gegen  die  Juden  beigelegt 
hat»  ist  kein  zwingendes  Argament  für  die  Unechtheit.  Dasselbe 
durfte  von  der  Formel  c.  4  gelten  {xavra  jtavxa  Xgcoroq  olxovo- 
juxäq  dg  avd'Qmxoq  ^v^^ro,  d-eoc,  a)v  aXrid-ivoq),  In  der  Regeste 
des  Photios  (Cod.  48)  aus  der  hippoly tischen  Schrift  nsgl  rov 
xapTog  findet  sich  sogar  derselbe  Ausdruck  für  Christus.  Aber 
wenn  es  c  7  heißt:  avrog  yag  ioxtv  6  r&  jcargl  ovvätöiog,  so 
gewinnt  doch  das  d-eog  äZfjd^cpog  eine  Färbung,  die  nicht  hippo- 
lytisch  sein  kann.  Andererseits  wird  kein  Kenner  der  Exe- 
gese und  Art  Uippolyts  verkennen  können,  daß  das  Stück  an 
mehreren  Stellen  echt  hippolytisches  Gepräge  hat  (so  auch  Bon- 
wetsch,  Protest  REnzykl.»  Bd.  8  S.  131).  Man  wird  daher  wohl 
der  Wahrheit  am  nächsten  kommen,  wenn  man  ein  monophysitisch 
(das  Fragment  stammt  aus  einer  monophysitischen  Quelle)  über- 
arbeitetes hippolytisches  Stück  in  dem  Fragment  sieht  —  ein  Frag- 
ment ist  es,  denn  mit  ovxovv  kann  die  Schrift  nicht  begonnen 
haben,  und  der  Schluß  fehlt  auch. 

(10)  üegl  Tfjg  rov  jtavxog  ovölag. 

ÜQog  EXZfjvag  xal  JtQog  IlXaxcova  //  jibqX  toC   jtavxog. 

üegl  xov  Jtavxog. 

Iltgl  x^g  xov  xapxog  alxloQ. 

Eine  Schrift  mit  Titel  (1)  legt  sich  Hippolyt  (Refut.  X,  32) 
selbst  bei;  sie  ist  also  älter  als  die  Refutatio.    Der  Titel  (2)  findet 
sich  auf  der  Statue.    Daß  Titel  (1),  (3)  und  (4)  in  den  Handschriften 
einer  und  derselben  Schrift  des  ,,  Josephus"  wechseln,  sagt  Photius 
(Cod.  48).    Auch  Philoponus  (de  niundi  creat.  III,  16)  zitiert  aus 
einer  Schrift  des  „Josephus"  unter  Titel  (4).  Daß  die  Schrift  nicht 
Von  Josephus,  sondern  von  Cajus  ist,  hat  Photius  Scholien  ent- 
nommen, die    übrigens    auch    andere  Verfassernamen    enthielten. 
Aber  Cajus  ist  auch  nur  eine  Verwechslung  mit  Hippolyt,  wie 
das  Selbstzitat  in  der  Refut.  und  der  Kontext  der  Mitteilungen  des 
Photius  beweisen.    Daß  wir  es  mit  einer  Schrift  unter  verschie- 
denen Titeln  zu  tun  haben,  ist  höchst  wahrscheinlich.    Diese  Schrift 
bestand  nach  Photius  (I.  c.)  aus  zwei  Büchern.    Was  uns  aus  ihr 
erhalten  ist,  verdanken  wir  den  SS.  Parallela  (mit  Ausnahme  des 
Stückes  bei  Philoponus);  denn  der  erste  Druck  des  Hoeschelius 
geht  indirekt  auf  sie  zurück.    Das  große  Fragment  ist  jetzt  von 
HolP  rezensiert  vorgelegt  worden,  ohne  die  Zusätze  aus  Clemens 
Alex.,  die  sich  in  den  SS.  Parall.  gar  nicht  finden  und  schon  von 
Overbeck  (Quaest  p.  5)  als  solche  erkannt  waren. 

1)  Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  5  H.  L>  S.  137  ff. 


220  ^^^  Littemtur  des  Abendlandes. 

Die  Echtheit  des  Fragments  kann  deshalb  zweifelhaft  er- 
scheinen, weil  ein  Stück  desselben  in  den  Mss.  der  SS.  ParalL  CHR 
das  Lemma  Eigrjpalov  trägt,  ein  zweites  in  CR  das  Lemma  t.  ay. 
MbXbtIov  ijtiox.  \4vTioxelag,  Allein  die  Stücke  stehen  mit  den 
Teilen  des  Fragments,  die  die  ausführliche  Aufschrift:  'icooijtxov 
Ix  xov  Xoyov  Tov  ijtiysyQafi/iePov  {xarä)  nXavmvoq  jtSQl  rijg  rov 
jtavTog  ahlaq  xai  xaxa  'ElXi]va)v  tragen,  in  bestem  Zusammenhang, 
so  daß  die  Identität  der  Verfasser  nicht  bezweifelt  zu  werden 
braucht  Dann  aber  hat  die  ausführliche  Aufschrift  den  A'orzug; 
sie  rechtfertigt  sich  auch  durch  den  Inhalt  des  Fragments;  denn 
p.  139,  50flF.  werden  die  "EXX^^vBq  ausdrücklich  angeredet  (cf.  p.  141. 
81),  und  p.  139,  52fiF.;  141,  80ff.  wird  gegen  Plato  polemisiert. 

Damit  ist  die  Echtheit  erwiesen;  denn  das  Schriftenverzeichnis 
auf  der  Statue  sagt  ja  ausdrücklich,  daß  die  Schrift  jibqi  xov  xav 
xog  sich  schon  im  Titel  als  eine  Schrift  gegen  die  Griechen  und 
Plato  angekündigt  hat.    Nicht-Hippolytisches  habe  ich  in  dem  Frag- 
ment, das  die  Petrus- Apokalypse  voraussetzt,  nicht  gefunden,  wohl 
aber  eine  Stelle,  die  sehr  entschieden  für  Hippolyt  spricht    P.  141, 
soff,  schreibt  der  Verfasser:  ovöl  Mipcog  xal  ^Päödfjav&og  xqlxA 
ol  xad^  vfiäg,  "EXXf]V6g,  dXX*  6p  6  d^sog  xal  jtaxi}Q  ido^aös,  jtSQi  ov 
Iv  IxtQoig  XsjtxofiSQbOxsQOV  öieXfiXvd^afisp  jtQog  xovg  ijri^tjxovt^' 
rag  xfjp  dXtjO^eiav,    Also  haben  wir  hier  einen  Autor  vor  uns,  d^'V 
schon  mehreres  geschrieben  hat  und  auf  eine  seiner  Schriften  zurück" 
weist    Das  fügt  sich  sehr  gut  zu  Hippolyt',  aber  auch   die  Au^" 
drucksweise  ist  hippoly tisch,  s.  Refut  Prooem.  p.  2  (ed.  Dunckex'^j 
(')v  [der  Häretiker]  xal  jrdXai  iitxQiwg  r«   öoyfiaxn  i§e^efit(ha,  o^ 
xaxa  XtJtxov  ijnöcUapTSQ. 

(11)  {2^vvxayfia)  lluog  djtdoag  xag  aigeoeiq. 
yjfiiXla  slg  ryv  al'Qsoip  Norjxov. 

Daß  diese  von  Hippolyt  selbst  in  der  Refutatio  (L  c.)  zitierte, 
von  Eusebius,  Hieronymus  u.  a.  genannte  bez.  angedeutete,  von 
Photius  beschriebene,  im  Chron.  paschale  und  von  Gelasius  benutzte 
Schrift,  welche  die  Darstellung  und  Widerlegung  von  32  Häresien 
(Dositheus  bis  Noetus  und  die  Noetianer)  umfaßte,  von  Epiphanias 
und  Philastrius  ausgeschrieben,  von  PseudotertuUian  (Adv.  omnes 
haereses)  exzerpiert  und  übersetzt  worden  ist,  hat  Lipsius  be- 
wiesen (Z.  Quellenkritik  des  Epiphanios,  1865)  und  die  Nach- 
prüfung zahlreicher  Gelehrter-  bestätigt  In  bezug  auf  den  Umfang 

1)  Wolclio  Schrift  j:^emoint  ist,  Hißt  sich  leider  nicht  sageu. 
J)  S.  u.  a.  Hiirnack  in  d.  Ztschr.  f.  d.  hist.  Theol.  1874  S.  143 ff.,  Kunzv. 
])«'  hi^it.  (Jiiosticisnii   fontibnt^,    1894,    Faye    in  d.  Rev.  d'hist.  des  relig.  1002, 


Hippolyt.  221 

der  Schrift  ^  hat  man  sicli  durch  die  Bezeichnung  „ßißhöaQiop'^  bei 
Photius  täuschen  lassen.  Um  dieses  Ausdi'ucks  willen  hat  man  es 
(auch  ich  früher)  für  unwahrscheinlich  erklärt,  daß  die  in  geson- 
derter  Überlieferung  und  (zur  Hälfte)  bei  Epiphanius  erhaltene 
.Homilie"  gegen  die  Häresie  Noets  den  Schluß  des  Syntagmas  ge- 
bildet habe.  Allein  diese  „Homilie"  ist  der  Schluß  des  Syntagmas^; 
denn  (a)  dieses  schloß  mit  Noet  und  den  Noetianeru;  (b)  in  der 
«Homilie"  wird  (c.  11)  nicht  nur  auf  Valentin,  Marcion,  Cerinth 
und  (c.  3)  auf  Theodot,  sondern  auch  auf  jräoai  xooavxai  algioeu 
(c  8)  zurückgeblickt,  denen  sich  die  noetianische  Häresie  als  letzte 
angeschlossen  habe  und  denen  gegenüber  die  Wahrheit  nun  dar- 
zulegen sei;  (c)  Gelasius  hat  ein  Stück  der  Homilie  lateinisch 
wiedergegeben  mit  der  Zitationsformel:  „in  memoria  haeresium*", 
und  damit  bezeugt,  daß  die  Homilie  Bestandteil  eines  Werkes  gegen 
die  Häresien  ist;  (d)  ein  großes  Werk  Hippolyts  speziell  gegen 
die  monarchianischen  Häresien  —  der  Schluß  eines  solchen  müßte 
die  „Homilie"  sein,  wenn  sie  nicht  der  Schluß  des  Syntagmas  ist  — 
ist  unbezeugt^.  Aber  auch  wenn  es  ein  solches  Werk  gegeben 
hätte,  könnte  die  „Homilie"  nicht  seinen  Schluß  gebildet  haben; 
denn  die  Bekämpfung  des  relativ  frühen  Noet  müßte  mitten  im 
Werk,  nicht  aber  am  Ende  gestanden  haben. 

Ist  aber  die  „Homilie"  der  Schluß  des  Syntagmas^,  so  ist  das- 
selbe ein  ziemlich  umfangreiches  Werk  gewesen;  denn  allein  die 
Bekämpfung   des   Noet   und    die   Darlegung   der    Wahrheit   hat 


April — Sept.  Man  vgl.  auch  die  Arbeiten  von  Iwanzov-Platonov  (Die  Hö- 
reeien  und  Schismen  der  3  ersten  Jahrh.  [russisch],  1877),  Hilgenfeld  (Ketzer- 
gesch.,  18S4),  Voigt  (Eine  verschollene  Urkunde  des  antimontan.  Streits,  18!U), 
Rolffs  (Texte  u.  Unters.  Bd.  12,  H.  4),  Kattenbusch  (Apost.  Symbol  Bd.  I, 
18i*4,  S.  351  ff.).  Rolffs'  eigentümliche  Ansichten  liabcn  sich  mir  niclit  be- 
währt, und  ich  lasse  sie  beiseite. 

1)  Der  Titel  Dqoq  andaaq  taq  algiaeiq  steht  fest;  aber  auch  ,yaiyTay/ia" 
wird  durch  das  Chron.  pasch,  und  Photius  bezeugt. 

2)  Daß  der  Ausdruck  pißliöagiov  nicht  ein  unüberwindliches  Hindernis 
gegen  die  Annahme  einer  umfangreicheren  Schnft  sei,  hat  Dräseke  (Ztschr. 
f.  wißs.  Theol.  1903  S.  58 ff.  72ff.)  gezeigt  (vgl.  auch  Rolffs,  Texte  u.  Unters. 
Bd.  12,  H.  4,  S.  156);  übrigens  fragt  es  sich  auch  noch,  ob  Photius  das  ganze 
Werk  oder  nur  die  Epitome  in  Händen  gehabt  hat.  Drüse ke  hat  in  dem 
obigen  Aufsatz  die  Zugehörigkeit  der  „Homilie"  zum  Syntagma  mit  guten 
Gründen  bewiesen  und  mich  überzeugt. 

3)  Die  Annahme  eines  solchen  Werks  fußte  darauf,  daß  der  Kardinal 
Sirlet  ein  Werk  Hippolyts  gegen  Monarchianer  (unter  ihnen  freilich  auch  Paul 
V.  Samosata!)  gesehen  haben  wollti».  Die  Hoffnung  auf  dasselbe  aber,  die  mich 
einst  nach  Rossano  geführt  hat,  zerrann,  s.  Batiffol,  L'abbaye  de  Rossano 
(1S91)  p.  75  ff. 

4;  Die  Homilie  ist  übrigens  dogmatisch  durchkorrigiert,  s.  Dräseke  S.  GSf. 


222  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

18  Kapp.  (14  Druckseiten  in  der  Ausgabe  Lagardes  p.  43—57) 
umfaßt.  Auf  ein  umfangreicheres  Werk  fährt  auch  das  Zitat, 
welches  das  Chron.  paschale  in  bezug  auf  die  Quartadecimaner 
bietet  (p.  12 f.);  denn  dieses  Zitat  zeigt  klärlich,  daß  es  einem 
breiten  Kontext  entnommen  ist.  Daß  das  Syntagma,  trotz  der 
eigenen  Bemerkung  Hippolyts  {fievQlcog  ra  doy/iara  i§€d-ifud-a,  ov 
xarä  Xbjixov  hjtiöel^avxeq,  aXXa  äÖQOfiBQcig  iXiy^avrsgjj  namentlich 
in  Hinsicht  der  Widerlegungen  nicht  ganz  knapp  gestaltet  war» 
erkennt  man  auch;  wenn  man  die  Exzerptoren  Epiphanius,  Phila- 
strius  und  PseudotertuUian  eingehend  untersucht  Denkt  man  sich, 
wie  Lipsius  das  getan  hat,  das  Syntagma  als  eine  ganz  kurze 
Schrift,  so  sieht  man  sich  zn  der  Annahme  genötigt,  daß  Epiphanias 
neben  dem  Syntagma  mehrere  Spezialschriften  Hippolyts  gegen 
einzelne  Häretiker  benutzt  hat^  Er  bietet  nämlich  in  den  be- 
treffenden Partien  im  Vergleich  mit  Philastrius  und  Pseudo- 
tertuUian einen  sehr  großen  Überschuß  in  bezug  auf  Darstellnng 
und  Widerlegung  von  Häretikern,  der  augenscheinlich  nicht  sein 
geistiges  Eigentum  ist,  der  vielmehr  aus  derselben  Zeit  und  von 
demselben  Verfasser  herrührt  wie  seine  übrigen  Mitteilungen. 
Statt  nun  der  prekären  Hypothese  zu  folgen,  dieser  ÜberschuU 
stamme  aus  unbekannten  Spezialwerken  Hippolyts,  hat  man  der 
einfachen  Annahme  recht  zu  geben,  der  Überschuß  habe  im  Syn- 
tagma selbst  gestanden.  Aber  auch  bei  dieser  Annahme  kann  man 
nicht  stehen  bleiben.  Studiert  man  PseudotertuUian  genau  und 
vergleicht  ihn  mit  Philastrius  (der  außer  dem  Syntagma  nachweis- 
bar auch  das  Panarion  des  Epiphanius  benutzt  hat),  so  fällt  auf, 
wie  nahe  sich  beide  in  ihren  Angaben  nach  Inhalt  und  Umfang 
stehen  und  wie  anders  der  Text  des  Epiphanius  auch  in  den 
parallelen  Stücken  stilisiert  ist.  Philastrius  aber  hat  den  Pseudo- 
tertuUian nicht  gekannt.  Man  bemerkt  aber  ferner,  daß  dieser  bei 
aller  Kürze  nicht  sowohl  den  Eindruck  macht,  ein  Exzerpt  zu 
bieten,  als  vielmehr  die  Übersetzung  eines  gegebenen  Textes.  Diese 
Beobachtungen  —  vor  allem  das  Rätsel  der  Gleichartigkeit  dessen, 
was  Philastrius  und  PseudotertuUian  auf  Grund  eines  weitschich- 
tigen Textes  bieten  —  führen  auf  die  einzige  Annahme,  die  alle 
Schwierigkeiten  löst,  daß  nämlich  PseudotertuUian  eine  Epitome 

1)  Hippolyt  hat.  nachweisbar,  wie  Tertulliaii,  auch  Spezialwerke  gegen 
Häretiker  pfoschrieben  (so  gegen  Marciou,  die  Aloger,  wahrscheinlich  gegen 
Ai-temon),  und  Epiphanius  hat  neben  dem  Syntagma  eines  dieser  SpeziaJwerke 
(das  gegen  die  Aloger)  höchst  wahrscheinlich  gekannt  und  benutzt,  vielleicht 
auch  zwei  (s.  u.).  Aber  es  ist  nicht  gestattet,  die  Zahl  dieser  von  Hippolyt 
verfaßt<»n,  von  Epiphanius  exzer]>ierten  Werke  ohne  Not  und  ohne  ein  Zeugnis 
<lor  Überlieferung  zu  vermehren. 


Hippolyt.  223 

des  Syntagmas  und  nur  sie  benutzt,  daß  Epipbanius  dagegen  das 
Werk  selbst  exzerpiert,  und  daß  Philastrius  auch  nur  die  Epitome, 
aber  dazu  das  Werk  des  Epipbanius  ausgeschrieben  hat.  Die 
Epitome  wird  wohl  von  Hippolyt  selbst  herrühren,  der  ja  auch 
seinem  zweiten  großen  ketzerbestreitenden  Werke,  der  Refutatio, 
in  dem  10.  Buch  eine  solche  beigegeben  hat.  Je  länger  ich  mich 
mit  den  einschlagenden  Problemen  beschäftigt  habe,  um  so  sicherer 
ist  mir  diese  Lösung  geworden. 

Was  nun  die  einzelnen  der  32  Häresien  anlagt,  so  lassen  sie 
sich  alle  bis  auf  eine  nach  Pseudotertullian,  Philastrias  und  Epi- 
phanias sicher  bestimmen.  Nur  darüber  kann  ein  Schwanken  be- 
stehen, ob  Hippolyt  zwei  montanistische  Parteien  (wie  Pseudo- 
tertullian) unterschieden  hat.  Wahrscheinlich  ist  es  nicht;  in  diesem 
Fafle  aber  ist  es  unsicher,  welche  Häresie  statt  der  zweiten  mon- 
tanistischen im  Syntagma  behandelt  war^ 

Die  Zeit  und  der  Ort  des  Syntagmas  lassen  sich  mit  wünschens- 
werter Sicherheit  feststellen.  Lipsius  hatte  (a.  a.  0.)  die  JJ.  190 
bis  195  empfohlen  und  als  Ort  der  Abfassung  Kleinasien.  Allein 
diese  Annahmen  sind  von  mir  (a.  a.  0.)  widerlegt  worden.  Von  Rom 
als  Abfassungsort  abzugehen,  liegt  kein  Grund  vor;  die  Abfassangs- 
zeit  aber  ergibt  sich  aus  folgenden  Erwägungen:  (a)  Hippolyt 
sagt  in  der  Refutatio  (Prooem.),  die  nach  dem  J.  222  verfaßt  ist, 
daß  sein  früheres  ketzerbestreitendes  Werk  „jiaXai"  geschrieben 
sei^  (b)  Proculus,  der  römische  Montanistenführer,  war  in  diesem 
Werke  noch  nicht  erwähnt,  auch  nicht  sein  Gegner  Cajus,  (c)  die 
beiden  Theodoti  waren  bereits  behandelt,  aber  Epigoniis,  Kleomenes 
und  Sabellius  waren  noch  nicht  genannt,  (d)  der  uns  erhaltene 
Schluß  des  Werkes  (die  sog.  Homilie  gegen  Noöt)  lehrt,  daß  der 
neueste  Streit  zwischen  Hippolyt  und  dem  römischen  Modalismus 
noch  nicht  ausgebrochen,  aber  schon  im  Anzug  war.  Hieraus  folgt 
mit  Evidenz,  daß  das  Syntagma  in  die  ersten  Jahre  Zephyrins  fällt, 
d.  h.  in  das  1.  Jahrzehnt  des  3.  Jahrhunderts  und  vor  die  Gegenschrift 
gegen  Cajus^.  In  bezug  auf  die  Entstehung  des  Werks  gibt  Photius 
(Cod.  121)  einen  merkwürdigen  Fingerzeig.  Er  schreibt:  ^Avtyvwod^ 
ßißXiöoLQLov   ^JjtjtoXvTov*  fiaO'i]T^g  Ö6  ElQYjvalov  6  ^ IjtJtoXvxoq.     rjv 


1)  Die  32  Häretiker  sind:  (1)  Dositheus,  (2)  die  Saddiiciier,  (3)  die  Phari- 
säer, (4)  die  Herodianer,  (5)  Simon  M.,  (6)  Menander,  (7)  Satomil,  (8)  Basilides, 
(9)  Nikolaus,  (10)  die  Ophiten,  (11)  die  Kainiten,  (12)  die  Sethiauer,  (13)  Karpo- 
krates,  (H)  Cerinth,  (15)  Ebion,  (IG)  Valentin,  (17)  Ptolemäu8,  (18)  Secundus, 
(19)  Herakleon,  (20)  Marcus,  (21)  Kolarbasus,  (22)  Cerdo,  (23)  Marcion,  (24)  Lu- 
canus,  (25)  Apelles,  (20)  Tatian,  (27)  Montanisten,  (28)  [Aloprer],  (20)  Quarta - 
dezimaner,  (30)  Theodotus,  (31)  Melchisedekianer,  (32)  Noet. 

2)  Näheres  s.  imU^r  Nr.  15.  10. 


224  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

de  TO  ovvxayiia  xarit  aiQböecov  Xß\  olqX^^  jcoiovfitvov  /loaiO-eavovj: 
xal  liixQi  NofjTov  xal  Norjriavcov  diaXafißapop.  ravtag  6i  q)fiGiv 
iXiyxoig  vJtoßXfid-fjvai  ofiijLovvzog  ÜQijpaiov,  wv  xal  ovvotpiv  o 
^IjtJtoXvTog  Jtoiovfiepog  roös  rb  ßißZlov  g)i/öl  avpTsraxspai.  Dali 
Photius  hier  aus  dem  Prooemiam  des  Werks  geschöpft  hat  und 
Hippolyt  sich  in  demselben  über  sein  Verhältnis  zu  Irenäus  ge- 
äußert haben  muß,  ist  offenbar.  Leider  leidet  die  Angabe  des 
Photius  darüber  hinaus  nicht  an  übermäßiger  Klarheit  Photius 
scheint,  wie  das  doppelte  q>riai  dartut,  die  Worte  des  Hippolyt 
selbst  anzuführen,  aber  so  dunkel  wird  sich  Hippolyt  schwerlich 
ausgedrückt  haben.  Daher  kann  man  auch  nicht  zuversichtlich  be- 
haupten, der  Ausdruck  opuXovvrog  Etgi/palov  stamme  von  ihm. 
Soll  mau  ofiiXovvTog  ElQijpalov  durch  ^indem  Irenäus  Vorträge 
hielt"  übersetzen?  Ist  Irenäus  logisches  Subjekt  zu  iXiyxoigvxo' 
ßX7]{>rivai  oder  Hippolyt?  Ersteres  ist  viel  wahrscheinlicher,  aber 
warum  heißt  es  nicht  einfach  vjt*  Etgtivalov?  Was  soll  das  „xa/'' 
nach  „coi^"  und  in  welchem  Verhältnis  steht  die  cvvotpig  zu  den 
l^e/xoi?  Sind  diese  schriftlich  fixiert  gewesen?  Ist  das  große 
ketzerbestreitende  Werk  des  Irenäus  gemeint?  Hat  Photius  nur 
die  Epitome  des  Syntagmas  vor  sich  gehabt?  Auf  alle  diese  Fragen 
läßt  sich  verschieden  antworten,  und  es  ist  daher  m.  E.  auf  ein 
gesichertes  Verständnis  der  Worte  zu  verzichtend 

(12)  Kara  TTJg  \Iqt ificovog  aiQeöscog 
(Das  kleine  Labyrinth). 

Einen  besonderen  ,,/oyog"  gegen  die  Häresie  des  Artemon  legt 
l*hotius  (Cod.  48)  dem  römischen  Antimontanisten  Cajus  bei.  Da 
Photius  in  diesem  Kapitel  durchweg  von  Cajus  aussagt,  was  dem 
Hippolyt  gebührt,  so  muß  man  sein  Zeugnis  so  auffassen,  dalN 
Hippolyt  eine  Schrift  gegen  Artemon  verfaßt  hat.  Eine  Schrift 
gegen  die  Theodotianer  erwähnt  Theodoret  (haer.  fab.  II,  5)  und 
sagt,  daß  sie  den  Titel  „o  ciiixQog  AaßvQcvd^og''  führe  und  von  einigen 


1)  Aus  dein  Armenißcheii  hat  Pitra  (Anal.  IV  p.  08  f.  385  f.)  ein  StiUk 
veröffeiitliclit.,  welchem  er  Jen  Titel  gegeben  hat:  „Uippolyti  in  Valentiniaiio> 
exceq)tum".  Es  besteht  au8  sieben  unter  sich  zusammenhängenden  Satzgruppen. 
Daß  es  aus  einer  Schrift  gegen  die  Valentinianer  stammt,  ist  eine  unnötig«- 
Annahme,  wenn  auch  die  BokUmj»fung  valentinianischer  Thesen  stark  hervor- 
tritt. Von  Hippolyt  rührt  das  Stück  brachst  wahrscheinlich  nicht  her.  Denn 
der  Verfasser  steht  bereits  einer  exegetischen  Tradition  gegenüber  und  bezieht 
sich  auf  „Qiiidani  ex  patribus",  die  gelehrt  haben,  der  Mensch  sei  unsterblicli 
geschatiVn.  Abg<'selien  davon  enthält  das  Stück,  soweit  ich  sehe,  allerdings 
nichts,  was  Hippolyt  nicht  geschrieben  haben  könnte. 


Hippolyt.  225 

iiTtüuilich  dem  Origenes  beigelegt  werde  K  Theodoret  gesteht,  daß 
er  den  Namen  des  Autors  nicht  wisse;  schon  dies  führt  an  sich 
bei  einer  römischen  Schrift  aus  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts 
auf  Hippolyt;  der  Name  aber  „das  kleine  Labyrinth"  ist  auch  eine 
Stütze  für  die  Annahme  des  hippolytischen  Ursprungs  des  Werkes, 
denn  die  „Refutatio"  Hippolyts  führte  den  Titel  „das  Labyrinth" 
(s.  u.  u.  Refut.  X,  5).  Theodoret  bringt  nun  ein  Stück  aus  dem  In- 
halt dieses  „Kleinen  Labyrinths"  bei,  und  dieses  Stück  ist  identisch 
mit  einem  Teil  eines  größeren  Fragments,  welches  Eusebius  (h.  e. 
V,  28)  zitiert  und  als  aus  einem  ^jtovöaoiia  xara  TTJg  ^Agreficf)- 
voj:  cdQiöeor^  stammend  bezeichnet  hat.  Eusebius  hat  den  Verfasser 
nicht  angegeben,  aber  das  Werk  ist  offenbar  identisch  mit  dem 
von  Photius  und  Theodoret  genannten^;  es  stammt  somit  sehr 
wahrscheinlich  von  Hippolyt.  Der  Inhalt  des  uns  bei  Euseb  er- 
haltenen Fragments  ist  dieser  Annahme  günstig:  wir  finden  hier 
dieselbe  Art,  stadtnimische  Kirchengeschichte  samt  Kirchenklatsch 
polemisch  auszubeuten,  die  wir  in  der  „Refutatio"  konstatieren.  Daß 
Theodoret  das  Buch  als  gegen  Theodotus  gerichtet  bezeichnet  hat, 
ist  verständlich;  denn  er  hatte  es  nicht  selbst  in  der  Hand,  sondern 
kannte  nur  Zeugnisse  über  das  Buch  sowie  das  von  Eusebius  aufbe- 
wahrte Fragment,  das  sich  gegen  die  Theodotianer  richtet. 

In  bezug  auf  die  Zeit  dieses  Werkes,  dessen  Name  „Kleines 
Labyrinth*' für  uns  undurchsichtig  ist^  läßt  sich  nur  so  viel  sagen, 
daß  es  nach  der  „Refutatio"  verfaßt  sein  muß;  denn  Artemon  selbst 
kann  erst  nach  der  Zeit,  in  der  Hippolyt  die  Refutatio  schrieb, 
aufgetreten  sein;  sonst  wäre  er  in  ihr  erwähnt.  Das  Werk  gegen 
ihn  mag  daher  um  d.  J.  230  entstanden  sein,  gewiß  nicht  früher; 
es  muß  zu  den  letzten  Schriften  Hippolyts  gehören.  Daß  nach  dem 
bei  Eusebius  erhaltenen  Fragment  in  dem  Buch  Victor  und  Zephyrin 
als  rechtmäßige  römische  Bischöfe  anerkannt  erscheinen  und  Victor 
in  Schutz  genommen  wird,  spricht  nicht  gegen  Hippolyt  als  Ver- 
fasser; denn  Hippolyt  hat  die  Rechtmäßigkeit  dieser  Bischöfe  nicht 
beanstandet  und  den  Bischof  Victor  auch  in  der  Refutatio  freund- 

1)  Man  boaebtc,  daß  l*liotiu:>  a.  a.  0.  sagt,  daß  «lic  Schrift  lUgl  xov  nai'- 
Toq  i  Hippolyts)  von  t'inigon  di^ni  Origenes  zugedchriebeu  werde. 

2)  Die  Quelle  des  letzteren  kann  ni<'-bt  Eusebius  allein  gewesen  sein;  wo- 
ber kämen  sonst  die  „Einigen"  und  der  Name  „Kleines  Labyrintb". 

ii)  Daß  außer  Artemon  aneb  die  beiden  Tbeodoti  und  ihr  (ieneralntab 
in  dem  Werk  bestritten  "waren,  zeigt  das  Fnigment  bei  Eusebius.  Aber  an 
alle  Monurcbianer —  also  aucb  di»'  patripassianiscben  wie  Noet,  l^raxeas,  E}»i- 
gonus,  Kleomenes,  Sabellius  usw.  —  ist  nicht  zu  denken.  Möglieh,  daß  die 
A  liweichungen  der  römischen  dynamistischen  Monarc-hianer  unt<*reinander 
Hi])]>olyt  zu  der  Charakteristik,  sie  stellten  ein  Labyrinth  dar,  gebracht  hat. 
Harnack,  Altchristi.  Litteratnrge8('h.  IT.  2.  \') 


226  ^^^  Litteratur  des  Abeudlandes. 

lieh  behandelt.  Daß  zu  Victor  der  Zusatz  gemacht  ist:  og  t/r 
TQiöTcaiöixaToq  ccjto  IlkTQov  iv  Pcifi^  ^  ijtlöxojtog,  zeigt  daß  der 
Episkopat  desselben  schon  ziemlich  weit  zurücklagt. 

(13)  ÜQog  MagxlcDva. 

Von  dieser  Schrift  —  Eusebius  und  seine  Ausschreiber  er- 
wähnen sie  —  ist  nichts  erhalten;  daher  läßt  sich  über  ihre  Ab- 
fassungszeit nichts  sagen. 

(14)  ÜQoq  (layovq. 

Diese  Schrift  zitiert  nur  Hippolyt  selbst  (Refiit  VI,  39.  40); 
man  kann  daher  nur  feststellen,  daß  sie  vor  der  Kef utatio  geschrieben 
war.  Bardenhewer  (Gesch.  der  altkirchl.  Litt  2.  Bd.  S.  512) 
meint,  ein  früheres  Buch  der  Refut.,  und  zwar  das  4.,  sei  gemeint. 

(15)  YjtBQ  Tov  xaxa  ^I(Davvr}v  tvayyeXlov  xal  ajto- 
xaXvipecog. 

(16)  Capita  contra  Cajum. 

Beide  Schriften  werden  von  Ebed  Jesu  unzweideutig  unter- 
schieden; die  erstere  findet  sich  auch  auf  der  Statue  verzeichnet, 
von  der  letzteren  haben  sich  Bruchstücke  erhalten  in  sjTischen 
Exzerpten  aus  den  Kommentaren  des  Dionysius  Bar  Salibi  (Gwynn. 
Hermathena  VI,  p.  397  flf.,  Zahn,  Gesch.  d.  NTlichen  Kanons  II. 
S.  973  ff.,   1020ff.)l     Sie  zeigen.  dal.i   Hippolyt  gegen   Cajus  (d.h. 

1)  Das  iv  Pwfiy  ist  iiuffalleiid;  abtT  Hippolyt  seh ri«'l)  nicht  mii*  für  Röiujm". 
ja  nicht  einmal  in  erster  Linie. 

2)  Auch  darauf  ist  aufiuerksam  zu  machen,  daß  in  der  Schrift  (s.  Knseh.. 
h.  e.  V,  28,  4  f.)  die  kirchlichen  Schriftsteller  Justin,  Miltiade8,  Tatian,  Ch'mens 
[die  Keiheufol^e  zeipft,  daß  damit  der  Alexan  riner  "femeint  sein  muß],  Irenäus 
nn<l  Melito  genannt  und  die  letzten  beiden  »Is  besonders  verbreitete  —  d.  h. 
iiucli  als  besonders  wertvolle  —  hervor<j:(;hoben  werden.  Das  entspricht  dem  Vor - 
liilltnis  des  Hippolyt  zu  Irenäus.  Wenn  aber  alle  diese  sechs  Schriftsteller  al> 
solche  bezeichnet  w^erden,  die  bereits  vor  Victor,  d.  h.  vor  189/191  geschrieben 
haben,  so  deutet  das  auf  einen  Mann  als  Verfasser  unseres  Traktats,  dessen 
<'ig<'n(^  Ennuemng  bis  zu  den  Zeiten  Victors  zurückreichte  und  der  die  frühere 
christliche  Litteratur  übersc^haute.  Der  Verfasser  nuiß  also  ein  kenntnisreicher 
Mann  gewesen  sein. 

;:{)  Achelis  (Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  1  H.  I  S.  ISfjff.)  rechnet  auch  ein 
weiteres  Stück  von  Hippolyt,  welches  (i  wynn  in  der  Hennathena  Bd.  7  p.  1'->7Ö". 
veröÜentlicht  hat,  zu  den  aus  den  „Capita  c.  Oajum"  exzerpierten  Fragmenten. 
Da  es  mitten  unter  den  anderen  st(;ht,  so  ist  das  sehr  wohl  möglich;  aber 
andererseits  ft^hlt  hier  die  l*olemik  gegen  Cajus.  Entscheiden  läßt  sich  nicht: 
i<h  werde  das  Stück  unten  bei  der  Matth.-Schrift  Hippolyts  (Nr.  88)  behandeln. 


Hippolyt  227 

gegenüber  seinen  Ausführungen  im  Dialog  mit  Proclus)  die  Joh.- 
Apokalypse  verteidigt  hat  Das  war  der  Zweck  des  Buchs.  Daß 
Cajus  auch  das  Joh.-Ev.  verworfen  hat,  ist  undenkbar.  Eusebius, 
der  seinen  Dialog  gelesen  und  exzerpiert  hat,  hätte  ihn  nicht  einen 
-kirchlichen  Mann"  nennen  können,  wenn  er  den  Evangelienkanon 
zerstört  hätte.  Dann  aber  ist  es  auch  aus  sachlichen  Gründen 
gewiß,  daß  die  beiden  obenstehenden  Schriften  nicht  identifi- 
ziert werden  dürfen;  denn  der  Kampf  gegen  Gegner,  welche 
das  Evangelium  und  die  Johannes- Apokalypse  verwarfen,  mußte 
sich  total  anders  gestalten  als  der  Kampf  gegen  solche,  die  nur 
das  letztere  Buch  nicht  gelten  ließen.  DasBuch  für  beide  johanneische 
Schriften  und  nur  für  sie  kann  aber  gegen  niemand  anders  als 
gegen  die  Aloger  gerichtet  gewesen  sein,  die  ja  auch  der  Lehrer 
des  Hippolyt,  Irenäus,  bekämi)ft  hat.  Nur  diese  beiden  haben,  so- 
viel wir  wissen,  in  vorkoustantinischer  Zeit  die  Aloger  widerlegt. 
Nun  finden  wir  aber  bei  Epiphanius  (haer.  51)  einen  Abschnitt 
gegen  die  Aloger  von  solchem  Umfang,  daß  er  ein  eigenes  Büchlein 
darstellt ;  zugleich  erkennen  wir,  daß  ein  großer  Teil  dieses  Buchs 
auf  eine  alte  vorzügliche  Quelle  wörtlich  zurückgeht  Daß  diese 
Quelle  auch  hier  das  Syntagma  Hippolyts  ist,  ist  ganz  unwahr- 
scheinlich, ja  unmöglich;  denn  so  umfangreich  kann  es  nicht  ge- 
wesen sein.  Vielmehr  ist  au  diesem  Punkte  die  Vermutung  ge- 
fordert, daß  Epiphanius  außer  dem  Syntagma,  welches  eine  kurze 
Widerlegung  der  Aloger  enthalten  haben  mag.  nocli  eine  andere 
Schrift  (und  zwar  Hippolyts)  benutzt  hat,  nämlich  eben  die  Schrift 
rJtBQ  Tov  X.  ^Icoavvriv  fvayyeXiov  xal  djroxcdvii'toog.  Welche  andere 
Quelle  läßt  sich  d(»nn  sonst  erdenken,  der  er  hier  gefolgt  sein 
könnte?* 

Was  die  Zeit  der  Abfassung  beider  Schriften  betriift,  so  lassen 
sich  folgende  Erwägungen  anstellen.  Die  Capita  contra  Cajum 
werden  naturgemäß  dem  Dialog  des  Cajus  mit  Proclus  auf  dem 
Fuß  gefolgt  sein,  da  sie  aus  derselben  Stadt  und  Kirche  stammen. 
Dieser  Dialog  ist  aber  nach  dem  Zeugnis  des  Eusebius  unter 
Zephyrin  geschrieben  (s.  o.  S.  206).  in  der  Abhandlung  über  den 
Antichrist  und  dem  Danielkommentar  hat  es  Hippolyt  mit  Zweifeln 
an  den  Johanneischen  Schriften  schlechterdings  noch  nicht  zu  tun; 

1)  Auch  H|»nicblich  1iis.sjmi  sich  l^'ohachtimj^jMi  j^vltcTul  macheu,  die  fiir 
«h^n  hippolytisch«;!!  Urifpriint^  dor  QiK'lh«  von  Epiphan.  haor.  öl  sprochtJii.  Allein 
»-:*  ist  nicht  nötijif,  <li«'St'n  Bt»ol)a<;htunj^on  nachzupjehcn.  Wie  die  Schrift 
Hippolyts  lautete:  vtisq  tov  xaia  ^Iwdvvrjv  svayyeliov  xal  dnoxalitpstD^,  so 
hüt  auch  die  Quelh*  d«'s  Epiphanius  ehru  diese  These  v(»rt<?idif»t.  Im  Unter- 
kiohicd  von  andenni  Ketzerhestn'itun<^en  tret(Mi  die  Tersonon  dort  und  hier 
^anz  zurück  und  erhalten  nicht  einmal  einen  Namen ;  denn  den  Namen  „Aloger" 
hat  ihnen  erst  Epi])hanins  .Lr<'jJ:«'ln'n. 


228  I^ic  Littcratur  des  Abendlandc». 

also  sind  die  Capita  adv.  Cajum  sowohl  wie  die  Schrift  für  das 
Joh.-Ev.  und  die  -Apokalypse  nach  ihnen,  d.  h.  nach  c  202,:^, 
verfaßt.  Die  Capita  adv.  Cajum  sind  aber  auch  nach  dem  Syn- 
tagma  geschrieben;  denn  Cajus  (und  Proclus)  fehlt  in  demselben. 
Das  Syntagma  kann  aber  nicht  (s.  o.)  über  das  Ende  des  ersten 
Jahrzehnts  des  3.  Jahrhunderts  heruntergerückt  werden.  Die  Capita 
adv.  Cajum  werden  demnach  in  die  zweite  Hälfte  oder  in  das  letzte 
Drittel  der  Regierung  Zephyrins  zu  setzen  sein^  Daß  ihnen  die 
Abhandlung  für  die  Johanneischen  Schriften  vorangegangen  ist,  ist 
a  priori  wahrscheinlich ;  denn  die  Aloger  sind  eine  verhältnismäßig 
alte  Erscheinung,  hat  sie  doch  Irenäus  bekämpft!  Man  wundert 
sich,  daß  eine  Verteidigung  gegen  sie  am  Anfang  des  3.  Jahr- 
hunderts überhaupt  noch  notwendig  war.  Der  Ansatz  nun:  „Nach 
De  Antichristo  und  dem  Daniel-Kommentar,  vor  den  Capita  adv. 
Caium"  (also  c.  21)4—210),  erhält  eine  gewisse  Bestätigung  durch 
die  chronologische  Stelle  Epiphan.  haer.  55  c  33,  die  aus  der  Quelle 
des  Epiphanius,  d.  h.  eben  aus  unserer  Schrift  stammt  Ich  habe 
in  dem  ersten  Bande  dieses  Teils  S.  376 ff.  diese  Stelle  ausführlich 
behandelt.  Läßt  man  die  überlieferten  Zahlen  bestehen  und  addiert 
man  sie,  wie  der  Verf.  es  verlangt,  so  kommt  man  auf  das  Jahr  93 
(Abfassungszeit  der  Apokalypse)  +  112  =  204/5  p.  Chr.  als  das 
Jahr,  in  welchem  er  geschrieben  hat.  Eine  Textkorrektur  ist 
freilich  dabei  nöti^^  man  muB  statt  //tr«  t7jv  ava}.7]\pLv  vielmehr 
liBra  T/)v  yivvtioiv  (Xqiotov)  lesen;  aber  es  ist  die  leichteste  Kor- 
rektur, um  die  Stelle  verständlich  zu  machen  und  den  93  Jahren 
einen  Sinn  zu  jreben-.  Petavius  hat  sie  vorgeschlagen,  und  Din- 
dorf,  liipsius  und  Kolffs  haben  ihm  zugestimmt  Man  sieht, 
wie  vorzüglich  diese  Berechnung  zu  unserem  oben  aus  anderen 
Erwägungen  gewonnenen  Ansatz  stimmt^.  Aber  man  darf  doch 
nicht  vergessen,  dals  das  Jahr  auf  Grund  einer  Textkorrektur  ge- 
wonnen ist.  Ob  die  Abhaiidliing  für  die  johanneischen  Schriften  älter 
oder  jünger  als  das  Syntagma  ist,  läßt  sich  nicht  entscheiden. 

1)  So  iuicli  Zahn,  a.  a.  O.  Jl.  S.  U^b. 

l'i  Dali  die  A[>okalY|)^(*  Johaimis  im  J.  0:>  vorfalit  ist,  hat  j»>tzt  auch  oin»' 
int«'n--;nit«'  Xaohwoisuujx  H«^inachs  bestilti«^-,  s.  Kcv.  archeol.  Serie  III, 
Tom.  ;:'.!,  Kinl,  Nov.— Dez.  ]..  :r>Oir.,  Thool.  Litt.-Ztg.  liXrJ  Kol.  501  f. 

H)  Audi  Zahn  liat  a.  a.  0.  die  Schrift  Hip]>olyts  ^egon  die  Aloj^er  auf 
<".  2<i.'»— "JIM  an<^esetzt.  Will  man  die  ohen  jreii^ebcne  Boreehnnnor  nicht  gelt«'n 
lassen,  \\-«'il  sie  ein«'  Tcxtkorrcktiir  nötitj  hat,  so  muß  man  die  St^^lle  als 
chronolo<ri8r']i«'s  Zf'ujjnis  vcrabschioden.  Die  hlendende  Herechnunjj,  der  zulctzi 
noch  Salnion  (HermathtMia,  1S9J  j>.  ISO  f.)  «erfolgt  ist  und  die  auf  das  J.  'JIM 
liihrt.  h'ißt  sicli  nicht  h;iltcn,  weil  das  ,).  iT)  :;o -}-  dem  Jahr  IKi  schl echte rdin<r> 
auf  kein  Datum  führt,  wch-hcs  wic)iti<(  wäre  und  von  Hip|»olyt  im?  Aujxe  *r»'- 
faOt  sein  krmntc. 


Hippolyt.  229 


(16*)  Eine  Scbrift  gegen  den  Montanismus  (V?). 

Nach  dem  Vorgang  von  Bonwetsch  (Montenismus  S.  36ff.)  hat 
Voigt  (Eine  verschollene  Urkunde  usw.,  1891,  S.  27if.)  zu  zeigen 
versucht,  daß  Epiphan.,  haer.  48,  2—13  eine  Schrift  gegen  den 
Montanismus  ausgeschrieben  habe,  die  römischen  Ursprungs  sei  und 
dem  Anfang  des  3.  Jahrb.  angehöre.  Rolffs  hat  diese  Nach- 
weisnngen  in  sehr  breiter,  die  Grenzen  des  Beweisbaren  häutig 
überschreitender  Weise  weiter  ausgeführt  (Texte  u.  Unters.  12.  Bd. 
H.  4,  S.  57—167)  und  hat  die  Hypothese  von  Bonwetsch,  Hippo- 
lyt sei  der  Verfasser  dieser  Schrift,  sicherzustellen  unternommen. 
In  der  Tat  haben  es  Voigt  und  Rolffs  durch  Vergleichung  der 
Quelle  mit  Tertullian-Schriften  wahrscheinlich  gemacht,  daß  die 
Quelle  römisch  ist,  daß  sie  das  Werk  Tertulliaiis  De  ecstasi  voraus- 
setzt und  umgekehrt  von  der  Abhandlung  Tertullians  De  monogamia 
bekämpft  wird.  Aber  über  starke  Wahrscheinlichkeiten  kommt 
man  nicht  heraus.  Die  Hypothese,  Hippolyt  sei  der  Verfasser,  liegt 
freilich  an  sich  nahe  —  denn  Epiphanius  ist  ja  im  Panarion  (neben 
dem  Irenäus)  dem  Hippolyt  als  seiner  Hauptquelle  gefolgt  —  und 
wird  durch  Einzelbeobachtungen  in  bezug  auf  den  Inhalt  und  Zweck 
der  Quelle  nicht  verboten.  Nur  das  könnte  man,  soviel  ich  sehe, 
gegen  den  hippolytischen  Ursprung  einwenden,  daß  Proclus,  das 
Haupt  der  römischen  Montanisten,  in  ihr  nicht  genannt  ist  ^  Allein 
dieses  Argument  wird  hinfällig,  wenn  die  betreffende  Quelle  ein 
Bestandteil  des  Syntaginas  gewesen  ist  (denn  z.  Z.  des  Syntaginas 
war  Proclus  noch  nicht  entscheidend  hervorgetreten;.  Diese  An- 
nahme ist  an  sich  die  nächstliegende,  und  sie  verbietet  sich  auch 
nicht  durch  die  Beobachtung?,  daß  Tertullians  Werk  De  ecstasi  be- 
nutzt ist;  denn  dieses  Werk  (s.  später)  war  höchst  wahrschein- 
lich 202/3—204/5  abgefaßt;  in  bezug  auf  das  Syntagma  aber  ließ 
sich  nur  feststellen,  daß  es  in  das  erste  Jahrzehnt  des  3.  Jahr- 
hunderts und  vor  die  „Capita  c.  Cajurn"  fällt.  P]s  kann  sehr  wohl 
c.  206—208  abgefaßt  sein;  denn  die  „Capita  c.  Cajum"  gehören  (s. 
o.  S.228)  in  die  zweite  Hälfte  odta*  in  das  letzte  Drittel  der  Regierung 
des  ZephjTin.  Auch  Rolffs'  Meinung  ist,  daß  die  antimontanistische, 
von  Hippolyt  verfaßte  Ausführung  in  Epiph.  haer.  48  ein  Bestand- 
teil des  Syntagmas  gewesen  ist;  er  verknüpft  aber  die  Annahme 
mit  einigen  fragwürdigen  Spekulationen  und  schiebt  das  Syntagma 
bis  in  die  JJ.  215—217  herunter.    Dieser  Ansatz  ist  nicht  nur  des- 


1)  In  der  „UL-futatio"  ist  t?r  freilich  inu'li  nicht  f^eminnt,  aber  (licBc  ist  in 
'iner  Zeit  geschrieben,  in  der  die  Bedeutunj?  de«  Mannes  dahin  war. 


230  ^^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

halb  unmöglich,  weil  Proclus  nicht  erwähnt  ist,  sondern  auch  aus 
anderen  Gründen  (s.  o.  S.  223). 

Jedenfalls  ist  es  überflüssig,  eine  besondere  Schrift  Hippolyts 
gegen  die  Montanisten  anzunehmen  (St^phanus  Gobarus'  Mitteilung 
bei  Photius,  Cod.  232 :  r/rac  VJtoX?J^'>ttg  tlxev  "^IjcnoXvxoq  oniii 
Tfjg  x&v  MovxavLQT&v  algiösog,  braucht  keineswegs  auf  eine  be- 
sondere Schrift  Hippolyts  gegen  sie  gedeutet  zu  werden),  und  in 
bezug  auf  Epiphan.,  haer.  48,  2—13  steht  es,  recht  betrachtet,  so, 
daß  der  die  Beweislast  hat,  welcher  in  Abrede  stellt,  daß  Epiphanius 
hier  dem  Syntagma  Hippoylts  folgte 

(17)  Kaza  jtaocop  rcov  alQbOtcov  tXeyx^^  (Refutatio  om- 
nium  haeresium). 
*0  AaßvQipd^og  (Philosophumena). 

Den  Titel,  den  Hippolyt  seinem  Werke  gegeben  hat,  kennen 
wir  nicht.  Wahrscheinlich  hat  er  es  *0  AaßvQiv^og  oder  „da^ 
große  Labyrinth"  genannt,  s.  Refut  X,  5  im  Vergleich  mit  dem 
Zeugnis  des  Photius  (Cod.  48)  und  mit  der  Tatsache,  daß  eine 
andere  Schrift  Hippolyts  (s.  o.  S.  224  f)  den  Titel  „das  kleine  Laby- 
rinth" trug.  Der  hippolytische  Ursprung  folgt  (abgesehen  von  der 
Polemik  gegen  Kaliist  und  dem  Anspruch  des  Verfassers  im  Pro- 
oemium,  Bischof  zu  sein)  aus  der  Tatsache,  daß  der  Verfasser  sich 
die  Schrift  „Über  das  Wesen  des  Alls"  beilegt.  (X,  32),  die  von 
Hippolyt  (s.  0.)  stammt  Außerdem  bezieht  sich  der  Verf.  im 
Prooemiuiii  auf  eine  ^jtaXai''  von  ihm  geschriebene  Schrift  gegen 
die  Ketzer  (vgl.  das  Syntagma).  Endlich  erinnert  er  (X,  30)  an 
früher  von  ihm  verfaßte  chronographische  Arbeiten,  und  auch  solche 
sind  von  Hippolyt  überliefert  (s.  u.). 

Nach  IX,  12  (p.  462,  41)  ist  das  Werk  nach  dem  Tode  des 
Kallist  verfaßt  —  wie  lange  nachher,  läßt  sich  nicht  sagen  \  Doch 
findet  sich  nichts  in  dem  Buche,  was  auf  die  Zeit  nach  dem  J.  23n 
führt.  Ein  Vergleich  der  Refutatio  mit  dem  Syntagma  lehrt,  in 
welchem  Maße  Hippolyt  seine  früheren  Darstellungen  der  Häresien 
modifizieii;  hat,  und  kann  als  Warnung  gegen  die  beliebte  Methode 
dienen,  einem  Autor  deshalb  eine  Schrift  abzusprechen,  weil  sie 

V]  Auch  Neumunu  hat  Kolffs  in  der  Hauptsache  z\igei?fcimmt,  s.  Hipj»o- 
lytus  V.  Rom,  1002,  8.  110:  „In  der  von  Epiphanius  haer.  48  benutzten  anti- 
montaninti sehen  Schrift  hat  man  kaum  mit  Unrecht  eine  Schrift  des  Hippolytus 
»erblickt  ....  Auf  jeden  Fall  lehrt  der  Antimontanist  hei  Kpiphauius  genau 
dasselbe  wie  Hippolyt us". 

2)  Die  Versuche,  durch  die  Zeitbestimmung  des  Ketzers  Alcibiades  di«' 
Abfassungszeit  der  Refutatio  zu  fixieren  bez.  herabzurücken,  sind  gescheitert; 
8.  Funk,  Kirchcngesch.  Abhandl.  II  S.  108 ft'. 


Hippolyt.  231 

von  einer  anderen  Schrift  desselben  Autors  in  dei-selben  Materie 
stark  abweicht  Allerdings  liegen  zwischen  beiden  Schriften  Hippo- 
lyts  c.  20  Jähret 

Berechtigtes  Aufsehen  machte  i.  J.  1885  die  Abhandlung  Sal- 
mons  (The  cross-references  in  the  „Philosophumena",  Hermathena, 
p.  389 fiF.)»  in  der  er  nachzuweisen  unternahm,  daß  ein  großer  Teil 
der  gnostischen  Quellen  Hippolyts,  da  sie  in  einem  allzu  nahen 
Verwandtschaftsverhältnis  stehen,  Schwindelfabrikate  aus  einer 
Fabrik  seien  und  daß  der  gute  Hippolyt  sich  habe  düpieren  lassen. 
Stähelins  Nachprüfung  in  den  „Texten  u.  Unters."  Bd.  6,  Heft  3 
bestätigte,  wenn  auch  unter  Modifikationen  und  Einscliränkungen, 
das  Ergebnis.  Allein  Stähelin  selbst  urteilte  (S.  107):  „Wii-  be- 
haupten nun  zwar  nicht,  daß  die  Hypothese  von  der  teil  weisen 
Erfindung  dieser  Schriftstücke  zwingend  sei;  wir  verhehlen  uns 
nicht,  wie  vieles  zu  ihren  Ungunsten  gesagt  werden  kann  —  er- 
weckt es  doch  z.  B.  ein  gutes  Voruii;eil  für  diese  gnostischen 
Schriften,  daß  in  ihnen  weder  die  Apostelgeschichte  noch  die 
Pastoralbriefe  verwertet  sind  — ,  aber  sie  scheint  uns  trotzdem 
besser  als  andere  die  nicht  wegzuleugnenden  Schwierigkeiten  zu 
heben,  welche  uns  die  Eelationen  über  die  Naassener,  Peraten, 
Sethianer,  über  Justin,  Simon  und  Monoimus,  über  Basilides  und  die 
Doketen  bieten.  Jedenfalls  aber,  ob  nun  diese  Hypothese  richtig 
ist  oder  nicht,  sind  die  von  uns  behandelten  Stücke  aus  den  Philo- 
sophumenem  zuletzt,  bevor  sie  Hippolyt  erhielt,  in  einer  Hand 
vereinigt  gewesen  und  durchaus  als  sekundäre  Quellen  zu  betrachten; 
und  daß  die  Weiterentwicklung  der  betreifenden  von  den  Vor- 
gängern Hippolyts  beschriebenen  Häresien  in  den  Philosoph umenen 
richtig  gezeichnet  ist,  darf  nach  all  dem,  was  hier  darüber  gesagt 
worden  ist,  mit  Fug  und  Recht  sehr  zweifelhaft  genannt  werden/ 
Hier  ist  m.  E.  die  Grenze,  bis  zu  welcher  man  in  dieser  schwierigen 
Materie  kommen  kann,  richtig  gezogen.    Sicherheit,   daß   es  sich 


1)  Diiß  iindorersoits  auch  ciip^  I3eziehiinj^t»n  zwirtcheu  dfin  Synta^inu  uinl 
4Ut  Kofiitatio  l)<>stoh»Mi,  darauf  ist.  obon  S.  iM  1  hingewiesen  worden.  Auch  da» 
Verhältnis  zu  Irenilus  kommt  hier  in  Betracht.  Da«  Syntagma  steht  nach  dem 
Zeupnis  des  Photius  in  sehr  en<^en  Beziehungen  zu  Irenäus  (s.  o.  S.  223 f.);  in 
<lerKefiitatio  ist  Irenäus  aber  nicht  nur  seitenweise  ausgeschneben,  sondern  VI,  42 
v»Trät  der  Verfasser  auch.  <lal)  er  mehr  von  ihm  weiß,  als  in  dem  großen  Werk 
des  lyoneser  Bischofs  zu  lesen  stand.  Kr  weiß,  daß  sich  die  Marcianer  über  die 
T>ar«tellung  ihrer  Lehre  und  rie])räuche,  wie  sie  Irenäus  gegeben  hat,  als  eine 
IVilsche  beklagt,  haben:  Kai  yccQ  xal  o  (xaxuQioq  7tQ6oßvxeQog  EigTjvaioq 
TtaggrjoiaixBQOv  toi  i^^ty/^cp  npoasvexMg  tu  xoiavza  /.ova/nata  xal  dnoXv- 
rpwaeiQ  i^i&ero^  aÖQOfxeQiöXBQov  einm'  a  ngdcooiaiv,  oig  ivxvyovxsg  Tivlq 
ai'Twv  rjnrrjvrai  ovxcog  TtaQfilTjfphvai.  del  dgveZa&ai  /iavBdvoiTeg. 


232  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

nm  pure  Fälschungen  bandelt,  läßt  sich  nicht  gewinnen.  Auch 
läßt  sich  ein  durchschlagender  Zweck  für  solche  Fälschungen  nicht 
leicht  ermitteln. 

(17*)  Die  Schlußkapitel  des  Briefs  an  Diognet. 

Jüngst  hat  Dräseke  (Ztschr.  f.  wissensch. Theol^  1902,  S.273ff.) 
die  Hypothese  Bunsenszu  erneuern  versucht,  die  unechten  Schluß- 
kapitel des  Diognetbriefes  (c.  11.  12)  seien  der  verlorene  Schluß 
der  Refutatio.  Diese  Annahme  scheitert  m.  E.  schon  daran,  daß 
der  überlieferte  Schluß  der  Refutatio  in  Ordnung  ist  und  einer 
Ergänzung,  zumal  einer  so  ausführlichen,  nicht  bedarf.  Aber 
Bunsen  und  Dräseke  haben  einige  Beobachtungen  geltend  ge- 
macht, die  allerdings  dafür  sprechen,  daß  jene  beiden  Kapitel  dem 
Hippolyt  gehören.    Ich  hebe  die  wichtigste  hervor:  ^ 

De  Antichr.  (fin.).  Ep.  ad  Diogn.  (fin.). 

iv    7j    (iXjziöi)    dpaOT7]öag    rovg  öiödoxcop    dyiovg    6    koyoq    tv- 

dylovg   afia  ovv  avxolg  tvtpQav-  (pQaivsrai,  6i   ov  JtavfjQ  6o§dCe' 

^i]oexai    öo^a^cov  jtartQa,  q>    tj  xai,    o)  ?)  öo^a  elg  rovg  aiwrag. 

do^a  dg  rovg  alcövag,     dfii^p.  dfii^p. 

Unabhängig  von  Dräseke  ist  Bonwetsch  (Nachrichten  d. 
Gesellsch.  d.  Wissensch.  z.  Göttingen,  1902,  H.  5)  zu  demselben 
Ergebnis  gelangt,  daß  Hippolyt  der  Autor  der  Schlußkapp,  des 
Diognetbriefes  sei.  Er  stützt  sich  vor  allem  dai*auf,  daß  der  Reim 
(und  Rhythmus)  in  den  Schlußkapp,  ebenso  angewendet  sei  wie  in 
den  Schriften  Hippolyts,  und  gibt  reichliche  Belege  für  diese  Be- 
obachtung aus  mehreren  Schriften  desselben.  Auch  er  findet,  dal> 
zwischen  den  Schlußkapp,  und  Refut.  (Prooem.  u.  X,  31)  enge  sach- 
liche Beziehungen  bestehen  (doch  ist  er  nicht  gewillt,  die  SchlulN- 
k.ipp.  an  die  Refut.  anzuhängen).  Sodann  gibt  er  eine  Fülle  von 
Parallelstellen,  um  zu  zeigen,  daß  die  Gedanken  der  Schlußkapp. 
im  einzelnen  sich  überall  mit  hippolytischen  decken.  Diese  Fülle 
scheint  auch  mir  entscheidend.  Soweit  innere  Beobachtungen  einen 
sicheren  Schluß  zulassen,  ist  er  hier  gegeben:  Diese  Schlußkapitel 
rühren  von  Hippolj^t  her.  Ans  welcher  Schrift  sie  stammen,  wissen 
wir  niclit.  „Ich  möchte  —  so  schließt  Bonwetsch  —  an  solche 
Schriften  denken,  in  denen  Hipp,  wohl  noch  unmittelbar(er)en  Anlaß 
(als  in  der  Refut.)  zu  haben  glaubte,  sich  gegen  das  Verrücken  der 
von  den  Vätern  festgesetzten  Grenzen  zu  erklären  (Epilog  11,  5).  in 

1)  Ihm  Ben  hat  nocli  andere  aus  der  Schrift  De  antiehristo  (.'rho^en; 
Dräseke  glaubt  eine  Bezi(;hung  zwischen  Refut.  Prooeiu.  und  den  Schlul^- 
kapiteln  feststellen  zu  können. 


Hippolyt.  233 

denen  es  sich  um  bestiiiimte  Zeiten  gehandelt  zu  haben  scheint 
(II,  5  dtayyiXXovöa  xaiQovg,  12,  9  xaiQol  [?J  ovvayovrat)  und  in 
denen  auch  das  Passah  einen  Gegenstand  der  Eröi1;erung  bildete 
(12,  9  Tu  xvqIov  Jtaöxa  xQoiQxercciy' 

Sind  aber  die  Schlußkapitel  des  Briefs  an  den  Diognet  höchst 
wahrscheinlich  von  Hippolyt  geschrieben,  so  entsteht  die  Vermutung, 
dali  auch  der  Brief  selbst  von  ihm  herrührt.  Gewiß  bilden  Brief 
und  Schlußkapitel  keine  Einheit;  aber  ist  es  nicht  derselbe  Autor, 
der  in  beiden  spricht?  Zur  Wahrscheinlichkeit  läßt  sich  diese 
Vermutung  nicht  erheben,  ja  es  spricht  im  Stile  beider  Schriftstücke 
manches  gegen  sie. 

(18)  UtQi  xov  (ayiov)  xaoxcc. 

Diese  Schrift  wird  von  Eusebins  (und  seinen  Ausschreibern) 
erwähnt.  Die  erhaltenen  Zitate  (Zur  Überlieferung  s.  Sicken- 
b erger,  Die  Lucascatene  des  Nicetas  v.  Heraklea,  1902,  in  den 
Texten  u.  Unters.  Bd.  22  H.  4)  hat  Achelis  in  der  Ausgabe  S.  267 ft*. 
gesammelt'.  Das  Fragment  aus  dem  Chron.  paschale  hatte  ich 
früher  der  folgenden  Schrift  (Nr.  19)  zugewiesen,  Achelis  leitet 
es  aus  der  vorstehenden  ab.  Sicher  läßt  sich  nicht  entschc^iden. 
Gehört  es  dieser  an,  so  gehth-t  ihr  auch  das  Fragment  \  I  bei 
Achelis;  denn  es  berülirt  sich  aufs  genaueste  mit  dem  Fragment 
aus  dem  Chron.  pasch.  P^^ner  folgt  aus  letzterem  Stück,  daß  unsere 
Schrift  mindestens  zwei  „Logoi"  umfaßte;  denn  zitiert,  wird  hier 
der  jtQcÖTog  koyog  r.  Ui^^qI  r.  ay,  jraoxa  ocyyQafifiarog,  Die  Stücke 
aus  der  Nicetas-C.'atene  zu  Lucas  hat  ^Mcetas  schwerlich  unserer 
Schrift  direkt  entnommen-,  sondern  sie  bereits  in  einer  Sammel- 
schrift vorgefunden. 

Die  Echtheit  der  Stücke,  die  sich  z.  T.  go^rt^nseitig  stützen. 
ist  m.  E.  nicht  zu  beanstanden.  Sie  sind  sehr  schwungvoll  und 
tragen  das  Gepräge  der  poetischen  Rhetorik  Hippolyts,  berühren 
sich  auch  mit  Gedanken  des  Melito  und  Irenäus.  Wer  sind  die 
Sykophanten,  von  denen  es  (Nicetas,  Fragm.  2)  heißt:  orr^:  o  Xoyog 
vTtixtiTO  TO)  v6/W7,  xaOaJtiQ  ot  ovyAKfarxai  do^aCovotVj  arrog  cov 
6  ro//oc?  Die  Juden?  die  Judenchristen?  Das  aus  den  Akten 
des  Lateran- Konzils  gewonnene  Stück  erinnert  in  seinem  Anfang 
an  einen  der  jüngst  entdeckten  apokryphen  Sprüche  Jesu;  der  An- 


1)  Vgl.  T.^\tr  u.  riit.Ts.  IM.  10  II.  4  S.  'livl.  Die«  Sdirift  wird  in  <'inem  sy- 
ri.-cben  Fnifjpn^'iit  mit  drm  Tit4?l:  „Ibin*  das  Tjissah"  zititM-t,  in  (Ilmi  Akt-on 
i1«*s  Laterunkonzils  v.  tili»:  jAx  rt]g  fl;;  to  :tdoxa  i^riyi]aewq^\  im  Chron.  ^lascli.: 
,.T(tQl  XOV  ayiov  naaya^\ 

-)  S.  Sicl<(Mil>er<(or  in  «l.  'IVxton  n.  Unters.  S.  S-1. 


234  ^i^  Littcratur  des  Abendlandes. 

fang  lautet  (in  bezog  auf  Christus):  oXog  riv  iv  Jtäci  xcu  xavxaxov, 
yefiloaq  ob  xo  jtav  jrQog  Jtaoag  rag  dsQlovg  aQxdgK  Aber  auch  in 
einem  der  Fragmente  bei  Nicetas  (aus  derselben  Schrift)  heißt  es 
von  Christus,  er  sei  „Alles  durch  Alles". 

Ob  die  Schrift  eine  Homilie  (so  Achelis)  oder  eine  Abhand- 
lung war,  läßt  sich  nicht  sicher  entscheiden.  Daß  sie  mehrere 
^.jLoyoi''  umfaßte,  spricht  nicht  für  eine  Homilie,  auch  sehen  die 
Fragmente  5  und  6  nicht  wie  einer  Homilie  entnommen  aus.  Wann 
Hippolyt  diese  Schrift  verfaßt  hat,  wissen  wir  nicht. 

(19)  ^Ajtoöbi^ig  XQovmv  rov  jtaöxa  [xcu  (xard?)  ra  tv 
Tc5  jtivaxi]. 

(20)  Der  Canon  paschalis  auf  der  Statue. 

Die  Schrift  Nr.  19  wird  im  Verzeichnis  auf  der  Statue  und 
von  Eusebius  (Hieronymus,  Syncellus)  erwähnt;  der  Canon  paschalis 
(die  Ostertabellen)  auf  den  Seitenflächen  der  Statue  ist  ihr  tabel- 
larischer Teil^.  Die  Schrift  ist  verloren  gegangen;  aber  aus  der 
Tabelle  ersehen  wir,  daß  sie  auf  das  1.  Jahr  des  Alexander  Severus 
gestellt  war^.  (Damals  muß  also  die  Schrift  verfaßt  worden  sein; 
schon  seit  dem  J.  237  mußte  sich  die  Unrichtigkeit  der  Berech- 
nung —  Zyklus  von  16x7  Jahren  —  herausstellen  \  und  zwar 
ein  Fehler  von  3  Tagen). 

Obgleicli  wir  die  Schrift  nicht  mehr  besitzen ^  können  wir  uns 

1 1  An(L*n'r.seit.s  wird  hier  der  Si>nicli:  „Der  (Jeist  ist  willig,  aber  das  Fleisch 
ist  .seil wach",  auf  Christus  selbst  hezoj^en. 

'J)  Die  Worte,  die  auf  der  Statue  hei  dem  Titel:  ^AnoSei^iq  xpdrcüv  xov 
Tidaxci  steheu  (xal  [xava]  xä  iv  tio  7iivaxi)y  gehören  schwerlich  zu  dem  Titel 
selbst,  sondern  sind  ein«'  Verweisung  auf  die  Ostertabellen,  die  auf  der  Stiitu»' 
eingemeißelt  sind. 

:^>)  S.  auch  Euseb.,  h.  e.  VI,  l*J:  .  .  .  xal  rö  Uegl  xov  ndaxa  nenoir^xac 
ovyygafiua ,  iv  o)  X(ov  xQovwv  dvayQa<p7]v  ixS^ifievog  xai  xiva  xarova  hxxai- 
öexaszijQlöog  tibqI  xov  ndoxcc  UQoO^flg  inl  xo  ngwxov  etog  'Ake^dvSQOV  avxo- 
xgdxoQoq  xovg  ;f()o>'oi;?  nsgiyQdipei.  —  Salmons  Behauptung  (Herraathena. 
ISO-?,  ]».  1(>8),  der  Kanon  sei  erst  2-4  veröttentlicht,  scheint  mir  grundlos,  noch 
viel  grundloser  aber  die  abenteuerliche  Meinung  Lagardes  („Mitteil."  Bd.  I, 
1H!)1.  S.  24ltf.),  der  l'inax  sei  erst  nachträglich  —  um  31)7,  als  seine  Xu- 
braiichi»arkeit  langst  erwiesen  war  —  eingemeißelt  worden. 

4)  Also  ist  die  Statue  vor  'J;JS  gesetzt;  denn  vuw.  fehlerhafte  Tabelle  wird 
mau  doch  nicht  eingemeißelt  haben  (s.  o.). 

.">)  Ein  umfangreiches  Fragment,  in  welchem  Hii>i>olyts  Name  zweimal 
genannt  wird,  findet  sich  in  der  C4n'onik  des  Elias  von  Nisibis  (s.  Pitra, 
Analerta  IV  ]..  :)0  f.  :;24  f.i. 


Hippolyt.  235 

^Wh  ein  Bild  von  ihr  macheu*;  denn  Hufmayr-  hat  gezeigt,  daß 

^ie  pseudocyprianische  Schrift  De  pascha  computus  v.  J.  242/3  (s.  u.) 

unserem  Traktat  sehr  nahe  steht,  ja  sie  kann  geradezu  als  eine 

neue  lateinische  Bearbeitung  desselben  erscheinen,  so  enge  ist  das 

Verhältnis,   welches    sie    mit   Hippolyts   Werken    (s.   Hufmayr 

S.  28 — 33)  verbindet    Der  Komputist  hat  die  Fehlerhaftigkeit  der 

Berechnung  des  Hippolyt  erkannt^  die  freilich  seit  dem  J.  237  alle 

Welt  erkennen  mußte ;  er  hat  sie  zu  korrigieren  versucht  —  diesem 

Zweck    dient   die    ganze  Arbeit  — ;    aber  da  er  bei  der  rohen 

Oktaeteris  verharrte  und  auch  sonst  mit  willkürlichen  Ansätzen 

operierte,  vermochte  er  nicht  viel  an  dem  Computus  des  Hippolyt 

zu  verbessern,   und  sehr  bald  mußte  sich  auch  seine  Berechnung 

als  falsch  erweisen. 

Sicher  auszuscheiden  aus  der  Schrift  De  pascha  computus,  was 
der  Verfasser  dem  Traktat  Hippolyts  entnommen  hat,  vermögen 
wir  nicht;  wir  können  nur  von  einer  ganzen  Beihe  von  Wendungen 
und  von  Teilen  dos  Materials  behaupten,  daß  sie  von  Hippolyt  her- 
rühren. Daß  der  Verfasser  den  Namen  desselben  ganz  verschwiegen 
hat  ist  auflFallend.  In  c.  4  schreibt  er:  „Qui  nunc  comprehenditur 
esse  Vni  Kl.  April.,  a  quo  die  computantes  aliqui  ex  nobis  qui 
priores  voluerunt  hunc  mensem  novum  ostendere  et  ipso  XlVluna 
inventa  dies  Paschae  secundum  ludaeos  demonstrare",  und  in  c.  G 
spricht  er  von  ,,nostri  antecessores'*.  (^emeint  ist  außer  Hippolyt 
wohl  Julius  Africanus.  Nicht  deshalb  hat  er  Hippolyt  nicht  mit 
Namen  genannt,  weil  er  den  Schismatiker  nicht  erwähnen  wollte 
—  er  spricht  ja  von  aliqui  ex  nobis  — ,  sondern  vielleicht  aus 
Höflichkeit  weil  er  ihn  korrigieren  mußte.  Doch  ist  solches  Ver- 
schweigen von  Namen  ja  auch  sonst  in  der  Zeit  frebräuchlich  «:e- 
wesen. 

1 1  Dil'  knrzr  Hcschroibung  bei  Kiiöobiiis  ffcwillirt  rin  tiolcbes  Hild  lüclit 
Auf  <iniiHl  (lorsolbiMi  babou  öop^ar  Idcler  (Chronolojijii*  II  S.  1*25)  mul  Biinscii 
fHippolytiis  I  S.  1*0:;)  diese  unsere  Schrift  mit  der  „Chronik"  identifiziert,  ob- 
j?b»ich  doch  das  SchriftiMivorzeichnis  auf  der  Statue  beide  Büelier  bestimmt 
unterscheidet.  —  Frick  (Chronica  minora,  1SJ)2,  Vol.  I  \k  XXVI IJ  f.)  weist  das 
Stück  im  Liber  jjjenerat.,  wel<'hes  zeij:^-,  daß  dieses  Buch  d«'m  13.  Jalir  d»'s 
Ab»xander  anf;(eh()rt  (abg« 'druckt  in  Frick s  Ausj^abr  ]».  r»l,  17 — ."iO,  22,  cf.  das 
jiaralleb'  Stück  p.  1)6,  •>— 21),  unserom  Ihu'he  zu.  Ks  hän^t  das  mit  Fricks 
»•it^entünil icher  Ansit-lit  zusannufMi,  dali  d«T  Liber  p»n<Tationis  nicht  von 
Hi]>polyt  st'lbst  sei,  sondern  ««ine  Kompilation,  für  die  die  Chronik  Hijipolyts 
verwertet  ist;  s.  darüber  unten  Nr.  21. 

2)  Di<'  [»seudocyj>rianische  Schrift  De  ]»asclia  comi>utiis,  Augsburg  ISJKi, 
\V!:\.  die  älter«'  Untersuchung  von  De  Rossi,  Inscr.  Christ.  1  p.  LXXIXtl'.:  „D»» 
Hippolytei  cycli  inventionc  «Mus<pie  usu". 

!>)  Auch  anderes  hat  er  anders  behandelt  als  Hii>polyt  (die  7()  Jahr- 
woi'hen,  Bestimmung  des  .Tahres  und  Tages  des  Todes  Chri.4i). 


236  ^^^  Littcratiir  des  Abendlandes. 

Hippolyt  hat  seine  Osterberechnung  als  schismatischer  Biscliof 
publiziert;  das  hinderte  natürlich  nicht,  daß  sie  auch  die  Katho- 
liken akzeptierten,  wenn  sie  sie  für  richtig  hielten. 

(21)    XQOPCxäv  {ßlßXoq), 

Dieses  Werk  ist  auf  der  Statue  verzeichnet,  und  in  der  Eefü- 
tatio  scheint  Hippolyt  auf  dasselbe  anzuspielen,  wenn  er  nach  einer 
Berechnung  betreflFend  die  Urgeschichte  und  die  Urväter  schreibt 
(X,  30):  (ov  xal  ra  ovofiaxa  ixrsd^elfitd^a  iv  irtQOig  ßißXoig,  fn/öi 
xovto  jraQctXcjeoPteg  xara  tojcop,  ßov/LoftsPoi  rotg  ipiXofia&toiv 
IjtiÖBtxvvvat  Tjp  ixofisp  orogyfjp  üttQi  xo  d^slov  ttjv  rt  döioraxrov 
ypiSocv,  7]p  hv  jtovocg  xexT7]fisB-ct  jtsQl  t?jv  d/Li^d-ecav.  Da  aber  Hipp, 
von  mehreren  Büchern  spricht,  in  denen  er  von  diesem  Thema  ge- 
handelt und  er  nachweisbar  chronologische  und  urgeschichtliche 
Fragen  öfters  besprochen  hat  (z.  B.  in  der  Schrift  über  das  Passah 
und  im  Üanielkommentar),  so  ist  es  keineswegs  sicher,  dalS  er  an 
unserer  Stelle  die  Chronik  gemeint  hat.  Man  kann  dies  sogar  un- 
wahrscheinlich finden ;  denn  hätte  dieses  Werk  bereits  vorgelegen, 
so  wäre  es  wohl  statt  aller  anderen  von  ihm  bezeichnet  worden. 

Im  Original  ist  das  Werk  verloren  gegangen;  aber  ein  großes 
Fragment  {ix  xmv  Xqopixcov  ^fjtjeoXvrov  Ijriox.  'Pcifi.)  hat  sich  im 
Chronographeion  syntomon  (Euseb., Ohron.  I  App.  p.  65  ed. Schoene) 
erhalten '.  Nachweisbar  oder  höchst  wahrscheinlicli  haben  mehrere 
griechische  Chronographen  der  späteren  Zeit  das  Werk  benutzt-, 
aber  zur  Zeit  läLst  sich  Genaueres  darüber  noch  nicht  sageu'^  Ei-st 
wenn  die  griechischen  Chronographien  sj^stematisch  durchge- 
arbeitet sind,  wird  man  hoffen  dürfen,  Sichereres  festzustellen^. 

1)  Dieses  Fraioiit'iit  lälU  vcniiutiMi,  dalJ  das  Werk  ivcbt  lunfaujüjroich  |^«'- 
wesen  ist  und  daß  die  fjU'ii.'h  zu  ncuuiMiden  Lateiner  wirklieli  niu-  Exzerpt»- 
l)rin<;en. 

J)  S.  (iutschniid  im  lüieiu.  Museum  Bd.  l.i  (ISöS)  S.  877  f.  und  Gel'/i-r. 
.lulius  Afrikanus  Bd.  2  (1885)  S.  1— J:]. 

.'>)  Man  beachte  wohl,  daß  Frick,  Chronica  minora  I  (1892)  p.  A'.il  iY. 
nicht  jjfricchischc  Fraj^niente  der  (.'hronik  llippolyts,  sondern  griecbißche  „Fraij- 
nienta  chronolopca"  dieses  Autors  zusammengestellt  hat.  Bei  Vitra,  Aua- 
Iccta  II  p.  1*71  ir.  lie«rt  nur  ein  Anfang  zur  Fragnicntcnsammhmg  der  Chronik 
(<iraocc)  vor. 

1)  So  hat  sich  aucli  Monimscn  ausgcspr(»chen  (Chronica  minora  1»  Ism*. 
p.  S()f.).  Ucclit  wahrscheinlich  ist  die  Hypothese  (lelzers  (a.  a.  0.  Jl  8.  llltl'. 
in!)  f.),  daß  der  „lihellus  sine  auctoris  nomine**,  wtdcher  Sulpicius  Severus  in 
<lie  Hände  li(»l  und  in  welchem  er  die  Zeiten  der  bal)} Ionischen  Könige  ver- 
zeichnet fand  (Chron.  11,  S,  2),  eben  die  Chronik  Hii^iolyts  oder  doch  ein  Aus- 
zug aus  ihr  fbez.  die  kihzere  Gestalt,  s.  u.}  gewesen  ist.  Auch  das  Fehlen  des 
Namens  des  Autors  spricht  dafür,  sowie;  die  fast  vollk(.mmene  Cbereinstimmung 


Hippolyt.  237 

Ein  bedeutender  Teil  des  Werkes  hat  sich  im  Lateinischen  in 
zwei  Büchern  bez.  drei  Übersetzungen  erhaltend  Daß  sie  wirk- 
lich die  Arbeit  Hippolyts  darstellen,  ist  außer  von  Frick^  (und  von 
Lagarde?)  von  niemandem  bestritten  worden.  Fr  ick  nimmt  an, 
daß  das,  was  uns  bei  den  Lateinern  vorliegt,  eine  Bearbeitung  des 
Hippolyt  ist.  Da  aber  das  im  Lateinischen  vorliegende  Werk  sicher 
in  das  letzte  Jahr  des  Severus  Alexander  f&llt^  so  müßte  das 
Plagiat  an  Hippolyt  bez.  die  Bearbeitung  seines  Werkes*  durch 
einen  Fremden  unter  seinen  Augen  geschehen  sein;  ferner  müßte 
der  Plagiator  die  Vorrede  Hippolyts  einfach  übernommen  haben; 
denn  daß  diese  hippoljiiisch  ist,  liegt  für  jeden  Kenner  der  Aus- 
drucksweise dieses  Autors  am  Tage^    Somit  erscheint  die  ganze 

der  Aiiöätze  des  Siilyncius  fiir  Nabuchodonosor,  Evilmerodacb,  Balthasar,  Da- 
rius  ^Icdus  mit  denen  Hippolyts  („Nabuchodonosor  regnasse  tniditur  annos  VI 
et  XX,  quamquani  id  non  in  sacra  historia  scriptum  invenerim,  sed  forte  acci- 
dit,  ut  dum  multa  evolverem,  annotationem  hanc  iam  intcri)olato  ])er  aetatem 
libello  sine  auctoris  nomine  reperii'em,  in  quo  regum  Babyloniorum  tempora 
continebantur'*). 

1)  S.  den  ersten  Teil  dieses  Werks  S.  G26  f.  und  den  Abdruck  der  Lateiner 
bei  Mommsen  und  Fr  ick. 

2)  a.  a.  0.  Vraef.  p.  V  ff. 

•{)  S.  Alommsen,  a,  a.  0.  l  30*J.  314.  Xil.  :-J!)7.  Aiicb  Frick  sieht  sich 
gezwungen,  dies  anzunehmen. 

4)  Nicht  um  die  Cbersetzuug  handelt  es  sich;  Frick  nimmt  an,  daß  eine 
Bearbeitung  in  griecliischor  Sprache  gemacht  und  später  erst  ins  Lateinische 
übersetzt  worden  ist. 

5)  Die  Vorrede  bei  Mommsen  p.  90,  Frick  p.  4.  82.  Sie  laut<;t  (nach 
dem  Liber  generat.):  „Quoniam  (piidem  oportet  instructum  esse  veritatis  dia- 
coiium,  necessarium  existimavi,  frater  carissime,  hos  in  brevi  de  sanctis  scri]»- 
turis  facere  sermone«  ad  eorroborandam  doctrinam  tuam,  ut  ]>er  paucas  enarra- 
ti'iues  non  sine  causa  inqiiisitas  virtutes  veritatis  citiiis  agnoscamus,  absci- 
dfMites  ])rius  indoctonnu  generatam  contentionem,  quae  obumbrant  sensum, 
huiuscemodi  indoctum  edoceat.  Summa  autem  cum  industria  pnievidere  cu- 
pientes  iuxta  veritatem  cognoscimus  gentium  divisiones  et  parentum  dinume- 
ratam  generationem,  intrabitationis  quoque  tempora  et  bellonmi  commissiones 
et  iudicum  temi>(»ra.  dispensationes  et  regum  annos  et  prophetarum  tempora, 
qui  et  quibus  regibus  nati  sunt,  quales  captivitates  ]>opuli  quibus  regibus  et 
quibus  iudicibus  coiitigerint  quique  sacerdotes  quibus  temporibus  fuerint  et 
quae  divisio,  (jua«*  i»i»rditio  facta  sit,  quo  autem  modo  generatio  seminis  Is- 
rahel  de  ])atribus  in  Christo  conpleta  sit  et  quot  quantique  per  quanta  tempora 
dinumerentur  anni  a  creatura  siieculi  usque  in  hunc  diem.  Existimavimus 
aut<'m  incipientes  a  (Jenesi  iuxta  verbum  ostensionem  siciit  expetit  declarare, 
non  ex  nostra  (juadam  })arte,  sed  ex  ipsis  sanctis  scripturis  testificari.  hinc 
ergo  occui-siouem  arripientes  iuxta  ordinem  de  Oenesi  sermonem  faciemus."  S. 
die  Rückübersetzung  bei  Frick  (a.  a.  0.  p.  5.  7),  welche  den  hippolytischeu 
U'rsi>ning  dieser  Sätze  noch  deutlicher  ans  Licht  st-ellt,  vgl.  den  Kinj^aug  der 
Sehrift  De  antiehristo  uiul  der  Befutatio. 


238  ^^^  Littenitur  des  Abendlande«. 

Hypothese  höchst  prekär  ^  Eine  Stütze  erhält  sie  auch  nicht  durclu 
den  dankenswerten  Nachweis  Fricks,  daß  Clemens  Alexandriniis- 
außerordentlich  stark  benutzt  ist;  denn  warum  soll  ihn  nicht 
Hippolyt  selbst  benutzt  haben?  Daß  er  zu  Origenes  Beziehungen 
gehabt  hat.  steht  ja  fest  (s.  o.  S.  218);  daher  ist  es  nicht  verwun- 
derlich, daß  er  auch  die  Stromateis  des  Clemens  gekannt  hat;  das 
Gleiche  gilt  von  der  Beziehung  zu  Julius  Africanus.  Gutschmid, 
Geizer,  Mommsen  und  Frick  haben  diese  Beziehungen  behauptet 
bez.  nachgewiesen,  und  ich  habe  sie  in  bezug  auf  die  römische 
Bischofsliste  bestätigt  gefunden  2.  Daraus  ergibt  sich,  daß  Hippolyt 
seine  Chronik  nach  dem  3.  Jahre  Klagabals  geschrieben  hat;  denn 
aus  diesem  Jahre  stammt  die  Chronik  des  Julius,  die  er  be- 
nutzt hat 

Was  den  terminus  ad  quem  der  Chronik  bez.  das  Jahr  der 
Abfassung  selbst  anlangt,  so  scheint  von  hier  aus  ein  wirkliches 
Argument  für  die  Fricksche  Hypothese  gewonnen  werden  zu 
können.  Der  Lateiner  reicht  bis  zum  letzten  Jahre  des  Severiis 
Alexander.  Ist  Hippolyt  mit  der  Vorlage  des  Lateiners  identisch, 
so  hat  er  in  diesem  Jahre  bez.  im  ersten  Jahre  des  Maximinus  Thrax 
geschrieben.  Man  kann  nun  so  folgern:  unser  Werk  ist  in  der 
,,K^*futatio"  von  Hippolyt  selbst  ausgeschrieben,  die  Refutatio  kann 
aber  nicht  erst  aus  dem  1.  Jahre  Maximins  stammen  —  denn  da- 
mals ist  Hippolyt  verbannt  worden;  daß  er  aber  unmittelbar  vor 
seiner  Verbannung  in  ein  und  demselben  Jahre  das  große  Werk 
der  Chronik  und  das  umfangreiche  Werk  der  Refutatio  hat  er- 
scheinen lassen,  ist  ganz  unwahrscheinlich  — ;  also  ist  die  Chronik 
einige  Zeit  vor  dem  1.  Jahre  Maximins  (bez.  vor  dem  letzten  de> 
Alexander)  vtafaßt.  Da  aber  der  Lateiner  dieses  Jahr  nennt,  so 
ist  es  nicht  Hippolyt  selbst,  sondern  ein  Bearbeiter  desselben. 

Diese  Argumentation  kann  man  nicht  so  widerlegen,  daß  man 
niitMomnisen^^  die  Philosopbumenen  nach  d.  J.  235  setzt  (denn  dal^ 
.sie,  von  Hippolyt  auf  Sardinien  oder  nach  dem  Aufenthalt  daselbst 
l)ubliziert  worden  sind,  ist  unmöglich);  aber  es  bieten   sich   zwei 

1)  Sie  wird  (Unlurcli  unch  ]»n»kiiror,  daß  nach  Frick  dor  lVarlM»it«'r  aucli 
noch  and»Tt'  Schritten  lH|»i»olyt.s,  nändich  De  antichrist^  und  die  Refutatio,  W- 
nutzt  hat  und  daß  nach  ihm  die  retractatores  Latin!  (s.  j).  LI)  mit  nicht  jr,.. 
rin<j;er  Freiheit  (h'U  Text  beliandelt  haben.  Ks  ist  dann  erst  rocht  nicht  al)zu- 
Helieu,  warum  c.<  n(>(i«^  ist,  noch  ein  Mittolf^lied  einzuscliiebcn  und  nicht  viel- 
mehr dem  Hippolyt  selbst  <his  f::rii'chischc  Ori<:^inal  des  Liber  generatiouis  und 
die  (Jrun<lschrift  «ler  Exceri»ta  Barbara  Latina  zuzuweisen. 

2i  l)ic  Wunische  IJischot'slisto  Hipjjolyts  ist  leider  jetzt  nicht  melir  im 
Libcr  f^iMierat.  crhalttMi,  bez.  nur  nodi  ihre  Iberschnft;  abtu'  aus  dem  Chrono- 
^rajibfn  v.  :'..'» l  liilit  .-!.'  sich  wiederher^telh'U,  s.  den  ersten  l?and  dieses  Teil>. 

.■)i  1.  c.  p.  ST. 


Hippolyt.  239 

suidere  Auswege.    Erstlich  nämlich  ist  bereits  oben  S.  236  darauf 
hingewiesen  worden,  daß  es  gar  nicht  gewiß,  ja  nicht  einmal  wahr- 
scheinlich ist,  daß  sich  Hippolyt  in  der  Refutatio  auf  die  Chronik 
berafen  hat    Zweitens  —  die  Berufung  auf  die  Chronik  zuge- 
standen —  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  dieses  Werk  von  Hippolyt 
zweimal  veröffentlicht  worden  ist    Salmon  hat  das  behauptet  \ 
und  Mommsen  hat  es  auf  Grund  der  lateinischen  Exzerpte  nach- 
gewiesen 2.    Er  fährt  dann  fort  (p.  86):  „lam  cum  supra  viderimus 
operis   huius    duas  formas   extitisse    Graece    scriptas,    pleniorera 
alteram,  quam  adhibuit  auctor  Alexandilnus  (=  Excerpta  Latina 
Barbara),  alteram  breviorem,  quam  sub  inscriptione  „Libri  genera- 
tionis  mundi"  Latine  verterunt  interpretes  duo,  aut  formam  illam 
pleniorem  auctori  Hippolyti  attribuemus,  aut,  si  ipsa  est  Hippolyti, 
Über  generationis  versio  est  epitomae  Chronicorum  Hippolytianorum. 
quaestio  quamquam  hoc  loco  tractari  non  potest,  mihi  secunda  opi- 
nio  magis  probatur.  nam  titulus  diversus  Chronicorum  et  libri  gene- 
rationis recte  explicabitur,  ubi  hunc  ex  illis  breviatum  esse  sumi- 
mus  et  cum  multa  capita  pariter  deficiant  in   utroque  libello,  ad- 
sint  autem  apud  Alexandrinum,  pailem  eorum  verisimile  est  afuisse 
iam  ab  archetypo  comrauni  Graece  scripto."    Da  die  Annahme,  es 
habe  einen  „auctor  Hippolyti"  gegeben,  der  schon  wesentlich  dasselbe 
wie  er  geschrieben  hat,   gänzlich  in  der  Luft  schwebt',   so  wird 
man    mit  Mommsen  anzunehmen  haben,  daß  eine  längere  und 
kürzere  Form  der  Chronik  —  beide  von  Hippolyt  selbst  verfaßt  — 
existiert  haben.    Hält  man  es  also  für  nötig,  um  des  Zitats  in  der 
Jlefiitatio  willen  die  Chronik  schon  in  die  Zeit  Elagabals  zu  setzen, 
»0  wäre  eine  der  beiden  Formen  der  Chronik  ohne  Schwierigkeit 
so  frühe  anzusetzen.    Das  könnte  nur  die  längere  Form  sein  (wie 
sie  das  Chron.  Alexandr.  repräsentiert);  denn  in  ihr  fehlen  die  Be- 
siehungen auf  das  letzte  Jahr  des  Alexander  Severus.    Aber  not- 
"wendig  ist  (von  der  Refutatio  aus)  die  Annahme  nicht,  weil  es  nicht 
feststeht,  daß  in  der  Refutatio  auf  die  Chronik  verwiesen  ist 

Durch  eine  überraschende  Entdeckung  Prof  Adolf  Bauers 
in  Graz  ist  die  sichere  Aussicht  auf  neue  Stücke  der  Chronik  Hippo- 
lyts  (im  Original)  eröffnet  Sie  befinden  sich  bereits  in  den 
Händen  des  Entdeckers.  In  einem  Brief  an  mich  vom  8.  Aug.  1903 
schreibt  Bauer: 

„Seit  längerer  Zeit  mit  der  Herausgabe    einer  Anzahl   von 
Papyrusfragmenten    beschäftigt,   die  Bruchstücke  einer  alexandri- 


1)  Hermathena  Bd.  8  p.  1-Slf. ;  er  setzt  dw  »Tste  Ausj^uIk'  in  die  Mitte  der 
Kegierung  des  Alexander. 
2)  S.  1.  c.  p.  TS  ff. 


240  ^iß  Litteratur  des  Abendlandes. 

nischen  Weltchronik  des  5.  Jahrh.  n.  Chr.  enthalten,  die  mit  de 
von  dem  Barbarus  des  Scaliger  ins  Lateinische  übersetzten  nah 
verwandt,  aber  nicht  identisch  ist,  habe  ich  eine  handschriftlich 
Beobachtung  gemacht,  die  für  die  Hippolytos- Ausgabe  von  Be- 
deutung ist. 

Einige  der  Fragmente  des  genannten  Papyrus,  der  dem  rus- 
sischen Ägyptologen  Golenischeff  gehört,  enthalten  Teile  des  öca- 
fisQioiiog,  und  zwar  die  Nordprovinzen  und  Inseln  Chams  mit  den- 
selben Bildern  wie  der  Barbarus  (Schöne,  Euseb.  I.  App.  p.  185, 
189,  fol.  8  des  Puteanus),  jedoch  in  einer  von  der  des  Barbarus 
und  aller  anderen  Ableitungen  abweichenden  Reihenfolge. 

Dies  veranlaßte  mich,  den  bisher  unpublizierten  Fassungen  des 
öcafisQiöfiog  nachzugehen,  und  ich  ließ  mir  daher  u.  a.  auch  den 
bei  Iriarte  (Regiae  bibl.  Matr.  codd.  gr.  mss.  p.  480)  beschriebeneu 
und  teilweise  veröffentlichten  Matritensis  121  hierher  kommen. 

Das  Manuskript  traf  vor  ein  paar  Wochen  hier  ein,  und  es 
bestätigte  sich  zunächst,  daß  es  nicht,  wie  Iriarte  sagt,  dem  13., 
sondern  dem  10.,  spätestens  dem  11.  Jahrhundert  angehört.  Diesen 
Datierungsfehler  hatten  schon  Miller  (Journ.  de  savants  1844, 
p.  300)  und  C.  Müller  (Geogr.  graec.  min.  I.  427)  sowie  A.  Martin 
(M^lan^es  G.  B.  Rossi,  p.  202)  berichtigt. 

Die  ersten  50  Blätter  enthalten,  wie  Iriarte  richtig  bemerkt 
(vgl.  Martin  a.  a.  O.),  eine  noch  unpublizierte  erweiterte  Fassung 
der  xvoroyoacflcc  övvtohoc,  des  Nikephoros  Patr.  Auf  fol.  63  v.  be- 
ginnt unter  der  besonderen  Überschrift  oraöucOfiog  ttjq  O^akaaa?]^ 
jenes  bis  fol.  S2  reichende  Schiffahrtsbuch  des  mittelländischen 
Meeres,  das  C.  Müller  in  den  Geogr.  graec.  min.  (a.  a.  0.)  zuletzt 
veröffentlicht  hat. 

Was  zwischen  fol.  50  und  6:$  steht  unter  der  Überschrift: 
owaycDyti  xQovcov  xal  iroiv  ajto  xzloecog  xoOfiov  fcw$  rr/g  tveovojOfjj: 
fjf^tQag  ist,  wie  der  Vergleich  mit  den  beiden  Fassungen  des  über 
<fenorati(>nis  und  dem  Barbarus  des  Scaliger  zeigt  (Mommsen  chron. 
min.  p.  soff.),  der  griechische  Text  der  (.'hronik  des  Hippolytos,  und 
es  ist  ferner  auch  zweifellos,  trotz  A.  v.  Gutschmids  Einwendungen 
(Kl.  Schriften  V,  S.  209,  der  auf  Iriartes  mangelhafte  und  irre- 
führende Angaben  angewiesen  war),  dal.s  der  otaöcaoftog  ttjq  fuyd- 
?.fjj:  (>a?MOötj^  einen  Bestandteil  des  öiaifKjiOfwg  in  der  Chronik  des 
Hippolytos  bildete. 

Dieser  ^rriechisclie  Text  lehrt,  daß  die  Vermutungen  Fricks  (die 
Si(i  ja  schon  als  unzutreffend  bezeichnet  hatten)  über  das  Verhältnis  der 
lateinischen  l 'bersetzun^^en  zu  Hippolytos  irrig  sind;  C.  Wachsniutli 
hat  also,  Frick  folgend,  den  liber  generationis  irrtündich  als  Pseudo- 
Hippolytos  bezeichnet.    I^ald  steht  die  eine,  bald  die  andere  der 


Hippolyt.  241 

beiden  lateinisclien  Fassungen  dem  Original  näher,  am  genauesten 
gibt  dieses  aber  der  alexandrinische  Chronist  wieder,  der  beim 
Barbarus  vorliegt  Allerdings  hat  dieser  die  Inhaltsübersicht  und 
die  Vorrede,  die  Matrit  121  enthält  und  die  in  den  libri  generationis 
mit  tibersetzt  ist,  weggelassen,  sonst  aber  folgt  er  dem  Original  am 
treuesten;  den  Stadiasmos  haben  aber  alle  drei  bisher  bekannten 
Ableitungen  beiseite  gelassen. 

In  der  Handschrift  liegt  ein  kleiner  Zettel  von  Dr.  Bruno 
Violet  aus  dem  Jahre  1899  mit  der  Bemerkung,  daß  von  fol.  50  an 
griechisch  dasselbe  stehe  wie  in  der  latein.  Handschr.  Madr.  nacio- 
nal  A  1 6,  fol.  99  unter  dem  Titel  scarpsum  ex  chronico  Origenis ; 
Violet  war  also  auf  der  richtigen  Fährte,  denn  diese  Handschrift 
ist  die  bei  Mommsen  (a.  a.  0.  S.  79)  unter  0,  c  verzeichnete  des 
lib.  gener.  Violet  scheint  aber  die  Sache  nicht  weiter  verfolgt 
zu  haben. 

Sie  werden  also  in  der  Lage  sein,  in  der  Berliner  Ausgabe 
des  Hippolytos  wenigstens  einen  Teil  der  Chronik  des  Hippolytos 
im  griechischen  Original  veröffentlichen  zu  können,  das  sich  von 
Fricks  Retroversionsversuch  begreiflicherweise  recht  erheblich 
unterscheidet". 

Aus  der  Ztschr.  f.  wissenscli.  Theol.,  Bd.  46  (1902),  S.  80  er- 
sehe ich,  daß  ein  armenischer  Gelehrter  aus  Moskau  Namens  Chala- 
tiantz  auf  dem  Hamburger  Orientalisten  -  Kongreß  (6.  Sept  1902) 
die  Vermutung  erweckt  hat,  daß  er  im  Besitze  einer  vollständigen 
armenischen  Übersetzung  der  Chronik  Hippolyts  sei  (fortgesetzt 
bis  ins  7.  Jahrh.)^ 

Die  Chronik  Hippolyts  ist  wohl  seine  späteste  Schrift  gewesen 
(kurz  vorher  ging  die  Schrift  gegen  Artemon,  s.  o.).  Gleich  nach 
Veröffentlichung  ihrer  zweiten,  kürzeren  Gestalt  ist  er  nach  Sar- 
dinien verbannt  worden. 

(22)  Elg  rijv  t^ai^fiegov, 

(23)  Elg  ra  fisrä  ttjv  l^aj'/fisQOP. 

(24)  (In  Genesin). 

(25)  (In  Exodum). 

Auslegungen  des  Segens  Isaaks,  Jakobs  und  Mo- 
ses' {fJig  T7]p  coörjp  rijv  fieyä/Lijp). 

(26)  Elg  rag  ev/Loylag  rov  Balaafi. 

Zu  dem  vonAchelis  gesichteten  und  veröffentlichten  Material 

1)  Chalatiantz  bat  sich  über  diese  Version  aucb  in  der  Wiener  Ztscbr. 
f.  Kunde  des  Morgenlands  Bd.  17  H.  2  S.  182  ff.  j^eäußert-.  Ich  habe  die  Ab- 
handlung bisher  noch  nicht  eingesehen. 

Harnack,  Altchristi.  LittDraturgescIi.  II,  2.  \{] 


242  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

(Werke  I,  2  S.  51—119)^  sind  die  von  Marr  signalisierten,  bisher 
noch  nicht  veröffentlichten  Stücke  in  geoigischer  Übersetzung  ge- 
kommen: „Die  Auslegung  Hippolyts  zu  den  Segnungen  Moses'  iii 
Beziehung  auf  die  zwölf  Stämme**  und  „Abhandlung  des  h.  Hippo- 
Ijrt  von  den  Segnungen,  mit  denen  Jakob  segnete  die  12  Patri- 
archen" 2.  Ganze  Kommentare  Hippolyts  zur  Genesis  und  zum 
Exodus,  die  Hieronymus  nennt,  sind  noch  jetzt  unwahrscheinlicher 
geworden  ^  vielmehr  ist  bis  auf  weiteres  anzunehmen,  daß  sie  auf 
einem  Mißverständnis  beruhen  und  daß  Hippolyt  verfaßt  hat: 

(1)  Eine  Auslegung  stg  rrjv  tgarjfiegov^ 

(2)  „  ^  elg    ra   fiera   ttjv  k^ai^fiegov    (Gen.  2.  3, 

event  noch  die  folgenden  Kapp,  bis  zur 
Sttndflut)^ 

(3)  ,,  „  elg  rag  evXoylag  rov  ^Icaax^y 

(4)  ,,  „  elg  rag  svXoylag  rov  *Iax(6ß'% 


1)  Vgl.  Texte  u.  unters.  N.  F.  Bd.  1  H.  4  S.  94—120. 

2)  Vgl.  den  Bericht  von  Bonwetsch  a.  a.  0.  Bd.  8,  H.  2  S.  4ff.  Aus 
dem  von  Marr  veröffentlichten  Anfang  der  ersten  Abhandlung  folgt,  daß 
Hippolyt  auch  eine  Auslegung  des  Segens  Isaaks  verfaßt  hat,  s.  a.  a.  O.  S.  (>. 
Aus  dem  „Vorläufigen  Bericht  über  Arbeiten  auf  dem  Sinai,  unternommen  mit 
J.  A.  Dßchawachow,  imd  in  Jerusalem  auf  einer  Reise  im  J.  19()2  [russ.]  von 
Miirr  (ans  den  „Mitteilgii.  der  K.  Russ.  ralästina-Gesellsch."  T.  14,  2  (lOO:)) 
S.  1 — oO  ersehe  ich  (S.  17),  daß  Marr  in  Jerusalem  eine  zweite  grusinisch«- 
Handschrift  entdeckt  hat,  welche  dieselben  Stücke  Hippolyts  enthält  wie  die 
obige  (die  Schatberdsche  Handschrift)  und  daß  sich  in  dem  Jakobus-Kloster  zu 
Jerusalem  eine  armenische  Handschrift  derselben  Stücke  (also  ist  die  grusi- 
nische ÜbersetzAmg  aus  dem  Armenischen  geflossen)  gefunden  hat.  Den  ar- 
menischen Text  des  Kommentars  zum  Hohenlied  hat  Marr  abgeschrieben. 

3)  Außer  auf  Hieron.,  bei  dem  sich  das  Mißvei*ständnis  leicht  erklärt,  kann 
man  sich  für  die  Kxisteuz  eines  besonderen  Kommentars  zur  Genesis  nur  auf 

*  das  Zitat  zu  Cienes.  2,  7  (Achclis  I,  2  S.  02)  benifen:  ^Ex  xrjq  elq  t^v  riveaiv 
TiQayfiaxdaq.  Aber  eben  das  Wort  ngayfiateia  zeigt-,  daß  es  sich  um  Hilfs- 
mittel zum  Verständnis  der  (lenesis  handelt  und  nicht  um  einen  Kommentar. 
Daß  Hieron.  unter  einer  Wolke  von  Zeugen  zur  Erklänmg  der  Arche  Noah 
auch  Hippolyt  nennt  (ep.  4H,  1!)),  ist  ganz  unerheblich.  Hippolyt  hat  entweder 
beiläufig  von  ihr  f^ehandelt  oder  vielleicht  —  jedoch  unwahrscheinlich  —  in 
der  Abhandlung  elg  za  (xexä  rrjv  hgajj/ASQOv.  Oleich  unerheblich  ist,  daß  Hieron. 
.sich,  ebenfalls  unt(»r  cin<'r  Wolke  von  Zeugen,  für  das  Verständnis  des  Melchi- 
sj'dek- AI  »Schnitts  auf  ihn  beruft  (ep.  "'->,  1). 

■1)  S.  Kuseb.,  Ambrosius  und  die  griechischen  Fragmente  bei  Prokop. 
."))  S.  Kuseb.  und  d'w.  griecliisehen  Fragmente  bei  Prokop. 
0)  S.  Hieron.,  ep.  3«)  ad  Daniasum  u.  den  Georgier. 

7)  S.  die  p:ri« 'ellischen  Fragmente  bei  Prokoj),  Ambrosius  (De  l)enedi(-t. 
l'atrinnh.)  und  den  Georgier.    Aueh  noch  im  Armenischen  vorhanden,  s.  unten. 


Hippolyt.  243 

(5)  Eine  Auslegung  slg  xr^v  (pöt^v  ttjv  fieyalriv  (Deut  32)  \ 

(6)  „  «  elg  rag  svXoylag  xov  Mcovöicog^ 

(7)  „  „  elg  rag  BvXoyiag  BaXaafi^. 

Wie  aus  dem  Eingang  von  Nr.  6  hervorgeht,  haben  die  Nrn.  3, 
4  und  6  in  engster  Beziehung  gestanden,  ja  vielleicht  ein  Ganzes 
gebildet 

Die  Auswahl  der  echten  Stücke  aus  der  griechischen  Über- 
lieferung dieser  Abhandlungen  hat  Achelis  getroffen.  Auf  Zweifel, 
die  übrig  bleiben,  hat  er  selbst  (Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  1  H.  4 
S.  106  f.)  aufmerksam  gemacht  Mit  Recht  hat  Bonwetsch  (a.  a. 
0.  S.  10)  bemerkt,  daß  die  Echtheit  der  Auslegungen  des  Segens 
Jakobs  und  Moses'  (armen,  und  grusinisch)  schwerlich  bezweifelt 
werden  wird.  Schon  das,  was  Marr  veröffentlicht  hat,  zeigt  die 
Feder  Hippolyts  deutlich.  Die  nur  griechisch  erhaltenen  Fragmente 
werden  hoffentlich  durch  das,  was  grusinisch  überliefert  ist,  sicherer 
als  bisher  kritisiert  werden  können. 

Zeitspureu,  die  das  Datum  der  sieben  Abhandlungen  zu  fixieren 
geeignet  sind,  habe  ich  nicht  gefunden.  Vielleicht  wird  die  Ver- 
öffentlichung des  vollständigen  Segens  Jakobs  und  Moses*,  die  zu 
erwarten  steht,  solche  bringen. 

Noch  ist  ein  Wort  über  die  Fragmente  zum  Peutateuch  aus 
der  arabischen  Katene,  die  Achelis  abgedruckt  hat  (Werke  I,  2 
S.  87ff.),  zu  sagen.  Da  Hippolyt  hier  als  „Ausleger  des  Targums" 
bezeichnet  ist,  da  niemand  sonst  ihm  Auslegungen  zum  ganzen 
Pentateuch  beigelegt  hat,  und  da  der  Hauptteil  der  Ausführungen 
sicher  nicht  von  Hippolyt,  sondern  aus  einer  viel  späteren  Zeit 
stammt,  so  könnte  man  einfach  über  diese  seltsamen  und  breiten 
Stücke  hinweggehen.    Allein   es  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  in 


Ij  S.  Theodoret  u.  vgl.  Achelis,    Cbor  Hippolyts  Oden  u.  s.  Schrift  zur 
großen  Ode  (iNachr.  v.  d.  K.  Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Göttingeii,  189G,  S.  t>7l>  ff.\ 

2)  S.  den  Georgier.  Ob  Nr.  ö  u.  (>  eine  Abhandlung  bildeten,  läßt  sich 
noch  nicht  entscheiden.  Marr  hat  mitgeteilt,  daß  das  Stück  0  (u.  5?)  auch 
noch  im  Armenischen  vorhanden  ist.  „In  einer  Schrift  Zarbaijans  (Venedig, 
18S9,  S.  nöü)  findet  sich  nämlich  ein  Fragment  aus  einer  Handschrift  der 
Mechitarist^n  zu  Venedig,  welches  nach  Marr  diesen  Text  als  die  Vorlage 
der  grusinischen  Übersetzung  zu  erweisen  scheint.  Die  Seiten,  auf  denen  sich 
in  jener  Handschrift  die  Erklärung  des  Segens  Moses'  findet,  habe  Tschrakjan 
(lOUO  S.  253)  angegeben.  In  ebenderselben  Handschrift  finde  sich  auch  S.  808 
(nach  Tschrakjan  S.  253)  der  armenische  Text  des  Segens  Jakobs;  Zarbaijan 
teile  S.  550  die  Überschrift  und  den  Anfang  mit.  Im  armenischen  Text  geht 
richtig  die  Erklärung  des  Segens  Jakobs  der  des  Segens  Moses'  voran;  im 
georgischen  ist  es  umgekehrt"  (Bonwetsch,  a.  a.  0.  S.  5j. 

3)  S.  Leontius. 


244  ^^0  Litteratur  des  Abendlandes. 

einigen  wenigen  Stücken,  wo  Deutungen  auf  Christus,  die  Kirche 
und  die  Apostel,  die  Weltlage  usw.  gegeben  werden,  wirklich  Hippo- 
lyt  redet,  wenn  man  sich  auch  nicht  auf  den  Wortlaut  verlassen 
kann.  Augenscheinlich  hat  die  junge  ai*abische  Katene,  die  aus 
dem  Syrischen  geflossen  ist,  eine  lange  und  komplizierte  Geschichte 
hinter  sich,  die  wir  nicht  mehr  zu  durchschauen  vermögen.  Einige 
wirkliche  Hippolytfiagmente  liegen  ihr  zugrunde  (so  urteilen  auch 
Bardenhewer^  und  Achelis^),  die  dann  in  hoffnungslose  Ver- 
mischung mit  Unechtem,  sei  es  absichtlich  sei  es  unabsichtlich,  ge- 
bracht worden  sind  3. 

(26*)  "EQfiTjpsla  'Pov&. 

(27)  Elg  iyyaOTQlfivd-ov. 

(28)  Elg  TOP  ^EXxavav  Tcal  rijv  "Avvav. 
(28*)  Auslegung  über  David  und  Goliath. 

'EQfiTjpsla  ^Pov&  ist  durch  ein  sicheres  Fragment^,  aber  nur 
durch  dieses,  gewährleistet.  Ich  möchte  diese  Schrift  an  das  Ende 
der  Regierungszeit  des  Zephyrin  oder  noch  später  setzen;  denn  die 
Bekämpfung  der  „Simonie"  wird  passend  auf  diesen,  in  der  Refutatio 
(IX,  11)  als  öcoQoXrjjtrrjg  xal  (ptXaQfVQog  charakterisierten  Bischof 
bezogen,  bez.  auch  auf  Kaliist.  Die  Worte  lauten:  oooi,  jtEiQAvrai 
dre  ayogaCeiv  ute  JccuXtlv^  fi^Qog  fiera  Xqiötov  ix^iv  ov  övvavrai, 
ovx  olxovofioi  jtLOtol  akXa  xQ^ortfucogoi  (vgl.  die  Didache)  vjtaQ- 
yovxtg,  xa{^^  ijfihQav  rbv  Xötov  öeöjtovfjv  jtwXovvxeg,  xai  ^lovöa; 
fiiv  ixjta^  TOP  Xqcotov  jecok/jCag  jrQtjvijg  yspofispog  kXaxrjOev  fiiooc, 
ovTOc  de  x^Qova  rov  ^ lovöa  jtotovvxeg  rijv  xgloiv  rov  {feov  ixq^v- 
ytiv  vjtoXafißdvovoiv.  Vielleicht  ist  die  hippolytische  Auslegung 
des  Büchleins  deshalb  von  niemand  sonst  erwähnt  worden,  weil 
sie  so  harte  Angriffe  auf  Bischöfe  enthielt. 

Die  Schrift  Eig  iyyaOTQifivO^ov  kennen  wir  von  der  Statue  her, 
sowie  von  Hieronymus  (auch  Nicephorus).  Über  ein  angebliches 
Fragment  s.  Achelis,  Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  1  H.  4.  S.  122ff. 
Eine  Zeitbestimmung  ist  ganz  unmöglich.  Eine  solche  kann  auch 
nicht  für  die  Schrift  Elg  rov  ^EXxaväp  xal  rijv  "Avvav  gegeben  werden. 


1)  Des  h.  Hipp.  v.  lioni  Kommentar  z.  Ihich  Daniel,  1877,  S.  32  ff. 

2)  Texte  \\.  Unters.  N.  F.  Bil.  1  H.  1  S.  117.  Neumann  (Hippolytus  v. 
Koin,  1(^02,  S.  107  f.)  macht  mit  Recht  darauf  aufuierkHam,  daß  der  sekundän* 
Charakter  der  Mitteilungen  aus  Hippolyt  sich  aus  Fragm.  2(5  S.  116,  14  deutlich 
er»rebe;  denn  hier  laut<.'t  die  Überschrift.:  „Es  sagt  Mar  Jakoh  von  Edossa  und 
Hippolytus  der  Aush'ger  des  Targums". ' 

3)  Über  den  Unwert  der  Nachricht,  Hippolyt  hal*»  (?inen  Kommentar  zu 
Numeri  geschrieben,  s.  Achelis,  a.  a.  0.  S.  113. 

4)  Achelis,  a.  a.  0.  S.  120  H".  u.  Werke  Hipi>.  I,  2  S.  120. 


Hippolyt.  245 

von  der  uns  nur  vier  kurze  (echte)  Fragmente  bei  Theodoret  über- 
liefert sind.i 

In  demselben  grusinischen  Kodex  saec.  X.,  der  den  Segen  Jakobs 
und  Moses'  sowie  die  Schrift  über  den  Antichrist  enthält,  findet  sich 
auch  „die  von  Hippolyt  verfaßte  Auslegung  über  David  und  Goliath". 
Marr,  der  diesen  Kodex  entdeckt  und  beschrieben  hat,  hat  auch 
Anfang  und  Schluß  des  Traktats  mitgeteilt,  aber  weiteres  ist  bis- 
her nicht  veröffentlicht.  Das  Mitgeteilte  zeigt  die  Art  und  Aus- 
dracksweise  Hippolyts  (s.  Bonwetsch  a.  a.  0.  S.  7.  lOf.).  Am  Schluß 
ist  ein  auf  Christus  eifersüchtiger  König  angeredet  („Du  bist  König 
nur  über  600000,  Christus  über  alle  Kreaturen.  Du  bist  König  über 

die  irdischen  Menschen ,  Du  bist  König  als  ein  Mensch  der 

zeitlichen  Welt").    Man  darf  gespannt  sein,  wer  dieser  König  ist 
Vielleicht  ergibt  sich  eine  nähere  Zeitbestimmung  von  hier  aus. 

(28**)  Abhandlung  vom  Glauben. 

(28***)  Abhandlung:  Die  Gestalt  (Weise)  des  Gelübdes. 

Auch  diese  beiden  Schriften  tauchen  in  dem  grusinischen  Kodex 
(Bonwetsch,  a.  a.  0.  S.  8.  llf)  zum  ersten  Male  auf.  Veröffentlicht 
ist  bisher  von  Marr  der  Anfang  und  Schluß  von  beiden;  außerdem 
hat  er  ein  paar  Notizen  gegeben.  Die  Schrift  vom  Glauben  polemi- 
siert gegen  Juden  und  gegen  Sabellius.  Das  stimmt  gut  zu  Hippo- 
lyt und  zeigt  zugleich,  daß  die  Schrift  nicht  früher  als  c.  217  ab- 
gefaßt ist.  Auch  sonst  erweist  sich  das  Mitgeteilte  als  hippolytisch 
(vgL  besonders  den  Satz  aus  der  Mitte:  „Denn  es  bezeugt  der 
Psalter  [Ps.  109,  3]  in  seiner  Lobpreisung,  daß  vor  der  Morgenröte 
sein  Name  war  und  in  ihm  sich  segneten  alle  Völker  der  Erde. 
Mit  diesem  Wort  tut  er  uns  kund  von  seiner  Geburt  im  Leib,  aber 
damit,  daß  er  sagte:  'Aus  dem  Leibe  vor  der  Morgenröte  habe 
ich  dich  geboren ,  zeigt  er  uns  seine  Gottheit"),  bis  auf  den  Satz 
im  Eingang:  „Denn  es  ist  eine  Wesenheit  bei  der  wunderbaren 
Dreieinigkeit".  Wenn  der  Satz  im  Grusinischen  richtig  übersetzt 
ist,  kann  er  schwerlicli  echt  sein  („Dreieinigkeit"  braucht  natür- 
lich nicht  zu  befremden  =  rgtag,  vgl.  z.  B.  den  Kommentar  zum 
Hohenlied,  Bonwetsch,  Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  8.  H.  2  S.  21). 

Die  zweite  Schrift  bietet  einen  Schluß,  der  an  TeiluU.  de  bap- 
tismo  20  erinnert.  Sie  ist  an  einen  Einzelnen  gerichtet.  Über 
ihren  Inhalt  läßt  sich  nur  so  viel  sagen,  daß  sie  Marr  —  der  Ein- 
zige, der  sie  bisher  gelesen  hat  —  geneigt  ist  mit  der  Schrift  IIsq! 
(yeov  xal  aagxog  dpaotaoecog  zu  identifizieren,  da  der  Betrachtung 
über  Gott  und  die  Auferstehung  des  Fleisches  eine  hervoiTagende 

1)  Achelis,  Werke  Hipv.  I,  2  S.  121  f. 


246  ^^^  Littcratur  des  Abendlandes. 

Stelle  eingeräumt  ist.  Wahrscheinlich  ist  diese  Identifizierung  nicht  ^ 
denn  diese  Schrift  richtete  sich  an  die  Kaiserin.  Das  bisher  an^s» 
der  neuen  Schrift  Mitgeteilte  gibt  zu  Bedenken  keinen  Anlaß. 

(29)  Elg  rovg  tpaXfiovg. 

Verzeichnet  auf  der  Statue,  genannt  von  Hieronymus,  zitiert 
von  Theodoret.  Bevor  die  Psalmenkommentare  des  Origenes  und 
Eusebius  wiederhergestellt  sind,  ist  es  unmöglich,  sichere  Behaup- 
tungen in  bezug  auf  den  Psalmenkommentar  Hippolyts  aufzustellen- 
Doch  scheint  mir  folgendes  überwiegend  wahrscheinlich  zu  sein: 
(1)  Hippolyt  hat  überhaupt  keinen  vollständigen  Psalmenkommentar 
verfaßt,  sondern  nur  Auslegungen  einzelner  Psalmen  in  einem 
Buche  ^;  die  ganze  Überlieferungsgeschichte,  speziell  aber  das  nega- 
tive Zeugnis  des  Hieronymus  in  ep.  112,  20  und  die  Zitations- 
formeln des  Theodoret  sprechen  für  die  letztere  Annahme;  (2)  Die 
in  syrischer  Sprache  erhaltene  Einleitung  zu  den  Psalmen  (Achelis, 
Werke  Hipp.  I,  2  S.  127  ff.)  ist  schon  deshalb  schwerlich  echt;  dazu 
kommt,  daß  die  Überlieferung  unsicher  und  auch  das  Zeugnis  aus 
„Chrysostomus"  nicht  zuverlässig  ist  2.  Die  Parallelen  mit  der 
Quelle  des  Chronographen  v.  354  sind  m.  E.  nicht  stark  genug, 
um  die  Zweifel  zu  besiegen,  und  die  Art  dieser  verständigen  Ein- 
leitung zu  biblischen  Büchern  läßt  sich  sonst  für  Hipp,  nicht  be- 
legen. Das  Stück  gehört  wohl  dem  Eusebius  oder  doch  in  die 
Wissenschaft  des  Ostens.  (3)  Somit  ist  noch  stärker  unter  den 
Fragmentenaufzuräumen,als  Achelis,  derzuerst Ordnung  geschaffen, 
getan  hat.  Als  zuverlässig  echt  können  nur  die  drei  Fragmente, 
die  Theodoret  zu  Ps.  2,  7;  22;  23,  7  bringt,  angesehen  werden,  die 
den  hippolytischen  Stempel  prima  fronte  tragen  (auch  den  Reim 
aufweisen),  sowie  das  kurze  Fragment  des  Barberinus  zu  Ps.  3,  (5, 
das  durch  einen  gleichlautenden  Passus  in  der  Schrift  De  Anti- 
christo  geschützt  ist. 

(30)  IltQl  JtaQOifiiüJV  {Elg  tag  JtaQoifiiag  UoXoftcivTog), 

Dem  Hieronymus  und  Suidas  bekannt.  Die  Feststellung  dessen, 
was  aus  dem  Katenen-Material  dem  Hippolyt  wirklich  gebührt  ist 
noch  viel  schwieriger  als  bei  Nr.  22—26;  Achelis "^^  hat  den  Grund 
zu  den  Untersuchungen  gelegt.    Mit  ihm   halte  ich  die  ersten  29 


1)  Ähnlich  wio  in  bcziip  auf  einzelne  Stücke  der  (lenesis,  daher  ihm  auch 
ein  Oenesiskommentar  beigelegt-  worden  ist  (s.  o.  8.  242). 

2)  (\v<ron  Achelis,  Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  1  II.    l  S.  129  ff. 

3)  a.  a.  0.  S.  137  ff.    Werke  Hipp.s  I,  2  S.  155  ff. 


Hippolyt.  247 

von  ihm  abgedruckten  Fragmente  fdr  wesentlich  echt;  sie  ent- 
halten aber  keine  historischen  Beziehungen,  so  daß  sich  ihre  Zeit 
nicht  bestimmen  läßt  Das  dogmengeschichtlich  wichtigste  Frag- 
ment zu  c  9,  1—5,  welches  Achelis  nicht  abgedruckt  hat,  ist  in 
beiden  Fassungen  (die  kürzere  in  den  Quaest  et  Respons.  42  des 
Anastasius  Sin.,  die  längere  bei  Lagarde,  Hipp.  Opp.  Nr.  133) 
interpoliert,  hat  aber  einen  echten  Kern,  wie  aus  der  Anspielung 
auf  Verfolgungen  hervorgeht  Daß  Hippolyt  das  ganze  Buch 
kommentiert  hat,  folgt  daraus,  daß  sich  Fragmente  zu  c.  1.  3—7. 
9,  11.  12.  17.  24.  27  finden. 

(31)  De  ecclesiaste. 

Nur  Hieronymus  erwähnt  diesen  Kommentar.  Das  einzige  im 
Vatic.  1694  erhaltene  Fragment^  (zu  2,  10)  ist  nicht  uninteressant, 
aber  zeitgeschichtlich  indifferent 

(32)  Elg  t6  aOfia, 

Von  Eusebius,  Hieronymus  etc.  erwähnt  In  bezug  auf  die 
Fragmente  war  vieles  bisher  zweifelhaft  —  s.  Bonwetsch,  Werke 
Hipp.s  1, 1  S.  341  ff.  u.  Texte  u.  Untei-s.  N.  F.  Bd.  1  H.  2  — ,  da  wurde 
uns  durch  Marr  der  Kommentar  in  grusinischer  Übersetzung  (mit 
russischer  SuperÜbersetzung)  geschenkt  2.  Marr  schöpfte  ihn  aus 
demselben  Kodex  saec  X,  der  (s.  0.)  noch  6  andere  Schriften  Hippo- 
lyts  enthält  Bonwetsch  (Texte  u.  Unters.  N.  F.  Bd.  8.  H.  2)  hat 
uns  die  Publikation  zugänglich  gemacht  und  eigene  Studien 
an  sie  geknüpft:  „Hippolyts  Kommentar  zum  Hohenlied  auf  Grund 
von  N.  Marrs  Ausgabe  des  gi'usinischen  Textes". 

Durch  den  grusinischen  Text  (er  stammt  aus  dem  Armenischen ; 
dieser  scheint  aus  dem  Griechischen  geflossen  zu  sein)  sind  die 
armenischen  und  slawischen  Bruchstücke  \  die  schon  früher  aufge- 
taucht waren,  als  echt  erwiesen^.  Zugleich  wii'd  es  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  Hippolyts  Kommentar  nicht  über  c.  3,  7  gereicht 
hat;  denn  darüber  hinaus  ist  uns  in  keiner  Sprache  irgend  etwas 
aus  dem  Kommentar  erhalten.    Hippolyt  sah  in  dem  Hohenliede 

1)  Werke  l,  2  S.  17(1. 

2)  Texte  u.  Unteiv.  in  der  aniienisch  -  grusiniöchen  Philologie.  Drittes» 
Buch.    St.  Petersburg,  1901. 

'>)  Diese  slawischen  hat  Marr  noch  vermehrt,  8.  Bonwetsch  Bd.  8  H.  2 
S.  14 f.;  sie  sind  aber  unecht.  Dagegen  konnte  Bonwetsch  neues  Material 
ans  dem  Slawischen  beibringen. 

4)  Interpolationen  sind  nicht  nachweisbar  außer  zu  XX,  2  (Bonwetsch 
S.  rA):  die  300  Hilretiker. 


248  ^^^  Litteratur  des  Abendlandee. 

(Irei  Lieder  und  hat  nur  das  erste  kommentiert  Der  Kommentar 
zu  demselben  bietet  im  Grusinischen  einen  förmlichen  Schluß.  Finden 
sich  bei  späteren  Auslegern  bez.  bei  Ambrosius  Exegesen  zu  späteren 
Kapiteln  des  Hohenlieds,  die  die  Art  Hippolyts  aufweisen,  so  sind 
sie  nicht  auf  den  Hohelied-Kommentar  Hippolyts  zuräckzufuhreu, 
sondern  auf  andere  Ausfuhrungen  dieses  Schriftstellers^.  Im  all- 
gemeinen aber  ist  die  Annahme,  Hippolyts  Kommentar  habe  stark 
auf  die  späteren  Ausleger  des  Hohenlieds  eingewirkt,  nach  der  Auf- 
findung des  ganzen  Textes  nicht  mehr  zu  halten.  Origenes'  Aus- 
legung beherrscht  die  Folgezeit.  Nur  Ambrosius  erscheint  noch 
stärker  als  bisher  von  Hippolyt  abhängig  (s.  Bonwetsch,  a.  a,  0. 
Bd.  8  H.  2  S.  17  f.). 

Besondere  Zeitspuren  trägt  der  Kommentar,  der  in  einem  rheto- 
rischen Predigtton  gehalten  ist,  nicht.  Ein  armenisches  Fragment 
zeigt,  daß  der  Kommentar  als  Predigtbuch  in  Armenien  verweitet 
worden  ist;  es  findet  sich  c.  25, 10  (Bonwetsch,  S.  70f.)  der  Zusatz: 
„Das  Mysterium  der  Auferstehung,  das  wir  heute  feiern''.  Im 
Grusinischen  fehlen  die  Worte.  Daß  Hippolyt  selbst  den 
Kommentar  aus  seinen  Predigten  zusammengestellt  hat,  ist  wahr- 
scheinlich. 

(33)  In  Esaiam. 

Genannt  von  Hieronymus;  aber  einen  Kommentar  zum  ganzen 
Jesajas  hat  Hippolyt  schwerlich  geschrieben;  das  müßte  in  der 
patristischen  Überlieferung  hervortreten.  Da  das  einzige  uns  er- 
haltene Zitat,  obgleich  es  zu  c.  19,  1  gehört,  von  Theodoret  mit 
den  Worten  eingeführt  wird:  ix  rov  Xoyov  xov  elq  agxrjv  xov  ^Hoatov 
(s.  Achelis,  Werke  Hipp.s  I,  2  S.  180),  so  werden  wir  schließen 
dürfen,  daß  Hipp,  nur  den  Anfang  des  Jesajas  kommentiert  hat 
Die  Annahme  liegt  nahe,  daß  auch  hier  eine  Predigt  zugi'unde 
liegt.    Über  die  Zeit  läßt  sich  nichts  ausmachen. 

[(34)  In  Jeremiam]. 

Niemand  hat  einen  Kommentar  des  Hipp,  zu  Jeremias  genannt 
und  das  einzige  angebliche  Zitat  stammt  aus  De  Antichristo 
(Achelis,  a.  a.  0.  S.  180).  Also  ist  die  Annahme  eines  Hippolyt- 
Kommentars  zu  Jeremias  grundlos. 

(35)  Elg  fitQf]  rov  ^le^txi/jX. 

Genannt  von  Eusebius,  bei  Hieronymus  zufällig  ausgelassen 
(ob  erst  in  der  Überlieferung?).    Ein  griechisches  Fragment  bei 

1)  Vf?l.  auch  Riedel,  Die  Auslogung  des  Hobenliods  in  der  jüdischen  Ge- 
meinde und  der  griechischen  Kirche,  1808,  S.  4Sfl'. 


Hippolyt.  249 

Aiiastasius  Sin.  Es  läßt  ebensowenig  wie  das  kurze  echte  syrische 
yragfment  (Achelis,  a.  a.  0.  S.  183)  zu  c.  1,  5— lü  Schlüsse  auf 
die  Zeit  zu.  Aus  dem  Titel,  den  Eusebius  gegeben  hat,  folgt  be- 
reits, daß  es  sich  uul  keinen  Kommentar  zum  Ezechiel  handelt, 
sondern  um  einen  oder  ein  paar  Logoi^ 

(36)  Elg  TOP  Aavuß, 

Dieser  große  Kommentar,  der  in  der  Überlieferung  oft  init  De 
Antichristo  zusammengeht,  ist  uns  nun  fast  vollständig  wiederge- 
schenkt 2.  Er  beginnt  mit  dem  Susanna-Stück  (die  Geschichte  vom 
Bei  und  Drachen  ist  nicht  kommentiert) -^  Die  Zeitbestimmung 
kann  mit  wünschenswerter  Sicherheit  gegeben  werden.  Die  Schrift 
De  Antichristo  ist  (IV,  7,  1)  vorausgesetzt;  andererseits  ist  die 
Situation  dem  Reiche  gegenüber  eine  sehr  ähnliche  wie  dort,  nur 
ist  der  Druck  gesteigert;  die  Kontroversen  über  das  Johann es-Ev. 
und  die  Apokalypse  sind  noch  niclit  aufgetaucht  —  ihr  Reflex 
müßte  im  Kommentar  erscheinen,  wenn  sie  den  Verf  bereits  be- 
schäftigt hätten  — ;  weder  Proclus  noch  Cajus  ist  genannt;  der 
kleinasiatische  und  römische  Montanismus  ist  direkt  nicht  be- 
rücksichtigt; wo  auf  verwandte  Erscheinungen  geblickt  wird,  wird 
Syrien  und  Pontus,  aber  nicht  Rom  genannt;  man  bemerkt  nur  im 
allgemeinen,  daß  bedenkliclie  enthusiastische  Erregungen  den  Ver- 
fasser höchst  besorgt  gemacht  und  daß  willkürliche  asketische 
Auflagen,  die  von  einigen  gefordert  werden,  ihn  irritiert  hab(,*n; 
ein  Widerspruch  gegen  den  leitenden  Bischof  ist  nirgends  nach- 
weisbar; aber  der  Verf  liat   die  unliebsame  Erfahrung  gemacht, 

1)  Auf  «*ine  bisluT  ülxTsclioiu»  Schnft  untiT  «li'iu  Niimoii  Hi|>})olyts  hat 
l^drdeIlhew(*r  (Oosch.  der  altkirchl.  Litt.  J^il.  2  S.  5iJ2)  ziierift  aufinorköiiiu 
•gemacht  (iiiwh  d«'m  Kutulo^  der  syr.  Mss.  d»\s  JJrit..  Miiseuius  von  Wrij^'ht  II 
p.  1002):  „Von  Mar  Hijjpolytos  von  Hostra  ans  d»»r  Sclirift  iil)er  den  Tempel*' 
i('od.  Mus.  Wni,  Syr.  S<)2).  HardenhewiT  v«'rinnt»'t,  daß  es  sieli  viellcielit  deekt 
mit  dem  Ji;rieehi^fchen  Fra<?inent  üln'r  die  (ir()IJ<'  drs  salom.  Ti-mpcls,  Mi^ne. 
Ser.  Gr.  X  Kol.  O-UiV. 

2)  S.  Honwetseli,  Hi|»i».s  Werke  l,  I  (1S!»7)  und  dessst'llM'u  nnifanp^n»iche 
Studie  über  den  Konnuentar  in  den  'IN'xtK'u  untl  Unters.  N.  F.  Ud.  1  H.  2.  St?br 
»•ingehend  hat  sich  mit  ihm  aucli  Ncnmann  beschält ij^t  (Hii)i»olytus  v.  Rom, 
1902,  S.  (31 — 107).  Vp:l.  von  ält^'rcn  Arbeiten  Hardenli»»wer,  Dt's  h.  Hijip.  v. 
Hnm  Kommentar  z.  Jhich  Daniel,  1S77  (er  hat  die  griindliche  Forschung  be- 
l^onnen);  (leorgiades  i.  d.  Zischr.  ^ExxXrioiaaTixi{  ^AXri&eia  ISvSo  Mai,  1KS<> 
Juli  August;  Hratke,  Das  neu  entdeckte  -1.  Buch  des  Danielkommentars  v. 
Hipp.,  ISOl;  llarnack,  Theol.  Lit.-Ztg.  1801  Kol.  :{3ff. 

8)  Einen  „Kleinen  Daniel"  hat  es  nicht  gege))en ;  „Daniel  der  noch  junge" 
ist  gemeint  (s.  lioiiwetsch,  N.  F.  Hd.  1  H.  2  S. ;{).  Der  Anfang  des  Kommen- 
tar« kursierte  auch  besonders  (s.  di*n  Katalog  des  Kbed  Jesu). 


250  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

(laß  er  um  seines  Talentes  willen  beneidet  und  gehässig  behandelt 
wird  (III,  16,  4);  bereits  rühren  sich  die  „Idioten".  Dagegen  ist 
von  der  christologischen  (modalistischen)  Kontroverse  keine  Spur 
zu  bemerken.  Diese  Merkmale  zusammengenommen  mit  den  Er- 
fahrungen, die  mau  mit  schlimmen  Konfessoren  bereits  gemacht  hat 
führen  auf  die  Anfangszeit  der  Regierung  Zephyrins,  in  der  der 
römische  Montanismus  noch  kein  Haupt  hatte,  sondern  mehr 
formlos  war,  in  der  Epigonus,  Kleomenes  und  Sabellius  noch  keine 
Rolle  spielten  und  in  der  Kallist  noch  nicht  in  den  Vordergrund 
getreten  war.  In  dieser  Anfangszeit  des  Zephyrin  brach  bekannt- 
lich (i.  J.  202)  die  Verfolgung  besonders  heftig  durch  ein  Reskript 
des  Severus  aus.  Eben  eine  solche  gesteigerte  Verfolgungszeit 
setzt  das  Buch  augenscheinlich  voraus,  wenn  auch  Neumann  in 
der  Ausdeutung  des  Einzelnen  und  seiner  Beziehung  auf  das  Re- 
skript etwas  zu  weit  geht^.  Das  Buch  ist  somit  sehr  bald  nach 
d.  J.  202,  spätestens  im  J.  203  oder  204  geschrieben  ^,  denn  die 
Annahme  ist  grundlos,  daß  der  durch  das  Reskript  geschaffene 
Reizzustand  eine  Reihe  von  Jahren  angedauert  hat  Dergleichen 
beobachten  wir  in  der  ganzen  Verfolgungszeit  vor  Diokletian 
nirgends.  Alle  Forscher  mit  Ausnahme  Salmons,  den  aber  Zahn 
bereits  genügend  widerlegt  hat^  die  sich  mit  dem  Kommentar  be- 
schäftigt haben,  haben  sich  für  die  JJ.  202—204  entschieden^. 
Man  kann  den  weitschichtigen  Kommentar  gewissermaßen  als 
zweite  bereicherte  Auflage  der  Schrift  De  antichristo  auffassen, 
hervor^^erufen  durch  die  ernster  gewordene  Lage  und  der  älteren 
Schrift  ziemlich  bald  nachfolgend.  Auf  die  berühmte  Stelle  über 
das  Datum  der  Geburt   und  des  Todes  Christi  (IV,  23)  will  ich 


1)  Die  Bozichimf^  auf  das  Tauffest,  und  eine  Katechuiuenen -VerfolpiuLT 
(Neu mann  S.  OÜf)  scheint  mir  nicht  8icher. 

2)  Zu  di(?sem  Ansatz  fiigt  sich  auch  die  Beobachtung?,  daß  damals,  wie  es 
scheint,  nur  ein  Kaiser  rej^ierte.  Ferner  hal)en  wir  oben  (S.  220 fi*.)  gesehen,  daß 
die  Schrift  fiir  das  Joh.-Kv.  und  die  A|>okalyi»se  dem  Danielkommentar  voran - 
ircht,  diese  Schrift  aber  ist  wahrscheinlich  2(34;"»  geschrieben. 

:])  Salmon  in  d.  Hermathcna  Bd.  -S  S.  KHff.  Zahn,  Gesch.  d.  NTlichen 
Kanons  II  S.  1020{f.,  s,  auch  Neumann  S.  6'jf.  und  Bonwetsch,  a.  a.  0. 
S.  Slf. 

4)  S.  vor  iillem  Bonwetsch,  a.  a.  0.  S.  (JOff.  S2tf.;  das  Schlußergebnis 
der  sorgfältigen  Ausführungen  könnte  zuversichtlicher  gezogen  sein.  Neu- 
mann  S.  (j.Jf.  —  Die  interessante  Stelle  im  Konuuentar  (S.  132,  4if.  Bon- 
wetsch): nokXol  öh  xal  Tifjtrjq  xal  öwQsäg  vito  ßaüiXkmq  Xa^ovreg  xal  in' 
i^ovaiüjv  xal  xinwv  xaxaaxa^tvzeq  vategov  avxol  öi  kavxovg  ixtvdvvevaav  ?} 
WQ  inißovXoi  ei'QEO^tvxeg  jj  dg  (plkoi  ßaaiXhcog  vnh  kxegcjv  dvaiQe&ivxsc, 
«.'ignet  sich  doch  nicht  zur  Zeitbestimmung,  obgleich  sie  sich  merkwürdig  eng 
mit  Sjuirt.,  Vita  Scvcri  1,")  berührt  (vgl.  auch  Herodian  III,  12,  lOff.  über  den 
Tod  riautian>\ 


Hippolyt.  251 

hier  nicht  eingehen;  die  Worte  :jtQo  reaoaQcov  'JjtQiXicov  sind  jeden- 
falls interpoliert  (s.  Bonwetsch  i.  d.  Nachrichten  d.  Gesell,  d. 
Wiss.  z.  Gott  1895  H.  4  >  und  Neumann  S.  76).  Daß  noch  mehr 
interpoliert  ist,  ist  sehr  wahrscheinlich,  um  nicht  zu  sagen  gewiß-. 

(37)  In  Zachariam. 

Hieronymus  nennt  dies  Werk  im  Katalog  der  Werke  Hipp.s 
und  in  seinem  eigenen  Kommentar  zu  Sacharja  (Prolog):  „Hippo- 
lytus  quoque  edidit  commentarios".    Sonst  ist  nichts  bekannt 

(38)  In  Matthaeum. 

In  ihren  Hippolyt-Katalogen  erwähnen  weder  Eusebius  noch 
Hieronymus  einen  Kommentar  des  Hipp,  zu  Matthäus;  aber  Hieron. 
zählt  in  der  Praefatio  zu  seinem  eigenen  Matthäus-Kommentar 
unter  den  Kommentatoren  auch  Hippolyt  auf,  indessen  nur  in  der 
Abteilung  der  Schriftsteller,  die  „opuscula*'  zu  Matthäus  verfaßt 
haben.  Da  nun  in  der  Überlieferung  sonst  Hippolyts  Name  fast 
nur  in  Verbindung  mit  Matth.  24  auftaucht,  so  liegt  die  Annahme 
nahe,  Hippolyt,  der  Eschatologe,  habe  auch  einen  Logos  zu  diesem 

1)  Hier  aurb  dif  roiche  Littoratur  über  die  Frape. 

2)  S.  außer  dvn  genannten  Arbeiten  Bardenhewer  i.  d.  Litt.  Kundscbau, 
1891,  S.  23*Jf.,  Laf?arde  i.  d.  „Mitteil."  Bd.  4,  1891,  S.  241  ff.,  Sahiion  i.  d. 
Hermathena,  JS!)2,  j».  lOlff.,  Bratke  in  d.  Ztachr.  f.  wiss.  Tbeol.  1892  S.  128 ff*., 
derselbe  i.  den  Jahrbb.  f.  protest.  Theol.  Bd.  18,  1892,  S.  4:^9 ff.,  derselbe 
i.  den  Stnd.  und  Krit.  Bd.  Gö,  1892,  8.  734ö*.,  Hilpenfeld,  Ztsehr.  f.  wiss. 
Theol.,  1S<)2,  S.  2r)7ff".,  189.%  8.  UHyfi'.  Kine  mehrjährige  Wirksamkeit  Jesu  ist 
in  dem  Danielkommentar  (nach  einif^en  Texteszeupen)  angenommen ;  a])er  eben 
die«  kann  unmöglich  von  Hippolyt  gelehrt  worden  sein;  denn  in  der  chrono- 
frraphischen  Schrift  über  das  l'assah  und  in  der  Chronik  ist  eint»  einjährig' 
Wirksamkeit  Jesu  angegeben.  Wann  aber  wiire  je  em  kirchlicht*r  Kritiker  d<'s 
Alt^M't.ums  zur  Annahm(?  einer  einjährigen  Wirksamkeit  Jesu  übergegangen, 
nach<lem  er  sich  früher  von  einer  mehrjährigen  überzeugt  hatt<*!  Dagegen  ist 
es  mir  sehr  wahrscheinlich,  daß  Hippolyt  wirklich  Mittwoch  den  2.").  Dez.  als 
(leburt^titag  J»»su  angegeben  hat;  denn  der  Verf.  d(u'  Schrift.  De  pascha  computus, 
der  ihn  ausgeschrieben  hat  (s.  o.  S.  23;")),  stitzt  c.  18.  19  die  Kmpfängnis  Jesu 
(sie  ist  unter  „nativitas"  gemeint)  auf  Mittwoch  den  28.  März  (die  Abweichung 
nm  r{  Tage  ist  ein  besonderes  Füudh'in  des  Komj)utistt»n;  sie  zeigt  übrig(»ns, 
daß  der  Tag  noch  nicht  in  Bom  kirchlich  gefeiert  wurde).  Nicht  nur  zu  der 
Schrift  De  antichristo  hat  unser  Kommentar  sehr  zahlreiche  Beziehungen, 
Fondern  auch  zu  anderen  Schriftren  Hippolyts.  Die  niitthM-e  Linie,  die  derselb»' 
in  der  Sitten-  und  Zuchtfrage  zwischtm  Älontanismus  und  kirchtmpolitischcr 
Laxheit  in  der  „Refutatio"  innegehalten  hat,  ist  schon  hier  deutlich:  El  ztg 
6oxil  vvv  xal  iv  ixxXijalfc  noXixevea&aij  (poßov  de  ^^60v  firj  t/jy,  ovöhv  zovtov 
wtpeXsi  j)  ngdq  rovg  ciyiovg  aivoSog,  rrjv  dvva/Aiv  rov  nvevfjtaxog  tv  katrtw  fit^ 
sfiTjodfiEvog. 


252  I^i-  Litteratur  de»  Abendlandes. 

Kapitel  geschrieben.  Allein  da  Hieronymus  diesen  Logos  iu  dem 
Katalog  nicht  erwähnt,  so  isfes  ebenso  möglich,  daß  Hieronymus 
unter  dem  „opusculum"  (opuscula)  des  Hippolyt  zu  Matthäus  ver- 
streute Ausführungen  desselben,  vornehmlich  zu  Matth.  24,  meint; 
denn  Hipp,  hat  natürlich  dieses  Kapitel  in  seinen  Werken  oft  be- 
lührt  Entscheiden  läßt  sich  m.  E.  zur  Zeit  nicht;  ausgeschlossen 
aber  scheint  mir  die  Annahme  zu  sein,  Hipp,  habe  einen  Kommentar 
zu  Matth.  geschrieben  (gegen  Achelis). 

In  erster  Linie  kommt  das  Fragment  (oder  besser  die  beiden 
Fragmente)  in  Betracht,  das  Gwynn  (Hermathena  Bd.  7,  1889, 
p.  137  ff.)  veröffentlicht  hat.  Es  ist  sicher  echt^  aber  ob  es  einer 
besonderen  Schrift  zu  Matth.  entnommen  ist,  ist  sehr  fraglich. 
Achelis^  hält  es  für  wahrscheinlich,  daß  es  aus  den  Capita  c. 
Caium  stammt,  da  es  in  der  Quelle  mitten  unter  Zitaten  aus 
diesen  steht 

Die  Fragmente  aus  einer  verloreneu  griechischen  Kat^ne,  die 
koptisch  und  dann  auch  äthiopisch  und  arabisch  erhalten  sind  und 
die  Achelis  abgedruckt  hat^  mögen  eine  echte  Grundlage  haben, 
aber  in  der  überlieferten  Gestalt  sind  sie  nicht  verti'auenswürdig^ 
Fragm.  15  und  16  bei  Achelis^  sind  höchst  wahi'scheinlich  echt '^ 


1)  Man  vgl.  die  Bemerkung  zu  Matth.  24,  20  („Bet-et,  daß  ihr  nicht  fliehen 
müßt  am  Sabbat  und  im  Winter,  d.  li.  er  rät  uns,  daß  wir  uns  nicht  über- 
nischen  lassen  sollen  von  den  Dingen,  die  uns  treffen,  indem  wir  in  der  Gl- 
reehtigkeit  untätig  wären  wie  die  Juden  am  Sa}>bat,  oder  uns  von  weltlichen 
Beschäftigungen  und  Sünden  bestürmen  ließen  wie  vom  Wintersturm")  mit 
Comm.  in  Daniel  IV,  52  {IJgooevxsoO^ef  'Iva  f^rj  yhrjzai  ij  fpvyri  ifiwv  x^^f^tJ^vog 
tj  oaßßdxov,  fjLTixB  dgyovvxaq  vfiäq  and  dixaioovvijg,  fx/ixe  daxoXovixivovq  ^vßä;\ 
tv  ßKaxLXolq  ngdyfiaaiv  wq  iv  yeifiwvi). 

2)  Texte  und  Unters.  N.  Y.  Bd.  1  11.   I  S.  180  f. 

:\)  AVurke  Hipp.s  I,  2  S.  107 ff.,  s.  dazu  a.  a.  0.  N.  F.  Bd.  1  H.  4  S.  HiiJff. 

1)  Das  zeigt  sich  u.  a.  darin,  daß  es  zu  Matth.  24,  2i)  (Werke  l,  2  S.  2(KUV) 
hier  heißt:  „Mit  dem  Sabbat  ist  das  Knde  der  Menschheit  gemeint,  und  im 
Winter  gibt  es  keine  Nahrung.  Betet  jetzt,  daß  ihr  nicht  in  dieser  Zeit  lebet, 
in  wehrher  der  Gottlose  auftritt".  Was  Hipp,  wirklich  geschrieben  hat, 
s.  oben.  • 

."))  \Verk<'  I,  2  S.  207  f. 

ü)  Bei  Victorinus  werden  wir  Bruchstücke  eiu»»s  anonymen  lateinischen 
KoniUHMitars  zu  Matth.  kernen  lernen,  die  Mercati  ediert  hat  (Studi  t'  t^*sti 
II,  WHV))  und  die  wahrscheinlich  dem  Victorin  gebühren.  Verwandtschaft  mit 
llijjpolyt  fehlt  nicht;  so  lautet  die  Erklärung  zu  Matth.  24,  20  (Mercati 
p.  2;>f.):  ,,llieme  autem  «'t  sabbato  cum  dicit,  cpiid  aliud  signiticat  quam  t4»mpu>i 
quo  fugere  non  ijotest?  i.  e.  ne,  cum  fuga  iit,  inpedimenta  et  hiemis  et  sabbati 
in  nobis  inveniantur,  <iuibus  iujjcditi  fiigere  non  possimms.  hiems  autem  ail 
fugicnduiu  vtd  latondum  intuta  et  niiinis  utilis  est;  sabbatum  vero  ultra 
iter  facere,  (piam  L'X  iubet  sei-uiulum  .bnlat^os  non  sinit.  non  ergo  sabbati  leg«» 
uti  nn>  pracci[>it,  «[ur^d  iam  solutnm  ('fit,  s«mI  ne  actus  nostri,  cum  fuga  fit. 


Hippolyt.  253 

aber  daß  sie  einer  Schrift  zu  Matth.  entnommen  sind,  ist  keines- 
wegs gewiß*. 

(39*)  Aoyoq  slg  rrjv  xciv  xaXavrwv  öiavourjv. 
(39**)  Aoyoq  tlg  rovg  ovo  Xuoraq. 

Aus  der  ersten  Schrift  bringt  Theodoret  ein,  aus  der  zweiten 
drei  Zitat« ^.  Sonst  berichtet  niemand  etwas;  aber  die  Bezeugung 
durch  Theodoret  genügt,  und  der  Inhalt  der  Fragmente  gibt  zu 
Bedenken  keinen  Anlaß  (in  dem  ersten  werden  die  dynamistischen 
Monai'chianer  sowie  Marcion,  Valentin  und  die  Gnostiker  bekämpft). 
Die  Zeit  läßt  sich  nicht  bestimmen;  doch  scheint  die  erste  Schrift 
vor  den  Kampf  mit  Sabellins  und  Kaliist  zu  fallen.  Hätte  näm- 
lich Theodoret  von  einem  solchen  etwas  gelesen,  so  hätte  er  das 
wohl  mit  abgeschrieben. 

(40)  Kommentar  zum  Evangelium  des  Johannes  und  zur 
Auferweckung  des  Lazarus. 

Achelis  (Werke  I,  2  S.  214)  bezeichnete  den  hippolytischen 
Ursprung  dieser  Homilie,  die  griechisch  unter  den  Werken  des 
Ohrysostomus,  armenisch  unter  denen  des  Hippolyt  erhalten  ist,  als 
mindestens  zweifelhaft 3,  ebenso  hat  sich  Bonwetsch  ausge- 
sprochen ^  Ich  bin  im  Gegensatz  zu  dieser  Annahme  der  Meinung, 
daß  diese  Predigt  überall  die  dem  Hippolyt  geläufigen  Gedanken 
aufs  deutlichste  verrät,  daß  sie  in  ihrer  Rhetorik  ganz  hippolytiscli 
ist  (auch  die  bekannte  Anrede,  dycucrjri,  fehlt  nicht),  und  daß  sie 
irgendein  beachtenswertes  Verdachtsmoment  —  ein  solches  ist 
m.  W.  auch  nie  angeführt  worden  —  nicht  enthält.  P.  223  zeigt 
sich,  daß  der  Verf.  gegen  die  Theodotianer  kämpft  (das  ist  die 
nächstliegende  Beziehung)  und  daß  er  niclit  zum  ersten  Male 
predigt  und  kämpft  (die  Worte  sind  leider  nur  armenisch  erhalten): 
„Vater,  ich  danke  dir,  daß  du  mich  erhört  hast:  In  diesen  Worten 
sehen  die  Schüler  der  Ketzer  eine  Andeutung  und  fallen  mit 
folgenden  Worten  darüber  her:  Du  siehst,  wie  die  Sache  sich  ver- 
hält; der  eine  bittet,  und  der  andere  wird  gebeten;  der  eine  fleht, 

liiemi  et  sabbiito  coiiimrentur".  Dit?  VerwandtBchaft  mit  Hippolyt  ist  im 
letzten  Satze  klar  (h.  o.  Note  1),  aber  nicht  so  enp,  daß  man  den  Kommentar 
d<»H  Victoriu  zu  Matth.  tur  eine  imr  leichte  Bearbeitung  des  Kommentars  des 
Hi])polyt  halten  dürfte*. 

1)  S.  Neu  manu,  a.  a.  0.  S.  -11  f.,  der  auch  wahrscheinlich  zu  macheu 
sucht,  daß  das  Stück  sj»äter  als  De  antichristo  ist. 

•J)  Hipp.s  Werke  I,  2  S.  201if. 

.1)  Hiernach  auch  das  Urtt?il  im  erstvu  Teil  dieses  Werkes  S.  (MJ. 

•1)  l'rotest.  RKnc.yklop.3  Bd.  8  S.  WAK 


254  ^ic  Litteratur  des  Abendlandes. 

und  der  andere  hört  auf  das  Flehen.  Siehst  du  ein,  daß  der  Vater 
der  Urheber  des  Wunders  ist,  und  daß  er  dem  Sohne  die  Wunder- 
kraft [erst]  verleiht?  Aber  wie  schon  früher  öfters  gesagt  worden 
ist,  [sprechen  sie  soj,  weil  sie  die  Werke  des  Allbelebenden  nicht 
mit  Dankbarkeit  annehmen  wollen.  Aber  da  sie  schon  früher  ein- 
mal der  Lästerung  bezichtigt  und  widerlegt  worden  sind,  so  sollst 
du  dir  dieses  merken  an  dem  Tage,  an  dem  du  es  liest" 

(41)  De  apocalypsi. 

Daß  Hippolyt  wirklich  einen  Kommentar  zur  Apokalypse  ge- 
schrieben hat,  wird  man  den  Zeugnissen  des  Hieronymus,  Jakob 
von  Edessa  und  Andreas  von  Cäsarea  glauben  dürfen  (auch  Ge- 
orgius  Syncellus  erwähnt  ihn).  Schwer  aber  ist  es  festzustellen, 
was  von  den  Fragmenten,  die  Anspruch  auf  Zugehörigkeit  zu  diesem 
Kommentar  erheben  oder  zu  erheben  scheinen,  demselben  wirklicli 
beizulegen  ist^.  Hippolyt  ist  ja  in  vielen  Werken  auf  Verse  aus 
der  Apokalypse  eingegangen  (man  vgl.  De  auticliristo,  den  Daniel- 
Kommentar,  die  Capita  c.  Cajum).  In  Nichts  hat  sich  der  Hippolyt- 
Konmientar  des  Krasmus  aufgelöst'-^.  Das  altslawische  Fragment 
(Werke  I,  2  S.  2:37f.)  haben  Bratke  (Theol.  Lit.-Blatt  1892  Kol. 
503 if.  519if.)  und  Di ekamp,  der  das  griechische  Original  entdeckte 
(Tüb.  Theol.  Quartalschr.  Bd.  79  [1897]  S.  604fiF.),  als  unecht  nach- 
gewiesen gegen  Bonwetsch  (Theol.  Lit.-Blatt  1S92  Kol.  257f.). 
Dagegen  scheinen  die  in  einer  arabischen  Katene  enthaltenen  Frag- 
mente echt  zu  sein.  Freilich  ist  die  Abgi-enzung  nicht  immer 
deutlich.  Gleich  das  erste  Fragment  müßte  man  verwerfen  (S.  231 1, 
wenn  die  Worte,  die  den  Jakobnsbrief  (irrtümlich  ist  Judas  ge- 
nannt) zitieren,  zum  Zitat  gehören  sollten;  denn  trotz  BonwetschvS 
gegenteiliger  Meinung^  kann  ich  kein  sicheres  Zeugnis  für  diesen 
Brief  bei  Hippolyt  entdecken.  Die  Echtheit  des  4.  Fragments 
iS.  232)  wird  durch  das  bei  Achelis  als  15.  Stück  in  Matthaenm 
ab^redruckte  koptische  Fragment  (S.  207  f.)  gestützt,  obgleich  hier 
der  Mond  das  A.  T.  ist,  dort  Johannes  der  Täufer.  Am  zuver- 
lässigsten ist  die  Auslegung  von  Apok.  17,  4 — 7,  welche  Jakob  von 
Kdessa  überliefert  hat  (S.  236  f.).  Der  Kommentar  scheint  nicht 
hoiiiilienartig  gefaßt  gewesen  zu  sein  und  ist  jedenfalls  nach  dem 
Daniel-Kommentar  anzusetzen. 


1)  Alxhink  Werk.'  Hii.[i.s  I,  L'  S.  "JiM»,    dii/.ii  Acht.'lis,   Texte  und  Uiitor.s. 

N.  F.  IM.  1  H.  1  s.  v\uiY.  j;;in-. 

•j)  >.  Aciu'ii.s,  N.  V.  li.i.  I  H.  1  s.  2:;iir. 

:;)  'r.-xtc  II.  T'iitr.is.  N.  F.  Kd.   ]   IL  '2  S.  •_>(.;. 


Hippolyt  255 

(42)  Oden. 

Über  sie,  welche  auf  der  Statue  aufgeführt  werden,  ist  nichts 
bekannt  Zu  lesen  ist  *  'iliöal :  a  xaoag  rag  ygatpag.  Wie  die 
Worte  nach  ^Qtdal  zu  deuten  sind,  weiß  niemand'^. 

(43)  üsqI  ;^a()eG/EiaTa>2^  \4ji:ooroXtxfj  jtaQctöoOig, 

Über  sie  wird  in  dem  Abschnitt:  „Kirchenrechtliche  Litteratur* 
gehandelt  werden. 

Die  unechte  Litteratur  unter  Hippolyts  Namen,  die  ich  im 
ersten  Teile  dieses  Werkes  S.  644  f.  bezeichnet  liabe,  bleibt  hier 
ganz  beiseite  ^  Sie  ist  noch  vermehrt  worden  durch  einen  Fund 
von  Cumont,  der  in  dem  Kod.  des  Klosters  Sumela  bei  Trapezunt 
Nr.  78  saec.  15/16  ein  Schriftchen  fand,  betitelt  ^IxjtoXmov  jtajra 
Pcififjg  Xoyog  jtagaßoXixog  dg  ttjv  xaQovaav  Ccofjv  ravrrjv  rov 
avd-QcoJtov  xal  jriQi  tov  o^acog.  Cumont  hat  es  abgeschrieben, 
aber  es  bisher  nicht  veröffentlicht,  sondern  nur  kurz  charakterisiert  *. 
Er  hält  es  fiir  unecht. 

1)  Achcli«,  II.  a.  0.  N.  F.  IUI.  1  U.  1  .S.  7  iiml  i.  il.  Niichriilit.  d.  Uött. 
<^t.'s«ll.  d.  Wiss.,  18110,  S.  27-Jff. 

2)  In  einem  (im  Cod.  rJS<)  siiec.  XVII.  jjteh»Mid«'n)  Kiitiiloi^  vt)n  Iwiron 
i.Vtbo«)  findet  sich  (s.  Meyer  in  d.  Zt:?ehr.  f.  KO.*seli.  Hd.  11  S.  ITj«'.;  fol^rend.« 
Kintraj^unjü^:  rot  ay,  in7io?.vTOv  koyoi  6ia<poQOi  xtd  tnioxo?Ml  ti^  rifV  ^tiuv 
yQa<pTii\    Dit»jfo  Nuchricht  ist  jijiinz  isoliert. 

ii)  Zu  ihr  rechne  ich  mich  das  Stück  aus  d»T  Ilist.  Lansiaca  lAchelis, 
Hipp.s  Werke  I,  2  S.  'JT-llt'.).  Ks  int  eine  kouv«'ntionellc  beschichte  einer 
Märtyrerin  und  ist  urspriinjjlich  auf  «lic  Zeit  Diokletians  un<l  seiner  Mitn»j^t»nten 
i^'cstellt  gewesen  (S.  i»?."):  xuxa  x6v  xaigbv  rwv  öiojxtwv,  1.  <*.  zovg  ßaoiXtu' 
und  erst  spater  auf  unerklärliche  AVeise  dem  Hipp.  zujrcschri<'hen  worden.  Di«* 
notabelsten  unechten  Schritten  Hii>i)olytH  sind  die  Schritt  Kaxci  l{i]Qcorog 
xal^HXtxog  7iS(}l  {yeoloyiaq  xal  aagxwoeox;  (sie  setzt  den  l'seudodionysius  vor- 
aus, 8.  Stiglmeyr,  Pseudndionys.  Schriften,  Feldkirch,  ISO.'),  S.  irj),  weiter  Ilt()l 
rfjg  avweksla^  rov  xoafiov  xal  rtenl  xov  dvziXQioxov  (sie  ist  ein  ]»aar  Jahr- 
1  Mindert«?  nach  Hippolyt  auf  dessen  Traktat  De  Antichristo  und  auf  Ephraem 
Syrus  auferbaut)  und  /7f(>2  xwv  /xad^rjxojv  xov  xvQiov,  otcov  t-xaaxoq  avxwr 
ixt'fQv^e  xb  evayyt?uov  xov  Xgiaxov  xal  tzeXetwO-rj  (noch  La  gar  de,  Coustit. 
Apost.,  1SC2,  p.  2S'J,  hat  das  Stück  für  e<-ht  erklärt;  es  sei  deutlich  von  dem 
N'erfasser  der  Chronik;  allein  es  ist  undenkbar,  daß  bereits  1<K)  Jahre  vor 
Kusebius  solche  Cberliefeningen  über  die  Apostel,  koditiziert,  im  Tmlauf  ge- 
wesen sind;  s.  Li])siu8,  Apokr.  Apostelgesch.  1  S.  JO.^,  Duchesne,  Les  anciens 
recueils  de  legendes  apost.  (Internationaler  Katholiken-Kongreß  zu  IJrüssel  1894, 
Conipte  rendu,  ISI»;"),  5.  Sektion  p.  71  ff.),  Diekamp,  Hippolytos  v.  Theben, 
is^lS,  S.  LlXf.  (Diekamj)  sucht  zu  zeigen,  daß  die  Liste  auch  nicht  dem 
Hippolyt  V.  Theben  gebührt). 

4)  Cumont  in  d.  l^,'v.  de  l'instr.  publique  eu  Ht?lgi«|ue  [1!)()3?  ich  benutz»* 


256  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Daß  Hippolyt  so  bald  im  Abendland  vergessen  worden  ist  und 
die  Fetzen  seiner  Scliriften  in  dem  Morgenland  zusammengesucht 
werden  müssen,  hat  seinen  Grund  in  dem  Zusammentreffen  von 
drei  widrigen  Umständen:  (1)  Hipp,  war  lange  Zeit  hindurch  Schis- 
matiker gewesen,  (2)  gleich  nach  seinem  Tode  wurde  das  Latein 
in  der  Kirche  Roms  die  hen'schende  Sprache,  (3)  gleich  nach 
seinem  Tode  schwand  das  wissenschaftliche  und  theologische  In- 
teresse, welches  in  Rom  nie  feste  Wurzeln  geschlagen  hatte, 
in  der  Stadt  vollends  dahin.  Die  neuplatonische  Kontroverse 
spielte  sich  in  Rom  ganz  außerhalb  der  großen  Kirche  ab. 

10)  Tertnllian. 

Die  Untersuchungen  über  die  Chronologie  der  Schriften  Ter- 
tuUians  sind  in  dem  letzten  halben  Jahrhundert  so  gefördert 
worden,  daß  neues  Material  schwerlich  mehr  —  es  sei  denn  durch 
monumentale  Entdeckungen  —  zu  erwarten  ist.  Doch  bestehen 
unter  den  Gelehrten,  die  zuletzt  hier  gearbeitet  haben  *,  noch  einige 
sehr  erhebliche  Differenzen,  die  eine  erneute  Nachprüfung  wün- 
schenswert machen.  Vor  allem  ist  es  notwendig,  mit  den  halb- 
und  daher  unbewiesenen  Ansätzen  aufzuräumen.  Alles  was  bereits 
wirklich  erledigt  ist,  soll  nur  kurz  behandelt  werden  \ 


rinon  iiiidaticrt(?ii  Soparatabzug]  p.  H)ff.:  „Un  homme  a  dans  sa  cour  im  ser]HMit 
<lii'il  vent  tner,  uiais  chaque  foi«  (lu'il  s'approche  de  lui,  il  trouve  ßoit  de 
l'arp^ent,  soit  une  pierre  pr^c.icuse,  et  il  epargne  la  bet«  vonimeuse,  qui  fait 
])erir  sncc(?Ksivem(?nt  son  cheval,  sou  esclave,  son  fils  et  sa  femme,  et.  finit  pnr 
le  mordre  lui-in6me". 

1)  S.  Nöldecben  in  d.  Toxk'n  und  Untere.  Bd.  V  H.  'J,  LSSS;  derselbe, 
Tertnllian  (Monographie)  1800;  Neumann,  Der  röm.  Staat  nnd  d.  allg.  Kircbr, 
ISIM),  passim;  Schanz,  Oesch.  d.  röm.  Litt.  8.  Tl.,  1890,  S.  240ff.;  Monceanx. 
Chronologie  des  oeuvres  de  Tertnll.  in  d.  Rev.  de  Philologie  T.  XXII,  1,  181»^ 
p.  7711'.;  derselbe,  Hist.  litt,  de  TAfrique  chretienne  T.  1,  1901;  ältere  üntfi- 
suchnngen  von  Nösselt,  Neander,  Hesselberg  (1848);  Uhlhorn,  Fundani. 
Chronol.  Tertull.  1852,  (irotenieyer.  Über  Tert.s  Leben  und  Sehriften  ISC;;;. 
ISiif),  Kellner,  Tüb.  Quartal  sehr.  Bd.  52,  1870,  S.  547  ff.,  Bd.  5:^,  ISJl,  S.  5S5ff.. 
„Katholik"  Bd.  59,  1879,  II  S.  501  ff.,  Bonner  Univ.-Prograimn,  1890,  Hanek. 
Tertull.  1S77,  Bonwetseh,  Die  Schriften  Tert.s  nach  der  Zeit  ihrer  Abfassunjz. 
187S.  Für  diti  letzton  Schriften  Tertullians  s.  Rolffs  in  d.  Texten  und  Unt<M>. 
Bd.  12  H.  4,  1895.  Chronologisches  auch  bei  Neumann,  Der  rttm.  Staat  und 
die  allg.  Kirche  I,  ls9<>.  Cbcr  die  neueren  textkrit.  Arbeiten  hat  Ehrbar d. 
Die  altchristl.  Litt,  usw.,  19(K),  S.  4:«ff'.  referiert-.  Die  best<?  Charakteristik 
Tertullians  als  Schriftst.'llcr  hat  Holl  geliefert  (Preuß.  Jahrbb.  Bd.  88,  18J»7. 
S.  2()2ff.).  Charakt^'ristik  seiner  Sprache  bei  Norden,  Die  antike  Kunstprosn 
2.  Bd.,  1S9S:,  S.  ()()() ff. 

2)  Echthcitsfragt'n  spi<'len  bei  der  Untersuchung  der  Schriftst^^llerei  Teit.> 
nur  eine  verscbwind<*ndc  Holle.     Zweifel,  welche  von  Seniler  u.  a.  z.  B.  gegon 


Tertullian.  257 

Für  die  Bestimmnng  der  AbfassuDgszeit  der  einzelnen  Schriften  ^ 
stehen  nns  zunächst  folgende  Hanpthilfsmittel  zu  Gebot:  ^  (1)  Direkte 
geschichtliche  Angaben  und  Anspielungen  in  den  Traktaten, 
(2)  Röckbeziehungen  in  der  einen  Schrift  auf  die  andere,  (3)  der 
in  den  Grundzügen  feststehende  christlich-kirchliche  Entwicklungs- 
gang Tertullians  (Katholischer  Christ  und  Presbyter  —  Anhänger 
der  montanistischen  Prophetie  —  Austritt  aus  der  Kirche  bez. 
Ausschluß  —  heftiger  Gegner  der  kirchlichen  Disziplin  und  stür- 
mischer Ankläger  der  Kirche  als  hervorragendes  Mitglied  der  mon- 
tanistischen Sekte  —  Austritt  aus  der  Sekte,  selbständiges 
Konventikel-Haupt). 

(Ad  1)  Ein  direktes  chronologisches  Datum  findet  sich  in 
Adv.  Marc.  I,  15;  hier  sagt  Tertullian,  daß  er  im  15.  Jahre  des 
Severus  schreibe.  Also  ist  die  dritte  Ausgabe  ^  des  1.  Buchs  gegen 
Marcion  im  J.  207/8  publiziert  worden  ^ 

Das  Apologeticum  ist^  wie  ich  Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  11,  1878, 
S.  574  fiF.  gezeigt  habe,  im  J.  197  verfaßt  worden,  und  in  demselben 
Jahre,  aber  etwas  früher,  erschienen  die  Bücher  Ad  nationes.  Diese 

«iie  J^chriffc  Scoqiiace  ausgesprochen  worden  sind,  sind  mit  Recht  verstummt. 
Nur  in  bezug  auf  den  Traktat  adv.  Judaeos  herrschen  große  Bedenken.  Was 
sonst  nocli  kontrovers  bez.  sicher  unecht  ist,  wird  unten  zur  Sprache  kommen. 
Tertullian  ist,  weil  er  als  Ketzer  galt,  davor  bewahrt  geblieben,  daß  ihm  zahl- 
reiche iSchrift-en,  sei  es  absichtlich,  sei  es  durch  Zufall,  beigelegt  worden  sind. 
Nur  weniges  ist  ihm  unbefiigt  zugeschrieben  worden,  und  dieses  Wenige  läßt 
ttich  schnell  beseitigen. 

1)  Zu  Ilierouymus  Zeiten  gab  es  noch  einen,  wi(»  es  scheint,  sehr  voll- 
ständigen Index  Oi)p.  Tertulliani ;  denn  Hieron.  schreibt  ad  Fabiolara  (ep.  64,  23): 
„Fei-tur  in  Indice  Septimii  Tertulliani  liber  de  Aaron  vestibus,  qui  intcrim 
iisque  ad  hanc  diem  a  me  non  est  repertiis;  si  a  vobis  proj)ter  celebritat-em 
T'rbis  fuerit  inventus,  etc." 

2)  Aus  der  lUnhenfolge,  in  welcher  die  Schriften  im  Cod.  Agobardinus  und 
in  anderen  Tert.-Codd.  stehen,  sind  chronologische  Schlüsse  nicht  sicher  zu  ge- 
winnen. Wichtig  aber  ist  es,  daß  im  .Agobard.  die  Schriften,  welche  die  bitt^irsten 
Angrifle  gegen  die  Katholiken  enthalten,  fehlen  und  gefehlt  haben.  Daher  ist  es 
wahrscheinlich,  daß  die  für  uns  verlorenen  Traktate  De  spo  fidelium  und  De 
])aradiöo,  die  der  Agobard.  einst  enthalt<»n  hat  (jetzt  sind  sie  weggerissen),  nicht 
so  schwere  Beschuldigungen  gegen  die  große  Kirche  enthielten.  Vielleicht  ist 
O.S  doch  chronologisch  nicht  unwichtig,  daß  diese  Schriften  im  Agobard.  ihre 
Stelle  zwischen  Do  carne  und  De  virg.  vel.  gehabt  haben;  denn  daß  in  diesem 
Kodex  De  spectaculis  und  De  idololatria,  sowie  De  oratione,  De  cultu  fem.  und 
Ad  uxorem  zusammenstehen,  ist  wohl  kein  bloßer  Zufall. 

3)  Die  früheren  sind  uns  nicht  erhalten;    s.  Adv.  Marc.  1,  1. 

4)  In  Adv.  Marc.  III,  24  wird  der  große  orientalische  Kriegszug  des  Se- 
verus (vom  J.  108)  erwähnt  („]»roxime  expunctum  est  orientali  expeditione"). 
Das  „proximc"  darf,  wie  der  Zusammenhang  lehrt,  nicht  gepreßt  werden. 
Neben  dem  oben  angeführt-en  Datum  ist  dieses  unerheblich. 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesch.  IT,  2.  ]7 


258  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Daten  sind  jetzt  allgemein  anerkannt  Sie  stützen  sich  auf  Apo- 
log.  35.  37  und  Ad  nat.  1 17  (sowie  auf  die  Erwähnung  des  Severus 
—  „constantissimus  principum"  —  in  Apol.  4).  Hier  bezeugt  Tert, 
daß  die  Katastrophe  von  Lyon  (19.  Febr.  197)  eingetreten  war, 
die  Exekutionen  aber  noch  im  Gange  sind,  und  zwar  ist  ganz 
deutlich  die  politische  Situation  im  Apolog.  etwas  weiter  vorgerückt 
als  in  Ad  nationes.  Das  Apologeticum  ist  also  den  beiden  Büchern 
Ad  nat  auf  dem  Fuße  gefolgt  Das  bestätigt  sich  auch  (im  Gegen- 
satz zur  umgekehrten  Annahme)  erstlich  aus  einer  Fülle  stilistischer 
und  sachlicher  Verbesserungen  im  Apolog.  (vgl  Hauck,  Tertullian 
S.  72f.,  besonders  aber  Hartel,  Patristische  Studien  II  in  den 
Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  Bd.  CXXI,  1890  „Zu  Tertullian 
Ad  nat"  S.  15  ff.),  zweitens  aus  Verweisungen  auf  die  später  zu 
edierende  Schrift,  nämlich  auf  das  Apolog.  (s.  Ad  nat  I,  3.  7.  10. 
15;  II,  7)^;  dieses  ist  somit  gegen  Ende  des  J.  197,  die  Bücher  Ad 
nationes  in  den  Sommer  oder  Herbst  197  zu  setzen. 

In  dieselbe  Situation  gehört  aber  auch  die  Schrift  Ad  martyres ; 
denn  erstlich  deckt  sich  das  historische  Material  in  Beispielen  usw., 
welches  dieser  Traktat  enthält,  mit  dem  Material  im  Apolog.  und 
Ad  nat,  zweitens  beziehen  sich  die  Schlußworte  (c.  6:  ,,Ad  hoc 
quidem  vel  praesentia  nobis  tempora  documenta  sint,  quantae 
qualesque  personae  inopinatos  natalibus  et  dignitatibus  et  corpo- 
ribus  et  aetatibus  suis  exitus  referunt  hominis  causa,  aut  ab  ipso, 
si  contra  eum  feceriiit,  aut  ab  adversariis  eius,  si  pro  eo  steterint") 
augenscheinlich  auf  dieselbe  politische  Situation,  wie  das  Apolog. 
und  Ad  nat  (vgl.  Spartian.,  Sever.  12.  13).  Es  ist  aber  unser 
Traktat  etwas  früher  verfaßt  als  die  beiden  genannten;    denn  in 

1)  Gegen  Grotemeyer  und  Ebert  hat  Nöldechen  (S.  25 ff.)  das  Rich- 
tige hier  gesehen;  Hartel  bietet  eine  Tafel  der  Parallelen  zwischen  l>eiden 
Schriften  mit  wertvollen  kritischen  Amnerkungen,  vgl.  auch  „Patristiöcho 
Studien"  111.  Daß  auch  das  FI.  Buch  Ad  nat.  dem  Apolog.  vorhergeht,  ergibt 
sich  schlagend  aus  einer  Stelle,  wo  Tert«.  den  Text  jener  Schrift  in  dieser 
verbessert  hat  (Ad  nat.  U,  IG:  „Pornj^eius",  Apolog.  11  richtig  „Lucullus").  — 
Aus  Ad  nat.  1,  IG  ergibt  sich,  daß  die  Stadtpräfektur  des  auch  von  Hippolyt 
genannten  Fuscianus  =  Seius  Fuscianus  (unter  Commodus,  wahrscheiulicb 
188/9,  8.  Prosopogr.  II  p.  133,  111  p.  191)  hinter  der  Abfassung  dieser  Schrift 
liegt,  was  übrigens  ohnehin  klar  ist.  Auffallend  ist  es  auf  den  erst-en  Blick, 
daß  Tertullian  1.  c.  I,  7  sagt,  das  Ohrist^intum  sei  noch  nicht  250  Jahre  alt, 
ja  c.  8  bemerkt,  es  sei  noch  nicht  3CK.)  Jahre  alt.  Monceaux  (Hist.  litt.  1 
p.  197)  will  korrigieren;  aber  das  scheint  mir  unnötig.  Die  Zahlen  erklären 
sich,  wenn  man  beachtet,  daß  Tert.  unmittelbar  vorher  gesagt  hatte:  „Principe 
Augusto  nomeu  hoc  ortum  est".  Da  die  Regierung  des  Angustus  vom  J.  IJi» 
a.  Chr.  gerechnet  wurde  »ind  es  für  den  Zweck,  den  Tert.  hier  im  Auge  hatt<», 
gleichgültig  war,  in  welchem  Jahre  des  Augustus  Christus  geboren  worden  ist. 
so  knunte  er  sehr  wohl  sagen,  250  bez.  3(X)  Jahre  seien  noch  nicht  verflossen. 


Tcrtullian.  259 

diesen  hat  Severus  bereits  den  vollen  Sieg  über  seine  Feinde  in 
Händen,  nnd  Exekutionen  der  Albinianer  und  Nigiüaner  gegen  die 
Anhänger  des  Severus  kommen  nicht  mehr  vor.  Also  fällt  Ad 
martyres  in  den  ersten  Anfang  des  J.  197  ^ 

Die  kleine  Schrift  De  pallio  ist  z.  Z.  der  Samtherrschaft  des 
Severus,  Caracalla  und  Geta  geschrieben,  also  vor  dem  4.  Febr.  211 
und  nach  dem  Dezember  208^.  Die  Worte  (c.  2):  „Quantum  urbium 
aut  produxit  aut  auxit  aut  reddidit  praesentis  imperii  triplex  virtns, 
deo  tot  Augustis  in  nnum  favente*',  machen  das  J.  210  wahrschein- 
licher als  das  J.  209^. 

Die  Schrift  Ad  Scapulam  ist  (nach  c.  4)  z.  Z.  des  Caracalla 
geschrieben  (Severus'  Tod  ist  vorausgesetzt),  und  zwar  nach  dem 
Tode  des  Geta,  also  nach  dem  Februar  212,  ferner  nach  der 
Sonnenfinsternis  vom  14.  August  212  (s.  c.  3)^.  Scapula  Tertullus 
war  Consul  ord.  anni  195  gewesen ^  Wie  weit  man  mit  der  Schrift 
in  der  Regierungszeit  des  Caracalla  abwärts  steigen  muß,  ist  nicht 
auszumachen.  Doch  empfiehlt  es  sich  allerdings,  sich  nicht  weit 
von  der  Sonnenfinsternis  zu  entfernen,  da  sie  noch  in  frischem 
Andenken  war.  Man  wird  daher  schwerlich  irren,  wenn  man  sie 
in  die  6  Monate  212/3,  vom  August  an  gerechnet,  setzt. 


1)  Anderer  Meinuug  ist  in.  W.  unter  den  Neueren  nur  Kellner  (Tftb. 
Quartaißclir.  1870  S.  591  u.  Tert.s  Sämtliclie  Schriften,  deutsch,  I,  1882,  S.  104). 
Kr  bezieht  unsere  Schrift  auf  das  J.  202/3,  weil  keine  größere  Märtyrerzahl  aus 
dem  J.  107  bekannt  sei  —  ein  nichtiger  (^rund,  da  Ad  nat.  und  Apolog.  doch 
deutlich  genug  Märtyrer  voraussetzen. 

2)  Prosopogr.  III  p.  207.  Damit  ist  das  Jahr  208  ausgeschlossen,  welches 
Hauck  (S.  381)  und  Schanz  (S.  267)  aus  einem  unerheblichen  Grunde  em- 
pfohlen haben.  Kellners  Meinung  (Tüb.  Quartalschr.  1870  S.  5470".),  De  pallio 
müsse  schon  im  J.  103  (März  bis  Mai)  geschrieben  sein,  ist  unhaltbar;  denn 
die  „triplex  virtus  imperii"  kann  unmöglich  auf  die  drei  Gegenkaiser  bezogen 
werden.  Die  „annonae  otia"  passen  allerdings  auf  das  J.  103,  nicht  aber  die 
».otia  pacis"  (c.  1).  Zuzugestehen  ist,  daß  der  Ton  der  Schrift  sich  besser  zu 
der  Zeit  fugen  würde,  in  der  Tert.  noch  am  Anfang  seiner  schriftstellerischen 
Laufbahn  als  Christ  gestanden  hat,  während  er  in  der  späteren  Schriftst-ellerei 
des  Mannes  noch  singulärer  ist;  aber  das  kann  nicht  entscheiden,  da  die  Schrift 
überhaupt  in  ihrer  Art  ein  Unikum  ist. 

3)  Monceaux  (Hist.  litt,  l  p.  100)  entscheidet  sich  für  das  J.  2()JI,  da  die 
dreifache  Herrschaft  als  eine  „nouveaut^"  vorgestellt  werde.  Aber  diese  „nou- 
vcaut6"  hatte  ja  bereits  eine  bedeutende  Tätigkeit  hinter  sich.  Schanz  setzt 
die  Schrift  gar  schon  in  das  J.  208  —  sie  sei  in  einer  Friedenszeit  geschrieben, 
also  vor  dem  batavischen  Krieg  — ;  allein  die  Samtherrschafb  begann  ja  erst 
im  Dez.  208. 

4)  Joh.  Schmidt  im  Rhein.  Mus.  Bd.  40,  1801,  S.  77.  Er  zeigt  auch, 
daß  Pudens,  Scapulas  Vorgänger,  -^  Valerius  Pudens  (200  oder  210 — 211)  ist. 

5)  Nach  Pallu  de  Lessert,  Fastes  des  prov.  Afric.  1806  I  p.  252 ff. 
Prokonsul  in  Afrika  211 — 213,  aber  dieses  Datum  ist  aus  TertuUian  abstrahiert, 

\T* 


260  ^^  Litteraiur  des  Abendlandes. 

Die  Schrift  De  pudicitia  fällt  sicher  in  die  Zeit  der  Regierung 
des  römischen  Bischofs  Rallist,  also  zwischen  217/8  und  222/3.^ 
Kailist  ist,  wie  uns  Hippolyt  belehrt,  der  römische  Bischof,  der 
das  Edikt  (De  pudic.  1)  in  bezag  auf  die  Fleischessünden  er- 
lassen hat 

Die  Schrift  De  monogamia  ist  nach  c.  3  „ungefähr  160  Jahre*' 
nach  dem  I.  Eorintherbrief  des  Paulas  verfaßt,  d.  h.  zwischen  212 
und  219.  Aus  unserer  Stelle  nämlich  und  anderen  geht  hervor,  daß 
sich  Tertnllian  ein  Urteil  über  die  Daten  der  Hauptereignisse  des 
apostolischen  Zeitalters  und  der  paulinischen  Briefe  gebildet  hat 
Dann  aber  kann  er  unmöglich  den  I.  Korintherbrief  vor  das  J.  50, 
höchst  wahrscheinlich  nicht  vor  das  J.  52,  und  nicht  später  als  in 
das  Jahr  59  angesetzt  haben.  Man  wird  daher  nicht  irren,  wenn 
man  auf  Grund  unserer  Stelle  die  Schrift  De  monogamia  zwischen 
212  und  219  abgefaßt  sein  läßt.  Daß  sich  dieser  Ansatz  aus  anderen 
Gründen  bestätigt,  werden  wir  unten  sehen. 

Die  große  Schrift  De  anima  fällt  nach  dem  Martyrium  der 
Perpetua  (s.  De  anima  55).  Dieses  Martyrium  gehört  dem  7.  März 
202  oder  203  an^. 

Dies  sind  die  direkten  Daten,  die  sich  aus  TertuUians  Schriften 
für  die  Zeit,  in  der  sie  geschrieben,  entnehmen  lassen. 

(Ad  II)  Es  ist  geschrieben,  bez.  veröffentlicht: 

Ad  nationes  vor  Apolog.  (s.  oben). 
De  paenit  vor  De  pudic.  (s.  c.  1). 
De  spect  vor  De  idolol.  (s.  c.  13). 
De  spect  vor  De  cultu  I  (s.  c.  8)^ 


1)  Vgl.  meine  Abhandlung,  a.  a.  0.  S.  581  fl'.  Der  Beweiß  liegt  in  De 
pudic.  c.  1,  verglichen  mit  den  Angaben  des  Hippolyt  in  den  Philosoph,  über 
Kailist  (ß.  IX,  12:  n^wtog  [seil.  Kallißt]  rä  n^og  tag  ^öovag  roZg  dv^QoSnoig 
ovYX<tfQBiv  insvoTjas,  Xhyatv  näaiv  vre  avzov  dipieaS-ai  d/xagvlaQ),  Die  Ver- 
gleichung  lehrt,  daß  der  römißche  Bischof,  dessen  Indulgenzedikt  gegen  dit* 
Fleischessünden  Tcrt.  so  scharf  bekämpft,  nur  Rallist  gewesen  sein  kann.  Ober 
die  Zeit  des  Kallist  ist  in  diesem  Werke  (Chronologie  Bd.  I)  gehandelt 
worden. 

2)  über  das  Datum  des  severianischen  Christengesetzes  und  das  Ver- 
folgungsjahr habe  ich  in  der  Ztschr.  f.  KGesch.  a.  a.  0.  S.  577  tf.  gehandelt  (vgl. 
Neumann,  a.  a.  0.  T  S.  155  ff.  401  ff.,  der  Wirths  Ansätze  in  den  „Quaestiones 
Severianae"  p.  82  ff.  widerlegt).  Es  war  das  10.  Jahr  des  Severus  =  202/H. 
Damals  brach  die  Verfolgung  überall  aus  und  forderte  rasch  ihre  Opfer.  Da 
nun  das  Monatsdatum  des  Martyriums  der  Perpetua  feststeht,  so  kann  sie  nur 
am  7.  März  202  oder  20'^  gemartert  worden  sein.  Näheres  s.  bei  diesem 
Martyrium. 

3)  Hauck  (S.  109)  behauptt't  (s.  auch  Mo  nee  au  x),  daß  De  spect.  sicher 
vor  De   bapt.   und   «len   mit   dit'ser  Schrift  zusammengehörigen  Traktaten  ge- 


Tertullian.  261 

De  cultu  II  vor  De  orat  (denn  dort  fehlt  noch  die  Schleier- 

ft-age). 
De  cultu  U  vor  De  virg.  vel.  (aus  demselben  Grunde). 
De  spect.  vor  De  Corona  (s.  c.  6). 
Apolog.  vor  De  testira.  animae  (s.  c.  5),  trotz  ApoL  17. 
De  testim.  vor  De  carne  (s.  c.  12). 
De  Corona  vor  De  fuga  (s.  c.  7  und  De  Corona  1). 
De  monogam,  vor  De  ieiunio  (s.  c.  1). 
De  anima  vor  De  resurr.  (s.  c.  2.  17.  42.  45). 
De  praescript.  vor  Adv.  Marc,  und  den  anderen  ketzerbe- 

sti'eitenden  Einzelschriften  (s.  De  praescript  44);    Adv. 

Marc.  I,  1  spricht  nicht  dagegen  ^ 
De  praescript.  vor  Adv.  Hermogenem  (s.  c.  1). 
De  praescript  vor  De  carne  (s.  c.  2). 
Adv.  Apell.  vor  De  carne  (s.  c.  8). 
De  praescr.  vor  Adv.  Prax.  (s.  c.  2). 
Adv.  Jud.  vor  Adv.  Marc.  III  (nicht  um  c.  7  willen,  wohl 

aber  nach  dem  ganzen  Verhältnis  der  beiden  Schriften). 
De  exhoi-tat.  vor  De  monog.  (ist  aus    dem   Inhalt   beider 

Schriften  klar). 
Adv.  Marc.  II  vor  Scorp.  (s.  c.  5). 
Adv.  Marc.  II  vor  De  anima  (s.  c.  21). 
Adv.  Hermog.  vor  De  anima  (s.  c.  21). 
Adv.  Hermog.  vor  Adv.  Valent  (s.  c.  16). 
De  spe  fidel,  vor  Adv.  Marc.  III  (s.  c.  24). 
De  paradiso  vor  De  anima  (s.  c.  55). 
De  paradiso  vor  Adv.  Marc.  V  (s.  c.  12). 


.schrieben  sei,  und  verweist  auf  De  bapt.  5.     Ich  vermag  in  dieser  Stelle  keinen 
IJeweis  zu  entdecken.    Ob  Hauck  etwa  doch  im  Rechte  ist,  darüber  s.  unten. 

1)  Ich  habe  früher  da«  „sustinebit"  in  dem  Satze  Adv.  Marc.  T,  1  („Sed 
aliiis  libellus  hunc  gradum  sustiu«>bit  adversus  haereticos,  etiam  sine  retractatu 
doctrinanim  revincendos,  quod  hoc  sint  de  praescriptione  novitatis")  streng 
futurisch  gefaßt  und  geschlossen,  daß  der  Traktat  De  praescriptione  damals 
noch  nicht  geschrieben  gewesen  sei.  Allein  De  praescr.  44  (Nunc  quidem  gene- 
raliter  actum  est  nobis  adversus  haereses  oinnes  ...  de  reliquo,  si  dei  gratia 
adnuerit,  etiam  specialiter  quibusdani  respondebimus")  schließt  die  Annahme 
aus,  Tertullian  habe  bereits  vor  Abfassung  dieser  Schrift  Spezialscbriften  gegen 
rinzelne  Häretiker  verfaßt.  Mit  Bonwetsch  (S.  43 f.),  Schanz  (S.  259)  u.  a. 
ist  <laher  das  „sustinebit"  im  Sinne  einer  bescheidenen  Aussage  zu  fassen  oder 
vom  Standpunkt  der  Leser  zu  erklären,  die  den  Traktat  De  praescript.  bisher 
noch  nicht  eingesehen  haben.  Monceaux^s  Meinung  (Abhandlung  p.  87),  der 
.^atz  sei  aus  der  ersten  Ausarbeitung  der  Schi-ift  gegen  Marcion  versehentlich 
.stehen  geblieben,  ist  nicht  nur  prekär,  sondern  verstößt  auch  gegen  De 
jujiescr.  44. 


262  ^i^'  Litteratur  dcu  Abendlandee. 

Adv.  Marc,  vor  Adv.  Hermog.  (s.  c  10  und  16;    doch  vgl. 

hierzu  die  Ausführungen  über  die  verschiedenen  Editionen 

des  Werkes  gegen  Marcion). 
*  Adv.  Marc.  I— III  vor  De  resurr.  (s.  c.  2.  14). 
Adv.  Marc.  IV  vor  De  carne  (s.  c  7). 
De  carne  vor  De  resurr.  (s.  c.  2  und  De  carne  25). 
De  resun*.  vor  Adv.  Marc.  V  (s.  c.  10). 
Adv.  Valent.  vor  De  resurr.  (s.  c  59)? 
De  censu  animae  vor  De  anima  (s.  c.  1.  3.  11.  21.  22.  24). 
De  fato  vor  De  anima  (s.  c.  20). 
De  monog.  vor  De  ieiun.  (s.  c.  1). 

Diese  Rückbeziehungen,  bez.  die  Fälle,  in  denen  aus  anderen 
Gründen  die  PrioritÄt  einer  Schrift  vor  einer  anderen  sicher  ist 
ist  für  die  absolute  Chronologie  der  Traktate  Tertullians  von  hohem 
Werte. 

(Ad  in)  Was  die  Gruppierung  der  Schriften  nach  dem  Bil- 
dungsgang Tertullians  betrifft,  so  lassen  sich  am  sichersten  die 
Traktate  abgrenzen,  die  nach  dem  vollkommenen  Bruche  mit  der 
Kirche  verfaßt  sind.  Hierher  gehören  De  monog.  (s.  c  1.  2.  11.  14), 
die  nach  diesem  Traktat  geschriebene  Schrift  De  ieiunio  (s.  c.  1. 
12.  16)  und  De  pudicitia,  ferner  aber  auch,  doch  ist  die  Aussprache 
noch  nicht  so  heftig,  alle  5  Bücher  Adversus  Marcionem  —  denn 
schon  im  ersten  (c.  29)  und  dritten  (c.  24)  spricht  er  als  Mitglied 
einer  eigenen,  der  großen  Kirche  gegenüberstehenden  Gemein- 
schaft* — ,  De  Corona  (c.  1),  De  fiiga  (c.  1.  14),  Adv.  Prax.  (c.  1». 
De  anima  (c.  9)  und  deshalb  auch  (da  sie  später  als  De  anima  sind. 
s.  0.)  De  carne  und  De  resurr.  Der  Bruch  ndt  der  Kirche  fallt 
also  schon  in  das  J.  207; S  oder  vor  dieses  Jahr;  denn  im  J.  207;S 
wurde  das  I.  Buch  gegen  Marcion  ausgegeben  (s.  o.)^.  Daß  die 
Polemik  gegen  die  „Psj^chiker''  immer  heftiger  geworden  ist  und 
die  Schriften  De  monog.,  De  ieiun..  De  pudicitia  auch  deshalb  an 
den  Schluß  gehören,  läßt  sich  nicht  verkennen;  aber  wenn  Tertullian 


1)  Monceaux  will  hier  nur  „Spuren"  des  Montanismus  sehen.  Ich  vor- 
mag ihm  nicht  beizustimmen. 

2)  Rolffs  (a.  a.  0.  S.  81  ff.)  sucht  zu  zeigen,  daß  Adv.  Marc.  1 — lll,  femor 
De  Corona  und  De  fuga  der  Bruch  mit  der  Kirche  noch  nicht  vorausfiresetzt 
sei.  Sein<3  Koweisfühnmigf  ist  nicht  überzeuc^end.  Die  Einheit  mit  den  Katho- 
liken in  der  antignostischen  Olaubensh^hre  hat  Tert.  8t<?ts  festgehalten  und 
betont.  Cbrijjfeni;  erkennt  Rollfs  au,  daß  der  Bnuh  vor  Adv.  Marc.  IV  erfolgt  Bein 
muß.  Do  virjr.  vel.  rückt  bei  dies^en  Annahmen  bis  gegen  das  J.  213  herunter. 
De  ecstarti  bis  211,  und  von  202/3  bis  über  211  soll  sich  der  Moutanisniu> 
innerhalb  der  «großen  Kirche  haben  halten  können  (s.  S.  10»),  was  a  i»riorl 
nicht  wiihrscheinlich  i.st. 


Tertullian.  263 

„apud  nos""  im  Gegensatz  zu  den  Katholiken  sagt  (bez.  „apud  vos"") 
oder  gai-  „inter  nos  et  psychicos"  (Adv.  Marc.  I,  29;  III,  24;  IV,  22), 
so  ist  er  bereits  nicht  mehr  Mitglied  der  großen  Kirche.  Das  ist 
öfters  übersehen  worden  und  zugleich  nicht  gewürdigt,  daß  der 
antikirchliche  Ton  in  den  auf  die  Disziplin  bezüglichen  Schriften 
ein  schärfer  antikirchlicher  sein  mußte  als  in  den  antignostischen. 

Ist  nun  der  Bruch  mit  der  Kirche  nicht  später  als  207/8  an- 
zusetzen, so  fragt  es  sich,  in  welchen  Schriften  die  neue  Prophetie 
von  Tei-t  zwar  schon  anerkannt  ist,  aber  ihn  noch  nicht  zum  Bruch 
getrieben  hat.  M.  E.  können  hier  nur  vier  Schriften  in  Betracht 
kommen,  nämlich  De  virg.  veL,  De  exhort  cast,  Adv.  Hermog.  und 
Adv.  Valent  Allein  die  letztere  wird  mit  größter  Wahrscheinlich- 
keit nach  dem  Bruch  angesetzt^;  denn  der  Gegensatz:  „Miltiades 
ecclesiarum  [man  beachte  den  Plural]  sophista,  Proculus  noster", 
spricht  doch  wohl  die  volle  Scheidung  aus.  Über  Adv.  Hermog. 
müssen  wir  das  Urteil  suspendieren;  denn  es  fragt  sich,  ob  die  Be- 
ziehung auf  Adv.  Marc,  der  ersten  oder  der  dritten  Bearbeitung 
gilt.  Somit  bleiben  zunächst  nur  die  beiden  Traktate  De  virg.  vel. 
und  De  exhort.  cast.  In  ihnen  zeigt  sich  Tcrt  in  der  Tat  als  An- 
hänger der  neuen  Prophetie  (s.  dort  c.  1,  hier  c.  10),  ohne  doch  mit 
der  Kirche  gebrochen  zu  haben.  Dazu  kommt,  daß  De  exhort 
deutlich  eine  Mittelstellung  zwischen  Ad  uxor.  und  De  monog.  ein- 
nimmt.   Also  sind  diese  Traktate  vor  d.  J.  207,8  verfaßt 

Wie  lange  vor  d.  J.  207/8  der  Bruch  mit  der  großen  Kirche 
erfolgt  ist,  wissen  wir  nicht;  ebensowenig  läßt  sich  das  Jahr  er- 
mitteln, in  welchem  er  von  der  neuen  Prophetie  Kunde  erhalten, 
bez.  sie  anerkannt  hat.  Eine  Krwägung  und  eine  Beobachtung  aber 
dürfen  hier  eintreten.  Erstlich  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  daß  der 
Zeitraum  zwischen  der  Anerkennung  der  Prophetie  und  dem  Bruch 
mit  der  Kirche  groß  gewesen  ist  —  die  montanistische  Kontro- 
verse war  in  der  Kirche  am  Anfang  des  3.  .lahrhunderts  bereits 
So  akut  geworden,  daß  die  Anhänger  der  neuen  Prophetie  sich 
nirgendwo  mehr  lange  in  den  Gemeinden  zu  halten  vermochten  — , 
zweitens  bemerkt  man,  daß  die  severianische  Verfolgung 
des  J.  202'3  sich  nirgendwo  in  den  Schriften  Tertullians 
unmittelbar  spiegelt-,  während  doch  die  Akten  der  Perpetua 
lehren,  wie  aufregend  sie  gerade  auch  in  Nordafrika  gewesen  ist 
Dieses  Schweigen  eines  so  lebhaften  und  den  Zeitereignissen  sonst 
so  pünktlich  folgenden  Schriftstellers,  wie  TertuUian  es  war,  kann 


1    <M'f?en  Haiick  S.  271. 

*J-  DalJ  er  einmal,   in   spatrror  Zeit,  sich  jener  Verfolpmg  erinnert  iDe 
aninia  j.")\  ist  nnerhoMieh. 


264  ^^  Litteratur  des  Abendlandee. 

schwerlich  anders  gedeutet  werden  als  durch  die  Annahme,  daß 
er  in  den  J.J.  202/3  bis  c.  204/5  überhaupt  nicht  geschrieben 
hat,  d.  h.  daß  innere  Kämpfe  und  Krisen  ihn  vom  Schreiben  ab- 
gehalten haben  K  Mit  dem  Schweigen  aber  über  die  severianische 
Verfolgung  fallt  ein  Schweigen  in  anderer  Richtung  zusammen: 
wir  erfahren  nirgends,  wie  Tertullian  zur  Anerkennung  der  neuen 
Prophetie  gekommen  ist  und  nichts  über  die  ersten  Krisen.  Es 
ist  daher  recht  wahrscheinlich,  daß  eben  jene  Verfolgung  ihn  für 
die  neue  Prophetie  zugänglich  gemacht  hat^,  daß  nun  eine,  wenn 
auch  nur  kurze  Periode  innerer  Unruhe  und  Unsicherheit  folgte, 
und  daß  deshalb  in  die  der  Verfolgung  unmittelbar  sich  anschließen- 
den zwei  Jahre  überhaupt  keine  Schrift*,  dann  aber  vor  dem  vollen 
Bruch  mit  der  Kirche  (d.  h.  jedenfalls  vor  dem  Jahr  207/8)  die 
beiden  Traktate  De  virg.  veL  und  De  exhoi*tat.  fallen. 

Monceaux  und  vor  ihm  andere  haben  gemeint,  man  könne 
eine  früheste  Periode  der  Schriftstellerei  Tertullians  abgrenzen, 
nämlich  die  Zeit,  in  der  er  noch  nicht  Presbyter  gewesen  sei. 
Dieser  Periode  weisen  sie  die  Schriften  Ad  mart,  Ad  nat,  Apolog. 
und  De  testimonio  zu.  Alle  übrigen  Schriften  seien  von  Tertullian 
als  Kleriker  geschrieben;  man  könne  aber  ermitteln,  daß  er  Pres- 
byter zwischen  198  und  200  geworden  sein  müsse;  also  liege  der 
terminus  a  quo  für  alle  übrigen  Schriften  Tertullians  —  es  wäre 
das  eine  sehr  erwünschte  P>kenntnis  —  nach  198  bez.  200. 
Allein  Beweise  lassen  sich  hier  niclit  bringen,  weder  für  die  Be- 
hauptung, jene  xiev  Schriften  seien  von  einem  Laien  geschrieben, 
noch  für  das  angebliche  Datum  der  Presbyterwürde.  Man  beruft 
sich  darauf,  daß  in  den  beiden  apologetischen  Hauptschriften  die 
Eigenschaft  Tertullians  als  Presbyter  nirgends  zu  entdecken  sei, 
und  behauptet,  daß  sie  in  der  Schrift  Ad  martyr.  hervortreten 
müßte,  wenn  Tert.  sie  bereits  besessen  hätte;  dagegen  spräche  Tert. 
in  dieser  Schrift  c.  1  so,  wie  nur  ein  Laie  spreche  *.  Allein  in  den 
apologetischen  Schriften  war  schlechterdings  kein  Anlaß,  mit  der 
geistlichen  Würde  hervorzutreten ,  und  Mäi-tyrern  gegenüber  sind 

1)  Nur  das  wäre  möglich  (s.  u.),  ilaß  er  in  dieser  Zeit,  uoch  iimerhalb 
«L'r  Kin.'he  stehend,  für  den  Parakleten  eine  oder  mehrere  Schriften  ge- 
8clirie})en  hat,  aber  nicht  eine  ims  erhaltene  —  denn  es  muß  sich  in  ihr  dit» 
sevenanische  Verfolgung  gesj)iegelt  haben,  und  diese  spiegelt  sich  in  kein»^' 
der  auf  uns  gekommencMi  — ,  sondern  etwa  das  große  verlorene  Werk  über  die 
Kkstase,  bez.  auch  De  spe  fid(?lium  und  De  paradiso. 

2)  Vgl.  was  Pjusebius  h.  e.  VI,  7  von  dem  Schriftsteller  Juda«  berichtet. 
.">)  Eri  s«*i  denn  De  ecstasi,  De  spe  fid.  und  De  parad.,  s.  not.  1. 

4)  .,Nec<  tantus  ego  sum,  ut  vos  alloquar.  venim  tamen  et  gladiatoros 
l)erff'ctiösinios  non  tantum  magistri  et  praepositi  sui,  sed  etiam  idiotae  et 
sui>ervacui  (^nique  adhortantur  de  longinquo  etc." 


Tertullian.  265 

in  gewissem  Sinne  auch  Geistliche  „Laien".  Umgekehrt  aber  ist  es 
in  jener  Zeit  selten,  daß  Laien  die  Feder  für  die  Kirche  führen; 
wer  das  behauptet,  muß  es  strikt  beweisen.  Ferner  steht  es  nach 
Apolog.  47  fest,  daß  Tertullian  bereits  den  ganzen  Präskriptions- 
beweis  gegen  die  Häretiker  damals  im  Kopfe  hatte.  Soll  er  sich 
wirklich  als  Laie  so  tief  in  die  gnostische  Kontroverse  begeben  haben? 
Ich  will  die  Möglichkeit  nicht  bestreiten,  daß  Tertullian  jene 
vier  Schriften  als  Laie  verfaßt  hat,  aber  es  bleibt  im  besten  Fall 
eben  eine  Möglichkeit.  Eben  deshalb  wissen  wir  auch  nicht,  wann 
er  Pi'esbyter  geworden  ist,  und  haben  somit  hier  keinen  terminus 
a  quo,  um  die  Abfassungszeit  seiner  übrigen  Schriften  zu  be- 
stimmen. 

Die  allerletzte  Periode  TertuUians,  in  der  er  sich  auch  von  der 
montanistischen  Sekte  getrennt  hat,  kennen  wir  nicht  aus  seinen 
Schriften,  sondern  wir  wissen  von  ihr  lediglich  aus  der  Tradition 
(Augustin,  Praedestinatus ;  s.  unten).  Sie  kommt  daher  für  die  Chrono- 
logie der  Werke  TertuUians  nicht  in  Betracht 

Es  ergeben  sich  somit  zwei  Hauptperioden  der  Schriftstellerei 
TertuUians.  Die  ei'ste  beginnt  spätestens  mit  dem  Anfang  des 
J.  197  (vielleicht  schon  irüher)  und  läuft  höchstwahrscheinlich  bis 
zur  severianischen  Verfolgung  (202'3):  er  ist  damals  noch  nicht 
Montanist  gewesen.  Die  zweite  beginnt  spätestens  im  J.  207/8 
(wahrscheinlich  schon  etwas  früher)  und  läuft  bis  zur  Zeit  des 
römischen  Bischofs  Kailist  (2 17 '8— 222,3).  Man  kann  in  ihr  die 
Zeit  der  drei  Schriften  De  monog.,  De  ieiunio  und  De  pudicitia 
von  der  früheren  Zeit  unterscheiden.  Zwischen  den  beiden  Haupt- 
perioden —  also  zwischen  202/3  und  etwa  206/7  —  liegt  die  Zeit, 
in  der  er  die  montanistische  Prophetie  anerkannte,  aber  mit  der 
Kirche  noch  nicht  gebrochen  hatte.  In  die  erste  Hälfte  dieses 
Zeitraumes  fällt  schwerlich  auch  nur  eine  der  uns  erhaltenen 
Schriften  TertuUians;  in  die  zweite  fallen  De  virg.  vel.  und  De 
exhort  cast.,  vielleicht  auch  noch  andere  Traktate  ^ 

Das  ist,  was  sich  sicher  und  generell  über  die  Zeit  der  Schrift- 
stellerei  TertuUians  ermitteln  läßt.  Wir  suchen  nun,  soweit  es 
mcjglich  ist,  das  Datum  jeder  einzelnen  Schrift  zu  bestimmen'^. 


1)  Wieviel  Zwischenraum  zwischen  den  drei  Editionen  <les  Werkes  Adv. 
Marc.  (s.  I,  1;  11,  1)  liegt,  wissen  wir  leider  nicht. 

2)  Von  unsicheren  Zeitspuren,  deren  namentlich  Nöldechen  eine  FüUe 
ennittelt  hat,  sehe  ich  in  der  Regel  ab.  Was  nützt  es,  sie  zu  drehen  und  zu 
wenden,  um  schließlich  gestehen  zu  müssen,  daß  sie  fnigwnrdig  sind  oder  nicht 
weiter  helfen.  Notgedrungen  bin  ich  aber  doch  auf  ein  paar  solche  „Spuren" 
eingegangen,  die  meine  Vorgänger  für  besonders  wichtig  erachtet  haben. 


266  ^»^'  Litteratur  des  Abendlandes. 


(1)— (4)  Ad  mart,  Ad  nat,  Apolog.,  De  testimonio. 

Über  die  Zeit  der  drei  ersten  Schriften  ist  bereits  das  Nötige 
oben  (S.257f.)  bemerkt  worden.  Für  die  Frage  nach  dem  Verhältnis 
des  Apologeticum  zum  Octavins  des  Minucius  (s.  dort)  ist  es  von 
hoher  Wichtigkeit,  daß  das  Datum  des  Apolog.  feststeht  Was  die 
Entstehung  der  kleinen  Schrift  De  testimonio  animae  betrifft,  so 
wird  man  sagen  dürfen,  daß  dem  TertuUian  eine  Ansfuhrnng  über 
das  Zeugnis  der  unverbildeten  oder  der  aus  ihrem  Rausche  er- 
wachenden Seele  (Apolog.  17)  so  anziehend  und  bedeutend  erschien, 
daß  er  sie  in  einer  eigenen  Schrift  in  breiterer  Darstellung  wieder- 
holte. Da  er  in  dieser  Schrift  nicht  nur  auf  c.  17  des  Apolog. 
fußt,  sondern  ausdrücklich  noch  auf  einen  anderen  Abschnitt  de^ 
Apolog.  (nämlich  auf  c.  19)  verweist,  also  noch  im  Gedankenkreis 
dieses  großen  Werks  lebt^  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  der 
kleine  Traktat  dem  Hauptwerk  bald  gefolgt  ist  Daraus,  daß  er 
in  De  carne  (c.  12)  erwähnt  ist,  folgt  natürlich  nicht,  daß  er  erst 
kurz  vor  dieser  Schrift  verfaßt  worden  ist  2. 

1)  Vgl.  auch  die  Ausführungen  über  Curfcius  und  Rcguhis  c.  4  mit  Apolog'. 
r)0,  Ailv.  nat.  I,  18  und  Ad  mart..  4. 

2)  In  l)ozug  auf  die  Textüberliefenmg  des  Apolog.  hat  uns  jüngst  Callo- 
waert  in  einer  sehr  dankenswerten  Untersuchung  ,,Le  Codex  Fuldcnsis  \v 
meillenr  Ms.  de  rAjiolog.  de  Tertullien"  IHO'J  (Sonderabdruck  aus  der  Rfv. 
d'hist.  et  dt'  lifrt^r.  reliJ.^  T.  VI!  nr.  L>.  .-J)  anfgeklai-t..  V\^ie  der  Titel  besagt-,  hat 
der  Verf.  nachjjjewiesen,  daß  der  jetzt  leider  verlorene  Fuldensis,  dessen  Variant«Mi 
wir  aber  durch  Modius  kennen,  der  treueste,  mit  der  griechischen  Übersetzunir 
(saec.  III.  init.),  Rufin,  <ler  AlU^rcatio  Heracliani  und  Isidor  gehende  Zeuge  di's 
Textes  ist  und  daß  die  \'ulgata  des  Apolog.,  d.  h.  alle  übrigen  Handschrift^^u 
auf  einen  schlimm  korrigierten  Archetyi»us  zurückgehen.  Dieser  ist  schwerlich 
iilter  als  saec.  VII. — X.,  stammt  also  wohl  aus  den  Händen  eines  Korrektors  der 
karolingischen  Renaissancezeit;  der  Fuldensis  dagegen  ist  ein  zwar  roher,  aber 
von  keinem  Philologen,  der  den  Text  verständlich  machen  wollte,  bearbeiteter 
Edelstein.  Ist  aber  die  Cberlieferung  im  Fuld.  die  bessere  und  repräsentieren 
alle  übrigen  Handsehriften  ihm  gegenüber  einen  Archetypus,  so  ist  das  Stück 
von  c.  'J'JiH)  Hnchstaben,  w«»lches  in  Ai)olog.  19  der  Fuld.  allein  bietet,  als 
ursprünglicher  B«.'standteil  des  Buches  anzuerkennen.  Daß  es  von  TertuUian 
herrührt,  liätt-e  nie  bezweifelt  werden  sollen;  denn  Inhalt  und  Stil  sprechen 
dafür.  Daher  ist  die  Hypothese,  die  Lagardc  aufgest<?llt  hat  (Septuagintn- 
studien  i.  d.  Abb.  d.  K.  "(^esellsch.  d.  Wiss.  z.  (n)tt.  Bd.  37,  ISJÜ,  S.  Tl^ff.),  da^ 
Stück  sei  dns  Fragment  einer  alten  lateinischen  Apologie  und  vielleicht  vom 
Bischof  Victor  I.  von  Rom,  zu  verwerfen.  —  Über  die  griechische  Übersetzung,' 
des  Ai»ologetiknms,  die  FiUS(;bius  kannte  und  benutzt-e,  habe  ich  in  den  Texten 
und  Unters.  VIII,  -1  gehandelt  (s.  dazu  das  neue  Stück,  welches  ich  Chronol.  I 
S.  00 111".  nacligewieseu  habe).  Diese  Übersetzung  war  wohl  schon  dem  Juliu> 
Africanus  bekannt,  ja  vielleicht  ist  er  der  Übersetzer  gewesen.  An  der  Wahr- 
scheinlichkeit   dieser  Tatsache    halte    ich    fest,    wenn    auch    nicht  alle  Gribnl»' 


Tertulliiin.  267 

(5)  uud  (6)  De  spectaculis  in  zwei  Ausgaben. 

Die  lateinische  Schrift  ist  (s.  o.)  vor  De  idoloL,  vor  De  culta  I 
und  vor  De  corona  abgefaßt,  und  neben  ihr  hat  Tertullian  auch  in 
griechischer  Sprache  (s.  De  corona  6)  denselben  Stoff  behandelt. 
(Über  das  zeitliche  Verhältnis  der  beiden  Ausarbeitungen  ist  nichts 
bekannt;  die  Ausdrucksweise  Tertullians  spricht  jedoch  mehr  dafür, 
daß  die  griechische  die  spätere  ist.)  ^  Nöldechen  verlegt  die  latei- 
nische Schi'ift  in  den  Dez.  196;  allein  es  fehlt  ein  wirklicher  Be- 
weis dafür.  Zunächst  steht  fest,  daß  De  spect.,  De  idolol.,  De  bapt, 
De  paenit,  De  orat.  und  De  cultu  fem.  (üb.  II)  eine  Gruppe 
bilden:^  es  spricht  in  ihnen  der  berufsmäßige  Prediger 
und  Seelsorger,  vor  dem  die  Gemeinde  in  Gläubige  und 
Katechumenen  gegliedert  steht,  und  der  namentlich  die 
letzteren  im  Auge  hat^  Leider  aber  läßt  sich  nicht  mit  voller 
Sicherheit  ausmachen,  ob  diese  Gruppe  vor  oder  nach  den  sub 
(1)— (4)  genannten  Schriften  fällt;  denn,  wie  oben  gezeigt,  Tert. 
kann  recht  wohl  bereits  Presbyter  gewesen  sein,  als  er  Ad  mart.  usw. 
verfaßte.  Für  eine  frühere  Zeit  könnte  man  sich  auf  die  kanons- 
geschichtlichen Archaismen  berufen,  die  sich  in  De  bapt,  De  orat. 
und  De  cultu  finden  (s.  dort)  und  die  in  den  mittleren  und  späteren 
Schriften  Terts  nicht  mehr  nachzuweisen  sind.  Indessen  so  genau 
kennen  wir  die  afrikanische  Kanonsgeschichte  nicht,  daß  wir  sagen 
könnten,  was  einige  Jahre  vor  197  möglich  gewesen  ist,  sei  gleich 
nach  197  nicht  mehr  möglich.  Also  darf  man  sich  auf  jenes  Argu- 
ment nicht  berufen.  Was  nun  speziell  De  spect.  betrifft,  so  be- 
hauptet Ilauck  (S.  16.  52),  es  sei  in  einer  Verfolgungszeit  ge- 
schrieben, Bonwetsch  (S.  34),  es  blicke  auf  eine  jüngst  vergangene 
Verfolgung  zurück,  stamme  aber  aus  einer  Friedenszeit,    Nöl- 

stichhaltig  sind,  die  ich  a.  a.  0.  S.  DO  ff.  aii<^olulirt  halx.';  s.  ^I«Mid«'lsöolin  im 
Philologus  Bd.  52  S.  oöOf.  Daß  die  Cborrfetzung  der  vordeinaiiischcn  Zeit  an- 
gehört, scheint  mir  anjjfenonimen  worden  zn  müssen;  denn  nach  d.  J.  25U  mußte 
(lie  Schrift  als  veraltet  erscheinen.  Am  nächsten  liegt  es,  die  Übersetzung  nicht 
;\llzulange  nach  dem  Original  anzusetzen  und  nicht  in  die  Friedenszeit  unter 
Alexander  und  Philii>))us,  also  in  die  Zeit  des  Severus,  Caracalla  oder  Elagabal. 

1)  De  cor.  0:  „Sic  itaque  et  circa  voluj»tat<»s  spectaculorum  infamat^i  con- 
ditio est  ab  eis  qui  natura  quidem  omnia  dei  sentiunt,  ex  (^uibus  spectacula 
instmuntur,  scientia  autem  deiiciimt  illud  quoque  intellegen?,  omnia  esse  a 
diabolo  mutata.  Sed  et  huic  nifiteriae  propter  suaviludios  nostros  (iraeco  (luoqne 
stilo  satisfecimus." 

2)  Bestritten  wird  dies  in  bezug  auf  De  idolol.  von  Monceaux;  s.  darüber 
unten. 

:J)  S.  De  spect.  1,  De  idolol.  24,  De  bapt.  1.  17 f.  20,  De  paenit.  0,  De  cultu  I, 
n.  11;    ir,  1.  4.  li>  und  in  bezug  auf  De  orat.  die  ganze  Anlage. 


208  ^^^  Littenitur  des  Abendlandes. 

de  eben  ^S.  36ff.)>  es  habe  überhaupt  noch  keine  neimenswerte 
N'erfoignng  in  Karthago  vor  Abfassung  der  Schrift  stattgefunden. 
Unhaltbar  ist  unter  diesen  Ansichten  die  erstgenannte  —  in  einer 
Vei-folgungszeit  schreibt  man  schwerlich  De  spectaculis,  und  c  27 
(auf  dieses  Kapitel  kommt  es  an)  zeigt  nicht  eine  gegenwärtig 
wütende  \  erfolgung  -— ;  zwischen  den  beiden  letzteren  ist  es  m.  £. 
nicht  möglich,  sicher  zu  entscheiden,  wenn  auch  c.  19  mehr  für  die 
Ansicht  I^öldechens  spricht.  Die  Schrift  De  spect.  kann  demnach 
sowohl  vor  als  nach  197  abgefaßt  sein.  Aus  den  Ausführungen 
über  die  Schauspiele  im  Apolog.  c.  38  haben  Monceaux  u.  a.  ge- 
schlossen, daß  De  spect  damals  noch  nicht  geschrieben  gewesen 
sei,  sondern  gleichsam  angekündigt  werde  >;  aber  auch  das  ist  ein 
zweifelhaftes  Argument  Es  läßt  sich  also  zunächst  nicht  mehr 
sagen,  als  daß  De  spect.  in  die  Zeit  vor  202/3  gehört 

(7)  und  (8)  De  baptismo  haereticorum  (griechisch; 

und  De  baptismo. 

Die  uns  erhaltene  lateinische  Schrift  De  baptismo,  der  eine  in 
griechischer  Sprache  verfaßte,  uns  nicht  erhaltene,  über  die  Ketzer- 
taufe vorangegangen  ist'^,  könnte  man  geneigt  sein,  verhältnis- 
mäßig spät  zu  setzen  auf  Grund  folgender  Erwägung.  Nach 
Augustin  '  hat  geraume  Zeit  vor  Cyprian  in  Karthago  ein  Konzil 
über  die  Ketzertaufe  stattgefunden.  Es  liegt  nahe,  die  Zeit  diese.^ 
Konzils  mit  der  Schrift  Terts  über  die  Ketzertaufe  zu  verbinden. 
Das  Konzil  kann  aber  nicht  vor  De  ieiunio  abgefaßt  sein;  denn 
nach  dieser  Schrift  (c.  13)  kennt  TertuUian  die  Einrichtung  der 
Synoden  noch  nicht  für  Afrika,  sondern  nur  für  Griechenland;  also 
ist  De  bapt.  haer.  nicht  vor  o.  215  gesdirieben  ».    Allein  dieser  An- 

1)  Kür  Mniu't.'uux  ist  «■>  uurli  ilosliiill>  «icher,  daß  Do  bi»oct.  nach  «ItMu 
Apolüjr.  fällt,  weil  t's  nach  ihm  siohor  ist,  dalJ  Apolof».  von  Tortullian  als  Laie, 
Dr*  }*i»i.'ct.  von  ihm  als  Presbytor  verfaßt  s«.'i;  abor  jtmcs  haben  wir  obon  be- 
st ritt^'n. 

*J)  S.  Dl*  bai»t.  IT):  „Secl  d»'  isto  ^scil.  fibor  die  Kctzertanf**)  nlenius  iam 
nobis  in  <irai'co  dif^t'f<tnm  est".  Daß  Hieronynms  (nach  Do  vir.  inl.  7)  di«^ 
j^rier-liinche  Schritt  noch  fjjekannfc  hat,  ist  unsicher. 

:\)  Do  unico  bai)t.  c.  P.'til.  i:j  rJ2)  cf.  Cypr.  ep.  71. 

1)  De  ieiunio  l-}  („Aguntur  per  (iraecias  illa  c»'rtis  in  locis  concilia  ex 
univt'rsis  c('«'lcsiis,  jmt  quae  et  altiora  qua«M.iue  in  connuune  tractantur,  et  ipsü 
n'nracsentatio  totius  noniinis  Christiani  ma^na  veneratione  cclebnitur")  kann 
mir  so  verstanden  werden,  daß  die  Kinrichtun«»  vt»n  großen  Synoden  damals 
noch  tjine  spezitisch  jrriechische  und  jedenfalls  koine  afrikanische  Kinrichtunj? 
jjcwesen  ist.  Die  Stellt?  De  ]»udic.  10  widcrsjjricht  dem  nicht;  denn  wenn  hier 
vom  Hirten  d«'s  Hennas  jjjesaj^  ist,  daß  er  „ab  omni  concilio  ecclesiarum  etiani 
vi'strarum  intcr  apncryiiha   et  falsa"  veriu'tcilt  worden  s«>i,  so  ist  es  i»ehr  wohl 


Terfcullian.  269 

satz  ist  ganz  unmöglich;  denn  nach  De  bapt  ist  Tertullian  noch 
nicht  Montanist,  vielmehr  kirchlicher  Presbyter,  und  die  Schrift 
gehört  mit  De  orat  etc.  enge  zusammen.  Also  hat  Tei*tullians 
Traktat  über  die  Ketzertaufe  zeitlich  nichts  zu  tun  mit  dem  afri- 
kanischen Konzil  unter  Agiippinus.  Man  wird  vielmehr  geneigt 
sein,  den  Traktaten  über  die  Taufe  einen  frühen  Ui-sprung  zuzu- 
sprechen, da  man  sich  damals  nach  c  17  in  der  karthaginiensischen 
Gemeinde  noch  auf  die  Acta  Pauli  als  maßgebende  Instanz  berufen 
hat  Indessen  wurde  schon  oben  ausgesprochen,  daß  ein  Argument, 
sofern  es  sich  um  ein  paar  Jahre  vor  oder  nach  197  handelt,  von 
hier  doch  nicht  gewonnen  werden  kann.  Es  muß  daher  unent- 
schieden bleiben,  ob  De  bapt.  vor  oder  nach  dem  Apolog.  verfaßt 
ist  Auch  hier  kann  man  nur  den  terminus  ad  quem  (202/3) 
angeben  K 

(9)  und  (JO)  Die  Bücher  de  cultu  feniinarum. 

Die  beiden  Predigten  \  die  der  Schrift  De  orat  vorausgehen 
(da  auch  die  zweite  noch  nicht  die  Schleierfrage  wirklich  anrührt, 


möglich,  das  „ctiam  vestraruni"  «.ebenfalls  nur  auf  priecliischo  Kirchen  zu  h<'- 
ziehen.  Diese  engere  Beziehung  ist  aber  nicht  notwendig;  denn  die  „(H)nciliii" 
an  unserer  Stelle  können  auch  auf  (endemische)  Konzilien  der  einzelnen  Gemeinde 
bezogen  werden  (nicht  auf  Provinzialkonzilien).  Ganz  unwahrscheinlich  ist  ea 
natürlich,  daß  sich  in  der  Zeit  zwischen  den  Schriften  De  ieiunio  und  De  pudi- 
citia  die  Provinzialkonzilien  im  Abendland  bez.  auch  in  Nordafrika  eingebürgert 
haben. 

1)  Nöldechen  (a.  a.  0.  S.  Ulf.  Ü71f.  ir>Oif.,  vgl.  Ztschr.  f.  wissensch. 
Theol.  Bd.  31  S.  207  ff.)  hat  zu  zeigen  versucht,  daß  De  bapt.  und  Adv.  Valent. 
in  Rom  geschrieben  seien  (vielleicht  auch  die  Schrift  Adv.  Henuog.);  für  alle 
übrigen  Traktate  Tert.s  nimmt  er  karthaginiensischen  Ursprung  an.  Ich  kann 
nieht  finden,  daß  er  für  jene  Schriften  Rom  als  Ort  der  Abfassung  auch  nur 
wahrscheinlich  gemacht  hat.  Tert.  kennt  Rom  ans  eigener  Anschauung  von 
früher  her  sehr  gut;  es  ist  natürlich  nicht  unmöglich,  daß  er  auch  später  ein- 
mal oder  öfters  in  Rom  gewesen  ist,  aber  beweisen  läßt  es  sich  nicht.  Am 
scheinbarsten  ist  es  noch,  anzunehmen,  daß  er  z.  Z.  seines  Bruches  mit  der 
Kirche  in  Rom  geweilt  hat;  allein  die  Mitteilung  des  Hieronymus  (De  vir. 
inl.  53):  „invidia  postea  et  contunieliis  dericorum  Ronianae  ecclesiac  Jid  Montan i 
dogma  delapsus",  braucht  nicht  notwendig  so  gedeutet  zu  werden. 

"2)  Die  erstf'  ist  hOclist  wahrscheinlich  an  eben  getaufte  Frauen  gerichtet 
(s.  c.  l);  sie  entbehrt  übrigens  eines  rechten  Schlusses.  Die  zweite  wendet  sich 
eb(?nfalls  speziell  an  die  Frauen;  ob  an  jüngst  getaufte,  st-cht  dahin.  Hauck 
erklärt  den  abgebrochenen  Schluß  der  1.  Predigt  daraus,  daß  sie  anders  geraten 
sei,  als  sie  nach  Tert.s  G(»dauken  werden  sollte  (nämlich  subjektiver,  unfreund- 
licher und  herber),  und  daß  er  deshalb  eine  neue  Bearbeitung  des  Gegenstandes 
begonnen  habe  (S.  31).  Mir  ist  das  nicht  wahrscheinlich;  denn  in  diesem  Falle 
hätte  er  die  Ansprache  doch  wohl  gänzlich  unterdrückt.  Ich  nehme  an,  daß 
Tert.  aus  seiner  Lehrj)raxis   heraus   zweimal  (Gelegenheit   genommen   hat,    das 


270  ^^^  Litterutur  des  Abendlandes. 

die  doch  in  De  orat.  schon  behandelt  wird),  aber  dem  Traktat  De 
spect.  nachfolgen,  verhalten  sich  nicht  wie  zwei  sich  ergänzende 
Ausführungen  über  ein  und  dasselbe  Thema,  sondern  wie  zwei  selb- 
ständige Darstellungen  desselben  Themas,  von  denen  die  zweite 
auf  die  erste  keine  Rücksicht  nimmt  Also  muß  ein  gewisser  Zeit- 
raum zwischen  beiden  Predigten  liegen.  Die  erste  zeigt,  wie  De 
bapt.,  eine  kanonsgeschichtliche  Singularität,  für  die  man  geneigt 
sein  wird,  eine  möglichst  frühe  Zeit  anzusetzen.  Wie  dort  die  Acta 
Pauli  als  Autorität  in  Karthago  angerufen  werden,  so  hier  —  nnd 
zwar  von  Tertullian  selbst  —  die  Apokalypse  des  Henoch  (I,  3); 
ja  Tertullian  tritt  sogar  denen  entgegen,  welche  das  Buch  Henoch 
verwerfen,  während  er  die  Autorität  der  Acta  Pauli  nicht  gelten 
lassen  wollte. 

Daß  De  cultu  mit  De  bapt.  De  paenit  und  De  orat,  was  die 
Aufgabe  und  seelsorgerische  Haltung  betrifiOb,  enge  zusammenge- 
hört, wurde  bereits  bemerkt,  ebenso  daß  beide  Bücher  nach  De 
spect  geschrieben  sind.  Das  betreffende  Kapitel  in  De  cultu  1 
(c.  8),  wo  dieses  gesagt  ist,  lehrt  uns  aber  noch  etwas  mehr.  Die 
Worte  lauten:  ,.Nam  et  omnes  istae  profanae  spectaculorum  saecu- 
larium  voluptates,  sicut  de  illis  suum  volumen  edidimns,  ipsa  etiam 
idololatria  ex  rebus  dei  constat"  Aus  diesen  Worten  folgt,  daß 
die  Schrift  De  idolol.  noch  nicht  verfaßt  war  —  denn  sonst  hätte 
Tert  auf  diesen  wichtigeren  Traktat  ebenso  verweisen  müssen  wie 
auf  die  Schrift  De  spect^  — ,  daß  er  sie  aber,  wie  sie  ja  auch  enge 
mit  De  spect  zusanuiiengehört,  bereits  im  Sinne  hatte.  Also  faUt 
De  cultu  I  zwischen  De  spect  und  De  idolol.*  Da  sie  aber  ander- 
seits mit  De  bapt,  De  paenit,  De  orat.  nahe  verwandt  ist,  so  folgt, 
daß  diese  Gruppe  und  die  Gruppe  De  spect  und  De  idolol.  in 
einen  Zeitraum  gehören.  Die  Beobachtung,  daß  in  jener  Gruppe 
von  Verfolgungen  keine  Eede  ist,  in  dieser  solche  erwähnt  werden, 
kann  nicht  als  Gegenargument  geltend  gemacht  werden;  denn  auch 
De  spect  (s.  o.)  ist  in  einer  relativen  Friedenszeit  verfaßt  Rück- 
blick auf  Verfolgungen  und  Hinweis  auf  den  sich  in  der  Arena 
und  bei  den  Schauspielen  kundgebenden  Fanatismus  des  Pöbels 
gegen  die  Christen  sind  keine  Beweise  einer  eben  stÄttfindenden 
Verfolgung.    Dasselbe    gilt  von  De   cultu  II,  13.    Wenn   es  hier 

wichtige  Thema  zu  behaudolii.  Das  zweite;  Mal  hat  or  viel  freundlicher  «?»•- 
rodet,  und  es  ist  dalier  vielleicht  zu  vermut-en,  daß  man  ihm  Vorwürfe  der 
ersten  Rede  wej?eu  geuiai:ht  hat.  Den  schlechti'n  Scliluß  dieser  weiß  ich  freilich 
nicht  zu  erklären. 

1)  Sd  richtig  Haurk,  S.  VAK  der  auch  mit  Recht  auf  die  Ahidichkcit  der 
Ausfiihnmg  in  De  sjiect.  und  De  cultu  I  aufmerksam  macht,  vgl.  Bonwet.^ch 
S.   :\{\. 


TertuUian.  271 

heißt:  „Ceterum  tempora  Christianis  semper,  et  nunc  vel  maxime, 
nou  auro  sed  ferro  transigantnr,  stolae  martyriorum  praeparantur, 
angeli  baiuli  sustinentur^,  so  ist  damit  eine  Befürchtung  bez.  eine 
Prophezeiung  ausgesprochen,  welche  die  Zeichen  der  Zeit  nahe 
legten.  Auch  wii-d  das  Thema  sofort  wieder  verlassen.  Gehört 
also  auch  De  cultu  II  in  eine  relative  Fnedenszeit  und  fällt  dieser 
Traktat  vor  De  orat  (man  vgl  De  cultu  II,  7  mit  De  orat.  20.  22), 
so  steht  die  Reihenfolge  De  spect,  De  cultu  I,  De  cultu  II,  De  orat. 
(De  idolol.  jedenfalls  nach  De  cultu  I)  fest  Aber  es  läßt  sich  nicht 
entscheiden,  ob  auch  De  bapt  nach  oder  vor  oder  in  diese  Gruppe 
fällt,  und  es  bleibt  noch  immer  unsicher,  ob  alle  diese  Schriften, 
zusammen  mit  den  gleich  zu  nennenden  Traktaten  De  paenit.  und 
De  patient  vor  oder  nach  dem  J.  197  zu  setzen  sind.  Indessen  die 
Tatsache,  daß  in  Adv.  mart.  die  Verfolgung  in  Karthago  etwas 
ganz  Neues  zu  sein  scheint,  während  in  unserer  Gruppe  von 
Schriften  Verfolgungen  erlebt  erscheinen,  macht  es  doch  über- 
wiegend wahrscheinlich,  daß  diese  ganze  Gruppe  der  Zeit  198 — 202/3 
angehört 

(11)  De  oratione. 

Wie  nahe  diese  Schrift  nach  Anlage,  Ausführung,  Interessen- 
kreis und  Stil  mit  De  bapt  zusammengehört,  wird  jeder  aufmerk- 
same Leser  empfinden*.  Dazu:  wie  jene  Schrift  das  Acta  Pauli- 
Zitat  hat,  dessen  Autorität  Tert  freilich  verwirft,  so  bringt  De 
orat  I6eine  Ausführung  auf  Grund  des  „Hirten",  und  zwar  wird  diese 
Schrift  von  Tei-t.  selbst  noch  anerkannt  In  seinen  späteren  Werken 
findet  sich  keine  Berufung  auf  den  „Hirten"  mehr  oder  höchstens 
noch  eine 2,  dagegen  findet  sich  ein  scharfes  Verwerfungsurteil  in 
De  pudic 

vl2)  De  paenitentia. 

Auch  hier  spricht  der  vormontanistische  Seelsorger  und  Lehrer 
—  der  vormontanistische  Standpunkt  ist  so  ausgeprägt,  daß  Tert. 
die  Schrift  später  (in  De  pudic.)  desavouieren  mußte.  Feine  und 
doch  deutliche  Verbindungslinien  mit  De  bapt.  und  De   orat  sind 


1)  Das  wäre  freilich  anders,  wenn  iius  De  orat.  20  'zu  folgern  wäre,  Tert. 
sei  damals  Laie  gewesen  (so  Nöldechen  S.  ['2 f.).  Allein  das  „nullius  loci"  in 
dem  Satze:  „De  habitu  vero  dumtoxat  feniinanim  varietas  observationis  efficit 
post  sanctissimum  apostolum  nos  vel  maxime  nullius  loci  homines  impudent-er 
retractare",  bedeut<it  nicht  eine  Person  ohne  kirchliches  Amt,  sondern  ohne 
geistlichen  Rang.  —  Daß  Neander  De  orat.  zu  den  letzten  Schriften  Tert.s 
n-chnen  konnte,  ist  schwer  begreiflich. 

*2)  Vgl.  das  unten  über  die  verlorene  Schrift  De   c«?n!fu  aniniae  Bemerkte 


272  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

unverkennbar.  Welche  der  drei  Schriften  die  älteste,  welche  die 
jüngste  ist,  hat  man  ohne  Erfolg  zu  ermitteln  versuchte  In  allen 
drei  Schriften  fehlen  Beziehungen  auf  Verfolgungen;  da  aber  De 
oratione  nach  De  cultu,  also  auch  nach  De  spect  fällt,  so  ist  daraus 
nichts  zu  schließen,  und  es  bleibt  in  Kraft,  was  wir  über  die  höhere 
Wahrscheinlichkeit  (nicht  Gewißheit),  daß  alle  diese  Schriften 
zwischen  198  und  202/3  fallen,  bemerkt  haben  2. 

(13)  De  patientia. 

Unverkennbar  laufen  einige  Fäden  von  dieser  Schrift  zu  De 
paenit.^  und  zwar  scheinen  sie  rückwärts  zu  laufen  (s.  De  pat.  12); 
doch  läßt  sich  Sicheres  nicht  erkennen.    In  der  Frage  der  Flucht 


1)  Daß  De  orat.  nach  De  paenit.  verfaßt  ist  (s.  De  orat.  7),  hat  eine  gtv 
wisöc  Wahrscheinlichkeit. 

2)  Nach  Kellner  („Katholik"  187911  ?.  aClff.)  und  Nöldechen  (S.  öOfiP.}, 
dem  Jülicher  (Theol.  Litt.-Ztijj.  1889  Kol.  334)  und  Rolffs  (Texte  u.  Unters. 
XII,  4  S.  86)  beizustimmen  geneigt  sind,  soll  De  paenit.  sicher  in  den  Anfang 
des  J.  204  fallen.  Damit  wäre  eine  ganz  neue  Chronologie  geschaffen.  Allein 
von  den  speziellen  drei  Argumenten,  die  Nöldechen  anführt,  ist  das  dritte  im 
besten  Fall  ein  bloßes  Monatsdatum  (c.  11  fin.:  die  Bemühungen  der  Bewerber 
um  ein  Staatsamt),  obschon  nicht  abzusehen  ist,  warum  Tertullian  es  nicht  in 
jedem  belieV)igen  Moment  anführen  durfte.  Der  Hinweis  auf  die  feuerspeienden 
Borge  (c.  12)  versteht  sich  allerdings  um  einen  (irad  leichter,  wenn  eben  ein 
Auöbnich  in  der  Nähe  erfolgt  war;  aber  Tert.  nennt  keinen  einzelnen  Bertr. 
Somit  ist  es  willkürlich,  uns  vorzuschreiben,  wir  müßten  an  den  Vesnv-Aus- 
briich  vom  J.  20:»  denken,  von  dem  Dio  LXXVI,  2  berichtet.  Die  Behau]>tung 
vollends,  De  i>aenit.  1  (Reue  der  Heiden  über  gute  Taten)  sei  die  Antwort  Tert.s 
auf  die  Rede  des  Kaisers  Severus  im  Senat  betreffs  des  Mordes  an  Plautian,  ist 
ungeheuerlich.  Auch  die  anderen  Argumente  erledigen  sich  leicht;  zwischen 
De  paenit.  und  De  bapt.  soll  ein  mehrjähriger  Zwischenraum  liegen,  weil  es 
dort  heißt  (c.  0):  „lavacrum  obsignatio  est  tidei  .  .  .  non  ideo  abluimur  ut  delin- 
<|iu're  desiuamus,  sed  quia  desiimus,  quoniam  iam  corde  loti  sumus",  hier  da- 
g»'gen  (c.  0):  „non  quod  in  aquis  spiritum  sanctum  consequamur,  sed  in  aqua 
<Miiondati  sub  angolo  spiritui  sancto  praeparanmr".  Als  ob  nicht  damals  (wi»» 
luMito)  ein  katholischer  Prediger  an  zwei  aufeinander  folgenden  Sonntagen  sn 
verschieden  sprechen  konnte!  Nöldechen  hat  sich  nicht  erinnert,  daß  schon  um 
d.  .1.  2(.)()  dio  kirchliche  Lehre  an  vielen  Punkten  eine  complexio  oppositorum 
gewesen  ist.  vor  allem  bei  Tertullian.  Allen  diesen  Nichtigkeiten  gegenüb.  r 
bleibt  bostrhoii,  daß  der,  welcher  so  von  der  zweit^Mi  Buße  gesprochen  hat,  wif 
Tertullian  in  unserer  Schrift,  d<Mn  Montanismus  noch  fernstand.  Daß  er  «r«- 
wisse  Schmerzen  bei  ihr  empfindet,  ist  gut  katholisch. 

:])  Diese  Fäden  sind  längst  aufgewiesen.  Was  NiUdechen  (S.  02ff.)  an 
Zeitspuren  aufgedeckt  zu  haben  glaubt  (für  das  Jahr  204),  ist  womöglich  noeli 
haltloser  als  das  bei  De  paenit.  Bemerkte.  Nach  Kellner  (Kirchenlexikon - 
S.  MiY.l)  int  De  ]»at.  dio  ältere  Schrift  gegenüber  De  paenit.  wegen  der  Art,  wir 
dio  Verfolginigen  erwähnt  werden.     Das  ist  ein  ganz  unsicheres  Argument. 


Tertullion.  273 

(c-  13)  ist  Tert.  uoch  nicht  schroflF,  und  auch  über  die  Buße  scheint 
er  so  zu  denken  wie  in  De  paenit 

(14)  De  idololatria. 

Ein  allgemeines  Einverständnis  war  bisher  darttber  erzielt, 
daß  De  spect  und  De  idoloL  enger  zusammengehören,  und  die  Kri- 
tiker haben  treffliche  Argumente  fttr  diese  Einheit  —  die  Schriften 
brauchen  sich  natürlich  nicht  auf  dem  Fuße  gefolgt  zu  sein,  s.  o. 
S.  269  f.  —  beigebracht  Allerdings  macht  De  idolol.  einen  gewal- 
tigeren, herberen  und  schrofferen  Eindi*uck,  aber  das  liegt  an  dem 
Umfang  des  Themas  und  der  Großheit  seiner  Behandlung.  In  allen 
Situationsspuren  stimmen  die  beiden  Schriften  zusammen.  Jüngst 
nun  hat  Monceaux  die  beiden  Schriften  doch  auseinanderreißen 
wollen.  Aber  seine  Gründe  (AbhandL  p.  89  n.  5,  Hist  litt  I, 
p.  206)  sind  nicht  stichhaltig.  Er  behauptet,  in  c.  19  sei  De  Corona 
vorausgesetzt,  und  fährt  fort  (AbhandL):  „Le  trait6,  tout  montaniste 
d'inspiration,  est  tr^s  postärieure  au  De  spect,  qu'il  mentionne 
(c.  13);  il  est  contemporain  de  la  „Couronne"  et  du  „Scorpiace". 
Die  Behauptung,  De  Corona  sei  in  c.  19  vorausgesetzt,  bestätigt 
sich  nicht,  und  vom  Montanismus  fehlt  in  De  idolol.  jede  Spur:^ 
Rigorismus  ist  nicht  Montanismus.  Es  bleibt  also  dabei,  daß  De 
idolol.  mit  De  spect  zusammengehört  und  bald  nach  dieser  Schrift 
verfaßt  worden  ist  (c.  13). 

(\ü)  Die  Bücher  ad  uxorem. 

Wer  diese  Bücher  aufmerksam  liest,  muß  erkennen,  daß  Ter- 
tuUian  noch  nicht  Montanist  gewesen  ist,  als  er  sie  abfaßte,  daß  er 
aber  in  dem  Punkt  der  Ehe  für  die  neue  Prophetie  besonders  vor- 
bereitet war  2.  Das  erste  Kapitel  des  ersten  Buches  zeigt,  daß  er  und 
namentlich  seine  Gattin  noch  nicht  im  Greisenalter,  sondern  im  sog. 
besten  Alter  standen  \  Mit  Grund  mußte  er  fürchten  können,  daß  seine 
Frau  sich  wieder  verehlichen  könne,  wenn  er  stürbe.  Näher  läßt 
sich  die  Schrift  nicht  datieren,   wenn  es  auch  wahrscheinlich  ist, 

1)  In  c.  IT)  hätte  Tert.,  wenn  er  bereits  Montanist  gewesen  wäre,  schwer- 
lich eine  Bemerkung  in  diesem  Sinne  unterdrückt. 

2)  Vorbereitet  kann  er  sehr  wohl  schon  seit  langem  gewesen  sein.  Es 
ist  daher  nicht  richtig,  mit  Hauck,  Bonwetsch  u.  a.  die  Schrift  deshalb 
nahe  an  die  Grenze  der  montanistischen  Periode  zu  rücken,  weil  Tertullian  die 
zweite  Ehe  so  stark  mißbilligt  und  von  der  Ehe  überhaupt  nicht  hoch  denkt. 

3)  Cf.  Hieron.  de  vir.  inl.  53:  „llic  usque  ad  mediam  aetatem  presbyter 
ecclesia«  ....  ad  Montani  dogma  delapsus".  Tertullian  mag  also  um  das  Jahr 
LMK)  zwischen  40  und  50  Jahre  gezählt  haben,  also  zwischen  150  und  100  ge- 
boren sein,  wahrscheinlich  näher  an  150. 

Harnack,  Alttliristl.  Litte raturj;csch.  II,  2.  18 


274  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

daß  Tertullian  bereits  ein  bedeutendes  Stück  seines  Tagewerks 
hinter  sich  hatte,  als  er  diese  Privatschrift,  die  er  doch  der  Öffent- 
lichkeit nicht  vorenthalten  wollte,  verfaßte. 

(16)  De  praescriptiojne  haereticorum. 

Den  Grundgedanken  dieser  dem  Apolog.  an  Bedeutung  nicht 
nachstehenden  Schrift  hatte  Tertullian  schon  im  Kopfe,  als  er  das 
Apolog.  niederschrieb  (s.  o.  S.  265)*;  „expedite",  heißt  es  dort  c.  47. 
antem  praescribimus  adulteris  nostris  illam  esse  regulam 
veritatis  quae  veniat  a  Christo  transmissa  per  comites 
ipsius,  quibus  aliquante  posteriores  diversi  isti  commen- 
tatores  probabuntur.  omnia  adversus  veritatem  de  ipsa  veri- 
tate  constructa  sunt,  operantibns  aemulationem  istam  spiritibus 
erroris.''  Montanistisches  sucht  man  in  diesem  grundlegenden  Trak- 
tate vergebens  —  es  könnte  schlechterdings  nicht  fehlen,  wenn 
Tert  die  neue  Prophetie  bereits  anerkannt  hätte  — ,  dagegen  finden 
sich  Ausführungen,  die  ein  Anhänger  der  neuen  Prophetie  schwer- 
lich gebilligt  hätte.  Von  einer  Verfolgungszeit  zeigt  sich  im  Trak- 
tat keine  Spur,  und  an  seinem  Schlüsse  erfährt  man,  daß  Tert.  bis- 
her noch  nicht  gegen  einzelne  Häresien  geschrieben  hat.  Also  ist 
die  Schrift  zwischen  198  und  202/3  abgefaßt,  wahrscheinlich  näher 
an  198.  Das  in  der  Schrift  benutzte,  der  Zeitgeschichte  ent- 
nommene Material  führt  nicht  über  die  Zeit  Mark  Aureis  und  Commo- 
dus'  hinaus'^. 

(17)  und  (18)  Die  erste  und  zweite  Ausarbeitung  des 

Werkes  Adv.  Marcionem. 

Daß  die  erste  Ausarbeitung  dem  Traktat  De  praescr.  gefolgt 
ist,  ist  oben  (S.  261  gegen  Monceaux)  gezeigt  worden.  Es  ist  aber 
sehr  wahrscheinlich,  daß  sie  jenem  Traktat  bald  nachgeschickt 
wurde;  denn  für  Tert.  steht  bereits  dort  Marcion  unter  den  Häre- 
tikern im  Vordergrund,  und  man  sieht,  daß  er  schon  eingehende 
Studien  über  ihn  und  seine  Kirche  gemacht  hat.    Die  erste  Aus- 


1)  Auch  sonst  fehlen  Beziehungen  zwischen  beiden  i*'chriften  nicht,  s. 
Hauck  S.  1G7. 

2)  Angehängt  ist  in  den  Handschriften  der  Schrift  der  Traktat  Adv.  omne> 
haereses,  als  wäre  er  die  Einlösung  des  Versprechens,  gegen  die  einzelnen 
Häresien  zu  schreiben.  Dieser  Traktat  ist  nicht  von  Tertullian  (s.  u.  b»^i 
Victorinus),  aber  so  wie  er  vorliegt,  ist  er  zurecht  gemacht,  um  die  Schrift  Do 
praescr.  fortzusetzen ;  denn  er  beginnt  mit  den  Worten:  „Quorum  haereticorum, 
ut  plura  praetereara,  pauca  perstringam".  Wie  alt  die  Hinzufiigimg  ist,  dariibcr 
s.  auch  unten.  Im  Cod.  Leidens,  geht  Adv.  haer.  der  Schrift  De  praeter,  vor- 
her, ebenso  in  vier  anderen  Handschriften. 


Tertullian.  275 

gäbe  war  kttrzer  als  die  uns  erhaltene  (s.  Adv.  Marc.  I,  1;  11,  1) 
und  „tibereilt".  Tert  zog  sie  daher  selbst  zurück  K  Wieviel  Zeit- 
raum zwischen  der  ersten  und  der  zweiten  Ausarbeitung,  mit  der 
es  dem  Verfasser  so  übel  ging  2,  verstrichen  war,  wissen  wir 
nicht  14 ur  das  ist  gewiß,  daß  die  dritte  (s.  0.  S.  257),  jedenfalls 
Buch  I— III,  im  J.  207/8  ausgearbeitet  worden  ist 

(19)— (24)  De  virginibus  velandis  (griech.  und  lat).  De  ex- 
hortatione  castitatis.    De  ecstasi    De  spe  fidelium.    De 

paradiso. 

Im  Agobard.  stehen  De  exhort  cast,  De  spe  fid..  De  paradiso, 
De  virg.  vel.  (in  dieser  Reihenfolge)  nebeneinander  (doch  steht 
zwischen  der  ersten  und  dritten  die  Schrift  de  came)^.  Dieser 
Kodex  enthält  aber  keine  Schriften  Terts,  die  heftige  Angriflfe 
gegen  die  Kirche  richten  (s.  0.).  Daß  De  spe  fid.  vor  Adv.  Marc.  III, 
De  parad.  vor  De  anima  und  Adv.  Marc.  V  geschrieben  ist,  steht 
fest  *»  Also  ist  De  spe  fid.  vor  208  verfaßt  und,  da  De  anima  nicht 
vor  208  zu  rücken  ist,  ebenfalls.  Es  bestätigt  sich  also,  was  wir  auf 
Grund  der  Annahme  dieser  Traktate  in  den  Agobard.  vermuteten  — 
De  spe  fid.  und  De  parad.  gehören  innerhalb  der  montanistischen 
Epoche  Terts  der  früheren  Zeit  an.  Fest  steht  ferner,  daß  De 
virg.  vel.  und  De  exhort  cast  zwischen  De  orat  und  Ad  uxor. 
einerseits  und  De  monog.  und  De  pudic.  anderseits  fallen,  und 
daß  diese  Traktate  in  einer  Zeit  geschrieben  sind,  in  der  Tert 
noch  hoflfen  durfte,  die  neue  Prophetie  in  der  Kirche  zur  An- 
erkennung zu  bringen,  bez.  die  pax  innerhalb  der  Kirche  aufrecht 
zu  erhaltend    Sehr  probabel  ist  es  endlich,  daß  das  große  Werk 


1)  J,  1 :  „Primum  opuscnlum  quasi  ])roperatum  plenioro  post<3a  compositione 
rcHcideram." 

2)  L.  c:  „(Alteram  cditionem)  nondum  exemplariis  suffectam  fraude  fcuuc 
fratriö,  dehinc  apostatae,  aisisi,  qui  forte  descripserat  quaedam  mendosisBime  et 
exhibuit  frequentiae.  einendationis  neceBsitas  facta  est;  innovationis  eius  occasio 
{(liquid  adicere  ])ersua.sit".  Der  Bruder  hatte  also  das  Original,  als  es  noch 
nicht  vei'viel faltigt  war,  an  sich  genommen,  es  fehlerhaft  exzerpiert,  dieses 
Exzeri>t  publiziert  und  das  Original  vernichtet  oder  verloren.  Diese  zweit<?  Be- 
arbeitung war  länger  als  die  erst<?,  aber  kürzer  als  die  dritte. 

3)  In  dem  vom  Schreiber  selbst  vorangestellten  Index  ist  sie  durch  Irrtum 
verstellt  (nach  De  carne  et  anima). 

4)  Beide  Schriften  fehlen  jetzt,  Hieronymus  las  De  spe  fid.  (s.  in  Ezech.  XE 
zu  c.  3(),  1  und  sonst) ;  vielleicht  benutzt«  sie  auch  Commodian  (s.  Sitzungsber. 
d.  K.  Preuß.  Akad.  d.  Wissensch.  1895,  I  S.  548). 

5)  Daß  es  eine  solche  Zeit  in  Nordafrika  tatsächlich  gegeben  hat  und  daß 
sie  von  202  3  an  zu  rechnen   ist,   beweisen   die  Akten   der  Perpetua.    Das  hat 

18* 


276  ^^  Litteratar  des  Abendlandes. 

De  ecstasi  Terts  montanistisdies  Hauptwerk  gewesen  ist,  in  welchem 
er  die  montanistische  Prophetie  nnd  seine  Anerkennung  derselben 
ansffihrlich  gerechtfertigt  nnd  den  ihm  noch  nicht  hoffnongslos 
scheinenden  Versuch  gemacht  hat,  den  Montanismos  in  der  Kirche 
durchzusetzen.  Also  fallt  es  höchst  wahrscheinlich  ebeuCalls  in  die 
Zeit  zwischen  203  nnd  207;8.  Wie  es  z.  Z.  der  Perpetua  nur  eine 
Gemeinde  in  Karthago  g^eben  hat  und  Montanisten  nnd  Katho- 
liken noch  nicht  getrennt  waren,  so  scheinen  auch  unsere  fünf 
Schriften  eine  solche  Lage  der  Dinge  vorauszusetzen.  Im  einzelnen 
sind  hier  noch  folgende  bestätigende  Erwägungen  anzustellen: 

(i)  Daß  Tertullian.  als  er  sich  zur  Anerkennung  der  neuen 
Prophetie  entschlossen  hatte,  diesen  Schritt  in  einer  ausführlichen 
Schrift  gerechtfertigt  und  zugleich  die  Kezeption  des  Parakleten 
seiner  Kirche  energisch  empfohlen  hat,  ist  a  priori  und  besonders 
in  Ansehung  des  schriftstellerischen  Charakters  Terts  wahrschein- 
lich. Er  sagt  aber  auch  selbst  Adv.  Prai.  1,  rückblickend:  «Et 
nos  quidem  postea  agnitio  paracleti  atque  defenslo  disiunxit  a 
psychids''.  Keine  der  uns  erhaltenen  Schriften  hat  die  ^defensio 
paracleti''  zu  ihrem  Inhalt  (auch  nicht  der  Traktat  De  virg.  veU; 
dagegen  muß  das  Werk  De  ecstasi  eine  solche  ^defensio""  gewesen 
sein  (s.  Rolffs  i.  d.  Texten  u.  Unters.  XII,  4,  S.  73£).  Es  ist  also 
wahrscheinlich,  daß  eben  dieses  Werk  zwischen  der  Anerkennung 
des  Parakleten  und  dem  Bruch  mit  der  Kirche  gestanden  hat  Diese 
\'erniutUDg  bestätigt  sich  durch  das,  was  uns  über  den  Inhalt  des 
Werkes  bekannt  ist.  Folgendes  hören  wir  über  dasselbe.  Hierouy- 
mus  (De  vir.  inl  53)  schreibt:  „Specialiter  [Tertullianus]  adversum 
ecclesiam  texuit  volumina  De  pudic,  De  persec,  De  ieiun..  De  monog.. 
De  ecstasi  libros  sex  et  septimum,  quem  Adversus  ApoUonium  con- 
posuit".  L.  c.  c.  24:  „Huius  [Melitonis]  elegans  et  declamatoriuni 
ingenium  Tertullianus  in  VII  libris  quos  scripsit  adversus  ecclesiam 
pro  Montano  cavillatur  dicens  eum  a  plerisque  nostrorum  prophetani 
putari**.  L.  c.  c.  40:  „Tertullianus  sex  voluminibus  adversum  eccle- 
siam editis,  quae  sripsit  De  ixarao&i^  septimum  proprie  Adversum 
ApoUonium  elaboravit,  in  quo  omnia  quae  ille  arguit,  conatur  defen- 
dere*'.  Dazu  Praedest.  26:  „Scripsit  contra  eos  librum  S.  Soter 
papa  Urbis  et  Apollonius  Ephesiorum  antistes.  contra  quos  scripsit 
Tertullianus  presbyter  Carthaginiensis.  qui  cum  omnia  bene  et  prime 
et  incomparabiliter  scripserit,  in  hoc  solo  se  reprehensibilem  fecit, 
(luod  Montanum  defendit^  agens  contra  Soterem  supradictum  Urbis 
papam,  adserens  falsa  esse  de  sanguine  infantis,  trinitatem  in  uni- 


}W)nwet8ch   (S.  75tf.)   treiFlich    nach^owieson.     Daß   sie   aber   nur   bis    zum 
.lahre  204  gereicht  hat,  ist  fra^licli. 


Tertullian.  277 

täte  deitatis,  paenitentiani  lapsis,  mysterüs  iisdeni  uiiuni  pascha 
nobiscum.  ^hoc  solum  discrepamus',  inquit,  ^quod  secundas 
nuptias  non  recipimus,  et  prophetiam  Montani  de  futuro 
iudicio  non  recusamus*",  cf.  c.  86:  „TertuUianum  autem  catho- 
lica  hinc  reprehendit  auctoritas,  quod  animam  ex  anima  nasci  dicit 
et  defendit  Montanum  et  Priscam  et  MaxinüUam  contra  fidem  catho- 
licam  et  contra  ApoUonium  episcopum  orientis  et  contra  Soterem 
papam  urbis  Eomae".  Aus  diesen  Angaben  ergibt  sich  nichts 
Direktes  über  die  Zeit  der  Abfassung  des  Werkes  De  ecstasi;  denn 
die  Reihenfolge  der  tertullianischen  Bücher  bei  Hieron.,  De  vir. 
inl.  53  ist  keine  chronologische;  aber  folgendes  ist  von  Wichtigkeit: 
(I)  Das  Werk  war  höchst  wahrscheinlich  griechisch  geschrieben 
(so  auch  Pamelius  und  Zahn);  denn  sonst  hätte  Hieron.  nicht  den 
Titel  griechisch  angeführt,  die  Auseinandersetzung  mit  den  griechi- 
schen Bestreitern  des  kleinasiatischen  Montanismus  legte  die  An- 
wendung der  griechischen  Sprache  nahe,  und  die  Tatsache,  daß  ein 
Grieche  dem  Tertullian  ein  Echo  gegeben  hat  (s.  die  Quelle  von 
Epiphan.  haer.  48,  1—13),  bestätigt  sie;  —  ist  es  aber  wahrschein- 
lich, daß  Tertullian  eine  seiner  letzten  Schriften  griechisch  ge- 
schrieben hat?  — ,  (2)  es  umfaßte  ursprünglich  6  Bücher,  und  diese 
enthielten  eine  umfangreiche  Verteidigung  des  Montanus  (s.  das 
^defendit"  bei  Praedest.  und  den  Ausdruck  „defensio"  in  Adv. 
Prax.  1)  in  der  Form  der  Rechtfertigung  der  Ekstase  (s.  den  Titel 
„De  ecstasi"  und  den  Ausdruck  „aguitio  paracleti"  in  Adv.  Prax.  1), 
also  das,  was  man  in  einer  Schrift,  die  grundlegend  sein  sollte, 
erwartet.  Außerdem  setzte  sich  Tertullian  in  ihr  mit  den  litte- 
rarischen Gegnern  der  neuen  Bewegung  auseinander  und  fügte  noch 
ein  7.  Buch  hinzu,  als  ihm  die  Gegenschrift  des  Asiaten  Apollonius 
gegen  Montanus  (dieser  schrieb  im  J.  1 97,  s.  Chronologie  I,  S.  724) 
bekannt  geworden  war.  Eine  solche  prinzipielle  und  historische 
Auseinandersetzung,  die  zugleich  eine  Rechtfertigung  sein  sollte, 
gehört  an  den  Anfang  der  montanistischen  Periode  Tertullians  und 
nicht  an  den  Schluß,  (3)  die  Inhaltsgabe  des  Werkes  bei  Prae- 
destinatus  zeigt,  daß  Tert.  in  dem  Werk  lediglich  die  neue  Pro- 
phetie  verteidigt  und  die  zweite  Ehe  verworfen,  weitergehende 
Konsequenzen  (namentlich  in  bezug  auf  die  Buße)  aber  noch  nicht 
gezogen  hat.  Auch  dies  spricht  dafür,  daß  das  Werk  zwischen 
203  und  207/8  anzusetzen  ist.  Wendet  man  dagegen  ein,  Tertullian 
hätte  dieses  grundlegende  Werk  in  seinen  späteren  Schriften  öfters 
zitieren  müssen,  wenn  es  aus  einer  früheren  Zeit  stammte,  so  ist 
zu  sagen,  daß  er  Adv.  Prax.  1,  aber  auch  wahrscheinlich  Adv. 
Marc.  IV,  22  („Ratione  qua  defendimus  in  causa  novae  prophe- 
tiae  gratiae  ecstasin  i.  e.  amentiam  convenire")  auf  das  Buch  zu- 


278  Die  Lifcteratur  des  Abendlandes. 

rückblickt  (sonst  vgl.  noch  zur  Ekstase  Adv.  Marc.  I,  21;  V,  8;  De 
aiiima  9.  11.  2^1.  45;  Adv.  Prax.  15).  Daß  dies  nicht  häufiger  ge- 
schehen ist,  ^kann  eben  darin  seinen  Grand  haben-,  daß  dasselbe 
relativ  friedfertiger  war,  d.  h.  noch  nicht  alle  Konsequenzen  des 
Montanismus  gezogen  hatte  und  Katholiken  und  Anhänger  der 
neuen  Prophetie  zusammenhalten  wollte.  —  Der  Verlust  keines 
anderen  Werkes  Terts  ist  für  uns  so  bitter  wie  der  dieser  sieben 
Bücher.  Besäßen  wir  sie  noch,  so  würden  wir  u.  a.  das  Aufkommen 
des  Montanismus  in  Nordafrika,  seine  hoflFnungsreiche  Verbreitung 
und  seinen  Stui*z  (nachdem  Praxeas  gegen  ihn  agitiert  hatte)  er- 
kennen können.  Wir  würden  ferner  die  Beziehungen  der  nord- 
afrikanischen Kirche  zu  Kleinasien  und  zu  Rom  ^  im  montanistischen 
Streit  zu  überschauen  imstande  sein^. 

(2)  Der  Traktat  De  virg.  vel.  beginnt  mit  den  charakteristischen 
Worten:  „Proprium  iam  negotium  passus  meae  opinionis  Latine 
quoque  ostendam  virgines  nostras  velari  oportere."  Er  hatte  also 
bereits  in  griechischer  Sprache  eine  Schrift  über  diesen  Gegen- 
stand ausgehen  lassen,  aber  sein  „ihm  eigentümliches  Geschick "^ 
erfahren:  er  hatte  seine  Meinung  nicht  durchsetzen  können.  Er 
versuchte  es  nun  noch  einmal  lateinisch.  Noch  setzt  er  die  Ein- 
heit der  Gemeinde  voraus.  Gleich  in  dem  ersten  Kapitel,  in 
welchem  er  für  die  „Wahrheit"  gegen  das  „Herkommen"  eintritt, 
verweist  er  auf  den  Parakleten.  Er  tut  zunächst  so,  als  sei 
die  Sendung  des  Parakleten  allgemein  in  der  Gemeinde 
anerkannt  und  sie  bedürfe  nur  darüber  eine  Aufklärung,  welche 
Absichten  und  Zwecke  derselbe  verfolge.  So  konnte  man  in  der 
Zeitnähe  der  Acta  Perpetuae  in  Karthago  sprechen,  später  nicht 
mehr.  Gleich  darauf  freilich  (c.  1  fln.)  läßt  er  darüber  keinen 
Zweifel,  daß  nur  ein  Teil  der  Gemeinde  den  Parakleten  wirklich 
anerkennt,  und  daß  die,  welche  sich  für  das  schlechte  Herkommen 
auf  die  „Antecessores"  zu  berufen  pflegen  —  also  die  Bischöfe*^  — . 

1)  Die  dunkle  Angabe  des  Hieronymus  (De  vir.  inl.  öS):  „Invidia  postoii 
et  contumeliiö  clericorum  Komanae  ecclesiae  ad  Montani  dogma  delapsus*', 
würde  uns  wobl  auch  verständlich  werden.  Ich  vermute,  daß  sie  eben  aus 
unserem  Werke  stammt,  welches  ja  Hieron.  nachweisbar  f]jelesen  hat. 

2)  Da  Voigt  es  überaus  wahrscheinlich  gemacht  hat  („Eine  verschollene 
T'rkunde  nsw."  S.  Hoff.  lOSff.),  daß  die  Quelle  von  Epiphan.  48  [Hippolyt]  auf 
Tertulliiiiis  Werk  De  ecstasi  antwortet,  Rolffs  aber  (Texte  u.  Unters.  XH,  4) 
]»robable  (uiinde  dafür  beigebracht,  daß  sich  Tertullian  in  De  ieiunio  gegen 
jene  Quelle  [Hipi^olyt]  richtet,  so  erhält  man  die  Reihenfolge:  De  ec^tasi, 
.Hii»pol.l  c.  Montan.,  De  ieunio. 

3)  (iemeint  sind  d<'r  karthaginiensische  und  der  römische.  Daß  man  auch 
an  diesen  zu  denken  hat,  zeigt  c.  2.  Daß  De  virg.  vel.  und  De  ecstasi  sich 
zeitlich  nahe  stehen,  ninnnt  auch  Kolffs  an.     Der  Hinblick  auf  den  römischen 


TertuUian.  279 

ihn  verwarfen.  Aber  das  kann  den  Eindruck  nicht  verwischen, 
daß  die  Gemeinde  noch  immer  eine  einheitliche  ist  C  2  lehi*t,  daß 
Tert  die  Möglichkeit  einer  „divisio  corporis  "^  lediglich  als  schreck- 
liche Konsequenz  vorhält  K  Also  gehört  die  Schrift  wirklich  in  die 
JJ.  203—207/8,  bez.,  da  der  severianischen  Verfolgung  gar  nicht 
mehr  gedacht  wird,  in  die  JJ.  204—207/81 

(3)  Nicht  anders  steht  es  mit  der  Schrift  De  exhort  cast,  die 
an  einen  Einzelnen  gerichtet  ist,  aber  doch  der  ganzen  Gemeinde 
gilt  Tert  spricht  hier  als  Katholik,  aber  als  ein  Katholik,  der 
die  Offenbarungen  der  „heiligen  Prophetin  Prisca"  anerkennte  Ab- 
gesehen von  dieser  einen  Stelle  findet  sich  nichts  in  der  Schrift, 
was  da  zeigt,  daß  er  Montanist  war;  denn  die  Anweisung,  nicht 
wieder  zu  heiraten,  begründet  er  zwar  schärfer  und  prinzipieller 
als  in  Ad  uxor.  I,  aber  es  fehlen  die  beleidigenden  und  maßlosen 
Invektiven,  die  wir  in  De  monog.  finden.  Die  Ausführungen  am 
Schluß  der  Schrift  De  exhort  über  das  Paradies  unterstützen  in 
willkommener  Weise  die  Hypothese,  daß  die  Schrift  De  paradiso 
um  dieselbe  Zeit  verfaßt  ist. 

;25)  und  (26)  De  Corona  und  De  fuga  in  persecutione. 

Der  Bruch  mit  der  Kirche  erfolgte  wahrscheinlich  nicht  um 
der  Verschleierungsfrage  willen  (so  Hesseiberg  und  ü  hl  hörn), 
sondern  weil  die  afrikanische  Kirche  nach  einiger  Zeit,  von  Rom 
aufgestachelt,  Anhänger  des  Parakleten  in  ihrer  Mitte  nicht  mehr 
duldete  (und  weil  sie  die  Verweigerung  der  zweiten  Ehe  für  un- 
statthaft erklärte).  Es  fragt  sich  nun,  ob  De  Corona  und  De  fuga 
vor  oder  nach  dem  Bruch  geschrieben  sind.  Daß  sie  enge  zu- 
sammengehören, unterliegt  keinem  Zweifel;  denn  die  eine  kündigt 
die  andere  an  (De  cor.  1),  und  diese  blickt  auf  jene  zurück  (De  fuga  7). 
Geschrieben  sind  sie  nach  einer  langen  Friedenszeit  (De  Corona  1: 
..Musitant  denique  tarn  bonam  et  longam  sibi  pacem  periciitari")  ^. 
Damit  ist  die  Frage  eigentlich  schon  entschieden;  denn  eine  lange 
Friedenszeit  waren  nur  die  Zeiträume  197/8—202/3  und  203/4— 211/12. 


l'i.schof  in  De  \ny.  vel.  Ktollfc  eine  Klammer  dar  zwiachen  dieser  Schrift,  De 
♦'ostasi  nnd  der  Notiz  bei  Ilieron.,  an  die  in  der  vorvorigen  Note  erinnert 
worden  ist. 

1)  Das  „nobis"  in  dem  Satze  (j.  17:  „Nobis  dominus  etiam  rcvelationibus 
v«'laminis  ßpatia  metatus  est",  bezieht  sich  nicht  auf  Montanisten  im  Gegensatz 
zu  Katlioliken,  sondern  auf  Christen  im  Gegensatz  zu  Juden. 

2)  Gegen  Monceaux,  der  die  Schrift  zwischen  208  und  211  setzt. 
:i)  S.  c.  10. 

4)  Daß  Verfolgungen  wieder  drohten,  kann  man  aus  De  fuga  nicht  mit 
\«»ller  Sicherheit  schließen,  aber  es  ist  doch  wahrscheinlich. 


280  ^e  Litteratur  des  Abendlandes. 

Jener  Zeitraum  ist  aber  ausgeschlossen;  denn  beide  Schriften  sind 
montanistisch;  also  sind  sie  um  211  geschrieben.  Damals  aber  war 
der  volle  Bruch  mit  der  Kirche  schon  eingetreten.  Das  läßt  sich 
allerdings  nicht  aus  De  Corona  1  folgern;  denn  diese  einzige  Stelle, 
an  welcher  in  De  corona  auf  die  neue  Prophetie  hingewiesen  wird, 
könnte  auch  so  verstanden  werden,  als  gehöre  Tert.  noch  zur 
Kirche,  bez.  ist  in  dieser  Frage  neutral  („Plane  superest,  ut  etiani 
martyria  recusare  meditentur  qui  prophetias  eiusdem  spiritus  sancti 
respuerunt").  Allein  an  ein  definitives  Schisma  zwischen  Monta- 
nisten und  Katholiken  hat  Tert  niemals  gedacht  (das  beweisen 
schon  die  antihäretischen  Schriften,  die  er  als  Montanist  ge- 
schrieben hat);  er  fühlte  sich  daher  auch  für  die  katholische  Kirche 
noch  immer  verantwortlich.  Dazu  kommt,  daß  zwei  Stellen  in  De 
fuga  (c.  1  und  14)  keinen  Zweifel  übrig  lassen.  An  diesen  Stellen 
spricht  Tert  nicht  nur  von  «vos"  (im  Gegensatz  zu  seiner  eigenen 
Partei)^  und  lehi-t,  daß  es  in  Karthago  zwei  getrennte  und  ge- 
sondert verhandelnde  Parteien  gab,  sondern  er  nennt  auch  in  be- 
leidigender Wendung  die  Menge  der  gi-oßkirchlichen  Leute  ,.tur- 
bae"  („Melius  est,  turbas  tuas  aliquando  non  videas")  und  kritisiert 
ihre  Vorsteher  aufs  bitterste.  Also  war  das  Tischtuch  zwischen 
den  Montanisten  (Tertullian)  und  der  großen  Kirche  zerschnitten. 
Somit  sind  unsere  beiden  Schriften  in  der  Tat  um  d.  J.  211  ver- 
faßt Dann  aber  folgt,  daß  die  „liberalitas  praestantissinioruni  im- 
peratorum",  die  nach  De  corona  1  soeben  erfolgt  ist  nicht  die  der 
JJ.  202,  203,  204,  208-  ist,  sondern  die  des  Jahres  211.  Es  ist 
eine  schöne  Bestätigung  unseres  Ansatzes,  daß  gerade  im  J.  211, 
welches  (bez.  seine  nächste  Umgebung)  wir  empfohlen  haben,  eine 
Liberalitas  stattgefunden  hat.  Daß  sich  Tertullian  mit  der  großen 
Menge  der  Katholiken  überhaupt  nicht  mehr  in  einen  Streit  ein- 
lassen will,  fällt  auch  noch  für  das  Jahr  211  (gegen  208)  ins  Ge- 
wicht^.   Gewisse  Merkmale,  die  De  fu^ra  und  De  exhort  gemein- 


1)  „Procnranda  auteiu  oxaniinatio  [seil.  «1«'  faga]  i)on<^R  vor,  i[uu  si  forte 
[dieses  „Ri  forte"  ptellt  die  Aiispagc  nicht,  alt^  fra^lirli  liin,  sondern  i>t  eine 
ironische  Kolorierung]  paracletnm  non  recipiendo  dednctoreni  omnis  veritatis 
luerito  adhuc  etiaiu  aliis  quaestionibus  obnixi  estis". 

*J)  Auch  'jriS  ist  unwahrscheinlich,  weil  die  Friedenszoifc  damals  noch  nicht 
lang  genug  war.  Eingewurzelte  (icpflogenheiten  einer  langen  Friedenszeit  — 
solche  setzt  De  fuga  voraus  —  lassen  die  Annahme  von  S  Jahren  zutreö'ender 
erscheinen  als  di<'  von  fünf 

•  >)  Dag(»gen  sich  auf  De  corona  4  zu  berufen,  als  wäre  hier  die  Schleier- 
frage milder  y)eliandelt  als  in  De  virg.  vel.,  geht  niclit  an;  denn  De  corona  4 
handelt  von  der  jüdischen  Sitte  des  Verschleierns,  die  christliche  stellt  in  De 
conma  nicht  zur  Frage.    Man  kann  sogar  schließen,  daß  diese  nun  für  Tert. 


Tertullian.  281 

sara  sind,  können  dem  gegenüber  nicht  den  Ausschlag  gebend  Der 
Vorschlag  von  Monceaux  aber,  De  fuga  um  zwei  Jahre  von  De 
Corona  abzurücken  und  in  das  J.  213  zu  setzen  (De  Corona  setzt 
auch  er  in  d.  J.  211),  hat  keine  genügende  Basis.  Auch  für  De 
fuga  wird  man  das  J.  211  oder  212  anzunehmen  haben. 

(27)  Ad  Scapulam. 

Daß  diese  Schrift  in  den  nächsten  Monaten  nach  der  Sonnen- 
finsternis vom  14.  Aug.  212  abgefaßt  worden  ist  (also  zeitlich  der 
Schrift  De  fuga  sehr  nahe  steht),  wurde  oben  S.  259  konstatiert. 

(28)— (33)  Die  dritte  Ausarbeitung  des  Werks  Adv.  Mar- 

cionem,  Adv.  Hermog.    Adv.  Valentianos.    Adv.  Apelleia- 

cos.    De  censu  animae  adv.  Hermogenem.    De  pallio. 

Wir  sind  mit  dem  sub  (25)— (27)  Ausgeführten  der  Entwicklung 
der  Schriftstellerei  TertuUians  bereits  vorausgeeilt  und  kehren  zum 
ei-sten  Jahrzehnt  des  3.  Jahrhundei*ts  zurück.  Von  den  sechs  im 
Vorstehenden  genannten  Werken  sind  zwei  sicher  zu  datieren: 
Adv.  Marc  1  (und  darum  auch  II  und  Ili;  denn  diese  drei  Bücher 
werden  sich  in  kürzesten  Zwischenräumen  gefolgt  sein)  in  der  3. 
Bearbeitung  fällt  in  das  J.  207  8,  und  De  pallio  ist  im  J.  210  (209) 
«reschrieben.  Die  Scheidung  von  der  großen  Kirche  ist  in  Adv. 
Marc.  I,  29  und  III,  24  („Wir",  seil,  wir  Montanisten,  „si  nubendi 
iam  modus  ponitur,  cjuem  quidem  apud  nos  spiritalis  ratio  paracleto 
auctore  defendit",  „apud  fidem  nostram  est  novae  prophetiae  sermo") 
offenbar.  Was  nun  die  4  anderen  Schriften  betrifft,  so  wird  die 
Streitschrift  gegen  Hermogenes  von  fast  allen  Kritikern  mit  Recht 
zu  den  ersten  antihäretisclien  Werken  TertuUians  gerechnet;  denn 


alles  Inioresse  verloren  hatte,  weil  si«»  «lefiiiitiv  zwisrlien  Kiitholikeu  und  Mon- 
tanisten entschieden  war. 

1)  So  im  wesentlichen  anch  N  öl  de c hon  (S.  lOüÖ'.),  der  mir  irrtümlich 
meint,  De  fuga  müsse  im  Dezember  pres<hriel)en  sein  (der  Ansjaelung  auf  die 
Satumali«'n  wegen,  c.  13)  und  die  Scrhrift  Ad  Sca]mlam  vorhergehen.  Beides 
wird  mit  imzureiclnMiden  (.iründen  l)ehau]»tet  und  nun  De  fuga  auf  den  De- 
zember 21-,  Ad  Sca])ulam  auf  den  Se]»teniber  desselben  Jahres,  Do  Corona  in 
den  März  211  verlegt.  Auch  Hanck  läßt  mit  Recht  De  virg.  vel.  vorangehen, 
De  cor.  und  De  fuga  folgen;  aber  unter  Berufung  auf  IJhlhoru,  der  augeblich 
die  Abfassung  von  De  corona  i.  J.  202  bewiesen  habe,  setzt  er  De  virg.  vel. 
und  De  fuga  in  den  Anfiing  des  3.  Jahrhunderts.  Bonwetsch  (S.  07 fF.)  nimmt 
zuerst  einen  Anlauf  zum  richtigen  Ziel  und  scheint  De  cor.  und  De  fuga  um 
d.   J.  211   setzen   zu   wollen,   korrigiert,  sich   dann  aber  selbst   und  wählt    das 

.1      ''^r'?':\ 


2S2  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

(Ij  zeigt  sie  keine  montanistischen  Beziehangen^  (2)  geht  sie  sicher 
den  Schriften  Adv.  Valent  und  De  anima  vorher  (c  16.  21),  (3)  hat 
Tert  vor  De  anima  noch  eine  zweite  (jetzt  verlorene)  Schrift  gegen 
Hermogenes  verfaßt  (.de  censn  animae''),  die  der  ersten  schwerlich 
sofort  gefolgt  ist  Dagegen  zeigt  eine  genaue  Lektüre  der  be- 
treffenden Schriften,  daß  Adv.  Hermog.  enge  mit  De  praescr^  De 
censu  animae  enge  mit  De  anima  zusammengehört^,  so  daß  man 
nicht  in-en  wird,  wenn  man  Adv.  Hermog.  (wie  De  praescr.)  in 
den  Zeitraum  198—202/3  (und  zwar  näher  an  198,  s.  o.  S.  274)^  De 
censu  aber  höchstens  wenige  Jahre  vor  De  anima  setzt  (Qber  das 
Datum  dieser  Schrift  s.  im  nächsten  Abschnitt).  Die  Verwertung 
des  „Hirten"  in  De  censu  macht  es  ratsam,  sie  innerhalb  der  ver- 
fügbaren Zeit  dem  te.rminus  a  quo  näher  zu  rücken  als  dem  ter- 
minus  ad  quem. 

Adv.  Valentinianos  ist  sicher  nach  Adv.  Hermog.  geschrieben 
und  setzt,  wie  S.  263  gezeigt  worden,  den  Bruch  mit  der  großen 
Kirche  bereits  voraus^.  Es  kann  daher  nicht  lange  vor  208/9  ver- 

1)  Der  Spott  ,,nubit  astjidue"  (c.  1)  braucht  keineswegs  montanistisch 
zu  sein. 

2)  Daß  De  ]>raescr.  der  Schrift  adv.  Hermog.  unmittelbar  vorhergeht, 
haben  Nöldechen  (S.  5<).  155),  Monceaux  (Hist.  litt.  I  p.  208),  Heintzel, 
Hermogenes,  der  Hauptvertreter  des  philos.  Dualismus,  1902,  S.  3  u.  a.  ge- 
sehen. Man  merkt  bei  der  Lektüre  von  De  praescr.,  daß  TertuUian  das  Pulver 
gegen  Hermogenes  bereits  auf  der  Pfanne  hat  (im  Cod.  Leid,  folgt  Adv.  Hermog. 
auch  unmittelbar  auf  De  praescr.,  worauf  indes  kaum  Gewicht  zu  legen  ist). 
Die  Art,  wie  in  c.  1  an  den  Praskriptionsbeweis  erinnert  wird,  zeigt  auch,  daß 
Tert.  noch  am  Anfang  seiner  die  einzelnen  Ketzer  bestreitenden  Schiiftst-ellerei 
steht.  Auch  scheint  er  die  volle  Virtuosität  als  Ketzerbestreiter  noch  nicht 
gewonnen  zu  haben,  als  er  Adv.  Hermog.  niederschrieb.  Umgekehrt  hat  sich 
Tertull.  durch  die  Schrift  De  censu  animae  adv.  Hermog.  für  das  große  Werk 
De  anima  vorbereitet.  Auch  Heintzel  (S.  4)  nimmt  an,  daß  dieses  Werk 
jenem  Buche  sofort  gefolgt  sei.  „Do  solo  censu  animae"  —  so  beginnt  De 
anima  —  „congrressus  Hennogeni,  quatenus  et  istuni  ex  mat<»riae  potius  sug- 
gestu  quam  ex  dei  flatu  constitisse  praesumpsit,  nunc  ad  reliquaa  conversu^ 
quaestiones  plurimum  videbor  cum  philosophis  dimicaturus".  Dann  kommt  er 
immer  wieder  auf  die  ältere  Schrift  zunick  (De  anima  3.  11.  21.  22.  24  [bis]). 
Daß  wir  von  dieser  noch  Fragmente  bei  Philastrius  besitzen  und  daß  in  diesen 
ein  Hemiaszitat  enthalten  war,  habe  ich  in  den  Sitzungsber.  der  K.  Pr.  Akad. 
d.  Wiss.  189r>  I  S.  507  gezeigt..  Um  des  Hermaszitates  willen  muß  man  De  censu 
animae  stark  von  De  pudic.  abrücken;  denn  in  De  pudic.  ist  Hermas  verworfen 
und  geBchmäht.  Auch  in  der  dem  Ambrosius  beigelegten  „Altercatio"  über 
den  rrsi)ning  der  Seele  scheint  De  censu  benutzt  zu  sein  (Sitzungsber.  a,  a.  0.). 

iJ)  Da  in  Adv.  Hermog.  eine  Spezialschrift  gegen  Marcion  schon  vorauj«- 
ge^etzt  ist,  so  kann  diese  nur  die  erste  Bearbeitung  Adv.  Marcionem  sein.  Dv 
]>raescr.,  Adv.  Marc.  (I.Edition),  Adv.  Hermog.  müssen  sich  schnell  gefolgt  sein. 

4)  Tert.  phink»  noch  ein  zweites  Buch  gegen  die  Valentinianer  (s.  c.  3.  6)  und 


Tertullian.  2S3 

faßt  sein ;  da  es  aber  höchst  wahrscheinlich  vor  De  resurr.  (s.  c.  59) 
verfaßt  ist,  wird  man  es  in  die  Zeitnähe  von  Adv.  Marc.  (3.  Edition) 
zu  stellen  haben. 

Ebendorthin  gehört  vielleicht  die  verlorene  Schrift  Adv. 
Apelleiacos,  da  sie  vor  De  carne  verfaßt  ist  (s.  o.);  doch  ist  es 
ebenso  möglich,  sie  früher,  also  bald  nach  Adv.  Hermog.  anzu- 
setzen '. 

Mit  Hauck  u.  a.  vermag  ich  nicht  zu  glauben,  daß  die  dritte 
Bearbeitung  des  Anti-Marcion  (I— IV)  sich  über  viele  Jahre  er- 
streckt habe;  Tertullian  war  bei  dieser  Bearbeitung  seines  Stoffs 
<loch  schon  vollkommen  Herr.  Die  drei  ersten  Bücher  sind  jeden- 
falls, wie  bemerkt,  in  kurzen  Zwischenräumen  einander  gefolgt 
(denn  Buch  I  fordei-te  zu  seiner  Ergänzung  notwendig  Buch  II 
und  III)*-,  und  das  vierte  Buch  war  von  Anfang  an  geplant^.  Eine 
größere  Pause  muß  aber  zwischen  dem  4.  und  5.  Buch  angenommen 
werden;  denn  zwischen  ihnen  stehen  die  großen  Werke  De  carne 
und  De  resurrectione.  Letzteres  ist  in  Adv.  Marc.  V,  10  erwähnt, 
während  Adv.  Marc.  I— III  von  De  resurr.  (s.  c.  2.  14),  Adv. 
Marc.  IV  von  De  carne  (c.  7)  vorausgesetzt  werden*.  Wir  werden 
daher  nicht  irren,  wenn   wir  den  Anti-Marcion  I — IV  (;{.  Bearb.) 

Iwitrachk'tt*  dan  edierte  nur  als  Kinleitung.  Ob  er  das  Buch  wirklich  geschrieben 
hat,  steht  dahin.  Bonwetsch  (S.  51)  sucht  seine  Existenz  aus  De  resurr.  59 
zu  erweisen,  welche  St<.'lle  weder  auf  das  uns  erhalt-ene  Werk  Adv.  Valent. 
i-.  -9  noch  auf  Scoi-j).  10  befiiedigend  bezogen  werden  könne.  —  Die  An- 
zweiflungen der  Echtheit  von  Adv.  Valent.  sind  verschollen.  Ob  Tertullian  den 
Irenilus,  den  er  in  diesem  Buche  ausgeschrieben  hat,  neben  dem  Original  be- 
reits schon  in  der  lateinischen  Übersetzung  kannte  oder  nur  in  der  lateiniscjhen 
l'bersetzung,  oder  nur  im  Original,  darüber  s.  u. 

1)  Daß  diese  Sehrifb  höchst  wahrscheinlich  in  den  l*hilosophumenen 
Hippolyts  und  im  pseudotertul lianischen  Traktat  Adv.  omnes  haereses  benutzt 
i>t,  vii^lh'icht  auch  im  Commonit.  des  Vincentius  (c.  23),  habe  ich  in  mein^M* 
I>i<5;ertation  De  Apellis  gnosi  monarohica  (1874)  gezeigt.  Daß  wir  ein  Stück 
aus  ihr  in  (;inem  Zusatz  zu  Augustin,  De  haer.  24  (2:5)  besitzen,  darüber  s.  Text*» 
u.  Tnters.,  N.  F.  V,  ■)  S.  '.KJtf. 

2)  Dagegen  si»richt  nicht  A<lv.  Marc.  I,  21)  fin.:  „Sed  i't  totius  opusculi 
si*ries  in  hoc  utique  succedit.  proinde  si  cui  minus  videmur  egisse,  sperat 
n-servatum  suo  temjjore,  sicut  (»t  ipsanim  scri])turaiiim  examinationem  quibus 
Marcion  utitur".  Die  Stelle  beweist  mir,  daß  das  erste  Buch  zunächst  fiir  sich 
<  (liert  worden  ist,  und  zeigt  im  übrigen  die  Einheitlichkeit  des  Plans. 

:i)  Das  „olim",  wiilches  auf  das  erste  Buch  im  39.  Kap.  des  vierten  zu- 
riirkweist,  braucht  keini'swegs  mehrere  Jahre  anzudeuten.  Das  4.  Buch  ent- 
lu'hrt  jeder  Einleitung;  es  geht  sofort  zur  Aufgabe  selbst  über  und  zeigt  da- 
iriit,  wie  enge  es  mit  Buch   1 — III  verbunden  ist. 

4)  Bemerkt  sei,  daß  zuerst  im  1.  Buch  (IV,  22)  der  Name  „Psychici"  fiir 
«I:»'  Katholiken  aut^aucht. 


284  I^ic  Litteratur  des  Abendlandes. 

in  die  JJ.  207/8—209,  Adv.  Marc  V  aber  ein  paar  Jahre  später 
ansetzen,  weil  jene  gewaltigen  Schriften  sie  trennen.  In  Adv. 
Marc.  V  sind  keine  Spuren  einer  Verfolgungszeit  Man  kann  es 
daher  entweder  unmittelbar  vor  die  Verfolgung  unter  Scapula  oder 
vielleicht  besser  nach  Ablauf  derselben  setzen,  da  sich  sonst  die 
großen  Schriften  zwischen  207/8  und  212  formlich  drängend 

(34)— (38)  Scorpiace.    De  carne  Christi.    De  resurrectione 

carnis.    De  anima.    De  fato. 

Die  Schrift  Scorpiace  adv.  Gnosticos  läßt  sich  mit  genügender 
Wahrscheinlichkeit  datieren;  sie  gehört  in  die  Zeit  der  Scapula- 
Verfolgung2;  denn  sie  ist  in  einer  brennenden  Verfolgungszeit  ge- 
schrieben und  setzt  zugleich  die  Streitschriften  gegen  die  einzelnen 
Gnostiker  voraus^. 

Daß  De  carne  und  die  ihr  bald  folgende  große  Schiift  De 
resurrectione  zwischen  Adv.  Marc.  IV  und  V  fallen,  wurde  bereits 
festgestellt.  Sie  stellen  nach  Adv.  Marc.  1— IV,  Adv.  Apell.  und 
Adv.  Valent.  den  zweiten  großen  Angriflf  Tert.s  ^egen  die  Gnosis 
dar  und  sind  daher  in  den  Zeitraum  208/9  ff.  zusammen  mit  dem 
ihnen  nachgesandten  Buch  V  gegen  Marcion  (s.  o.)  zu  verlegen. 
Eine  willkommene  Bestätigung  dieses  Ansatzes  bietet  die  Be- 
obachtung, daß  De  fuga  8  deutlich  zeigt,  Tertullian  habe  sich  da- 
mals in  dem  Gedankenkreis  bewegt,  von  dem  De  carne  Zeugniis^ 
ablegt.  Leider  aber  gibt  es  einen  sicheren  ternünus  ad  quem  für 
diese  Gruppe  nicht,  es  sei  denn  der  terminus  der  antikatholisoheii 
Branrtschriften. 

1)  Um  auch  das  5.  liuch  oiipfe  au  die  vorhergeliendcn  BB.  ^egen  Marcion 
heranrücken  zu  können,  bezieht  Hauck  (S.  :-{37  f.)  die  Sclbstzitate  Tert.s,  das 
Werk  gegen  Marcion  betreffend,  auf  die  erste  Ausgabe.  Allein  wir  haben 
keine  Gewähr  dafür,  daß  Tert.  bereits  in  der  ersten  Ausgabe  des  Anti-Marc  ion 
ein  eigenes  Buch  gegen  dessen  Evangelium  gerichtet  hat.  Ein  solches  aber 
zitiert  er  De  carne  7  („Quid  iam  responsum  sit  Marcioni  in  eo  libello,  quo 
evangelium  ii)8iu8  provocavimus").  Es  ist  doch  sehr  unwahrscheinlich,  daß 
Tert.  sich  die  mühsame  Arbeit,  das  Evangelium  Marcions  Abschnitt  für  Ab- 
schnitt durchzugehen,  zweimal  gemacht  hat,  imd  daß  auch  in  der  frühereu 
Ausgabe  diese  Arbeit  ein  eigenes  Buch  ausgefüllt  hat. 

2)  So  auch  Monceaux. 

3)  Kellner  (Kirchenlex.2  Bd.  11  S.  UOOf.)  setzt  ilie  Schrift  in  die  Se- 
venis Verfolgung  (ann.  203).  Unmöglich  ist  dieser  Ansatz  an  sich  nicht,  da 
deutliche  montanistische  BekenntnißS(i  fehlen;  aber  sie  fehlen  auch  in  Ad  Sc<\- 
pulam  und  waren  durch  den  Zweck  des  Buchs  nicht  nahegelegt.  AVüre  die 
Verfolgung  die  severianische,  so  würden  die  charakteristischen  Züge  derselben 
doch  wohl  hervortreten.  Sio  fehlen  aber.  Dazu  ist  in  c,  5  Adv.  Marc.  (Buch  11) 
vorauRgesetzt. 


Tertullian.  285 

Wohin  gehört  aber  das  philosophische  Hauptwerk  De  anima? 
Zur  Zeitbestimmung  besitzen  wir  folgende  Hilfsmittel  (1)  Es  ist 
älter  als  De  resurr.  (s.  De  resuiT.  2.  17.  42.  45),  (2)  es  ist  später 
als  die  Schriften  gegen  Marcion  (s.  Adv.  Marc  U)  und  Hermogenes 
(s.  De  anima  21).  Diese  Beobachtungen  gestatten  indes  keinen 
engeren  Zeitraum  abzugi'enzen  als  198/200  und  die  Zeit  von  De 
resurr.;  denn  Adv.  Hermog.  ist  bald  nach  De  praescr.  verfaßt,  und 
<lie  Beziehung  auf  den  Anti-Marcion  könnte  der  ei'sten  Bearbeitung 
dieses  Werkes  gelten.  Allein  in  De  anima  ist  auch  De  censu 
animae  benutzt,  welche  Schrift  einige  Jahre  nach  Adv.  Hermog. 
geschrieben  sein  muß  (s.  o.  S.  281  f.),  und  aus  De  anima  9  folgt  mit 
Sicherheit,  daß  der  Bruch  mit  der  großen  Kirche  bereits  erfolgt 
war  und  Tertullian  mit  den  Montanisten  gesonderte  Gottesdienste 
hielt.  „Est  hodie  soror  apud  nos  revelationum  charismata  sortita, 
<iuas  in  ecclesia  inter  dominica  soUemnia  per  ecstasin  in  spiritu 
patitur  etc."  Also  fällt  das  gi-oße  Werk  nach  De  virg.  vel.  und 
in  die  Zeitnähe  von  Adv.  Marc  (3.  Bearbeitung).  Daß  wir  uns 
mit  diesem  Ansatz  ungesucht  dem  der  kleinen  Schrift  De  pallio 
nähern,  also  denx  J.  210  (209),  ist  nur  willkommen;  denn  es  ist 
recht  wahrscheinlich,  daß  der  „Philosoph"  Tertullian,  als  welcher 
€r  in  De  anima  erscheint,  sich  veranlaßt  sah,  De  pallio  zu 
schreiben. 

In  De  anima  wird  auch  als  geplant  der  Schrift  De  fato  ge- 
flacht, die  nicht  auf  uns  gekommen  ist  (De  anima  20).  Sie  wird 
nur  hier  und  von  Planciades  Fulgentius  ^  erwähnt.  Wahrscheinlich 
ist  sie  bald  nach  De  anima  verfaßt. 

(39)  Adversus  Praxean. 

Diese  dogmengeschichtlich  einflußreichste  Schrift  Tertullians 
blickt  auf  seinen  Bruch  mit  der  Kirche  als  auf  eine  in  der  Ver- 
gangenheit liegende  Tatsache  zurück  und  ist  aus  den  modalistischen 
Kämpfen  herausgeboren.  Allein  die  konkrete  Situation  ist  so  un- 
sicher angegeben  bez.  so  verschleiert,  daß  man  nicht  erkennt,  was 
ist  Vergangenheit,  was  ist  Gegenwart,  wie  weit  denkt  Tertullian 

1)  Edid.  Holm  (1808)  |».  lUi:  „Nam  et  Tertullianiis  in  libro  quem  De  fato 
seripsit  ita  ait:  „Reddo  liuic  fratri  primum  problematis  mancipatum".  Sehr 
merkwürdig  ist  es,  dali  uns  Hieronymus  (De  vir.  inl.  58)  berichtet,  auch  Mi- 
iiuoius  Felix  —  dor  Doppelgänger  Tertullians,  nicht  nur  im  „Octavius"  (im 
V»"rgl»?ich  zum  Apoloj^.),  sondprn  auch  in  seiner  Eigenschaft  als  Romae  insignis 
<-ausidicus  —  habe  einen  Traktat  De  fato  gesclirieben  (vel  conti*a  mathemati- 
cos),  „tpii  cum  sit  et  i])8e  diserti  hominis,  uon  mihi  videtur  cum  superioris  libri 
stilo  convenire/*.     Steckt  nicht  in  der  dreifachen  Parallele  ein  Rätsel? 


286  ^6  Litteratar  des  Abendlandes. 

an  römische  Verh&ltiiisse,  warum  verdeckt  er  seinen  Angriff  auf 
den  römischen  Bischof^  usw.?  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  er 
bereits  die  Stufe  des  Modalismus  voraussetzt,  die  derselbe  erst 
durch  Kallist  gewonnen  hatS  aber  ganz  sicher  ist  es  nicht;  es 
könnten  auch  Kämpfe  z.  Z.  Zephyrins  gemeint  sein^.  Daß  Tert. 
wie  behauptet  worden,  von  den  antimodalistischen  Schriften  Hippo- 
lyts  abhängig  sei,  läßt  sich  durchaus  nicht  erweisen'.  Man  wird 
sich  daher  mit  dem  Ansatz  c.  213—218,  d.  h.  vor  den  antikatho- 
lischen Brandschriften  und  geraume  Zeit  nach  dem  Bruch  mit  der 
Kirche,  bez.  auch  nach,  der  antignostischen  Polemik,  bescheiden 
mOssen^ 

(40)— (42)  De  monogamia.  De  ieiunio.   De  pudicitia. 

Daß  diese  drei  Schriften  die  letzten  sind,  die  wir  aus  Tertullians 
Feder  besitzen»  ist  zu  sicherer  Anerkennung  gelangt  Auch  die 
Beihenfolge  läßt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  angeben.  De  pudic 
fällt  (s.  0.)  sicher  unter  Kaliist,  also  zwischen  217/8  und  222/8;  De 
monog.  geht  ihr  höchst  wahrscheinlich  vorher  (nach  S.  260  ist  sie 
sicher  zwischen  c.  212— 219  verfaßt),  und  auch  De  ieiunio  ist  nicht 
nach  De  pudic  anzusetzen;  denn  das  Indulgenz-Edikt  Kallists 
wäre  schwerlich  in  De  monog.  und  De  ieiun.  unerwähnt  geblieben, 
wenn  es  schon  existiert  hätte.  De  monog.  und  De  ieiun.  gehöi*en 
also  in  die  frühe  Zeit  des  Kallists  Der  Eingang  von  De  ieiunio 
macht  es  gewiß,  daß  ihr  De  monog.  vorangegangen  ist,  und  zwar 
vor  nicht  langer  Zeit  Auch  ist  De  ieiunio  noch  um  einen  Grad 
gehässiger  als  De  monog.  Alle  drei  Schriften  tragen  den  Charakter 
heftigster  Anklageschriften  gegen  die  Katholiken,  die  einfach 
„psychici''  heißen,  bestätigen  also  dadurch  den  Ansatz  auf  eine 
späte  Zeit^. 


1)  S.  Rolf f 8  in  den  Texten  u.  Unters.  XII,  4  S.  94  ff. 

2)  S.  den  Aufsatz  von  Lipaius  in  den  Jahrbb.  f.  deutsche  TheoL  18GS. 
den  von  Nöldechen  in  den  Jahrbb.  f.  protest.  Theol.  1888  und  Rolffs,  a.  a.  O. 

3)  S.  meinen  Aufsatz  in  der  Ztschr.  f.  d.  bist.  Theol.  1874  S.  2m, 

4)  Wenn  Hieronymus,  De  vir.  inl.  70  über  das  Werk  des  Novatiiin  Do 
trinitate  schreibt:  „de  trinitato  grande  volumen  quasi  inttofirjv  operis  Ter- 
tulliani  faciens",  so  ist  nicht  zu  schließen,  daß  Tert.  ein  sonst  nirgends  er- 
wähntes Werk  De  trinitate  geschrieben  hat,  sondern  es  ist  unsere  Schrift  Adv. 
Praxean  zu  verstehen. 

5)  Nicht  in  die  Endzeit  des  Zephyrin;  denn  in  De  monog.  12  sagt  Tei- 
tullian,  daß  bei  den  Katholiken  auch  Digami  in  den  Klerus  kommen;  Hip])ol.. 
Kefut.  IX,  12  bemerkt,  daß  dies  erst  imter  Kaliist  geschehen  sei. 

0)  Nach  Kellner  (Kirchenlex.2  XI  S.  1411)  soll  De  pudic.  von  den  droi 
Seh nften  die  älteste  sein,  weil  sich  in  ihr  keine  ausdrückliche  Verweisung 
auf  De  monog.  finde.   —   Das  afrikanische  Konzil  unter  Agrippinus  über  die 


Tertullian.  287 

i43)— (47)    Ad  amicam   philosophum.     De  Aaron  vestibus. 
De  carne    et  anima.    De  animae  submissione.    De  super- 

stitione  saeculi. 

Hieronymus  erwähnt  (Ep.  22,  22  [ep.  48?]  und  Adv.  Jovin.  1, 13) 
eine  Schrift  Terts  de  angastiis  nuptiaram  („ad  amicum  philo- 
sophum"), die  er  als  junger  Mann  verfaßt  habe;  sie  sei  in  einem 
leichten  Tone  gehalten  gewesen  („lusit")^  Sie  ist  verloren  ge- 
gangen; Kellner  will  sie  mit  De  exhort  east  identifizieren  (a.  a. 
().  XI  S.  1402),  was  mir  ganz  unmöglich  scheint  Krüger  (Gesch. 
d.  altchristl.  Litt  S.  172  f.)  bezweifelt  ohne  Not  die  Existenz  dieser 
tertuUianischen  Schrift 

Von  den  Traktaten  De  Aaron  vestibus  (nur  einmal  bei  Hieron. 
ep.  64,  23  ad  Fabiolam  genannt).  De  carne  et  anima  (vgl.  den 
gleichlautenden  Titel  einer  melitonischen  Schrift),  De  animae  sub- 
missione und  De  superstitione  saeculi  wissen  wir  nichts.  Die  Titel 
der  drei  letztgenannten  —  nur  um  Titel  handelt  es  sich  —  kennen 
wir  lediglich  aus  dem  Index  des  Agobardinus^. 


Ketzertaufe  (8.  o.),  das  nicht  datiert  ist,  kann  noch  nicht  gehalten  gewesen 
sein,  als  Tert.  De  ieiunio  schrieb ;  denn  in  dieser  Schrift  weiß  er  nur  von  grie- 
chischen Synoden.  Wahrscheinlich  ist  das  Konzil  zu  der  Zeit,  als  Kailist  in 
Rom  regierte  und  die  Ketzertauffrage  wieder  lebendig  wurde,  abgehalten  wor- 
den. Demnach  ist  De  ieiunio  8i)äte8ten8  in  der  ernten  Zeit  Kallists  verfaßt 
worden,  was  mit  dem  obigen  Ansatz  stimmt.  —  Die  Annahme  von  Kolffs 
(Texte  u.  Unters.  XIT,  4  S.  Iff.),  alle  drei  Schriften  bezögen  sich  in  erster  Linie 
auf  römiwche  Katholiken,  hat  viel  fiir  sich.  Bei  De  pudic.  steht  es  fest.  Auch 
die  andere  Hypothese  von  Rolffs  (a.  a.  0.  S.  16 ff.  05  ff.)  ist  nicht  unwahrschein- 
lich, Tertullian  polemisiere  sowohl  in  De  ieiunio  wie  in  De  monog.  gegen  je  eine 
antimontanistische,  katholische,  in  Rom  entstandene  Anklageschrift,  und  zwar 
sei  die  in  De  ieiunio  bekämpfte  von  Kallist  verfaßt,  die  in  De  monog.  wider- 
legte aber  identisch  mit  der  bei  K])ii>han.  haer.  48  erhaltenen  (inindschrift 
{h.  o.  S,  22f)).    Strikt  beweisen  lassen  sich  diese  Annahmen  allerdings  nicht. 

1)  Vielleicht   sind    mit   dem   „lusit"   Verse   gemeint,   wie  Vallarsi  ver- 
mutet hat. 

2)  Wahrscheinlich  hat  Tertullian  auch  eine  Schrift  De  mundis  et  immun- 
(lis  animalibus  und  eine  zweite  De  circnmcisione  geschrieben;  denn  es  ist 
schwer,  Hieronymus  (e]).  o<),  1)  anders  zu  verstehen.  Aber  sicher  ist  die  An- 
nahme nicht,  da  Hieronynms'  Angaben  auch  sonst  nicht  immer  zuverlässig  sind. 
—  Daß  Ambrortiast<^r  (zu  Rom.  5,  14),  Hieronymus  (ep.  85,  5  und  zu  Galat.  1,  8), 
Augustin  (de  Iiaer.  SO)  und  Traedest.  (haer.  i'A))  Tertullianisches  gelesen  haben, 
was  wir  heute  nicht  mehr  besitzen  —  sei  es,  daß  es  in  den  oben  angefiihrten 
verlorenen  Schriften  gestanden  hat,  sei  es  in  anderen,  deren  Titel  sogar  ver- 
mißt werden  — ,  habe  ich  Sitzungsber.  d.  K.  Preuß.  Akad.  d.Wiss.  1895  S.;50<3.  570. 
r)72.  574.  570  gezeigt.  Aus  der  Angabe  des  Hieronymus  (De  vir.  inl.  53:  „fer- 
tur  vHxisse  usqm»  ad  decrei)itam  aetatem  et  multa  (luae  non  extant  opuscula 
rondidisse")    scheint   man  schließen  zu  müssen,   daß  eine  ganz(;  Kategorie  von 


288  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

(48)  Adversus  ludaeos. 

ich  habe  dieses  Buch  bis  zuletzt  aufgespart,  weil  es  dasjenige 
ist,  dessen  Echtheit  bez.  Integrität  den  Kritikern  große  Schwierig- 
keiten bereitet  hat.  Zuerst  hat  äemler  (s.  den  Abdruck  seiner 
Kritik  bei  Oehler  III  p.  639ff.)  die  Echtheit  des  ganzen  Buchs 
in  seiner  überatürzenden  Weise  bestritten.  Nean  der  (Antignosticus  - 
S.  458.  463  ff.  511flf.)  beschränkte  das  verwerfende  urteil  auf  die 
zweite  Hälfte,  von  c.  5  an.  Ihm  folgten  viele  Gelehrte  (Lauf- 
köther,  Artik.  „Tertullian*  im  Kirchenlex. >,  Böhringer,  KGesch.^, 
2.  Hälfte,  Hauck,  Tertull.  S.  88  u.  a.).  Doch  fand  das  Buch  Ver- 
teidiger an  Kaye  (bei  Oehler  III  p.  727f.)  und  Grotemeyer 
(Kempener   Progi'amm   1865  S.  16ff.).     Corssen   (Die   Altercatio 


Schriften  TertullianB,  nämlich  solche  aus  seiner  letzten  Lebenszeit,  unterge- 
gangen sei;  aber  ganz  sicher  ist  der  Schluß  nicht.  Niemand  erwähnt  diese 
Schriften,  und  Hieron.  selbst  sagt  ^^fertur^^  Das  Gerücht  kann  sich  auch  auf 
die  erhaltenen  letzten  Schriften  beziehen  und  von  solchen  ausgegangen  sein, 
die  sie  suchten  und  nicht  mehr  fanden,  da  sie  in  der  Kirche  nicht  viel  gelesen 
worden  sind.  Augustin  (De  haer.  86)  sagt,  Tert.  sei  zu  den  Kataphrygem  über- 
gegangen, „quos  antea  destruxerat''.  Man  wird  daraus  nicht  schließen  dürfen, 
daß  Augustin  antimontanistische  Schriften  Tert.8,  die  niemand  sonst  gesehen 
hat,  im  Sinne  hatte.  Zu  denken  ist  vielmehr  an  den  Traktat  De  paenitentia 
und  an  Ausführungen  in  den  frühesten  Schriften,  in  denen  er  behauptet  hatt^, 
alle  Prophetie  reiche  nur  bis  Jesus  Christus.  —  über  die  Hypothese,  Ter- 
tullian  sei  der  Verfasser  der  Acta  Perpctuae  (so  Ruinart,  Robinson  u.  a.), 
s.  unten.  —  Irrtümlich  sind  dem  Tertullian  beigelegt  worden  (außer  dem 
Traktat  Adversus  omnes  haereses)  von  Rufin  und  anderen  die  novatianisch«^ 
Schrift  De  trinitate  (s.  Hieron.,  adv.  libros  Rufini  II,  9),  in  der  Petersburger 
Handschrift  der  novatianischo  Traktat  Do  cibis  ludaicis,  ferner  die  carmina 
Adversus  Mareionem  und  einige  andere  Gedichte,  von  denen  später  die  Rede 
Kein  wird.  Die  Meinung  de  Rossis,  die  Refutatio  omnium  haeresium  des 
Hippolyt  sei  von  Tei-tullian,  hat  keinen  Beifall  gefunden  und  ist  verschollen. 
—  Im  J.  1080  edierte  Suaresius  aus  dem  Cod.  Vatic.  3852  saec.  X  (Bedas 
(■hronik  u.  a.  enthaltend)  ein  am  Ende  des  Kodex  stehendes  kurzes  Fragment, 
welches  —  die  Angaben  sind  nicht  ganz  klar  —  Tertullians  Namen  in  der 
Cberschrift  und  die  Aufschrift  „De  execrandis  gentium  diis"  trägt,  öhler  hat 
es  (Bd.  II  S.  7ß(Jff.)  abgedruckt,  aber  hielt  es  nicht  für  tertullianisch  („decla- 
matori  alicui  Tertulliani  scriptorum  non  plane  ignaro  tribuerim").  Das  Frag- 
ment behandelt  nach  kurzer  Einleitung  die  Jupiter- Geschichten  (die  anderen 
„Götter"- Geschichten  schlössen  sich  wohl  an).  Es  ist  ausgeschlossen,  daß  e.^ 
von  Tertullian  herrührt  (s.  den  Satz:  „At  cetera«  'Jovis]  corruptelas  quas  ipsi 
confitentur,  nolo  conscribere,  ne  nirsus  foeditas  iam  sepulta  auribus  reno- 
vetur");  man  wird  es  dem  4.  Jahrhundert  zuweisen  müssen.  Die  Beziehungen 
auf  die  lex  Falcidia,  Sonipronia,  Papinia,  lulia  und  Cornelia  haben  vielleicht 
die  Vermutung  verursacht,  es  gehöre  dem  Tertullian.  —  Die  hin  und  her  in 
Bibliotheken  vorkomniendeu  „Tertulliani  declamationes"  sind  ein  pseudoquin- 
tilianirfches  Werk. 


Tertullian.  289 

Simonis  ludaei  et  Theophili  Christiani,  1890)  suchte  nachzuweisen, 
daß  zwar  die  erste  Hälfte  des  Buches  echt  sei  und  sich  auch  in 
der  zweiten  Tertullianisches  finde,  daß  aber  der  Hauptteil  der 
zweiten  Hälfte  eine  gedankenlose  Kompilation  aus  Adv.  Marc  III 
sei.  Demgegenüber  unternahm  es  Nöldechen,  nachdem  er  sich 
schon  früher  für  die  Echtheit  des  Ganzen  ausgesprochen  hatte, 
diese  in  einer  gründlichen,  aber  auch  sehr  weitschweifigen  Unter- 
suchung zu  erhärten  (Texte  und  Unters.  XII,  2  S.  1—92)  und  den 
Nachweis  zu  liefern,  daß  Tert.  in  Adv.  Marc.  III  die  ältere  Schrift 
ausgeschrieben  habe.  Die  französischen  Gelehrten  Duchesne 
(Orig.  du  culte  chr6tien  p.  251)  und  Monceaux  (Hist  litt  I  p.  205) 
haben  die  Echtheit  nicht  angetastet.  Dagegen  nahm  Einsiedler 
(De  TertulUani  adv.  Judaeos  libro,  August  Vindel.,  Programm,  1897) 
die  Corssenschen  Thesen  auf:  die  erste  Hälfte  des  Werkes,  zu  der 
ein  paar  Stücke  aus  der  zweiten  hinzuzuziehen  seien,  seien  echt 
(den  umfang  dieser  Stücke  bestimmt  Einsiedler  etwas  anders  als 
Corssen),  das  Buch  aber  sei  als  Torso  liegen  geblieben  —  warum, 
wisse  man  nicht  — ,  dann  habe  es  ein  Kompilator  aus  Adv.  Marc.  HI 
ergänzt  („sed  multos  locos,  cum  eos  non  recte  intellegeret,  valde 
depravavit  et  interdum  aliquid  ex  suo  ingenio  inepte  addidit"); 
dieser  Kompilator  habe  schwerlich  lange  nach  Tertullian  gearbeitet 

Durch  die  bisherigen  Bemühungen  ist  jedenfalls  das  ins  Klare 
gestellt,  daß  die  ersten  8  Kapp,  der  Schrift  sicher  echt  sind;  sie 
besitzen  auch  bei  dem  Verf.  der  Quaest  Vet  et  Novi  Test  (Pseudo- 
Augustin  =  Ambrosiaster  um  370)  und  Hieronymus  sehr  alte  Zeug- 
nisse ^  Femer  ist  sicher,  daß  diese  Kapitel  zu  den  frühesten 
Schriften  Tert.s  gehören;  denn  nirgendwo  hat  er  so  entschieden 
ausgesprochen,  daß  die  Prophetie  bis  Johannes  reicht  und 
daß  es  in  der  Christenheit  keine  Prophetie  mehr  gibt 
(s.  c.  8).  Dazu  kommt  eine  merkwürdige  Übereinstimmung  mit  Adv. 
nat  (I,  14:  „Quod  enim  aliud  genus  seminarium  est  infamiae  nos- 
trae?'*  [seil,  als  das  der  Juden],  cf.  adv.  Jud.  13:  „Ab  illis  enim 
incepit  infamia")  und  die  noch  nicht  ausgebildete  Virtuosität  des 
Polemikeiu  Wir  werden  also  nicht  irren,  wenn  wir  die  Schrift 
nicht  allzuweit  von  Apolog.  und  Ad  nat  rücken. 

Was  nun  die  zweite  Hälfte  betriflFt,  so  haben  Corssen  und 
namentlich  Einsiedler  festgestellt,  daß  sich  auch  in  ihr  manches 
echte  (und  zwar  manu  prima^  nicht  als  Kompilation  aus  tertulliani- 


1)  S.  Sitzungsber.  d.  K.  Preuß.  Akad.  d.  Wiss.  1895  I  S.  574.  569.  —  Merk- 
würdig bleibt  es,  daß  Tertull.  hier  Daniel  nach  Theodotion  zitiert,  in  seinen 
übrigen  Schriften  aber  nach  der  Septuaginta;  doch  kann  diese  Beobachtung 
nicht  Ausschlag  geben,  da  damals  die  beiden  Übersetzungen  auch  sonst  im 
Gebrauch  nebeneinander  liefen. 

Harnack,  Altcbristl.  Litteratargesch.  II,  2.  19 


290  ^^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

schem  Gut)  findet  In  der  Tat  wird  dieser  erste  Eindruck  bei  der 
Lektüre  stets  der  stärkste  bleiben.  Besäßen  wir  Adv.  Marc  III 
überhaupt  nicht,  so  hätte  schwerlich  jemand  die  Echtheit  von  Adv. 
Jud.  9 — 14  in  Zweifel  gezogen;  er  hätte  sich  höchstens  fiber  die 
mangelhafte  Disposition  im  Verhältnis  zu  c.  1—8  und  über  einiges 
Inkonzinne  beklagt  Weder  im  Stil;  noch  in  den  Anschauungen 
findet  sich  m.  E.  irgend  etwas  Untertullianisches. 

Aber  das  Verhältnis  zu  Adv.  Marc,  m  macht  allerdings  große 
Schwierigkeiten,  umfangreiche  Partien  (Adv.  Jud.  9  «=  Adv.  Marc 
12—14.  16.  17;  adv.  Jud.  10  =  HI,  18.  19;  adv.  Jud.  11.  12  =  III, 
20;  adv.  Jud.  13  =  III,  23;  adv.  Jud.  14  =  III,  7.  20.  21)  sind  wört- 
lich identisch,  und  zwar  erweist  sich  der  Text  in  Adv.  Marc,  in 
der  Kegel  sachgemäßer  und  ursprünglicher,  der  in  Adv.  Jud.  min- 
der sachgemäß  und  in  einzelnen  Wendungen  unlogisch  oder  sonst 
anstößig.  Femer  ist  die  Anknüpfung  von  c  9  an  c  8  an  sich 
unerwartet  und  in  ihrer  Form  befremdend  (,Jncipiamus  igitur 
probare  nativitatem  Christi  etc**).  Weiter  finden  sich  in  c.  9—14 
Wiederholungen  zu  dem  in  c  1—8  gesagten,  und  endlich  befremdet 
in  c  8—14  die  mit  dem  Plural  wechselnde  Anrede  des  Gegners  in 
der  2.  Person;  sie  erscheint  nicht  sachgemäß,  während  alle  diese 
Anreden  sich  wörtlich  ebenso  in  Adv.  Marc  ni,  8  finden  und  dort 
nicht  befremden,  da  Marcion  auch  sonst  in  dieser  persönlichen  Art 
dort  bekämpft  wird*. 

Hieraus  folgt  unzweifelhaft,  daß  Adv.  Jud.  jedenfalls  nicht  uno 
tenore  geschrieben  ist  Aber  die  Auskunft,  TertuUian  habe  selbst 
später  aus  Adv.  Marc,  den  Traktat  Adv.  Judaeos  ergänzt^  um  ihn 
für  die  Evangelisation  brauchbarer  zu  machen,  verbietet  sich  auf 
Grund  der  Beobachtung,  daß  in  c.  9—14  zweimal  der  Gedanke 
wiederholt  ist,  den  wir  in  c.  8  kennen  gelenit  haben,  daß  durch 
Christus  (d.  h.  nach  Johannes)  alle  Prophetie  aufgehoben  sei  und 
sich  in  der  Christenheit  also  keine  Prophetie  mehr  finde^.  Dieser 
Gedanke  steht  natürlich  in  Adv.  Marc.  III  nicht;  denn  Tertullian 
hatte  ihn,  nachdem  er  Montanist  geworden,  völlig  angegeben.  Also 


1)  Vgl.  „spectes"  „quaere"  „negabis"  „inspicias"  „aguosce"  „didicisti" 
„disce"  „inquis"  in  Adv.  Jud.  9  mit  Marc.  III,  12—14.  16;  „age"  „legisti" 
„quaeres"  „tibi"  in  Adv.  Jud.  10  mit  DI,  19;  „aspice"  „audeß"  „tibi*'  „poteris" 
in  Adv.  Jud.  12  mit  III,  20;  „potes"  „nega"  „negas"  in  Adv.  Jud.  14  mit 
II  r,  20.  21. 

2)  S.  c.  11:  „Post  adventum  Christi  et  passionem  ipsius  iam  non  visio 
neque  prophetes.  unde  firmissimo  dicit  adventum  eins  signare  visum 
et  prophetiam".  c.  13:  „et  ita  subtractis  charismatis  prioribus  lex  et  pro- 
phetae  usquc   ad  loannem  fiicrunt,  et  piscina  ßethsaida  usque  ad  adventum 


Tertullian.  291 

kann  er  nicht  selbst  auf  Grund  von  Adv.  Marc.  III  seine  frühere 
Schrift  ergänzt  haben. 

Wie  ist  nun  zu  urteilen?  Die  meisten  Kritiker  folgen  einfach 
Corssen  (und  Einsiedler)  und  behaupten  mit  Zuversicht,  ein 
Späterer  habe  nicht  lange  nach  Tertullian  aus  Adv.  Marc.  III,  8 
unsern  —  wie  Einsiedler  behauptet,  unfertigen  —  Traktat  ergänzt. 
Das  scheint  die  natürliche  Lösung;  aber  man  soll  die  Schwierig- 
keiten nicht  übersehen,  die  ihr  entgegenstehen.  Erstlich  handelt 
es  sich  nicht  um  einfache  Hinzufügung  von  Exzerpten  aus  Adv. 
Marc  III  (wie  etwa  Adv.  omnes  haereses  an  De  praescr.  angescho- 
ben ist),  sondern  es  steckt  in  c.  9—14,  wie  zugestanden,  einiges 
echt  Tertullianische,  welches  sich  nicht  mit  Adv.  Marc.  III  deckt 
und  welches  eigentümlich  und  kompliziert  mit  den  angeblichen  Kom- 
pilationen verbunden  ist.  Zweitens  ist  ein  zweifellos  untertulliani- 
scher  Satz  in  c.  9 — 14  überhaupt  nicht  nachgewiesen  —  der  als 
flüchtig  und  absurd  gescholtene  Kompilator  müßte  also  als  Nach- 
ahmer Tertullians  seine  Sache  vortreflflich  gemacht  und  sich  an 
keiner  Stelle  durch  seinen  Stil,  sondern  nur  durch  einige  Flüchtig- 
keiten und  Sorglosigkeiten  von  TertuU.  selbst  unterschieden  haben. 
Drittens  enthält  c.  9 — 14  schlechterdings  nichts,  was  in  eine  spätere 
Zeit,  sei  es  auch  nur  die  Zeit  des  Kampfes  mit  dem  Montanismus, 
führte ;  ja  wir  haben  gesehen,  daß  ihr  Verfasser  sich  zu  dem  hyper- 
katholischen Satze  bekennt»  daß  es  in  der  BLirche  keine  Vision  und 
Prophetie  mehr  gebe.  Ein  Montanist  und  Gesinnungsgenosse  des 
späteren  Tertullian  kann  der  Kompilator  also  nicht  gewesen  sein; 
er  war  mithin  Katholik,  aber  ein  Katholik,  der  sich  die  Gelegen- 
heit entgehen  ließ,  an  den  Satz,  daß  die  Prophetie  mit  Johannes 
erloschen  sei,  eine  antimontanistische  Bemerkung  zu  knüpfen. 

Überschaut  man  diesen  Tatbestand,  so  scheint  mir  eine  andere 
Lösung  des  Problems  zwar  keineswegs  zweifellos,  aber  wahrachein- 
licher.  Wir  haben  oben  (S.  274)  gesehen,  daß  De  praescr.  und  die 
erste  Bearbeitung  Adv.  Marc,  frühe  Schriften  Tertullians  sind  und 
in  die  Zeitnähe  des  Apolog.  gehören.  Ebendahin  gehört  nach 
unserer  Meinung  auch  Adv.  Jud.;  aber  nichts  hindert,  die  erste 
Bearbeitung  von  Adv.  Marc,  dem  Traktat  Adv.  Jud.  vorangehen  zu 
lassen.  Dann  ist  folgende  Möglichkeit  ins  Auge  zu  fassen:  Bald 
nach  Adv.  Marc.  (1.  Bearbeitung),  die  bereits  die  Ausführungen,  die 
wir  jetzt  in  Adv.  Marc.  III  (dritte  Bearbeitung)  lesen,  enthielt  (also 
c.  12—14.  16—21.  23),  sah  sich  Tertullian  veranlaßt,  gegen  die 
Juden  zu  schreiben.  Er  verfaßte  c.  1—8  der  uns  erhaltenen  Schrift; 
in  der  Erkenntnis  aber,  daß  die  betreffenden  Ausführungen  gegen 
Marcion  auch  gegen  die  Juden  trefflich  zu  verwenden  seien,  fügte 
er,  entweder  sofort  oder  nach  kürzester  Zeit,  der  Schrift  gegen 

19* 


292  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

diese  Selbstplagiate  aus  dem  Anti-Mardon  an.  Sachlich  hatte  das 
keine  Schwierigkeit  aber  stilistisch  ergaben  sich  solche,  und  er 
hat  sie,  rasch  arbeitend,  nicht  zu  überwinden  vermocht  Es  sind 
bei  dem  ümgaß  böse  Anstöße  stehen  geblieben,  die  sich  größten- 
teils daraas  erklären,  daß  die  Situation  gegenüber  den  Juden  eine 
andere  Formgebung  erheischte  als  die  g^enüber  Marcion.  In 
Adversus  Marc,  (dritte  Bearbeitung)  hat  er  dann  natürlich  nicht 
das  Buch  gegen  die  Juden,  sondern  die  ältere  Bearbeitung  als 
Vorlage  benutzt  und  diese  unerheblich  oder  gar  nicht  verändert. 
Warum  ich  diese  Hypothese  für  besser  halten  muß  als  die 
andere,  nach  welcher  ein  Kompilator  die  2.  Hälfte  von  Adv.  Jud. 
aus  Adv.  Marc.  LQ  (dritte  Bearb.)  angefertigt  habe,  brauche  ich 
nicht  mehr  darzulegen.  Unsere  Hypothese  —  sie  vermeidet  die 
Schwierigkeit,  ander  Nöldechens  Annahme  scheitert,  Adv.  Marc  DI 
sei  aus  Adv.  Jud.  geflossen  —  wird,  soviel  ich  sehe,  allen  Tatsachen 
gerecht  oder  doch  besser  gerecht  als  die  jetzt  verbreitete  Annahme, 
die  weder  das  primärtertullianische  in  c.  9 — 14,  noch  die  paradoxe 
Tatsache  zu  erklären  vermag,  daß  die  Anstöße,  welche  c.  9—14 
gewähren  und  die  ihre  Anfertigung  durch  einen  fremden  Kompila- 
tor erweisen  sollen,  nirgends  die  Sache  und  den  Ausdruck  be- 
treffen, sondern  durchweg  nur  die  äußere  logische  Formgebung  und 
Verknüpfung.  Unsere  Hypothese  erklärt  auch,  daß  in  Adv.  Jud.  9  ff. 
Abschnitte  stehen,  die  sich  tatsächlich  gegen  Marcion  richten.  Die 
Annahme,  daß  ein  Späterer  —  nicht  Tert  selbst  —  hier  gearbeitet 
hat,  ist  die  schwierigere.  Die  Stilisierung  der  Kapitel  ist  für  einen 
solchen  teils  zu  gut  und  wiederum  zu  schlecht. 


Abgesehen  von  der  Chronologie  der  Schriften  sind  uns  nur 
wenige  Daten  in  bezug  auf  das  Leben  TertuUians  (Q.  Septimius 
Florens  TertuUianus  *)  bekannt  Er  ist  Karthaginienser  von  Greburt 
gewesen^;  sein  Vater  war  centurio  proconsularis^.  Er  erwarb  sich 
neben  der  philosophischen  und  rhetorischen  eine  umfangreiche  und 
sichere  juristische  Bildung^,  wahrscheinlich  in  Afrika  und  Eom, 


1)  über  den  Namen  s.  Rönsch,  Das  Neue  Testament  Tert.s  S.  4;  Jung, 
Zu  Tert.B  ausw.  Beziehungen  (Wiener  Studien  Bd.  13,  1801,  S.  231).  Einen 
Verwandten  erwähnt  Tert.  de  praescr.  39. 

L*)  Das  bezeugen  mehrere  Wendungen  in  seinen  Schriften  (s.  vor  allem 
Apolog.  U)  und  Hieron.,  De  vir.  inl.  53. 

3)  Hieron.  1.  c.  und  Chronik  ad  ann.  1*221.  Die  Stellung  war  eine  sub- 
alterne. 

4)  S.  die  Schriften  und  Kuseb.,  h.  e.  IF,  2,  4:  TeQtv/Mavog  tovg'^Pwfiaitav 


Tertullian.  293 

MO  er  eine  Zeitlang  auch  als  praktischer  Jurist  glänztet  Sein 
Leben  als  Heide  war  mit  den  gewöhnlichen  Lastern  der  Zeit  be- 
fleckt 2.  Da  die  Bekehrung  zum  Christentum  (in  Kom?  in  Kar- 
thago? Die  Motive  sind  unbekannt)  einige  Jahre  vor  197  erfolgt 
sein  muß  —  nach  dem  Apolog.  ist  er  kein  Neophyt,  ist  in  den 
h.  Schriften  bewandert  und  wahrscheinlich  bereits  Presbyter^  — » 

1)  Euseb.,  1.  c:  rct  re  iXXa  ^vdo^og  xal  xcSv  jnaXiara  inl  'PcJ^jy^  ka/x- 
TtQwv.  Woher  Eusebius  diese  Nachricht  hat,  wissen  wir  nicht;  vielleicht  stand 
pie  in  der  Einleitung  zur  griechischen  Übersetzung  des  Apologetikums.  Sie  als 
eine  unrichtige  Ausspinnung  aus  dem  Apolog.  aufzufassen  und  zu  verwerfen, 
liegt  bei  der  bekannten  vorsichtigen  Art  des  Eusebius  —  anders  wäre  es,  wenn 

Hieronymus  die  Nachricht  brächte  —  kein  Grund  vor.  In  der  Frage,  ob  der 
Tertullian  der  Digesten  („De  castrensi  peculio  liber  singularis",  Quaestiones 
libri  VIII)  mit  unserem  Tertullian  identisch  ist,  wird  man  bei  dem  gegenwär- 
tigen Stande  des  Materials  ein  sicheres  Urteil  nicht  abgeben  können.  Die 
Wahrscheinlichkeit  spricht  für  die  Identität;  denn  die  beiden  Tertulliani  sind 
gleichzeitig,  und  die  Schriften  des  Kirchenvaters  bezeugen  nicht  nur  seine 
technische  juristische  Bildung,  sondern  auch,  wie  mir  scheint,  frühere  juristische 
l'raxis.  Dazu  kommt  die  oben  mitgeteilte  bestimmte  Angabe  des  Eusebius. 
Vielleicht  läßt  sich  aber  noch  mehr  sagen:  nach  Hieronymus  war  der  Vater 
Tertullians  „centurio  proconsularis"  in  Karthago;  eine  gewisse  Vertrautheit 
mit  militärischen  Dingen  zeigt  sich  auch  in  den  Jifchriften  Tert.s  (besonders 
merkwürdig  ist  die  Berufung  auf  ein  Zeugnis  der  militärischen  Kompagnie  im 
Apolog.  c.  9:  „Infant^s  penes  Airicam  Satumo  immolabantur  palam  usque  ad 
proconsulatum  Tiberii,  qui  eosdem  sacerdotes  in  eisdem  arboribus  templi  sui 
obumbraticibus  scelenmi  votivis  crucibus  exposuit,  teste  militia  patriae 
iiostrae  quae  id  ipsura  munus  illi  proconsuli  functa  est").  Sollt-e  es 
nun  Zufall  sein,  daß  der  Jurist  Tertullian  „De  castrensi  peculio"  geschrieben 
hat?  Dazu  kommt,  daß  der  Vater  Tertullians  trotz  seiner  subalternen  Stellung 
nicht  ohne  Vermögen  gewesen  sein  kann.  Das  ergibt  sich  aus  der  ausgezeich- 
neten Erziehung,  die  er  seinem  Sohn  hat  geben  lassen,  und  auch  aus  ad  uxor. 
1,  1  folgt,  daß  sich  Tertullian  in  gut^n  Vermögensverhältnissen  befiinden  hat. 
Sollte  etwa  die  Schrift  „De  castrensi  peculio"  ihren  Anlaß  in  persönlichen  Er- 
laubnissen Tertullians  gehabt  haben?  Das  Argument,  das  man  der  Identifizie- 
rung des  Juristen  und  des  Christen  Tertullian  entgegenzusetzen  pflegt  —  es 
ist  das  einzige,  welches  man  anführen  kann;  denn  daß  Tert.  als  Christ  seine 
juristischen  Schriften  nicht  zitiert  hat,  ist  kein  Argument  — ,  die  Verschie- 
denheit des  Stils,  ist  sehr  schwach;  denn  wie  geringfügig  sind  die  Reste,  die 
Avir  von  der  Schriftstellerei  des  Juristen  besitzen,  wie  verschieden  sind  die  ju- 
ristischen und  theologischen  Stoffe,  und  wie  sehr  hat  Tertullian  seinen  Stil 
Veranden  müssen,  als  er  für  Christen  oder  als  christlicher  Anwalt  zu  schreiben 
begann!  Monceaux  (Hist.  litt.  I  p.  ISO  f.)  meint,  der  Jurist  Tertullian  sei 
■wohl  ein  Verwandter  des  Christen;  er  hält  die  Identifizierung  für  unstatthaft, 
übersieht  aber  merkwürdigerweise  die  Angabe  des  Eusebius  ganz.  Recht  hat 
er  mit  dem  Hinweis,  daß  der  Name  Tertullian  auch  sonst  inschriftlich  (für  Dal- 
matien,  Britannien  und  Gallien)  bezeugt  ist;  aber  auf  die  Identität  des  Namens 
allein  hat  sich  niemand  berufen. 

2)  S.  zahlreiche  Äußerungen  in  seinen  Schriften.     Das  Stärkste  steht  De 

3)  Das  wird  allerdings  bestritten,  s.  o.  S.  264  f.  [resurr.  59. 


294  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

SO  fällt  die  Periode  als  Advokat  in  Rom  in  die  Zeit  des  Commodas 
bez.  auch  in  die  letzten  Jahre  des  Marcus.  Daß  er  in  dieser  Zeit 
in  Rom  gelebt  hat,  läßt  sich  auch  aus  den  Schriften  wahrscheinlich 
machen  K  Geboren  ist  er  demgemäß  wahrscheinlicher  um  d  J,  150 
bis  155  als  um  das  J.  160;  denn  in  letzterem  Falle  müßte  er  in 
sehr  jungen  Jahren  ein  berühmter  Jurist  in  Rom  gewesen  sein. 
Die  Zeit  150—155  empfiehlt  sich  auch  im  Hinblick  auf  Ad  uxorem*-; 
denn  diese  Schrift  hat  er  im  „besten"  Alter  (s.  o.  S.  273  f.)  geschrie- 
ben, aber  doch  in  einem  Alter,  in  dem  er  ein  großes  Tagewerk 
bereits  hinter  sich  hatte  und  an  sein  Testament  dachte,  unter 
der  Voraussetzung,  daß  die  Schrift  Ad  uxorem  um  d.  J.  200  ge- 
schrieben ist,  ist  der  Ansatz  160  als  Geburtsjahr  zu  spät;  die  Zeit 
um  150  ist  glaublicher.  Die  Angabe  des  Hieronymus:  „usque  ad 
mediam  aetatem  presbyter  fuit  ecclesiae**,  darf  nicht  gepreßt  wer- 
den; sie  besagt  nur,  daß  er  nicht  erst  als  Greis  die  Kirche  ver- 
lassen hat  In  den  Schrecken  der  Verfolgung  des  Severus  (202/3) 
wahrscheinlich  lernte  er  die  Prophetie  schätzen  und  erkannte  sie 
an;  etwa  4  Jahre  später  brach  er  völlig  mit  der  Kirche  und  mußte 
brechen,  unter  Kailist  (c.  218 — 222),  dessen  Zeit  er  sicher  erreicht 
hat,  war  er,  vom  J.  150  an  gerechnet,  ein  Mann  von  rund  70  Jahren. 
Dies  würde  ausreichen,  um  die  Angabe  des  Hieronymus  zu  decken: 
„fertur  vixisse  usque  ad  decrepitam  aetatem";  doch  mag  er  noch 
einige  Jahre  länger  gelebt  haben.  Wahrscheinlich  ist  dies  sogar, 
weil  er  nach  dem  Zeugnis  des  Augustin,  haer.  86  (und  Prädesti- 
natus)  sich  zuletzt  auch  von  den  Montanisten  getrennt  und  ein 
eigenes  Konventikel  gegründet  hat.  Aus  der  Schrift  De  pudicitia 
oder  aus  irgendeiner  anderen  Schrift  Terts  läßt  sich  dies  nicht 
erschließen.  Die  TertuUianisten  bestanden  in  Karthago  bis  zu 
Augustins  Zeiten  und  hatten  in  der  Stadt  eine  eigene  Basilika. 
Augustin  hat  die  letzten  Reste  der  Sekte  zum  Katholizismus  über- 
geführt. 

Die  Notiz  des  Hieronymus  (De  vir.  inl.  53),  TertuUian  sei  „in- 
vidia  et  contumeliis  clericoruni  Ronianae  ecclesiae  ad  Montani 
dogma  delapsus",  stammt  wohl  aus  der  verlorenen  Schrift  De  ce- 
stasi  (s.  oben  S.  278).  Sie  beweist,  daß  der  römisclie  Klerus  sich  in 
die  karthaginiensischen  montanistischen  Wirren  eingemischt  hat"^; 
aber  sie  beweist   mindestens  nicht  sicher,   daß  TertuUian   selbst 


1)  Ganz  sicher  bezeugt  freilich  nur  Do  cultu  T,  7  den  Aufenthalt  in  Rom: 
„Gemmaruni  quoque  nobilitat^m  vidimus  Rouiao  de  fastidio  Parthonim  et 
Medorum". 

2)  Die  Frau  ist  nach  dieser  Schrift  auch  Christin  ji^ewesen,  war  aber,  wif 
ee  scheint,  von  minder  ernstem  Charakter  als  er,  auch  erheblich  jünger. 

3)  S.  das  zu  De  virg.  vel.  oben  Bemerkt^'. 


Tertullian. 


295 


damals  in  Rom  weilte.  Tertullian  hatte  wohl  in  seinem  Werk 
De  ecstasi  neben  asiatischen  auch  römische  Antimontan isten  be- 
kämpft (vgl.  übrigens  auch  Adv.  Prax.  1),  und  er  hat  isich,  wie  in 
dem  Traktat  Adv.  Valent.  (c.  4),  auch  auf  römische  Montanisten 
berufen.  Das  bot  römischen  katholischen  Klerikern  hinreichenden 
Stoff  zur  Einmischung. 

Hypothesen  über  Reisen  Tertullians  nach  Griechenland,  Be- 
ziehungen zu  Clemens  Alexandrinus'  Schriften  oder  gar  zum  Nil- 
land selbst  etc.,  wie  sie  Nöldechen  aufgestellt  hat,  schweben  in 
der  Luft^. 

Unsere  Ergebnisse  seien  auf  nachstehender  Tabelle  zusammen- 
gestellt: 

Chronologie  des  Lebens  und  der  Schriften 

Tertullians. 

c.  150— c.  155.    Geburt  Tertullians. 

ISO  Erste  Christen  Verfolgung  in  Afrika  unter  dem  Prokonsul 
Saturninus. 

c.  190— c.  195  Übertritt  zum  Christentum  (die  Schiift  Ad  ami- 
cum  philosophum;  oder  hat  er  sie  als  Heide  geschrieben?);  wahr- 
scheinlich wurde  er  bald  darauf  Presbyter. 
I97^nfang.    Ad  martyr. 
197  Sommer  oder  Herbst.    Ad  nationes. 
197  Ende.    Apologeticum  und  bald  darauf  De  testim.  anim. 

De  spect.  lat.  u.  gr.      [De  praescr. 
De  cultu  I  Adv. Marc. (I. u.U. Ausarb.) 

De  bapt  gr.  u.  lat.         Adv.  Hermog. 
De  paenit 
De  pat. 
De  cultu  II 
De  oratione 
Ad  uxor.  I.  II 
De  idolol2. 


198—202/3. 


Adv.  Judaeos^ 


Y  ■  - 


1)  Was  dem  Tertullian  und  Clemens  gemeinsam  ist,  zwingt  an  keiner 
Stelle  dazu,  eine  Benutzung  dieses  durch  jenen  anzunehmen,  vielmehr  genügt 
die  Ki-wagung,  daß  beide  dieselben  stoischen  Gedankenreihen  (vielleicht  auch 
dieselben  stoischen  Handbücher)  benutzt  haben. 

2)  Es  ist  nicht  unmöglich,  wenn  auch  nicht  walirscheinlich,  daß  ein  Teil 
diey»r  t:?chriften  schon  vor  d.  J.  198,  also  c.  105—197  geschrieben  sind.  Die 
oben  gegebene  Reihenfolge  ist  nur  z.  T.  sicher,  i^echzehn  Schriften  in  5  Jahren 
erscheint  etwas  viel.  Aber  warum  soll  der  lebhaft«  und  eifrige  Autor,  der 
augenscheinlich  leicht  schrieb,  nicht  drei  solcher  Traktate  jährlich  verfaßt  haben? 

3)  Die  R<?ihenfolge  ist  wahrscheinlich. 


J 


wahrscheinlich. 


^  Zwischen  208/9 
und  213  ff. 


296  Die  Litteratur  des  Abendlandes. 

202  (oder  vielleicht  erst  203).  Das  Christenedikt  des  Severus. 
Tertullian  lernt  die  neue  Prophetie  kennen  und  schätzen. 

202/3— c.204/5.  f  De  ecstasi  lib.  VIT 

De  spe  fideliuni 
De  paradiso  ^ 

204—206/7.  fDe  exhort  cast 

[De  virg.  vel.  gr.  u.  lat.^ 
207/8  (oder  schon  206/7).     Der  Bruch  mit  der  Kirche.    Die 
Montanisten  scheiden  aus,  und  Tertullian  tritt  ihrer  Sekte  bei. 

207/8.    Adv.  Marc  (IIT.  Bearbeitung),  Buch  I— IV. 
Um  207/8.    Adv.  Valent 

Adv.  Apell. 
^210  (209).     De  pallio. 
'^211.    De  Corona. 

.211  oder  212.    De  fuga. 

De  came 
De  censu  animae 
De  aniraa^ 
De  resurr. 
Adv.  Marc.  V. 
212  Ende  oder  213  erster  Anfang.    Ad  Scapulam. 
212  oder  213.    Scorpiace. 
c.  213—218.    Adv.  Prax. 
Bald  nach  217/8.    De  monog.  und  De  ieiunio. 
Nicht  lange  vor  222/3.    De  pudicitia. 

Bald  nach  222/3  (schwerlich  schon  vorher)  Tertullians  Tod, 
nachdem  er  sich  von  den  Montanisten  getrennt  hatte  und  Haupt 
einer  eigenen  Sekte  geworden  war. 

11)  Die  lateinische  Bibel  zur  Zeit  Tertullians 

und  vor  Tertullian. 

Im  J.  1888  üben-aschte  Zahn  (Gesch.  des  NTlich.  Kanons  I 
S.  51  ff.)  die  Fachgenossen  mit  der  Behauptung,  für  die  er  auch  den 
Beweis  zu  bringen  versuchte,  daß  es  um  d.  J.  200,  ja  auch  noch 
in  den  ein  bis  zwei  Jahrzehnten  nach  200  eine  lateinische  Bibel- 
übersetzung nicht  gegeben  hat^. 

1)  Die  Reihenfolge  ist  ungowiß. 

2)  Die  Reihenfolge  ist  ungewiß. 

';\)  "Wann  De  fato  verfaßt  ist,  liißt  sich  nicht  vermuten. 

4)  An  einer  Stelle  behauptet  Zahn,  Tertullians  Bibelzitate  seien  durchweg 
Lbersetzungen  aus  dem  Stegreif  (S.  53);  doch  gesteht  er  andererseits  zu,  daß 
die  Anfänge  der  lateinischen  Bibel  in  Afrika  c.  210  angesetzt  werden  kennen. 


Die  lateinische  Bibel  zur  Zeit  Tertullians  und  vor  Tertullian.  297 

Gewiß  ist,  daß  die  römische  Kirche  lange  Zeit  hindurch  vor- 
herrschend in  der  griechisch  sprechenden  Bevölkerung  Korns  die 
Mehrzahl  ihrer  Glieder  hatte  und  daß  auch  die  karthaginiensische 
Gemeinde  anfangs  ein  nicht  unbedeutendes  griechisches  Element 
enthalten  hat:  wie  überall  werden  Griechen  auch  hier  die  ersten 
Christen  gewesen  sein.  Dafür  darf  man  sich  auch  auf  die  von 
Tertullian  in  griechischer  Sprache  verfaßten  Schriften  (s.  o.)  und 
auf  Acta  Perpet.  V]  LFA  coepit  Perpetua  Graece  cum  illis  loqui") 
sowie  auf  die  alten  griechischen  Übersetzungen  der  ältesten 
afrikanischen  Martyrien  berufen.  Zweifellos  ist  ferner,  daß  im 
Gottesdienst  zu  Karthago  ursprünglich  die  Bibel,  weil  sie  nur 
griechisch  vorhanden  war,  lateinisch  für  die  des  Griechischen  un- 
kundigen verdolmetscht  werden  mußte.  Endlich  hat  Zahn  er- 
wiesen, daß  Tertullian  sehr  oft  in  seinen  Schriften  augenscheinlich 
nicht  eine  lateinische  Bibel  bez.  lateinische  biblische  Schriften  neben 
sich  liegen  hatte,  sondern  griechische,  und  sie  ad  hoc  ins  Lateinische 
übersetzte  (vgl.  sein  Verhältnis  zum  griechischen  Irenäus  in  Adv. 
Valent.). 

Erwiesen  ist  aber  damit  keineswegs,  daß  es  überhaupt  noch 
keine  lateinischen  Übersetzungen  biblischer  Bücher  in  (Rom  und) 
Karthago  gegeben  hat.  Dem  Tertullian  muß  das  Griechische  fast 
so  geläufig  wie  das  Lateinische  gewesen  sein.  Auch  angenommen, 
er  habe  niemals  eine  lateinische  Übersetzung  bei  Abfassung  seiner 
Traktate  benutzt,  so  könnte  der  Grund  dafür  in  der  Beschaffenheit 
der  ältesten  lateinischen  Bibelübersetzungen  zu  suchen  sein.  Daß 
sie  barbarisch,  d.  h.  vulgär,  sklavisch  genau  und  schlecht  waren, 
können  wir  noch  heute  aus  den  Resten  feststellen.  Wer  benutzt 
eine  notorisch  schlechte  Übersetzung,  wenn  ihm  die  Sprache  des 
Originals  so  geläufig  ist  wie  die  Muttersprache,  und  wenn  er  nur 
das  Original  für  authentisch  hält? 

Indessen  die  eben  angenommene  Voraussetzung  ist  falsch:  Tert 
hat  sicher  auch  lateinische  Übersetzungen  biblischer  Bücher  be- 
nutzt Aber  auch  sonst  haben  wir  Beweise,  daß  es  solche  bereits 
am  Ende  des  2.  Jahrhunderts  gegeben  hat.  Es  ist  hier  nicht  der 
Ort,  dieselben  pünktlich  und  im  einzelnen  nachzuweisen;  auch  ist 
die  Untersuchung  überhaupt  noch  nicht  so  weit  vorgeschritten,  um 
die  ältesten  lateinischen  Übersetzungen  genau  von  denen  aus  der 
Zeit  Cyprians  zu  unterscheiden.  Aber  für  unsere  Zwecke  werden 
folgende  Beobachtungen  ausreichend  sein^: 


—  Schanz  (a.  a.  0.  S.  805)  behauptet  ebenfalls,  daß  Tert.  allem  Anschein  nach 
noch  keine  lateinische  Bibel  in  HUnden  gehabt  habe. 

1)  Man  vgl.  auch   den  ausführlichen  und  trefflichen  Abschnitt  bei  Mon- 
coaux  (Hist.  litt.  I  p.  07—173):   La  Bible  Latine  en  Afrique. 


298  -^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

(1)  Die  Konfessoren  zu  Scili  (i.  J.  180,  s.  u.)  und  die  im  Per- 
petua-Prozeß  (202  oder  203)  zeigen  sich  in  der  heiligen  Schrift  be- 
wandert; einige  von  ihnen  haben  griechisch  gekonnt,  die  Sdlitaner 
gewiß  nicht.  In  der  Einleitung  zu  den  Acta  Perpet  steht  aber 
noch  zum  Oberfluß,  daß  diese  Akten  ebenso  wie  die  heiligen 
Schriften  zur  privaten  Lektfire  dienen  sollen.  Hierbei  kann  — 
wie  ja  auch  die  Akten  der  Perpetua  selbst  lateinisch  abgefaßt 
sind  —  nur  an  die  private  Lektfire  lateinischer  Übersetzungen 
biblischer  Bücher  gedacht  werden.  Also  gab  es  solche  ^  Es  kommt 
dazu,  daß  in  den  Act  Perpet  einige  biblische  Verse  genau  so 
zitiert  werden  wie  von  Tert 

(2)  In  bezug  auf  die  lateinische  Übersetzung  des  L  Clemens- 
briefes habe  ich  es  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  daß  sie  keiner 
späteren  Zeit  als  dem  2.  Jahrhundert  angehört^;  auch  die  Über- 
setzung des  Hermas  kann  man  nicht  nach  200  rücken,  wahrschein- 
lich ist  sie  bedeutend  älter  ^.  Sind  solche  Schriften  vor  d.  J.  200  in 
das  Lateinische  übersetzt,  wie  sollten  die  h.  Schriften  des  A.  Tjs,  die 
Evangelien,  die  Paulusbriefe  unübersetzt  geblieben  sein!  Zahn 
freilich  hält  es  für  „sehr  mOglich",  daß  sogar  ein  Werk  wie  das 
des  Irenäus  um  200  bereits  ins  Lateinische  übersetzt  war,  während 
von  den  h.  Schriften  noch  keine  einzige  übersetzt  war!* 

(3)  Die  monarchianischen  Prologe  zu  den  Evangelien  können 
nicht  später  als  in  der  Zeit  des  römischen  Bischofs  Zephyrin  ver- 
faßt, bez.  aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische  übersetzt  worden 
sein^;  denn  z.  Z.  Kallists  war  der  ungebrochene  Modalismus  nicht 
mehr  die  offizielle  Lehre  in  Rom  (die  Zeitbestimmung:    „erstes 


1)  S.  CorBsen,  Bericht  über  die  lateinischen  Bibelübersetzungen  (Sonder- 
abdruck aus  dem  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  klass.  Altert.-Wis- 
sensch.),  1899,  S.  9  f.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es ,  daß  die  Frage  des  Pro- 
konsuls  im  Prozeß  der  Scilitaner  und  ihre  Antwort:  „Quae  sunt  res  in  capsa 
vestra"  —  „Libri  et  epistulae  Pauli  viri  iusti",  auf  einen  Kasten  zu  beziehen 
sind,  den  sie  mit  sich  führten  (und  nicht  auf  eine  capsa  im  christlichen  Ver- 
sammlungsgebäude).  Dann  ist  es  gewiß,  daß  diese  kleinen  Leute  die  latei- 
nische Übersetzung  der  Ew.  und  Paulusbriefe  bei  sich  führten;  so  auch  Mou- 
ceaux,  a.  a.  0.  p.  104.  —  Auf  die  Annahme,  bereits  der  Brief  der  lugdunen- 
sischen  Märtyrer  (Euseb.  h.  e.  V,  1  f.)  zeige  Bekanntschaft  mit  lateinischen 
Übersetzungen  biblischer  Bücher  (so  Robinson,  Texts  a.  Stiid.  1,2  p.  97ff., 
s.  Corssen,  a.  a.  0.  S.  11),  möchte  ich  mich  niclit  berufen. 

2)  Sitzungsber.  der  K.  Akad.  der  Wiss.  1894  S.  201  tf.  üOlif. 
ij)  Näheres  s.  im  folgenden  Abschnitt. 

4)  Zahn,  a.  a.  0.  l  S.  'i8.  —  Die  Annahme,  die  ich  einst  ausgesproeheu 
habe  (Theol.  Litt.-Ztg.  1S94  Kol.  1Ö2),  daß  es  wahrscheinlich  nur  zwei  groß«* 
Übersetzungsperioden  in  der  vorjustinianischen  lateinischen  Kirche  gegeben  hat, 
nämlich  zwischen  c.  150 — 25()  und  c.  370—430,  halte  ich  fest. 

5)  Die  letztere  Frage  mag  hier  auf  sich  benihen. 


Die  lateinische  Bibel  zur  Zeit  Tertulliuns  und  vor  Tertullian.         299 

Drittel  des  3.  Jahrhunderts"  ist  m.  E.  zu  weit,  s.  o,  S.  204  ff.). 
Diese  Prologe  aber  sind  natürlich  für  eine  Ausgabe  der  Evangelien 
(vielleicht  der  ganzen  Bibel)  geschrieben.  Also  gab  es  zur  Zeit 
Zephyrins  eine  lateinische  Bibel*. 

(4)  In  einer  nach  vielen  Seiten  lehrreichen  Untersuchung  über 
„Zwei  neue  Fragmente  der  Weingartener  Prophetenhandschrift •* 
(1899)  hat  Corssen  durch  Beobachtung  der  inneren  Geschichte, 
d.  h.  der  Veränderungen  der  Texte  in  den  ältesten  lateinischen 
Bibelhandschriften  gezeigt,  daß  man  sie  bis  zum  Anfang  des  ;l 
Jahrhunderts,  „und  vielleicht  noch  weiter  zurück",  hinaufführen 
müsse,  d.  h.  daß  es  erheblich  ältere  lateinische  Bibeltexte  als  die 
Zeit  Cyprians  gegeben  habe  -. 

(5)  Nach  der  wahrscheinlichsten  Deutung  der  Stelle  IV,  60  des 
Kommentai-s  Hippolyts  zum  Daniel  ^  —  einer  der  frühesten  Schriften 
Hippolyts  —  gab  es  damals  eine  lateinische  Bibel.  Die  Worte 
lauten :  löe  vvv,  o>  apO^Qoojts^  ra  jtaXai  lötpQaytOfitpa  xai  yvatod-fivac 
///}  dvpafispa  vvv  JtaQQf/Ola  ,Jjrl  tcop  öcofiarrop^  xrjQvöoerai  xal  7j 
T/jg  ^co^g  ßißXoq  Ixxad^Bloa  yöt]  q)apsQcog  ijtl  §vXov  7}jtX(OTaL  ixovoa 
„TiTylor"  ,,Q(OfialöTl  xäl  tXXrjPiöxl  xal  tßQa'ioxl^  ysyQa/ifiipoP,  ojccog 
xai  ^Po)/ialoi  xaVEXXrjpsg  xal  ^Eßgatoi  öiöax^coOiP,  l'pa  jtQoööoxcovreg 
Ol  äpOQco:^oi  ra  (liV.opra  ayad-a  jtioxBVömoip  xolg  hxtl  iyyeyQafi- 
[itpoig  Ip  xavxfj  „r/y  ßißXcp  xfjg  ^0}7Jg'^  xolg  xal  xijqvx^bIöip  kp  oXfo 
x(p  xooficp  XX X,  Wie  mir  scheint,  hat  Hippolyt  nicht  nur  an  den 
(liekreuzigten  gedacht,  sondern  auch  an  das  Buch,  das  von  ihm 
zeugt,  welches  römisch,  griechisch  und  hebräisch  geschrieben  war. 

(6)  Der  wichtigste  Zeuge  bleibt  Tertullian  selbst: 

la)  Es  lassen  sich  mehrere  Stellen  anführen  —  sie  sind  öfters 
]i  er  vorgehoben  worden  — ,  die  aufs  klarste  dartun,  daß  Tertullian 
neben  dem  griechischen  Bibeltext  einen  geläufigen,  also  nicht 
von  ihm  selbst  geprägten,  lateinischen  Übersetzungstext  kannte  und 
sich  mit  ihm  auseinandersetzte  bez.  ihn  widerlegte.  Es  ist  nicht 
leicht,  diese  Stellen  so  zu  verstehen,  daß  immer  nur  der  einzelne 
Vers  lateinisch  übei'setzt  war  und  gleichsam  als  ein  geflügeltes 
Wort  umlief,  oder  daß  nur  eine  kleine  Perikope  lateinisch  fixiert 
war,  vielmehr  ist  es  das  Nächstliegende,  daß  das  ganze  Buch  in 
Übersetzung  vorlag.  Indessen  lassen  sich  zur  Not  die  Stellen 
partikular  verstehen,  und  deshalb  soll  auf  sie  kein  entscheiden - 
<les  Gewicht  gelegt  werden^. 

1). Corssen,  Monarcbianische  Prologe  zu  den  4  Ew.  in  Texte  u.  Unters. 
I'mI.  IT),  H.  1  (1896). 

2)  Vgl.  V.  Dobsehütz,  Theol.  Litt.-Ztg.  1809  Kol.  054. 

■:\)  Hrsg.  von  Bonwetsch  (1897)   S.  338. 

Ii  Man   vjxl.    z.  B.   Adv.  Marc.  11,  9   („Impriniis   tenendum   quod   Graeca 


300  I^^  Lüteratixr  des  Abendlandes. 

(b)  Erwiesen  ist  es  —  und  die  Nachweise  werden  immer  zahl- 
reicher — ,  daß  umfangreichere  Schriftzitate  bei  Tertullian  (in  einigen 
Fällen  auch  kürzere)  so  enge  und  wörtliche  Parallelen  in  den 
Schriftzitaten  späterer  lateinischer  Autoren  von  Cyprian  ab  (doch 
s.  schon  Acta  Perpet.).  sowie  in  alten  lateinischen  Bibelhandschriften 
haben,  daß  an  Zufall  nicht  gedacht  werden  kann.  Da  aber  auch 
die  Annahme,  jene  Autoren  hätten  Tertullians  Zitate  abgeschrieben, 
ausgeschlossen  ist,  so  ist  der  Schluß  unvermeidlich,  daß  dem  Ter- 
tullian —  mindestens  für  eine  beträchtliche  Anzahl  biblischer 
Bucher  —  bereits  lateinische  Übersetzungen  vorgelegen  haben  und 
er  sie  ausgeschrieben  hat^ 


scriptnra  signaTit,  afiflatam  nominans.  non  spiritiun.  qnidam  enim  de  Graeco 
interpretantes  non  recogitata  differentia  nee  corata  proprietate  Terbomm  pro 
afflatn  spiritnm  ponnnt  et  dant  haereticis  occasionem  et«.");  De  monog.  11 
(yySciamos  plane  non  sie  esse  in  Graeco  authentico,  quomodo  in  nsum  exiit  {»er 
dnaram  syllabamm  aut  callidam  aut  simplicem  eveisionem  [I  Kor.  7,  :>!»]:  si 
aiitem  dormierit  vir  eins,  quasi  de  fiituro  sonet,  ac  per  hoc  videatiir  ad 
eam  pertinere  qaae  iam  in  fide  Tirum  amiserit");  Adv.  Prax.  5  („Hanc  [seil. 
rationem  dei]  Graeci  Xoyov  dicunt,  quo  vocabnlo  etiam  sermonem  appellainus. 
ideoqne  iam  in  usu  est  nostrorum  per  simplicitatem  interpretationis  sermonem 
dicere  in  primordio  apnd  demn  fnisse,  cum  magis  rationem  competat  antiquiorem 
haberi  etc.").  Cf.  Adv.  Marc.  lY,  1.  De  paenit.  9.  Hierher  gehört  auch  die 
Beobachtung,  daß  „die  lateinischen  Christen  bereits  gelernt  hatten,  die  Sachen 
des  Glaubens  in  ihrer  Sprache  zu  behandeln",  und  daß  sich  bereits  eine  termino- 
logische Glaubenssprache  ausgebildet  hatte  (De  pudicit.  4:  „Imprimis  quod 
moechiam  et  fomicationera  nominamus,  usus  expostulat;  habet  et  fides 
qnorundam  nominum  famiUaritatem,  ita  in  omni  opusculo  usum  custodimus"!. 
„Es  ist  mehr  als  selbstverständlich,  daß  in  einer  Zeit,  wo  so  viel  geschrieben 
wurde,  Übersetzungen  von  den  Schriften,  auf  denen  der  Glaube  beruhte,  in  den 
Händen  lateinischer  Christen  waren"  {Core?sen,  "Weingartener  Fropheten- 
handschr.  S.  40).  Daß  die  Übersetzung  zu  Rom.  <>,  _>8  in  De  resurr.  47:  ,,sti- 
pendia  enim  delinquentiae  mors,  donativum  autem  dei  vita",  von  Ter- 
tullian vorgefimden  worden  ist,  macht  Corssen  a.  a.  0.  S.  40  unter  Hinweis  auf 
De  coron.  1  wahrscheinlich  (cf.  auch  dort  seine  Bemerkungen  zu  Act.  Perpet.  1 
und  Adv.  Marc.  V,  8). 

1)  Übereinstimmungen  der  Bibeltexte  bei  Tertullian  imd  Cyprian  hat  Mon- 
ceaux  1  p.  ll.SflF.  zusammengestellt;  über  Tertullian  und  Tichonius  s.  ßurkitt, 
Texts  and  Stud.  llf,  1  p.  LXVlIf.  (über  „resignaculum"  in  Tert.s  Text  von 
Ezech.  28,  Hfl'.).  „Side  by  side  with  TertuUian's  own  iiaraphrases  and  trans- 
lations",  sagt  Burkitt,  „we  no  doubt  ofben  meet  with  genuine  fragments  of  the 
oldest  forms  of  the  Latin  version".  Tertull.  und  Ambrosiaster  1.  c.  p.  LI  (zu 
fl  Thess.  2,  7,  wo  beide  „qui  nunc  tenet.  teneat"  lesen,  auch  der  Cod.  d2). 
S.  auch  1.  c.  p.  CV:  „The  use  of  pressura  in  the  Apocaly|)se  for  d^XitpLQ  [Teri.) 
.  .  .  secms  to  be  a  survival  of  a  yet  earlier  stage  of  the  African  Latin". 
Zimmer  (Stud.  und  Skizzen  aus  Ostpreußen  1887)  hat  alles,  was  wir  von  alten 
Übersetzungen  vom  Galaterbrief  bis  z.  J.  1887  hatten,  zusammengestellt  und 
ist  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  daß  auch  der  Text,    den  Tert.  bietet,  mit  den 


Die  lateinische  Bibel  zur  Zeit  Tertulliana  und  vor  Tertullian.  301 

(c)  Hiermit  stimmt  eine  Beobachtung,  die  bisher  noch  nicht 
umfassend  und  abschließend  angestellt  worden  ist,  deren  Wichtig- 
keit aber  Wobbermin  und  ich  an  großen  Abschnitten  der  ter- 
tuUianischen  Schriftstellerei  erprobt  haben,  daß  nämlich  eine  be- 
trächtliche Anzahl  der  Bibelzitate  TertuUians  sich  lexikalisch 
und  namentlich  syntaktisch  und  stilistisch  scharf  Von  seiner 
eigenen  Schreibweise  unterscheidet  Diese  Tatsache  ist  unerklärbar, 
wenn  er  selbst  der  Übersetzer  in  diesen  Fällen  sein  soll.  Warum 
sind  seine  Bibelzitate  an  unzähligen  Stellen  so  viel  „vulgärer",  als 
seine  selbständigen  Ausführungen?* 


übrigen  alten  lat.  Übersetzungen  so  nahe  verwandt  ist,  daß  er  nicht  Eigentum 
Tert.s  gewesen  sein  kann.  Wobbermin  (s.u.)  hat  eine  Reihe  der  ausführlichen 
Bibelzitate  Tert.8  mit  der  „Itala"  verglichen  und  ist  zu  demselben  Resultat  ge- 
kommen (besonders  für  die  Paulusbriefe).  Besonders  schlagend  ist  auch  eine 
Vergleichung  von  Deut.  13,  7&\  bei  Tertull.  Scorp.  2  und  Lucifer  v.  Cagliari, 
De  non  parcendo  2. 

1)  Bei  Corssen  (Weingartener  Prophetenhandschrifb  S.  45 f.)  kann  man 
Matenal  finden,  das  hierher  gehöi-t.  Hätte  Tert.  selbst  (11  Kor.  2,  7,  De  pudic.  13) 
cicxe  cum  Inf.  durch  ut  cum  Inf.  wiedergegeben,  hätte  er  (Jes.  9,  6,  Adv.  Marc. 
HI,  15)  geschrieben  „cuius  imperium  factum  est  super  humerum  ipsius",  (Deut.  13,8, 
Scorp.  2),  „non  parcet  super  eum"?  Können  die  sklavischen  und  unverständ- 
lichen Übersetzungen  von  11  Kor.  5,  10  (De  resurr.  43),  I  Thess.  2,  19  (De  re- 
surr. 24),  II  Thess.  2,  4  (1.  c.)  und  wiederum  I  Thess.  5,  3  (1.  c.)  von  ihm  her- 
rühren? Ist  nicht,  wenn  sich  für  nQoaxoXXäoB^ai  „agglutinari"  und  „adhaerere", 
fiir  i'axvg  „valentia"  und  „vigor",  für  afiagxla  „delinquentia"  und  „delictum" 
etc.  bei  ihm  finden,  das  eine  Wort  der  vulgären  Bibelübersetzung  entnommen? 
Hätte  er  selbst  (De  monog.  4)  in  Gen.  2,  18  (ßofjO'Og)  „adiutorium"  geschrieben, 
wenn  er  es  nicht  vorgefunden  hätte?  —  Wobbermin  hat  in  einer  ungedruckten 
Berliner  Preisschrift  über  unsere  Frage  vom  J.  1891,  die  ich  hier  mit  Erlaubnis 
des  Verfassers  benutze,  ein  reiches  Material  zusammengetragen,  um  zu  zeigen, 
daß  der  Sprachgebrauch  im  eigenen  Text  Tert.s  oftmals  ein  anderer  ist  als  der 
in  den  von  ihm  zitierten  Bibelstellen.  In  Tert.s  eigenem  Text  z.  B.  ist  „quod** 
für  den  Acc.  cum  Inf.  nicht  häufig,  „quia"  außerordentlich  selten.  Dagegen 
ist  „quia"  in  Bibelzitaten  bei  ihm  verhältnismäßig  häufig.  Es 
findet  sich  in  Bibelzitaten  bei  ihm  18mal,  sonst  nur  4mal!  (Auch 
„quod"  kommt  40  mal  in  Bibelzitaten  vor,  während  es  sonst  bei  Tert.  für  den  Acc.  c. 
Inf.  in  allen  seinen  Schriften  sich  nur  43  mal  findet).  Ich  selbst  habe  in  dieser 
Hinsicht  nur  Adv.  Prax.  durchgearbeitet,  kann  aber  Wobbermins  Beobachtung 
von  hier  aus  bestätigen:  der  Gebrauch  von  „quia"  in  den  Bibelzitaten  ist  ein 
sicheres  und  der  Gebrauch  von  „quod"  ein  ziemlich  sicheres  Kennzeichen, 
daß  Tert.  nach  einer  Übersetzung  zitiert.  Findet  sich  doch  „quod"  in  De  pud. 
nur  in  Bibelzitaten  (11  mal),  in  De  resurr,  fast  nur  in  solchen  (18  mal  unter  20 
Stellen)!  Weiter:  „manducare"  ist  vulgär,  „edere"  („comedere",  „vesci")  feiner. 
In  Zitaten  hat  Tert.  sehr  liäufig  „manducare";  wenn  er  selbst  spricht,  braucht 
er  es  fast  nie!  Besonders  bezeichnend  ist  hier  De  ieiunio  15.  In  Zitaten  braucht 
Tert.  „baptismum",  sonst  „baptismus",  „baptisma",  „tinctio",  „Sperare  in  ali- 
quo"  findet   sich   nur  in  Zitaten  (häufig).    Ahnliches  begegnet  oft;   es  ist  nur 


302  ^0  Litteratur  des  Abendlandes. 

Aus  allen  diesen  Beobachtongen  folgt,  daß  es  z.  Z.  Tertallians 
lateinische  Übersetzungen  biblischer  B&cher  —  wenn  nicht  aller, 
so  doch  der  Mehrzahl  —  gegeben  hat  Schon  am  das  J.  180  waren 
solche  höchst  wahrscheinlich  vorhanden  (Ew.  und  Paulasbriefe). 
Ja  es  ist  sogar  wahrscheinlich,  daß  es  um  200  für  einzelne  Bttcher 
bereits  mehrere  Übersetzungen  gegeben  hat  Hätte  es  nämlich  nur 
eine  gegeben,  so  ließe  sich  das  Verhalten  Tertullians  nicht  leicht 
erklären.  Diese  eine  hätte  doch  eine  gewisse  Autorität  beanspracht. 
Eben  deshalb  aber  ist  dem  TertuUian  lediglich  das  griechische 
Original  maßgebend  gewesen,  weil  eine  authentische  Übersetzung 
nicht  vorhanden  war.  Übrigens  legt  auch  die  Übersicht  über  das 
Verhältnis  des  cyprianischen  Bibeltextes  zu  anderen  altlateinischen 
Besten  der  Bibel,  speziell  auch  zu  dem  Texte  Terts,  die  Vermutung 
sehr  nahe,  daß  die  Geschichte  der  lateinischen  Bibel  mit  mehreren 
Übersetzungen  begonnen  hat  Ja  Corssen  sucht  es  wahrscheinlich 
zu  machen,  daß  in  den  Texten,  die  Tertullian  benutzt  hat,  bereits 
Textmischungen  stattgefunden  haben  K  Auf  eine  Verderbnis  in  dem 
von  Tertullian  gebrauchten  lateinischen  Text  ist  öfters  hinge- 
wiesen worden.  In  Adv.  Marc.  V,  3  gibt  er  „vlol  ß-eov^  (Galat 
3, 26)  durch  „filii  fidei"  wieder,  ein  In*tum,  der  nur  aus  Dittographie 
im  Lateinischen  entstanden  sein  kann  \ 

Die  seit  dem  letzten  Viertel  (schon  früher?)  des  2.  Jahrh.  ent- 
standenen lateinischen  Übersetzungen  biblischer  Bücher  sind  durch 
ihre  sklavische  Wörtlichkeit  (bis  zum  Unverständlichen)  und  durch 
ihre  Vulgarismen  und  Fehler  geradezu  eine  crux  für  die  Ver- 
breitung des  Christentums  bei  den  gebildeten  Lateinern  geworden^. 


12)  Die  alten  latelnisclien  Übersetzungen  ATIielier  apokrypher 
Bflcher,  des  altromischen  Symbols,  des  I.  Clemensbriefs,  des 
Hirten  des  Hermas,  der  Didaehe,  der  Acta  Paali  and  des 

Hauptwerks  des  Irenäns. 

Aus  der  christlich-lateinischen  Übersetzungslitteratur,  über  die 
ich  Teil  I  S.  8S3£  eine  Übersicht  gegeben  habe,  hebe  ich  diese 
sieben  Stücke  hervor,  weil  sich  aus  ihrem  Inhalte  —  bez.  dem  Inhalte 


noch   nicht    zusammenf^festellt.     Ein  Teil   der  Bibelzitate  Tert.s   erweist   8i<li 
lexikalisch  und  stilistisch  als  übernommen. 

1)  Weingartener  Prophetenhandschrift  S.  46 f. 

2)  Zahn  8  Auskunft,  dies  sei  Marcions  Text  und  eine  absichtliche  Korrektur, 
ist  sehr  unwahrscheinlich. 

3)  Daß  sie  z.  T,  die  Sprache   des  Lagers  verraten,   darüber  s.  Corssen, 
a.  a.  O.  S.  49. 


Die  alten  lateiniscilen  Cbersetzungen  ATI  icher  apokrypher  Bücher  usw.     303 

niid  Ansehen^  —  wahrscheinlich  machen  läßt,  daß  sie  dem  3.,  ja 
teilweise  sogar  noch  dem  2.  Jahrhundert  angehören  müssen  2.  Der 
sicherste  Weg  zur  Feststellung  ihres  Alters  scheint  der  der  Unter- 
suchung ihres  Sprachcharakters  unter  Vergleichung  der  Reste  der 
ältesten  lateinischen  Bibelübersetzungen  zu  sein.  Allein  die  For- 
schung steht  hier  noch  in  den  Anfängen;  was  sie  noch  nicht  ge- 
leistet hat,  kann  hier  nicht  nachgeholt  werden.  Es  müssen  zudem 
zueret  die  Texte  gesammelt  und  gereinigt  vorliegen,  bevor  njan  an 
eine  Untersuchung  dieser  Art  gehen  kann.  So  müssen  wir  uns 
darauf  beschränken,  in  Umrissen  die  Zeitlage  dieser  Übersetzungen, 
die  für  die  christlich -lateinische  Litteratur  so  wichtig  geworden 
sind,  anzugeben. 

(1)  Daß  die  alttestamentlich-apokryphen  Bücher  ein- 
schließlich solcher  Apokalypsen  wie  die  Ascensio  Isaiae  nicht  später 
als  im  3.  Jahrhundert  übei^setzt  worden  sind,  bedarf  keines  Be- 
weises. Was  damals  nicht  übersetzt  worden  ist,  blieb  —  von  zu- 
fälligen Unternehmungen  abgesehen  —  unübersetzt;  denn  der  Um- 
fang der  heiligen   Schriften  A.  T.s  war  erstarrt.    Alles,  was  im 


1)  Die   äußere  Bezeugung   ist   leider  nur  in  wenigen  Fällen  für  die  Be- 
stimiDung  der  Ursprungßzeit  von  Wichtigkeit. 

2)  Von  der  alten  lateinischen  Obersetzung  des  Barnabasbriefes,  die 
uns  in  einer  Handschrift  des  10.  Jahrhunderts  erhalten  ist,  sehe  ich  ab.  Sie 
steht  in  der  Handschrift  neben  dem  Jacobusbrief ;  daß  dit^ser  aber  schon  im  3. 
.Tahrh.  ins  Lateinische  übei'setzt  worden  ist,  läßt  sieh  nicht  nachweisen.  Aber 
auch  abgesehen  von  der  unsicheren  Annahme,  die  Cbersetzungen  beider  Briefe 
prehörten  zusammen  —  der  griechische  Text  des  Barnabasbriefes,  der  dem 
Lateiner  vorlag,  scheint  kein  guter  mehr  gewesen  zu  sein.  Es  bleibt  also  die 
Anfertigung  einer  lateinischen  Übersetzung  des  Briefes  schon  im  ';\,  oder  gar 
im  2.  Jahrh.  eine  bloße  Möglichkeit,  die  man  vielleicht  durch  den  Hinweis  zu 
f-tützen  vermag,  daß  der  Brief  die  Periode  seines  größten  Ansehens  damals  ge- 
habt hat.  Ob  eine  genaue  I^^ntersuchung  des  Sprachcharakters  des  Briefes  in 
der  lateinischen  Form  zu  einer  festeren  Datiening  der  Übersetzung  führen  wird, 
ist  abzuwarten.  —  Auch  von  der  lateinischen  Übersetzung  der  Ignatiusbriefe, 
des  Polykarpbriefes  und  des  Martyriums  Polykarps  ist  hier  abzusehen 
jius  Gründen,  die  im  I.  Teile  dieser  Litteraturgeschichte  ( Überliefe ning  und 
Bestand)  S.  71).  70.  74  angegeben  sind.  Die  Übersetzung  der  echten  Ignatius- 
}>riefe  ist  erst  im  späten  Mittelalter  angefertigt  worden;  die  des  Polykarpbriefes 
ist  in  allen  Handschriften  verbunden  mit  der  der  unechten  Ignatiusbriefe,  und 
wenn  daraus  auch  nicht  sicher  gefolgert  werden  kann,  daß  sie  von  derselben 
Hand  herrührt  (einiges,  was  dagegen  spricht,  hat  Lightfoot,  Ignat.  u.  Polyk., 
].  Edition,  I  p.  534 f.  geltend  gemacht;  es  ist  aber  nicht  >ael),  so  bleibt  doch 
diese  Vermutung  die  nächstliegende.  Deutlich  ist,  daß  der  griechische  Text, 
nach  welchem  die  Übersetzung  gemacht  worden  ist,  nicht  frei  von  Irrtümern 
war;  die  Frage  muß  also  unentschieden  bleiben.  Die  lateinische  Übersetzung 
des  Martyriums  des  l^olykai'p  ist  zusammen  mit  der  Pionius-Vita  Polykarps 
angefertigt  worden,  ist  also  verhältnismäßig  jung. 


304  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

letzten  Jahrhundert  an  alttestamentlichen  Apokalypsen  in  lateini- 
scher Übersetzung  aufgetaucht  ist  und  was  wir  noch  zu  erwarten 
haben,  hat  das  Vorurteil  für  sich,  daß  es  vor  c.  300  entstanden  ist. 

(2)  unzweifelhaft  gehört  die  lateinische  Übersetzung  des  alt- 
römischen Symbols  dem  2.  Jahrhundert  an,  ja  sie  muß  der  Ee- 
daktion  des  griechischen  Originals  auf  dem  Fuße  gefolgt  sein.  Da 
das  Symbol  bei  der  Taufe  gebraucht,  d.  h.  gesprochen  wurde,  von 
Anfang  an  aber  zahlreiche  Mitglieder  der  römischen  Christen- 
gemeinde des  Griechischen  unkundig  waren,  so  muß  die  lateinische 
Übersetzung  des  Symbols  fast  so  alt  sein,  wie  das  Symbol  selbst, 
bez.  ebenso  alt  wie  seine  kirchliche  Rezeption  in  Rom, 

(3)  Die  alte  lateinische  Übersetzung  des  I.  Clemensbriefes 
ist  bereits  von  Lactantius  benutzt  worden  \  gehört  also  sicher  dem 
3.  Jahrhundert  an.  Ferner  aber,  die  Verbindung  des  ersten  Cle- 
mensbriefes mit  dem  sog.  zweiten  ist  in  Korinth  schon  z.  Z.  der 
Bischöfe  Dionysius  und  Soter  (also  um  170)  perfekt  geworden,  und 
Lightfoot  (Clement  of  Rome  I^p.  116 flF.)  hat  sehr  wahrscheinlich 
gemacht,  daß  der  Archetypus  unserer  drei  Handschriften  ACS  in 
die  Zeit  um  200  gehört  In  diesem  Archetypus  aber  waren  die 
beiden  Briefe  bereits  verbunden.  Im  Abendland  fehlt  dagegen 
jede  Spur  einer  Übersetzung  auch  des  sog.  2.  Briefes;  man  hätte 
ihn  damals,  als  man  den  ersten  übersetzte,  sich  gewiß  nicht  ent- 
gehen lassen,  wenn  man  ihn  erhalten  hätte.  Handelte  es  sich  doch 
um  ein  vermeintliches  Schriftstück  des  großen  Clemens.  Also  ist 
die  lateinische  Übersetzung  nicht  aus  einem  Exemplare  angefertigt, 
welches  aus  dem  Orient  in  den  Okzident  nach  c.  200  zurückkam, 
sondern  sie  ruht  auf  einem  Exemplar  des  noch  für  sich  zirkulie- 
renden Briefes.  Hieraus  folgt  aber  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit^ 
daß  die  Übersetzung  dem  2.  Jahrh.  angehört. 

Die  Erhaltung  des  ersten  Clemensbriefes  (im  Original  und  in 
der  syrischen  Übersetzung)  verdanken  wir  lediglich  dem  Neuen 
Testament;  im  Zusammenhang  mit  diesem  ist  er  abgeschrieben 
worden*^.  Daß  er  zu  den  neutestamentlichen  Leseschriften  ge- 
rechnet worden  ist,  hat  seinen  Ursprung  im  2.  Jahrhundert  ge- 
nommen; das  Ansehen  des  Briefes  ist  bereits  vom  Anfang  des  S.Jahr- 
hunderts an  extensiv  und  intensiv  in  den  griechischen  Kirchen 
immer  geringer  geworden.  Daß  der  Brief  im  Bibelkodex  A  saec.V. 
steht,  ist  als  ein  Ti-ümmerstück  einer  alten  Ordnung  zu  beurteilen; 
denn  bereits  Eusebius  (obgleich  er  den  Brief  sehr  hoch  hielt  und 
auch    seine    allgemeine  Anerkennung  im   Altertum  bezeugt)   und 


1)  ?.  Sitzungsber.  der  K.  Preuß.  Akad.  d.  Wisseuscb.  1894  S.  608 f. 

2)  Auch  im  Cod.  C  steht  der  Brief  zwischen  NTlicheu  Antilegomenen. 


Die  alten  lateinisclien  Obersetzungen  ATlicIier  apokrypher  Bücher  usw.    305 

Athanasius  haben  jeden  Zusammenhang  desselben  mit  dem  Neuen 
Testamente  durchschnitten.  Sollte  nun  die  lateinische  Übersetzung 
ganz  unabhängig  von  der  lateinischen  Bibel  entstanden  sein?  Zu- 
nächst scheint  es  so;  denn  1.  wissen  wir  überhaupt  nichts  von 
einem  kanonischen  oder  quasi-kanonischen  Ansehen  unseres  Briefs 
im  Abendland,  2.  ist  die  lateinische  Übersetzung  uns  nicht  wie  die 
des  Barnabasbriefs  oder  des  Hermas  zusammen  mit  einem  oder 
mehreren  biblischen  Büchern  überliefert  S  sondern  mit  Cyprians 
Traktat  De  oratione  bez.  mit  den  Pseudoclementinen.  Dennoch 
läßt  sich  ein  guter  Grund  dafür  geltend  machen,  daß  die  Über- 
setzung nicht  unabhängig  von  der  lateinischen  Bibel  ist.  Sie 
stammt,  wie  aus  der  Benutzung  bei  Lactantius  hervorgeht,  spä- 
testens aus  den  letzten  Jahrzehnten  des  3.  Jahrhunderts.  Wäre 
sie  jünger,  gehörte  sie  dem  4.  oder  5.  oder  einem  noch  späteren 
Jahrhundert  an,  so  hätte  man  gewiß  keine  Veranlassung,  an  die 
lateinische  Bibel  zu  denken :  die  verschiedensten  Interessen  könnten 
die  Übersetzung  wünschenswert  gemacht  haben  2.  Allein  eine 
Übersetzung  eines  urchristlichen  Schriftstücks,  die  älter  ist  als 
Lactantius,  hat  das  Vorurteil  für  sich,  daß  sie  zu  kirchlichen 
Zwecken,  d.  h.  fiir  die  Verlesung  in  der  Gemeinde  gemacht  ist 
Der,  welcher  das  in  Abrede  stellt,  hat  den  Beweis  zu  führen,  nicht 
der,  welcher  es  behauptet  \  Ist  aber  unser  Brief  zum  Zweck  der 
Verlesung  in  der  Gemeinde  übersetzt  worden,  so  ist  die  Annahme 
Avahrscheinlicher,  daß  dies  im  2.  Jahrhundert  geschehen  ist  als  im 
dritten.  Gegen  Ende  des  2.  Jahrhunderts  und  am  Anfang  des 
dritten  hat  die  römische  Kirche  den  Bestand  ihrer  kirchlichen 
Leseschriften  reduziert.  Damals  fielen  die  Apokalypse  des  Petrus, 
der  Brief  des  Barnabas  an  die  Hebräer  und  bald  auch  der  Hirte 
des  Hernias  fort.  Damals  muß  auch  der  Clemensbrief  ausge- 
schlossen worden  sein,  und  zwar  früher  als  der  Hirte;  denn  die 
afrikanische  Kirche  hat  wohl  noch  den  Hirten,  nicht  aber  den 
Olemensbrief  von   der  römischen  Kirche  empfangen.    Da  wir  nun 

li  Die  hiteinieche  Cbertietzunpf  des  Barnabasbriefs   ist  uns  zusammen  mit 
<l»'r  lateinischen  Cbersetziing  des  Jacobusbriefs  überliefert  (s.  o.  S.  303). 

•J)  Auch  könnte  der   Brief  erst   damals   mit   anderen  Schriften   aus   dem 
^lor^onland  ins  A]»endland  zurückbekommen  sein. 

;{)  Der  allj^cmeine  Sprachcharakter  der  Übersetzung  ist  dem  der  alten 
lateinischen  Bibel  gleichartig  und  weicht,  soviel  ich  sehe,  in  keiner  Hinsicht 
von  ihm  ab.  (Was  Hr.  Zahn,  Theol.  Litt.-Blatt  1894  Kol.  108,  dagegen  geltend 
gemacht  hat  —  die  Übersetzung  soll  freier  sein  als  die  biblischer  Bücher  — 
trifft,  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  nicht  zu).  Mit  Recht  hat  daher  auch 
v«.»n  Wölfflin  in  seiner  Abhandlung  „Die  lateinische  Übersetzung  des  Briefes 
des  Clemens  an  dii3  Korinther''  (Archiv  für  latein.  Lexikogr.  IX,  1  S.  81ff.)  die 
Sprache  des  Briefs  als  „Bibf^llatein"  bezeichnet  und  behandelt. 
Haruack,  Alti.liristl.  Litteraturg(.'8ch.  II,  2.  *iV> 


306  I^iö  Litteratur  des  Abendlandes. 

von  einem  kirchlichen  Ansehen  oder  Gebrauch  des  Clemeusbriefs 
in  der  uns  zugänglichen  Litteratur  des  Abendlandes,  die  mit  Ter- 
tullian  beginnt,  schlechterdings  gar  nichts  finden,  da  keine  Bibel 
und  kein  Bibelverzeichnis  den  Brief  enthält,  so  ist  die  Annahme 
leichter,  er  sei  im  2.  Jahrhundert  tibersetzt  worden,  bald  aber  aus 
dem  kirchlichen  Gebrauch  verschwunden,  als  die  andere,  er  sei 
erst  im  3.  Jahrhundert  den  Lateinern  geschenkt  worden.  Jene 
Annahme  stimmt  auch  mit  dem  oben  festgestellten  Befunde  überein, 
daß  er  allein  —  d.  h.  ohne  den  sogenannten  zweiten  Brief  —  über- 
setzt worden  ist.  Was  aber  den  Ort  betrifft,  so  spricht  für  Afrika 
schlechterdings  gar  nichts;  denn  keine  Spur  einer  Benutzung  ist 
bei  einem  afrikanischen  Schriftsteller  nachgewiesen  ^  Die  Über- 
setzung taucht  für  uns  zuerst  in  Mailand  auf,  wo  sie  Ambrosius 
kennen  gelernt  hat  —  denn  wo  sie  dem  Lactantius  bekannt  ge- 
worden ist,  läßt  sich  leider  nicht  sagen  — ;  dann  finden  wir  sie  in 
dem  alten  belgischen  Kloster  Lobbes,  dann  in  Florennes.  Daß  sie, 
wenn  sie  aus  dem  2.  Jahrhundert  stammt,  in  Gallien  oder  in  Mai- 
land angefertigt  ist,  wird  niemand  für  wahrscheinlich  halten;  das 
nächstliegende  ist,  daß  der  Brief  in  Rom  selbst  übersetzt  ist  2. 
Gründe  gegen  diese  Annahme  sind  mir  nicht  bekannte 


1)  TertuUian  erwähnt  wohl  den  Clemens  als  römischen  Bischof  (de 
praescr.  32),  nicht  aher  Beinen  Brief.  Dagegen  erwähnt  ihn  Jrenäus  und  zwar 
im  Zusammenhang  mit  der  römischen  Bischofelist^  und  ohne  den  zweiten  Brief, 
in  meiner  Abhandlung:  „Die  ältesten  christlichen  Datierungen  und  die  Anfänge 
einer  bischöflichen  Chronographie  in  Rom"  (Sitzungsberichte  1892  S.  017  Ö'., 
vgl.  Chronologie  Bd.  I  S,  101  f.)  habe  ich  den  Nachweis  geführt,  daß  Irenäus 
die  bezifferte  Bischofsliste  aus  Rom  bezogen  hat,  und  daß  diese  Liste  auch 
kurze  geschichtliche  Angaben  enthielt,  unter  ihnen  eine  solche  über  den 
Clemensbrief  und  den  Hirten  des  Hermas.  In  Rom  also  schätzte  man  den  Brief 
zur  Zeit  des  Bischofs  Soter  (16(3/7—174/5)  so  hoch,  daß  man  ihn  neben  dem 
Hirten  (der  sicher  zu  den  urkirchlichen  Vorleseschriften  gehörte)  in  jenem 
Kataloge  erwähnte,  während  vom  zweiten  Brief  nichts  bekannt  war.  Sollte 
sich  nun  herausstellen,  daß  die  alte  Übersetzung  des  Hirten  mit  der  unseres 
Briefs  innerlich  verwandt  ist,  so  liegt  die  Annahme  sehr  nahe,  daß  sie  beide 
in  Rom  übersetzt  worden  sind  und  zwar  noch  im  2.  Jahrhundert. 

2)  In  der  vorigen  Anmerkung  habe  ich  darauf  hingewiesen,  daß  bei  Irenäus 
resp.  in  dem  ältesten  römischen  Bischofskatalog  unser  Brief  erwähnt  ist.  hu 
Catalogiis  Liberianus  fehlt  er,  während  der  Hirte  erwähnt  ist.  Dagegen  findet 
sich  merkwürdigerweise  in  der  ersten  Rezension  des  Liber  Pontificalis  (Feli- 
cianus  und  Cononianus)  bei  „Clemens"  die  Notiz:  „et  fecit  duas  epistolas'' 
(Duchesne  I  p.  52.  53),  und  diese  Notiz  ist  in  die  endgültige  Rezension  über- 
gegangen mit  dem  Zusatz:  „quac  catholicae  nominuntur'*  (Duchesne  I  p.  12i>». 
Light foot  und  ich  haben  in  unseren  Ausgaben  des  Clemensbriefs  dieüe 
Angabe  auf  die  beiden  pseudoclementinischen  Briefe  bezogen,  Duchesne 
bezieht  sie  auf  den  echten  und  unechten  Korintherbrief  des  Clemens.  Für 
Duchesnes  Annahme  spricht,    1.  daß   im  folgenden  von  einem  pseudoclemen- 


Die  alten  lateinischen  Cbenetsungen  ATlidber  apokiypher  Bflcher  usw.    307 

Als  ein  starkes  Argument  für  ein  hohes  Alter  der  Übersetzung 
muß  gelten,  daß  der  Übersetzer  zwar  bereits  den  terminus  techni- 
cus  „episcopus*"  braucht  —  wo  Oott  ixlaxojtog  heißt,  schreibt  er 
(c.  59)  ,,yisitator''  — ,  daß  er  aber  noch  „minister"  bietet  und  nicht 
„diaconus"  K    Diese  Ausdrucksweise  ist  schon  zu  Tertullians  Zeit 


tinischen  Brief  so  gesprochen  wird,  daß  er  nnter  den  Torhergenannten  „duae 
epistolae"  nicht  eingeschlossen  za  sein  scheint,  2.  daß  die  Angahe  ans  Hiero« 
nynins'  Traktat  de  Turis  inlustr.  geflossen  sein  kann,  den  der  Redaktor  des 
Liber  Pontif.  auch  sonst  benutzt  hat,  3.  daß  die  pseudoclementinischen  Briefe 
nicht  „catholicae''  genannt  werden  können.  AUein  das  „quae  catholicae  nomi* 
nantur''  kann  auch,  wie  Duchesne  selbst  zugibt,  eine  gedankenlose  Re- 
Petition  der  Angabe  bei  den  Petrusbriefen  sein,  und  aus  Hieronymus  erU&rt 
sich  die  Notiz  deshalb  nicht  gut,  weil  dieser  das  ungünstige  Urteil  des  Eusebius 
über  den  zweiten  Brief  wiederholt  hat.  Aber  selbst  zugestanden,  daß  hier  die 
Korintherbriefe  gemeint  sind,  so  ist  nicht  yiel  gewonnen;  denn  dieErw&hnung 
Yon  zwei  Briefen  macht  es  wahrscheinlich,  daß  die  Angabe  mit  der  Uteren  bei 
Irenäus  nicht  mehr  zusammenhängt,  auch  nicht  einen  gegenwärtigen  Besitz  der 
römischen  Kirche  bezeugt,  sondern  eine  aus  dem  Orient  stammende  Kunde  ein- 
fach wiedergibt. 

3)  Man  könnte,  wenn  auch  nicht  gegen  den  Ursprung  der  Obersetzung 
in  Rom,  so  doch  gegen  ihren  gottesdienstlichen  Gebrauch  daselbst  einwenden, 
(laß  die  Gemeinde  nicht  ihren  eigenen  Brief  in  die  Zahl  ihrer  Leseschriften 
angenommen  haben  wird.  Gewiß  —  eine  kanonische  Bedeutung  in  irgend« 
welchem  Sinne  wird  sie  ihm  nie  beigelegt  haben;  aber  eine  solche  hat  sich 
überhaupt  erst  später  für  christliche  Schriften  entwickelt.  Dagegen  war  der 
Brief  für  den  gottesdienstlichen  Gebrauch  ganz  besonders  geeignet,  ja  durch 
das  am  Schluß  stehende  Kirchengebet  für  die  wiederholte  Verlesung  wie  ge- 
schaffen« Dazu  kommt  noch  folgendes:  Der  Brief  beginnt  allerdings  wie  ein 
iielegenheitsbrief,  aber  im  Fortgang  entwickelt  ersieh  zu  einer  alle  Haupt- 
punkte der  christlichen  Religion  umfassenden  homiletischen  An- 
sprache und  bezeichnet  sich  auch  am  Schluß  (c.  62)  selbst  so:  Ilsgl  fihv  ra>y 
avtjxoytwv  xj  ^griaxeltf  ruAtöv,  xwv  wfpeXißmxaxwv  elQ  ivagerov  ßlov  xoTq 
^iXovaiv  evotßwg  xal  Ikxaltoq  diev&vveiv,  IxavdfQ  ineoxflXapiev  vfilv,  ivögsq 
döeXfpoL  nsgl  yag  nioxiWQ  xal  fiixavolaQ  xal  yvijaiaQ  dydntjQ  xal  iyxgaxilaq 
xal  aw<pQoavvtiq  xal  vnofiov^Q  navxa  xonov  hptiXatprioafiSV,  vnotdifjnnjaxovxeg 
Silv  ißäQ  iv  ötxaioavvy  xal  äXtj&fia  xal  piaxQoBvfiia  X(p  navxoxQoxoQi  &e(f 
oalwq  ivaf^eaxsTv,  oftovoovyxaq  a/dvrjatxaxwq  ip  aydny  xal  slg^vy  fiexä  tvxxtpovq 
intetxsiag,  xa&dq  xal  ol  ngoöeötiXw/iivoi  naxigeq  ^fidtv  evtjQiaxtjaav  xantivo' 
ipQOvovvx€q.  Außerdem  nimmt  der  Brief  (c.  59.  63)  ausdrücklich  die  Inspiration 
durch  den  heiligen  Geist  für  sich  in  Anspruch.  Ein  solches  stoffreiches,  zu- 
gleich als  Kompendium  des  wichtigsten  Inhalts  des  Alten  Testaments  brauch- 
l»ares  homiletiaches  Schriftwerk  (s.  Wrede,  Untersuch,  z.  1.  Clemensbrief 
S.  55 — 60)  wird  die  römische  Gemeinde  selbst  für  ihre  Erbauung  in  der  Folge- 
zeit nicht  unbenutzt  gelassen  haben.  Auch  war  es  ja  nur  formell  und  der 
Gemeinde  von  Korinth  gegenüber  ihr  eigenes  Werk;  in  Wahrheit  war  es  doch 
auch  in  Rom  das  Werk  des  gefeierten  Lehrers  Clemens. 

1)  Auch  yyijaaxonri"  übersetzt  er  an  den  drei  Stellen,  wo  es  vorkommt, 
durch  „episcopatus",  yjöiaxovia*^  wie  „vntjf^eaia"  durch  „ministerium".  Zwischen 


308  I^^e  Litteratur  des  Abendlandes. 

iü  Afrika  nicht  mehr  gebräuchlich  gewesen;  vielmehr  sagte  man: 
„episcopus  et  diaconi"^  Auch  in  den  Akten  der  Perpetua  und 
Felicitas  heißt  es  c.  3:  „diaconi,  qui  nobis  ministrabant",  und  c.  6 
und  10  wird  Pomponius  „diaconus"  genannt;  in  den  Freisinger 
Italafragmenten  (ed.  Ziegler  1876)  heißt  es  Philipp.  1,  1:  „episcopi 
et  diaconi"  2.  In  der  Übersetzung  des  Polykarpbriefs  wird  „minister" 
nur  dann  gebraucht,  wenn  nöiaxovoq''  nicht  im  technischen  Sinn 
steht,  sonst  steht  ,4i&conus",  s.  ep.  5  ofiolcog  ötaxopot  .  ,  .  wg  d-sov 
xal  Xqiotov  öiaxovoi  =  „similiter  diaconi  .  .  .  sicut  dei  et  Christi 
ministri".  Es  gibt  meines  Wissens  nur  eine  Parallele  zu  der  Aus- 
drucksweise unseres  Briefs,  nämlich  die  beiden  Übersetzungen  des 
Hirten,  die  hier  als  eine  gelten  können  und  auch  „episcopi  et 
ministri"  bieten.  Aber  eben  diese  alte  Übersetzung  des  Hirten 
hat  das  Präjudiz  für  sich,  daß  sie  dem  2.  Jahrhundert  angehört 
und  aus  Rom  stammt.  In  späteren  lateinischen  Übersetzungen 
kommt  natürlich  öfters  die  Übertragung  „minister"  für  „öiaxovog'' 
vor;  aber  ich  kenne  keine  Stelle,  wo  das  Wort  im  technischen 
Sinn  neben  episcopus  steht  Wird  das  technische  „cJmxoi^o^"  ein- 
mal durch  „minister*'  wiedergegeben,  so  hat  das  meines  Wissens 
immer  besondere  Gründe.  Liest  man  z.  B.  in  der  lateinischen 
Übersetzung  des  Kommentars  des  Origenes  zum  Römerbrief  (Lom- 
mazsch  V  p.  15):  „Sunt  et  multi  vocati  magistri  per  omnes  eccle- 
sias  dei,  et  vocati  ministri;  sed  nescio,  qui  in  his  electi  magistri 
sint  et  electi  ministri",  so  sieht  jeder,  warum  hier  das  Wort  „mi- 
nister" gewählt  ist  und  nicht  „diaconus".  Commodian  bietet  In- 
struct.  II,  26—29  vier  Gedichte  mit  den  Aufschriften:  „Lectoribus 
—  Ministris  —  Pastoribus  —  Maioribus  natis",  P^r  hat  hier  ab- 
sichtlich lauter  lateinische  Beziehungen  gewählt  und  darum  auch 
das  Wort  „episcopus'*  vermieden.  Aber  das  den  „ministri"  ge- 
widmete Gedicht  beginnt  mit  den  Worten:  „Mysterium  Christi, 
Zacones,  exercite  caste,  Idcirco  ministri  facite  praecepta  ma- 
gistri". Also  „zacones"  ist  ihm  der  terminus  technicus.  Es  ist 
ja  möglich,  daß  jemand  den  Sprachgebrauch  „episcopi  et  ministri" 
noch  für  das  3.  Jahrhundert  belegt;  aber  so  lange  das  nicht  ge- 
schehen ist,  ist  an  dem  vortertullianischen  Ursprung  von  Schriften, 
die  diesen  Ausdruck  bieten,  festzuhalten '^ 


,y6taxovog^^  und  „XeitovQyog"  iiiiicht  er  in  der  rborsetziinc^  keinen  UntertJcliied : 
„^f()«7r(üv"  gibt  er  durch  „servns"  und  „famnlus"  wieder. 

1)  S.  de  bapt.  17;  de  praescr.  'J.  41;  de  fuga  11;  de  nionog.  11.  Cjprian 
(ep.  f)!',  1)  bietet  schon  das  Wort  „diaconium",  auch  Iren.  lat.  1,  1?(),  :-}. 

*J)  Ich  kenne  überhaupt  keine  lateinische  Bibelübersetzung^,  die  Philipp.  1,  1 
„öidxovog"  durch  „minister"  wiedergibt. 

ij)  Auch   die   alte   lateinische  Übersetzung    des   Irenäus    gibt   „öiaxovog" 


Die  alten  lateinischen  Cbersetzuiigeu  ATlicher  apokrypher  Bücher  usw.    309 

Außer  auf  „ministri"  weise  ich  auf  die  Übersetzung  „seniores" 
für  ,,jtQeaßvT€QOL'^  hin.  Der  Brief  bietet  an  allen  Stellen  „seniores" 
außer  an  einer  Stelle,  wo  er  „(isra  xciv  xad-sörafiipcov  jtQscßvti" 
Qcop''  durch  „cum  constitutis  presbiteris"  wiedergibt  (c.  54).  Also 
der  terra,  techn.  „presbyteri"  war  dem  Übersetzer  schon  bekannt, 
ebenso  wie  dem  TertuUian  ^ ;  allein  die  Feinheit,  die  einem  späteren 
gar  nicht  mehr  zuzutrauen  ist,  liegt  darin,  daß  er  so  scharf  und 
richtig  zwischen  den  „Ältesten''  als  einem  Ehrenstand  in  den  Ge- 
meinden (=  „seniores*')  und  den  „Ältesten"  als  Amtspersonen 
(=  „presbyteri")  unterscheidet'^.  Auch  die  alte  lateinische  Über- 
setzung des  Irenäüs  bietet  bald  „presbyter",  bald  „senior"  (oder 
ein  Synonymum).  Allein  man  kann  nicht  sagen,  daß  sie  nach 
einem  Prinzipe  konsequent  verfahren  wäre.  Dagegen  vermeiden 
beide  Übersetzungen  des  Hermas  und  der  Laudianus  Oxoniensis 
der  Apostelgeschichte  das  Wort  „presbyteri"  (nicht  aber  die  alte  * 
Übersetzung  des  Jacobusbriefs  im  Cod.  Corb.,  nunc  PetropoL,  auch 
nicht  die  Übersetzung  der  Acta  in  dem  Gigas  librorum,  die  z.  B. 
in  dem  15.  Kap.  zuerst  „presbyteri",  dann  ohne  ersichtlichen  Grund 
„seniores"  bietet),  so  daß  in  Hinsicht  auf  die  Einbürgerung  des- 
selben in  die  abendländische  Kirchensprache  die  Übersetzung  des 
Hirten,  die  Übersetzung  des  Clemensbriefs  und  Tertullian  (mit  dem 
der  lateinische  Irenäus  zusammen  steht)  drei  Stufen  bildend    In 


«lurch  „diaconuH"  wieder,  und  zwar  nicht  nur  I,  13,  5,  wo  eri  terminus  teehnicuB 
ist,  sondern  sogar  I,  14,  7,  wo  es  nicht  in  diesem  Sinn  steht:  „Usus  est  autem 
diacono  Septem  numerorum  raagnitudine".  Gleich  darauf  wird  „diaxovet}^'  durch 
„uiinistrare"  übersetzt. 

1)  S.  die  auf  der  vorigen  Seite  angeführten  Stellen.  Neben  „episcopus  et 
diaconuö"  braucht  Tertullian  stets  „presbyter**.  „Seniores"  findet  sich  im 
Apolog.  alleinstehend. 

2)  C.  44  hätte  er  ol  TtgeaßvteQoi  auch  durch  „presbyteri"  statt  durch 
„seniores"  wiedergeben  können,  aber  notwendig  war  es  nicht. 

3)  Iren.  I,  15,  G  ist  „Ti^eaßvrrjQ"  durch  „senior"  wiedergegeben  (biß); 
II,  *J2,  5:  „ndvTsg  ol  ngeaßvxeQOi  fiagtvQovaiv  =  omnes  seniores**;  III,  23,  3: 
„ex  veteribus  quidam**  (der  Originaltext  fehlt);  IV,  32,  1:  „senior  apostolorum 
discipuluB**;  V,  17,  4:  „quidam  de  senioribus**  [e^tj  ttg  tdäv  TigoßsßTjxSrafv), 
Diis  ist  korrekt,  und  ebenso  verständlich  ist  es,  daß  der  Übersetzer  III,  2,  2 
„successiones  presbyteronim"  und  „non  solum  presbyteris  sed  etiam  apostolis" 
fc?chreibt;  denn  hier  sind  ol  n^eaßize^ot  =  ol  iniaxoTioi  (dasselbe  gilt  von 
IV,  32,  1:  „in  ecclesia  sunt  presbyteri,  apud  quos  est  apostolica  doctrina**). 
Dagegen  ist  es  inkorrekt,  wenn  er  IV,  27  „a  quodam  presbytero*'  schreibt,  resp, 
„sicut  dixit  presbyter*';  hier  wäre  „senior**  am  Platze  gewesen,  und  in  der  Tat 
gibt  der  Übersetzer  „o  :iQeoßvteQoq"  einige  Zeilen  weiter  durch  „senior**  wieder 
(der  Ausdnick  bezieht  sich  auf  denselben  Mann).  Auch  IV,  28,  1,  FV,  30,  1, 
IV,  :;(»,  4  (hier  der  Ausdruck  „de  antiquis  presbyter**),  V,  5,  1,  V,  33,  3,  V,  36,  1 
(bis)  steht  „presbyteri**,   während   man   „seniores**   erwartet.    Die  Versio  vixlg. 


310  ^i^  Literatur  des  Abendlandes. 

deo  Akten  der  Perpetua  und  Felicitas  steht  (c.  13):  „Aspasius 
Presbyter  doctor*'.  Den  terra,  techn,  „oi  jtQOfjyovfiepoi  ^fiäv^  gibt 
unsere  Übersetzung  durch  „eos,  qui  prae  (Ms.  wohl  irrtümlich  „pro") 
nobis  sunt**  wieder;  ebenso  übersetzt  die  Versio  vulg.  des  Hermas 
(Vis.  II,  2,  6;  III,  9,  7  „oi  XQorjyovfjievoL  rrjq  ixxXrjclag*^  =  „qui 
praesunt  ecclesiae"),  während  die  Palatina  „priores"  bietet  „^Hyov- 
ficpoc*^  (christliche)  werden  (c.  1)  als  „praepositi"  bezeichnet,  wäh- 
rend die  weltlichen  ^yovfisvoc  (Machthaber,  Offiziere  u.  s.  w.)  „po- 
tentes", „duces",  „principes*'  und  einmal  auch  ^praepositi*  heißen 
(c.  5.  32.  37.  51.  55.  60). 

Erwähnt  mag  es  werden,  daß  c.  39  in  dem  Hiobzitat  »ajYf- 
kog^  durch  „nuntius*'  wiedergegeben  ist;  doch  eben  weil  es  im 
Zitat  steht,  kann  die  Stelle  nicht  ins  Gewicht  fallen.  Dazu  kommt, 
daß  auch  im  Carm.  apol.  Commodians  v.  99  „nuntius"  =  „angelus*' 
ist^.  Dagegen  hat  Sanday  mit  Recht  darauf  aufmerksam  ge- 
macht 2,  daß  die  Übersetzung  von  ^xara  xcoQag^  =  ^secundum 
municipia"  (c.  42)  und  von  j^lx^^^^^v  x^Q^^  evösßcöv^  =  „habent 
municipium  religiosorum*'  (c.  50),  die  ich  angemerkt  hatte,  einen 
wichtigen  Fingerzeig  gibt:  „The  use  of  municipium  is  specially 
characteristic  of  the  text  of  the  Cod.  Vercellensis" ^  d.  h.  des 
fundamentalen  lateinischen  Textes  der  Evangelien,  und 
zwar  des  europäischen  Textes  im  unterschied  von  dem 
afrikanischen*.  Nach  Europa,  d.  h.  nach  Rom,  schien  uns  aber 
auch  sonst  die  Übersetzung  des  Clemensbriefs  zu  weisen.  Übrigens 

des  Hermas  gibt  jjTt^eoßvTSQOi"  an  den  drei  Stellen,  wo  es  vorkommt,  durch 
„seniores"  wieder;  die  Palatina  bietet  an  der  ersten  Stelle  „priores",  an  der 
zweiten  „seniores  et  maiores  natu".  —  Nur  wenn  durch  den  Kontext  selbst  die 
Unterscheidung  von  Ältesten  der  Geburt  und  dem  Amte  nach  gefordert  wird, 
findet  sich  in  späterer  Zeit  eine  scharfe  Unterscheidung,  s.  z.  B.  die  Über- 
setzung von  Origenes,  Select.  in  Psal.  (zu  Ps.  3ü  hom.  4  c.  8  Tom.  XII  p.  212 
ed.  Lommatzsch):  „Unde  et  nos  optare  debemus  non  pro  aetat«  corporis 
neque  pro  officio  presLyterii  appellari  presbyteri  et  seniores,  sed  pro  interioris 
hominis  perfecto  sensu  et  gravitate  constantiae".  Amhrosius  (in  Ps.  36  c  00) 
schreibt:  „Toannes  senex  coepit  scribere  .  .  .  epistolas,  qui  cum  refugeret 
•apostolum  se  scribere,  seniorem  scripsit". 

1)  Von  Bedeutung  ist  auch,  daß  „7rcfiTo;f()ara>()"  einmal  mit  „omnin 
potens"  (c.  GO)  übersetzt  wird.  Wolf fl in  meint  allerdings  (a.  a.  0.  S.  STu 
auch  hier  „omnipotens"  herst-ellen  zu  müssen.  Auf  )mlx6^  =  „plebeius"  darf 
man  sich  nicht  für  das  2.  Jahrhundert  berufen,  da  es  auch  in  der  Tita 
Cypriani  c.  1  steht. 

2)  The  Guardian,  28.  März  1894  p.  457. 

3)  S.  Sanday,  Old-Latin-Biblical  Texts  II  p.  CCXXVII  u.  Belsheim, 
Codex  Vercell.,  Christianiae  1894. 

4)  Marc.  G,  0.  36;  R,  23.  20;  11,  2;  Luc.  5,  17;  0,  0;  24,  13  ist  ,,x<a(iff' 
durch  „municipium"  wiedergegeben. 


Die  alten  lateiniäcben  Übersetzungen  ATliclier  apokrypher  Bücher  usw.    311 

besteht  noch  eine  eigentümliche  Beziehung  zwischen  dem  Vercel- 
lensis  und  unserer  Übersetzung.  Jener  Kodex  ist  der  einzige  Zeuge 
für  die  auffallende  Übei-setzung  ,homo  paterfamilias"  in  Luc.  19, 
12  (=  av&QODJtog  evyep^g).  Sowohl  die  Vulgata  wie  die  vorhieix)- 
iiymianischen  Übersetzungen  bieten  kon'ekt:  „nobilis^.  Allein  auch 
die  Übersetzung  des  Cleniensbriefs  bietet  in  c.  40  ein  ganz  uner- 
wai-tetes  „paterfamilias^  (für  „o  daajror^^").  Demgemäß  wird  das 
A'erhältnis  unserer  Übersetzung  zu  der  Evangelienübersetzung  im 
A  ercellensis  und  zu  der  alten  lateinischen  Hermasübersetzung  zu 
prüfen  sein.  Diese  Stücke  scheinen  näher  zusammenzugehören; 
die  Übersetzung  des  Clemensbriefs  aber  weist  auf  das  2.  Jahr- 
hundert, und  ich  habe  keine  Gründe  gefunden,  die  gegen  diesen 
Ansatz  ins  Gewicht  fallen  könnten. 

Nicht  bewiesen,  wolil  aber  bekräftigt  wird  dieser  Ansatz  durch 
das  vorzügliche  Original,  das  der  Übersetzung  zugrunde  liegt  und 
welches  an  einigen  Stellen  mit  Clemens  Alexandrinus  gegen  alle 
übrigen  Zeugen  zusammenstimmt,  an  anderen  allein  das  richtige 
bewahrt  hat^  Nun  kann  gewiß  einem  späteren  Übersetzer  eine 
uralt«  Handschrift  zugekommen  sein;  aber  das  nächstliegende  ist 
wiederum  nicht  diese  Annahme,  sondern  die  andere,  daß  der 
alte  Übersetzer  der  Zeit  der  Handschrift,  aus  der  er  übersetzte, 
nahe  stand. 

Überzeugt  man  sich  aus  den  angeführten  Gründen  von  der 
hohen  Wahrscheinlichkeit,  daßr  unsere  Übei'setzung  dem  2.  Jahr- 
hundert angehört,  so  wird  man  innerhalb  dieses  Zeitraums  lieber 
in  die  erste  als  in  die  zweite  Hälfte  rücken.  Das  nächstliegende 
ist  es  doch  in  einer  zweisprachigen  Gemeinde,  daß  sie  Stücke,  die 
sie  im  Gottesdienste  las,  auch  alsbald  in  ihre  zweite  Sprache  über- 
setzte. Kundige  Übersetzer  für  diesen  leichten  Brief  gab  es  genug 
in  Rom.  Für  die  Kritik  der  übrigen  altlateinischen  Übersetzungen 
aber,  für  die  Geschichte  der  lateinischen  Bibel  sowie  für  die  Ge- 
schichte  der  vulgären  Latinität  ist  außerordentlich  viel  gewonnen, 
wenn  wir  sicher  darauf  bauen  können,  daß  unsere  Übersetzung 
jedenfalls  dem  2.  Jahrhundert,  wahrscheinlich  der  frühen  Zeit  des- 
selben angehia-t.  Wir  besitzen  nun  neben  den  Werken  Cyprians 
rin<^n  zweiten  festen  Punkt '^. 

1}  Zu  diesen  Stellen  will  Hr.  Zahn  das  „rlva  T()o;rov"  („<iuemadmoduiu") 
in  <•.  47  nieht  rechnen,  wo  die  übrigen  Zeujijen  das  kaum  verständliche  „r/ 
Troü/rov"  bieten;  er  meint,  der  Übersetzer  habe  „7r()(5tov"  einfach  unübersetzt 
g'daKsen.  Aber  wie  soll  er  darauf  gekommen  sein,  „t/"  mit  „quemadmodum" 
zu  übersetzen?   Tha  XQonov  kann  übrigens  aus  c.  24  des  Briefs  belegt  werden. 

2)  Auch  Morin,  der  Entdecker  und  Herausgeber  der  lateinischen  Über- 
gotziing  (Aneedota  ^laredsolana,  1S!M),  nimmt  an,    daß  dieselbe  bald  nach  dem 


312  I^ie  Litteratur  des  Abendlanderi. 

(4)  Der  Hirt  des  Hermas.  Wenn  irgendeine  der  im  Abend- 
land entstandenen  griechischen  christlichen  Schriften  frühe  über- 
setzt worden  ist,  so  ist  es  der  Hirte  gewesen.  Der  Inhalt  des 
Buchs  verlangte  es,  daß  es  möglichst  allen  Christen  zugänglich 
gemacht  wurde.  In  dem  Buch  selbst  ist  für  einen  Teil  eine  dahin- 
gehende Anordnung  getroffen  (Visio  II,  4:  Jit/itpet  Kirjfifjg  dg  ra^ 
?gc9  jtoXeig).  Sobald  die  christlich-lateinische  Litteratur  für  uns 
auftaucht,  sehen  wir  sie  durchzogen  von  Reminiszenzen  an  den 
Hirten;  seine  Gedanken,  Bilder  und  Worte  haben  stärker  auf  sie 
eingewirkt,  als  die  vieler  biblischer  Bücher  ^  Somit  kann  nicht 
bezweifelt  werden,  daß  das  Buch  um  200  ins  Lateinische  übersetzt 
war;  ja  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  lateinische  Version  dem 
griechischen  Buche  auf  dem  Fuße  gefolgt  ist.  Sind  doch  über  das 
Buch  in  den  abendländischen  Kirchen  zwischen  190  und  210  nach 
dem  Zeugnis  des  Muratorischen  Fragments  (s.  dort)  und  Teitul- 
lians  (De  pudic.  10)  heftige  Kontroversen  geführt  worden,  die  zum 
Ausschluß  desselben  aus  dem  Kanon  sehr  vieler  Gemeinden  führten. 
Diese  Kontroversen  setzen  die  Existenz  des  lateinischen  Hermas 
voraus;  nach  ihnen  ist  er  gewiß  nicht  erst  übersetzt  worden.  Fer- 
ner, in  einer  seiner  frühesten  Schriften  (De  orat.  16)  deutet  Ter- 
tuUian  allgemeine  Bekanntschaft  seiner  Leser  mit  der  Schrift  klär- 
lich  an.  An  sich  schon  geht  daraus  hervor,  daß  sie  lateinisch  in 
Karthago  existiei*te;  aber  die  Worte,  die  TertuU.  braucht,  macheu 
das  vollends  sicher.  Er  zitiert  den  lateinischen  Buchtitel  und 
zitiei-t  ein  paar  Worte  aus  dem  Buch  (Vii>.  \'),  die  sich  fast  ebenso 
in  der  uns  erhaltenen  Übersetzung  linden:  ..Item  quod  assignata 
oratione  assidendi  mos  est  ciuibusdam,  non  perspicio  rationem  nisi 
quam  pueri  volunt.  quid  enim,  si  Hermas  ille,  cuius  scriptura  fere 
Pastor  inscribitur  '\  transacta  oratione  non  super  lectum  assedisset, 
verum  aliud  quid  fecisset,  id  quoque  ad  Observationen!  vindicare- 
mus?  utique  nun  .  simpliciter  enim  et  nunc  positum  est:  ,,Cum  ado- 

Orijjcinal  oiitstandiMi  ist  (vjjjl.  auch  v.  (icbhiirdt  in  der  «loutschen  Litt.-Ztjr. 
IS94  Nr.  IS  und  llil^'enfeld,  Woclieusi-hr.  f.  kliiss.  l^bilolog.  1S04  Nr.  Hi-. 
Wülffliii,  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  Bd.  1)  (JS«M)  S.  Sl,  wiU  die  Zeit  Ter- 
tiilliaiiö  erkeimen.  Kiioiif,  der  nach  Morin  die  hiteiuiscbe  Übersetzung  am 
f^ründlichsten  untersucht  hat  (Texte  und  Unters.  Bd.  2U  Heft  1),  stimmte  mir 
wesentlich  zu,  doch  Asill  er  LX) — 'J.'IO  often  hissen. 

])  Man  vgl.  die  Briefe  der  Konfcssoren  Celeriims  und  Lucian  in  der  Brief- 
sainndung  Cyprians.  Diese  ganz  ungebildeten  Männer,  dit;  gewiß  kein  Griechisch 
Yei*standen,  lebten  und  webten  ganz  in  den  Gedanken  des  Hirten. 

*J)  „Bastor"  lautet  in  der  Tat  die  Überschrift  der  hiteinischen  Ü})ersetzung. 
"Wäre  das  Buch  nur  griechisch  vorhanden  gewesen,  so  hätte  Tertulliau  Iloifitv 
gcschrieVjen.  Das  „fere"  kann  nicht  bedeuten  „so  ungefähr  ist  der  grieclii.-clie 
Titel  wiederzugeben",  s.  o. 


Die  alten  lateinisclien  Übersetzungen  ATlicher  apokrypher  Bücher  usw.    313 

rassem  et  assedissem  super  lectum",  ad  ordinem  narrationis,  nou 
ad  instar  disciplinae."  In  De  pudic.  10  u.  20  zitiei-t  er  das  Buch 
einfach  als  „Pastor*",  und  daraus  folgt,  daß  es  so  hieß,  also  latei- 
nisch existierte,  und  daß  man  sich  also  durch  das  „fere"^  nicht  irre 
machen  lassen  darf.  Die  Abendländer  lasen  ihi-en  „Pastor"  (s.auch 
das  Murat.  Fragment^:  „Pastorem  nuperrime  temporibus  nostris 
in  urbe  Koma  Hermas  conscripsit") ;  also  existierte  er  lateinisch, 
so  gewiß  die  Sprüche  Salomonis  lateinisch  existierten,  als  man  sie 
nicht  mehr  „Uagoifiiai'',  die  Apokalypse  Johannis,  als  man  sie  nicht 
mehr  „'AjtoxaXvifug^'f  sondern  „Proverbia"  bez.  „Revelatio"  (als  Titel- 
bezeichnung) nannte.  Wir  haben  mithin  das  lange  Zitat  in  der 
Schrift  Ad  aleatores  Pseudocyprians  —  die  Schrift  gehört  viel- 
leicht erst  der  Periode  260—350  (s.  u.)  an  —  aus  dem  lateinischen 
Hermas  (SimiL  IX)  nicht  nötig,  um  sein  Dasein  bezeugt  zu  finden; 
TertuUian  ist  ein  sichererer  Zeuge. 

Die  innere  Beschaffenheit  der  lateinischen  Übersetzung  ist  der 
Annahme,  daß  sie  bald  nach  dem  Original,  jedenfalls  vor  c.  190 
entstanden  ist,  günstig.  Allerdings  ist  sie  bisher  noch  nicht  gründ- 
lich untersucht  worden,  aber  was  ans  Licht  gestellt  ist,  spricht 
für  ein  hohes  Alter.  Ich  habe  oben  (S.  308)  bereits  darauf  hinge- 
wiesen, daß  es  „episcopi  et  ministri"  in  der  Übersetzung  heißt, 
eine  Erscheinung,  die  uns  nur  noch  in  der  lateinischen  Übersetzung 
des  I.  Clemensbriefs,  aber  nicht  bei  Tertullian,  in  der  Passio 
Perpet.  etc.  begegnet.  Ebenso  venneidet  die  Übersetzung  noch, 
das  Wort  „presbyter"  zu  brauchen;  sie  schreibt  „seniores"  und 
trifft  damit  wiederum  allein  mit  dem  I.  Clemensbrief  zusammen, 
der  übrigens  nicht  ganz  so  konsequent  ist.  Auch  ol  jtQor/yov- 
fievoL  =  „qui  praesunt"  findet  sich  (s.  o.)  bei  beiden.  Sie  ge- 
hören also  enge  zusammen  und  dürfen  als  die  ältesten  christlich- 
lateinischen Übersetzungen  (neben  einigen  biblischen  Büchern) 
gelten. 

Es  ist  bisher  von  einer  lateinischen  Übersetzung  des  Hirten 
die  Rede  gewesen;  aber  überliefert  sind  uns  zwei,  die  eine  in 
iäner  außerordentlich  gi-oßen  Anzahl  von  Abschriften,  die  andere 
in  zwei  Exemplaren.  Doch  sind  sie  voneinander  nicht  unabhängig, 
die  eine  ist  die  Bearbeitung  der  anderen.  Haußleiter  hat  ver- 
sucht, gegen  die  allgemeine  Meinung  die  spärlich  vertretene  Re- 
zension als  die  frühere  zu  erweisen'-.    Bevor  beide  textkritisch 


\)  Bei  iliosor  Benifuni^  ist  der  lateinische  ürsjprunj:^  des  Fragments 
vorausgesetzt. 

2)  De  versionibus  l'ustoris  Hennae  Latinis  1-SSl,  vgl.  auch  seinen  Aufsatz 
in  d.  Ztschr.  f.  wissenscli.  Tht^ol.  Bd.  20  (18S:J)  S.  :]45ff. 


314  I^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

gesichert  herausgegeben  sind,  muß  ich  mich  des  definitiven  üi-teils 
über  die  Frage  enthalten  \ 

(5)  DieDidache.  Seit  den  beiden  Publikationen  von  Schlicht^ 
besitzen  wir  die  vollständige  lateinische  Übersetzung  der  ersten 
kürzeren  Hälfte  der  Didache.  Das  Verhältnis,  in  welchem  L  zu 
den  anderen  Rezensionen  der  Didache  (besonders  zu  K)  steht  ^ 
macht  es  wahrscheinlich,  daß  die  Übersetzung  sehr  alt  ist*,  und 
dies  ist  auch  durch  die  Zitate  aus  der  Didache  in  abendländischen 
Schriften  des  3.  und  4.  Jahrh.  gefordert  (Pseudocypr.,  Ad  aleat; 
Gesta  apud  Zenophilum,  Lactantius^,  Optatus),  sowie  duixh  die 
Erwägung,  daß  man  im  4.  Jahrhundert  ein  solches  Schriftstück, 
wenn  es  damals  erst  im  Abendland  aufgetaucht  wäre,  schwerlich 
mehr  übersetzt,  d.  h.  in  den  kirchlichen  Gebrauch  genommen  hätte. 
In  das  3.  Jahrhundert  geht  die  Übersetzung  zweifellos  hinauf; 
aber  sichere  Argumente,  sie  ins  2.  Jahrh.  und  nach  Nordafrika  zu 
versetzen  (s.  Schlicht,  a.  a.  0.),  fehlen. 

(6)  Auf  die  Acta  Pauli  hat  man  sich  schon  am  Ende  des 
2.  Jahrh.  in  Nordafrika  für  das  Recht  der  Frauen,  zu  lehren  und 
zu  taufen,  berufen  (TertuU.,  de  bapt.  17);  denn  daß  die  sog.  Acta 
Pauli  et  Theclae  nur  ein  Bruchstück  aus  den  alten  Paulusakten 
sind,  steht  seit  der  Entdeckung  der  koptischen  Reste  der  Schrift 
fest.  Dieses  Bruchstück  in  seiner  unglaublich  vei'zweigten  abend- 
ländischen Überlieferung  hat  uns  v.  G  ebhardt  jüngst  mit  staunens- 
Averter  Gelehrsamkeit  vorgeführt^.  Vorsichtig  hat  er  es  ver- 
mieden, eine  Zeitbestimmung  für  die  zahlreichen  Übersetzungen  bez. 
Ubersetzungs- Rezensionen  zu  geben;   daß  mindestens  eine  Uber- 


1)  Gegen  Haußleiter  s.  Lipsius  in  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1S85  Kol.  2Slf. 
!Mir  scheint  allerdings  die  Frage  bereits  durch  das  Zitat  in  Ad  aleat.,  welches 
sich  auf  die  Vulgata  des  Hermas  bezieht,  nahezu  entschieden  zu  sein.  Die 
andere  Rezension  ist  wohl  nicht  vor  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts  ent- 
standen, B.  die  Prolegg.  zu  meiner  Hermasausgabe  p.  LXVf. 

2)  /iiöaxh  ^'  ^(oöexa  dnoar.  Doctrina  XII  apostolonim  una  cum  antiqua 
versione  Latina  prioris  partis,  1900.  —  Die  Apostellehre  in  der  Liturgie  der 
kathol.  Kirche,  1001.  Schlicht  fand  die  lat.  Übersetzung  von  Did.  1 — 6  im 
!Monac.  G2(31  saec.  XI;  sie  ist  mit  den  Bruchstücken  der  im  Kodex  von  Melk 
enthaltenen  Übersetzung  identisch. 

:J)  8.  die  Nachweisung  in  der  Theol.  Litt.-Ztg.  10(K)  Kol.  038 fF. 

4)  Schlicht  (2.  Publikation  S.  iu)  findet  sogar,  daß  die  lat.  Übersetzung 
an  das  Original,  das  allerdings  nicht  in  dem  Cod.  Constantinop.  vorliege,  näher 
heranreiche  als  irgendeine  andere  abgeleitete  Quelle,  den  Baniabasbrief  nicht 
ausgenommen. 

5)  S.  V.  Gebhardt  in  meiner  Ausgabe  dor  Didache  (Texte  u.  Unters.  11.. 
1.  2  S.  282  ff.). 

G)  Texte  u.  Unters.  13d.  22  II.  2,  11)02. 


Die  alten  lateinischen  CberBetzungen  ATlicher  apokrypher  Bücher  usw.    315 

Setzung  dieses  Bruchstücks  schon  im  3.  Jahrh.  existierte,  ist  aus 
der  hohen  Verehrung,  welche  Thekla  auch  im  Abendlande  frühe 
genoß,  gewiß.  Aber  sind  die  vollständigen  Akten  auch  schon  im 
3.  Jahrhundert  übersetzt  worden  ?  Auch  dies  wird  man  für  sicher 
halten  dürfen.  Der  falsche  Briefwechsel  des  Paulus  mit  den  Ko- 
rinthern  existiert  in  zwei  lateinischen  Übersetzungen  und  ist  in 
die  lateinischen  Bibeln  eingedrungen.  Dieser  Briefwechsel  ist  aber 
ursprünglich  ebenfalls  ein  Bestandteil  der  Acta  Pauli.  Es  ist  an 
sich  möglich,  daß  die  Briefe  für  sich  übersetzt  und  verhältnismäßig 
spät  durch  einen  Zufall  in  lateinische  Bibeln  eingedrungen  sind; 
aber  da  wir  die  Acta  Theclae  aus  alter  lateinischer  Übei-setzung 
besitzen,  jener  Briefwechsel  lateinisch  vorliegt,  auch  das  Mar- 
tyrium Pauli,  welches  ebenfalls  Bestandteil  der  alten  Akten  war, 
lins  lateinisch  erhalten  ist^  und  endlich  die  Hermogenes-  und 
Hermippus-Geschichte  aus  den  Akten  dem  Abendland  bekannt  und 
als  biblische  (leschichten  anerkannt  waren ''^,  so  erscheint  die 
Annahme  geboten,  daß  es  eine  lateinische  Gesamtübersetzung  der 
Akten  gegeben  hat,  aus  der  die  verschiedenen  Stücke  für  den 
]H'aktischen  kirchlichen  Gebrauch  ausgegliedert  worden  sind.  Diese 
Gesamtübersetzung  muß  alt  gewesen  sein,  d.  h.  muß  noch  in  das 
3.  Jahrhundert  fallen;  denn  ein  quasi-kanonisches  Ansehen  des 
Buchs,  wie  wir  es  aus  der  Haltung  der  defensores  desselben  in 
Karthago  z.  Z.  TeituUians,  aus  der  Tatsache  der  Existenz  des 
korinthischen  Briefwechsels  in  lateinischen  Bibeln  und  aus  der 
Zitierung  der  Hermogenes-  und  Hermippus-Geschichte  als  bibli- 
scher Geschichten  erschließen  müssen,  kann  sich  nur  im  3.  Jahr- 
hundert gebildet  haben.  Damit  ist  aber  auch  eine  lateinische  Über- 
setzung des  ganzen  Buchs  für  diese  Zeit  gefordert. 

v7)  Die  lateinische  Übersetzung  des  großen  AVerks 
des  Irenäus.  Durch  die  Zitate  des  Augustin  aus  der  uns  erhal- 
tenen Übersetzung  des  Irenäus  (s.  Teil  I  dieser  Litt.-liesch.  S.273) 
ist  erwiesen,  daß  sie  am  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  vorhanden 
Avar  und  in  Nordafrika  gelesen  wurde.  Für  ihre  Abfassung  steht 
also  das  3.  und  4.  Jahrhundert  offen.  A  priori  wird  man  sich  der 
Ansicht  zuneigen,  daß  die  Übersetzung  dem  Original  sehr  bald  — 
vielleicht  noch  unter  den  Augen  des  Irenäus  —  gefolgt  ist  Zwar 
in  Lyon  selbst  ließ  sich  anfangs  eine  lateinische  Übersetzung  ent- 
luliren  —  die  (Christengemeinde  daselbst  muß  ganz  überwiegend 
griechisch  oder  des  Griechischen  kundig  gewesen  sein  — ,  aber  im 
lateinischen  Abendland  muß  doch  im  Kampf  gegen  die  Häresie  das 


1)  S.  Lipsius,  Acta  aj)ostol.  apocr.  I  y.  105 fF. 

•Ji  S.  111  cinon  Aufsatz  in  d.  Texten  und  Unters.  Bd.  10  Heft  3,  1S09. 


316  Die  Litteratur  des  Abendlandes. 

größte  Interesse  bestanden  haben,  das  Hauptwerk  gegen  dieselbe 
(denn  das  ist  die  Befntatio  des  Irenäus)  lesen  und  dazu  von  den 
reichen  positiven  Darlegungen  des  Buchs  Gebrauch  machen  zu 
können.  Spuren  der  Lektüre  des  Irenäus  lassen  sich  bei  mehreren 
Vätern  des  lateinischen  Abendlands  seit  dem  3.  Jahrh.  nach- 
weisen; aber  sie  sind  nicht  so  beschaffen,  daB  man  die  Frage  ent- 
scheiden könnte,  ob  sie  sein  Werk  griechisch  oder  lateinisch  ge- 
lesen haben.  Alles  kommt  daher  darauf  an  festzustellen,  ob  Ter- 
tullian  in  dem  Traktat  Adv.  \'alent,  der  ganz  auf  dem  1.  Buche 
des  Irenäus  ruht  und  es  in  großen  Partien  ausschreibt,  nur  das 
Original  oder  nur  die  Übersetzung  oder  etwa  beide  gekannt  hat. 
Die  Antwort  kann  m.  E.  nicht  zweifelhaft  sein:^  TertuUian  hat 
ausschließlich  den  Grundtext  vor  sich  gehabt  und  ihn 
selbst  übersetzt  An  hunderten  von  Stellen  braucht  er  nicht 
dasselbe  Wort,  welches  der  lateinische  Übersetzer  gebraucht  hat, 
sondern  ein  anderes:  das  ist  sogar  die  durchgehende  Regel,  die, 
abgesehen  von  ein  paar  gleich  zu  nennenden  Stellen,  nur  dann 
durchbrochen  erscheint,  wenn  ein  und  dasselbe  lateinische  Wort 
sich  aufdrängte.  An  mehreren  Stellen  läßt  TertuUian  den  griechi- 
schen Ausdruck  stehen,  wo  der  Übei-setzer  einen  lateinischen  ge- 
wählt hat;  aber  auch  der  umgekehrte  Fall  findet  sich.  Daß  aber 
Tert.  nicht  etwa  eine  andere  lateinische  Übei-setzung  gebraucht 
hat,  sondern  selbst  den  Text  ad  hoc  ins  Lateinische  übersetzte,  ist 
an  sehr  vielen  Stellen  deutlich,  an  denen  jeder  Kenner  sofort  den 
»Stil  Tertullians  erkennt^. 

1)  »S.  die  V(;rj^leichun<xstiibt'll»',  die  Si'iuler  g('<rebi'ii  hiit;  abgedniekt  ))ei 
0«"hlor,  Opp.  Tertiill.  III  p.  (mS— (kSl.  Leider  hat  ^^omler  neben  den  Text  des 
Tert.  mir  den  ])ei  Ei>iphaniu8  erhaltenen  (inmdtext  des  Irenäns  j^estellt,  nicht 
aber  die  alte  hiteinische  Übersetzung.  Diese  muH  mau  hinzusetzen;  Tert.  liat 
den  Iren,  abgeschrieben  in  Adv.  Valent.  7—12.  1 1— *J9.  {;\u).  ;il— :]:}.  (:-i4).  :»»:►—::!». 

2)  Zum  Vergleiche  sei  eine  Stell«,'  (Iren.  I,  1,  1  ^-^  Adv.  Val.  7)  hergesetzt. 
Die  wenig(?n  gemeinsamen  Worte,  die  auffallen  könnten,  sind  gesperrt. 

Iren.  1,  1,  1.  Adv.  Valent.  7. 

Dicunt  ess(;  ((ueudam  in  iuvisibilibus  i  lUic  etiam  A'alentinianornm  d«'us  ad 

et   inennarrabilibus    altitudiuibus   per-  summas    tegidas    habitat.     hunc    sub- 

fectum  Aeonem,  (jui   ante  fuit.     Plunc  ,  stantialiter  (^uidem  Auova  xekeiov  ap- 

autem    et   Proarchen    et  Propatora  (;t  ])ellant,  personaliter  vero  ÜQOaQX'riv  et 

Bython  vocant;    e8S(?   autem  illum  in-  TtfV  Aqx^iv,  i'tiam  Bython  .  .  .  innatuni» 

visibilem,    et    quem    nulla    res    capere  '  immensum,  infinitum,  invisibilem  aetfr- 

possit.     cum  autem   a  nuUo  caperetur  '•  numque  definiunt  .  .  .  sit  itaque  Bythos 

et    eßscit  invisibilis,  sempiternus  (?t  in-  iste   inlinitis  retro  aevis  in  maxima  et 

genitus,  in  silentio  et  in  (piiete  multa  altissima  (piiete,  in  otio  plurimo  plaii- 

fuisse  in  inuu(;nsis  aeonibus.    cum  ii»so  dae   .  .  .   divinitatis.     et   tarnen    quem 

autem  fuisse  et  Knnoean,   quam  etiam  solum  volunt  daut  ei  secundam  in  ips«> 


Die  alten  lateinischen  Obersetzungen  ATlicher  apokrypher  Bücher  usw.    317 

Sollte  trotz  der  nahezu  totalen  Verschiedenheit  doch  ein  Ver- 
wandtschaftsverhältnis zwischen  Tertullian  und  dem  Übersetzer 
des  Ii-enäus  bestehen,  so  liegt  die  Annahme  näher,  daß  dieser  jenen 
bei  seiner  Übersetzung  herbeigezogen  hat  als  umgekehrt.  Hätte 
Tertullian  eine  lateinische  Übersetzung  des  Irenäus  neben  dem 
Original  —  daß  er  dies  besaß  und  daß  es  seine  Hauptquelle  war, 
ist  unwidersprechlich  —  zur  Verfügung  gehabt,  so  hätte  er  sich 
unmöglich  die  wirklich  schauderhafte  Mühe  gemacht,  selbst  zu  über- 
setzen, zumal  da  die  Übersetzung  sehr  wörtlich  und  gut  ist.  Das  Um- 
gekehrte ist  das  Näherliegende:  der  Übersetzer  des  Irenäus,  augen- 
scheinlich ein  kundiger  Mann,  kann  sehr  wohl  Terts  Traktat  Adv. 
Valentin,  gekannt  und  ihn   bei  seiner  schwierigen  Arbeit  zurate 


Iren.  I,  1,  1. 
Cliiarin  et  Sigen  vocant;  et  aliquando 
voluisse  a  semetipso  emittere  hunc 
Bythum   initiuin   omnium,    et   velut 
eemen  prolationem  hanc  praemitti  vo- 
luit  et  eam  depoöuisse  quasi  in  vulva 
eius,    quae    cum  eo  erat,    Sige.    hanc 
autem    susce  pisse     seinen     hoc     et 
praegnantem    factam    generasse    Nun, 
«irailem  et  aequalem  ei,  qui  emiserat, 
et  solum  capientera  magnitudinem 
patris.    Nun  aut^m  hunc  et  Unigeni- 
tnm  vocant  et  Patrem  et  Initium  om- 
nium.    Una   autem    cum   eo   emissam 
Veritatem,    et    hanc    esse   primam  et 
l>rimogenitam    Pythagoricam    quater- 
nationem,    quam   et   i-adicem  omnium 
dicunt.    est  enim  Bythus  et  Sige,  de- 
iiide  Niis  et  Alethia.   sentientem  autem 
Unigenitum  hunc  in  quae  prolatus  est, 
emisisee  et  ipsum  Logoii  et  Zoen,  pa- 
trem  omnium   eonim,  qui  post  sc  fu- 
tun   essent,   et    initium   et  forma- 
tioneni  univorsi  Pleromatis.    de  Logo 
autem  et  Zoe  emissum  secundum  con- 
iugationem  Hominem  et  Ecclesiam,  et 
f  ssp  hanc  primogcnitam  Octonationem, 
radicem  et  substantiam  omnium  etc. 


Adv.  Talent.  7. 
et  cum  ipso  personam,  Ennoean,  quam 
et  Charin  et  Sigen  insuper  nominant. 
et  forte  accedunt  in  illa  commenda- 
tissima  quiete  monere  eum  de  profe- 
rendo  tandem  initio  rerum  a  semet- 
ipso. hoc  vice  seminis  in  Sigae  suae 
veluti  genital ibus  vulvae  locis  collo- 
cat.  suscipit  illa  statim  et  praegnans 
efficitur  et  parit,  utique  silentio,  Sige, 
et  quem  parit  Nus  est,  simillimum  patri 
et  parem  per  omnia.  denique  solus 
hie  capere  sufficit  immensam  iUam  et 
incomprehensibilem  magnitudinem 
patris  .  .  .  cum  illo  processit  et  fe- 
mina,  cui  Veritas  nomen.  Monogenes, 
quia  prior  genitus  . . .  ergo  Bythos  et 
Sige,  Nus  et  Veritas,  prima  quadriga 
defenditur  Valentinianae  factionis,  ma- 
trix  et  origo  cunctonim.  namque  ibi- 
dem Nus  simul  accepit  prolationis  suae 
officium  emittit  et  ipse  ex  semetipso 
Sennonem  et  Vitam  .  .  .  sed  et  haec 
soboles  ad  initium  universitatis  et 
formationem  Pleromatis  totius  emissa 
facit  fi'uctum,  Hominem  et  Ecclesiam 
procreat.  habes  Ogdoadem  ...  ex  con- 
iugationibus  masculorum  et  femina- 
rum,  cellas,  ut  ita  dixerim,  primordi- 
alium  Aeonum. 

Ich  habe  als  gemeinsame  —  alles  übrige  ist  verschieden  oder  kommt  nicht 
in  Betracht  —  die  Worte  a  semetipso,  initium,  vulva,  suscipere,  ma- 
gnitudo  patris,  initium  et  formatio  gesperrt.  Die  betreffenden  griechi- 
schen Worte  lauten:  a^'  kavtov,  «(»/»J,  fii^xgay  inoi^ea^ai,  xb  fifyeS'O^  xov 
TtccTQO^j  dgxri  xal  fiÖQgxoaig,    Wie  konnten  sie  anders  übersetzt  werden? 


318  I^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

gezogen  haben.  Wahrscheinlich  ist  freilich  auch  dies  nicht;  denn 
es  ist  nicht  abzusehen,  warum  er  den  TertuUian,  der  so  vieles 
treffliche  in  seiner  Übersetzung  bietet,  nicht  stärker  ausgenutzt  hat. 

Aber  worin  besteht  denn  die  Verwandtschaft  zwischen  beiden? 
Ist  es  wii'klich  nötig,  eine  Abhängigkeit  des  einen  von  dem  anderen 
anzunehmen?   Mir  sind  nur  folgende  Fälle  aufgestoßen: 

(1)  Adv.  Valent  9:  „quod  exorsura  quidem  fuerat  in  illis  aliis 
qui  circa  Nun,  in  hunc  autem  vel  in  Sophiam  derivaverat 

Iren.  lat.  I,  2,  2:  quae  exorsa  quidem  fuerat  in  iis,  quae  sunt 
erga  Nun  et  Alethiam;  derivavit  autem  in  hunc  aeonem  id  est 
Sophiam  demutatam. 

Iren.:  o  ii^^Q^ato  fihp  hp  rolq  jcbqI  top  Novv  xäl  rfjp  ^AX'^O-tiai., 
äjteöx7]ips  6h  elq  rovxov  top  jtaQatQajttvza. 

Auffallend  ist  hier  dieselbe  Übersetzung  bei  beiden  inbezug 
auf  ^i^^pgaro  und  djteöxrjtps]  daß  sie  beide  die  Sophia  nennen  gegen 
den  uns  überlieferten  Grundtext,  zeigt  nur,  daß  in  diesem  etwas 
ausgefallen  ist  Übrigens  sind  die  Verschiedenheiten  auch  nicht 
gering  zwischen  beiden. 

(2)  Adv.  Valent.  10:  „linthymesin  vero  eins  et  illani  appeu- 
dicem  passionem  ab  Horo  relegatam. 

Iren,  lat:  I,  2,  4:  Separata  enira  Intentione  ab  ea  cum  appeu- 
dice  passione. 

Iren.:  ....  öw  rm  ijtiyipofievm  jtaO-et, 

Alles  ist  bei  beiden  im  Kontext  sonst  verschieden;  aber  daiv 
xo  imyivofievop  jraO-og  von  beiden  durch  „appendix  passio"  über- 
setzt ist,  ist  sehr  auffallend. 

(3)  Adv.  Valent  10:  „crucifixam". 
Iren,  lat  I,  2,  4:  „crucifixam". 
Iren.:  djtoozsQrjd^TJpaL 

Das  wäre  ein  sehr  frappantes  Beispiel;  aber  der  Grundtext, 
wie  wir  ihn  heute  lesen,  ist  falsch;  es  muß  «jroaratvicöö^^rat  heißen. 

(4)  Adv.  Valent  12:  „compingnnt". 
Iren,  lat  I,  2,  6:  „compingentes". 
Iren.:  jtXt^aprag, 

Da  alles  übrige  im  Kontext  ganz  verschieden  ist,  will  dieses 
Zusammentreffen  nichts  besagen. 

(5)  Adv.  Valent  12:  „satellites  ei  angelos  proferunt". 
Iren,  lat  I,  2,  6:  „satellites  ....  angelos  cum  eo  prolatos'*. 
Iren.:  öogv^oQovg  ....  dyyeXovg  cvfiJtQoßeßXijoO^ai. 

Die  „Speerträger**  sind  die  Leibwache.  Das  Zusammentreffen 
in  dem  Wort  satellites  ist  m.  E.  nicht  auffallend. 


Die  alten  lateiuiseheii  Cbereetzimgen  ATlichor  apokrj'plicr  Bücher  usw.    31 9 

(6)  Adv.  Valent.  30:    „archangeluni". 
Iren.  lat.  I,  5,  2:    „archangelum". 
Iren.:  ayyeXov, 

Die  LA  ayyBXov  ist  falsch;  im  Grundtext  muß  a()x«77f>lor  ge- 
standen haben. 

Andere  Fälle,  die  von  Bedeutung  sein  konnten,  kenne  ich 
nicht;  denn  wo  Tertull.  und  Iren.  lat.  sonst  zusammentreffen,  ist 
dies  Zusammentreffen  nicht  auffallend,  vielmehr  durch  den  Grund- 
text einfach  vorgeschrieben.  Es  sind  also  in  Wirklichkeit  nur  zwei 
Fälle,  die  zu  Bedenken  Anlaß  geben.  Diese  Zahl  ist  viel  zu  gering, 
um  Schlüsse  auf  sie  zu  bauen.  Will  man  es  aber  doch  tun,  so 
müßte  man  annehmen,  daß  der  Übersetzer  des  Irenäus  den  Tertull. 
eingesehen  hat.  Doch  nichts  zwingt  zu  dieser  Annahme.  Die 
umgekehrte,  von  Grabe  und  Massuet  vertretene  Meinung  aber, 
Tert  habe  den  lat.  Irenäus  benutzt,  ist  ganz  unhaltbar. 

Leider  also  verhilft  uns  TertuUian  nicht  zu  einer  Alters- 
bestimmung der  lateinischen  Übersetzung  des  Irenäus.  Er  hat  sie 
nicht  gekannt;  daraus  folgt  freilich  nicht,  daß  sie  noch  nicht 
existierte.  Wir  sind  also  ganz  auf  innere  Gründe  angewiesen,  um 
die  Zeit  ihres  Ursprungs  zu  bestimmen.  Diese  aber  geben  m.  E. 
keine  Sicherheit.  Wie  der  Verf.  Bischöfe,  Presbyter  und  Diakonen 
wiedergegeben  hat,  ist  oben  S.  309  mitgeteilt  worden.  Einen  chro- 
nologischen Schluß  kann  man  daraus  nicht  ziehen.  Beachtenswert 
ist  es  vielleicht,  daß  er  (a.  a.  0.)  „diacouium"  für  den  Diakonat 
schreibt  und  daß  das  Woii;  sonst  erst  bei  Cyprian  nachgewiesen 
ist,  ferner  daß  er  „salvator"  schreibt  —  TertuUian  vermeidet  das 
Wort.  Umgekehrt  finden  wir  bei  ihm  noch  „exomologesis"  und 
„eucharistia",  wie  bei  TertuUian  (nicht  bei  Cyprian);  ferner  agonia, 
agonisari,  allophylus,  antitypi,  apocatastasis,  apocryphon,  aporia, 
aporiatam  esse,  aporiatus,  apostasia,  apotelesticos ,  archegonos, 
archontes,  catathematisare,  character,  choicus,  comoedisari,  diastema, 
ecstasis,  endiathetos,  enthymesis,  episemon,  gnosis,  hedyosmus,  hy- 
licus,  hymnizare,  hypocrita,  idiotae,  idiotice,  logion,  martyiium  fa- 
cere,  mysterium,  mysterialiter,  oneiropompus,  opobalsamum,  para- 
bola,  parasema,  perierga,  phantasia,  Phantasma,  phantasmari, 
phreneticus,  physiologice,  pithanologia,  praecatechisatus,  psychicus, 
rhythmisari,  rhythraisatio,  scarizare,  etc.  'Ofioovoiog  gibt  er  kon- 
stant durch  „eiusdem  substantiae"  wieder,  nicht  durch  das  später 
gebräuchlichere  „unius  substantiae"  oder  „consubstantivus".  „Kad^- 
oXixoq^'  hat  er  III,  11,  8  überhaupt  nicht  übersetzt  {xa&oXixal 
öiaO^^xai  ==  testamenta),  und  es  kurz  vorher  durch  „principalis" 
wiedergegeben  {xioöaQct  xad^oXixa  jtvtvfiaza  =  „quatuor  principales 


320  ^ic  Litteratur  des  Abendlandes. 

Spiritus**).  Wenn  das  Wort  im  Lateinischen  damals  ganz  gebräuchlich 
war,  warum  vermied  er  es?  Im  Bibeltext  ist  ihm  o  Xoyoq  stets  = 
„verbum"  (Joh.  1, 1),  aber  sonst  übersetzt  er  es  mit  „sermo".  ^AöeX- 
(poxriq,  aöaXtpoi  =  „fraternitas",  „fratres";  aber  III,  4,  2  übersetzt 
er  rj  xAv  aöaXtpAv  avpoöla  durch  „conventus  religiosorum  homi- 
num"!  ^  ÜQoöcojtov  wird  (III,  11,  8)  durch  „forma"  wiedergegeben. 
Über  das  Alter  des  Lateins  des  Verfassers  wird  niemand  so  leicht 
eine  sichere  Bestimmung  zu  treffen  vermögen,  ob  es  ins  3.  oder 
4.  Jahrhundert  gehört.  Der  Bibeltext,  den  der  Übersetzer  brauchte, 
ist  jedenfalls  sehr  alt;  aber  auch  das  entscheidet  nicht;  denn 
3.  und  4.  Jahrh.  hier  auseinanderzuhalten  vermögen  wir  nicht 
Vielleicht  wird  eine  ganz  genaue  Erforschung  der  Übersetzung 
im  Vergleich  mit  dem  Originaltext  Licht  bringen.  Bis  dahin  muß 
die  Frage  unentschieden  bleiben,  wenn  man  auch  geneigter  sein 
wird,  das  3.  Jahrh.  vor  dem  4.  zu  bevorzugen  2. 


1)  Diese  Obersetzung  ist  so  auffallend,  daß  man  vermut^^n  muß,  der 
Lateiner  habe  nicht  zwv  ddeXipdiv  gelesen.  Stand  im  Grundtext  nicht  rcöv 
aylmv'i  Man  hat  vielleicht  in  diesem  Fall  anzunehmen,  daß  x<5v  aylotv  anstößig 
war  und  von  Eusebius  (ihm  verdanken  wir  an  dieser  Stelle  die  Erhaltung  des 
Grundtextes)  oder  seiner  Vorlage  in  ddeXtpotv  verwandelt,  von  dem  Obersetzer 
durch  „religiosorum  hominum"  wiedergegeben  ist.  Hierfür  spricht,  daß  im 
pseudotertull.  Carmen  Adv.  Marc,  welches  den  bei  Irenäus  sich  findenden  Be- 
richt über  Cerdos  Ausstoßung  aus  der  Kirche  {Xa&QOÖiSaaxaXwv  .  .  .  iXeyxo' 
liBvo^  i<p*  oIq  iölöaaxe  xaxcSg  .  .  .  d(piatdfji€vog  xrjg  xwv  döeXqimv  [?]  awoöiac] 
willkürlich  sowohl  für  diesen  als  für  Marcion  verwertet,  bei  Cerdo  (IIT,  288fiVl 
steht:  „detectus,  quoniam  vocos  et  verba  vonena  spargebat  fürt  im,  qua- 
proptor  ab  agmine  pulsus",  bei  Marcion  (III,  299ff.):  „passim  vulgo  loquens 
latebrosa  perfidus  arte  .  .  .  abjectiis  .  .  .  a  sanctis  reprobus").  Hieraus 
lilßt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  schließen  (da  „fratrum"  an  beiden 
Stellen  fehlt),  daß  der  Grundt^xt  gelautet  hat:  xfiq  xcHv  dyicov  avvodlag.  Wie 
dem  aber  auch  sei,  die  Übersetzung  bei  unserem  Lateiner  „religiosorum  homi- 
num"  macht  nicht  den  Eindnick  einer  sehr  frühen  Zeit,  mag  er  was  auch 
immer  gelesen  haben. 

•J)  Im  pseudotertull.  Carmen  Adv.  Marc,  ist  Trenäus  mehrfach  benutzt,  aber 
nicht  die  lateinische  Übersetzung  (überall  sind  di<j  Worte  andere),  sondernder 
(Jnmdtext.  —  Loofs  hat  in  seiner  Abhandlung:  „Die  Handschriften  der 
lateinischen  Übersetzung  des  Irenäus"  (Kirchengesch.  Studien,  Reuter  gewidmet, 
1888,  S.  8 ff.)  sich  über  das  Alter  der  Übersetzung  nicht  geäußert.  Mercati 
(D'alcuni  nuovi  sussidi  per  la  critica  del  testo  di  S.  Cipriano,  Roma,  1809, 
1».  100 ff.)  ist  geneigt,  auf  Grund  eines  stark  abweichenden  Zitates  aus  dem 
lateinischen  Trenäus  bei  Agobard  (Do  iudaicis  sui»erstitionibus)  die  Existenz  einer 
zweiten  lateinischen,  in  Gallien  angefertigten  Übersetzung  anzunehmen;  aber 
notwendig  scheint  mir  diese  Hypothese  nicht  zu  sein.  Im  günstigsten  Falle 
wäre  anzunehmen,  daß  es  für  diese  oder  jene  berühmte  Stelle  bei  Irenäus 
mehrere  Übersetzungen  gegeben  hat.  In  den  „Studi  e  Testi"  o  (1001)  p.  241  ff. 
ist  Mercati  noch  einmal  auf  die  Sache  zarückgekommen  (nach  meiner  kurzen 
Bemerkung  in  der  Theol.  Litt.-Ztg.  1800  2.  Sept.   und  Turners  Kritik  in  dem 


Die  Akten  der  l'erpetua  und  Felicitiis.  321 


13)  Die  Akten  der  Perpetaa  und  Felicltas. 

Dieses  Kleinod  der  altchristlichen  lateinischen  Litteratur  liegt 
in  drei  Rezensionen  vor,  nämlich  (l)  in  einer  montanistischen^ 
lateinischen,  (2)  in  einer  mit  dieser  fast  identischen  griechischen 
und  (3)  in  einer  kürzeren  lateinischen  (katholischen)  2.  Die  beiden 
ersten  enthalten  c.  3—10  u.  11—13  die  Aufzeichnungen  der  Per- 
petua und  des  Saturus  über  ihre  Erlebnisse  und  Visionen  im  Ker- 
ker und  den  Rahmen  des  Redaktors  (c.  1.  2  und  14—21).  Es  ist 
möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich,  daß  c.  1  und  die  letzten  Zeilen 
von  c.  21  einem  vom  Redaktor  zu  unterscheidenden  Editor  gehören. 
Die  Aufzeichnungen  der  Perpetua  und  Saturus  sind  keine  Fiktion, 
und  die  Akten  bestanden  schon  in  dieser  Zusammensetzung,  wie 
wir  sie  jetzt  lesen,  zu  jener  Zeit,  als  Tertull.  De  anima  schrieb; 
denn  er  verwechselt  (c.  55)  das,  was  Saturus  geschaut  hat,  mit  der 
Vision  der  Perpetua.  Also  ist  diese  Erzählung  den  Ereignissen 
selbst  sehr  bald  gefolgt.  Der  griechische  Text  ist  so  beschaffen, 
rtaLs  mit  Recht  die  Frage  aufgeworfen  werden  konnte,  ob  er  nicht 

Journ.  of  Theolog.  vStud.  H,  11KJ(),  p.  147f.).  Turner  hatte  die  Hypothese  vor- 
getni^en,  Agobard  selbst  habe  die  Fassung  des  Stückes  hergestellt  auf  Giiind 
Unh  des  Rufin,  teils  des  Originaltextes,  der  ihm  noch  vollständig  oder  in  der 
Kirchengoschichte  des  Eusebius  vorlag.  Diese  Annahme  ist  freilich  nicht  wahr- 
scheinlich, und  Mercati  hat  mit  Recht  Bedenken  gegen  sie  geltend  gemacht. 
Kr  bleibt  dabei:  „e  difficile  resistere  al  sospetto,  che  il  fmmmento  d'Agobardo 
ii'ni  d'im  altra  versione  o  d'una  recensione  molto  diftereute",  fiigt  aber  hinzu: 
„fos^se  poi  di  tutta  l'opera  d'Ireneo  o  d'una  parte,  o  fiualmente  anche  del  solo 
nostro  piisso,  po8sil)ilmente  derivato  inAg.  da  qualche  antico  scrittore  perduto". 
—  Werder  Autor  des  l*rologö  zu  dem  lateinischen  Irenäus  ist  (gewöhnlich  wird 
der  Diakon  Flonis  von  Lyon  genannt),  der  mit  der  Übersetzung  zusammen  abg«»- 
dnu-kt  zu  werden  pflegt,  wissen  wir  nicht.  Er  hat  für  die  Entstehung  der 
rbf'rK»»tzung  selbst  keine  Bed(;utung,  sondern  gehört  einer  viel  späteren  Zeit  an. 

1)  Der  Montanisnuis  des  Redaktors  ist  m.  E.  unverkennbar;  in  bezug  auf 
die  Heiligen  selbst  wird  man  sagen  müssen,  daß  sie  der  neuen  Prophetie  nahe- 
stehende Katholiken  waren.  Zu  ihrer  Zeit  war  die  wirkliche  Si>altuug  zwischen 
Montanisten  und  Katholiken  in  Karthago  noch  nicht  eingetreten. 

2)  S.  Ruinart;  Aub6,  Les  ehret,  dans  l'cmpire  Rom.  de  la  fin  des  Antonius, 
issi,  y.  .yiOfl'.  Harris  und  Gifford,  The  Acts  of  the  Mart.  of  Terj).  and 
Felic.  1800.  Robinson,  The  Passion  of  S.  ]*erpetua  (Texts  and  Studies  I,  'J; 
ISOl).  Neumanu,  Rom.  Staat  und  Kirche,  1800,  I  S.  171  if.  21)0 ff.  Acta  Rolland. 
T.  11,  1802,  ]».  K.KJff.  Besonders  grümllicho  Ausgabe  von  Franchi  de' 
(•avalieri,  Rom.  Quartalschr.,  5.  Sppl.-Heft,  180(3.  Ehrhard,  Die  altchristl. 
Litt.  (10(X))  S.  5S2ff.  V.  (lebhardt,  Acta  Mart..  Selecta  1002.  Monceaux, 
Hist.  litt.  I,  1901,  p.  7(»fr.  Dazu  Catalog.  c.odd.  hagiogr.  Bibl.  reg.  Bnix.  T.  1,  1, 
l.^iK  S.  158ff.  Anal.  Bolland.  T.  10,  ISOl,  p.  07ff.  u.  T.  11,  1802,  p.  -JdOff.  (Un 
nouveau  ms.  =  Cod.  Ambros.  C  210  inf.X 

Harnack,  Altcliriatl.  LittL'iaturgesch.  II,  2.  21 


322  I^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

der  ursprünglichere  sei.  Allein  Robinson,  Duchesne^  u.  a.  haben 
mindestens  das  bewiesen,  daß  dem  lateinischen  Text  des  Rahmens 
(c.  1.  2;  14—21)  die  Priorität  zukommt 2.    Daß  aber  in  dem  der 
Perpetua  gebührenden  Abschnitt  an  einigen  Stellen  der  griechische 
Text  m.  E.  den  Vorzug  verdient^,  wird  sich  daraus  erklären,  daß 
die  Aufzeichnungen  der  Perpetua  griechisch  gemacht  waren  (s.  c.  13), 
und  daß  der  griechische  Übersetzer  des  Ganzen  sie  noch  in  dieser 
Sprache  vor  sich  hatte ^.    Dann  folgt  aber,  daß  die  griechische 
Übersetzung  auch  in  Karthago  angefertigt   und  der  lateinischen 
Ausgabe  auf  dem  Fuße  gefolgt  ist,  sei  es,  daß  der  lateinische  Re- 
daktor selbst  auch  der  Übersetzer  ist,  sei  es  —  was  wahrschein- 
licher ist,  da  kleine  Mißverständnisse  nicht  fehlen  —  daß  er  einem 
anderen    die   griechische  Übersetzung  übertrugt    Ist  nun   etwa 
Tertullian  der  Verfasser?   Ruinart,    Zahn,    Robinson  meinen 
das  oder  erklären  es  doch  für  höchst  wahrscheinlich.    Neumann 
und  Monceaux  haben  sich  dagegen    erklärt    Manches    spricht 
dafür:  der  Stil  ist  recht  ähnlich,  die  doppelte  Ausgabe,  lateinisch 
und  griechisch,  fällt  auch  ins  Gewicht    Daß  TertuU.,  wo  er  die 
Akten  zitiert  (s.  0.),  Perpetua  und  Saturus  in  bezug  auf  eine  Vision 
verwechselt,  spricht  nicht  sicher  dagegen.    Aber  hätte  Tert  sich 
nicht  in  seinen  zahlreichen  Werken  als  Autor  einer  Schrift  be- 
kannt, die  er  den  h.  Schriften  zugesellt  sehen  möchte,  und  hätte 
er  sie  nicht  öfters  zitiert?  Gewißheit,  daß  Tertullian  der  Verfasser 
sei,  läßt  sich  jedenfalls  nicht  gewinnen.    Aber  ist  er  nicht  der 
Verfasser  von  c.  1  (und  den  Schlußsätzen)?  Hier  sind  die  sprach- 
lichen Übereinstimmungen  am  frappantesten,  ja  nur  hier  sind  sie 
frappant,  und  das  Zitat  aus  der  Apostelgesch.  stimmt  mit  dem 
tertuUianischen  Text    Allein  es  ist  nicht  leicht  (s.  0.),  das  Ein- 
gangskapitel von  dem  Ganzen   zu   trennen.    Man  hat  doch   den 
starken  Eindruck,  daß  wer  c.  1  geschrieben,  auch  das  Ganze  ver- 
faßt hat    Also  bleibt  die  Annahme,  Tert  sei  der  Verfasser,   un- 
sicher. 

1)  C.  R.  de  l'Aiiid.  des  liiscr.  T.  11),  ISOl,  p.  30ff. 

2)  Besonders  wichtig  ist  liier  die  ^^telle  c.  -1:  das  Volk  schreit:  „salvuni 
lotuin,  salvura  lotum",  und  der  Erzilhler  fUhrt  fort:  ,,j)lane  utique  salviis  erat 
qui  hoc  modo  hiverat".  Im  G riech,  ist  das  Worts])iel  zerstört.  An  ein 
jmnisches  (!)  Original  dachte  Hilgenfeld,  Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  34,  18i>l, 
S.  l'JGlf.  867  ff. 

•j)  S.  Harris  und  Gifford  sowie  Theol.  Litt.-Ztg.  1890  Kol.  403. 

4)  Das  leugnet  Franchi  de'  Cavalieri  und  sieht  hier  eine  RückilhiT- 
eetzung  ins  (Jriechische. 

5j  S.  meine  Litt.-Geßch.  I  S.  SlSf.;  v.  Gebhardt,  Deutsche  Litt-Ztg.  IST»! 
p.  128;  Hi  Igen  fei  d,  Ztschr.  f.  wiss.  'ITieol.  Bd.  84  8.  12Ü;  Monceaux,  a.  a.  0. 

p.  82 f: 


Die  Akten  der  Perpetua  und  Felicitas.  323 

Die  kurze  lateinische  Fassung  (Bezension  3)  hat  nichts  Mon- 
tanistisches-, sie  ist  also  die  katholische  Fassung.  Daß  sie  ver- 
hältnismäßig spät  ist,  zeigt  die  Verlegung  des  Martyriums  unter 
Valerian  und  Gallienus.  Sie  kann  also  frühestens  im  4.  Jahrhun- 
dert entstanden  sein.  Dadurch  wird  auch  die  Ortsangabe  „Thub- 
urbum"  zweifelhaft  (die  ältere  lateinische  Erzählung  nennt  keinen 
Ort,  scheint  aber  Karthago  selbst  anzudeuten;  in  die  griechischen 
Akten  ist  Thuburbum  [minus]  auch  gedrungen)  ^  und  ebenso  die 
Angabe  des  Prokonsuls  Minucius,  unter  den  die  Exekution  fallen 
soll,  während  die  ältere  Erzählung  diesen  nur  als  den  Vorgänger 
des  Hilarianus,  unter  welchem  die  Martyrien  stattgefunden  haben, 
nennt.  Allein  da  sich  in  der  jüngeren  Erzählung  keine  Spuren 
finden,  daß  die  ältere  benutzt  ist,  so  fußt  sie  jedenfalls  auf  einer 
eigenen  Quelle,  und  diese  kann  nicht  ganz  schlecht  gewesen  sein, 
denn  gerade  im  Verhör  findet  sich  manches,  was  schwerlich  erfun- 
den ist.  So  sicher  freilich,  wie  Monceaux  möchte  ich  nicht  be- 
haupten, daß  hier  die  Gerichtsakten  selbst  noch  benutzt  sind;  sie 
können  nur  letztlich  zugrunde  liegen;  die  Darstellung  muß  durch 
ein  Mittelglied  oder  mehrere  von  ihnen  getrennt  sein.  Dagegen 
ist  die  an  sich  nicht  verlockende  Auskunft,  die  Monceaux  gibt, 
Minucius  habe  den  Prozeß  begonnen,  Hilarianus  ihn  zu  Ende  ge- 
führt, nicht  so  unwahrscheinlich,  wenn  man  bedenkt,  daß  die  alte 
Erzählung  den  Minucius  Timinianus  als  Vorgänger  des  Hilarianus 
erwähnt  (c.  6:  „et  Hilarianus  procurator,  qui  tunc  loco  proconsulis 
Minuci  Timiniani  defuncti  ius  gladii  acceperat").  Auch  nach  ihr 
also  wird  Minucius  den  Prozeß  begonnen  und  das  erste  Verhör 
geleitet  haben.  Zu  einer  Sicherheit  kann  man  nicht  gelangen; 
man  tut  daher  besser,  diese  kürzere  Gestalt,  die  vielleicht  ge- 
schaffen worden  ist,  um  nicht  montanistische  Akten  am  Feiertage 
der  Heiligen  lesen  zu  müssen,  beiseite  zu  lassen. 

Was  die  Zeit  des  Martyriums  der  Perpetua  und  Genossen  be- 
trifi^,  so  hat  man  sich,  den  Monatstag  betreffend,  an  die  Angabe 
der  Depositio  Mart.  des  Chronographen  vom  J.  354  zu  halten  (trotz 
anderer  Angaben).  Sie  bietet  (s.  auch  die  Fasti  Vindob.)  den 
7.  März.  Nach  c.  7  der  Akten  war  das  das  „natale  Getae  Caesa- 
ris".  Nun  ist  freilich  nach  der  Hist.  Aug.  (Geta  3,  1)  Geta  am 
27.  Mai  geboren;  allein  der  Sicherheit,  welche  Depositionsangaben 
gewähren,  gegenüber  ist  zu  urteilen,  daß  entweder  die  Hist  Aug. 
im  Unrecht  ist  oder  daß  unter  „natale  Caesaris"  der  Nominations- 


1)  Die  jüngeren  Akten  können  Perpetua  und  Genossen  mit  späteren 
thuburbitanischen  Märtyrern  zusammengeworfen  haben,  und  das  kann  später 
in  die  griechischen  Akten  gednmgen  sein. 

Ol  * 


324  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

tag  Getas  als  Cäsar  zu  verstehen  ist.    Letzteres  ist  sehr  wahr- 
scheinlich. 

Was  das  Jahr  betrifft,  so  geht  aus  Ad  Scap.  3  hervor,  daB 
damals  (212  Ende  oder  213  Anfang)  seit  der  Amtszeit  des  Hilari- 
anus  bereits  mehrere  Jahre  verflossen  waren;  aus  De  anima  55 
(verfaßt  um  210)  folgt,  daß  die  Akten  damals  schon  vorlagen;  aus 
den  Akten  selbst  folgt  (c.  6),  daß  z.  Z.  der  Exekution  Severus  und 
Caracalla  regierten  und  Geta  als  Cäsar  bereits  sein  natale  feiert«. 
Hieraus  ergibt  sich,  daß  die  Verfolgung  nicht  früher  als  i.  d.  J.  199 
und  nur  wenige  Jahre  später  fallen  kann.  In  diesen  Zeitraum 
fällt  aber  das  Christenedikt  des  Severus,  und  zwar  in  das 
Jahr  202  (vielleicht  203).  Daß  die  Vorfolgung,  die  es  hervorrief 
die  unsrige  ist,  ist  somit  gesichert  und  bestätigt  sich  auch  daraus, 
daß  die  Delinquenten  (c.  2)  als  Katechumenen  bezeichnet  werden. 
Hiernach  sind  also  Perpetua  und  Genossen  am  7.  März  202  oder 
203  gemartert  worden,  und  nicht  lange  darauf  erschienen  die  Akten. 
Es  ist  aber  der  7.  März  203  zu  bevorzugen;  denn  erstlich  haben 
diese  Christen  ziemlich  lange  im  Gefängnis  gesessen,  zweitens 
liegen  zwischen  dem  Nominationsjahr  des  Geta  zum  Cäsar  und  dem 
J.  203  fünf  Jahre.  Wie  Monceaux  (a.  a.  0.  p.  72)  bemerkt,  fan- 
den die  Festfeiern  in  bezug  auf  solche  Ereignisse  in  der  R^I 
alle  fünf  Jahre  statt.  Sind  diese  Erwägungen  richtig,  so  folgt, 
daß  das  severianische  Christenedikt  nicht  erst  in  das  J.  203,  son- 
dern noch  in  das  Jahr  202  fällt. 

14)  Der  Oetavius  des  Minuclus  Felix. 

In  der  altchristlichen  lateinischen  Litteraturgeschichte  scheint 
es  kein  hoffnungsloseres  Problem  zu  geben,  als  das  der  Zeit- 
bestimmung des  Oetavius  des  Minucius  Felix.  Dieser  elegante 
Dialog,  dessen  Eingang  in  der  nächsten  Zeit  nicht  weniger  als 
dreimal  nachgeahmt  worden  ist\  scheint  sich  der  näheren  Be- 
stimmung seines  Zeitalters  dauernd  zu  entziehen.  Aber  es  scheint 
nur  SO;  die  Schuld  liegt  an  den  Kritikern.  Mit  einer  Hartnäckig- 
keit, die  sich  nur  aus  dem  auch  in  der  Kritik  herrschenden  Prin- 
zip des  kleinsten  Kraftniaßes  erklärt,  starrt  die  Mehrzahl  der  fast 
zahllosen  Litterarhistoriker,  die  das  Problem  zu  behandeln  für  gut 
befunden  haben,  auf  das  Verhältnis  des  Minucius  Felix  zu  Ter- 
tuUian  (Apolog.)  und  sucht  aus  Tabellen  und  Wortklaubereien  die 
Frage  nach  der  Priorität  zu  beantworten.    Nur  ein  kleiner  Teil 

1)  S.  Sixtus  (l*rfcii(locyin-iiiii;,  A<1  Nüvatiiuium;  Victoriu,  Do  fabrioa  muiidi ; 
liactant.,  Tnstit.  Div.  1.  IV. 


Der  Octavius  des  Minucius  Felix.  325 

denkt  daran,  daß  der  Octavius  doch  auch  ein  Werk  für  sich  ist, 
welches  in  seinem  Inhalt  und  Stil  seine  Zeit  widerspiegelt,  und 
von  diesen  Wenigen  zeigt  wiederum  nur  ein  kleiner  Teil,  daß  er 
befähigt  ist,  in  diesen  schwierigeren  Fragen  mitzusprechen.  Wenn 
das  Verhältnis  zwischen  Minucius  und  TertuUian  nicht  bestände 
—  würden  wirklich  viele  den  Mut  haben,  den  Octavius  unter 
Marc  Aurel  zu  setzen? 

Über  die  massenhafte  Litteratnr  zu  der  Frage  brauche  ich 
nicht  zu  berichten;  denn  wir  haben  jüngst  eine  vorzügliche, 
wesentUch  vollständige  Bibliographie  mit  kurzen  orientierenden 
Bemerkungen  erhaltend 

Fest  stehen  folgende  Punkte: 

(1)  Daß  der  Octavius  den  Fronto  voraussetzt  und  nicht  nur 
dem  Hieronymus  und  Lactantius,  sondern  auch  dem  Novatian  (De 
trinitate  u.  a.  Schriften^  dem  Sixtus  und  dem  Verf.  von  „Quod 
idola  non  sint"  bekannt  gewesen  ist 2.  Er  muß  also  zwischen  160 
und  250  verfaßt  sein. 

(2)  Daß  die  Zeugnisse  des  Lactantius  und  Hieronymus,  von 
denen  jener  den  Minucius  vor  TertuUian  setzt,  dieser  ihn  dem 
Tert  nachstellt,  nichts  Sicheres  beweisen,  da  Lactantius  und  Hiero- 
nymus, abgesehen  vom  Buche  selbst,  keine  oder  nur  eine  ganz 
schmale  Kunde  vom  Verfasser  besessen  haben;  daß  aber  das  Zeug- 
nis des  H.  dem  des  L.  weit  vorzuziehen  ist^  da  H.  eine  chronolo- 
gische Reihenfolge  geben  will,  während  L.  an  eine  solche 
nicht  denkt ^. 

(3)  Daß  die  Hypothese,  Min.  und  Tert.  hätten  eine  gemeinsame 
Quelle  benutzt,  durch  keine  sichere,  durchschlagende  Beobachtung 
«refordert  ist  und  keine  bestehende  Schwierigkeit  wirklich  hebt^ 

1)  „l$ibliojyrii]»hio  tlo  Min.  Felix"  in  „Le  Musec  Beige.  Kev.  de  philol. 
<-liis8.  ed.  Collard  und  Waltzing  (VI.  ann.  15  Avr. — 15  Jiiill.  1902  p.  5— 51). 
Hier  sind  vor  der  Halm  sehen  Ausgabe  (1807)  57  Schriften  zum  Octavius  an- 
jiefiihrt  und  besprochen,  für  die  Zeit  von  1867 — 1001  nicht  weniger  als  130. 

2)  Die  Hypothese  von  V.  Schnitze  (Jahrbb.  f.  protet.  Theol.  VH, 
S.  4851'.),  der  Octavius  sei  zwischen  300  und  3Ö3  verfaßt,  ist  also  unhaltbar. 
I^enutzung  des  Octavius  bei  Cyprian  ist  nicht  sicher,  doch  s.  die  Schrift.  Ad 
I)onat.  und  Ad  Deiuetr.  15. 

ij)  Es  ist  wichtig,  daß  Hieron.  nicht  nur  einmal,  sondern  mehrmals  den 
^linucius  nach  TertuUian  gestellt  und  daß  er  Studien  über  die  Anfänge  der 
rhristlich-lateinischen  Litterutur  gemacht  hat.  Leicht  also  darf  man  sein  Zeugnis 
nicht  nehmen. 

4)  Hartel,  Wilhelm  und  Lagarde  haben  diese  Hypothese  befürwortet. 
Wilhelm  allein  (De  Minucii  Fei.  Octavio  et  Tertulliani  Apolog.  P.  1, 1887)  hat 
^ie  durchzuführen  versucht.  Hartel  (Patrist.  Studien  H  S.  18 ff.)  behauptet 
freilirh,  di»«  Hypothese  einer  gemeinsamen  lateinischen  Quelle  dürfe  heute  durch 


326  -^^^'  Iiitterutur  des  Abendlandes. 

^4)  Daß  die  Hinzuziehung  der  giiecbiscbeD  Apologeten  für  die 
Frage  der  Herkunft  des  den  beiden  Autoren  gemeinsamen  Material< 
ohne  jede  Bedeutung  ist. 

(5)  Daß  das  Apologeticum  Tertullians  Ende  197  verfaßt  ist  (s. 
S.  257  f.). 

(6)  Daß  aus  der  Erwähnung  des  Fronto  im  Octav.  nichts  für 
seine  Abfassungszeit  (terni.  ad  quem)  geschlossen  werden  kann, 
denn  Fronto  ist  noch  lange  ein  bekannter  Schriftsteller  geblieben  \ 

Als  siebenten  Punkt  könnte  ich  hinzufügen,  daß  bei  der  De- 
tailvergleichung des  Octavius  mit  dem  Apolog.  nichts  Sicheres 
herauskommt;  denn  das  ist  wohl  das  einzig  Gewisse  in  den  bis- 
herigen Bemühungen.  Dieselben  Argumente  werden  pro  und  contra 
verwendet.  Hier  soll  Miimcius,  doii  Tertullian  als  Plagiator  oder 
auf  einem  groben  Fehler  ertappt  sein.  Der  Fehler  oder  die  ün- 
gescliicklichkeit  sollen  einmal  das  Ui*sprüngliche  sein,  das  der 
Spätere  korrigierte,  das  andere  Mal  aber  sollen  sie  die  Ungesclück- 
liclikeit  oder  Flüclitigkeit  oder  das  halbe  Wissen  des  Abschreibers 
beweisen.  Es  geht  wie  mit  einem  Stundenglas  —  ein  kleiner 
Griff,  und  alle  Argumente  riunen  ins  andere  Fäßchen. 

Den  richtigen  Weg  der  Untei^suchung  haben  Massebieaa- 
und  Monceaux'-*  eingeschlagen.  Es  ist  nicht  zußlllig,  daß  beide 
Franzosen  sind,  (befolgt  sind  ihnen  nur,  soviel  ich  sehe.  Neu- 
mann, Funk  und  (unbestimmt)  Wölfflin^  Icli  selbst  bin  seit 
langer  Zeit  gewiß,  daß  Miniiciiis  nicht  im  2.  Jahrliundert  verfallt, 
daß  er  also  von  Tertullian  abhängig  ist'».  Die  P'rage  ist  so  zu 
stell<Mi:    Kann  der  Octavius  vor  rt.  J.  197  geschrieben  sein?*^ 

Wilholin>^  Bi'AVfi^t'üliruii^  uL-  ^'r>lc:li(Tt  gi'lton.  Kr  s»4b6fc  brhijift  eine  ParalleU'ii- 
t-afel  für  fc-oU-lu.'  Stt-Ucii,  dw.  tlcm  Aik»1oj,'.,  Ad  nat.  und  Octavius  ^emoin>;im 
Bind;  iilior  ans  ilir  ist  nur  zu  orkcuii'-n,  diili  das  Apoloj?.  sohr  stark,  Ad  nat. 
Echwacli  mit  dmi  Octav.  an  den  ]»eirt:*irondcn  Stellten  ZAisammengeht  ( s.  u. . 
Li«'I5r  i's  sieb  Avirkb't-b  narhwoistni,  dali  l»cidc  omv  jjenieinöame  Quelli'  benutzt 
babcn,  fio  stünde  di»'  J*rioritätstVa}^c  doili  noch  auf  dem  alten  Fleck. 

1)  Josfi>hurt  liat  d»Mi  Ai>i()n,  Oriirein*.«  den  CeltJUS  erst  nacb  iiiehrert^u 
I)ez*'iinien  bekrLm]ift.  Fronto  war  unt«*i'  den  Latrin;.'rn  der  einzige  litt-eniriselie 
Hestr«^itrr  de.-  Cliristentinns. 

•J)  In  der  Kev.  de  l'hist.  des  r.-li«;.  \'nl.  IT),  lss7,  p.  :-nO— :-M<i. 

3)  Hi>t.  litt.  1  p.  .i«;:j— r^s. 

•{)  Arrliiv  f.  lat.  Lcxikotri-.  VII,  isüj,  S.    ls:;f. 

Jj)  Di«'  |_M'oI>e  ^b'ii^^;  der  Kritikrr  (Kb.'rt,  Aube,  Keim,  Bc»nwet-«-li. 
l'aul  de  Felic<',  Müller,  Krnaii,  Scliwcii  kr,  Lösrlie,  Hährens,  Kerk. 
Sriller,  Sebanz,  Woymau,  Ziclinsky.  Noj'doi.  Krüj^er,  Ebrbard. 
Boeni^',  Hardenbi-wer  (m-c1i.  d.  altkinld.  Litt.,  1!»02,  1  S.  3U:J— :U."jJ  umv.: 
iA  anderer  Meinunjr. 

<*»)  Wie  das  «'inzi^»'  üiiIIi'it  Z»'U»;nls  fiir  dir»  Chronolofjie  der  Priorität  d«-s 
'J\'rt.  güiirftig  i>t,  wenn  <■>  sie  aiieii  nicht    cntr^cliritlet,    >o  zeugt  ein  momimi-n- 


Der  Octavius  des  Minucius  Felix.  327 

(1)  Aus  dem  Buche  ersieht  uian,  daß  das  Christentum  in  die 
höhere  Beamtenwelt  eingedrungen  war  und  zwar  nicht  nur  damals, 
als  Minucius  schrieb,  sondern  schon  damals  —  und  das  liegt  weit 
zurück  — ,  als  die  Ereignisse  spielten,  die  er  erzählt.  In  die  ni- 
niische  Beamtenwelt  fing  das  Christentum  au  z.  Z.  des  Commodus 
einzudringen;  aber  es  fing  eben  nur  an.  Es  ist  daher  nicht  wahr- 
scheinlich, daß  sich  die  geschilderte  Szene  in  der  Zeit  oder  gar 
vor  der  Zeit  des  Commodus  abgespielt  hat.  Das  Buch  fällt  dann  in 
das  3.  Jahrhundeit. 

(2)  Das  Buch  ist  in  einer  Friedenszeit  geschrieben  und  zwar 
nicht  in  einer  Pause,  sondern  offenbar  in  einer  Zeit,  für  die  Ver- 
folgungsperioden weit  zurückliegen.  Natürlich  kamen  Exeku- 
tionen hin  und  her  vor,  aber  Staat  und  Kirche  standen  in  einem 
faktischeil  Frieden.  Minucius  reklamiert  nicht  wie  Tertul- 
lian  in  bezug  auf  gegenwärtige  Verfolgungen.  Das  weist 
auf  die  große  Friedensepoche  zwischen  Caracalla  und  Maximinus 
Thrax  orter  zwischen  diesem  und  Decius.  Vorher  haben  die  Apo- 
logeten so  nicht  geschrieben. 

y^)  In  bezug  auf  die  Märtyrer  wird  nicht  die  Sprache 
Tei-tuUians  und  seiner  orientalischen  und  okzidentalischen  Zeit- 
genossen geführt,  die  Sprache  des  Ernstes  und  stolzer  Würde, 
sondern  die  übermütige  und  theatralische  Sprache  Cyprians  und 
seiner  Zeitgenossen.  Man  vgl.  doch  den  Brief  der  lugdunensischen 
Märtyrer  oder  auch  TertuUians  Schriften  selbst  mit  Octav.  37: 
^Quam  pulchrum  spectaculum  deo,  cum  Christianus  cum  dolore 
congi-editur,  cum  adversum  niinas  et  supplicia  et  tormenta  compo- 
nitur,  cum  strepitura  mortis  et  horrorem  carnificis  inridens  in- 
culcat,  cum  libertatem  suam  adversus  reges  et  principes  erigit, 
Soli  deo,  cuius  est,  cedit,  cum  triumphator  et  victor  ipsi,  qui  adver- 
sum se  sententiam  dixit,  insultat!"  Das  ist  genau  die  Sprache,  die 
wir  von  der  ßriefsammlung  Cyprians  her  kennen;  so  sprechen  die 
Märtyrer  dort,  so  werden  sie  angefeuert  und  umschmeichelt.     „Ce 


tnU's;  Zougnis  ♦.*l)ouf;ills  für  .sit»,  ist  aber  auch  nicht  sidior.  Caecilhiii  Natalis,  der 
h»M<lniftche  JnU'rlokutor  im  Octavius,  stammt  aus  Cirta  (1),  (i).  Dort  siml  Jn- 
H-hrift.'n  t,n;fim(kMi  (CIL  Vllf  OOOü;  7()0-l-7Ö08;  Dessau,  Hermes  1880  p.  471  ff.), 
<li«'  »MiK'u  M.  Caeoilius  Nataliri  in  den  JJ.  210.  212 — 217  als  Maj^^stratsperson  und 
litTvonajj^onden  liür*,'cr  der  Stadt  zeigen.  Ist  er  mit  dem  unsrigen  identisch,  so 
muß  «T  si>äter  Christ  geworden  und  nach  Rom  übergesiedelt  sein.  Da  der 
I)ial<)^'  lange  Zeit  nacli  den  in  ihm  geschilderten  Ereignissen  fällt,  so  würde  er 
nicht  vor  c.  2.>.")  abgefaßt  sein  können.  Aber  die  Identifizierung  bleibt  zweifel- 
haft. War  unser  Caecilius  ein  Sohn  des  inschriftlichen,  so  rückt  der  Octavius 
iHxrh  ^l^äter.  Ein  Vorfahre  kann  er  schwerlich  gewesen  sein,  sonst  müßte  die 
yainili«)  wieder  ins  Ileid^Mitum  zurückgesunken  sein. 


328  1^16  Litteratur  des  Abendlandes. 

ne  sollt  pas  lä  les  nioeurs  du  IL  si^cle,  niais  Celles  d'iin  temps  oü 
le  martyr,  grand  dignitaire  de  rfiglise,  etait  devenu  peu  suppor- 
table  etc."  ^ 

(4)  Bei  allem  Widerspruch  gegen  die  Kaiser  —  welchen  tiefen 
Respekt  zeigt  doch  noch  Tertullian  im  Grunde  vor  Kaiser  und 
Reich!  Und  wie  konnte  es  anders  sein!  Das  Gedächtnis  an  die 
stolze  Reihe  von  Trajan  bis  Marc  Aurel  wai-  noch  nicht  erloschen: 
und  der  constantissimus  princeps  Severus  zeigte  dem  Reiche,  was 
ein  Herrscher  sei.  Wie  steht  es  in  dieser  Hinsicht  bei  Minucius? 
Er  ist  nicht  nur,  obgleich  Jurist,  indifferent  gegen  das  Reich, 
sondern  er  fließt  über  von  Verachtung,  Spott  und  Haß  gegenüber 
Rom,  dem  Reich,  dem  Kaiser  \  Wie  ein  Barbar  behandelt  er  Rom 
und  seine  Tradition!  Und  so  soll  ein  römischer  Jurist  z.  Z.  der 
großen  Juristen  oder,  wie  man  meint,  z.  Z.  Marc  Aureis  gesprochen 
haben!  Aber,  sagt  man,  Minucius  war  Afrikaner.  Selbst  wenn  er 
das  war  —  Tertullian  war  es  auch  — ,  erklärt  sich  diese  Sprache 
nicht.  Er  war  jedenfalls  Lateiner  und  Sachwalter  in  Rom.  Nur 
die  Zeit,  da  das  Reich  innerlich  zugrunde  ging  und  die  Kaiser 
verächtlich  wurden  oder  doch  nicht  mehr  für  das  Ganze  sorgten, 
das  Ganze  überhaupt  über  den  partikularen  Interessen  nahezu 
vergessen  war,  erklärt  diese  respektlose  Anschauung  und  Sprache. 
Mag  ein  aus  dem  Orient  eingewanderter  christlicher  Sklave  oder 
Freigelassener  auch  im  1.  und  2.  Jahrb.  in  Rom  so  gesprocht*n 
haben  —  Minucius  gehörte  nicht  in  diese  Kreise.  Die  Schüler  des 
('Icero,  Seneca  und  Gajus  (zu  ihnen  gehört  er)  konnten  nicht 
früher  so  sprechen,  bis  die  schleichende  Katastrophe  des  Reiches 
offenbar  geworden  war. 

(5)  Die  Sprache,  die  Minucius  führt,  ist  nicht  das  Latein  des 
Apulejus,  des  Tertullian  und  der  Juiisten  um  200;  er  gehört  nicht 
zur  Gruppe  der  Fronto-  und  Gellins-Schüler,  er  ahmt  nicht  f]nnius 
oder  Plautus  nach,  sondern  er  ahmt  Virgil  und  Cicero  nach,  und 
seine  Sprache  ist  die  Sprache,  wie  wir  sie  bei  Novatian  und  Cy- 
prian  treffen.  In  die  Schulen  der  Rhetorik,  in  die  sie  gegangen 
sind,  ist  auch  Minucius  gegangen  —  es  sind  die  Schulen  in  der 
1.  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  l 

(1))  Die  rein  -  philosophische  Christlichkeit,  die  Minucius  zum 
Ausdruck  bringt,  ist  ein  Destillationsprodukt,  das  im  2.  Jahrhun- 
dert bei  Lateinern  nicht  zu  erwarten  ist.  Jn  solchem  «rlatten  philo- 
sopliischen  Stil,  in  solchem  Absehen    von   „Nebensächlichem'*    am 


1)  ^liissebioau,  1.  c*.  p.  iU  1. 

2)  Cf.  c.  21.  25.  -57,  :Ma8sebi(.'au  j..  311  f. 
.'))  Massobieiiu  p.  :>40f. 


Der  Octavius  des  Minucius  Felix.  329 

(Christentum  kouDte  man  erst  schreiben,  nachdem  eine  Generation 
mit  der  Feder  vorgearbeitet  hatte. 

(7)  Nach  c.  9,  4  u.  28,  10  ist  «Priester"  (sacerdotes)  der  geläu- 
fige Ausdruck  für  die  christlichen  Beamten.  Das  weist  nicht  in 
Marc  Aureis  Zeit. 

(8)  In  c.  9,  1  steht:  „Per  Universum  orbem  sacraria  ista  taeter- 
i'ima  impiae  coitionis  adolescunt*".  Im  Apolog.l6  bedeutet  sacrarium 
„Tempel";  Keim  hat  es  daher  auch  richtig  an  unserer  Stelle  mit 
..Bethaus*'  übersetzt  Würde  man  sich  so  im  2.  Jahrh.  ausgedrückt 
liaben?  Gab  es  damals  besondere  „Kirchengebäude"  und  Kirchen- 
gebäude per  Universum  orbem?  Diese  eine  Stelle  für  sich  schiebt 
das  Buch  ins  3.  Jahrhundert'. 

(9)  Tertullian  berührt  sicli  in  keinen  anderen  Büchern  außer 
in  dem  Apolog.  und  in  Ad  nat  (aber  hier  schwächer)  mit  Minu- 
cius l  Warum  benutzte  er  dieses  Buch  —  es  war  doch  für  die 
lateinische  Kirche  wahrhaft  epochemachend,  wenn  es  um  176  ent- 
standen ist  —  nicht  auch  in  anderen  Schriften?  Hat  man  sich 
überhaupt  klar  gemacht,  welche  Geschichte  der  Octavius  in  der 
lateinischen  Kirche  hätte  haben  müssen,  wenn  er  schon  um  176 
entstanden  wäre?  Er  hat  aber  in  Wahrheit  eine  bescheidene  Ge- 
schichte! Das  ist  nur  erklärlich,  wenn  er  verhältnismäßig  spät  ver- 
faßt worden  ist.  Warum  sind  die  dem  Apolog.  u.  Octav.  gemein- 
samen Stücke  ganz  in  dem  beißenden  Stil  des  Tertullian,  nicht  aber 
in  dem  glatten  des  Minucius  geschrieben? 

Diese  Gründe  sind  durchschlagend;  wir  haben  nicht  nötig,  die 
Entscheidung  in  der  Vergleichung  der  Details  der  Texte  zu  suchen: 
Minucius  hat  nach  Tei-tuUian  geschrieben,  und  zwar,  wie  Masse- 

1)  Jii  der  lat-eiiuschen  f'bersetzung  von  Polye.  ad  l'hilipi).  \  und  Pßeudo- 
i}^nat.  ad  Tars.  9  steht  „sacrarium"  für  &vaiaar^Qtov.  Allein  „Altilre"  meint 
Minucius  schwerlich;  denn  „adolescunt"  paßt  auf  sie  minder  gut,  und  es  ist 
doch  jedenfalls  etwas  gemeint,  dessen  Erscheinung  ofi'ensichtlich  ist.  —  Daß  es 
in  der  1.  Hälfte  des  3.  Jahrh.  besondere  KirchengeLäud«'  gab,  ist  gewiß. 

li)  Man  kann  sogar  zweifeln,  ob  die  Schrift  Ad  nat.  sich  mit  dem  Octav. 
iibiT  das  Ai)olog.  hinaus  selbständig  berührt,  d.  li.  ob  Parallelen  zwischen  ihnen 
bestehen,  die  nicht  starker  zwischen  Apolog.  und  Octav.  sind,  so  daß  Ad  nat. 
überhaui)t  nicht  in  Betracht  konmit.  Indessen  zeigen  m.  K.  einige,  wenn  auch 
w»'nig(?  Stellen,  daß  zwischen  Ad  nat.  und  Oetav.  ein  selbständiges  Verhältnis 
borttelit,  so  daß  —  unter  der  Vorausß(?tzung,  daß  Minucius  der  Spät-ere  ist  — 
.r  auch  Ad  nat.  gelesen  haben  muß,  liez.  sich  Auszüge  aus  der  Schrift 
iremacht  hat.  Betrachtet  man  übrigens  die  Hartelsche  Tabelle  (a.  a.  0.),  so 
reicht  mau  leicht,  wie  Minucius  die  vulgären  Auscb'ücke  Ti'rtullians  glättet 
(Tert.:  „retro  non  fuiss«^*',  Min.:  „ante  non  fuerit";  Tert.:  „citius  peierare*, 
Min.:  „tutius  ]»eierare";  Tert.:  „cantherios",  Min.:  „afiinos";  Tert.:  ,,passivitat-e", 
Min.:   ..pa.s.sim"). 


330  ^i^'  Litteratur  des  Abendlandes. 

bieau,  Monceaiix  und  Neu  mann  erkennen,  beträchtliche  Zeit 
nach  ihm;  aber  eine  nähere  Bestimmung  ist  nicht  möglich.  Er 
kjuin  schon  unter  Alexander  Severus  den  Dialog  verfaßt  habeD. 
al)er  wahrscheinlicher  ist  es,  daß  er  zwischen  Maximums  Thrai 
und  Decius  das  Werk  schrieb  *.  Hieronymus  hat  also  richtig  be- 
richtet, und  auch  die  Inschriften  von  Cirta  können  sich  auf 
unseren  Caecilius  beziehen;  doch  bleibt  die  Identität  zweifelhaft-. 


15)  Das  Mural orische  Fragmente 

Die  Behauptung,  das  Fragment  sei  die  Übersetzunp:  eines 
griechischen  Originals  ^  von  bedeutenden  Kritikern  vorgetragen, 
ist  bisher  nicht  bewiesen  worden.  Dagegen  hat  sie  viel  Unfug  iu 
der  Interpretation  des  Schriftstückes  angerichtet  und  zu  groben 
Willkürlichkeiten  verleitet  Für  den  lateinischen  Ursprung  spricht 
der  echt  lateinische  Ausdruck  „iuris  Studiosus"  in  Z.  4,  der  den 
Assessor  bedeutet,  der  bei  dem  älteren  Eiehter  lernt    Außerhalb 

1 )  HiiTOii^mus  beriflitet  uns  zwciiiuil  (De  vir.  inl.  r>8  und  ep.  70,  .'0>  daU 
doin  Minuciiis  mich  «'in  Traktat  De  fato  vol  Contra  Matheinaticos  beigelegt 
wcrd»»;  er  iK'zwtjifclt  um  des  Stils  willen  (doch  sei  er  auch  von  einem  homo 
disertus)  seine  Echtlieit.  Wir  könn(Mi  zur  Sache  nur  das  bemerken,  diil) 
Minuciiis  in»  Octavius  ein«?  ausführliche  Schrift  De  fato  ankündijjrt  (c.  .'jO,  J'. 
Die  zui"  Zeit  d«.'S  Hierori.  noch  vorhan<lene  Schrift  kann  diese  Schrift-  gewe^♦•ll 
sein.  Die  Hy|»()these,  «Icr  Alischnitt  De  fato  in  den  psendoaup^ist.  Quaest.  p-li-' 
auf  sie  zurück  (Lan<xen  >,  schwebt  in  der  Luft.  Über  die  merkwürdij^e  Tat- 
sache, da(J  auch  Tertullian  De  fato  geschrieben  hat,  >.  o.  S.  iN.'). 

•J)  Doissier,  La  iin  du  pa^anisnie  I  (1S91)  \k  .'{()7  erklärt  sich  sowei  1 
dun;h  Dessau  wie  «hirch  Masse])ieau  tVir  überzenj^t.  —  Man  hüte  siel. 
trüpnische  Ifotfnun^cn  auf  die  Anirabe  ])ei  Cruttwell,  A  liter.  bist,  of  earl> 
(.'liristianity  (\k  r»!.'))  zu  setzen.  Dort  heilit  es:  „.V  tradition  of  <loubtfiil  auth«»- 
rity,  luit  i>robable  in  itself,  Steaks  of  Mimurius  as  a  conteui]»orary  of  Poj- 
l'rban  at  Home".  Das  wäre  rine  DestätiofnuL?  unserer  Nachweisunpen;  dciiii 
Turban  war  von  *J*J2,i{— *J.'>n  römischer  l<is<-hof.  A])er  einp'zo^ene  p]rkundi«»iinjie!i 
haben  mich  lielehrt,  da(i  die  Aupjahe  auf  einem  Irrtum  beruht.  —  Dit»  «»inziir»- 
Handschritt  des  Octavius  verbindet  diesen  bekanntlicli  mit  »lern  jn^oHen  Werk 
des  Arnol)ius,  als  war»'  er  ein  lk'>tandteil  desselhen.  Das  ist  nicht  so  üb»-'. 
Dortliin  j;ehr)rt  das  Duell  ]»ess«*r  als  zu  'J'ertullian. 

'.))  Die  neuen  Zcuj^eii  <lcs  Textes,  die  iu  den  Miscell.  Cassinesc»  I  (1>!»7. 
verötlentliclit  worden  sind,  haben  unsere  K»'niituisse  so  «rut  wie  nicht  b(*reic.hert ; 
s.  Theol.  Litt.-Ztir.  ls!)S  Nr.  :».  Zahn  (in  <ler  Trotest.  KKnzykl.3  IX  p.  Tl'T' 
meint  ilinen  rini<;e  bescheitb-ne  Friichte  entlocki'u  zu  können.  Hatiffol  ilii'- 
bert  d'Klnone  et  le  canon  de  Muratori  i.  Kev.  bil)li.nie  T.  7,  1S<)S  p.  4*J1  tf.)  h;i- 
jjj(?zeipt,  ilali  der  K(unmentar.  welchem  (h'r  die  Fra^nente  enthaltende  IVolcir 
vor^i'Setzt  i>t,  d»'r  des  (ülhert  von  Klu«>ne  i<t,  «ler  l'rolojr  aber  in  Mont 
(,'assino  selbst  an^efrrti^t  sein  niajJT. 

I)  Li}^htfVM»t  nahm  s«>'j:ar  ^rit'chische   \'i'r-:e  an. 


Das  Muratorische  Fragment.  33 1 

Koiiis  ist  der  Ausdruck  nicht  nachweisbar'.  Auch  das  Wortspiel 
^fel  cum  melle  niisceri  non  congruit"  (Z.  67)  ist  der  Annahme 
eines  griechischen  Originals  ungünstig.  Man  darf  ferner  den  tech- 
nischen BegriflF  „disciplina"  (Z.  63)  hier  geltend  machen.  Die  Mög- 
lichkeit soll  deshalb  nicht  bestritten  werden,  daß  das  Fragment, 
welches  manche  Gräzismen  aufweist  —  aber  solche  fehlen  auch 
in  genuinen  lateinischen  Schriftstücken  nicht  — ,  griecliischen  Ur- 
sprungs ist*^. 

Daß  es  in  das  Abendland  gehört,  ist  m.  W.  nur  von  Kuhn 
bezweifelt  worden^;  die  Annahme  ist  durch  Z.  38  („urbs")  so  gut 
wie  gesichert.  Unsicher  ist  die  Herkunft  aus  Rom;  doch  schrieb 
der  Verfasser  für  Leser,  die  ohne  weiteres  wußten,  wann  Pius  auf 
der  Kathedra  Roms  gesessen  hat.  Also  schrieb  er  wohl  in  Rom 
für  benachbarte  Gemeinden  oder  in  einer  Rom  benachbarten  Kirche. 
Die  Hypothese,  daß  das  Kanonsverzeichnis  eine  Kompilation  aus 
alten  und  jungen  Überlieferungen  darstelle,  die  aus  verhältnismäßig 
später  Zeit  (2.  Hälfte  des  5.  Jahrh.)  stammt  ^  hat  mit  Recht  keinen 
Heifall  gefunden  ^  Der  Kompilator,  der  Z,  74  „nuperrime  tempori- 
1ms  nostris**  stehen  gelassen  hat,  müßte  ein  Ausbund  von  Gedanken- 
losigkeit gewesen  sein^.  Diese  Stelle  ist  die  wichtigste  für  die 
Zeitbestimmung  des  Fragmentes:  „Der  Hirt  des  Hermas  ist  ganz 
neulich,  (nämlich)  zu  unseren  Zeiten  geschrieben*'.  Hier  hat  man 
zu  beachten,  daß  der  Verfasser  „nuperrime*'  dem  „temporibus 
nostris"  nicht  nach-,  sondern  vorangestellt  hat.  Das  „nuperrime" 
ist  dadurch  wesentlich  elirainieii:.  Dur(*h  eine  dritte  Zeitbe- 
stimmung „als  Pius  auf  der  Kathedra  der  Stadt  Rom  saß",  hat 
der  Verf.  seine  Angabe  determiniert.    Die  Zeit  des  Pius,  d.  h.  das 

1)  S.  Sitziin^^shrr.  <!.  K.  Pr.  Akad.  il.  Wissenscb.  v.  20.  F.'br.  V,m  S.  lM.*}. 

•J)  Das  stärksto,  ja  Jas  ilurchsuhlagendo  Element  fiir  den  f;rie('hi.sch«ii 
Vrsprunj?  war»'  dor  Nacliweis,  daß  d«'r  Sprachfharakt(»r  des  Fragin<>nts,  auch 
WfiiTi  man  allo  Stil-  und  Schr«'ibfchlor  der  AI  »schreibor  abzielit,  notwendig?  in 
<li»'  Zrit  um  oder  nach  d.  J.  ÜjH  weise.  Aber  erötlich  ist  nicht  leicht  zu  ent- 
hclit'iden,  was  spätere  Fehler  und  was  urHi)rüngliche  Züge  sind.  Zw^eitens  sind 
jr.tlrhi»  Argum«.'nte  wie:  das  „Catafryges"  (Fi-agm.  Z.  S4)  finde  sich  sonst  erst 
bei  Padan  und  Thilaster,  ju'ekiir;  denn  ol  xara  4*()iy(:g  war  jedenfalls  schon 
im  :).  .lahrlmndert  geläufig';  ('y)»rian  ep.  7."),  7  liest  man  „qui  cata  Phr^'^as 
u|.i'.-llantur".  Warum  soll  also  nicht  auch  schon  um  d.  J.  2(Hj  „Cataphryges" 
L'«'Si-hrieb(?n  worden  sein? 

:;)  Kuhn,  Das  Murat.  Fragm.  (islrj)  S.  iJl.  'SX 

4)  Koffmanc  in  d.  Neuen  Jahrbb.  f.  deutsche  'fheol.  ISlKi  S.  IGSff. 

■'))  S.  gegen  sie  Achelis  in  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  37,  18(i4 
S.  J2.]^\ 

0)  Die  positiven  Argumente,  die  Koffmane  aus  der  Cberliefemng  fiir 
^•■iiii-  ATinahme  g«*ltend  gemacht  hat,  })eruhen  z.  T.  auf  einem  Mißverständnis 
*{»'v  rbcrlieferung. 


332  I^i^'  Littoratur  des  Abendlandes. 

5.  Jahrzehnt  des  2.  Jahrhunderts  und  der  Anfang  des  6.  fallt  also 
noch  in  die  „tempora"  des  Verfassers.  Über  c.  210  wird  nian  daher 
mit  dem  Buch  nicht  heruntergehen  können.    Daß  bevor  Tertnllian 
sein  Buch  De  pudicit.  schrieb,  stürmische  Verhandlungen  über  den 
Hirten  in  vielen  Kirchen  geführt  worden  sind,    die    mindestens 
größtenteils   für    ihn  unglücklich    endigten,   wissen   wir    aus  De 
pudic.  10.    Als  TertuUian  De  orat.  schrieb,  scheinen  sie  in  Afrika 
noch  nicht  auf  der  Tagesordnung  gestanden  zu  haben;  denn  Ter- 
tuUian zitiert  den  Hirten  ohne  jede  Bemerkung  als  maßgebende 
Schrift     Nun  zeigt  unser   Fragment  die  Kontroverse  über  den 
Hirten  als  brennend;  der  Verfasser  verweist  ihn  aus  dem  gottes- 
dienstlichen Gebrauch;  aber  man  erkennt  deutlich,  daß  diese  Ent- 
scheidung noch  nicht  allgemein  ist.  Also  werden  wir  in  Rücksicht 
auf  die  Tatsache,  daß  Kontroversen  dieser  Art  in  Rom  früher  be- 
gonnen haben  als  in  Afrika,  auf  die  Zeit  c  190—210  geführt,  zu 
welcher  unser  oben  approximativ  gewonnenes  Datum  (nicht  später 
als  c.  210)  sich  vortrefflich  fügt.    Es  empfiehlt  sich  aber,  mit  dem 
Fragment  nicht  über  die  Zeit  c.  195  hinaufzusteigen;  denn  früher 
ist  der  Montanismus  in  Rom  nicht   als  erkläile  Häresie  behan- 
delt worden;  unser  Schriftstück  aber  stellt  am  Schluß  den  Mou- 
tanus    mit    dem    verabscheuten    Gnostiker    Basilides    (der   auch 
„Propheten'*  hatte)  zusammen,    umgekehrt  empfiehlt  sich  der  ter- 
minus  ad  quem  nicht  nur  diu'ch  die  Rücksicht  auf  das  „temporibus 
nostris"   und  die  Hermas- Kontroverse.    Die  Satzgruppe,  die  mit 
den  Worten  beginnt:  „Arsinoi  auteni  seu  Valentiui'*  (Z.  81  ff.)  und 
in  der  es  noch  für  nötig  gehalten  wird,  ausdrücklich  und  f(>rmlich 
Schriften  des  Valentin  etc.  aus  dem  Kanon  auszuschließen,  befrem- 
det bereits  für  das   1.  Jahrzehnt  des   3.  Jahrhunderts.    Als  aus 
dem  zweiten  stammend   ersclieint  sie  noch  befremdlicher.    Auch 
in  dieser  Beziehung  (wie  beim  Hirten)  wird  man  die  Jahrzehnte 
190 — 210  als  diejenigen  erkennen  müssen,  in  denen  in  Rom  noch 
Verhandlungen  über  den  Kanon  bez.  ausdrückliche  Abweisungen 
solcher  Bücher  stattgefunden   haben,   die   durch  ihre  Form  (wie 
das  Evangelium  Valentins,  das  Diatessaron  Tatians)  Anspruch  auf 
normative  Geltung  machten.  Der  Kanon  ist  so  zu  sagen  an  seinem 
Rande  noch  nicht  fest  begrenzt  gewesen,   wie  auch  die  Tatsache 
beweist,    daß    der   A'erf.    zwar    ausdrücklich    4    Evangelien    und 
7  (+  2)  +  4  Paulusbriefe  zählt,  im  übrigen  aber  noch  nicht 
zählt  und  sich   auch  den  Zweifel  seiner  Glaubensbrüder  an  der 
Petrus- Apokalypse  gefallen  läßt  („quam  quidam  ex  nostris  legi  in 
ecclesia  nolunt",  Z.  72 f.)  ^    So  darf  man  sich  bei  dem  Urteile  In- 


J)  Von  den  B».'obiichtunj^on,  die  man  «joniacht  liabeii  will,  daß  das  FraiT- 


Das  Muraioriäche  Fragment,  333 

ruhigen,  daß  das  Schriftstück»  der  Zeit  195-205  (2lo)  angehört. 
Daß  dieser  Zeitraum  auch  derjenige  ist,  in  welchem  Hippolyt  seine 
frühesten  Schriften  geschrieben  hat,  ist  dem  Ansatz  günstig;  denn 
auch  Hippolyt  zeigt  in  ihnen  in  bezug  auf  das  N.  T.  noch  Eigen- 
tümliches, was  sehr  bald  darauf  in  Born  nicht  mehr  zu  finden  ist 
Über  den  Verfasser  sind  mehrere  Hypothesen  aufgestellt  wor- 
den (.Cajus  von  Rom,  Rhodon,  Hippolyt  u.  a.),  aber  keine  hat  irgend- 
welche Wahi-scheinlichkeit  Ließe  es  sich  nachweisen,  daß  das 
Schriftstück  von  einem  römischen  Bischof  verfaßt  ist —  daß  ein 
Bischof  der  Verfasser  ist,  legt  die  autoritative  Haltung  nahe  — , 
so  wäre  nur  an  Victor  zu  denken. 


Die  Schrift  De  pascha  computus  gehört  gewiß,  die  Abhandlung 
De  inontibus  Sina  et  Sion  wahrscheinlich,  der  homiletische  Traktat 
Ad  aleatores  vielleicht  der  vordecianischen  Zeit  an.  Da  sie  aber 
als  Schriften  C-yprians  überliefert  sind,  werden  sie  dort  behandelt 
werden.*-^ 


iiient  die  Petrusakten  benutze  und  die  johanneiscbe  Litteratur  apologetisch 
behandle  (d.  h.  gegen  Gegner  verteidige),  sehe  ich  ab.    Jenes  ist  sehr  unsicher 

—  die  kombiniertti  Krwühnung  der  Passio  Petri  und  der  spanischen  Reise  des 
Paulus  braucht  doch  nicht  notwendig  den  Akten  entnommen  zu  sein  —  und 
dieses  nichts  als  ein  oberflächlicher  Schein.  Noch  jüngst  wieder  hat  Karl 
Schmidt  (Texte  und  Unters.  Bd.  24  H.  1  S.  105 f.),  Zahn  (Gesch.  des  NTlichen 
Kanons  U  S.  S44  und  Forschungen  Bd.  G  S.  201)  folgend,  behauptet,  die  Stelle 
in  unserem  Fragment«»  müsse  von  den  Akten  abhängig  sein.  Aber  wenn  der 
Verfasäfr  des  Fragments  hier  eine  schriftliche  Quelle  benutzt  hätt^,  der  er 
volles  Vertrauen  schenkt  und  in  der  er  Tatsachen  in  bezug  auf  Paulus  und 
INtrus  gefuudtMi  hat,  di«»  ihm  nicht  nur  wertlos,  sondern  unerläßlich  erscheinen 

-  -  warum  hat  er  diese  Quelle  nicht  genannt?  (Näheres  s.  oben  S.  ITl).  Übrigens 
liiit  Schmidt  selbst  S.  ViO  die  Abhängigkeit  als  zweifelhaft  bezeichnet.  — 
Die  Einrcchnung  der  „Sapientia  ab  amicis  Salomonis  in  honorem  [ecclesiae] 
si'ripta"  (Weisheitbuch  und  Sirach?)  in  die  neue  Sammlung  rät  auch,  sich  nicht 
weit  vom  J.  2(X)  nach  abwärts  zu  entfernen. 

1)  Vielleicht   hat   ein  Verzeichnis   der  ATlichen  Sehrifteu   im   verlorenen 
Anfang  gestanden. 

2)  Auch    unter  den   Schriften  Cyprians,    den  erhalt^'uen  und  verlorenen, 
{.'ibt  es  einige,  die  in  <ler  Zeit  vor  Decius  entstanden  sind. 


Zweites  Kapitel. 

Die  Schriftsteller  von  der  Zeit  des  Decius  bis 

zu  der  Konstantins. 

1)  Gyprian^  und  Pseudocyprianisches. 

1.  Echtheitsfragen. 

Die  Frage,  welche  Schriften  aus  der  großen  Zalil  der  unter 
dem  Namen  des  Cyprian  überlieferten  ihm  wirklich  gebühren,  ist 
so  weit  gefördert,  daß  nur  noch  an  wenigen  Punkten  ein  Zweifel 
übrig  geblieben  ist  2.    Verschollen  ist  die  tendenziöse  Behauptung 

1)  In  bezug  auf  die  Cberlieferunj?  der  Cyprianischen  Werke  s.  den  I.  Teil 
«licses  Werkes  S.  688 — 730,  dazu  Harnack,  Cber  verlorene  Briefe  und  Akten- 
stücke, die  sieb  aus  der  Cyprianischen  Briefsammlung  ermitteln  lassen,  in  den 
Texten  und  Unters.  Bd.  23  H.  2,  1J)02.  Götz,  Gesch.  der  cypr.  Litt,  bis  z.  d. 
Zeit  der  ersten  erhaltenen  Handschriften,  1801;  vor  allem  v.  Soden,  Die  Cypr. 
Briefsammlung,  ihre  Entstehung  usw.,  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  25  H.  8,  IIKM. 
Zusammenfassende  neuere  Werke:  Fechtrup,  Der  h.  Cyprian,  I.  Teil,  ISTS. 
0.  Ritschi,  Cyprian  v.  K.  u.  d.  Verf.  d.  Kirche,  LS85.  Schanz,  Gesch.  d»T 
röm.  Litt.  3.  Teil,  180Ü,  S.  302ff.  Benson,  Cyprian,  London  1S97.  Haußleiter, 
Der  Aufbau  der  altchristl.  Litt.,  181)<S.  Monceaux,  Hist.  litt,  de  rAfriqut\ 
T.  II  [Cyprian]  1002.  Bardenhewer,  Gesch.  d.  altkirchl.  Litt.  2.  Bd.,  K»C'3, 
S.  304 ff.  Kritische  Cbersicht  über  die  neueste  Litteratur  bei  Ehrhard,  Die 
altchristl.  Litt.,  1900,  S.  455 ff.  —  Um  die  Chronologie  der  Schriften  Cyprians 
und  seines  Lebens  haben  sich  nach  Pamelius  und  Pearson  in  neuerer  Zeit 
verdient  gemat^ht  Fechtrup  (a.  a.  0.),  Bitschi  (a.  a.  0.  u.  De  epist.  Cyprianici:«, 
Halle,  1885),  Sanday  (The  Cheltenham  List  etc.  i.  d.  Stud.  Bibl.  et  Ecx^l 
Oxon.,  1801,  p.  217 ff.),  Monceaux  fa.  a.  0.  und  Chronol.  des  oeuvres  de  St. 
Cyprien  et  des  conciles  africains  du  temi)s  i.  d.  Rev.  de  philol.,  de  litt,  et  d'hi.><t. 
anc,  1000,  p.  333 ff".),  Nelke  (Die  Chronologie  der  Korrespondenz  Cyprians  usw., 
Thoni,  1002)  und  von  Soden,  a.  a.  0.  Die  Litteratur  über  die  einzelnen 
Schriften  s.  doit. 

2)  Von  den  Interpolationen,  wehihe  die  Schriften  Cyprians  in  der  Clier- 
lieferung  erlitten  haben,  sehe  ich  ab.  Auf  Grund  der  Stichenzahlen  de< 
Mommsenschen  Verzeichnisses  v.  J.  350  die  Integrität  einiger  Schriften  zu  be- 
zweifeln (wie  Goetz  i.  d.  Schrift  v.  1801  getan  liat),  ist  nicht  gestattet,  da  dit^ 
Stichenzahl  nicht  überall  zuverlässig  ist.     Cbrigens   hat    es    Chapman   durch 


Gyprian  und  Pseudocyprianwcbt^s.  335 

der  Unechtheit  der  ep.  74  und  der  Sententiae  (Cyprians  Stellung 
im  K  et  zertauf sti-eit  war  gewissen  Kurialisten  unbeciuem).  Auch 
die  Zweifel  an  der  Echtheit  des  3.  Buchs  der  Testimonien  haben 
sich  bisher  nicht  zu  einer  negativen  Beweisführung  zu  verdichten 
vermocht.  Ein  wiederholtes  Studium  der  Frage  hat  mir  die  wich- 
tigsten Bedenken  niedergeschlagen  K  Auch  die  Zweifel,  welche 
Aubö^  gegen  die  "Echtheit  des  Traktats  Ad  Demetrianum  erhoben 
hat,  wiegen  nicht  schwer  und  sind  m.  W.  von  niemandem  auf- 
genommen worden.  Umgekehrt  haben  die  Versuche,  die  schon  von 
den  älteren  Kritikern  ausgeschiedenen  Schriften  Ad  aleatores^. 
De  spectaculis^  Ad  Novatianum^  und  De  bono  pud.^  dem  Cyprian 


♦'ine  eindringende  Untersuchung  sehr  wahrscheinlich  gemilcht,  daß  die  „herüch- 
tigtste"  Interpolation  (in  de  unit.  4)  keine  solche  ist,  sondern  von  Cyprian  selbst 
lieiTührt  (bei  Gelegenheit  einer  neuen,  nach  Rom  gesandten  Ausgabe  des  Trak- 
tats; Chapman  i.  d.  Rev.  B6n6d.  Bd.  19,  1902,  S.  240 ff.  357 ff.;  Bd.  20,  1903, 
S.  20ff.,  dazu  Harnack  i.  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1903  Nr.  9).  Das  3.  Buch  der 
.,Testinionien"  lud  zu  Interpolationen  geradezu  ein  und  liat  auch  solche  erfahren 
(8.  Ramsay  in  The  Journal  of  Theol.  Stud.  II,  1901,  p.  27(5ff.). 

1)  Eine  bisher  nicht  gednickte  Lizentiatenschrift,  welche  die  Unechtheit 
zu  erweisen  suchte  und  mir  vorgelegen  hat,  hat  mir  gezeigt,  daß  die  Gründe, 
mit  denen  man  die  Echtheit  bestreiten  kann,  nicht  durchschlagend  sind.  Man 
(lai-f  nur  nicht  das  3.  Buch  als  einen  ursprünglichen  und  organischen  Bestand- 
teil des  ganzen  Werkes  auffassen.  Es  war  weder  vom  Verf.  geplant,  als  er  die 
Ix'iden  ersten  Bücher  schrieb  (die  ein  geschlossenes  (janze  und  von  apologetisch- 
]iolemischen  Gesichtspunkten  beherrscht  sind),  noch  ist  es  von  ihm  als  drittes 
liuch  gedacht  (s.  die  besondere  Vorrede),  sondern  es  ist  ein  Spruchbuch  für  sich, 
welches  au  das  zweigeteilte  erste  Spnichbuch  herangerückt  worden  ist,  weil  es 
ihm  formell  gleichartig  ist.  Das  3.  Buch  findet  sich  schon  im  Mommsenscheu 
\'erzeichnis.  Daß  es  Cyprian  selbst  in  der  Schrift  De  habitu  virg.  ])einitzt  hat, 
wollte  Haußleiter  erweisen  (Comment.  Woelftlin.,  1891,  S.  377ff.).  Allein  ein 
stringenter  Beweis  läßt  sich,  da  es  sich  lediglich  um  Konvolut«  von  Bibelstellen 
liandelt,  von  denen  einige  wahrscheinlich  schon  längst  zusammengestellt  waren, 
nicht  fuhren.  Erweisen  aber  läßt  sich,  daß  dieselbe  Bibeltext-Rezension  wie 
in  Testim.  I  und  II  und  den  andern  Cyprianschriften,  so  auch  in  Testim.  III 
benutzt  ist.  Die  Korrektheit  in  den  Zitaten  aus  dieser  Rezension  läßt  sich 
überall  in  Cyprians  Schriften  beobachten  und  ist  gegenüber  Bezweiflungen  ihrer 
Echtheit  von  Wichtigkeit.  Die  Testimonien  sind  allerdings  ganz  systematisch 
in  einem  Hauptzweige  der  Überliefenmg  nach  einem  anderen  Bibeltext  durch- 
korrigiert worden.  Hartel  ist  in  seiner  Ausgabe  leider  dieser  systematischen 
Korrektur  gefolgt.     Der  wirkliche  Text  Cyprians  steht  in  seinen  Noten. 

2)  L^eglise  et  l'^tat  dans  la  II.  moiti6  du  III.  siecle,  lS8o,  p.  305 ff. 

3)  So  nur  Langen  im  Deutschen  Merkur  18S9  Nr.  5  und  in  d.  Histor. 
Ztschr.  1889  H.  3,  1890  II.  2. 

4)  So  nur  Wölfflin,  Cyprianus  De  spectaculis,  im  Archiv  f.  lat.  Lexikogr. 
Bd.  8,  1892,  S.  1  ff.  (zurückgenommen  a.  a.  0.  Bd.  9,  1893,  S.  319). 

5)  So  nur  Rombold  in  d.  Tüb.  Quartalschr.  Bd.  82,  1900,  S.  540  ff. 

6)  So  nur  Matzi  nger,  Des  h.  Cypr.  Traktat  De  bono  pud.,  Nürnberg,  1892. 


336  ^^ö  Litteratur  des  Abendlandes. 

ZU  vindizieren,  keinen  Beifall  gefunden.  In  bezug  auf  Ad  aleato- 
res  bedarf  es  überhaupt  keiner  Worte;  Ad  Novatianum  zeigt  einen 
anderen  Bibeltext  als  Cyprian  und  gehört  (s.u.)  nach  Rom;  De 
spectaculis  und  De  bono  pud.  dürfen  (s.  u.)  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit dem  Novatian  zugesprochen  werden.  Somit  bleiben  nur 
zwei  Probleme  übrig:  Gebührt  „Quod  idola  dii  non  sint"  und  ge- 
bührt das  kleine  Stück  von  vier  Zeilen  „Donatus  Cypriauo"  (Har- 
tel,  Opp.  Cypr.  III  p.  272)  dem  Cyprian? 

Die  Überlieferungsgeschichte  von  „Quod  idola"  hat  Soden 
(a.  a.  0.  S.  205  flF.)  aufgehellt,  und  sie  ist  der  Annahme  der  Echtheit 
ungünstig:  Die  Schrift  (obgleich  sie  sich  in  den  vier  ürtypen 
der  Sammlung  findet,  die  Soden  unterschieden  hat)  steht  in  kei- 
nem alten  und  originalen  Handschriften-Typus  unter  den 
Libelli.  Eingeschoben  worden  ist  sie  (unter  die  Briefe)  vor  der 
sehr  alten  Appendix  ep.  66flF.,  also  jedenfalls  noch  im  4.  Jahr- 
hundert, ja  wahi'scheinlich  im  Anfang  desselben.  Dennoch  fehlt 
sie  noch  im  Cheltenhamer  Verzeichnis.  „Das  4.  Jahrhun- 
dert ließ  sie  also  zwar  eintreten,  aber  noch  nicht  heimisch  wer- 
den". Ob  sie  in  Afrika  oder  in  Rom  eingeschoben  worden  ist. 
läßt  sich  nicht  sicher  entscheiden;  aber  die  Einschübe  gehören 
überhaupt,  namentlich  die  alten,  nach  Rom,  wie  Soden  wahr- 
scheinlich gemacht  hat.  Die  enge  Verbindung,  in  der '  nach 
Hau ß leite r*  unsere  Schrift  mit  ep.  30  (einem  Brief  Novatians!' 
in  der  Überlieferung  stehen  soll,  hat  Soden  (S.  2l0n.  8)  aufge- 
löst, indem  er  zeigte,  daß  die  Verbindung,  wo  sie  auftaucht,  se- 
kundär ist. 

Eine  echte  Schrift  Cypriaus  kann  auch  später  noch  aufö:e- 
taucht  und  in  die  Opp.  aufgenommen  worden  sein.  Wahi^schein- 
lich  ist  es  freilich  nicht  bei  einem  Traktat  apologetischen  Charak- 
ters, der,  ma<?  er  uns  auch  unbedeutend  erscheinen,  jener  Zeit 
wertvoll  sein  mußte.  Wie  steht  es  mit  den  litterarischen  Zeug- 
nissen ? 

Hieronynms  (ep.  70,  o)  und  Augustin  (De  bapt.  c  Donat.  VI, 
44,  87)  kennen  sie  als  cyprianische  Schrift  jenci' i'ühmt  sie  hochl, 
aber  Pontius  hat  in  der  Vita,  in  der  er  die  libelli  Cy- 
prians  aufführt,  von  ihr  geschwie<^en,  und  Lactantius  (In- 
stit.  V,  3)  hätte  sich  anders  ausdrücken  müssen,  wenn  er  sie  als 
cyprianischen  Traktat  gekannt  hätte'-.    Also  auch  hier  bleibt  fin 


1)  Theol.  Litt.-Blatt  ISO 4  Nr.  41. 

2)  Die  Schrift  erfüllt  die  Forilernnp'u ,  <lio  Lactantius  an  Adv.  Dem»'tr. 
stellt  und  dort  nicht  erfüllt  findet. —  Stillschweigende  Benutzunj^  hat  Brandt 
zu  Inst.  IV,  If),  l!3;  IS,  2.  1.  5;  21,  1  wahrscheinlich  gemacht. 


Cyprian  und  FBeudocyprianisches.  337 

starker  Verdacht  gegen  die  Echtheit  zurflck.    Wie  steht  es  mit 
den  inneren  Gründen? 

Es  ist  Haußleiters  (a.a.O.)  Verdienst,  auf  eine  Hauptdifferenz 
mit  den  anderen  Schriften  Cyprians  hingewiesen  zu  haben  ^:  „Die 
Abhandlung  ist  rein  akademischer  Natur,  ohne  bestimmte  Anrede, 
ohne  erkennbare,  aufs  Handeln  gerichtete  Abzweckung*'.  Zu  dieser 
Differenz  tritt  die  andere,  daß  „Quod  idola*'  sich  ganz  anders  zu 
Tertullian  verhält  wie  alle  übrigen  Cyprian-Traktate.  In  c.  10—15 
ist  TertuU.  Apol.  21 — 23  mit  leichten  Veränderungen  einfach  ab- 
geschrieben. In  dieser  Weise  aber  hat  Cyprian  sonst  den  Ter- 
tullian nie  benutzt,  \ielmehr  ihn  immer  nur  in  Bruchstücken  und 
in  freier  Aneignung  reproduziert.  Das  ganze  Schriftchen  Quod 
idola  aber  ist  überhaupt  nur  eine  Kompilation:  cc.  1 — 9  sind  aus 
dem  Octavius  des  Minucius  —  zu  einem  großen  Teil  wörtlich  — 
abgeschrieben,  c.  10—15  aus  TertuUians  Apologeticum,  und  auch 
die  beiden  einzigen  eigentümlich  scheinenden  Sätze  (c.  11:  „quod 
homo  est,  esse  Christus  voluit,  ut  et  homo  possit  esse  quod  Christus 
est",  u.  c  15:  „quod  est  Christus,  erimus  [Christiani],  si  Christum 
fuerimus  secuti")  sind  nicht  eigentümlich,  sondern  irenäisch.  So 
kann  Cyprian  einmal  verfahren  haben,  aber  daß  er  so  verfahren 
hat,  dafür  fehlt  uns  jedes  Beispiel. 

Benson,  Monceaux  und  Bardenhewer  haben  in  neuester 
Zeit  die  Echtheit  verteidigt  2,  aber  mit  folgender  Wendung 
(Bard.):  „Es  würde  einer  Beleidigung  gleichkommen,  wenn  man 
voraussetzen  wollte,  Cyprian  habe  ein  so  völlig  unfertiges  Kon- 
zept [?]  [s.  dagegen  das  Urteil  des  Hieronymus:  „Cyprianus, 
Quod  idola  dii  non  sint,  qua  brevitate,  qua  historiarum  omnium 
scientia,  quorum  verborum  et  sensuum  splendore  perstrinxit?"] 
an  die  Öffentlichkeit  gegeben.  Es  handelt  sich  um  Notizen  [?] 
zum  Privatgebrauch,  vorläufige  Lesefrüchte,  „un  recueil  de  notes 
qui  contient  seulement  un  resumö  de  lectures  sur  un  theme 
determiue**  (Monceaux).  Diese  Charakteristik  ist  m.  E.  nicht 
richtig.  Die  Schrift  ist  ein  in  sich  geschlossener  Traktat,  der, 
wenn  wir  seine  Vorlagen  zufällig  nicht  kennten,  in  seiner 
gedrungenen  Kürze  und  durch  sein  gelehrtes  Material  keinen 
schlechten  Eindruck  machen  würde.  Als  eine  Notizensammlung 
würde  ihn  wohl  schwerlich  jemand  bezeichnen,  niemand  aber  auch 


1)  Die  aus  der  Geschichte  der  Schrift  sich  ergebenden  Bedenken  hat  zu- 
erst Goetz  geltend  gemacht  (Gesch.  d.  cypr.  Litt.  S.  129). 

2)  Melardi  (S.  Cypr.  di  Cart.  Contributo  all*  Apologetica  del  III.  secolo, 
Potenz»,  1901)  setzt  die  Echtheit  als  unbestritten  voraus.  —  Die  Verteidigung 
durch  Bayard  (Le  Latin  de  St.  Cypr.,  Paris,  1902),  die  Soden  S,  211  erwähnt, 
ist  mir  unbekannt  geblieben. 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesoh.  II,  2.  2*2 


33S  ^6  Litt-eratur  des  Abendlandes. 

auf  Cyprian  als  Verfasser  raten,  wenn  er  anonym  überliefert  wäre. 
Wäre  die  Überlieferung,  die  ihn  dem  karthaginiensischen  Bisdiof 
vindiziert,  einwandsfrei,  so  könnte  man  sich  zur  Not  bei  ihr  be- 
ruhigen. Da  sie  das  nicht  ist,  darf  der  Traktat  nicht  unter  die 
sicheren  Schriften  Cyprians  gestellt  werden.  Was  schließlich  den 
Stil  betrifft,  so  läßt  sich  schwer  urteilen,  da  fast  alles  abgeschiiebeD 
ist.  Es  ist  aber  Haußleiter  in  der  Beobachtung  recht  zugeben, 
daß  das,  was  dem  Schriftchen  in  Wortgebranch  und  Stil  eig^- 
tümlich  ist,  mehr  an  Novatian  als  an  Cyprian  erinnert.  Doch 
handelt  es  sich  um  wenige  und  nicht  durchschlagende  Beobach- 
tungen. Ob  die  Schrift  dem  Novatian  beigelegt  werden  dar^  darüber 
s.  sub  „Novatian". 

Goetz  hat  in  einer  kleinen  Abhandlung  in  den  „Texten  und 
Unters."  (Bd.  19  H.  1,  1899)  nachgewiesen,  daß  der  von  Hartel 
nach  dem  Vorgang  Älterer  unter  die  „Spuria"  gestellte  „Brief: 
Donatus  CyprianoS  echt  und  der  Anfang  der  Schrift  AdDouatum 
sei.  Die  Beweisführung  war  einleuchtend;  denn  der  Anfang  der 
»Schrift  Ad  Donatum,  wie  er  gewöhnlich  abgedruckt  wird,  ist  ganz 
abrupt;  der  Schein dialog  —  in  diese  litterarische  Kategorie  ge- 
hört der  Traktat  —  verlangt  am  Anfang  eine  Angabe  über  die 
Personen  und  den  Anlaß;  die  wenigen  Worte  des  „Briefs"  bringen 
das,  was  man  erwartet,  und  der  Wegfall  der  Worte  ist  selir  wohl 
erklärlich  (man  verkannte  den  Charakter  der  Schrift  als  eines 
Scheindialogs  und  war  daher  befremdet,  daß  eine  Schrift 
Cyprians  mit  einer  Anrede  an  ihn  beginnen  sollte).  So 
haben  sich  denn  auch  von  der  Goltz ^  und  Soden ^  für  überzeugt 
erklärt,  und  ich  hielt  die  Frage  durch  Goetz'  Nachweise  für  er- 
ledigt. Allein  Weyman^  und  Bardenhewer^  sind  anderer 
Meinung;  sie  finden  die  nachträgliche  Hinzufügung  wahrscheinlicher 
als  die  spätere  Entfernung,  obgleich  für  diese,  wie  eben  bemerkt, 
ein  einleuchtendes  Motiv  angeführt  werden  kann,  während  es 
nach  meiner  Kenntnis  beispiellos  ist,  daß  ein  Interpolator  einen 
Anfang  erfindet  und  zwar  einen  Anfang  von  solcher  Knappheit 
und  mit  so  ausbündigem  stilistischem   Geschick  ^  während  doch 


1)  Hartel  III  p.  272. 

2)  Theol.  Litt.-Ztg.  1899  Kol.  r>8.S. 
'S)  a.  a.  0.  S.  21^-3.  225  f. 

4)  Histor.  Jahrb.  Bd.  2(),  1S99,  S.  5iH.)f. 

5)  a.  a.  0.  S.  410. 

ü)  Das  „sauctißsiine"  ist  natürlicli  spät-erer  Zut?iitz  oder  au  die  Stelle  eim-s 
„raripsime"  getreten. 


Cyprian  und  Pseudocyx^rianisches.  339 

die  „hinzugefügten"  Worte,  für  sich  genommen,  ganz  wertlos  sind^. 
Man  wird  also  darauf  vertrauen  dürfen,  daß  die  Sätze  wirklich 
der  ursprüngliche  Anfang  der  Schrift  Ad  Donatum  sind,  man  wird 
das  um  so  mehi*  dürfen,  als  der  Traktat  in  den  Handschriften, 
welche  das  Stück  nicht  bieten,  jeder  Überschrift  entbehrt.  Die- 
selbe ist  dem  Stück  zu  entnehmen  und  lautete  einfach:  „Donatus. 
C'yprianus",  d.  h.  lediglich  die  KoUoquenten  des  Dialogs  waren 
genannt  -.  Titel  und  Anfang  der  Schrift  sind  mithin  wie  folgt  her- 
zustellen: 

„Donatus .  Cyprianus. 

Credo  te  retinere,  .  .  .  Cyprian  e,  quae  nobis  fuerit  apud  ora- 
torem  garrulitas,  unus  sensus,  una  cogitatio,  individua  lectio.  quare 
non  et  in  divina  lectione  ita  animis  roboramur?  aut  non  ea  sem- 
per  nobis  fuit  cogitatio,  sicut  promittebas,  utsimul  crederemus? 

Bene  admones,  Donate  carissime,  nam  et  promisisse  me  me- 
mini,  et  reddendi  tempestivum  prorsus  hoc  tempus  est,  quo  etc." 

2.  Chronologie  der  Briefe. 

Die  chronologische  Reihenfolge  der  Briefe,  wie  sie  Pearson 
gegeben  und  Hartel  in  seiner  Ausgabe  beibehalten  hat^,  ist  zu- 
erst von  Fechtrup,  dann  von  Ritschi,  (Sanday),  dann  (beson- 
ders eingehend  und  umsichtig)  von  Nelke,  zuletzt  (in  Kürze)  von 
Soden  untersucht  und  korrigiert  worden^.  Dabei  haben  sich 
zahlreiche  übereinstimmende  Erkenntnisse  ergeben.  In  meiner  Ab- 
handlung über  die  verlorenen  Briefe  von  und  an  Cyprian  habe  ich 
gezeigt,  daß  sie  niemals  einer  Sammlung  angehört  haben,  also  auch 
nicht  wieder  auftauchen  werden.  Dieses  Ergebnis  ist  von  Soden 
bestätigt  worden.  In  der  folgenden  Untersuchung  werde  ich  so 
verfahren,  daß  ich  die  Fragen,  die  von  Fechtrup,  Ritschi, 
Nelke  und  Soden  oder  von  dreien  derselben  in  gleicher  Weise 
beantwortet  sind,  ganz  kurz  behandeln  werde. 

Zu  beginnen  ist  mit  den  Briefen  5—43,  die  eng  zusammen- 


1)  Pamelius  (und,  wie  es  scheint,  auch  Hartel)  hat  sie  für  ein  Fragment 
«rehalten.    Wunderlich,  daß  sich  ein  solches  „Fragment"  erhalten  hat. 

2)  Zur  tjberlieferungsgeschichte  s.  Soden  S.  225 f.  Leider  ist  die  Über- 
lieferung der  Traktate  Cyprians  noch  nicht  so  gründlich  untersucht  wie  die 
der  Briefe  durch  Soden. 

3)  Daß  er  dies  getan,  ist  nur  zu  billigen.  In  den  Ausga)>en  soll  die 
Reihenfolge  nicht  früher  geändert  werden,  bis  sich  ein  allgemeines  Einver- 
ständnis (mindestens  nahezu)  hergestellt  hat. 

4)  Monceaux  hat  sich  merkwürdigerweise  bei  der  hergebrachten  Reihen- 

folge  beruhigt.    Benson  schlügt  einige  Änderungen  vor. 

09* 


340  ^^  Liüerakur  des  Abendlandeii 

gehören,  weil  sie  aas  der  Zeit  der  dedanischen  Yerfolgmig  nnd 
ans  einem  Zeitraam  von  c.  14  Monaten  stammend 

1.  Die  Briefe  5—43.  Daß  diese  Briefe  sftmtlich  in  die  Zeit 
von  Winter  249/50  bis  März  251  fallen,  darfiber  herrscht  EinYe^ 
ständnis.  Alle  gehOren  in  die  Zeit  des  freiwilligen  Exils  Qypriaos, 
welches  nach  ep.  43,  4  ein  „ezilinm  iam  bienni**  war,  d.  h.  bereits 
in  das  2.  Jahr  hineinreichte.  Da  dieser  43.  Brief,  wie  sein  Inhalt 
beweist,  nnmittelbar  vor  der  Rückkehr  Oyprians  verfaßt  ist,  nnd 
da  er  (s.  c.  7)  kurz  vor  dem  Osterfest  geschrieben  ist,  so  fUlt 
er  in  das  J.  251  (denn  i.  J.  252  lebte  Decios  nicht  mehr,  und  Im 
J.  250  konnte  Cyprian  nicht  schon  im  2.  Jahr  im  Versteck  sein; 
denn  dann  müßte  die  decianische  Verfolgang  schon  im  Janaar  249 
begonnen  haben;  aber  Decins  ist  erst  nach  dem  Tode  des  Philip- 
pus  Arabs,  also  erst  im  Juni  249  Kaiser  geworden),  und  zwar  in 
den  März  (Ostern  war  damals  am  23.  März).  Der  Monat,  in  wel- 
chem die  Korrespondenz  beginnt,  kann  nicht  ganz  genau  festgelegt 
werden;  aber  soviel  ist  gewiß,  daß  wir  noch  den  ersten  Brief  an 
seinen  Klerus  besitzen,  den  Cyprian  aus  dem  Versteck  geschrieben 
hat  (ep.  7),  nnd  daß  dieser  Brief  nicht  später  als  im  Febr.  250 
(„exilium  iam  bienni'')  abgefaßt  sein  kann.  Er  kann  aber  anch 
nicht  früher  als  im  Januar  250  geschrieben  sein;  denn  erst  am 
20.  Januar  250  ist  Bischof  Fabian  in  Bom  Märtyrer  geworden 
(daß  in  Bom  die  Verfolgung  im  Jan.  250  begonnen  hat,  folgt  auch 
aus  ep.  37,  2),  und  es  ist  ganz  unwahrscheinlich,  daß  die  Verfol- 
gung in  Karthago  früher  angefangen  hat  als  in  Bom. '  Allerdings 
zeigt  jener  erste  Briefe  den  Cyprian  aus  dem  Versteck  geschrieben 
hat,  daß  Cyprian  nicht  dem  Yerfolgungsedikt,  sondern  der  „invidia 
et  violentia  gentilium*'  gewichen  ist  Allein  diese  „invidia  et  vio- 
lentia'^  war  jedenfalls  der  dem  Edikt  unmittelbar  vorangehende 
Vorbote  der  Verfolgung,  hervorgerufen  durch  die  Kunde  von  dem 
Vorgeben  des  Kaisers  gegen  die  Christen  in  Rom.  Also  wird  man 
bei  dem  Ansatz  Januar/Febr.  250  für  den  Anfang  der  Korrespon- 
denz verharren  dürfen. 

Die  älteste  Gruppe  aus  dieser  Kon*espondenz  bilden  die 
„epistulae  numero  tredecim",  die  Cyprian  (nach  ep.  20,  2)  selbst 
gesammelt  und  verbreitet  hat.    Daß  dies  die  epp.  5 — 7;  10 — 19 


1)  Ober  die  Briefe  1 — 1  s.  unten.  —  Soden  hat  in  umfiEtöBenden  und  müh- 
samen Üntersuchangen  gezeigt,  daß  die  überliefeningsgeschichte  der  Briefe,  die 
ja  schon  mjt  Cjprian  selbst  beginnt  (sofern  er  für  Abschriften  seiner  Briefe 
gesorgt,  sie  in  kleine  G nippen  vereinig^  und  an  Kollegen  und  Freunde  über- 
sandt  hat),  in  mehreren  Fällen  die  richtige  Chronologie  derselben  stütit.  Aber 
durchgehends  ist  die  Überlieferungsgeschichte  für  die  Chronologie  nicht  zu 
verwerten. 


Cyprian  und  PBeudocyprianiBchee.  341 

sind,  ist  allgemein  anerkannt  Da  es  ep.  18,  1  heißt:  ,,iam  aestatem 
coepisse",  die  epp.  19  und  20  aber  der  ep.  18  auf  den  Fuß  gefolgt 
sind,  so  fällt  diese  Gruppe  (dazu  ep.  20)  in  die  Zeit  vom  JanJFebr. 
bis  Juli  250.  Zu  ordnen  sind  die  Briefe  in  ihr  aber  also:  7,  5  +  6.* 
14  +  13.  11.  10  +  12.  15  +  16  +  17.  18.  19.  20. 

Beweis:  Daß  7.  5  +  6  zusammengehören  und  den  Anfang  bilden, 
ist  klar  und  schon  von  Pearson  erkannt  worden,  daß  aber  7 
voranzustellen  ist,  haben  Fechtrup,  Ritschi,  Nelke  und  Soden 
richtig  gesehen.  Noch  sind  in  Karthago  keine  Martyrien  oder 
Konfessionen  vorgekommen,  Cyprian  ist  den  Ausbrüchen  einer  Volks- 
bewegung vorsichtig  zuvorgekommen;  er  erwai'tet  bald  zurück- 
kehren zu  können.  Nach  ep.  5  u.  6,  die  zu  gleicher  Zeit  von 
Cyprian  abgesandt  sind,  sind  dagegen  bereits  einige  Christen  (auch 
Weiber  und  Kinder)  gefangen  gesetzt,  Konfessionen  haben  statt- 
gefunden und  Martyrien  sind  zu  erwarten.  Doch  ht  ein  allgemeines 
Verfolgungsedikt  noch  nicht  ergangen.  Die  beiden  Briefe  sind 
also  wenige  Wochen,  vielleicht  nur  einige  Tage  nach  ep.  7  ab- 
gefaßt. 

Daß  nun  die  Gruppe  14  +  13.11.10  +  12  folgt,  haben  Fechtrup, 
Nelke  und  Soden  gezeigt*^.  Das  allgemeine  Verfolgungsedikt  ist 
ergangen.  Wenn  wir  es  (auf  Grund  des  Todestags  des  Fabian) 
etwa  auf  den  19.  Januar  ansetzen  dürfen,  so  wird  es  im  Anfang 
Februar  oder  in  den  letzten  Tagen  Januars  in  Afrika  promulgiert 
worden  sein.  Es  hat,  wie  die  Briefe  zeigen,  einen  großen  Abfall 
in  Karthago  bewirkt,  zwar  auch  Bekenner  erweckt,  aber  diese  in 
Ausschreitungen  verschiedener  Art  gestürzt.  Blutige  Martyrien 
sind  aber  noch  nicht  erfolgt  (die  Verbannung  scheint  die  regel- 
mäßige Strafe  gewesen  zu  sein),  und  Cyprian  glaubt,  daß  der 
Sturm  sich  nun  legen  werde.  Die  ins  Auge  gefaßten  Folgen  des- 
selben, namentlich  die  chronischen  Ausschreitungen  der  Konfessoren 
und  ihre  enthusiastische  Laxheit  gegenüber  den  Lapsi,  ferner  der 
ep.  14,  4  vorausgesetzte  Brief  der  Konfessoren  an  Cyprian  ver- 
langen den  Ansatz  einiger  Wochen.  Die  epp.  14  u.  13  sind  daher 
wohl  nicht  früher  als  im  März  250  verfaßt.  Der  nun  folgende 
11.  Brief  zeigt,  daß  die  Verfolgung  statt  aufzuhören,  sich  verstärkt 
hat  —  man  Latte  den  p]indruck  einer  zweiten,  viel  heftigeren  Ver- 
folgung^ — ;  Mai-tern  haben  begonnen;  der  Abfall  hat  sich  ver- 

1)  Das  PluHzeicben  drückt  Gleichzeitigkeit  aus. 

*J)  Ob  14  vor  oder  nach  13  verfaßt  ist,  läßt  sich  nicht  sicher  ausmachen; 
mit  Recht  aber  bemerkt  Soden,  daß  das  S'chweigen  in  ep.  14  über  ep.  13  auf- 
fallend wäre,  wenn  ep.  13  der  ep.  14  voranginge.  Auch  Ritschi  setzt  ep.  14 
\or  ep.  13,  aber  aus  einem  nicht  stichhaltigen  Grunde. 

3)  Der  Prokonsul  von  Afrika  war  in  Karthago  eingetroffen,  und  sein  Er- 


342  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

mehrt.  Diese  schreckliche  Kunde  macht  Cyprian  selbst  zum  Visi- 
onär ^  Er  kündigt  das  Aufhören  der  Verfolgung  an  („sed  quod 
Interim  morula  est,  supersunt  aliqui  qui  probentur").  Nach  ep.  10 
ist  die  Trübsal  noch  weiter  vorgeschritten;  es  haben  wirkliche 
Martyrien  stattgefunden  —  Mappalicus  ist  in  einem  solchen  ge- 
storben. Augenscheinlich  fällt  ep.  10  einige  Zeit  nach  ep.  11.  Der 
Tod  des  Mappalicus  ist  nach  den  Martyrologien  am  17.  April  er- 
folgt. Dieses  Datum  fugt  sich  vorzüglich  zu  den  aus  den  Briefen 
sich  ergebenden  allgemeineren  Ansätzen.  Der  10.  Brief  ist  also 
Ende  April  verfaßt.  Gleich  nach  ihm  oder  gleichzeitig  mit  ihm, 
jedenfalls  aber  nach  ep.  11  ist  ep.  12  geschrieben  2. 

Es  folgt  nun  die  Gruppe  epp.  15  +  16  +  11  \  Sie  stammt  aus 
dem  Mai  oder  Juni,  hat  es  mit  der  Lapsi-Frage  zu  tun,  und  Cy- 
prian lehnt  noch  in  ihr  die  Wiederaufnahme  ab^. 

Nach  epp.  15—17  und  vor  epp.  18—20  ist  das  berühmte  erste 
römische  Schreiben  (ep.  8)  uud  der  erste  Brief  Cyprians  nach  Rom 
zu  setzen;  denn  in  epp.  15—17  ist  jenes  Schreiben  dem  Cyprian 
noch  nicht  bekannt  gewesen  S;  aber  nach  ep.  20,  3  („praeterea  vestra 
scripta  legissem,  quae  ad  clerum  nostrum  per  Crementium  hypo- 
diaconum  nuper  feceratis")  kennt  er  es;  die  epp.  18  und  19  fallen 
aber  (s.  u.)  unmittelbar  vor  ep.  20.  Dazu  kommt,  daß  Cyprian  in 
ep.  18  eine  neue  Haltung  den  Gefallenen  gegenüber  einnimmt,  die 
sich  deutlich  als  Folge  des  römischen  Schreibens  (ep.  8)  darstellt: 
er  schließt  sie  in  die  Fürsorge  ein  —  was  er  früher  nicht  getan 
hat  —  und  gestattet,  daß  sie  auf  dein  Totenbett  die  Rekonziliation 
erlangen.  Das  römische  Schreiben  ist  also  Ende  Mai  oder  im  Juni 


Bcheinen  brachte  die  Verfolgung  erst  in  vollen  Gang.  Ob  er  iin  April  oder, 
wie  Nelke  (S.  10)  will,  schon  im  Milrz  gekommen  ist,  läßt  sich  nicht  ent- 
scheiden. 

1)  S.  meine  Abhandlung  „Cyprian  als  Enthusiast"  in  d.  Ztschr.  f.  NTliche 
Wissensch.  Bd.  3,  1002,  S.  177  ff. 

2)  Ricbtig  Nelke  (S.  IG):  „Cyprian,  welcher  vorher  angesichts  des  durch 
Anwendung  von  Martern  erfolgten  Abfalls  die  im  Kerker  gestorbenen  Christen 
nicht  allzu  hoch,  nicht  als  Mäi-tyrer  geschätzt,  kommt  jetzt  zu  anderer  Ansicht : 
er  läßt  solche  als  Märtyrer  verehren  (ep.  12,  1).  Dieser  Umstand  ist  Ritsch  1 
und  Fechtrup  entgangen,  welche  ep.  12  vor  ep.  11  ansetzen. 

3)  Sie  ist  ganz  gleichzeitig.  Die  Voranstellung  von  ep.  10,  die  Soden 
(S.  24)  empfiehlt,  hat  die  Bemerkungen  in  10,  3  und  17,  3  gegen  sich.  In  ei».  l'i 
fehlt  eine  solche  Bemerkung. 

4)  Doch  8.  ep.  17,  3:  „expectcnt  regressionem  nostram,  ut  cum  ad  vos  .  . . 
venerimus,  convocatis  coepiscopis  .  .  .  martynim  litteras  et  desideria  exami- 
nare  possimus". 

5)  Es  ist  Nelkes  Verdienst  (S.  22  ff.),  dies  eingehend  begründet  zu  haben 
gegenüber  dem  Ansätze  auf  eine  frühere  Zeit. 


Cyprian  und  Pseudocyprianigches.  343 

entstanden  \  bald  darauf  Cyprians  ep.  9  und  wiederum  gleich  darauf 
ep.  18.  Da  in  dieser  die  schon  oben  berührten  Worte  stehen  (c.  1): 
„iam  aestatem  coepisse",  so  bestätigt  sich  die  gegebene  Chronologie. 
Nach  ep.  19  ist  der  Klerus  von  Karthago  endlich  mit  Cyprian  in 
brieflichen  Verkehr  getreten  (c.  1),  aber  mit  dem  in  ep.  18  ge- 
machten Zugeständnissen  noch  nicht  zufrieden.  Cyprian  antwortete, 
indem  er  bei  seinen  Bestimmungen  verharrte.  Die  Verfolgung 
dauerte  noch  an  (c  2).  Der  folgende  20.  Brief  (nach  Rom)  ist  allem 
Anschein  nach  gleich  darauf  geschrieben.  Wir  befinden  uns  also 
höchst  wabi*scheinlich  im  Juli  250. 

Eine  Korrespondenz  aus  der  Zeit  Februar  bis  Juli  besitzen 
wii-  noch  in  dem  Brief  des  Celerinus  an  Lucian  (ep.  21)  und  dem 
Antwortschreiben  (ep.  22).  Die  Zeit  läßt  sich  genauer  bestimmen. 
Nach  ep.  21,  2  ist  Ostern  bereits  vergangen;  ferner  ist  die  härtere 
Verfolgung  (im  Unterschied  von  der  anfänglichen,  s.o.)  im  Werk. 
Daraus  folgt,  daß  die  Briefe  nach  epp.  11.  10.  12  verfaßt  sind. 
Andererseits  ist  die  Krise,  welche  die  Briefe  15.  16.  17  in  bezug 
auf  die  Gefallenen -Frage  zeigen,  noch  nicht  eingetreten.  Also 
gehören  — so  Ritschi,  Nelke  und  Soden  —  die  Briefe  zwischen 
11.  10.  12  einerseits  und  15—17  andererseits  und  sind  April/Mai 
anzusetzen  \ 

Es  folgt  nun  der  Briefwechsel  mit  Caldonius  (ep.  24  +  25).  Er 
ist  vor  ep.  23  geschrieben;  denn  anderenfalls  müßte  ep.  23  in  ep.  25 
erwähnt  sein.  Er  ist  nach  ep.  15—19  verfaßt;  denn  diese  5  Briefe 
hat  Cyprian  bereits  „plurimis  collegis  nostris"  geschickt  3,  und  sie 
haben  in  Antworten  ihr  Einverständnis  erklärt.  Da  die  Situation 
noch  dieselbe  ist,  wie  in  ep.  18—20,  ist  der  Briefwechsel  Ende  Juli 
oder  Anfang  August  anzusetzen. 

1)  über  ep.  8  und  0  s.  meine  Abhandlung:  „Die  Briefe  des  röm.  Klenis 
aus  der  Zeit  der  Sedisvakanz  im  J.  250**  in  d.  Weizsäcker  gewidmeten  Abhand- 
inngen, 1801,  S.  Iff.,  ferner  Haußleiter,  Gott.  Gel.  Anz.  1898,  S.  350 flP., 
Nelke  8.  22 ff.,  Karl  Müller,  Ztschr.  f.  KGescb.  Bd.  16,  1895,  8.  Iff.  Ich 
bin  jetzt  mit  Haußleiter  (dessen  übrige  Aufstellungen  ich  freilich  fiir  sehr 
gewagt  halte)  der  Meinung,  daß  die  Worte  „quod  utique  recte  fecerit,  propterea 
ciiiu  sit  persona  insignis"  interpoliert  sind.  Auch  die  Worte  p.  486,  17 — 2() 
f„tfed  et  Simoni  ....  oves  meas"]  sind  schwerlich  echt.  Ganz  verkehrt  ist 
freilich  die  Hypothese  Haußleiters,  die  ep.  8  stamme  nicht  vom  römischen 
KloriiH,  sondern  von  dem  Märtyrer  Celerinus,  dem  Verfasser  des  21.  Briefs  (s. 
dagegen  Nelke  8.31  ff.). 

2)  Diese  im  Vulgärlatein  verfaßten  Briefe  sind  zusammen  mit  den  eben- 
falls im  Vulgärlatein  geschriebenen  epp.  8.  23.  24  neu  ediert  von  Miodonski, 
Anonymus  adv.  aleatores,  1889. 

3)  Der  „liber  cum  epistulis  quinque"  ist  eben  die  Briefsammlung  (viel- 
leicht mit  einer  kurzen  Einleitung).  Ein  besonderes  (verlorenes)  Buch  über  die 
({efallenen-Frage  außer  den  5  Büchern  anzunehmen  (Nelke  S.  39),  ist  unnötig. 


344  I^e  Litteratur  des  Abendlandes. 

Ep.  23  (das  anmaßende  kurze  Schreiben  der  Eonfessoreiii  das 
durch  ep.  19  hervorgerufen  ist)  muß  ganz  kurz  nach  ep.  24  and  25 
fallen ;  denn  in  dem  Schreiben  26,  in  welchem  er  auf  ep.  23  Bfick- 
sicht  nimmt,  schickt  er  seinem  Klerus  die  ep.  24  o.  25.  Wir  be- 
finden uns  also  gewiß  noch  im  August  250.  Die  Briefe  19.  20. 
24. 25.  23.  26  sind  augenscheinlich  in  ganz  wenigen  WocheD  einander 
gefolgt. 

Es  folgen  nun  die  beiden  Schreiben  Cyprians  nach  Born 
(ep.  27*  +  28),  und  zwar  unmittelbar;  denn  Cyprian  sendet  den 
B<}mern  ep.  24.  25.  23.  26.  21.  22.  Ep.  27  +  28  gehören  also  auch 
noch  in  den  August. 

Der  26.  Brief  Cyprians  rief  in  Karthago  ein  freches  (verlorenes) 
Antwortschreiben  der  Aufsässigen  hervor.  Dieses  Schreiben  beant- 
wortet Cyprian  in  ep.  33  in  kraftvoller  Weise  und  instruiert  gleich- 
zeitig in  ep.  29  den  ihm  treu  gebliebenen  Klerus,  indem  er  ihm 
das  Schreiben  der  Aufsässigen  und  ep.  33  übersendet  Beide  Briefe 
(33  u.  29)  sowie  den  Brief  seiner  Gegner  übersendet  er  mit  einem 
kurzen  Begleitschreiben  (ep.  35)  auch  den  ROmem.  Von  diesen 
hatte  er  persönlich  noch  keinen  Brief  erhalten^.  Immer  noch  be- 
finden wir  uns  etwa  im  August  250. 

Die  beiden  römischen  Schreiben  an  Cyprian  —  das  erste  ist 
von  Novatian  verfaßt  —  (ep.  80  u.  31)  sind  streng  gleichzeitig.  Das 
zweite  (das  der  römischen  Konfessoren)  ist  die  der  Natur  der  Sache 
nach  unigeliend  abgesandte  Antwort  auf  Cyprians  ep.  28 ;  das  erste 
ist  die  Antwort  des  röniisclien  Klerus  auf  die  epp.  20  u.  27.  Diese 
Briefe  27.  30.  31^  sandte  Cyprian  sofort  —  denn  es  waren  seine 
besten  Verteidigungsmittel  —  mit  einem  kurzen  Begleitschreiben 
lep.  32)  an  den  ihm  treuen  Teil  des  Klerus  von  Karthago.  Also 
sind  auch  diese  Schreiben  zeitlich  aufs  engste  mit  den  vorigen  zu 
verbinden  (August/Sept.  230).  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daü 
sich  die  nach  Rom  gesandte  ep.  3r>  mit  den  epp.  30  u.  31  gekreuzt 
hat;  denn  weder  nimmt  jene  auf  diese  Rücksicht^  noch  umgekehrt 
Die  ep.  35  beantworten  die  Römer  (Novatian)  mit  ep.  36,  die  also 
auch  Augus^Sept.  oder  Sept.  geschrieben  sein  muß**. 

1)  Ein  verlorenes  röuiisclies  Schreiben  war  vorangegangen,  s.  ej».  27,  4, 
welches  aber  niclit  an  Cyi)rian  selbdt  gericht-«'t  war. 

2)  DieHo  Verhältnisse  hat  zuerst  Nelke  klargestellt  (S,  43ff.),  und  Soden 
(S.  20.  37)  ist  ihm  gefolgt  und  hat  die  richtig«!  Ordnung  noch  sicherer  be- 
wiesen. Ep.  *J9  ist  nach  ep.  i»i>  zu  ordnen,  und  nicht  ep.  34  ist  dem  Brief  K» 
in  Abschrift  l)eig«'g»'ben  wordi'n,  sondern  eben  ep.  21>. 

3)  Wohl  auch  ep.  28,  obgleich  das  nicht  ausdrücklich  gesagt  ist. 

4)  Man  beachte,  daß  auf  Cyprians  eigene  Veranstaltung  bereit«  im  iSep- 
tember  250  alle  diese  Briefe,  also  5 — 31.  33.  35.  30  in  Rom  sind.    Das  ist  von 


Cyprian  und  PseudocypriaidBcheB.  345 

Nun  tritt  eine  Pause  in  den  KoiTespondenzen  (für  uns)  ein; 
denn  ep.  34  gehört,  wie  Nelke  und  Soden  gezeigt  haben,  nicht 
zu  der  vorigen  Gruppe,  sondern  zu  der  nächsten.  Vier  Monate 
hören  wir  nichts.  Die  folgenden  Briefe  zeigen,  daß  die  inneren 
Verhältnisse  nicht  besser  geworden  sind^  Der  erste  derselben  — 
ein  Schreiben  Cyprians  an  die  römischen  Konfessoren  —  (ep.  37) 
läßt  sich  genau  datieren.  In  c.  2  heißt  es:  „Eant  nunc  magistratus 
et  cousules  sive  proconsules,  annuae  dignitatis  insignibus  et  duo- 
decira  fascibus  glorientur  .  ecce  dignitas  caelestis  in  vobis  honoris 
annui  claritate  signata  est  et  iam  revertentis  anni  volubilein  cir- 
c.ulum  victricis  gloriae  diurnitate  transgressa  est .  inluminabat  mun- 
dum  sol  oriens  et  luna  decurrens  .  .  .  per  vicissitudines  mensium 
transmeavit  hibernum:  sed  vos  inclusi  tempora  hiemis  persecutionis 
hieme  pensatis";  es  folgt  die  Schilderung  des  Frühlings,  Sommers 
und  Herbstes;  dann  heißt  es:  „sie  apud  servos  dei  annus  evol- 
vitur".  Hiernach  ist  es  sicher,  daß  der  Brief  im  Januar  251  ver- 
faßt ist.  Eben  dorthin  oder  etwas  später  gehört  die  ep.  34,  die 
da  zeigt,  daß  man  wieder  in  Karthago  klerische  Zusammenkünfte 
halten  kann  und  eine  akute  Verfolgung  nicht  mehr  besteht  Die 
hergebrachte  Reihenfolge  der  sich  anschließenden  Briefe  38—43 
ist  nicht  zu  ändern.  Sie  fallen  in  die  Monate  Februar  und  März 
251 ;  der  letzte  von  ihnen  kurz  vor  Ostern  (s.  0.).  Bald  darauf  kehrte 
C'yprian  nach  Karthago  zurück.  —  Die  chronologische  Untersuchung 
ergab  ein  fast  vollständiges  Einvernehmen  mit  Nelke  und  So  den  2. 
Ich  setze  die  Ergebnisse  hierher.  Wo  über  die  Ansätze  bei 
Nelke  und  Soden  nichts  bemerkt  ist,  stimmen  sie  mit  den  hier 
gegebenen  überein  3. 


Wichtigkeit  für  die  Geschichte  der  Sammhing  und  ihre  Editionen.  Die  Briefe 
32  und  34  können  auch  sehr  wohl  nach  Rom  von  Cyprian  gesandt  worden 
fc?ein;  zu  beweisen  vermögen  wir  es  nicht.  Die  Tatsache,  daß  keine  Briefe 
Cyprians  nach  Karthago  von  Sept.  250 — Januar  251  in  der  Sammlung  vorhanden 
sind,  spricht  dafür,  daß  die  Edition  der  Briefe  5 — 3G  von  Rom  ausgegangen 
ifcft;  denn  Cyprian  hat  doch  gewiß  auch  zwischen  Sept.  und  Jan.  Briefe  nach 
Karthago  gerichtet.  Waiiim  fehlen  sie  in  der  Sammlung?  Die  nächstliegende 
Antwort  ist:    Weil  sie  nicht  nach  Rom  gekommen  sind. 

1)  Daß  zwischen  den  bisher  betrachtet-en  Briefen  und  epp.  37  ff.  eine  Pause 
liegt,  zeigt  auch  die  wesentlich  andere  Lage  in  den  letzteren  Briefen:  die  Ver- 
folgung ist  im  Abflauen,  aber  die  innere  Lage  der  Gemeinde  zu  Karthago  hat 
bich  so  entwickelt,  daß  das  Schisma  vor  der  Tür  steht.  Darauf  war  man  in 
den  bisher  betrachteten  Briefen  doch  nicht  gefaßt. 

2)  Beiden  aber  hat  Ritschi  sehr  tüchtig  vorgearbeitet. 

3)  Soden  hat  nur  die  Reihenfolge  geben  wollen,  ohne  sich  um  die  abso- 
lute Chronologie  zu  bekümmern.  Kleine  Differenzen  mit  Nelke  bei  der  Fest- 
stellung der  Monate  gebe  ich  nicht  an. 


346 


Dio  Litt-oratur  (U*3  Abeudlaiid«.'!«. 


Pearson-Hartel.    Nelke',  Soden,  Harnack. 

1 
2 

3 

4 

5  2  f 

<)  3  I 

7  1 

S  14  I 

9 
10 
11 


12 
13 
14 
IT) 
16 
17 
IS 
19 
20 
21 
22 

2:; 

24 
25 
20 
27 
2s 
29 
30 

31 
32 
33 
34 
3.') 

3(> 
37 

3S 


15  l 

7 

6 

8 

5 

4 
11 
12 
13 
16 
17 
18 

9 
10 
21 
19 
20 
22 
23 
24 
2() 
2S 
29 
30 
25 
33 
27 


gehört  enge  zu  ep.  1 0  (=  7 ). 
Nelke  setzt  ep.  1 3  =  4,  ep.  14  =  5 


> 

r  Soden  ordnet  ep.  16  (=  12)  vo; 
j     ep.  1  ö  (=  1 1)  nnd  ep.  1 7  (=  1 3 


I 


I 


gehört  t'iige  zu  ep.  'M  (==  25"). 

( 
I 


gehört  enge  zu  ep.  :'.3  { =  25^  um) 
ep.  2i»  I  -   261 


31 
32 
34 


1}  Nolkf:»    Li.st«'    (>.  ■J'Mft'.}    i^t    l»*i«lrr    iiirht    itraUHsch,    «la    si*«    an    «lt*i 
Hit  sohl  s  (UKMit*K*rt  i.-t. 


Cyprian  und  Pseudocyprianisches.  347 

Pearson-Hartel.  Nelke,  Soden,  Harnack. 

39  35 

40  36 

41  37 

42  38 

43  39 

Ep.  7  gehört  in  den  Jan./Febr.  250. 

Ep.  5  und  6  folgen  bald  darauf. 

Ep.  14.  13.  11.  10.  12  wohl  im  März  und  April  250  (die  ep.  10 
sicher  nach  dem  17.  April). 

Ep.  21.  22  April /Mai  250. 

Ep.  15.  16.  17  Mai /Juni  250. 

Ep.  8.  9  Ende  Mai  oder  im  Juni  250. 

Ep.  18  Ende  Juni  oder  Anfang  Juli  250  („iam  aestatem  coe- 
pisse"). 

Ep.  19.  20  Juli  250. 

Ep.  24.  25  Ende  Juli  oder  Anfang  August  250. 

Ep.  23.  26.  27.  28  August  250. 

Ep.  33.  29.  35  August  250. 

Ep.  30.  31  August  250. 

Ep.  32  Ende  August  oder  Sept.  250. 

Ep.  35  Ende  August  od.  Sept  250. 

E^.  36  Ende  August  od.  Sept  250. 

Ep.  37  rlanuar  251  (ein  volles  Jahr  ist  seit  der  Verfolgung 
herum). 

Ep.  34.  38.  39.  40.  41.  42.  43  Ende  Januar  bis  März  251. 

2.  Die  nur  unsicher  oder  überhaupt  nicht  bestimm- 
baren Briefe  1—4.  62.  63.  05.  67.  Ep.  1  ist  ganz  unbestimmbar; 
denn  einen  der  genannten  Kleriker  Geminius  Victor  oder  Geminius 
Faustinus  mit  dem  Bischof  Geminius  von  Furni  der  Sentent.  oder 
sonst  einem  bekannten  Geminius  zu  identifizieren,  fehlt  jeder  Grund. 
Auf  das  „iam  pridem"  in  c.  1  läßt  sich  auch  nichts  bauen,  da  es 
durch  ,,nuper**  c.  2  neutralisiert  wird. 

Ep.  2  ist  ebenfalls  nicht  zu  bestimmen  (Ritschis  Versuch 
S.  239 f.  ist  von  Nelke  S.  151  widerlegt). 

Ep.  3  ist  nach  dem  Schisma  des  Felicissimus  und  in  der  Zeit- 
nähe von  De  unitate  und  ep.  59  geschrieben  (s.  c.  3  des  Briefs). 
Näheres  läßt  sich  nicht  sagen.  Wer  der  Adressat  Rogatianus  ist, 
weiß  man  nicht 

Ep.  4  (über  Syneisakten)  ist  nach  c.  4  wohl  aus  der  mittleren 
Zeit  Cyprians.  „Jedenfalls  darf  der  Brief  nicht  allzu  nahe  an  De 
hab.  virg.  gerückt  werden.    In  diesem  Libellus  wird  die  Syneis- 


348  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

akteu-Frage  gar  nicht  berührt;  sie  muß  damals  entweder  ganz 
unbedeutend  gewesen  sein,  oder  Cyprian  wagte  nicht,  gegen  diese 
Sitte  vorzugehen  (?).  Das  Maß  von  Autorität,  mit  dem  er  auftritt 
ist  in  De  hab.  virg.  weit  geringer  als  in  ep.  4"  (Soden). 

Ep.  62»  (Brief  an  8  numidische  Bischöfe  mit  einer  Geldunter- 
stützung). Die  8  Bischöfe  kommen  sämtlich  unter  den  18  Adressaten 
der  ep.  70  vor.  In  die  Zeitnähe  dieses  Briefs  mag  man  unseren 
setzen.  Da  aber  acht  Männer,  sei  es  auch  gereifteren  Alters,  nach 
der  Statistik  sehr  wohl  c.  10  Jahre  zusammenwirken  können,  ohne 
daß  der  Tod  eine  Lücke  reißt,  so  läßt  sich  nichts  Bestimmtes  sagen. 

Ep.  63  (der  Abendmahlsbrief)  gehört  nach  der  Definition  der 
Kirche  in  c.  13  (ecclesia  =  „plebs  in  ecclesia  constituta  fideliter 
et  firmiter  in  eo  quod  credidit  perseverans**)  vielleicht  in  die  frühere 
Zeit  Cyprians  (Ritschi,  Soden);  doch  hat  Nelke  triftige  Gründe 
dagegen  geltend  gemacht,  daß  man  die  Definition  preßt  (S.  155f.). 
Seine  Berufung  aber  auf  c.  15  ist  hinfallig  (es  müsse  die  decianische 
Verfolgung  hinter  dem  Briefe  liegen).  Cyprian  konnte,  so  wie  er 
hier  schreibt,  zu  jeder  Zeit  schreiben.  Auf  die  relative  Zurück- 
haltung Cyprians  möchte  ich  mich  für  eine  frühe  Abfassung  auch 
nicht  berufen.    So  ist  nichts  zu  bestimmend 

Ep.  65  (nach  Assuras)  ist  nach  c.  5  vor  dem  Konzil  von  253, 
nach  c.  3  vielleicht  vor  dem  Konzil  von  251  geschrieben.  Sonst  ist 
nichts  auszumachen. 

Ep.  67  (der  Brief  nach  Spanien)  muß  auch  zu  den  Briefen  ge- 
rechnet werden,  die  nicht  sicher  datiert  werden  können.  Nach 
c.  5  ist  er  z.  Z.  des  römischen  Bischofs  Stephanus,  also  zwischen 
Mai  254  und  Juli  257  verfaßt  (s.  auch  c.  6:  Cornelius  ist  gestorben). 
Aber  ob  er  vor  Beginn  des  Ketzertaufstreits  oder  während  des- 
selben geschrieben  ist,  läßt  sich  nicht  ausmachen.  Soden  (S.  31) 
plädiert  für  letzteres  unter  Berufung  auf  „Ton  und  Handlungs- 
weise Cyprians",  ähnlich  Nelke  (S.  i;{6ff.),  der  sogar  genau  Früh- 
ling oder  Herbst  256  nennt  und  beweisen  will,  der  Brief  sei  nach 
dem  Bruche  der  Kirchengemeinschaft  zwischen  Cyprian  und 
Stephanus  verfaßt.  Allein  es  ist  mindestens  unsicher,  ob  (mit 
Nelke)  die  Schilderung  der  traurigen  Gegenwart  in  c  7 — 9  haupt- 
sächlich auf  Stephanus  und  das  Schisma  zu  beziehen  ist,  und  es 
ist  ganz  willkürlich  zu  den  pflichtvergessenen  Bischöfen  auch 
Stephanns  zu  rechnen.  Nelkes  später  Ansatz  des  Briefs  ist 
übrigens  letztlich  durch  eine  irrige  Vorstellung  von  dem  Primat 
des  römischen  Bischofs  bestimmt.    Er  kann  es  sich  nicht  denken, 


1)  S.  über  ep.  OhJ    meine  Abhandlung   in   den   Texten   u.  Untere.  Bd.  7 
H.  2,  1890. 


Gyprian  und  Pseudocjprianisches.  349 

daß  bei  normalen  Verhältnissen  die  Beziehung  der  spanischen 
Eischöfe  und  des  Gyprian  zum  römischen  Stuhl  eine  solche  gewesen 
sei,  wie  der  Brief  sie  voraussetzt;  er  meint,  daß,  wenn  normale 
Verhältnisse  bestanden  hätten,  die  Autorität  des  Stephanus  in  ganz 
anderer  Weise  von  den  spanischen  Bischöfen  und  Gyprian  anerkannt 
worden  wäre.  Da  zu  solcher  Annahme  kein  Grund  vorliegt,  ist 
auch  kein  sicherer  Anlaß  vorhanden,  den  Brief  an  das  Ende  der 
Eegierungszeit  des  Stephanus  zu  rücken.  Auch  die  Stelle,  an  die 
die  Überlieferung,  wie  sie  Soden  enthüllt  hat,  den  Brief  setzt, 
kann  nicht  zum  Beweise  angerufen  werden;  denn  daß  der  ganz 
singulare  Brief  an  den  Schluß  gei'ückt  worden  ist,  ist  wohl  ver- 
ständlich. 

3.  Die  Briefe  44—61.  64.  66.  Diese  zwanzig  Briefe  gehören 
(mit  Ausnahme  der  ep.  66)  der  Zeit  vom  Frühling  251  bis  Sommer 
253  an  und  fallen  also  genau  in  die  Regierungszeit  der  römischen 
Bischöfe  Gornelius  und  Lucius*.  Das  in  Rom  ausgebrochene  nova- 
tianische  Schisma,  welches  bald  eine  universal-kirchliche  Bedeutung 
erhielt  und  in  die  Feststellung  der  Behandlung  der  Lapsi  sowie 
in  das  karthaginiensische  Schisma  hineinspielte,  verleiht  dieser 
(Truppe  von  Briefen  ein  besonderes  Interesse. 

Die  fünf  Briefe  44—482  (drei  an  Gornelius,  ep.  47  an  die 
römischen  Konfessoren)  gehören  aufs  engste  zusammen;  zumal  die 
epp.  45—47  sind  durch  Mettius  zusammen   nach  Rom  gesandt 

1)  Außerdem  fallen  in  diesen  Zeitraum  von  verlorenen  Briefen  die 
Nrr.  7—10.  26-33.  48—58,  die  ich  Texte  u.  Unters.  Bd.  23  H.  2  besprochen 
habe  (die  Nrr.  2—6.  25.  39—47  gehören  der  Zeit  bis  März  251  an;  die  Nrr.  17—21. 
34.  35.  59 — 70  den  letzten  Jahren  Cyprians;  die  Nrr.  1.  22.  23.  24  sind  aus  der 
Zeit  vor  Cyprians  Episkopat,  und  die  Nrr.  36—38  sind  zeitlich  nicht  zu  be- 
stimmen). Mindestens  5  Briefe  des  Cornelius  an  Cyprian  (ep.  45,  1;  48,  1; 
49,  1;  50;  59,  1.  2)  und  3  Briefe  Cyprians  an  Cornelius  (ep.  45, 1;  55,  6;  59,  9) 
sind  verloren,  dazu  ein  Zirkularschreiben  Cyprians  an  die  afrikanischen  Bischöfe 
in  Sachen  des  Cornelius  (ep.  45,  1;  cf.*55,  1).  Nicht  erhalten  ist  auch  der 
afrikanische  83niodalbeschluß  v.  J.  251  und  ein  ihn  begleitendes,  nach  Rom 
gerichtetes  Schreiben  fep.  55,  6.  17).  Auch  der  Brief  (die  Briefe)  des  römischen 
Bischofs  Lucius  in  der  Lapsi-Frage  (ep.  68,  5)  fehlt.  Die  Chronologie  der  in 
meiner  Abhandlung  verzeichneten  70  verlorenen  Stücke  ergibt  sich  nach  der  Chro- 
nologie der  erhaltenen  fast  überall  von  selbst.  Hinzuzufügen  ist  noch  (s.  v.  Soden 
S.  20)  als  Nr.  29  b  ein  Brief  Cyprians  an  seinen  Klerus  über  Felicissimus  und 
dessen  Presbyter,  den  Cyprian  dann  auch  dem  Cornelius  mitgeteilt  hat  (ep.45,4), 
eowie  ein  römisches  Protokoll  über  die  Aufnahme  der  schismatisch  gewesenen 
Konfessoren  (ep.  49,  2),  das  Cornelius  mit  ep.  49  nach  Karthago  gesandt  hat 
( y.  Soden  S.  21).  Ob  ep.  5  (s.  c.  1)  Antwort  auf  einen  Brief  (v.  Soden  S.  21) 
oder  auf  mündliche  Nachricht  ist,  steht  dahin. 

2)  Ritschi  ordnet  45.44.46—48,  s.  gegen  ihn  Nelke  S.  60f.,  So- 
den S.  26  f. 


350  ^i^  Littei*atur  des  AbendlandeB. 

worden.    Dem  Briefe  44  ist  sowohl  iu  Rom  als  in  Karthago  sehr 
viel  vorausgegangen,  nämlich 

(1)  die  Rückkehr  Cyprians  nach  Karthago, 

(2)  die  Wahl  und  Weihe  des  Cornelius  in  Rom  zum  Bischo£ 

(3)  die  Wahl  und  Weihe  des  Gegenbischofs  Novatian  in  Rom, 

(4)  Briefe  und  Gesandte  des  Cornelius  und  Novatian  nach 
Karthago  (Afrika)  um  Anerkennung.  Der  Brief  des  letzteren  wurde 
durch  eine  große  Deputation  (Maximus,  Augendus,  Machäus,  Lon- 
ginus)  nach  Afrika  gebracht. 

(5)  Absendung  von  zwei  afrikanischen  Bischöfen  nach  Rom 
(Caldonius  und  Fortunatus),  um  den  Frieden  und  die  Einheit  in 
Rom  herzustellen;  sie  überbrachten  auch  einen  Brief  Cyprians. 
Die  Instruktion  für  diese  Gesandten  lautete  nicht  auf  Anerkennung 
des  Cornelius,  sondern  auf  Prüfung  der  Sachlage  und  Friedens- 
stiftung. 

(6)  Ankunft  von  zwei  italienischen  Bischöfen  in  Karthago 
(Pompejus  und  Stephanus),  die  für  Cornelius  wirken  sollten  [diese 
haben  sich  mit  jenen  gekreuzt]. 

(7)  Anerkennung  des  Cornelius  seitens  der  Kirche  in  Hadrumet, 
durch  ein  Schreiben  an  ihn  bezeugt 

(8)  Reise  des  Cyprian  nach  Hadrumet. 

(9)  Die  Gemeinde  in  Hadrumet  suspendiert  ihre  Anerkennung 
des  Cornelius  (Schreiben  derselben  an  den  Klerus  von  Rom). 

(10)  Eröflfnung  der  afrikanischen  Synode  in  Karthago  in  Sachen 
der  Gefallenen  und  des  Novatian  \  nachdem  schon  seit  einiger  Zeit 
„plurimi  episcopi"  daselbst  versammelt  waren,  aber  den  Beschluß, 
ob  Cornelius  oder  Novatian  anzuerkennen  sei,  auf  den  Rat  Cyprians 
noch  aufgeschoben  hatten.  Jetzt  wird  Novatian,  und  zwar  als 
Häi'etiker,  abgewiesen,  obgleich  die  nach  Rom  gesandten  Bischöfe 
Caldonius  und  Fortunatus  noch  nicht  zurückgekehrt  waren. 

(11)  Agitation  der  novatianischen  Deputation  gegen  diesen 
Beschluß  sowohl  in  Karthago  selbst  als  auch  in  der  Provinz  („ostia- 
tim  per  nmltorum  domos  vel  oppidatim  per  quasdam  civitates"). 

Nun  erst  schrieb  Cyprian  den  kurzen  44.  Brief  an  Cornelias 
(Anerkennung  seines  Rechts)  und  übersendet  ihn  durch  Primitivus, 
der  mündlich  ausführlich  berichten  sollte.  Cyprian  muß  diesen 
Brief  während  der  Tagung  der  afrikanischen  Synode  abgefaßt 
haben;  denn  auf  dieser  wurde  Felicissimus  abgesetzt  und  der  ei"st« 
generelle  Beschluß  über  die  Gefallenen  gefaßt.  Jene  Absetzung 
aber  ist  in  ep.  44  noch  nicht  erwähnt. 


1)  Der  WoHlaut  der  Beschlüsse  dieser  Synode  fehlt.    In  Sachen  der  Ge- 


fallenen kam  es  nur  erst  zu  einem  vorläufigen  Beschluß, 


Cyprian  und  Pseudocyprianischds.  351 

Noch  bevor  die  afrikanischen  Gesandten  aus  Rom  zurückge- 
kehrt waren  und  bevor  Cyprian  von  dem  Eindruck  seiner  ep.  44 
auf  Cornelius  etwas  wissen  konnte,  traf  ein  Brief  des  Cornelius 
ein,  der  sich  über  die  verzögerte  Anerkennung  (und  wohl  auch 
über  die  Absendung  der  Gesandtschaft  [s.  Nr.  5],  die  nicht  die 
Instruktion  hatte,  mit  ihm  in  Gemeinschaft  zu  treten)  beklagte. 
Cyprian  beantwortete  dieses  Schreiben  durch  ep.  45,  das  Ent- 
schuldigungen, Beschönigungen  der  verzögerten  Anerkennung  ent- 
hält (in  c  4  die  Mitteilung  der  Verurteilung  des  Felicissimus). 
Gleichzeitig,  um  seinen  Eifer  zu  beweisen,  richtete  er  ep.  46  an  die 
römischen  Eonfessoren  mit  der  Mahnung,  zur  Einheit  zurückzu- 
kehren. Diesen  Brief  aber  —  damit  Cornelius  nicht  Verdacht 
schöpfe  —  ließ  er  durch  ihren  Bischof  den  Eonfessoren  zustellen 
und  gab  ihm  daher  ein  paar  Zeilen  an  Cornelius  mit  (ep.  47)^ 

Noch  bevor  Cyprian  eine  Antwort  auf  die  epp.  45—47  hatte,  sah 
er  sich  genötigt,  ein  weiteres  Entschuldigungsschreiben  an  Cornelius 
zu  richten.  Primitivus,  der  ep.  44  überbracht  hatte,  war  zurück- 
gekehrt und  hatte  Beschwerden  des  Cornelius  über  das  Verhalten 
der  Gemeinde  von  Hadrumet  mitgeteilt  (s.  o.  Nr.  7—9),  das  er 
[mit  Recht]  auf  den  Einfluß  Cyprians  zurückführte.  Die  ep.  48  ist 
dieses  Entschuldigungsschreiben,  das  (c.  4)  nach  Rückkehr  der 
afrikanischen  Gesandten  aus  Rom,  Caldonius  und  Fortunatus,  ab- 
gefaßt ist. 

Die  absolute  Chronologie  dieser  5  Schreiben  ergibt  sich  aus 
folgenden  Erwägungen:  Cyprian  wollte  (nach  ep.  43,  7)  „post 
paschae  diem"  d.  h.  wohl  unmittelbar  nach  Ostern  nach  Earthago 
zurückkehren,  und  wir  haben  keine  Veranlassung  anzunehmen,  daß 
er  den  Plan  nicht  ausgeführt  hat.  Da  Ostern  auf  den  23.  März 
im  J.  251  fiel,  wird  Cyprian  in  den  letzten  Tagen  dieses  Monats 
zurückgekehrt  sein.  Cornelius  ist  um  den  15.  März  251  gewählt 
worden^,  und  unmittelbar  darauf  fand  die  Wahl  des  G^genbischofs 


1)  Pedanterie,  und  in  diesem  Falle  schwerlich  eine  gerechtfertigte,  ist  es, 
*'p.  47  vor  ep.  40  zu  stellen  (Soden  S.  27). 

2)  Seine  Regierungszeit  umfaßte  2  Jahre,  3  Monate?  und  11  Tage.  Sein 
Nachfolger  Lucius,  der  8  Monate  und  10  Tage  regiert  hat,  hat  sein  Amt 
um  den  25.  Juni  253  angetreten  (denn  der  Endtermin,  5.  Milrz  254,  steht  fest). 
Von  hier  aus  2  Jahre,  8  Monate  und  10  Tage  aufwärts  rechnend,  kommt  man 
zur  Zeit  um  den  15.  März  251.  Da  aber  einige  Zeit  zwischen  Cornelius  und 
Lucius  vei*8trichen  sein  kann,  wird  man  vom  15.  März  wohl  aufwärts,  nicht 
aber  abwärts  gehen  dürfen.  Nelke  (S.  Gl)  setzt  die  Wahl  des  Cornelius  auf 
Anfang  April  251.  Die  Argumente  sind  —  abgesehen  davon,  daß  man  mit  der 
überlieferten  Amtszeit  des  Cornelius  in  Konflikt  kommt  —  nicht  stichhaltig. 
„Die  Bischöfe  mußten  zu  der  Osterfeier  zu  Hause  sein"  (das  konnten  sie  sehr 
wohl,  wenn  die  Wahl  um  den  15.  März  oder  noch  früher  erfolgte).    „Die  Ver- 


352  ^^6  Litterat ur  des  Abendlandes. 

Novatian  statt.  In  1—2  Wochen  konnten  die  Briefe  bez.  die  Gre- 
sandten  beider  Parteien  in  Karthago  sein,  d.  h.  als  Cyprian  dort- 
hin zurückkehrte,  empfing  ihn  bereits  die  Nachricht  von  der  zwie- 
spältigen Bischofswahl  in  Rom.  Seine  Rückkehr  nach  Karthago 
veranlaßte  sofort  zahlreiche  afrikanische  Bischöfe,  sich  za  ihm  zu 
begeben.  Sie  sammelten  sich  zugleich  zur  Synode,  die,  wie  wir 
nach  ep.  59, 10  annehmen  dürfen,  am  15.  Mai  herkömmlich  eröffnet 
wurde,  während  vorher  schon  Beratungen  Cyprians  mit  den  früher 
eingetroffenen  Bischöfen  stattfanden.  In  die  Zeit  vom  +  1.  April 
bis  15.  Mai  fallen  also  die  oben  Nr.  5—9  aufgezeichneten  Ereignisse, 
so  jedoch,  daß  Nr.  5  und  6  um  den  1.  April  anzusetzen  sind. 
Hiernach  ergibt  sich  weiter,  daß  ep.  44  gleich  nach  dem  15.  Mai 
abgefaßt  ist.  Nur  wenige  Tage  später  sind  die  epp.  45—47  ge- 
schrieben. Das  zweite  Entschuldigungsschreiben  (ep.  48),  welches 
nach  der  Rückkehr  des  Caldonius  und  Fortunatus  erfolgte,  ist  ent- 
weder noch  in  den  letzten  Tagen  des  Mai  oder,  wahrscheinlicher, 
im  Juni  251  abgefaßt 

Enge  zusammen  gehören,  als  gemeinsam  abgesandt,  die  drei 
aus  Rom  an  Cyprian  gerichteten  epp.  49.  50.  53  K  Sie  gehören  der 
2.  Hälfte  des  Jahres  251  an;  aber  näher  lassen  sie  sich  (gegen 
Nelke  S.  68)  nicht  datieren.  Die  epp.  52.  51.  54  sind  die  drei 
Antwortsschreiben  Cyprians  auf  diese  Briefe.  Das  Schreiben  52 
geht  voran  und  sollte  ursprünglich  alle  drei  Briefe  beantworten, 
aber  Cyprian  genügte  es  nicht,  und  er  fügte  ep.  51  und  54  hinzu. 
Die  drei  Briefe  wurden  zusammen  nach  Rom  gesandt. 


hältnisse  vor  Ostern  waren  noch  zu  unsicher,  als  daß  eine  Wahl  gewagt  wer- 
den konnte"  (darüber  weiß  man  nichts).  Umgekehrt  ist  es  vielmehr  wahr- 
scheinlich, daß  die  römische  Gemeinde  den  lebhaften  Wunsch  hatte,  daß  die 
lange  Sedisvakanz  endlich  aufhöre  und  sie  nicht  noch  ein  zweites  Osterfest 
ohne  einen  Bischof  verleben  müsse.  Dazu  kommt  noch  folgendes:  Nach  ep.  45, 4 
hat  Cyprian  in  dem  Schreiben,  das  den  afrikanischen  Gesandten  Caldonius  und 
Fortunatus  mitgegeben  wurde,  einen  Bericht  über  das  Schisma  des  Felicissi- 
mus  —  und  zwar  augenscheinlich  den  ersten,  den  er  nach  Rom  gelangen 
ließ  —  erstattet.  Da  dieses  Schisma  jedenfalls  schon  im  März  251  (s.  ep.  43) 
bestand  und  Cyprian  wünschen  mußte ,  die  Römer  sofort  über  dasselbe  zu 
orientieren,  so  ist  es  nicht  ratsam,  den  Bericht  über  dasselbe  bis  in  die 
Mitte  April  zu  schieben  (das  Gewicht  dieses  Arguments  erkennt  auch  Nelke 
S.  61  f.  an). 

1)  Die  beiden  ersten  sind  von  Cornelius  (die  einzigen  erhaltenen,  s.  die 
neue  Ausgabe  derselben  von  Mercati,  D'  alcuni  nuovi  sussidi  per  la  eritica 
del  testo  di  S.  Cypriano,  1899,  p.  72  ff.),  die  dritte  von  den  römischen  Kon- 
fessoren,  die  zu  Cornelius  übergingen.  —  Die  Voranstellung  der  ep.  50  vor  49 
(Ritschi  und  Nelke)  begreife  ich  nicht;  ep.  50  ist  doch  ein  deutliches  Post- 
skript zu  ep.  49. 


Cyprion  und  PBeudocyprianischeB.  353 

Schwierigkeiten  macht  die  Reihenfolge  und  genauere  Datierung 
der  Briefe  55—61.  64.  Ritschi  (dem  Soden  folgt)  ordnet  55,  64, 
59,  56,  57,  58,  60,  61.  Nelke  setzt  60  und  64  noch  vor  49—54 
und  ordnet  dann  55,  56,  57,  59,  58,  61^. 

Zunächst  ist  der  Versuch  Nelkes,  den  60.  Brief,  der  bisher 
allgemein  als  letzter  Brief  Cyprians  an  Cornelius  galt,  an  den  An- 
fang der  Regierung  des  Cornelius  zu  stellen  (etwa  Mitte  Juli  251), 
abzulehnen.  Der  Brief  gratuliert  dem  Cornelius  zur  Ehi'e  einer 
Verfolgung.  Nelke  konstruiert  nun  aus  ep.  55,  9  (wo  nur  Rheto- 
risches steht),  der  pseudocyprianischen  Schrift  Ad  Novatianum  (die 
er  ohne  haltbare  Gründe  hierher  verlegt)  und  unserem  Brief  eine 
zweite  Verfolgung  des  Decius  im  Sommer  251.  Da  die  erstge- 
nannten Stellen  nicht  beweiskräftig  sind,  so  schwebt  diese  zweite 
Verfolgung  des  Decius,  die  den  Cornelius  3—4  Monate  nach  seinem 
Regierungsantritte  betroffen  haben  soll,  in  der  Luft  Es  bleibt 
dabei,  daß  die  in  dem  Brief  vorausgesetzte  Verfolgung  die  des 
Gallus  ist 

Daß  der  Brief  04  heraufzusetzen  ist,  darüber  sind  Ritschi 
und  Nelke  mit  Recht  einig;  aber  sie  differieren  darin,  daß  jener 
die  ep.  55  voranstellt,  dieser  die  ep.  64  noch  vor  ep.  55  ansetzt. 
Daß  der  Brief  von  einer  großen  Synode  (66  Bischöfe)  herrührt, 
sagt  er  selbst  in  der  Aufschrift.  Daß  solche  Synoden  in  Karthago 
in  der  Regel  nur  bald  nach  Ostern  stattfanden,  lehren  die  Stellen 
ep.  47,  3;  56,  3;  59,  10.  Von  einer  Herbstsynode  (vor  jener  Synode, 
auf  der  die  87  Bischöfe  tagten)  wissen  wir  schlechterdings  nichts, 
und  daß  zwischen  der  ep.  59,  10  vorausgesetzten  Synode,  die  aus- 
drücklich als  Mai-Synode  bezeichnet  ist,  und  der  Maisynode  von 
251  noch  eine  andere  in  Karthago  getagt  hat,  ist  uns  unbekannt. 
Der  Annahme  Nelkes  ist  also  nicht  beizupflichten,  daß  die  Synode 
der  66  Bischöfe,  von  der  der  64.  Brief  stammt,  im  Herbst  251  ge- 
halten sei'^,  vielmehr  ist  er  eben  auf  die  Maisynode  252  zu  ver- 
Ic^gen-^  Ist  dem  aber  so,  so  ist  ep.  55  vor  ep.  64  geschrieben;  denn 

1)  Die  größten  Schwierigkeiten,  bez.  Verwirrungen,  sind  erst  durch  Nelke 
hervorgerufen. 

2)  Wirkliche  Gründe  für  diesen  Ansatz  habe  ich  bei  Nelke  nicht  ge- 
funden; auch  er  hängt  übrigens  zusammen  mit  seiner  Annahme  einer  zweiten 
Verfolgung  unter  Decius  im  Juli  251. 

3)  Auf  die  Synode  eines  späteren  Jahres  kann  er  aber  auch  nicht  fallen, 
da  die  Worte  in  c.  1  nur  auf  eine  Synode  (und  zwar  die  von  251)  zurück- 
>>licken.  In  oder  nach  dem  J.  253  hätte  Cyprian  nicht  mehr  so  relativ  streng 
.-Nchreiben  können:  „quae  res  nos  satis  movit,  recessum  esse  a  decreti  nostri 
iiuctoritate,  ut  ante  legitimum  et  pleuum  tempus  satisfactionis  et  sine  petita 
(it  conscientia  plebis  nulla  infirmitatc  urgente  ac  necessitate  cogente  pax  ei  con- 
cederetur". 

Harnack,  Altchristi.  Litt^raturgesch.  11,  2.  23 


354  ^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

dieser  umfangreiche  Brief  (ad  Antonianum)  setzt  den  Übergang  der 
römischen  Konfessoren  zu  Novatian  als  eine  frische  Tatsache 
voraus*  und  zeigt  die  novatianische  Verwirrung  noch  auf  ihrem 
Höhepunkt  Der  Brief  hat  —  die  Lapsi-Frage  anlangend  —  nur 
erst  die  allgemein  gehaltenen  Beschlüsse  von  251  hinter  sich^  und 
gehört  also  in  den  Herbst  251  oder  in  den  Winter  251/2. 

Dagegen  ist  ep.  59  (an  Cornelius)  nach  dem  Konzil  von  252, 
von  welchem  der  64.  Brief  herrührt,  verfaßte  Dieses  dezidierte 
Verteidigungsschreiben  setzt  eine  karthaginiensische  Mai-Synode 
(c.  10)  voraus,  die  mit  der  des  Jahres  251  nicht  identisch  sein 
kann;  denn  die  Vorgänge,  die  erwähnt  werden  (Gegenbischof 
Fortunatus  etc.  in  Karthago),  können  sich  nicht  im  Mai  251  abge- 
spielt haben,  sonst  müßten  wir  in  früheren  Briefen  von  ihnen 
hören.  Also  ist  das  vorausgesetzte  Konzil  das  von  252.  Wie  lange 
nach  der  Synode  vom  Mai  252  der  Brief  verfaßt  ist,  läßt  sich  noch 
ungefähr  ermitteln.  Da  die  Einsetzung  des  Fortunatus  in  Karthago 
zum  Gegenbischof  im  Mai  252  erfolgt  ist  da  die  schismatiscbe 
Partei  sich  nun  sofort  um  Sukkurs  in  Rom  bemüht  haben  wird,  da 
es  «ndlich  c  59,  10  heißt:  „Idibus  Mais  quae  proxime  fuerunt",  so 
ist  der  Brief  wahrscheinlich  noch  im  Sommer  252  geschrieben. 

Der  nun  folgende  56.  Brief  führt  uns  vor  das  Osterfest  253; 
denn  in  c.  3  wird  auf  die  unmittelbar  bevorstehende  Synode,  die 
sich  wieder  mit  der  Gefallenen-Frage  generell  beschäf- 
tigen soll,  hingewiesen.  Diese  Synode  kann  aus  folgenden 
Gründen  nicht  die  Synode  des  J.  252  sein  (so  Nelke):  (1)  daß  auf 
der  Synode  v.  J.  252  generell  über  die  Lapsi  gehandelt  worden 
ist,  ist  nicht  überliefert,  (2)  in  unserem  Brief  heißt  es,  die  Ge- 
fallenen in  der  Stadt  Capsa  Numid.  hätten  „per  hoc  triennium'' 
fleißig  Buße  getan.  Im  März  252  konnte  man  aber  unmöglich 
sagen,  daß  bereits  eine  dreijährige  Buße  geleistet  worden  sei.  Die 
Verfolgung  in  der  Provinz  Afrika  wird  überhaupt  erst  März  oder 
April  250  begonnen  haben  (so  richtig  ßitschl  und  v.  Soden; 
jener  führt  auch  noch  andere  Gründe  ins  Feld). 

Die  ep.  57  ist  nun  das  Synodalsclireiben  des  (3.)  cyprianischeii 

1)  Auch  den  Tod  des  Decius  setzt  er  (c.  9)  voraus.  Derselbe  ist  im  Herbr^t 
oder  Anfang  Winter  251  erfolgt. 

2)  S.  c.  6.  7,  wo  augenscheinlich  nur  von  einer  bisher  gehaltenen  Synodf 
die  Rede  ist  (auch  c.  13\  Die  Ereignisse  der  1.  Hälfte  des  J.  251  liegen  augeu- 
scheinlich  sehr  nahe  hinter  dem  Brief. 

3)  Der  64.  Brief  ist  nicht  etwa  der  Synodalbeschluß;  ein  solcher  fehlt. 
Er  betraf,  wenn  er  überhaupt  ergangen  ist,  nicht  die  Gefallenenfrage,  die 
generell  auf  dieser  Synode  überhaupt  nicht  verhandelt  ist,  sondern  erst  wie- 
der im  J.  253. 


Cyprian  und  PseudocyprianiBches.  355 

Konzils  V.  253  (Mai)  —  nach  Nelke  vom  Mai  252,  da  er  ep.  64 
auf  ein  supponiertes  Herbstkonzil  verlegt  und  das  „triennium** 
mißdeutet  (s.  o.).  Diese  ep.  57  ist  also  kurz  nach  56  geschrieben. 
Die  Synode  nahm  die  im  J.  251  von  ihr  behandelte  Lapsi-Frage 
wieder  auf  und  entschied  nun  im  Angesicht  der  heraufziehenden 
Verfolgung  durch  Gallus,  daß  nicht  nur  den  todkranken  Gefallenen, 
sondern  überhaupt  allen,  die  bisher  Buße  getan,  die  Wiederauf- 
nahme zu  gewähren  sei.  Diesen  Beschluß  zeigte  sie  dem  Cornelius 
an  und  bat  um  Beitritt 

Die  ep.  58  (ad  Thibaritanos)  ist  unmittelbar  darauf  geschrieben, 
denn  auch  sie  sieht  die  Verfolgung  des  Gallus  heraufziehen  (c  1  fT.). 
Nun  folgt  der  60.  Brief  (ad  Cornelium),  aus  welchem  hervorgeht, 
daß  die  Verfolgung  in  Rom  wirklich  begonnen  hat  und  Cornelius 
von  ihr  getroffen  (verbannt)  worden  ist  Nach  der  (wahrschein- 
lichen) römischen  Bischofs-Chronologie  war  das  im  Juni  253  ge- 
schehen. In  diese  Zeit  fällt  also  auch  der  Brief,  bez.  in  den  Juli 
253.  Die  Verbannung  und  schnelle  Rückkehr  des  Lucius  von  Rom 
veranlaßte  den  Cyprian  zu  einem  Qratulationsschreiben  (ep.  61),  das 
also  in  den  Herbst  253  fallen  muß.  Die  Ritschlsche  Ordnungkund 
chronologische  Ansetzung  der  Briefe  hat  sich  hier  durchweg 
bewährt. 

In  das  Jahr  254  gehört  das  peinliche  Rechtfertigungsschreiben 
des  Cyprian  (ep.  66);  denn  nach  c.  5  ist  Cyprian  sechs  Jahre 
Bischof  Nach  ep.  59,  6  (geschrieben  im  Sommer  252)  ist  Cyprian 
..plebi  suae  in  episcopatu  quadriennio  iam  probatus".  Cyprian  ist 
also  um  den  Anfang  des  J.  249  Bischof  geworden.  Also  konnte 
er  im  J.  254  ironisch  sagen:  „ecce  iam  sex  annis  nee  fraternitas 
habuit  episcopum". 

Resultate  der  Untersuchung:^ 

Pearson-Hartel.    Ritschi,  Soden,  Harnack. 

44  40 

45  41  [ 

46  42  \ 

47  43  l  Soden  ordnet  41.  43.  42. 

48  44 

49  45 

50  46 

51  49 

52  48 


1)  Ich  sehe  hier  von  Nelke  ab;   die  nicht  geringen  Abweichungen  sind 
an  ihren  Stellen  verzeichnet  worden. 


356  ^®  Litleraiar  des  Abendlandes. 

Pearson-Hartel.    Ritschi,  Soden,  Harnack. 

53  47  gehört  enge  mit  ep.  49  («=  45)  tL 

ep.  50  (===  46)  znsammen. 

54  50  gehört  enge  mit  ep.  52  (=  48)  iL 

ep.  51  (=»  49)  zusammen. 

55  51 

56  54 

57  55 

58  56 

59  53 

60  57 

61  58 
64  52 
66  59 

Ep.  44  ist  gleich  nach  dem  15.  Mai  251  abgefaßt 
Ep.  45—47  wenige  Tage  später. 
Ep.  48  Ende  Mai  oder  wahrscheinlicher  Juni  251. 
Ep.  49.  50.  53  und  die  Antworten  ep.  52.  51.  54  gehören  in  die 
zweite  Hälfte  des  J.  251. 

Ep.  55  Herbst  251  oder  Winter  251/2. 

Ep.  64  Mai  252. 

Ep.  59  wahrscheinlich  Sommer  252. 

Ep.  56  unmittelbar  vor  Ostern  253. 

Ep.  57  Mai  253. 

Ep.  58  sehr  bald  nach  Mai  253. 

Ep.  60  Juni  oder  Juli  253. 

Ep.  61  Herbst  253. 

Ep.  66  im  Jahre  254. 

4.  Die  Briefe  68—75  und  die  Sentent  LXXXVII  epi- 
scoporum. 

Kein  Streit  besteht  darüber,  daß  ep.  68  (Brief  an  Stephanus 
über  Marcian  von  Arles)  das  erste  Schreiben  des  Cyprian  an 
Stephanus  ist  und  daß  er  es  vor  dem  Ausbruch  des  Eetzertauf- 
streits  abgefaßt  hat,  also  noch  i.  J.  254.  Dagegen  ist  die  Keihen- 
folge  und  das  Datum  der  folgenden  sieben  Schreiben  und  der  Sen- 
tent kontrovers. 

Eitschl:  69  [i.  J.  255].  70  [Frühjahrskonzil  v.  255].  71  [bald 
darauf).  73  [bald  nach  dem  Frühjahrskonzil  v.  J.  256].  Sentent 
episc.  [September-Konzil  256].  72  [Schreiben  desselben  Konzils  an 
Stephanus].    74.  75  [beide  Briefe  bald  darauf  noch  i.  J.  256]. 

Nelke:  70  [Frühlingssynode  254].  71  [Ende  Juli  oder  Anfang 
'^M].    72  [etwa  Sept  254].  73  [um  Neujahr  254/5].  74  [etwa 


Gyprian  and  PBeudocTprianisches.  357 

Mäxz  255].    69  [Juni  oder  Juli  255].    Sentent.  [Sept  -  Konzil  255]. 
75  [etwa  Ende  Oktob.  255]. 

Soden  folgt  Bitschi;  aber  mit  einer  Ausnahme:  auch  er 
setzt  ep.  69  später,  verzichtet  aber  auf  eine  nähere  Datierung 
und  stellt  den  Brief,  da  er  nur  in  ep.  75  benutzt  ist,  vor  die- 
sen Brief. 

Die  Differenzen  zwischen  Bitschi  und  Nelke  sind  also  fol- 
gende: (1)  handelt  es  sich  um  die  Stellung  des  69.  Briefs,  (2)  um 
die  Frage,  ob  der  Streit  i  J.  254  oder  255  begonnen  hat,  bez.  ob 
die  im  Brief  70  vorausgesetzte  Synode  auf  254  oder  255  zu  datieren 
ist,  (3)  handelt  es  sich  um  die  Stellung  des  72.  Briefs,  (4)  um  die 
Stellung  der  Sentent 

An  den  zwei  eraten  Punkten  haben  meine  Nachprüfungen 
Bitschis  Ansätze  bestätigt.  (Ad  1)  vermag  ich  in  ep.  69  keine 
Anzeichen  eines  seit  längerer  Zeit  schon  bestehenden  Streites  zu 
entdecken,  im  Gegenteil  —  der  Brief  müßte  ganz  anders  lauten, 
wenn  bereits  eine  öffentliche  und  allgemeine  Kontroverse 
bestanden  hätte  oder  wenn  die  Wellen  des  Streits  gar  schon  bis 
nach  Born  gegangen  wären.  Die  Anspielungen,  die  Nelke  und 
Soden  entdeckt  zu  haben  meinen,  sind  keine.  Aber  bloße  „An- 
spielungen" erwartet  man  überhaupt  nicht,  wenn  bereits  die  epp. 
70 — 74  unserem  Briefe  vorangegangen  wären. 

(Ad  2)  Es  besteht  m.  E.  die  Möglichkeit,  die  Frage  sicher  zu 
entscheiden,  ob  die  Synode,  deren  Schreiben  wir  in  ep.  70  be- 
sitzen, im  Frühjahr  des  Jahres  254  oder  255  abgehalten  worden 
ist  und  ob  sich  demgemäß  der  akute  Streit  in  den  JJ.  254  u.  255 
oder  255  u.  256  abgespielt  hat  Folgende  Erwägung  spricht  für 
den  hergebrachten  Ansatz  255  u.  256.  Stephanus  ist  im  Mai  254 
Bischof  geworden.  Hat  nun  die  Frühjahrssynode,  von  der  die 
ep.  70  stammt,  im  Mai  254  (und  nicht  erst  255)  stattgefunden,  so 
bleibt  kein  Raum  mehr  für  ep.  68  (s.  o.).  Es  ist  nämlich  gewiß 
lep.  71),  daß  Stephanus  sofort  nach  dem  Beschluß  der  Frühjahrs- 
synode  eingegriffen  hat,  auch  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  daß 
Cyprian  wußte,  daß  er  sich  mit  der  Entscheidung  (ep.  70)  in  Wider- 
spruch zu  Rom  und  Stephanus  gesetzt  hatte.  Wie  soll  man  da 
den  Brief  68  unterbringen,  da  Stephanus  doch  erst  im  Mai  254 
Bischof  geworden  ist.  Dagegen  hebt  sich  diese  kapitale  Schwierig- 
keit, wenn  die  Frühjahrssynode,  die  sich  mit  dem  Ketzertaufstreit 
zuerst  beschäftigte,  im  Mai  255  stattfand  ^ 

1)  Auch  Bardeiihewer  (a.  a.  0.  Bd.  2  S.  401)  schreibt:  „Durchaus  ver- 
fehlt erscheint  es,  wenn  Nelke  annimmt,  die  Entächeidung  des  Papst-es  sei 
schon  zu  Anfang  des  .1.  255  erfolgt  und  die  Septembersynode  habe  am  1.  Sept. 
'J.")5  stattgefunden". 


356  ^®  Litieraiar  des  Abendlandes. 

Pearson-Hartel.    Ritschi,  Soden,  Harnack. 

53  47  gehört  enge  mit  ep.  49  (*-=  45)  Q. 

ep.  50  (=  46)  zusammen. 

54  50  gehört  enge  mit  ep.  52  (=  48)  n. 

ep.  51  (=»  49)  zusammen. 

55  51 

56  54 

57  55 

58  56 

59  53 

60  57 

61  58 
64  52 
66  59 

Ep.  44  ist  gleich  nach  dem  15.  Mai  251  abgefaßt 
Ep.  45—47  wenige  Tage  später. 
Ep.  48  Ende  Mai  oder  wahrscheinlicher  Juni  251. 
Ep.  49.  50.  53  und  die  Antworten  ep.  52.  51.  54  gehören  in  die 
zweite  Hälfte  des  J.  251. 

Ep.  55  Herbst  251  oder  Winter  251/2. 

Ep.  64  Mai  252. 

Ep.  59  wahrscheinlich  Sommer  252. 

Ep.  56  unmittelbar  vor  Ostern  253. 

Ep.  57  Mai  253. 

Ep.  58  sehr  bald  nach  Mai  253. 

Ep.  60  Juni  oder  Juli  253. 

Ep.  61  Herbst  253. 

Ep.  66  im  Jahre  254. 

4.  Die  Briefe  68—75  und  die  Sentent  LXXXVII  epi- 
scoporum. 

Kein  Streit  besteht  darüber,  daß  ep.  68  (Brief  an  Stephanus 
über  Marcian  von  Arles)  das  erste  Schreiben  des  Cyprian  an 
Stephanus  ist  und  daß  er  es  vor  dem  Ausbruch  des  Eetzertauf- 
streits  abgefaßt  hat,  also  noch  i.  J.  254.  Dagegen  ist  die  Beihen- 
folge  und  das  Datum  der  folgenden  sieben  Schreiben  und  der  Sen- 
tent. kontrovers. 

Eitschl:  69  [i.  J.  255].  70  [Frühjahrskonzil  v.  255].  71  [bald 
darauf).  73  [bald  nach  dem  Frühjahrskonzil  v.  J.  256].  Sentent. 
episc.  [September-Konzil  256].  72  [Schreiben  desselben  Konzils  an 
Stephanus].    74.  75  [beide  Briefe  bald  darauf  noch  i.  J.  256]. 

Nelke:  70  [Frühlingssynode  254].  71  [Ende  Juli  oder  Anfang 
August  254].    72  [etwa  Sept.  254].  73  [um  Neujahr  254/5].  74  [etwa 


Cyprian  und  FseudoiTpriaiiiBches.  359 

nus  zwar  sicher  vorausgesetzt  ist  (s.  o.),  daß  es  aber  nicht  so  pole- 
misch ausgebeutet  wird,  wie  man  erwarten  dürfte  (auch  nr.  8  nicht 
genannt  ist),  so  daß  man  an  einen  früheren  Brief  des  Stephanus 
denken  könnte.  Allein  das  ist  doch  nur  Schein:  die  außerordent- 
liche Herbstsynode  wäre  schwerlich  gehalten  worden,  wenn  nicht 
ein  außerordentlicher  Anlaß  vorgelegen  hätte,  und  daß  dieser  in 
einem  Briefe  des  römischen  Bischofs  zu  suchen  ist,  ist  nach  der 
ganzen  Einleitung  zu  den  Sententiae  das  Wahrscheinliche.  Den 
Brief  des  Stephanus  hat  man  öffentlich  nicht  verlesen,  weil  er 
beleidigend  war  und  als  ungerechtfertigt  galt  In  solchen  Fällen 
unterblieb  häufig  auf  Synoden,  wie  wir  wissen,  die  Verlesung.  Ich 
muß  es  für  überwiegend  wahrscheinlich  halten,  daß  der  entschei- 
dende Brief  des  Stephanus  vor  die  Sentent.  zu  stellen  ist  (so  auch 
Nelke  und  die  ältere  Annahme).  Ep.  74  (ad  Pompej.)  ist  nach 
der  verlorenen  epistula  Stephani  (s.  74,  1),  aber  ganz  deutlich  vor 
die  Sententiae  zu  setzen;  denn  diese  Entscheidung  müßte  erwähnt 
sein,  wenn  sie  schon  ergangen  wäre. 

Was  die  Briefe  des  Stephanus  in  der  Ketzertauffrage  nach 
Afrika  betrifft,  so  sind  zwei,  ja  vielleicht  drei  anzunehmen.  Ein 
erstes  Schreiben  (vielleicht  nach  Mauretanien  gerichtet)  folgt  aus 
ep.  71,  (2).  3,  ein  zweites  aus  Sentent  Praef.  und  ep.  74,  1  (als 
Antwort  auf  ep.  72);  vielleicht  ist  aber  (s.  ep.  75,  17.  25)  ein  drittes, 
noch  heftigeres  Schreiben  ergangen. 

Die  absolute  Chronologie  kann,  nachdem  die  relative  mit  Wahr- 
scheinlichkeit gewonnen  ist,  nur  so  gegeben  werden,  wie  sie 
Ritschi  (s.  0.)  festgestellt  hat 

Noch  ist  ein  Wort  über  den  76.  Brief  (Firmilian  an  Cyprian) 
/u  sagen.  Seine  Echtheit  ist  jetzt  allgemein  anerkannt;  aber 
Kitschi  hat  große  Interpolationen  (ein  starkes  Drittel),  von  zwei 
Händen  herrührend,  nachzuweisen  versuchte  M.  E.  hat  Ernst' 
diese  Annahme  an  den  meisten  Punkten  sicher  widerlegt  (unter 
anderem  hat  er  in  den  angeblichen  Interpolationen  evidente  Grä- 
zismen nachgewiesen).  A  priori  läßt  sich  bereits  sagen,  daß  Nach- 
Aveisungen  von  Interpolationen  im  Sinne  Cyprians  —  so  meint  es 
Kitschi  — ,  sei  es  von  Cyprian  selbst,  sei  es  von  einem  seiner 
Anhänger,  hier  außerordentlich  schwierig  sind;  denn  da  Firmilian 
sich  aller  Wahrsclieinliclikeit  nach  Gedanken  Cyprians  angeeignet 
hat  und  da  uns  nicht  mehr  sein   griechisches  Originalschreiben 


1)  Cypr.  von  Karthago  S.  120  ff.    Soden  hat  ihm  beigestimmt,  ohne  sich 
nälier  auf  die  Frage  einzuhisseu. 

2)  Ztschr.  f.  d.  kath.  Theol.  Bd.  IS  (1894)  S.  210  ff.,  Bd.  20  (1896)  S.  364  ff*. 
(s.  aiK'h  Bonsson  y.  .']77  ff".). 


360  ^^®  Litterafcur  des  Abendlandes. 

vorliegt,  sondern  nur  eine  vielleicht  von  Cyprian  selbst  (oder 
von  einem  Gesinnungsgenossen  desselben)  angefertigte  lateinische 
Übersetzung,  so  ist  es  nicht  auffallend,  daß  der  Brief  ^cypria- 
nische''  Haltung  zeigt  Hat  er  außerdem  cyprianische  Interpola- 
tionen im  eigentlichen  Sinn  des  Worts  erfahren,  wie  will  man  sie 
ausscheiden?  Der  Brief  kann  interpoliert  sein,  aber  ein  zwingender 
Beweis  läßt  sich  nicht  führen.  Auch  Schüler  hat  in  seiner  Schrift 
De  rebaptismate  (Marburg  1897)  8.  12  die  Integrität  des  Briefs 
behauptet,  desgleichen  Benson,  sowie  Lfidemann,  TheoL  Jalir^- 
bericht  1897,  S.  196  ^ 


PearsoD-Har 

■tel 

Harnack 

68 

60 

69 

61 

70 

62 

71 

63 

72 

64 

73 

65 

74 

66 
Sententiae 

75 

67 

Ep.  68  i.  J.  254. 

Ep.  69  i.  J.  255. 

Ep.  70  vom  Früjahrskonzil  255. 

Erstes,  verlorenes  Schreiben  des  Stephanus  (wohl  nach  Maure- 
tanien). 

Ep.  71  bald  darauf 

Frtihlingskonzil  256  der  71  Bischöfe. 

Ep.  72  Schreiben  vom  Frühlingskonzil  256  an  Stephanus. 

Ep.  73  Schreiben  an  Jubajan  gleich  nach  dem  Frühlingskonzil  256. 

Zweites  peremptorisches,  verlorenes  Schreiben  des  Stephanus 
nach  Aft'ika  im  Sommer  256. 

Ep.  74  Brief  an  Pompejus,  gleich  nach  dem  vorigen. 


1)  Der  Brief  Firmiliaiis  ist  ins  Lateinische  ü})ersetzt  worden;  umgekehrt 
Bind  die  Hauptaktenstücke  des  Ketzortaufstreits  frühe  ins  Ciriechische  über- 
tragen worden.  Wir  besitzen  in  griechischer  Übersetzung  die  ei>p.  (54  und  71 
und  die  Sententiae  (Lagarde,  R<?liq.  iur.  Gr.,  1850,  p.  37  ff.)-  Diese  liegen  auch 
in  syrischer  SuperÜbersetzung  vor  (La  gar  de,  Reliq.  iur.  Syr.,  185(5,  p.  02ff. . 
Anderes  in  syrischer  und  armenischer  Übersetzung  s.  im  1.  Teil  dieses  Werk:; 
S.  716  f.  —  Auf  einen  griechischen  Palimpsest  (Cod.  1 ,  31)  der  Bibliot.  comu- 
nale  von  Perugia  saec.  IX.,  der  die  Sentent.  enthalt,  machte  Rabe  in  dem 
Zentralblatt  f.  Bibliothekswesen  ISOS  S.  215  ff.  aufinerksara  und  markierte,  was 
er  entziffert  hat. 


Cyprian  und  Pseudocyprianisches.  361 

Sententiae,  Sept-Konzil  256. 
Ep.  75  ein  paar  Monate  später. 

5.  Die  Briefe  76—81. 

Über  diese  Briefe  besteht  keine  Kontroverse  (ep.  76—81,  bei 
uns  =  68— 73;  es  folgen  dann  die  oben  S.  347  fF.  besprochenen  8  nicht 
oder  nicht  sicher  zu  datierenden  Briefe,  so  daß  die  Zahl  81  mit 
ihnen  erfüllt  ist).  Alle  6  Briefe  gehören  der  valerianischen  Ver- 
folgung an.  Die  ep.  76  ist  an  die  in  den  Bergwerken  schmach- 
tenden Bekenner  Numidiens  gegen  Ende  267  verfaßt;  denn  das 
1.  Reskript  Valerians,  welches  die  Voraussetzung  bildet,  wird  am 
sichersten  Anfang  August  angesetzt  ^;  am  30.  August  ist  Cyprian 
verbannt  worden  (s.  seine  Akten)  *;  als  er  den  Brief  schrieb,  war 
^tv  bereits  im  Exil.  Die  epp.  77—79  sind  die  Antwoitschreiben  3. 
Die  epp.  80  u.  81  setzen  das  2.  Reskript,  welches  Ende  Juli  oder 
Anfang  August  258  erlassen  wurde,  voraus.  Die  ep.  80  teilt  die 
Hinrichtung  des  Sixtus  von  Rom  als  am  6.  August  und  soeben 
erfolgt  mit*  und  ist  noch  vor  dem  Eintreffen  des  Reskripts  in 
Karthago,  also  Mitte  August  258  verfaßt.  Die  ep.  81  ist  kurz 
vor  dem  Martyrium  Cyprians,  das  am  14.  Sept.  258  erfolgte,  ge- 
schrieben \ 


1)  S.  Texte  u.  Unters.  Bd.  13  H.  1  S.  6. 

2)  Acta  1:  „Imperatore  Valeriano  quartum  et  Gallieno  tertium  coss.  tertio 
Kai.  Sept." 

H)  Ep.  77,  1  ist  besonders  interessant,  weil  es  zeigt,  daß  die  Briefe  Cy- 
prians bereits  als  Erbauungsschriften  in  Afrika  kursierten. 

4)  Ep.  80,  1 :  „Xistura  autem  in  cimiterio  aniniadversuni  sciatis  Vllf.  id. 
August,  die  et  cum  eo  diacones  quattuor". 

j)  ¥,{}.  81 :  „Cum  i)erlatura  ad  nos  fuisset,  commentarios  esse  missos  qui 
111«'  Üticam  perducerent  et  consilio  carissimorum  persuasum  esset  ut  de  hortis 
iiiterim  secederem,  iusta  interveniente  causa  consensi,  eo  quod  congruat  epi- 
sropum  in  ea  civitate  in  qua  ccclesiae  dominicae  praeest  illic  dominum  con- 
ti t^M'i^'.  8.  auch  das  Folgende.  —  —  Es  wurde  bereits  oben  S.  333.  34U  be- 
in»*rkt,  daß  sich  aus  der  Briefsammlung  Cyprians  vier  Schriftstücke  ergeben,  die 
in  die  vorcyprianische  Zeit  fallen  (s.  Texte  u.  Unters.  Bd.  23  H.  2  S.  3  f.  6. 
IS — 20),  nämlich  (1)  -\-  (2)  je  ein  Schreiben  des  römischen  Bischofs  Fabian  und 
dos  karthaginiensischen  Bischofs  Donatus  in  Sachen  des  Häretikers  Privatus 
von  Lanibese.  S.  ep.  59,  10  (Cypr.  ad  Cornel.):  „Privatus  vetus  haereticus  in 
Liimbesitana  colonia  ante  multos  fere  annos  ob  nmlta  et  gravia  delicta  XC 
e]>iscoponim  sententia  condemnatus,  antecessorum  etiam  nostronim  .  .  .  . 
Fabiani  et  Donati  litteris  severissime  notatus".  Näheres  ist  nicht  bekannt,  aber 
die  Verurteilung  nmß  in  die  vierziger  Jahre  fallen,  und  die  Nachricht  ist 
deshalb  wertvoll,  weil  sie  zeigt,  daß  der  enge  Verkehr  des  römischen  und  kar- 
tliaginiensischen  Bischofs  schon  vor  der  Zeit  Cyprians  bestanden  und  Rom  be- 
n'its  damals  von  einem  afrikanischen  Häretiker  Notiz  genommen  hat.  (3)  Das 
Dekret  der  unter  Agrippinus  von  Karthago  gehaltenen  Synode  über  die  Ketzer- 


362  ^®  Litteraiur  des  Abendlandes. 


3.  Chronologie  der  Libelli. 

Ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel  f&r  die  Chronologie  der  Libelli 
besitzen  wir  in  der  Vita  Cypriani  des  Pontius;  denn  Bettber; 
(Cyprianus,  Göttingen  1831,  S.  212)  und  Götz  (a.  a.  O.  &  3ifL) 
haben  nachgewiesen,  daß  Pontius  in  c  7  einem  Verzeichnis  der 
Libelli,  das  ihm  vorlag,  Schritt  für  Schritt  folgt,  daß  dieses  Ver- 
zeichnis in  seiner  Ordnung  fibereinstimmt,  ja  sich  deckt  mit  der 
Beihenfolge,  wie  sie  in  alten  Handschriften  gegeben  ist  \  und  daS 
(s.  Götz  S.  41  f.,  auch  Monceaux  u.  Bardenhewer,  übrigens 
kommt  schon  Pamelius  auf  dieselbe  Ordnung 2)  die  Reihenfolge 
eine  chronologische  ist  Alles  das  hat  y.  Soden  in  neuer  Unter- 
suchung mit  umfassenderem  Mjateriale  (S.  52  ff.  196  ff.)  noch  sicherer 
begründet.  Er  hat  m.  E.  auch  wahrscheinlich  gemacht,  daß  die 
Sätze  in  der  Vita:  „Quis  martyres  tantos  exhortatione  divini  ser- 
monis  erigerat?  quis  denique  tot  confessores  frontium  notatamm 
secunda  inscriptione  signatos  et  ad  exemplum  martyrii  superstites 
reseiTatos  incentivo  tubae  caelestis  animaret?'',  sich  auf  die  epp.  10. 
28.  37.  11.  38.  39  (vielleicht  auch  ep.  6)  beziehen,  die  wohl  zu  einem 
libellus  zusamraengeordnet  waren ^ 


taufe.  S.  cp.  71,  4:  „Quod  qiiidem  [die  Ungültigkeit  der  Ketzertaufe]  et 
Agrippinus  bonae  mcnioriae  vir  cum  ceteris  coepiscopis  suis  qui  illo  tempore 
in  provincia  Africa  et  Nuniidia  [Mauretania  fehlt]  ecclesiam  domini  gubema* 
bant  statuit^S  dazu  cp.  73,3:  „Anni  sunt  iam  multi  et  longa  aetas,  ex  quo 
ßub  Agrippino  bouao  niemoriae  viro  convenicnt^js  in  unum  episcopi  plurimi  hoc 
statuerunt  [seil,  die  Ungültigkeit  der  Ketzertaufe]  atque  exinde  in  hodiemum 
tot  milia  haereticorum  in  inovinciis  noßtris  ad  ecclesiam  conversi  . . .  rationa- 
biliter  et  libentcr  amplexi  sunt,  ut  . . .  baptismi  gratiam  consequerentur".  Nach 
Augustin  (De  unico  bapt.  13  [22])  waren  es  70  Bischöfe.  Die  Zeit  der  Sjnod« 
läßt  sich  nur  nach  dem  Ausdruck  „anni  iam  multi  et  longa  actas'*  bestimmen; 
über  c.  225  wird  man  nicht  lieruntergehen  dürfen.  (4)  Da«  Dekret  einer  afrikani- 
schen Synode,  welches  verbot,  daß  Kleriker  testamentarisch  zu  Kuratoren  ein- 
gesetzt werden  (s.  ep.  1,  1.  _:  „iam  pridem  in  concilio  episcoporum  statatum 
est",  „episcopi  antec^ssores  nostri  censuenint",  „contra  formam  nuper  in  con- 
cilio a  sacerdotibus  datam").  „Nuper**  und  „iam  pridem"  bedeuten  hier  das- 
selbe! In  ei>.  07,  f)  hat  Cyprian  „iam  pridem"  für  ein  Ereignis  gebraucht,  da» 
nur  3 — 4  Jahre  zurücklag.  Auch  diese  Synode  wird  den  vierziger  Jahren 
angehören. 

1)  Anders  das  Verzeichnis  von  Cheltenham. 

2)  Die  Reilienfolge  (Hartel)  1,  II,  III,  IV,  V,  Vi,  XI,  X,  VIII,  VIT,  XII. 
XIII,  IX  hat  Benson  (1.  c.  p.  XXI f.)  zu  erweisen  versucht,  aber  ohne  sich 
das  Gewicht  der  Cborliefenmg  klar  zu  macheu  und  ohne  hinreichende  Be- 
gründung. 

3)  Die  überliefe mngsgeschichte  macht  das  wahrscheinlich  (auch  Hauti- 
leiter  urteilt  so  i.  Ilieol.  Litt.-Blatt  1804  Nr.  41);  aber  volle  Zuversicht  kann 


Cyprian  und  PBeudocyprianischeB.  353 

Schwierigkeiten  macht  die  Reihenfolge  und  genauere  Datierung 
der  Briefe  55—61.  64.  Eitschl  (dem  Soden  folgt)  ordnet  55,  64, 
59,  56,  57,  58,  60,  61.  Nelke  setzt  60  und  64  noch  vor  49—54 
und  ordnet  dann  55,  56,  57,  59,  58,  6P. 

Zunächst  ist  der  Versuch  Nelkes,  den  60.  Brief,  der  bisher 
allgemein  als  letzter  Brief  Cyprians  an  Cornelius  galt,  an  den  An- 
fang der  Regierung  des  Cornelius  zu  stellen  (etwa  Mitte  Juli  251), 
abzulehnen.  Der  Brief  gratuliert  dem  Cornelius  zur  Ehi*e  einer 
Verfolgung.  Nelke  konstruiert  nun  aus  ep.  55,  9  (wo  nur  Rheto- 
risches steht),  der  pseudocyprianischen  Schrift  Ad  Novatianum  (die 
er  ohne  haltbare  Gründe  hierher  verlegt)  und  unserem  Brief  eine 
zweite  Verfolgung  des  Decius  im  Sommer  251.  Da  die  erstge- 
nannten Stellen  nicht  beweiskräftig  sind,  so  schwebt  diese  zweite 
Verfolgung  des  Decius,  die  den  Cornelius  3—4  Monate  nach  seinem 
Begierungsantritte  betroffen  haben  soll,  in  der  Luft.  Es  bleibt 
dabei,  daß  die  in  dem  Brief  vorausgesetzte  Verfolgung  die  des 
Gallus  ist 

Daß  der  Brief  04  heraufzusetzen  ist,  darüber  sind  Ritschi 
und  Nelke  mit  Recht  einig;  aber  sie  differieren  darin,  daß  jener 
die  ep.  55  voranstellt,  dieser  die  ep.  64  noch  vor  ep.  55  ansetzt. 
Daß  der  Brief  von  einer  großen  Synode  (66  Bischöfe)  herrührt, 
sagt  er  selbst  in  der  Aufschrift.  Daß  solche  Synoden  in  Karthago 
in  der  Regel  nur  bald  nach  Ostern  stattfanden,  lehren  die  Stellen 
ep.  47,  3;  56,  3;  59,  10.  Von  einer  Herbstsynode  (vor  jener  Synode, 
auf  der  die  87  Bischöfe  tagten)  wissen  wir  schlechterdings  nichts, 
und  daß  zwischen  der  ep.  59,  10  vorausgesetzten  Synode,  die  aus- 
drücklich als  Mai-Synode  bezeichnet  ist,  und  der  Maisynode  von 
251  noch  eine  andere  in  Karthago  getagt  hat,  ist  uns  unbekannt. 
Der  Annahme  Nelkes  ist  also  nicht  beizupflichten,  daß  die  Synode 
der  66  Bischöfe,  von  der  der  64.  Brief  stammt,  im  Herbst  251  ge- 
halten sei*^,  vielmehr  ist  er  eben  auf  die  Maisynode  252  zu  ver- 
bogen ^.  Ist  dem  aber  so,  so  ist  ep.  55  vor  ep.  64  geschrieben;  denn 

1)  Die  größten  Schwierigkeiten,  bez.  Verwirrungen,  sind  erst  durch  Nelke 
licrvorge  rufen. 

2)  Wirkliche  Gründe  für  diesen  Ansatz  habe  ich  bei  Nelke  nicht  ge- 
funden; auch  er  hängt  übrigtjns  zusammen  mit  seiner  Annahme  einer  zweiten 
Verfolgung  unter  Decius  im  Juli  251. 

o)  Auf  die  Synode  eines  späteren  Jahres  kann  er  aber  auch  nicht  fallen, 
<lii  die  Worte  in  c.  1  nur  auf  eine  Synode  (und  zwar  die  von  251)  zurück- 
}»licken.  In  oder  nach  dem  J.  253  hätte  Cyprian  nicht  mehr  so  relativ  streng 
si-hreiben  können:  „quae  res  nos  satis  movit,  recessum  esse  a  decreti  nostri 
iiuctoritate,  ut  ante  legitimum  et  plenum  tempus  satisfactionis  et  sine  petitu 
(ti  conscientia  plebis  nulla  infirmitate  urgente  ac  necessitate  cogente  pax  ei  con- 
cederetur^'. 

Harnack,  Altchristi.  Litte ratnrgesch.  II,  2.  23 


364  ^^6  Litteratur  des  AbendlaDdes. 

Cyprian  hier  nicht  nur  als  Kleriker,  sondern  als  Bischof  spricht 
Genauere  Zeitspuren  fehlen;  aber  in  keiner  anderen  Schrift  scheint 
er  als  christlicher  Stilist  dem  Tertullian  so  nahe  zu  stehen.  Der 
Anfang  liest  sich  wie  der  Anfang  einer  Tertullian  -  Schrift.  Ver- 
folgungen werden  nicht  erwähnt.  Auch  hier  läßt  sich  sagen,  daß 
Cyprian  seinen  Kirchenstil  noch  nicht  gewonnen  hat.  Also  recht- 
fertigt sich  die  Stelle,  die  Pontius  der  Schrift  angewiesen  hat  Sie 
ist  wahrscheinlich  im  ersten  Jahr  des  Episkopats  Cyprians,  also 
i.  J.  249,  verfaßt  (so  auch  Monceaux  und  Bardenhewer). 

(3)  De  lapsis  und  (4)  De  unitate  ecclesiae.  In  dieser 
Reihenfolge  hat  Cyprian  selbst  in  dem  in  der  2.  Hälfte  d.  J.  251 
(s.  0.  S.  356)  verfaßten  54.  Brief  die  beiden  Schriften  aufgezählt 
Er  schreibt  den  römischen  Konfessoren  (c.  4):  „Quae  omnia  peni- 
tus  potestis  inspicere  lectis  libellis,  quos  hie  nuper  legeram  et 
ad  vos  quoque  legendos  pro  communi  dilectione  transmiseram,  ubi 
lapsis  nee  censura  deest,  quae  increpet,  nee  medicina,  quae  sanet 
sed  et  catholicae  ecclesiae  unitatem  quantum  potuit  expressit 
nostra  mediocritas".  Die  beiden  Schriften  sind  also  im  Laufe  der 
2.  Hälfte  d.  J.  251  nach  Rom  gesandt  Ausgearbeitet  aber  sind  sie, 
wenn  nicht  alles  trügt,  bereits  in  der  allerletzten  Zeit  des  frei- 
willigen Exils  Cyprians,  unmittelbar  nach  Wiederherstellung  des 
Friedens  und  unter  dem  Eindruck  des  Schisma  des  Felicissimus 
(nicht  unter  dem  des  Schisma  des  Novatian),  aber  noch  vor  dem 
Maikonzil  des  J.  2')!.  Für  De  unitate  hat  das  Chapman  (s.  o. 
S.  335)  sehr  wahrscheinlich  gemacht;  für  De  lapsis  läßt  sich  nicht 
derselbe  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  erbringen  K  Aber  warum 
ist  das  Maikonzil  nicht  erwähnt?  Diese  beiden  Schriften  waren 
es,  mit  denen  sich  Cyprian  gerüstet  hat,  als  er  die  gefährliche 
Rückkehr  in  seine  Gemeinde  antrat  \  Als  er  dann  De  unitate  nach  Rom 
sandte,  hatte  sich  die  Situation  sehr  wesentlich  verändei-t  Es  war 
inzwischen  das  Schisma  Novatians  eingetreten.  Mit  Rücksicht  auf 
dasselbe  hat  er  —  nach  der  einleuchtenden  Untersuchung  Chap- 
man s  —  die  Schrift  De  unitate  etwas  redigiert  und  namentlich 
die  berühmte  „Interpolation"  in  c  4  eingefügt.  De  unitate  mag 
in  ihrer  ersten  Gestalt  etwas  früher  als  De  lapsis  sein  (entscheiden 
läßt  sich  nicht);  in  der  zweiten  (endgiltigen)  folgt  sie  ihr  nach. 


1)  Zum  Texte  (c.  24)  s.  Mercati,  D'alcunl  miovi  sussidi  etc.,  Rom  1899, 
p.  30  f.  —  Auf  einer  jetzt  im  Lateran  befindlichen  hißchrifb  findet  man  je  einen 
Satz  aus  De  lapsis  c.  3  und  c.  16,  s.  de  Rossi  bei  Fitra,  Spie.  Solesm.  IV 
p.  530  und  Haupt,  Monatsberichte  der  Preuß.  Akad.  d.  W.  1805  S.  79ff. 

2)  De  lapsis  mag  eine  der  ersten  großen  Fredigten  gewesen  sein,  die  er 
in  Karthago  wieder  gehalten  hat. 


Gyprian  und  PBeudoGyprianisclies.  355 

Koozils  V.  253  (Mai)  —  nach  Nelke  vom  Mai  252,  da  er  ep.  64 
auf  ein  supponiertes  Herbstkonzil  verlegt  und  das  „triennium'' 
mißdeutet  (s.  o.).  Diese  ep.  57  ist  also  kurz  nach  56  geschrieben. 
Die  Synode  nahm  die  im  J.  251  von  ihr  behandelte  Lapsi-Frage 
wieder  auf  und  entschied  nun  im  Angesicht  der  heraufziehenden 
Verfolgung  durch  Gallus,  daß  nicht  nur  den  todkranken  Gefallenen, 
sondern  überhaupt  allen,  die  bisher  Buße  getan,  die  Wiederauf- 
nahme zu  gewähren  sei.  Diesen  Beschluß  zeigte  sie  dem  Cornelius 
an  und  bat  um  Beitritt 

Die  ep.  5S  (ad  Thibaritanos)  ist  unmittelbar  darauf  geschrieben, 
denn  auch  sie  sieht  die  Verfolgung  des  Gallus  heraufziehen  (c.  1  fif.). 
Nun  folgt  der  60.  Brief  (ad  Cornelium),  aus  welchem  hervorgeht, 
«laß  die  Verfolgung  in  Rom  wirklich  begonnen  hat  und  Cornelius 
von  ihr  getroffen  (verbannt)  worden  ist.  Nach  der  (wahrschein- 
lichen) römischen  Bischofs-Chronologie  war  das  im  Juni  253  ge- 
schehen. In  diese  Zeit  fällt  also  auch  der  Brief,  bez.  in  den  Juli 
253.  Die  Verbannung  und  schnelle  Rückkehr  des  Lucius  von  Rom 
veranlaßte  den  Cyprian  zu  einem  Gratulationsschreiben  (ep.  61),  das 
also  in  den  Herbst  253  fallen  muß.  Die  Ritschlsche  Ordnungkund 
chronologische  Ansetzung  der  Briefe  hat  sich  hier  durchweg 
bewährt. 

In  das  Jahr  254  gehört  das  peinliche  Rechtfertigungsschreiben 
des  Cyprian  (ep.  66);  denn  nach  c.  5  ist  Cyprian  sechs  Jahre 
Bischof  Nach  ep.  59,  6  (geschrieben  im  Sommer  252)  ist  Cyprian 
..plebi  suae  in  episcopatu  quadriennio  iam  probatus".  Cyprian  ist 
also  um  den  Anfang  des  J.  249  Bischof  geworden.  Also  konnte 
er  im  J.  254  ironisch  sagen:  „ecce  iam  sex  annis  nee  fraternitas 
habuit  episcopum". 

Resultate  der  Untersuchung:^ 

Pearson-Hartel.  Ritschi,  Soden,  Harnack. 

44  40 

45  41   f 

46  42  l 

47  43  l  Soden  ordnet  41.  43.  42. 
4S  44 

49  45 

50  46 

51  49 

52  48 

1)  Ich  sehe  hier  von  Nelke  ab;   die  nicht  geringen  Abweichungen  sind 
an  ihren  Stellen  verzeichnet  worden. 

9Q* 


356  ^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

Pearson-Hartel.    Eitschl,  Soden,  Harnack. 

53  47  gehört  enge  mit  ep.  49  (=  45)  o. 

ep.  50  (=  46)  zusammen. 

54  50  gehört  enge  mit  ep.  52  (=  4S)  il 

ep.  51  (=»  49)  zusammen. 

55  51 

56  54 

57  55 

58  56 

59  53 

60  57 

61  58 
64  52 
66  59 

Ep.  44  ist  gleich  nach  dem  15.  Mai  251  abgefaßt. 
Kp.  45—47  wenige  Tage  später. 
Kp.  4S  Ende  Mai  oder  wahrscheinlicher  Juni  251. 
Ep.  49.  50.  53  und  die  Antworten  ep.  52.  51.  54  gehören  in  die 
zweite  Hälfte  des  J.  251. 

Ep.  55  Herbst  251  oder  Winter  251/2. 

Ep.  64  Mai  252. 

Ep.  59  walirscheinlich  Sommer  252. 

Ep.  56  unmittelbar  vor  Ostern  253. 

Ep.  57  Mai  253. 

Ep.  58  sehr  bald  nach  Mai  253. 

Ep.  60  Juni  oder  Juli  253. 

Ep.  61  Herbst  25:i. 

F:p.  66  im  .lahre  254. 

4.  Die  Briefe  68—75  und  die  Sentent  LXXXVII  epi- 
scoporum. 

Kein  Streit  besteht  darüber,  daß  ep.  68  (Brief  an  Stephanus 
über  Marcian  von  Ärles)  das  erste  Schreiben  des  Cyprian  au 
Stephanus  ist  und  daß  er  es  vor  dem  Ausbruch  des  Eetzertauf- 
streits  abgefaßt  hat,  also  noch  i.  J.  254.  Dagegen  ist  die  Reihen- 
folge und  das  I  )atum  der  folgenden  sieben  Schreiben  und  der  Sen- 
tent. kontrovers. 

Ritschi:  69  [i.  J.  255].  70  [Frühjalirskonzil  v.  255].  71  [bald 
darauf].  73  [bald  nach  dem  Frühjahrskonzil  v.  J.  256].  Sentent. 
episc.  [September-Konzil  256].  72  [Schreiben  desselben  Konzils  an 
Stephanus].    74.  75  [beide  Briefe  bald  darauf  noch  i.  J.  256]. 

Nelke:  70  [Frühlingssynode  254].  71  [Ende  Juli  oder  Anfang 
August  254].    72  [etwa  Sept.  254].  73  [um  Neujahr  254/5].  74  [etwa 


Cyprian  und  PseudoGyprianisches.  367 

(c.  11)  liest  man:  „Quid  sacerdos  dei  proconsule  inten'ogante  re- 
sponderit,  sunt  acta  quae  referant"^  Zur  Überlieferung  der  Acta 
s.  Soden  S.  232f. 

In  bezug  auf  die  „Vita  Caecilii  Cypriani"  —  in  den  Mss.  fehlt, 
soviel  ich  sehe,  der  Name  des  Pontius  —  liest  man  bei  Hieronymus 
(de  vir.  inl.  68):  „Pontius,  diaconus  Cypriani,  usque  ad  diem  passionis 
eins  cum  ipso  exilium  sustinens  egregium  volumen  vitae  et  passionis 
Cypriani  reliquit*'.  Wir  kennen  die  Quelle  des  Hieronymus  nicht 
(doch  s.  c.  53),  aber  wir  haben  weder  Grund,  seiner  Angabe  zu 
mißtrauen,  noch  das  uns  erhaltene  Werk  von  dem,  welches  er  im 
Auge  hatte,  zu  unterscheiden *.  Die  Schrift,  obgleich  ein  Pane- 
gyrikus  im  schlechten  Stil  des  Zeitalters,  ist  für  die  Biographie 
Cyprians  von  höchstem  Werte  und  überall  in  historischen  Dingen, 
soweit  wir  sie  zu  kontrollieren  vermögen,  zuverlässig^  Sie  zerfällt 
in  die  beiden  Teile  „das  Leben"  und  „die  Passio".  Die  Beschreibung 
bei  Hieronymus  ist  also  ganz  korrekt  Man  kann  nicht  sagen,  daß 
nur  ein  Augenzeuge  die  Schrift  schreiben  konnte,  aber  ein  dritter  hätte 
die  Maske  eines  solchen  unglaublich  geschickt  angenommen,  und 
nichts  steht  in  ihr,  was  gegen  den  Diakon  und  Augenzeugen  spricht. 
Also  ist  sie  wirklich,  wie  H.  mitteilt,  von  einem  Diakon  Cyprians. 
Wie  bedauerlich  ist  es,  daß  er  uns  nicht  mehr  erzählt,  daß  der 
Panegyriker  den  Biographen  unterdrückt  hat!  Ge.schrieben  ist  die 
„Vita"  jedenfalls  sehr  bald  nach  dem  Tode  Cyprians,  da  sie  von 
der  Redaktion  der  „Acta"  keinen  Gebrauch  gemacht  hat.  Man 
wird  sie  um  das  J.  259  ansetzen  dürfen  (so  auch  Monceaux, 
1.  c.  p.  190fF.,  und  Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  634,  der  aber  irr- 
tümlich annimmt,  in  der  „Vita"  seien  die  uns  erhaltenen  „Acta" 
benutzt). 

5.  Die  Hauptdaten  des  Lebens  des  Cyprian. 

Caecilius  Cyprianus  „qui  et  Thascius"  ist  etwa  zwischen  dem 
J.  210  und  215  geboren.  (Er  hat  schlechterdings  keinen  lebendigen 
Zusammenhang  mit  der  tertuUianischen  Zeit  gehabt.  Etwas  davon 
müßte  man  doch  spüren,  auch  wenn  er  sie  als  Heide  durchlebt 
hätte.    Umgekehrt  sagt  die  „Vita"  nicht,  daß  er  noch  jung  war, 

1)  Doch  ist  daiuit  nicht  die  uns  überlieferte  Redaktion  der  Akten  ge- 
meint, 8.  Monceaux  p.  196. 

2)  Soden  (S.  232)  macht  es  wahrscheinlich,  daß  man  die  „Vita"  um  die 
Mitte  des  4,  Jahrhunderts  in  Rom  dem  Corpus  Cypr.  beigegeben  hat.  Sie  findet 
sich  schon  in  dem  Verzeichnis  von  Cheltenham. 

3)  Die  kleinen  Differenzen  mit  den  „Acta"  bestätigen  nur  den  Wert  beider 
S'chriften  und  erhöhen  die  Sicherheit  der  Schilderung  der  Passio  Cyprians. 


36S  ^3  Litteratur  des  Abendlandes. 

als  er  starb;  sie  sagt  aber  auch  nicht,  daß  er  alt  war.  Er  war 
also  „ini  besten  Mannesalter^'.  Aus  der  Schrift  Ad  Donatnm,  die 
bald  nach  der  Bekehrung  verfaßt  ist,  geht  hervor  [s.  den  echten 
Anfang,  gewöhnlich  epistula  falsata  I  genannt],  daß  er  noch  eben 
„apud  oratorem"  gewesen  ist,  also  um  d.  J.  246  ein  junger  Mann 
war).  Er  war  begütert,  gehörte  aber  nicht  dem  vornehmen  Stande 
an.    Laufbahn  des  Ehetors. 

Um  d.  J.  246  getauft  ^  bald  darauf  Presbyter,  Ende  248  oder 
Anfang  249  Bischof.  (Von  letzterem  Datum  ist  auszugehen;  denn 
es  steht  nach  ep.  59,  6  fest^;  als  Bischof  im  J.  248/9  war  er  aber 
noch  „neophytus  et  ut  putabatur  novellus"  [Vita  5];  mithin  ist  er  nur 
kurze  Zeit  getaufter  Laie  und  nur  kurze  Zeit  Presbyter  gewesen; 
doch  s.  Vita  3:  „multa  sunt  quae  adhuc  plebeius,  multa  quae  iam 
Presbyter  fecerit".  Ein  Jahr  etwa  für  die  Zeit  als  Laie  und  ein 
Jahr  für  die  als  Presbyter  wird  man  höchstens  ofifen  lassen  dürfen. 
Die  Wahl  zum  Bischof  geschah  nicht  ohne  Widerspruch  und  Murren 
solcher,  die  sich  übergangen  glaubten). 

Von  Jan./Febr.  250  bis  April/Mai  251  war  Cyprian  während 
der  Verfolgung  des  Decius  im  Exil  (s.  d.  Briefe).  Weitere  Daten 
s.  oben  (Briefsammlung  und  Libelli). 

Sommer  252  bis  Sommer  253  Verfolgungen  des  Gallns. 

Ruhigere  Zeiten  seit  der  Thronbesteigung  des  Valerian  und 
Gallienus  (Okt.  253). 

Im  J.  255  Ausbruch  des  Ketzei-taufstreits. 

Herbst  256  Bruch  mit  Stephanus. 

August  257  erstes  Reskript  des  Valerian. 

30.  August  257  Cyprian  wurde  von  dem  Prokonsul  Paternus 
nach  Curubis  verbannt  (Acta  Cypr.). 

Ende  Juli  oder  Anfang  August  258  zweites  Reskript  des 
Valerian. 

14.  Sept.  258  Enthauptung  Cyprians  (Acta  Cypr.). 

6.  Die  dem  Cyprian  fälschlich  beigelegten,  noch  aus  der 
vornicänischen  Zeit  stammenden  Schriften. 

Aus  der  großen  Anzalil  der  pseudocyprianischen  Schriften, 
deren  Überlieferungsgeschichte  in  den  Mss.  jüngst  Soden  (a,  a.  0. 
S.  204  ff.)  sorgfältig  untersucht  hat,  scheiden  für  uns  diejenigen  hier 

1)  Einfluß  eines  J*n'sbyterri  Ciieeilianus  (Ciieciliiis)  auf  ihn  (Vita  4;  Hieron., 
De  vir.  inl.  07). 

2)  Jedenfalls     war    Cyi>rian    ;^chon    zu    Oi^tern    240    Bischof;     dies    folgt 


Cyprian  und  Pseadocyprianisches.  35g 

aas,  deren  nachnicänischer  Ursprung  sicher  ist  und  m.  W.  von 
niemand  bezweifelt  wird.  Es  sind  das  die  Schriften:  De  singu- 
laritate  clericoruni\  De  duodecim  abusivis  saeculi^,  De  duplici 
raartyrio^  „Caena'*,  zwei  Orationes*,  der  zweite  falsche  Brief*,  der 
dritte  falsche  Briefe  der  vierte  falsche  Briefe  und  sechs  Gedichte^. 
Noch  spätere  Produkte  unter  Cyprians  Namen  übergehe  ich,  auch 
die  zum  „Magier  Cyprian"  gehörigen  Schriften.  Dieser  Magier  von 
Antiochien  ist  eine  Figur  des  4.  Jahrhunderts,  die  mit  unserem 
Cyprian  allerdings  sehr  frühe  kombiniert  worden  ist^. 


1)  S.  über  sie  meine  Abhandlung  in  den  Texten  und  Unters.  Bd.  24 
H.  3,  1908. 

2)  Nach  einer  gütigen  Mitteilung  taucht  die  Schrift  nicht  zuerst  bei 
Hincmar,  sondern  schon  etwas  früher  auf  der  Pariser  Synode  von  829  (Mansi 
Bd.  14  p.  565 f.)  und  bei  Jonas  von  Orleans  (Migne  Bd.  105  Kol.  288 f.)  L  J. 
829  bez.  834  auf. 

3)  Die  Schrift  ist  eine  Fälschung  von  Erasnius,  s.  Lezius  in  den  Neuen 
.Jahrbb.  f.  deutsche  Theol.  Bd.  4,  1895,  S.  95ffl 

4)  Über  diese  drei  Schriften  s.  meine  Abhandlung  in  den  Texten  und 
Unters.  Bd.  19,  H.  3,  1899,  und  Michel,  Gebet  und  Bild  in  frühchristl.  Zeit, 
1902,  S.  2 ff.  Michel  macht  gute  Gründe  dafür  geltend,  daß  die  Gebete  (Exorzis- 
mus-Gebfitc)  —  hat  Fell  wirklich  ein  genau  mit  ihnen  übereinstimmendes, 
griechisches  Original  gesehen?  s.  Zahn,  Cyprian  von  Antiochien,  1882,  S.  127 
—  einen  alten  Kern  haben.  Das  ist  a  priori  wahrscheinlich,  um  nicht  zu  sagen 
j^ewiß.  Wilpert  (Die  Malereien  der  Katakomben  Roms,  1903,  S.  146)  will  die 
(Tieb(ite  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  bis  in  oder  an  die  Verfolgungszeit 
nicken.  Unmöglich  ist  auch  das  nicht,  aber  die  Momente,  die  Wilpert  geltend 
macht,  beweisen  es  nicht. 

5)  Hartel  III  p.  272.  Diese  dreiste  Fälschung,  in  der  der  Bischof  Cor- 
neliuri  (!)  den  Cyprian  auffordert,  seine  Schriften  gegen  die  Ketzeriaufe  zu  ver- 
dammen, zu  vertilgen  und  durch  eine  neue  orthodoxe  Schrift  zu  ersetzen,  kann 
unmöglich  alt  sein. 

6)  Ep.  Cy[)r.  ad  plebem  Carthag.  Der  Brief  ist  von  einem  Donatisten  des 
4.  Jahrhunderts  und  nicht  uninteressant,  s.  Mercati  in  den  lombardischen 
K^ndiconti  Ser.  2,  Bd.  32,  1890,  Separatabzug. 

7)  Ep.  ad  Turasium ;  der  Brief  ist  schon  deshalb  verdächtig,  weil  er  auch 
dem  Hieronymus  beigelegt  wird.  Heiden  waren  noch  vorhanden,  als  er  ge- 
schrieben wurde  (s.  Ilartel  III  p.  280),  aber  Spuren,  daß  (ir  vornicänisch  ist, 
finden  sich  nicht. 

8)  Daß  sie  sämtlich  mit  Cyi)rian  nichts  zu  tun  haben,  steht  fest;  z.  T.  sind 
öie  auch  dem  Tertullian  beigelegt.  In  die  vomicänische  Zeit  gehören  sie  nicht. 
Vgl.  auch  Best,  De  Cypriani  quae  fenmtur  metris  in  Heptateuchum,  Mar- 
burg, 1802. 

9)  S.  Zahn,  Cyprian  v.  Antioch.  und  die  deutsche  Faustsage,  1882.  — 
„Confessio  Cypr."  bez.  „Faenitentia  Cy])r."  gibt  es  in  vielen  Sprachen.  Eine 
äthiopische  hat  Basset  mit  französischer  Übersetzung  ediert  (Les  Apocr. 
^thiop.,  Paris,  1893ff.,  fasc.  0).    Vgl.  auch  Soden  S.  229. 

Harnack,  Altcbristl.  Litteraturgesch.  II,  2.  24 


870  ^^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

Es  bleiben  somit  für  die  Untersuchung  übrig  die  1 3  Schriften  * : 

De  trinitate, 

De  spectaculis, 

De  bono  pudicitiae, 

Adversus  Judaeos, 

De  laude  martyrii, 

Quod  idola  dii  non  siiit, 

Ad  aleatores, 

De  pascha  computus, 

De  montibus  Sina  et  Sion, 

Exhoilatio  de  paenitentia, 

Ad  Novatianum, 

Ad  Vigilium  episcopum  de  Judaica  incredulitate, 

De  rebaptismate. 
Von  diesen  13  Schriften  werden  aber  die  ersten  sechs  zweck- 
mäßiger bei  Novatian  behandelt;  denn  die  erste  ist  sicher  von 
ihm,  und  die  folgenden  fünf  sind  sämtlich  für  ihn  in  Anspruch 
genommen  worden.  Somit  haben  wir  hier  nur  die  sieben  Schriften 
Adaleat,  De  pascha,  De  montibus,  Exhort  de  paenitentia,  Ad  Novat, 
Ad  Vigilium  und  De  rebapt.  zu  behandeln. 

a)  Ad  aleatores. 

Im  J.  1888  habe  ich  zu  zeigen  versucht,  daß  diese  Schrift  dem 
römischen  Bischof  Victor  (189—199)  gehöi-t^.  Diese  Hypothese  hat 
eine  außerordentlich  umfangreiche  Litteratur  hervorgerufen^.   Nur 


1)  Daß  auch  Rufius  Expositio  de  symbolo  in  die  Cyprian-Oberlieferung 
eingedrungen  ist,  sei  nur  angemerkt;   s.  Soden  S.  229. 

2)  Von  ihm  sagt  Hieronyraus  (De  vir.  inl.  34):  „Victor,  XIII.  Romanae 
urbis  episcopus,  super  quaestione  paschae  et  alia  quaedam  scribens  oput- 
cula  etc.";  (c.  53):  „Tertullianus  presbyter  nunc  demum  primus  post  Victoreiii 
et  Apollonium  Latirorum  ponitur".  (Chron.  ad  aun.  Pertin.  imp.  I  -^  2209  Abr.): 
„Victor  ann.  X,  cui US  mediocria  de  religioue  extant  volumina".  Merk- 
würdig ist,  daß  Victor  in  der  Aufzählung  ep.  70  (ad  Magnum),  die  sp&ter  als 
der  Katalog  verfaßt  ist,  fehlt. 

3)S.  Harnack,  Der  pseudocypr.  Traktat  De  aleatoribus,  die  älteste 
lateinische  christliche  Schrift:  ein  Werk  des  römischen  Bischöfe  Victor  1, 
i.  d.  Text<3n  u.  Unters.  A^,  1  (1H88).  Neue  (mit  einem  Kommentar  versehene) 
Ausgaben  infolge  dieser  Schrift  von  Miodonski  1889,  Hilgenfeld  1889,  den 
Mitgliedern  des  Löwener  Kirchenhist.  Seminars  (Etüde  critique  sur  ropusc  De 
aleatoribus,  Löwen  1801). 

Grjsar  i.  d.  Ztschr.  f.  d.  kathol.  Theol.  laSS  S.  742f.;  Bonwetsch  im 
Theol.  Litt.-Blatt  1889  Nr.  1;  Wölfflin  im  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  V,  3.  4 
S.  487ff.;  Harnack  i.  d.  Theol.  Litt-Ztg.  1889  Nr.  1;  Funk  im  Histor.  Jahrb. 
1889  S.  Iff.,   bereichert  und   verbessert   abgedruckt   in  den  Kirchengesch.  Ab- 


Cyprian  und  Pseudocyprianifiches.  371 

wenige  haben  mir  beigestimmt;  aber  in  der  positiven  Beantwortung 
des  Problems  gehen  die  anderen  weit  auseinander:  Cyprian  ist 
der  Verfasser  (Langen);  die  Schrift  ist  aus  Cyprians  Zeit  und 
zwar  von  dem  aus  Afrika  gebürtigen,  römischen  Konfessor  Cele- 
rinus  (Haußleiter);  die  Schrift  ist  vorcyprianisch  und  römisch 
und  zwar  von  Kaliist  (Mc  Giffert),  nein  von  flippolyt  (Haller); 
die  Schrift  ist  nachcyprianisch  (50—100  JJ.),  aber  sicher  oder 
höchst  wahrscheinlich  römischen  Ursprungs,  d.  h.  von  einem 
römischen  Bischof  (Weyman,  die  Löwen  er,  Miodonski,  San- 
day  [die  beiden  letzteren  weisen  auf  den  Papst  Melchiades],  de 
Rossi,  Woelfflin,  Bardenhewer  u.  a.);  die  Schrift  ist  nach- 
cyprianisch (50—100  Jahre)  und  zwar  aus  einer  unbekannten 
Provinz  —  am  nächsten  liegt  Afrika  — ,  Rom  ist  als  Abfassungs- 
ort eben  nur  möglich  (Funk,  Schanz,  früher  Bardenhewer); 


handl.  und  Unters.  1899  II  S.  209ff.,  derselbe  i.  d.  Tüb.  Theol.  Quartalschr. 
1890  H.  1;  Haußleiter  L  Theol.  Litt.-Blatt  1889  Nr.  5.  6.  25;  derselbe  in 
den  Comment.  Woelffl.  1891  S.  386  flF.  u.  i.  d.  Gott.  Gel.  Anz.  1898  S.  303; 
Langen  im  Deutschen  Merkur  1889  Nr.  5  u.  i.  d.  Histor.  Ztschr.  18S9  H.  3, 
1890  H.  2;  Mc  Giffert  i.  d.  Presb.  Rev.  1889  Jan.;  Lejay  i.  d.  Rev.  crit.  1889 
Nr.  2,  1890  Nr.  47;  Krüger  im  Litt.  Zentr.-Bl.  1888  Nr.  45,  1890  Nr.  3,  i.  d. 
Christi.  Welt"  1889  Nr.  Ü,  i.  d.  Zt«chr.  f.  KGesch.  X  S.  618  u.  in  seiner  Gesch. 
d.  altchristl.  Litt.  1895  S.  188;  Resch,  Agrapha  i.  d.  Texten  u.  Unters.  V,  4 
(1889);  L.  M.  im  Polybiblion  1889  Jan.  8.  37 f.;  Massebieau  i.  d.  Annal.  de 
Bibliogr.  theolog.  1889  Nr.  2;  Zahn,  Gesch.  d.  NTlichen  Kanons  1, 1  (1888)  S.  546. 
Giisqnet  im  London  Tablet  1889  Jan.;  Schaff  im  Independent  1889,  28  Febr.; 
liyder  i.  d.  Dublin  Rev.  1889  Juli  p.  82ff.  (s,  auch  1.  c.  Januar  8.  225);  Chase 
i.  The  clasaic.  Rev.  1889  March;  Sanday  in  The  classical  Rev.  1889  March; 
Ililgenfeld  i.  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  1889  H.  4,  1890  H.  3,  1891  H.  2 
u.  i.  d.  Protest.  KZtg.  1890  Nr.  12;  Jülicher  i.  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1889 
Nr.  13.  20,  1890  Nr.  2;  Bäumer  i.  d.  Litt.  Rundschau  18S9  Nr.  7;  Weyman 
I.  d.  Litt.  Rundschau  1889  Kol.  197 ff.  u.  i.  Hist.  Jahrb.  1891  8.  rj4G,  1893  S.  426; 
V.  Hoensbroech  i.  d.  Ztschr.  f.  d.  kathol.  Theol.  1890  8.  Iff.;  Haller  i.  d. 
Württemb.  Theol.  Stud.  1890  H.  3;  Miodoüski,  Z.  Kritik  der  ältest.  lat. 
Predigt  in  den  Comment.  Woelffl.  1891  8.  371  ff.;  derselbe,  Miscellanea  Lat. 
(Krakau\  1892;  Morin  i.  d.  Rev.  B6n6d.  1891  p.  234ff.;  De  Rossi  im  Bull,  di 
•arch.  crist.  1891  p.  28;  Minasi,  L'opuscolo  „c.  aleat."  scritto  da  un  pontif. 
Rom.  del  11.  sec.  in  La  Civiltü,  ciittolica  Ser.  15,  2  (1892)  p.  4G9ff.;  Supplement 
zur  Löwoner  Ausgabe  (s.  o.j:  Une  lettre  perdue  de  S.  Paul  et  Le  De  aleat.  1893 
(Callewaert  ist  der  Verf.^;  Harnack,  Gesch.  d.  altchristl.  Litt.  I  (1893) 
S.  595f.  719;  Schanz,  Gesch.  der  röm.  Litt.  1896  8.  239f.  335f.;  Corssen, 
Bericht  über  d.  lat.  Bibel  übers,  im  Jahresbericht  der  Alt^rtumswissensch.  1899 
S.  llf.;  Harnack  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  3  {19(X))  8.  112tt*.;  Ehrhard, 
Die  alt<;hri8tl.  Litt,  und  ihre  Erforschung  v.  1884-1900  (1900)  8.  278ff.; 
Bardenhewer  Patrologie,  2.  Aufl.  (1901)  8.  174;  Rauschen,  Grandriß  der 
Patrologie  (1903)  S.  68;  Monceaux,  Hist.  litt,  de  PAfrique  T.  II,  1902,  p.  112. 
Bardenhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  Bd.  2,  1903,  8.  446ft 


» 


372  ^®  Litterator  des  Abendlandes. 

die  Schrift  ist  von  einem  Schüler  Cyprians  in  der  2.  Hälfte  des 
3.  Jahrh.  jn  Afrika  geschrieben  (Monceaux);  die  Schrift  ist  nach- 
cyprianisch  und  von  einem  novatianischen  römischen  Bischof 
(Hilgenfeld);  die  Schrift  ist  nachcyprianisch,  römischen  Ursprungs, 
aber  donatistisch  (Morin).  Für  die  letztere  Ansicht,  daß  der 
Traktat,  wenn  er  nachcyprianisch  ist,  von  einem  Häretiker  stammt, 
hat  sich  auch  Ehrhard  ausgesprochen;  an  dem  römischen  Ur- 
sprung hält  er  wie  Morin  u.  a.  fest 

In  diesem  Stimnjgewirr  treten  doch  drei  Punkte  als  stark 
vertretene  hervor,  der  römische  Ui-sprung  der  Schrift  (d.  h.  die 
Abfassung  durch  einen  römisclien  Bischof),  die  Zeit  nach  Cyprian 
und  der  häretische  bez.  schisniatische  Verfasser.  Auch  den  letzteren 
Punkt  nenne  ich  stark  vertreten;  denn  Morin,  Ehrhard  und 
Hilgenfeld,  zu  denen  sich  auch  Haller  gesellt,  haben  zusammen 
ein  bedeutendes  Gewicht  ^ 

Was  den  ersten  Punkt  betriflFt,  so  ist  m.  E.  nach  meinem  in 
den  Texten  und  Unters.  Bd.  20  H.  3  S.  112flF.  gegebenen  Nachweise 
ein  Zweifel  nicht  mehr  möglich.  Der  Verfai^ser  hat  geschrieben  (c.  l): 

„Kt  quoniam  in  nobis  divina  et  paterna  pietas  apostolatns 
ducatum  contulit  et  vicariam  domini  sedem  caelesti  dignatione 
ordinavit,  et  originem  authentici  apostolatus,  super  quem  Christus 
fundavit  (et)  ecclesiam,  in  snperiore  nostra  portaraus  accepta  simul 
potestate  solvendi  ac  ligandi  et  cum  ratione  peccata  dimittendi  — 
salutari  doctrina  adnjonemur,  ne  dum  delinquentibus  adsidue  ignos- 
cimus,  ipsi  cum  eis  pariter  torqueanmr". 

Die  Handschrift  D  ist  in  diesem  Abschnitt,  wie  ich  gezeigt 
habe,  der  beste  Zeuge;  er  aber  bietet  „in  superiore  nostra".  Das 
ist  bei  oberflächlicher  Lektüre  eine  anstößige,  ja  unerträgliche 


1)  J^'chon  Pa  melius  hat  an  einen  schismatischen  römischen  Bischof  als  Ver- 
fasser gedacht.  Daß  Morin  an  das  donatistische,  Hilgenfeld  an  das  nova- 
tianische,  Hai  1er  an  das  hippolytische  Schisma  denkt,  Ehrhard  aber  sich 
hescheidet,  irgendein  römisches  Schisma  zu  behaupten,  erhöht  nur  das  Gewicht 
ihrer  Stimmen.  —  Ob  die  Schrift  eine  wirkliche  Homilie  ist  —  dafür  sprechen 
die  häufigen  Anreden  und  die  Lebhaftigkeit  der  Sprache  —  oder  ein  homi- 
letischer Traktat,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Um  der  langen  Einleitung  willen, 
die  sich  nicht  recht  zu  dem  Folgenden  fügt  (hier  wendet  sich  der  im  Namen 
der  Bischöfe  als  Oberbischof  sprechende  Verfasser  auch  an  die  Bischöfe,  um 
ihnen  das  Gewissen  zu  schUrfen,  von  c.  5  an  redet  er  nur  zu  den  Gläubigen), 
ist  mir  das  letztere  wahrscheinlicher.  Ist  die  Homilie  wirklich  gehalten,  so 
ist  sie  doch  für  die  Publikation  ausgearbeitet  worden.  Ein  eigentümliches 
Problem  bildet  noch  die  Tatsache,  da(i  sie  im  vulgären  Dialekt  geschrieben  ißt 
und  doch  als  Verfas8(»r  einen  Mann  verrät,  der  durch  die  Schule  der  Rhetoren 
hindurchgegangen  ist  und  sich  ihre  Kunst  angeeignet  hat.  Wie  dieses  Problem 
zu  erklären  ist,  weiß  ich  nicht. 


Cyprian  nnd  PseudocyprianiBclieB.  373 

LA,  darum  ist  sie  schon  im  Archetypus  der  anderen  Handschriften 
korrigiert  worden  („nostro").  Aber  damit  ist  ein  ganz  unverständ- 
licher, jedenfalls  nur  mit  großer  Kunst  zu  erklärender  Ausdruck 
geschaffen.  Wer  soll  denn  der  superior  sein,  und  inwiefern  ;,tragen 
Avir  den  Ursprung  des  authentischen  Apostolats  in  unserem  Superior?** 
Die  Bemühungen  sind  vergeblich  gewesen,  diese  Fragen  einleuch- 
tend zu  beantworten.  Dagegen  ist  ^n  supeiiore  nostra"  völlig 
verständlich;  zu  ergänzen  ist  natürlich  „ecclesia".  Die  Übersetzung 
lautet  nun:  „Da  wir  den  Ursprung  des  authentischen  Apostolats 
(bez.  die  Wurzel  des  Urapostolats),  auf  den  Christus  (auch)  die 
Kirche  gegründet  hat,  in  unserer  älteren  (=  ältesten)*  Kirche 
führen  (bez.  haben  2)".  Die  ,,superior  ecclesia"  kann  natürlich  nur 
die  römische  Kirche  sein,  und  deshalb  bekundet  sich  hier  der  Ver- 
fasser als  römischer  Bischof^,  mag  er  sich  auch  in  den  ersten 
Kapp,  seines  Traktats  mit  anderen  Bischöfen  zusammenschließen. 
Man  soll  doch  irgendeinen  abendländischen  Bischof  zu  irgendeiner 
Zeit  außer  dem  römischen  Bischof  nachweisen,  der  so  geschrieben 
hat^    Unsere  Schrift  ist  also  von  einem  römischen  Bischof  verfaßt* 

1 )  Den  Komparativ  „superior**  wie  einen  Positiv  bez.  wie  einen  Superlativ 
7M  verstehen,  hat  keine  Schwierigkeit.  Beispiele  dafür  sind  zahlreich,  übrigens 
ist  08  nicht  einmal  notwendig,  die  komparative  Bedeutung  ganz  auszuschalten. 

2)  Zum  Gebrauch  von  portare  s.  Cypr.,  De  unit.  7:  „unitatem  ille  [seil, 
('hristns]  portabat  de  superiore  part-e  venientem  id  est  de  caelo". 

r>)  S.  auch  Hilgenfeld  S.  30ff.  seiner  Ausgabe  und  fast  alle  alten  Litterar- 
historiker  (Pamelius,  Bellarmin  et<;.  mit  Ausnahme  Dupins).  Jüngst  hat 
Bardenhewer  (a.  a.  0.  S.  447)  das  „nostra"  und  damit  die  Abftissung  durch 
einen  römischen  Bischof  rund  anerkannt.  Dagegen  hat  Jülicher  (Gott.  Gel. 
Anz.  10(X)  Nr.  4  S.  271)  Einspruch  erhoben.  Er  schreibt:  „Daß  ein  lateinischer 
Hedner  nach  einer  Erwähnung  der  fundatio  ecclesiae  durch  ein  bloßes  „in 
Huperiore  nostra"  die  Kirche  von  Altrom  für  irgend  jemanden  verständlich  hätte 
bezeichnen  können,  darf  man,  bis  Parallelen  beigebracht  sind,  verneinen'*. 
Demgegenüber  ist  zu  sagen,  (1)  daß  Jülicher  die  Parallelen,  die  ich  angeführt 
habe,  m.  E.  nicht  entkräftet  hat,  (2)  daß  die  Bezeichung  Roms  als  der  alten 
Kirche,  zumal  im  Abendland  —  hat  sie  doch  selbst  Origenes  so  genannt!  — 
u'irht  unverständlich  sein  konnto,  (8)  daß,  mag  der  Ausdruck  auch  schwer  ver- 
Ktändlich  «ein,  der  andere  („in  superiore  nostro")  es  in  noch  viel  höherem 
iirude  wäre. 

4)  Verwandte  Aussagen  Cyprians  decken  sich  keineswegs  mit  den  unsrigen. 
Dagegen  sagt  Cyprian  von  Stephanus,  dem  römischen  Bischof:  „qui  sie  de 
«»piricopatus  sui  loco  gloriatur  et  se  successionem  Petri  tenere  cont^ndit,  super 
«juem  fundamenta  ecclesiae  collocata  sunt"  (ep.  75,  7),  cf.  ep.  71,  3  (Cyprian  über 
.^t^phanus):  „nam  nee  Petrus,  quem  primum  dominus  elegit  et  super  quem  aedi- 
ficavit  ecclesiam  suam  .  .  .  vindicavit  sibi  aliquid  insolenter  aut  Eidroganter 
adsumpsit,  ut  diceret  se  primatum  tenere  et  obtemperari  a  novellis  et 
posteris  sibi  potius  oportere  etc." 

5)  Die  Einwendung  Monceauxs  (IT  p.  115),  der  Verfasser  spreche  an  den 


374  ^^6  Litteraku:  des  Abendlandes. 

Was  den  dritten  Punkt  betrifft,  so  haben  mich  Morin,  Ehr- 
hard,  Haller  und  Hilgenfeld  bedingt  überzeugt:  Ist  diese  Schrift 
vorcyprianisch,  so  hindert  nichts,  sie  als  katholisch  zu  betrachten: 
ist  sie  aber  nachcyprianisch,  so  muß  sie  schismatisch  sein.  Ein 
römischer  Bischof  nach  der  Zeit  der  Synoden  der  fünfziger  Jahre 
des  3.  Jahrhunderts  und  nach  der  novatianischen  Kontroverse 
konnte  nicht  mehr  schreiben  (c  10):  „Nam  quod  delicti  in  deum 
nulla  fit  excusatio  nee  indulgentia  ulla  et  nemini  venia  datar,  in 
evangelio  dominus  dicit,  Si  qui,  inquit,  dixerit  blasphemiam  in 
filium  hominis  dimittetur  ei:  qui  autem  peccaverit  in 
spiritum  sanctum,  non  dimittetur  illi,  nee  hie  nee  in 
futuro  saeculo"  (s.  auch  die  folgenden  vier  ähnlichen  Zitate)  l 
Das  ist  die  Sprache  der  Novatianer  oder  Donatisten  in  Rom:  kein 
katholischer  römischer  Bischof  hätte  diesen  ßigorismus  nach 
der  Zeit  des  Cornelius  mehr  vertreten  dürfen. 

Durch  die  Feststellung  dieser  zwei  Punkte  ist  das  Problem 
doch  vereinfacht:  es  stehen  sich  nur  noch  zwei  Hypothesen  gegen- 
über: unsere  Schrift  ist  entweder  von  einem  katholischen  römi- 
schen Bischof  vor  Cyprian-  verfalit,  oder  sie  stammt  von  einem 
schismatischen  römischen  Bischof  nach  Cyprian.  Daß  Traktate 
schismatischer  römischer  Bischöfe  aus  der  Zeit  nach  Cyprian  in 
die  Sammlung  cypriauischer  Werke  gekommen  sind,  steht  fest 
(Traktate  Novatians  und  auch  eine  Schrift  des  donatistischen  römi- 
schen Bischofs  Macrobius);  aber  daß  eine  vorcyprianische  Schrift 
in  jene  Sammlung  eingedrungen  ist,  steht  ebenfalls  fest  (die  Schrift 
De  pascha  computus).  Also  läßt  sich  aus  dieser  Betrachtung  nichts 
Entscheidendes  gewinnen.  Auch  das  entscheidet  nicht,  daß  die 
TQM  gemeinsamen  Vorlagen  der  Cyprian- Werke,  in  denen  sich 
bereits  Ad  aleat.  findet,  sicher  schon  in  das  4.  Jahrhundert  hinauf- 
gehen und  römischen  Ursprungs  sind;   denn  damals  kann  sowohl 

anderen  Stellen  wie  ein  gewöhnlicher  Bischof,  ist  ohne  Gewicht.  Römische 
Bischöfe  jener  Zeit  haben  in  der  Regel  wie  die  anderen  Bischöfe  ge- 
sprochen. 

1)  In  einer  oder  der  anderen  ahendländiBchen  Provinz  konnte  von 
katholischen  Bischöfen  um  d.  J.  3(X)  so  noch  geschrieben  werden  (s.  die  Canones 
von  Elvira),  nicht  aber  in  Rom.  Nicht  berufen  darf  man  sich  mit  Hilgenfeld 
p.  74  fiir  den  katharischen  Ursprung  auf  c.  2  Schluß ;  denn  so  konnte  auch  ein 
katholischer  Bischof  schreiben.  Wohl  aber  ist  es  auffallend  (Hilgenfeldp.  27), 
daß  in  der  plorophorischen  und  weitläufigen  Beschreibung  der  Würde  des 
römischen  Bischofs  sowie  überhaupt  in  dorn  ganzen  Traktat  das  Wort  ,,caibo- 
licus"  fehlt. 

2)  Ein  schisiuii tischer  ist  natürlich  auch  dann  nicht  ausgeschlossen;  aber 
die  Annahme  ist  völlig  überflüssig. 


Cyprian  und  Pseudocypriamäohes.  375 

eine  vor-  als  nachcyprianische  Schrift  Aufnahme  gefunden  haben. 
Auf  die  in  anderer  Hinsicht  hochbedeutsame  Stellung  aber  der 
Schrift  in  jenen  Vorlagen  (gleich  nach  Adv.  Judaeos  und  entweder 
vor  De  duobus  montibus  [TJ  oder  vor  De  laude  [QM])  ist  in  chro- 
nologischer Hinsicht  auch  nichts  Sicheres  zu  bauen;  denn  obgleich 
zwei  von  diesen  Schriften  höchst  wahrscheinlich  dem  Novatian 
gebühren,  so  kann  doch  die  Stellung  unseres  Traktats  neben  ihnen 
für  eine  genauere  Zeitbestimmung  nicht  ausgebeutet  werden.  Die 
Tatsache  aber,  daß  zuerst  in  unzweifelhaft  römischen  Samm- 
lungen der  Werke  Cyprians  Ad  aleat  auftaucht,  ist  von  Wichtig- 
keit; denn  sie  verstärkt  die  bereits  gewonnene  Einsicht,  daß 
unser  Traktat  römischen  Ursprungs  ist^ 

Welches  sind  nun  die  Argumente,  die  für  den  vor-  und  für 
den  nachcyprianischen  Charakter  der  Schrift  angeführt  werden? 
Die  Antwort  kann  in  Kürze  gegeben  werden:  für  jenen  spricht 
das  Verhältnis  des  Verfassers  zu  den  h.  Schriften,  für  diesen  wird 
die  Abhängigkeit  von  Cyprian  und  weiter  der  Stil  der  Schrift 
angeführt. 

Was  das  Verhältnis  zur  h.  Schrift  betrifft,  so  habe  ich  in 
meiner  ersten  Abhandlung  dasselbe  so  umfassend  wie  möglich 
untersucht  Die  meisten  Kritiker  sind  an  dieser  Untersuchung 
vorbeigegangen,  als  seien  die  Ergebnisse  unerheblich.  Augenschein- 
lich war  man  mit  der  Geschichte  des  Kanons  im  Abendland  nicht 
hinreichend  vertraut,  um  das  Gewicht  der  Nachweisungen  zu 
schätzen.  Doch  will  ich  nicht  in  Abrede  stellen,  daß  ich  in  jener 
Abhandlung  an  einigen  Punkten  der  Gefahr  erlegen  bin,  zu  viel 
zu  beweisen,  und  daß  daher  der  Eindruck  des  Nachweises  abge- 
schwächt worden  ist.  Ich  fasse  im  folgenden  die  Beobachtungen, 
die  außer  Zweifel  stehen»  zusammen: 

1)  Ein  äuliereri  Zeugiiitf  für  die  Schrift  keiiuc  ich  nicht,  man  müßte  denn 
i.*in  solches  in  Hieron.  adv.  Lucifer.  5  sehen  wollen:  „Oro  te,  nonne  legisti  de 
»»piscopis  dictum:  Vos  estis  sal  terrae  etc.";  cf.  ad  aleat.  2,  aber  auch  Cypr., 
de  Unit.  1.  —  Die  überliefening  der  i^^chrift  in  den  Mss.  hat  soeben  v.  Soden 
(a.  a.  0.  S.  217  fp.)  jj^ündlich  untersucht.  Er  hat  sie  in  den  ihm  bekannten 
Cyprian- Codd.  34  mal  gefunden.  „Jedenfalls",  sagt  er,  „darf  man,  da  Ad  aleat. 
in  QMT  so  weit  vorn  und  vor  De  laude  mart.  steht,  seinen  Eintritt  nicht  erst 
in  die  Jahrhunderte  jener  Codd.  (saec.  VIIl/lX)  setzen,  sondern  wird  vielmehr 
anzunehmen  haben,  daß  derselbe  sich  etwa  gleichzeitig  mit  der  Bildung  der 
Briefkeilsammlung  ^30 — 51  und  mindestens  gleichzeitig  mit  der  Auhiahmc  von 
de  laude  mart.  [s.  das  Verzeichnis  von  Cheltenham]  vollzogen  hat.  Als  seine 
Zeit  wird  damit  der  Anfang  des  4.  Jahrh.  sehr  wahrscheinlich;  als 
sein  Ort  ist  Rom  durch  das  einheitliche  Zeugnis  der  Überliefe- 
rung gewiß".  Demnach  ist  es  sehr  prekär,  die  Schrift  in  das  4.  Jahrh. 
zu  setzen* 


376  ^^  Litteratur  dos  Abendlandes. 

Unser  kurzer  Traktat  enthält  30  ausdiiickliche  Bibelzitate 
(daneben  etwa  7  deutliche  Anspielungen).  Von  diesen  30  Zitaten 
sind  nur  12  (aus  dem  A.  T.,  den  Evangelien  und  der  Job. -Apo- 
kalypse) unanstößig,  und  ihr  Bibeltext  ist  dem  Cyprians  nahe  ver- 
wandt. Nicht  weniger  als  6  sind  völlig  apokryph  und 
nicht  nachweisbar,  ein  weiteres  ist  aus  dem  Hirten  des 
Hermas,  ein  weiteres  entweder  auch  aus  diesem  oder  ans 
einer  unbekannten  Schrift,  eines  aus  den  „Doctrinae 
apostolorum^  eines  vielleicht  aus  dem  Leviticus,  viel 
wahrscheinlicher  aber  aus  einer  unbekannten  Schrift, 
8  endlich  sind  aus  den  paulinischen  Briefen,  die  aber 
mit  der  höchsten  Freiheit  behandelt  sind^  Die  apo- 
kryphen   Zitate,  bez.  die  aus  Hermas  und  den  Doctrinae 


1)  Pia  apokryphen  Zitate  lauten: 

C.  2:  Et  itenim  [scriptura  dicit]:  Existimate  sacerdotem  esse  cultorem  et 
omnes  esse  apud  enm  ....  grenaria  plena,  de  quo  quidquid  dcsideraverit  po- 
]mlu8  meus  saturetur. 

C.  8:  Monet  dominus  et  dicit:  Nolite  contristare  spiritum  sanctum  qui 
in  vobis  est. 

C.  3:  Et  [seil,  monet  dominus  et  dicit]:  Nolite  exstinguere  lumen,  qaod 
in  Yobis  efiulsit. 

C.  8:   Et  iterum:   In  iudicii  die  igne  rotante  torquebitur. 

C.  9:  Dominus  dicit:  Nolite,  inquit,  extendcre  manus  vestras  iniuste,  ne 
i'xacerbetis  me,  et  non  sin  am  diu  vos  permanere  super  terram. 

C.  9:  Et  iterum:  Abstinete  manus  vestras  ab  iniusto,  et  ne  feceritis  quic- 
quam  mali. 

Die  Stelle  aus  dem  Hirten  des  Hermas  lautet  (^Herm.,  Sim.  IX,  31,  5£): 
C.  2:   Dicit  enim  scriptura  divina:  Vae  erit  pastoribus  bis  zu  den  Worten: 
])unietur  propter  mendacium  suum. 

Die  Stelle  aus  dem  Hirten  oder  einer  apokryphen  Schrift  lautet: 

C.  4:   Quicunque  frater  moro  alienigenarum  vivit  et  admittit  res  similes 

factis  eorum,  desine  in  convictum  eius  esse;   quod  nisi  feceris,  et  tu  particeps 

ciuB  eris. 

Die  Stelle  aus  den  Doctr.  Apost.  lautet: 

C.  4:  Et  in  doctrinis  apostolorum:  Si  quis  frat«r  delinquit  in  ecclesia  et 
uon  apparet  legi,  hie  nee  coUigatur,  donec  paonitontiam  agat,  et  non  reeipiatur, 
ne  inquinetur  et  inpediatur  oratio  vestra. 

Die  Stelle,  die  möglicherweise  (aber  nicht  wahrscheinlich)  aus  dem  Levi- 
ticus stammt,  lautet: 

C.  8:  Dominus  dicit:   Omnis  iumundus  non  tangat  sacrificii  saneti. 

Sämtliche  Zitate  aus  dem  Apostolus  sind  höchst  frei,  sehr  viel  freier  als 
die  übrigen  Zitate  aus  den  h.  Schriften.  I  Joh.  8,  8  ist  zitiert  (c.  10):  „Omnis 
qui  poccat  non  est  de  deo,  sed  de  diabolo  est;  et  scitis  quoniam  ideo 
venturus  est  filius  dei,  ut  perdat  filios  diaboli".  Mehr  Freiheit  kann  man 
sich  wahrlich  nicht  nehmen.  R<5m.  12,  2  lautet  (c.  0):  „videte  fratres,  ne  ob- 
ügurimini  huic  saeculo  et  pompis  et  deliciis  et  voluptatibus  eius;  sed 


Gyprian  und  PseudocypriaiuBches.  377 

apostolorum,  stehen  völlig  gleichwertig  unter  den  an- 
deren; auch  sie  sind  aus  der  „scriptura  divina*'  ge- 
schöpft 

Nach  allem  nun,  was  wir  von  der  Geschichte  des  Kanons  in 
Rom  wissen  —  und  es  genügt  zur  Entscheidung  — ,  ist  es  aus- 
geschlossen, daß  ein  katholischer  römischer  Bischof  nach  der 
Mitte  des  3.  Jahrhunderts,  ja  nach  dem-  Anfang  desselben  diese 
Schrift  verfaßt  hat.  Ich  will  von  den  „Freiheiten*'  in  den  Zitaten 
aus  dem  Apostolus  ganz  absehen,  obgleich  dieselben  etwas  rätsel- 
haftes haben,  wenn  man  die  Schwelle  des  2.  Jahrhunderts  über- 
schreitet —  daß  ein  römischer  Bischof  in  der  angegebenen  Zeit 
unter  30  Bibelzitaten  zehn  apokr3n?he  bringt,  ist  unter  der  Vor- 
aussetzung, daß  er  der  großen  Kirche  angehört,  unglaublich.  Man 
kann  darauf  hinweisen,  daß  sich  gelegentlich  noch  im  4.  Jahr- 
hundert im  Abendland  Zitate  aus  der  Apostellehre  finden  (Funk)» 
und  daß  der  Hii*te  damals  noch  nicht  ganz  vergessen  war;  aber 
den  offiziellen  Kanon  Karthagos  und  Korns  in  cyprianischer  und 
nachcyprianischer  Zeit  kennen  wir  zu  genau,  als  daß  wir  den 
Hirten  und  die  Apostellehre  in  ihn  noch  einrechnen  dürften  \  Aber 
darüber  hinaus:  es  handelt  sich  in  De  aleat.  nicht  um  ein  oder 
ein  anderes  apokryphes  Zitat,  sondern  um  die  Tatsache ,  daß  ein 
Drittel  aller  Zitate  in  der  kleinen  Schrift  apokryph  ist.  Die 
Bibel  des  Verfassers  darf  also  schlechterdings  nicht  mit  der  römi- 
schen großkirchlichen  Bibel  um  250,  ja  sie  darf  nicht  einmal 
mit  einer  um  20  Jahre  älteren  solchen  Bibel  identifiziert  werden. 
Ist  unsere  Schrift  daher  von  einem  römischen  Bischof  verfaßt  und 
ist  sie  oithodox,  so  ist  sie  um  das  Jahr  200  zu  rücken,  und  es  ist 


continete  vos  ab  omni  iniustitia  saeciili"!!  Gal.  4,  1  f.  gibt  unser  Verf. 
(c.  3)  80  wieder:  ,,Quamdiu  heres  infane,  Bub  procuratores  et  actores  est;  at 
cum  creverit,  tunc  hereditatem  suam  expetit".  Hier  hat  Luc.  15,  12, 
an  der  vorigen  Stelle  das  Taufritual  eingewirkt.  I  Kor.  3,  16 f.  lautet  (c.  10): 
„VoB  estis  templum  dei,  et  in  vobis  GbristuB  babitat  [nur  Tertullian  bietet  De 
pudic  16  ähnlich:  „Non  scitis,  vos  templum  dei  esse  et  in  vobis  dominum 
habitare] ;  si  quis  templum  dei  violaverit,  perdit  illum  deus".  I  Kor.  4,  1  f. 
lautet  (c.  3  u.  4  init.):  „Hie  quoque  inter  dispensatores  et  procuratores 
qaaeritur,  ut  quis  fidelis  et  iustus  inveniatur".  Sehr  frei  ist  (c.  4)  auch 
1  Kor.  5,  11  zitiert:  „Si  quis  frater  fornicarius  dicitur  aut  idolorum  cultor  aut 
avarus  aut  raptor  sive  iniustus,  cum  huiusmodi  quidem  nee  cibum  capere", 
und  I  Kor.  5,  13  wird  (c.  4)  wiedergegeben:  „Eximite  malos  e  medio  vestro". 
Dazu  8.  das  große  Konvolut  aus  den  Pastoralbriefen  in  c.  4. 

1)  S.  meine  Nachweisungen  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  13  H.  4  S.  48ff. 
u.  Bd.  24  H.  3  S.  58  ff.,  dazu  die  Bibel  des  Cyprian,  das  Mommsensche  Ver- 
zeichnis etc.  S.  auch  die  Nachweisungen  in  Zahns  Grundriß  d.  Gesch.  des 
NTlichen  Kanons  (1901J  S.  63  ff. 


378  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

dann  geradezu  geboten,  sie  dem  Victor,  dem  crsteu  lateinischen 
Schriftsteller  Roms,  wie  ihn  Hieronymus  nennt,  zu  vindizieren; 
denn  der  ungebildete  Grieche  Zephyrin  kann  überhaupt  nicht  in 
Betracht  kommen.  Es  ist  ein  sicheres  Ergebnis  der  Unter- 
suchung: wir  haben  es  hier  mit  einer  Bibel  und  einem 
Bibelgebrauch  zu  tun,  wie  sie  für  die  große  römische 
Kirche  nach  c.  210  nicht  mehr  glaublich  sind. 

Aber  —  und  nun  sehe  ich  mich  zu  einem  Zugeständnis  ge- 
zwungen —  es  ist  so,  wie  meine  Gegner  behauptet  haben:  es  ist 
allerdings  recht  unwahrscheinlich,  daß  die  Schrift  vorcyprianisch  ist 
Bedenklich  gemacht  hat  mich  nicht  der  Nachweis,  daß  in  dem 
Traktat  die  Testimonien  Cyprians  benutzt  sind;  denn  dieser  Nach- 
weis kann  keineswegs  sicher  erbracht  werden.   Auch  die  Behaup- 
tung hat  keinen  entscheidenden  Eindruck  auf  mich  gemacht,  dali 
der  Bibeltext  des  Verfassers,  wenn  er  wörtlich  zitiert,   dem  des 
Gyprian  nahe  kommt;  denn  wir  kennen  die  lateinischen  römischen 
Bibeltexte  zwischen  250  und  350  (geschweige  zwischen  200—250) 
in  ihrem  Verhältnis  zu  den  afrikanischen  lange  nicht  genau  genug, 
um  an  solche  Kenntnis  weittragende  Schlüsse  heften  zu   dürfen. 
Umgestimmt  hat  mich  endlich  auch  nicht  der  Nachweis,   daß  der 
Verfasser  von  dieser  oder  jener  einzelnen  Schrift  Cyprians  ab- 
hängig sei;   denn  ich  setze  dieser  Annahme  die  sichere  nnd  auf 
gründlichster  Prüfung  aller  Parallelen  beruhende  Einsicht  entgegen, 
daß  die  leitenden  Gedanken  auch  nicht  einer  einzigen  Cyprian- 
Schrift  bestimmt  in   unserem  Traktat  wiederkehren,   sowie  die 
andere  Beobachtung,   daß   das   Material  für  jede  einzelne  Schrift 
Cyprians  in  ihrem  Verhältnis  zu  Ad  aleat.  zu  schmal  ist,  um  einen 
Schluß  von  zweifelloser  Stringenz  zu  erinögliclien.    Aber  was  be- 
denklich   macht,    ist    erstlich    das    Ensemble.    Das    haben    mir 
namentlich  die  Löwen  er  Theologen  in  ihrer  musterhaft   gründ- 
lichen  Vergleichung  (s.  o.  p.  61—101:    „De  Aleat  et  S.  Cyprien"i 
gezeigt,  und  fortgesetzte  eigene  Studien  in  der  christlich-lateinischen 
Litteratur  haben  mich  darüber  belehrt.  Die  Summe  der  rhetorisch 
christlichen  Wendungen  in  De  aleat.  in  ihrer  Verwandtschaft  mit 
den  cyprianischen  ist  zu  groß,  als  daß  man  Cyprian  als  Vorbild  und 
Lehrer  des  Verf.  sicher  ausschließen  dürfte.    Die  Annahme  des  umge- 
kehrten Verhältnisses  aber  scheint  sich  durch   die  Erwägung  zu 
verbieten,  daß  Cyprian  fast  in  jedem  seiner  Traktate  in  einer  ganz 
undurchsichtigen  und  psychologisch  schwer  erklärlichen  Abhängig- 
keit von  christlich-rhetorischen  Details,  die  unser  Verfasser  zuerst 
produziert  hätte,  gestanden  haben  müßte.    Dazu  kommt  noch  ein 
anderes:  nicht  nur  die  Worte,   in  denen   der  römische  Primat  in 
c.  1  unserer  Schrift   ausgedrückt  und  gefeiert   ist,  sind   in   ihrer 


Cyprian  und  Pgeudacyprianisches.  379 

Fülle'  viel  leichter  zu  verstehen,  wenn  sie  nach  Cornelius  und 
< 'yprian  geschrieben  sind,  und  der  Ausdruck  (c.  2)  „sacerdotalis 
dignitas"  ist  im  2.  Jahrh.  sehr  unbequem  (wenn  auch  nicht  geradezu 
nn möglich),  sondern  auch  die  Gesamthaltung  der  Schrift  weist 
wahrscheinlich  über  das  2.  Jahrhundert  hinaus.  Diese  Art  der 
christlichen  Rhetorik  in  lateinischem  Gewand  scheint  Überlieferung 
und  längere  Übung  vorauszusetzen.  Nicht  nur  können  wir  sie 
nicht  über  Cyprian  und  Novatian  hinaufführen,  sondern  sie  scheint 
auch  ihnen  gegenüber  fast  noch  als  sekundär.  Die  allgemeinen 
christlich-kirchlichen  Verhältnisse  aber,  die  der  Verf.  voraussetzt, 
und  die  Mittel,  mit  denen  er  auf  sie  einzuwirken  sucht,  lassen 
sich  auch  leichter  nach  als  vor  der  Zeit  Cyprians  vei-stehen.  In 
das  Einzelne  hier  einzugehen,  darf  ich  mir  versagen;  denn  ich 
räume  mit  dem  Gesagten  etwas  ein,  was  die  große  Mehrzahl  der 
Kritiker  bereits  anerkannt  hat 

Aber  nun  haben  wir,  scheint  es,  den  vollkommenen  Wider- 
spruch: Die  Schrift  stammt  wahrscheinlich  von  einem  rö- 
mischen Bischof  nachcyprianischer  Zeit,  und  dieser 
Bischof  erweist  sich  aus  seiner  Bibel  und  seinem  Bibel- 
gebrauch als  ein  Mann,  der  einen  beträchtlich  älteren 
Zustand  widerspiegelt 

Auch  wenn  wir  sonst  nichts  wüßten,  ließe  dieser  Widerspinich 
schlechterdings  keine  andere  Lösung  zu  als  die:  unser  Verfasser 
gehörte  nicht  zur  katholischen  Kirche  in  Rom,  sondern  muß  Bischof 
einer  schismatischen  Partei  gewesen  sein.  Freilich  —  da  wir  den 
Bibelgebrauch  der  Schismatiker  in  Rom  nicht  oder  so  gut  wie  nicht 
kennen,  so  ist  der  einzige  Ausweg,  den  wir  haben,  eine  Flucht  ins 
Dunkle;  aber  das  kann  uns  nicht  hindern,  ihn,  da  er  eben  der  ein- 
zige ist,  zu  wählen.  Nun  aber  haben  Pamelius,  Morin,  Hil- 
genfeld  und  Ehrhard,  ohne  den  Bibelgebrauch  des  Ver- 
fassers zu  berücksichtigen,  aus  c.  10  seiner  Schrift  geschlossen, 
daß  er,  wenn  er  nach  Cyprian  schrieb,  Schismatiker  gewesen  sein 
müsse,  und  dieser  Nachweis  schien  auch  uns  einleuchtend  zu  sein. 
Ks  stützen  sich  also  dieser  Schluß  und  jenes  p]rgebnis,  das  sich 
uns  aus  konträren  Beobachtungen  aufgedrängt  hat  Wir  können 
somit  schwerlich  zweifeln,  wenn  wir  nicht  zu  Victor  doch  zurück- 
kehren wollen:  unser  Traktat  gehört  der  Zeit  nach  Cyprian 

1)  Daß  sich  dtir  römische  Bischof  die  „vicaria  domini  sedes"  beih;p^,  kommt 
7iim  erstenmal  in  runder  Ausprägung  hier  vor;  denn  nicht  davon  ist  die  Rede, 
<laß  jeder  Bischof  Stellvertreter  Christi  in  seiner  Gemeinde  ist  —  das  ist  eine 
;i.lte  Anschauung  — ,  sondern  der,  welcher  den  „apostolatus  ducatus**  und  die 
,.origo  authentici  apostolatus"  in  seiner  alten  Kirche  besitzt,  der  römisch«' 
Bisi^hof,  l>esit'/t  auch  die  „vicaria  domini  sedes". 


380  ^^  Lüterafcnr  des  Abendlandes, 

aD  und  stammt  von  einem  Bischof  einer  schismatischen 
Partei  in  Born.  In  dieser  Partei  muß  sich  ein  Bibelgebranch 
erhalten  (oder  wieder  eingestellt)  haben,  wie  er  in  der  katholischoi 
römischen  Kirche  seit  c.  200  nicht  mehr  statthaft  war. 

Welche  Partei  war  das?  Nor  zwischen  zweien  haben  wir  die 
Auswahl:  die  novatianische  nnd  die  donatistische.  Eine  ganx 
sichere  Entscheidang  ist  nicht  möglich.  Aber  f&r  jene  spricht  doch 
sehr  viel  mehr  als  fOr  diese;  denn  erstlich  haben  sich  zwar  die 
Donatisten  den  Novatianern  genähert  und  ihren  nrsprflnglich  sehr 
partikularen  Widersprach  gegen  die  katholische  Kirche  erweitert 
aber  das,  was  wir  c.  10  unserer  Schrift  lesen,  ist  doch  stets  mehr 
f&r  den  Noyatianismas  charakteristisch  gewesen  als  fftr  den  Dona- 
tismus. Zweitens  ist  bereits  im  4.  Jahrhundert  die  Aufnahme  einer 
größeren  Anzahl  von  Novatian-Traktaten  in  die  Werke  Cypriaos 
nachweisbar,  während  es  mindestens  ganz  zweifelhaft  bleibt,  ob 
im  kirchlichen  Altertum  dem  Cyprian  jemals  eine  donatistische 
Schrift  beigelegt  worden  ist^  Drittens  steht  unser  Traktat  seit 
altei*s,  wahrscheinlich  schon  seit  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  (8.O.), 
bei  der  Schrift  Adv.  Judaeos;  diese  Schiift  gehört  aber  hOchrt 
wahrscheinlich  dem  Novatian.  Ich  muß  es  demnach  mit  Hil gen- 
fei d  für  sehr  wahrscheinlich  halten,  daß  unser  Traktat^  wenn  er 
nicht  von  Victor  stammt,  von  einem  novatianischen  rOmischen 
Bischof  verfaßt  ist.  An  Novatian  selbst  ist  nicht  zu  denken:  die 
vulgäre  Sprache,  aber  auch  manche  Stilverschiedenheiten  trenneo 
beide  Verfasser.  Wann  er  verfaßt  ist,  läßt  sich  nicht  sagen;  in 
einer  Friedeuszeit,  wie  es  scheint  Man  kann  aber  mit  Wahr- 
scheinlichkeit nur  bis  zum  Ende  des  3.  Jahrhunderts  herabgehen. 
Weiter  herabzusteigen,  verbieten  Erwägungen,  die  aus  der  Ge- 
schichte der  Sammlungen  der  Cyprian-Werke  sich  ergeben.  Auch 
rät  der  Schrift  gebrauch  —  vor  allem  der  starke  Einfluß,  den  der 
„Hirte"  augenscheinlich  auf  das  Schriftstück  ausgeübt  hat  — . 
den  Traktat  innerhalb  der  JJ.  c.  260—300  zu  belassen.  Dieser 
Schriftgebrauch  bleibt  freilich,  so  lange  man  im  3.  Jahrh.  bleibt, 
immer  noch  ein  Rätsel.  Wir  sind,  wenn  wir  von  Victor  absehen, 
zu  der  Annahme  gezwungen,  daß  in  die  novatianische  römische 
(jemeinde  ein  laxerer  Schrittgebrauch]  eingedrungen  ist  (oder  ein 
solcher  trotz  Novatian  festgehalten  wurde?).  Griff  man  vielleicht 
auf  die  Bibel  und  den  Bibelgebrauch  zurück,  die  in  der  kleinen 
schismatisclien  Gemeinde  Hippolyts  üblich  gewesen  waren?    B^i 


1)  Dio  Beilegung  der  donatistiecheu  Schrift  De  singularitate  clericoniiB 
i«t  nicht  im  kirchlichen  Altertum  erfolgt  (b.  Texte  u.  Unters.  Bd,  24  H.  S 
8.  Gf.j.    Daßselbe  gilt  vom  dritten  der  falschen  Cyprianbriefe. 


Cyprian  nnd  Pseudocyprianisohes.  381 

Hippolyt  findet  sich  in  der  Tat  im  Vergleich  mit  den  Späteren 
noch  recht  viel  Apokryphes.  Hat  in  bezug  auf  die  Bibel  die  nova- 
tianische  Gemeinde  eine  ähnliche  Bewegung  erlebt,  wie  sie  später 
Priscillian  in  seinem  Kreise  in  Szene  gesetzt  hat?  Nur  die  Fragen 
vermögen  wir  aufzuwerfen.  Eine  Antwort  gibt  es  zurzeit  nicht. 
Bemerkenswert  ist,  daß  der  römische  schismatische  Bischof  mit 
demselben  Selbstbewußtsein  spricht,  wie  Kaliist,  Stephanus  und 
ihre  Nachfolger.  Die  Victor- Hypothese  halte  ich  für  schwer  ge- 
fährdet und  kaum  zu  halten;  aber  wie  sie  einen  Kern  des  Rich- 
tigen enthält,  so  glaube  ich  mit  ihr  der  fortschreitenden  Erkenntnis 
einen  Dienst  getan  zu  haben.  Sie  war  wahrscheinlich  ein  Irrtum, 
aber  kein  unfruchtbarer.  Hält  man  die  jetzt  vorgeschlagene  Hypo- 
these für  unannehmbar,  so  müßte  man  zu  Victor  zurückkehren. 

Kann  die  Schrift  Ad  aleatores  dem  Victor  nicht  beigelegt 
werden,  so  sind  wir  außer  stände,  des  Hieronymus  Behauptung  zu 
bestätigen,  Victor  sei  der  erste  lateinische  christliche  Schriftsteller 
gewesen.  Es  erhebt  sich  aber  dann  die  Frage,  ob  wir  dem  Hiero- 
nymus überhaupt  hier  trauen  dürfen.  Zwar  im  Schriftstellerkatalog 
bezeichnet  er  indirekt  (c.  34)  und  direkt  (c.  53)  Victor  als  den 
ersten  lateinischen  Schriftsteller,  aber  in  der  einige  Jahre  später 
geschriebenen  Epistula  ad  Magnum  (s.  oben  S.  370)  räumt  er  diesen 
Platz  dem  Tertullian  ein  nnd  schweigt  über  Victor  vollständig. 
Dieser  Rückzug  ist  am  einfachsten  so  zu  erklären,  daß  die  „me- 
diocria  volumina  de  religione"  (bez.  die  „alia  quaedam  opnscula" 
über  die  opuscula  in  der  Passahfrage  hinaus)  nicht  selbständige 
Traktate,  sondern  offizielle  Schreiben  (Enzyklika)  waren,  die  grie- 
chisch und  lateinisch  existierten  und  die  man  als  schriftstellerische 
Erzeugnisse  sowohl  zählen  als  auch  nicht  zählen  konnte  (s.  Bar- 
denhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  1.  Bd.  S.  530 f.,  der  darauf 
aufmerksam  macht,  daß  Hieron.,  de  vir.  inl.  45,  in  einem  Atemzug 
Polykrates'  Brief  gegen  Victor  „epistula  synodica"  und  „opusculum** 
nennt).  Schwierigkeiten  macht  allerdings  bei  dieser  Erklärung 
der  Ausdruck  „De  religione"  K 

b)  De  pascha  computus. 

Daß  diese  Schrift  i.  J.  243  (und  zwar  vor  Ostern)  verfaßt  ist, 
sagt  sie  selbst  in  c.  22:    ,.a  quo  tempore  id  est  a  passione  usque 

1)  J?ehr  eingehend  hat  über  die  Notizen  des  Hieronymus,  Victor  betreffend, 
Schöne  gehandelt  in  seiner  Schrift:  Die  Weltchronik  des  Eusebius  in  ihrer 
Bearbeitung  durch  Hieronymus  (1900)  S.  181—201.  Er  sucht  zu  erweisen,  daß 
<lie  beiden  Eintrag\ingen  über  Victor  schon  dem  Eusebius  angehören,  obgleich 
sie  im  Armenier  fehlen,  und  daß  sie  auf  Schriften  Victors  im  Osterstreit  zu 
beziehen  sind. 


382  -^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

ad  annum  V.  Oordiani  Aniauo  et  Papo  coss.  sappleti  sunt  aim 
CCXV.  So  ist  sie  ein  kostbares  Denkmal;  denn  sie  ist  die  ein- 
zige größere  und  noch  dazu  sicher  zu  datierende  Schrift  aus  der 
lateinischen  Kirche,  die  wir  nach  Tertullian  und  Hippolyt  und  tot 
Cyprian  besitzen.  Dem  entspricht,  daß  ihr  das  lateinische  Gewand 
noch  fremd  ist;  es  liegt  wie  ein  leichter  Schleier  auf  ihren  Aiu- 
führungen  und  ihrem  Stile.  Daß  die  Schrift  sich  die  Aufgabe 
gestellt  hat,  den  Osterkanon  des  Hippolyt  zu  berichtigen,  hat  Huf- 
mayr,  Die  pseudocyprianische  Schrift  De  pascha  computos  (Augs- 
burg, 1896),  erwiesen.  Vor  ihm  hatten  sich  nur  de  Bossi  (Inscr. 
('hrist.  I  p.  LXXXff.)  und  Dnchesne  (Origines  da  cnlte  chretieD 
p.  247.  266  etc.)  mit  der  Schrift  beschäftigt  K  Dem  Anonymus  ist 
die  Korrektur  nicht  gelungen;  auch  seine  Berechnung^  ist  fehler- 
haft 2,  obgleich  er  ein  anerkennenswertes  Wissen  zeigt  und  filtere 
Arbeiten  über  das  Problem  gekannt  und  erwogen  hat.  Aber  er 
hat  die  Aufgabe  unter  falschen  Prämissen  zu  lösen  versacht  Seiner 
Sache  aber  ist  er  so  sicher,  daß  er  die  Lösung  auf  die  unendliche 
Gute  Gottes,  die  unbegreifliche  Barmherzigkeit  Christi,  ja  die  In- 
spiration Gottes  (c  1)  zurückfuhrt  und  nun  Unfehlbarkeit  Ar  sie 
in  Anspruch  nimmt:  „nunquam  posse  Christanos  a  via  veritads 
errare".  Eine  eingehende  Untersuchung  des  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  inhaltsreichen  Traktats  fehlt  noch^  und  vor  einer  solchen 
wäre  es  gewagt,  sich  auf  die  Entstehungs Verhältnisse  näher  ein- 
zulassen. Meine  Bemühungen  um  ihn  sind  noch  nicht  zum  Ab- 
scliluL>  gekommen.  Monceaux  (Hist.  litt.  II  p.  99flF.,  cf.  I  p.  121; 
hat  einiges  vom  Inhalt  des  Werkes  näher  ins  Auge   gefaßt    Er 


1)  Vgl.  auch  Schanz,  Rom.  Litt.  III,  180(),  S.  338f. 

2)  Er  eiitfornt  sich  von  Hippolyt  nicht  weit;  denn  auch  er  fußt  auf  einpui 
öechzehnjährij^en  Zyklus  (genannt  hat  er  übrigens  keinen  seiner  „antecessores" . 
Die  astronomische  Naivität  des  Verfassers  zeigt  sich  sofort,  nämlich  in  seinem 
Ausgangspunkt.  Der  Fehler  der  früheren  soll  lediglich  auf  falscher  Deutoii)^ 
der  einschlagenden  Schriftstellen  beruhen;  alles  komme  in  Ordnung,  wenn  man 
aus  der  h.  Schrift  den  ersten  Tag  des  ersten  Monats  bestimme.  Die  Entdeckonir 
des  A'^erfassers  b(?ruht  nun  darin,  daß  man  den  ersten  Mond  nicht  vom  1.. 
sondern  vom  4.  AVeit scliöpfungstage  zu  berechnen  habe.  C£  c.  1:  „Multo  qui- 
dem  non  modico  tempore  anxii  fin'mus  et  aestuantes  non  in  saccularibus  ee<l 
in  sanctis  et  divinis  scrii)turis  quaerent<«s  invenire,  quisnam  esset  primus  die:- 
novi  niensis,  in  quo  mense  praeeeptum  est  Judaeis  in  Aegypto  pro  XIV.  lunn 
immolaie  pascha". 

3)  Hufmayrs  Arbeit  wollte  keine  umfassende  Monographie  sein.  — 
Einzigartiges  und  Altertümliches  findet  sich  genug  in  dem  Büchlein:  manmuO 
sich  wundern,  daß  es  so  vernachlässigt  ist.  Der  Name  des  Verfiatssers  muß  den 
ersten  L<?sern  bekannt  gewesen  sein;  denn  versteckt  zu  bleiben,  hat  der  Ver- 
fasser gewiß  nicht  angestrebt. 


Gypriaii  nnd  PseudoGyprianischeB.  383 

meint,  der  Bibeltext  des  Verfassers  führe  mit  Sicherheit  auf  Afrika  ^ 
Brieflich  hat  mich  Hr.  Pfarrer  Kutter  in  Vinelz  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  in  Migne  Lat.  Bd.  59  p.  545  ein  anonymer, 
zuerst  von  Baluze  aus  einem  Cod.  Luccensis  saec.  VIII.  vel  IX. 
edierter  Traktat  „de  computo  paschali"  abgedruckt  ist  (aus  Afrika 
V.  J.  455),  der  sehr  stark  (in  großen  Partien  wörtlich)  unseren 
Traktat  ausgeschrieben  hat. 

Was  die  Überlieferung  betrifft,  so  hat  uns  Soden  darüber  auf- 
geklärt (S.  224  f.),  daß  heute  unser  Traktat,  soviel  bekannt,  in  keiner 
eigentlichen  Cyprian-Handschrift  mehr  nachweisbar  ist.  „In  dem 
in  der  Oxforder  Ausgabe  noch  benutzten,  uns  verlorenen  Rheimser 
Kodex  133  saec.  IX.  war  er  bezeichnet  als  ,Caecilii  Cypriani  de 
pascha  comp.',  während  er  im  Cod.  London.  (Brit  Mus.  Cotton.  Cal. 
A  XVI  saec.  IX.)  ,Expositio  Bissexti*  heißt  und  der  Name  Cyprians 
nicht  erscheint".  Da  die  ganze  alte  Überlieferung  den  Traktat 
als  cyprianisch  nicht  kennt,  so  kann  man  ihn  zu  den  pseudo- 
cyprianischen  Schriften  nur  im  weiteren  Sinn  rechnen:  er  ist  im 
frühen  Mittelalter  durch  einen  Zufall  zum  Namen  „Cyprian"  ge- 
kommen. 

c)  De  montibus  Sina  et  Sion. 

Die  Überlieferung  dieser  Schrift  —  Soden  (S.  219f.)  hat  sie 
()6mal  in  Cyprian-Handschriften  nachgewiesen  —  geht  wie  die  von 
De  aleat.  auf  MQT  zurück.  „Damit  ist  der  Eintritt  des  Traktats 
in  die  Cyprianische  Überlieferung  örtlich  sicher  fixiert  —  Rom; 
zeitlich  bleibt  ein  weiterer  Spielraum,  da  er  zwar  am  Schluß  von 
MQT  steht  (also  nicht  sicher  ist,  wie  lange  vorher  diese  Typen 
schon  fertig  waren),  andererseits  aber  am  Anfang  des  Schlußteils 
(weshalb  das  Jahrhundert  der  Codd.,  saec.  VIII,  IX.  anzunehmen, 
wohl  bereits  eine  zu  späte  Datierung  ist)". 

In  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  20  H.  3  S.  135  ff.  (schon  vorher 
in  meinem  Lehrbuch  der  Dogmengesch.  I  *  S.  584,  PS.  676)  habeich 
diese  durch  ihr  Vulgärlatein  (wie  Ad  aleat.,  Cypr.  ep.  8.  21.  22  etc.), 
die  Freiheit  ihrer  Bibelzitate  ^  und  ihren  naiven  Inhalt  wertvolle, 
bisher  völlig  vernachlässigte  Schrift   zu   untei-suchen  begonnen^. 

1)  Auch  Thielmiinu  hat  sich  für  afrikanischen  Ursprung  ausgesprochen 
auf  Grund  des  von  ihm  gf^fiihrten  Nachweises  (Archiv  f.  lat.  Lesikogr.  Bd.  9, 
1894,  S.  150  ff.),  daß  der  Bibeltext  mit  dem  Augustins  stimmt. 

2)  „Ein  mit  fremdartigen  Wucherungen  bedeckter  Bibeltext"  (Jülich er). 
S)  Einige  textkritische  Beiträge  bei  Mercati  (D'alcuni  nuovi  sussidi  et<5., 

1899,  p.  41  ff.);  er  hat  richtig  (gegen  Hartel)  gezeigt,  daß  der  Anfang  der 
Schrift  intakt  ist  und  daß  der  ursprüngliche  Titel  lautet:  „De  montibus  Sina 
et  Sion.  Probatio  [Unt-ersuchung]  capitulorum  quae  in  scripturis  deificis  con- 
tinentur". 


384  ^io  Litteratar  des  Abendlandes. 

Die  Zeitbestimmung,  die  ich  als  wahrscheinlichste  empfohlen  habe, 
nämlich  die  Jahre  c.  210— 240  (200—245),  ist  von  Bardeohewer* 
und  Macholz  anerkannt^.  Jülicher^  hat  die  Beweisführung^  un- 
verständlich gefunden,  selbst  aber  auf  eine  Zeitbestimmung  ver- 
zichtet. Ich  wiederhole  die  Grüipde:  der  terminus  a  quo  ergibt 
sich  aus  der  wahrscheinlichen  Benutzung  des  Apologetikums  Ter- 
tuUians  (und  vielleicht  auch  des  Irenäus);  ferner  aus  der  Beobach- 
tung, daß  der  Verf.  in  seiner  Christologie  zwar  deutlich  von  Her- 
mas abhängig  ist,  ihn  aber  nicht  unter  den  h.  Schriften  erwähnt 
Dazu  kommt,  wie  ich  jetzt  hinzufüge,  die  Benutzung  der  Acta 
Johannis;  denn  die  Annahme  liegt  sehr  nahe,  daß  das  rätselhafte 
Zitat  in  c.  13  aus  einem  apokryphen,  sonst  ganz  unbekannten 
„Brief*  des  Johannes  (ad  Paulum?  ad  populum?),  wo  Christas 
spricht:  „Ita  me  in  vobis  videte,  quomodo  quis  vestrum  se  videt 
in  aquani  aut  in  speculum",  nicht  unabhängig  ist  von  der  Stelle  in 
den  Acta  Johannis  (James,  Texts  and  Stud.  V,  p.  12):  "Egoxtqov 
elfil  001  tm  vooovvTi  fie.  Diese  Beziehung  wird  noch  wahrschein- 
licher, wenn  man  erwägt,  daß  ,,epistula'  nicht  „Brief*  zu  bedeuten 
braucht  ^  und  daß  es  an  unserer  Stelle  schwerlich  diese  Bedeutung 
hat;  denn  daß  Christus  in  einem  Briefe  in  direkter  Rede  sprechend 
eingeführt  worden  sei,  ist  unwahrscheinlich.  Also  wird  „epistula* 
als  „Anweisung"  zu  verstehen  sein  (in  diesem  Falle  ist  „ad  popu- 
lum" zu  lesen),  und  gemeint  ist  die  hymnische  Gebetsanweisung  in 
den  Acta  Johannis,  in  der  die  Stelle  {Ioojitqov  xtX.)  steht  und  die 
auch  Augustin  zitiert  hat 

Der  terminus  ad  quem  ergibt  sich  aus  der  Beobachtung,  daB 
der  Verfasser  in  der  Anfangszeit  der  christlich-lateinischen  Littera- 
tur  schreibt,  von  Cyprian  unabhängig  ist  und  daß  seine  Bibel  in 
ihrem  Textstande  ein  höchst  altertüuiliches  Gepräge  trägt.  A.a.O. 
habe  ich  noch  auf  Benutzungen  des  Traktats  in  der  Schrift  De 
pascha  computus  und  bei  Augustin  aufmerksam  gemacht,  aber  hin- 
zugefügt (S.  146),  daß  uian  diese  Beziehungen  auch  für  unsicher 
halten  kann.  Es  handelt  sich  um  die  (aus  dem  [slawischen]  Henoch 
stammende)  Ableitung  des  Namens  Adam  aus  den  Anfangsbuch- 
staben der  vier  Worte  Anatole.  Dvsis,  Arctus,  Mesembrion,  sowie 


1)  Gcscb.  a.  altkirchl.  Litt.  Bd.  J  S.  442  („die  These  H.s  mag  das  Richtige 
treffen"). 

2)  Spuren   binitarischer  Denkweise  im  Abendlande  seit  Tertullian,   Jena 
1902,  S.  3  („Hamacks  Ansetzung  ist  beizustimmen"). 

3)  Gott.  Gel.  Anz.  1900  Nr.  4  S.  273. 

4)  Die  allgemeinere  Bedeutung  des  Wortes   in  der  späteren  christlichen 
lateinischen  Litte ratur  ist  bekannt. 


Gyprian  nnd  PsendocyprianiBches.  3g5 

um  die  Zahlen berechnung  der  Buchstaben  dieses  Namens  (=»  46)  ^ 
Beide  Ausdeutungen  des  Namens  Adam  kennt  auch  Augustin  und 
bemerkt  zu  der  zweiten:  „Haec  etiam  ab  anterioribus,  maioribus 
nostris,  dicta  sunt'  (in  Job.  IX,  t4,  X,  12).  Also  scheint  er  unsere 
Schrift  gekannt  zu  haben,  mit  der  er  sich  übrigens  auch  wörtlich 
in  diesem  Abschnitt  berührt'^.  Er  kannte  sie  nicht  als  cypria- 
nisch;  denn  nach  seiner  Gewohnheit  hätte  er  sonst  wahrscheinlich 
Cyprians  Namen  genannt  Aber  schon  in  der  Schritt  De  pascha 
computus  c  16  lesen  wir:  ^^^titutum  est  templum  in  nomine  proto- 
plasti,  qui  dictus  est  Adam,  sicut  supra  diximus,  post  annos  XLVL 
sie  autem  ostenditur  in  nomine  Adam,  cum  apud  Graecos  prima 
littera  nominis  eins  dicitur  alpha  /i/a,  secunda  autem  delta  rioöaQeg, 
tertia  iterum  alpha  /ila  et  quarta  mi  reaoaQaxovra,  et  sie  fit 
numerus  XLVI".  Die  Stellen  sind  schwerlich  unabhängig  vonein- 
ander, wie  die  Form  der  Berechnung  und  die  Kombination  mit 
Job.  2,  19flF.  beweist  Aber  nicht  der  Verfasser  der  Schrift  De 
montibus  ist  der  Spätere;  denn  er  begeht  den  Fehler,  den  zweiten 
Tempel  mit  dem  ersten  zu  verwechseln,  während  der  Verfasser  der 
anderen  Schrift  das  Richtige  bietet 

Auf  die  Übereinstimmung  zwischen  unserer  Schrift  (c.  3)  und 
dem  novatianischen  Traktat  Adv.  Judaeos  (c.  2),  daß  der  Berg  Sinai 
in  Kanaan  liegt,  hat  Jnlicher  (a.  a.0.  S.  273)  aufmerksam  gemacht, 
und  er  sowohl  wie  Macholz  (a.  a.  0.  S.  4)  haben  Berührungen 
zwischen  De  montibus  und  den  pseudo-origenistischen  Tractatus 
angenommen.  Die  Stellen  freilich,  auf  die  dieser  verweist  (De 
mont  9  und  Tract  XII  p.  138,  12flF.),  beweisen  nichts. 


1)  „Hie  numerus  XLVI  passionem  camis  Adae  designat,  quam  Adae  camem 
in  se  figuralem  Christus  portavit  et  eam  in  ligno  suspendit  •  .  •  hie  ergo 
numerus  XLVI  passionem  deelarat,  eo  quod  VI.  millesimo  anno  hora  VI.  passus, 
resurgens  a  mortuis  XL.  die  in  eaelis  ascendit,  yel  quia  Salomon  XLVI  annis 
templum  deo  fabricaverit,  in  cuius  templi  similitudinem  Jesus  eamem  suam  esse 
dixit".  Ich  hatt«  geglaubt,  daß  die  Annahme,  Christus  lebe  im  6000.  Jahre 
post  creat.  mundi  einzigartig  sei;  aber  v.  D  ob  schütz  hat  mich  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  es  auch  die  Rechnung  xaxa  ^AyztoxstQ  ist  (s.  Geiz  er, 
Aftikanus  Bd.  2  S.  1.30).  Wie  alt  sie  ist,  ist  unbekannt.  Diodor  polemisiert 
gegen  sie  (PseudoJustin,  Quaest.  ad  Orthod.  71). 

2)  Vgl.  Macholz  (S.  32ff.),  der  dies  in  bezug  auf  die  Christologie  aus- 
führlich nachweist.  Vergleicht  man  die  Tabelle,  die  er  gegeben  hat,  so  drängt 
sich  die  Annahme  auf,  daß  De  montibus  in  De  pascha  benutzt  ist.  —  Auch  im 
frühen  Mittelalter  kannte  man  die  Ableitung  des  Namens  Adam.  So  heißt  es 
in  den  „Joea  monachorum"  saee.  IX.,  hrsg.  von  Wölfflin  (K.  Preuß.  Sitzungsber. 
1872  S.  110):  „Die  mihi  nomina  IV  stillarum  (so  nennt  auch  unsere  Schrift  die 
Himmelsgegenden),  unde  ortum  est  nomen  Adam.  Responsio:   Anatolem,  Dysis, 

Arctus,  Misimbria". 

Harnack,  Altchrist).  Litteraturgesch.  n,  2.  25 


386  Die  Litteratnr  des  Abendlandes. 

Das  interessanteste  in  dem  Büchlein  ist  die  volkstümliche 
Christologie.  Ich  habe  sie  a.  a.  0.  S.  141  flF.  beschrieben.  Auch  um 
ihretwillen  (sowie  des  noch  so  stark  zurücktretenden  Gebrauchs 
der  paulinischen  Briefe  wegen)  wird  man  nicht  gern  mit  dem 
Büchlein  über  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  heruntersteigen.  £twas 
80  Naives  liest  man  in  der  ganzen  lateinisch-christlichen  Litteratnr 
sonst  nicht.  Indessen  sind  die  Akten  über  die  Schrift  noch  nicht 
geschlossen:  sie  bedarf  einer  neuen  Edition,  die  ihre  ui*sprüngliche 
Farbe  rein  herstellt,  und  eines  genauen  Kommentars.  Afrikani- 
scher (nicht  römischer)  Ursprung  ist  um  des  Bibeltextes  willen 
wahrscheinlich. 


d)  Exhortatio  de  paenitentia. 

Dieser  von  Trombelli  i.  J.  1751  zum  ersten  Male  edierte  und 
als  cyprianisch  verteidigte,  von  Hartel  nicht  abgedruckte,  in  seiner 
Anlage  an  die  beiden  cyprianischen  Testimonien -Sammlungen  er- 
innernde Traktat,  der  jüngst  zweimal  ediert  worden  ist  (von  Wun- 
derer, Erlanger  Gymn.  Progi-amm,  1889  und  von  Miodonski, 
Incerti  auctoris  Exhort.  de  paenit,  Krakau,  1893),  ist  in  den  Cyprian- 
Handschriften  ziemlich  selten  und  augenscheinlich  spät  in  die 
Cyprian-Überlieferung eingedrungen (s.  Soden,  a.a.O.S.  228f.)^.  Da 
er  nur  eine  Bibelstellen-Sammlung  ist,  ist  es  nicht  möglich,  ihn  mit 
einiger  Bestimmtheit  zu  datieren.  Der  Bibeltext  verbietet  es  —  ganz 
abgesehen  von  dem  so  gut  wie  nichts  bedeutenden  Zeugnis  der  Hand- 
schriften —  ihn  dem  Cyprian  selbst  beizulegen.  Dazu  kommt  das 
völlige  Schweigen  der  Überlieferung.  Monceaux^  will  ihn  wenigstens 
für  einen  Zeitgenossen  Cyprians  retten:  „Elle  est  tres  probable- 
ment  d'uncontemporain  et  dun  compatriote.  Si  la  Version  biblique 
de  l'Exhortatio  n'est  pas  celle  de  Cyprien,  eile  s'en  rapproche  pour- 
tant  et  appartient  nettement  au  meme  groupe,  celui  des  testes 
„africains".  De  plus,  le  traite  touche  ä  une  question  qni  pas- 
sionnait  alors  toute  TAfrique,  et  il  est  construit  sur  le  modele  de 
deux  ouvrages  authentiques  de  Tfeveque  de  Carthage.  On  en  doit 
conclure,  semble-t-il,  qu'il  est  Toeuvre  d'un  de  ses  partisans  dans 
latfaire  des  lapsi,  peut  etre  d'un  clerc  de  son  entourage".  Allein 
diese  Ausführungen  beweisen  nichts.    Die  Frage  de   paenitentia 


1)  Nicht  zu  verwechseln  ißt  er  mit  der  „Paenitentia  Cypriani"  (s.  o.  S.  3G9^ 
die  in  einigen  lateinischen  Handschriften  denselben  Titel  führt.  Ein  Cyprian- 
Scholion  bei  Nicetas  (Soden  S.  181  f.)  gehört  wohl  zu  dieser,  jedenfalls  nicht 
EU  unserer  Schrift. 

2)  ffist.  litt.  II  p.  87. 


Cyprian  und  Pseudocyprianisches.  387 

liat  noch  das  ganze  4.  Jahrhundert  beschäftigt,  und  der  Bibeltext 
berührt  sich,  wie  Wunderer  gezeigt  hat,  in  den  45  Bibelstellen, 
die  das  Schriftchen  umfaßt  ^  stark  mit  dem  Text  des  Hilarius  von 
Poitiers  und  Lucifer  von  Calaris.  Wunderer  ist  daher  geneigt,  die 
Sammlung  gegen  Ende  des  4.  oder  Anfang  des  5.  Jahrh.  (Zeit 
Pacians)  zu  setzen  und  macht  auch  eine  Beobachtung  geltend,  die 
f&r  Spanien  als  Abfassungsort  zu  sprechen  scheint.  Indessen  läßt 
sich  Bestimmteres  nicht  sagen,  als  daß  die  Sammlung  vor  der  Zeit 
des  Durchdringens  der  Bibelübersetzung  des  Hieronymus  entstan- 
den, daß  sie  wahrscheinlich  nicht  römisch  ist  und  daß  sie  aus  der 
Zeit  herrühi*t,  in  der  man  noch  mit  den  Novatianern  kämpfen 
mußte.  Sie  kann  noch  vornicänisch  sein;  aber  irgendeine  Gewähr 
dafür  gibt  es  nicht  2. 

e)  Ad  Novatianum^. 

Diese  Schrift,  deren  Überlieferung  der  von  De  pudicitia  (s.  dort) 
genau  parallel  ist,  habe  ich  dem  römischen  Bischof  Sixtus  IL  vin- 
diziert (257/58),  nachdem  sie  schon  Erasmus  dem  römischen  Bischof 
Cornelius  zugesprochen  hatte.  In  der  Kontroverse,  die  sich  über 
diese  Frage  erhoben  hat,  und  in  der  ich  (gegen  Benson)  noch  ein- 
mal das  Wort  genommen  habe,  handelt  es  sich  um  folgende 
Fragen: 

(1)  Stammt  die  Schrift  aus  cyprianischer  Zeit,  aber  vor  dem 
entscheidenden  Reskript  des  Valerian  i.  J.258?  Diese  Frage  wird 
von  allen  bejaht. 

(2)  Kann  die  Schrift  vor  dem  Juli  des  J.  253  geschrieben  sein? 
Benson  und  neuerlichst  Nelke  haben  das  gemeint;  allein  der 
letztere  auf  Grund  eines  supponierten  Nachspiels  der  decianischen 
Verfolgung,  das  er  auch  sonst  zu  begründen  strebt  und  stark  aus- 


1)  Unter  ihnen  nur  sieben  aus  dem  N.  T. 

2)  Auch  Barden  he  wer  (a.  a.  0.  II  S.  451)  begnügt  sich  damit,  den  yon 
Wunderer  empfohlenen  Ansatz  zu  buchen. 

3)  Harnack,  Eine  bisher  nicht  erkannte  Schrift  des  Papstes  Sixtus  II. 
i.  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  13  H.  1,  1895.  Weyman,  Litt.  Rundschau  1895 
Nr.  11.  Jülicher,  Theol.  Litt.-Ztg.  1896  Kol.  19ff.  Schanz,  Gesch.  der  röm. 
Litt  m,  1896,  S.  334f.  Funk,  Tüb.  Quartalschr.  Bd.  78,  1896,  S.  691if.  Benson, 
Cyprian,  1897,  S.  557 ff.  Rombold,  Über  den  Verf.  der  Schrift  Ad  Novat.  in 
d.  Tüb.  Quartalschr.  Bd.  82  S.  546 ff.  Harnack,  Texte  u.  Unters.  Bd.  20  H.  3, 
1900,  S.  116ff.  (Gegen  Benson).  Haußleiter,  i.  Theol.  Litt.-Bl.  1900  Kol.  521  ff. 
Ehrhard,  Die  altchristl.  Litt.  1900  S.  423ff.  Jülicher  i.  d.  Gott.  Gel.  Anz. 
1900  Nr.  4  S.  271f.  Nelke,  Chronol.  d.  Korresp.  Cyprians,  1902,  S.  159ff. 
Monceaux,  ffist.  litt.  T.  II,  1902,  p.  87ft*.  Bardenhewer,  a.  a.  0.  Bd.  2,  1903, 
S.  444f.    V.  Soden,  a.  a.  0.  S.  216f. 

25* 


388  Die  Litterator  des  Abendlandes. 

beutet  (S.  353),  das  aber  völlig  ia  der  Luft  schwebt  Unsere  Schrift^ 
in  eiuer  relativen  Friedenszeit  geschrieben,  setzt  ganz  deatlich 
nicht  nur  zwei  Verfolgnngszeiten,  die  eben  vergangen  sind,  voraus, 
sondern  muß  auch  als  zweite  die  Verfolgung  des  Gallus  und  Vo- 
lusianus  im  Auge  haben,  wenn  sie  als  erste  die  des  De  eins  be- 
zeichnet  (c  6:  „Duplex  emissio  [der  Taube  Noahs]  duplicem  nobis 
persecutionis  temptationem  ostendit:  prima  in  qua  qui  lapsi  sunt 
victi  ceciderunt,  secundain  qua  hi  ipsi  qui  ceciderunt  victores  ezti- 
terunt .  nulli  enim  nostrum  dubium  vel  incertum  est,  illos  qui  prima 
acie,  id  est  Deciana  persecutione  vulnerati  fuerunt  hos  postea 
id  est  secundo  proelio  [also  ist  dies  eine  andere  Verfolgung]  ita 
fortiter  perseverasse,  ut  contemnentes  edicta  saecularium  prin- 
cipum  [man  beachte  den  Plural]  hoc  invictum  haberent"  eta). 
Pragmatisch  setzt  auch  Cyprian  eine  zweite  Verfolgung,  nämlich 
die  des  Gallus,  genau  in  demselben  Zusammenhang  mit  der  ersten, 
wie  unser  Autor.  Also  schreibt  dieser  nach  Ablauf  der  zweiten 
Verfolgung,  d.  h.  nach  dem  Juli  253  und  dem  Tode  des  Cornelius. 
Also  ist  unsere  Schrift  sicher  zwischen  August  253  und  258. ab- 
gefaßt Diesem  Nachweise  haben  auch  Weyman,  Jülicher,  Rom- 
bold und  Monceaux  beigestimmt 

(3)  Staramt  die  Schrift  von  Cyprian?  Alle  außer  Bombold 
haben  diese  Frage  verneinte  Schon  der  Bibeltext  ist  ein  nnüber- 
steigliches  Hindernis.  So  urteilen  auch  Bardenhewer  und 
Haußleiter. 

(4)  Stammt  die  Schrift  von  einem  Bischof?  Alle  haben  die 
J'rage  bejaht;  man  vgl.  bereits  den  Eingang  der  Schrift 

(5)  Stammt  die  Schrift  aus  Rom?  Jülicher,  Rombold,  Bar- 
denhewer und  Monceaux  haben  das  bestritten,  Ehrhard,  Ben- 
son^,  Weyman,  Nelke'  es  mit  mir  bejaht.  Der  Bibeltext,  wie 
ich  gezeigt  habe,  weist  nach  Rom*.  Ferner,  der  Manu,  der  hier 
spricht,  spricht  mit  einer  solchen  Autorität,  daß  man  nur  an  Cyprian 

1)  Doch  findet  Jalicher,  1806  Kol.  20,  daß  die  Unmöglichkeit,  den  Trak- 
tat Cyprian  zuzuschreiben,  noch  nicht  ausreichend  dargetan  sei.  Für  den,  der 
die  Konstanz  des  Bibeltextes  Cyprians  kennt  und  der  sich  mit  dem  Stil  Gyprians 
völlig  vertraut  gemacht  hat,  kann  hier  keine  Frage  mehr  bestehen.  Der  Verf. 
hat  Cyprian  aufs  fleißigste  gelesen  und  sich  an  ihm  gebildet,  aber  man  kann 
aus  mehreren  Kapiteln  beweisen,  daß  er  nicht  Cyprian  selbst  sein  kann.  Dasa 
müßte  die  Geschichte  des  Traktats  in  der  Überlieferung  und  in  den  Hand* 
Schriften  eine  ganz  andere  sein,  wenn  er  von  Cyprian  selbst  herröhrte. 

2)  Rom  oder  Italien. 

3)  Nelke  sucht  zu  erweisen,  daß  der  Bischof  Cornelius  der  Yerf&saer  sei 
(wie  Erasmus),  was  aber  durch  die  Zeit  ausgeschlossen  ist. 

4)  Auch  die  Verfolgung  des  Gallus  ist,  soviel  wir  wissen,  nur  für  Rom 
wirklich  von  Bedeutung  gewesen,  nicht  für  Afrika. 


Gyprian  und  Pseadocypriaiiisohes.  3g9 

oder  an  einen  romischen  Bischof  denken  kann  (s.  anch  Nelke). 
Wo  sollte  denn  sonst  in  diesem  geistig  ganz  armen  Zeitalter  des 
Abendlandes  ein  solcher  Mann  gefunden  werden?  Selbst  Novatian 
hat  keine  geistig  bedeutenden  Bischöfe  im  Abendland  um  sich  zu 
sammeln  vermocht  Es  wai*en  eben  keine  vorhanden.  Unsere 
Schrift  stammt  aber  wie  von  einem  höchst  autoritativen,  so  auch 
von  einem  geistig  recht  bedeutenden  Autor.  Endlich  —  man  kann 
es  niemandem  andemonstrieren,  daß  der  Bischof,  der  hier  spricht, 
Novatian  selbst  neben  sich  hat  und  nicht  nur  eine  novatianische 
Kirche.  Mir  ist  dieser  Eindruck  ein  ganz  sicherer,  und  deshalb 
lassen  mich  alle  die  vagen  Hinweise,  die  Schrift  könnte  auch  in 
irgend  einer  Provinzialstadt  verfaßt  sein,  völlig  unerschüttert  ^ 

Da  nun  die  Schiift  zwischen  Aug.  253  und  258  abgefaßt  ist  und 
von  einem  römischen  Bischof  herrührt,  so  kann  sie,  weil  Stephanus  aus- 
geschlossen ist  (er  kann  nicht  in  dieser  Weise  von  Cyprian  gelernt 
und  seine  Gedanken  sich  angeeignet  haben)  und  weil  auch  an 
Lucius  nicht  zu  denken  ist  (er  wurde  selbst  zuerst  noch  von  den 
Nachwehen  der  Gallus- Verfolgung  betroffen,  regierte  nur  einige 
Monate,  und  Cyprian  hätte  ihn  als  Autor  dieser  Schrift  nennen 
müssen,  wenn  er  sie  geschrieben  hätte),  nur  von  Sixtus  IL  her- 
rühren^. Ich  glaube,  daß  eben  die  Stringenz  dieses  Schlusses  — 
wir  sind  in  der  Kritik  selten  in  der  Lage,  so  stringente 
Schlüsse  ziehen  zu  können  —  manche  Kritiker  abgeschreckt  hat 
Sie  wollen  sich  nicht  gefangen  geben,  argwöhnend,  daß  ein  so 
sicherer  Beweis  eine  Falle  sein  müsse.  Der  Beweis  aber  hat  kein 
punctum  minoris  resistentiae ;  denn  auch  die  Voraussetzung,  der 
Traktat  stamme  aus  Bom,  ist,  wie  bemerkt,  zuverlässig.  Es  gibt 
nur  eine  Möglichkeit  zu  entfliehen:  man  kann  versuchen,  den  Trak- 
tat als  eine  unter  dem  Namen  Cyprians  angefertigte  Stilübung  auf- 
zufassen. Daran  ist  auch  schon  gedacht  worden,  aber,  wie  mir 
scheint,  läßt  sich  diese  Hypothese  schlechterdings  nicht  glaubhaft 
machen. 

Ich  habe  in  meiner  ersten  größeren  Abhandlung  noch  manches 
Einzelne   angeführt,  um  die  Abfassung  durch  Sixtus  (257/58)  zu 


1)  Hat  man  anderBWO  als  in  Rom  gettchrieben:  „unde  et  dominus  Christus 
Petro  sed  et  ceteris  discipulis  suis  mandat  dicens:  Euntes  evangelizate  gentibus, 
baptizantes''  etc.?  —  Monceaux  (p.  89)  behauptet,  entscheidend  sei  für  Afrika, 
daß  es  c.  3  heiße:  „Sacramentum  baptismatis  quod  in  salutem  generis  humani 
provisum  et  soli  ecclesiae  caelesti  ratione  celebrare  [permissum]".  Als  ob  man 
in  Rom  das  nicht  behauptet  hätte,  obgleich  man  die  Ketzertaufe  gelten  ließ! 

2)  Daß  das  Verhältnis  des  Sixtus  zu  Cyprian  ein  anderes  war  als  das  des 
Stephanus  läßt  sich  aus  Cypr.  ep.  80  und  aus  der  Vita  Cypriani  schließen,  wo 
Sixtus  ,,bonus  et  pacificus"  genannt  wird. 


390  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

erhärten  und  die  Abfassungsverhältnisse  unter  Berücksichtigang 
dessen,  was  wir  sonst  von  Novatian  und  seiner  Bewegung  wissen, 
zu  erläutern.  Es  würde  zu  weit  führen,  diese  Ausführungen  hier 
zu  wiederholen  und  die  kleinen  Korrekturen  vorzunehmen,  die  mir 
jetzt  nötig  erscheinen.  Bemerkt  sei  nur  noch,  daß  im  Praedestin. 
c.  38  zu  lesen  steht:  „Contra  Novatum  beatus  Xystus  martyr  et 
episcopus  et  venerabilis  Cyprianus  martyr  Christi,  tuncCarthagi- 
niensis  pontifex,  scripsit  contra  Novatum  librum  de  lapsis,  quod 
possint  per  paenitentiam  recuperai*e  gratiam  quam  labende  perdi- 
derant,  quod  Novatus  adserebat  fieri  omnino  non  posse".  Dieses 
Zeugnis  ist  auch  nach  den  wichtigen  Nach  Weisungen,  die  von 
Schubert^  über  den  schon  früher  sattsam  bekannten  Unwert  der 
geschichtlichen  Angaben  des  Prädestinatus  gegeben  hat,  doch  nicht 
einfach  beiseite  zu  schieben.  So  spärlich  die  nicht  erfundeneu, 
sondern  überlieferten  Angaben  des  Buchs  sind,  so  gewiß  ist  es, 
daß  die  Angabe,  Cyprian  habe  gegen  Novatus  (Novatian)  geschrie- 
ben, nicht  erfunden  ist  Also  kann  auch  die  Nachricht,  daß  Sixtns 
gegen  ihn  aufgetreten  ist  bez.  gegen  ihn  geschrieben  hat  (letzteres 
folgt  nicht  ganz  sicher  aus  dem  Text),  auf  Überlieferung  beruhen, 
ja  mir  scheint  das  um  des  Zusammenhangs  willen  sehr  naheliegend 
zu  sein 2.  Prädestinatus  hat  der  Oberlieferung  entnommen,  daß 
Sixtus  und  Cyprian  gegen  Novatian  aufgetreten  sind.  Wäre  er 
der  Briefsammlung  Cyprians  gefolgt,  so  hätte  er  Cornelius  und 
Cyprian  nennen  müssen.  Warum  nennt  er  jenen  nicht,  sondern 
8ixtus?  Weil  Cornelius  keinen  Traktat  gegen  Novatian  ver- 
faßt hat». 

f)  Ad  Vigilium  de  Judaica  incredulitate^ 

Die  handschriftliche  Überlieferung  dieses  noch  am  wenigsten 
untersuchten  pseudocyprianischen  Traktats  führt  auf  Cod.  T  zurück. 

1)  Der  sog.  Pi-ädestinatus,  i.  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  24  H.  4,  1903. 

2)  Schubert  hat  auch  gezeigt,  daß  der  Autor  dieses  Buchs  in  Rom 
schrieb. 

3)  Ehrhard  schreibt  (a.  a.  0.  S.  426):  „Tch  halte  Hamacks  Resultat  für 
gesichert"  (s.  auch  seine  Gegenbemerkungen  gegen  die  Einwürfe  von  Jülicher). 
Weyman,  Krüger  (Litt.  Zentralbl.  1895  Kol.  1393 f.),  Loofs  (Deutsche  liti- 
Ztg.  1895  Nr.  47),  Krüger  und  Haußleiter  erklärten  es  für  sehr  wahrschein- 
lich. Schanz  vermißte  völlig  durchschlagende  Argumente  noch.  Bedenken 
äußerte  auch  Funk  (Tüb.  Quartalschrift  1896  S.  691  fF.  KGesch.  AbhandL  u. 
Unters.  Bd.  2,  1899,  S.  236). 

4)  S.  Hartel,  Opp.  Cypr.,  Praef.  p.  LXIII.  Harnack,  Texte  u.  Unters. 
1,  1,  1883,  S.  119ff.  Zahn,  Forschungen  Bd.  4,  1891,  S.  310flF.  320f.  Macholz, 
Spuren  binitarischer  Denkweise  im  Abendland,  Jena  1902,  S.  öflf.  Soden, 
a.  a.  0.  S.  220 f.    Ficker,  Studien  zu  Vigilius  von  Thapsus,  Leipzig  1897. 


Cyprian  und  PBeadocvprianisches.  381 

Hippolyt  findet  sich  in  der  Tat  im  Vergleich  mit  den  Späteren 
noch  recht  viel  Apokryphes.  Hat  in  bezag  auf  die  Bibel  die  nova- 
tianische  Gemeinde  eine  ähnliche  Bewegung  erlebt,  wie  sie  später 
Priscillian  in  seinem  Kreise  in  Szene  gesetzt  hat?  Nur  die  Fragen 
vermögen  wir  aufzuwerfen.  Eine  Antwort  gibt  es  zurzeit  nicht 
Bemerkenswert  ist,  daß  der  römische  schismatische  Bischof  mit 
demselben  Selbstbewußtsein  spricht,  wie  Kailist,  Stephanus  und 
ihre  Nachfolger.  Die  Victor -Hypothese  halte  ich  für  schwer  ge- 
fährdet und  kaum  zu  halten;  aber  wie  sie  einen  Kern  des  Rich- 
tigen enthält,  so  glaube  ich  mit  ihr  der  fortschreitenden  Erkenntnis 
einen  Dienst  getan  zu  haben.  Sie  war  wahrscheinlich  ein  Irrtum, 
aber  kein  unfruchtbarer.  Hält  man  die  jetzt  vorgeschlagene  Hypo- 
these fiir  unannehmbar,  so  müßte  man  zu  Victor  zurückkehren. 

Kann  die  Schrift  Ad  aleatores  dem  Victor  nicht  beigelegt 
werden,  so  sind  wir  außer  stände,  des  Hieronymus  Behauptung  zu 
bestätigen,  Victor  sei  der  erste  lateinische  christliche  Schriftsteller 
gewesen.  Es  erhebt  sich  aber  dann  die  Frage,  ob  wir  dem  Hiero- 
nymus überhaupt  hier  trauen  dürfen.  Zwar  im  Schriftstellerkatalog 
bezeichnet  er  indirekt  (c.  34)  und  direkt  (c.  53)  Victor  als  den 
ersten  lateinischen  Schriftsteller,  aber  in  der  einige  Jahre  später 
geschriebenen  Epistula  ad  Magnum  (s.  oben  S.  370)  räumt  er  diesen 
Platz  dem  TertuUian  ein  und  schweigt  über  Victor  vollständig. 
Dieser  Rückzug  ist  am  einfachsten  so  zu  erklären,  daß  die  „me- 
diocria  Volumina  de  religione"  (bez.  die  „alia  quaedam  opuscula" 
über  die  opuscula  in  der  Passahfrage  hinaus)  nicht  selbständige 
Traktate,  sondern  offizielle  Schreiben  (Enzyklika)  waren,  die  grie- 
chisch und  lateinisch  existierten  und  die  man  als  schriftstellerische 
Erzeugnisse  sowohl  zählen  als  auch  nicht  zählen  konnte  (s.  Bar- 
den he  wer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  l.  Bd.  S.  530  f.,  der  darauf 
aufmerksam  macht,  daß  Hieron.,  de  vir.  inl.  45,  in  einem  Atemzug 
Polykrates'  Brief  gegen  Victor  „epistula  synodica"  imd  „opusculum** 
nennt).  Schwierigkeiten  macht  allerdings  bei  dieser  Erklärung 
der  Ausdruck  „De  religione"  ^ 

b)  De  pascha  computus. 

Daß  diese  Schrift  i.  J.  243  (und  zwar  vor  Ostern)  verfaßt  ist, 
sagt  sie  selbst  in  c.  22:    ,,a  quo  tempore  id  est  a  passione  usque 

1)  Sehr  eingehend  hat  über  die  Notizen  des  Hieronymus,  Victor  betreffend, 
Schöne  gehandelt  in  seiner  Schrift:  Die  Welt<jhronik  des  Eusebius  in  ihrer 
Bearbeitung  durch  Hieronymus  (1900)  S.  181—201.  Er  sucht  zu  erweisen,  daß 
ilie  beiden  Eintragungen  über  Victor  schon  dem  Eusebius  angehören,  obgleich 
sie  im  Armenier  fehlen,  und  daß  sie  auf  Schriften  Victors  im  Osterstreit  zu 
}»eziehen  sind. 


382  ^1^  Litteratur  des  Abendlandes. 

ad  annum  V.  Gordiani  Aniauo  et  Papo  coss.  soppleti  sunt  ann 
CCXV^'.  So  ist  sie  eiu  kostbares  Denkmal;  denn  sie  ist  die  ein- 
zige größere  und  noch  dazu  sicher  zu  datierende  Schrift  aus  der 
lateinischen  Kirche,  die  wir  nach  Tertullian  und  Hippolyt  und  tot 
Cyprian  besitzen.  Dem  entspricht,  daß  ihr  das  lateinische  Gewand 
noch  fremd  ist;  es  liegt  wie  ein  leichter  Schleier  auf  ihren  Äo»- 
fuhrungen  und  ihrem  Stile.  Daß  die  Schrift  sich  die  Au^abe 
gestellt  hat,  den  Osterkanon  des  Hippolyt  zu  berichtigen,  hat  Huf- 
mayr,  Die  pseudocyprianische  Schrift  De  pascha  computus  (Aog»- 
bürg,  1896),  erwiesen.  Vor  ihm  hatten  sich  nur  de  Rossi  (Inscr. 
(•hrist.  I  p.  LXXXff.)  und  Duchesne  (Origines  da  culte  chretien 
p.  247.  266  etc.)  mit  der  Schrift  beschäftigt  K  Dem  Anonymus  ist 
die  Korrektur  nicht  gelungen;  auch  seine  Berechnung  ist  fehler- 
haft^, obgleich  er  ein  anerkennenswertes  Wissen  zeigt  und  filtere 
Arbeiten  über  das  Problem  gekannt  und  erwogen  hat.  Aber  er 
hat  die  Aufgabe  unter  falschen  Prämissen  zu  lösen  versucht.  Seiner 
Sache  aber  ist  er  so  sicher,  daß  er  die  Lösung  auf  die  unendliche 
(jüte  Gottes,  die  unbegreifliche  Barmherzigkeit  Christi,  ja  die  In- 
spiration Gottes  (c  1)  zurückführt  und  nun  Unfehlbarkeit  f&r  sie 
in  Anspruch  nimmt:  „nunquam  posse  Christanos  a  via  veritatis 
errare''.  Eine  eingehende  Untersuchung  des  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  inhaltsreichen  Traktats  fehlt  noch  ^,  und  vor  einer  solchen 
wäre  es  gewagt,  sich  auf  die  Entstehungsverhältnisse  näher  ein- 
zulassen. Meine  Bemühungen  um  ihn  sind  noch  nicht  zum  Ab- 
schluß gekommen.  Monceaux  (Hist.  litt  II  p.  99flF.,  cf.  I  p.  121? 
hat  einiges  vom  Inhalt  des  Werkes  näher  ins  Auge   gefaßt    Er 


1)  Vgl.  auch  Schanz,  Rom.  Litt.  Ill,  181)0,  S.  3:«f. 

2)  Er  entfiTut  sicli  von  lIii)polyt  nicht  weit;  denn  auch  er  fußt  auf  eineui 
sechzehn  jährigen  Zykhis  (genannt  hat  er  übrigens  keinen  seiner  „antecessoree*" . 
Die  astronomische  Naivität  des  Verfassers  zeigt  sich  sofort,  nämlich  in  seinem 
Ausgangspunkt.  Der  Fehler  der  früheren  soll  lediglich  auf  falscher  Deutan^ 
der  einschlagenden  Schriftstellen  beruhen;  alles  komme  in  Ordnung,  wenn  man 
ans  der  h.  Schritt  den  ersten  Tag  des  ersten  Monats  bestimme.  Die  Entdeckung' 
des  Verfassers  beniht  nun  darin,  daß  man  den  ersten  Mond  nicht  vom  1., 
sondern  vom  4.  Weltschöpfungstage  zu  berechnen  habe.  Cf  c.  1:  „Malte  qui- 
dem  non  niodico  tempore  anxii  fnimus  et  aestuantes  non  in  sacculajibus  seil 
in  sanctis  et  divinis  scripturis  quaerentes  invenire,  quisnam  esset  primns  di^> 
novi  mensis,  in  ([uo  niense  praeceptum  est  ludaeis  in  Aegypto  pro  XIV.  lun;« 
iramolare  ])a8cha". 

3)  Hufmayrs  Arbeit  wollte  keine  umfassende  Monographie  sein.  — 
Einzigartiges  und  Altertümliches  findet  sich  genug  in  dem  Büchlein:  man  muß 
sich  wundern,  daß  es  so  vernachlässigt  ist.  Der  Name  des  Verfassers  muß  deü 
ersten  Lesern  bekannt  gewesen  sein;  denn  versteckt  zu  bleiben,  hat  der  Ver- 
fasser gewiß  nicht  angestrebt. 


Gyprian  und  Pseudocyprianisches.  393 

(5)  Die  Christologie  ist,  wie  Macholz  gezeigt  hat,  höchst 
altertümlich,  und  zwar  nicht  nur  an  einer  Stelle  S  sondern  darch- 
gehends.  Der  „Spiritus  sanctus"  und  „Christus"  werden  einfach 
identifiziert  (c.  7:  „Spiritus  sanctus  id  est  Christus  dominus  noster"', 
cf.  c.  1:  „loquitur  Spiritus  sanctus:  Hierusalem,  Hierusalem  etc." 
Christus  der  Paraklet;  der  h.  Geist  hat  sein  Kommen  [nämlich  in 
Christus]  selbst  vorausgesagt  etc.).  Mit  der  Schrift  „De  monti- 
bus"  stimmt  die  unsrige  in  dieser  Christologie  zusammen  2.  Sollte 
sie  noch  am  Ende  des  5.  Jahrh.  in  Afrika  gegolten  haben?? 

(6)  Nach  c  3  ist  der  alte  Simeon,  der  den  Herrn  auf  die  Arme 
genommen  hat,  blind  gewesen  und  dann  sehend  geworden?  Sind 
solche  Targume  im  3.  Jahrhundert  nicht  leichter  verständlich  als 
im  fünften? 

(7)  Der  Bibeltext  ist  —  worauf  ich  schon  früher  aufmerksam 
gemacht  habe  —  vorhieronymianisch.  Macholz  hat  ihn  S.  11—15 
zu  untersuchen  begonnen  und  jedenfalls  gezeigt,  daß  der  Bibeltext 
kein  Hindernis  bildet,  die  Schrift  ins  3.  Jahrb.  zu  versetzen. 

Ich  halte  diese  Gründe  für  stärker  als  die  schmalen  Beobach- 
tungen, die  für  eine  sehr  viel  spätere  Zeit  zu  sprechen  scheinen. 
Genauere  sprachliche  Untersuchungen  vorbehalten,  um  die  ich 
Weyman,  den  besten  Kenner  dieser  Latinität,  ersuche,  glaube  ich 
zurzeit  den  Traktat  der  Valerianischen  oder  Maximianischen  Ver- 
folgung zuweisen  zu  müssen  \  Die  tertuUianisch-cyprianische  Büß-, 
Verdienst-  und  Satisfaktions- Anschauungen  liegen  dem  Schriftchen 
jedenfalls  zugrunde. 

g)  De  rebaptismate^. 

Der  liber  de  rebaptismate  ist  die  aktuellste  Schrift  unter  den 

1)  Zahn  sah  in  ihr  einen  Einfluß  des  alten  Dialogs  auf  den  Verfasser. 

2)  Auch  mit  Abschnitten  der  Tractatus  Pseudoorigenis  berührt  sie  sich 
und  mit  Pseudocyprian,  Adv.  Jud.  Eine  interessante  Parellele  hat  Macholz 
(S.  11)  zu  Hippolyt,  De  antichristo  c.  61  mit  Ad  Vigil.  c.  6  entdeckt. 

3)  Für  Vigilius  v.  Trident  (saec.  V  init.)  spricht  noch  weniger  als  flir 
Vigilius  von  Thapsus. 

4)  Nach  den  Arbeiten Tillemonts,  Höflings,  Rouths  und  Fechtrups 
?.  Ernst,  Wann  und  wo  wurde  der  Liber  de  rebapt.  verfaßt?  in  d.  Ztschr.  f. 
kathol.  Theol.  Bd.  20,  1896,  S.  193ff.  360ff.  Bd.  22,  1898,  S.  179f.  Benson, 
€yprian,  1897,  S.  390 ff.  Schüler,  Der  pseudocypr.  Traktat  de  rebapt.,  Marburg 
1897  (auch  abgedruckt  i.  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  40,  1897,  S.  555 ff.). 
Lüdemann  i.  Theol.  Jahresbericht  1897  S.  196.  1898  S.  208f.  Czapla, 
<iennadiu8  als  Litterarhistoriker,  Münster  1898,  S.  66ft'.  Ernst,  Wann  und  wo 
wurde  der  Lib.  de  rebapt.  verfaßt?  i.  d.  Histor.  Jahrbuch  Bd.  19, 1898,  8.499 ff. 
737 ff  Zahn  i.  Theol.  Litt.-Blatt  1899  Nr.  27  und  in  seinem  Kommentar  zu 
Matth.  (1903)  S.  24.  Beck,  Der  Liber  de  rebapt.  und  die  Taufe,  im  „Katholik" 


384  ^0  Litteraiur  dei  AbencDandei, 

Die  Zeitbestimmung,  die  ich  als  wahrscheinlichste  empfohlen  habe, 
nämlich  die  Jahre  0.210—240  (200—245),  IstYon  Bardenhewer^ 
und  Macholz  anerkannt^.  Jülicher'  hat  die  Beweisführnng  nii- 
yerständlich  gefunden,  selbst  aber  auf  eine  Zeitbestimmung  lre^ 
ziehtet  Ich  wiederhole  die  GrQiide:  der  terminns  a  quo  ergibt 
sich  aus  der  wahrscheinlichen  Benutzung  des  Apologetikums  Ter- 
tuUians  (und  vielleicht  auch  des  Irenftus);  ferner  aus  der  Beobach- 
tung, daß  der  Verf.  in  seiner  Christologie  zwar  deutlich  von  Her- 
mas abhängig  ist,  ihn  aber  nicht  unter  den  h.  Schriften  erwIhnL 
Dazu  kommt,  wie  ich  jetzt  hinzufOge,  die  Benutzung  der  Acta 
Johannis;  denn  die  Annahme  liegt  sehr  nahe,  daß  das  rätselhafte 
Zitat  in  c.  13  aus  einem  apokryphen,  sonst  ganz  nnbekanntea 
„Brief  des  Johannes  (ad  Paulum?  ad  populum?),  wo  Christus 
spricht:  „Ita  me  in  vobis  videte,  quomodo  quis  vestrnm  se  videt 
in  aquam  aut  in  speculum'*,  nicht  unabhängig  ist  von  der  Stelle  in 
den  Acta  Johannis  (James,  Texts  and  Stud.  V,  p.  12):  'EkHUirQOP 
sl/il  601  T<p  voGovvxi  (iB,  Dicso  Bcziehung  wird  noch  wabrschein- 
liclier,  wenn  man  erwägt,  daß  „epistula'^  nicht  „Brief  zu  bedeuten 
braucht  \  und  daß  es  an  unserer  Stelle  schwerlich  diese  Bedentang 
hat;  denn  daß  Christus  in  einem  Briefe  in  direkter  Bede  sprechend 
eingefühii;  worden  sei,  ist  unwahrscheinlich.  Also  wird  „epistola'^ 
als  „Anweisung"'  zu  verstehen  sein  (in  diesem  {"alle  ist  „ad  popu- 
lum" zu  lesen),  und  genieint  ist  die  hymnische  Gtebetsanweisung  in 
den  Acta  Johannis,  in  der  die  Stelle  {JboonxQov  xtX.)  steht  und  die 
auch  Augustin  zitiert  hat 

Der  terminns  ad  quem  ergibt  sich  aus  der  Beobachtung,  daS 
der  Verfasser  in  der  Anfangszeit  der  christlich-lateinischen  Littera- 
tnr  schreibt,  von  Cyprian  unabhängig  ist  und  daß  seine  Bibel  in 
ihrem  Textstande  ein  höchst  altertümliches  Gepräge  trägt.  A.a.O. 
habe  ich  noch  auf  Benutzungen  des  Traktats  in  der  Schrift  De 
pascha  compiitus  und  bei  Augustin  aufmerksam  gemacht,  aber  hin- 
zugefügt (S.  146),  daß  man  diese  Beziehungen  auch  für  unsicher 
halten  kann.  Es  handelt  sich  um  die  (aus  dem  [slawischen]  Henoch 
stammende)  Ableitung  des  Namens  Adam  aus  den  Anfangsbuch- 
staben der  vier  Worte  Anatole,  Dysis,  Arctus,  Mesembrion,  sowie 


1)  Gesch.  d.  altkirchl.  Litt.  Bd.  2  S.  442  („die  These  H.8  mag  das  Richtig« 
treflfen"). 

2)  Spuren  bini tarischer  Denkweise  im  Abendlande  seit  Teitullian,   Jen» 
1902,  S.  3  („Harnacks  Ansetzung  ist  beizustimmen"). 

3)  Gott  Gel.  Anz.  1900  Nr.  4  S.  273. 

4)  Die  allgemeinere  Bedeutung  des  Wortes  in  der  sp&teren  chrigtlichen 
lateinischen  Litteratur  ist  bekannt. 


Gyprian  nnd  PBeadocyprianiBches.  3g5 

um  die  Zahlenberechnang  der  Buchstaben  dieses  Namens  («=  46)  ^ 
Beide  Ausdeutungen  des  Namens  Adam  kennt  auch  Augustin  und 
bemerkt  zu  der  zweiten:  ^Haec  etiam  ab  anterioribus,  maioribus 
nostris,  dicta  sunt*'  (in  Joh.  IX,  t4,  X,  12).  Also  scheint  er  unsere 
Schrift  gekannt  zu  haben,  mit  der  er  sich  übiigens  auch  wörtlich 
in  diesem  Abschnitt  berührt'^.  Er  kannte  sie  nicht  als  cypria- 
nisch;  denn  nach  seiner  Gewohnheit  hätte  er  sonst  wahrscheinlich 
Cyprians  Namen  genannt  Aber  schon  in  der  Schrift  De  pascha 
computus  c  16  lesen  wir:  ,3^stitutum  est  templum  in  nomine  proto- 
plasti,  qui  dictus  est  Adam,  sicut  supra  diximus,  post  annos  XLVL 
sie  autem  ostenditur  in  nomine  Adam,  cum  apud  Graecos  prima 
littera  nominis  eins  dicitur  alpha  /lea,  secunda  autem  delta  riooaQeg^ 
tertia  iterum  alpha  iila  et  quarta  mi  xBOoaQoxovxa,  et  sie  fit 
numerus  XLVI".  Die  Stellen  sind  schwerlich  unabhängig  vonein- 
ander, wie  die  Form  der  Berechnung  und  die  Kombination  mit 
Joh.  2,  19flF.  beweist  Aber  nicht  der  Verfasser  der  Schrift  De 
montibus  ist  der  Spätere;  denn  er  begeht  den  Fehler,  den  zweiten 
Tempel  mit  dem  ersten  zu  verwechseln,  während  der  Verfasser  der 
anderen  Schrift  das  Richtige  bietet 

Auf  die  Übereinstimmung  zwischen  unserer  Schrift  (c.  3)  und 
dem  novatianischen  Traktat  Adv.  Judaeos  (c.  2),  daß  der  Berg  Sinai 
in  Kanaan  liegt,  hat  Jülich  er  (a.  a.O.  S.  273)  aufmerksam  gemacht, 
und  er  sowohl  wie  Macholz  (a.  a.  0.  S.  4)  haben  Berührungen 
zwischen  De  montibus  und  den  pseudo-origenistischen  Tractatus 
angenommen.  Die  Stellen  freilich,  auf  die  dieser  verweist  (De 
mont  9  und  Tract  XII  p.  138,  12flF.),  beweisen  nichts. 


1)  „Hie  numerus  XLVI  passionem  camis  Adae  designat,  quam  Adae  camem 
in  se  figuralem  ChristuB  portavit  et  eam  in  ligno  suspendit  •  .  •  hie  ergo 
numerus  XLVI  passionem  deelarat,  eo  quod  VI.  mülesimo  anno  hora  VI.  passus, 
resurgens  a  mortuis  XL.  die  in  eaelis  aseendit,  vel  quia  Salomon  XLVI  annis 
templum  deo  fabricavcrit,  in  euius  templi  similitudinem  Jesus  eamem  suam  esse 
dixit".  Ich  hatt«  geglaubt,  daß  die  Annahme,  Christus  lebe  im  6000.  Jahre 
post  creat.  mundi  einzigartig  sei;  aber  y.  Dobsehütz  hat  mieh  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  es  auch  die  Rechnung  xaxä  ^AvxtoxslQ  ist  (s.  Geiz  er, 
Afrikanus  Bd.  2  S.  130).  Wie  alt  sie  ist,  ist  unbekannt.  Diodor  polemisiert 
gegen  sie  (PseudoJustin,  Quaest.  ad  Orthod.  71). 

2)  Vgl.  Macholz  (S.  32 ff.),  der  dies  in  bezug  auf  die  Christologie  aus- 
liihrlich  nachweist.  Vergleicht  man  die  Tabelle,  die  er  gegeben  hat,  so  drftngfe 
sich  die  Annahme  auf,  daß  De  montibus  in  De  pascha  benutzt  ist.  —  Auch  im 
frühen  Mittelalter  kannte  man  die  Ableitung  des  Namens  Adam.  So  heißt  es 
in  den  „Joca  monachorum"  saec.  IX.,  hrsg.  von  Wölfflin  (K.  Preuß.  Sitzungsber. 
1872  S.  110):  „Die  mihi  nomina  IV  stillarum  (so  nennt  auch  unsere  Schrift  die 
Himmelsgegenden),  unde  ortum  est  nomen  Adam.  Responsio:  Anatolem,  Dysis, 
Aretus,  Misimbria". 

Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesch.  II,  2.  25 


386  Die  Litteratnr  des  Abendlandes. 

Das  interessanteste  in  dem  Büchlein  ist  die  volkstfimlicbe 
Cliristologie.  Ich  habe  sie  a.  a.  0.  S.  141  ff.  beschrieben.  Auch  nm 
ihretwillen  (sowie  des  noch  so  stark  zurücktretenden  Gebrauchs 
der  paulinischen  Briefe  wegen)  wird  man  nicht  gern  mit  dem 
Büchlein  über  die  Mitte  des  S.Jahrhunderts  heruntersteigen.  £twas 
so  Naives  liest  man  in  der  ganzen  lateinisch-christlichen  Litteratiur 
sonst  nicht.  Indessen  sind  die  Akten  über  die  Schrift  noch  nicht 
geschlossen:  sie  bedarf  einer  neuen  Edition,  die  ihre  ursprüngliche 
Farbe  rein  herstellt,  und  eines  genauen  Kommentars.  Afrikani- 
scher (nicht  römischer)  Ursprung  ist  um  des  Bibeltextes  willen 
wahrscheinlich. 


d)  Exhortatio  de  paenitentia. 

Dieser  von  Trombelli  i.  J.  1751  zum  ersten  Male  edierte  und 
als  cyprianisch  verteidigte,  von  Hartel  nicht  abgedruckte,  in  seiner 
Anlage  an  die  beiden  cyprianischen  Testimonien -Sammlungen  e^ 
innernde  Traktat,  der  jüngst  zweimal  ediert  worden  ist  (von  Wun- 
derer, Erlanger  Gymn.  Progi-amm,  1889  und  von  Miodonski, 
Incerti  auctoris  Exhort.  de  paenit,  Krakau,  1893),  ist  in  den  Cyprian- 
Handschriften  ziemlich  selten  und  augenscheinlich  spät  in  die 
Cyprian-Überlieferungeingedrungen(s.  Soden,  a.a.O.S.  228f.)^  Da 
er  nur  eine  Bibelstellen-Sammlung  ist,  ist  es  nicht  möglich,  ihn  mit 
einiger  Bestimmtheit  zu  datieren.  Der  Bibeltext  verbietet  es  —  ganz 
abgesehen  von  dem  so  gut  wie  nichts  bedeutenden  Zeugnis  der  Hand- 
schriften —  ihn  dem  Cyprian  selbst  beizulegen.  Dazu  kommt  das 
völlige  Schweigen  der  Überlieferung.  Monceaux^  will  ihn  wenigstens 
für  einen  Zeitgenossen  Cyprians  retten:  „Elle  est  tres  probable- 
ment  d'uncontemporain  et  d'un  compatriote.  Si  la  Version  biblique 
de  l'Exhortatio  n'est  pas  celle  de  Cyprien,  eile  s'en  rapproche  poar- 
tant  et  appartient  nettement  au  meme  groupe,  celui  des  testes 
„africains".  De  plus,  le  traite  touche  ä  une  question  qui  pas- 
sionnait  alors  toute  TAfrique,  et  il  est  construit  sur  le  modele  de 
deux  ouvrages  authentiques  de  l'öveque  de  Carthage.  On  en  doit 
eonclure,  semble-t-il,  quil  est  Toeuvre  d'un  de  ses  partisans  dans 
latf'aire  des  lapsi,  peut  etre  d'un  clerc  de  son  entonrage".  Allein 
diese  Ausführungen  beweisen  nichts.    Die  Frage   de   paenitentia 


1)  Nicht  zu  verwechseln  ist  er  mit  der  „Paenitentia  Cypriani"  (g,  o.  S.  360'. 
die  in  einigen  lateinischen  Handschriften  denselben  Titel  führt.  Ein  Gyprian- 
Scholion  bei  Nicetas  (Soden  S.  181  f.)  gehört  wohl  zu  dieser,  jeden&lls  nicht 
SU  unserer  Schrift. 

2)  Hist.  litt.  II  p.  87. 


Gyprian  und  PaendocypriaiuBches.  387 

hat  noch  das  ganze  4.  Jahrhandert  beschäftigt,  und  der  Bibeltext 
berührt  sich,  wie  Wunderer  gezeigt  hat;  in  den  45  Bibelstellen, 
die  das  Schriftchen  umfaßt  ^  stark  mit  dem  Text  des  Hilarius  yon 
Poitiers  und  Lucifer  yon  Calaris.  Wunderer  ist  daher  geneigt,  die 
Sammlung  gegen  Ende  des  4.  oder  Anfang  des  5.  Jahrh.  (Zeit 
Padans)  zu  setzen  und  macht  auch  eine  Beobachtung  geltend,  die 
f&r  Spanien  als  Äbfassungsort  zu  sprechen  scheint  Indessen  läßt 
sich  Bestimmteres  nicht  sagen,  als  daß  die  Sammlung  vor  der  Zeit 
des  Durchdringens  der  Bibelübersetzung  des  Hieronymus  entstan- 
den, daß  sie  wahrscheinlich  nicht  römisch  ist  und  daß  sie  aus  der 
Zeit  herrührt,  in  der  man  noch  mit  den  Novatianem  kämpfen 
mußte.  Sie  kann  noch  vomicänisch  sein;  aber  irgendeine  Gewähr 
dafär  gibt  es  nicht  2. 

e)  Ad  Novatianum^ 

.  Diese  Schrift,  dei*en  Überlieferung  der  von  De  pudicitia  (s.  dort) 
genau  parallel  ist,  habe  ich  dem  römischen  Bischof  Sixtus  IL  vin- 
diziert (257/58),  nachdem  sie  schon  Erasmus  dem  römischen  Bischof 
Cornelius  zugesprochen  hatte.  In  der  Kontroverse,  die  sich  über 
diese  Frage  erhoben  hat,  und  in  der  ich  (gegen  Benson)  noch  ein- 
mal das  Wort  genommen  habCi  handelt  es  sich  um  folgende 
Fragen: 

(1)  Stammt  die  Schrift  aus  cyprianischer  Zeit,  aber  vor  dem 
entscheidenden  Reskript  des  Valerian  i.  J.258?  Diese  Frage  wird 
von  allen  bejaht. 

(2)  Kann  die  Schrift  vor  dem  Juli  des  J.  253  geschrieben  sein? 
Benson  und  neuerlichst  Nelke  haben  das  gemeint;  allein  der 
letztere  auf  Grund  eines  supponierten  Nachspiels  der  decianischen 
Verfolgung,  das  er  auch  sonst  zu  begründen  strebt  und  stark  aus- 


1)  Unter  ihnen  nur  sieben  aus  dem  N.  T. 

2)  Auch  Bardenhewer  (a.  a.  0.  II  S.  451)  begnügt  sich  damit,  den  von 
Wunderer  empfohlenen  Ansatz  zu  buchen. 

3)  Harnacky  Eine  bisher  nicht  erkannte  Schrift  des  Papstes  Sixtus  II. 
i.  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  13  H.  1,  1895.  Weyman,  Litt.  Rundschau  1895 
Nr.  11.  Jülicher,  Theol.  Litt.-Ztg.  1896  Kol.  19ff.  Schanz,  Gesch.  der  röm. 
Litt  m,  1896,  S.  334f.  Funk,  Tüb.  Quartalschr.  Bd.  78,  1896,  S.  691ff.  Benson, 
Cyprian,  1897,  S.  557 ff.  Rombold,  Über  den  Verf.  der  Schrift  Ad  Novat.  in 
d.  Tüb.  Quartalschr.  Bd.  82  S.  546ff.  Harnack,  Texte  u.  Unters.  Bd.  20H.  3, 
1900,  S.  116ff.  (Gegen  Benson).  Haußleiter,  i.  Theol.  Litt.-Bl.  1900  KoL  621ff. 
Ehrhard,  Die  altchristl.  Litt.  1900  S.  423ff.  Jülicher  i.  d.  GOtt.  Gel.  Anz. 
1900  Nr.  4  S.  271f.  Nelke,  Chronol.  d.  Korresp.  Cyprians,  1902,  S.  159ff. 
Monceaux,  Hist.  litt.  T.  II,  1902,  p.  87ff.  Bardenhewer,  a.  a.  0.  Bd.  2,  1903, 
S.  444f.    y.  Soden,  a.  a.  0.  S.  216£ 


3gg  Die  Litteratur  des  Abendlandes. 

beutet  (S.  353),  das  aber  völlig  In  der  Luft  schwebt  unsere  Schrift^ 
in  einer  relativen  Friedenszeit  geschrieben,  setzt  ganz  deatlich 
nicht  nur  zwei  Verfolgungszeiten,  die  eben  vergangen  sind,  voran 
sondern  muß  auch  als  zweite  die  Verfolgung  des  Gallas  nnd  Vo- 
lusianus  im  Auge  haben,  wenn  sie  als  erste  die  des  Decius  be- 
zeichnet (c  6:  „Duplex  emissio  [der  Taube  Noahs]  duplicem  nobis 
persecutionis  temptationem  ostendit:  prima  in  qua  qoi  lapsi  sont 
victi  ceciderunt,  secundain  qua  hi  ipsi  qui  ceddemnt  victores  wti- 
terunt .  nulli  enim  nostrum  dubium  vel  incertum  est,  illos  qoi  prima 
acie,  id  est  Deciana  persecutione  vulnerati  foerunt  hos  postea 
id  est  secundo  proelio  [also  ist  dies  eine  andere  Verfolgung]  ita 
fortiter  pei*severasse,  ut  contemnentes  edicta  saecularinm  prin- 
cipum  [man  beachte  den  Plural]  hoc  invictum  haberent*'  ^c). 
Pragmatisch  setzt  auch  Cyprian  eine  zweite  Verfolgung,  nämlich 
die  des  Gallus,  genau  in  demselben  Zusammenhang  mit  der  ersten, 
wie  unser  Autor.  Also  schreibt  dieser  nach  Ablauf  der  zweiten 
Verfolgung,  d.  h.  nach  dem  Juli  253  und  dem  Tode  des  Cionieliiis. 
Also  ist  unsere  Schrift  sicher  zwischen  August  253  und  258. ab- 
gefaßt Diesem  Nachweise  haben  auch  Weyman,  Jülicher,  Rom- 
bold  und  Monceaux  beigestimmt 

(3)  Stammt  die  Schrift  von  Cyprian?  Alle  außer  Bombold 
haben  diese  Frage  verneinte  Schon  der  Bibeltext  ist  ein  nnfiber- 
steigliches  Hindernis.  So  urteilen  auch  Bardenhewer  und 
Haußleiter. 

(4)  Stammt  die  Schrift  von  einem  Bischof?  Alle  haben  die 
Frage  bejaht;  man  vgl.  bereits  den  Eingang  der  Schrift 

(5)  Stammt  die  Schrift  aus  Rom?  Jülicher,  Rombold,  Bar- 
denhewer und  Monceaux  haben  das  bestritten,  Ehrhard,  Ben- 
son^,  Weyman,  Nelke ^  es  mit  mir  bejaht  Der  Bibeltext,  wie 
ich  gezeigt  habe,  weist  nach  Rom*.  Ferner,  der  Manu,  der  hier 
spricht,  spricht  mit  einer  solchen  Autorität,  daß  man  nur  an  Cyprian 

1)  Doch  findet  J  flu  eher,  1800  Kol.  20,  daß  die  Unmöglichkeit,  den  Trak- 
tat Cyprian  zuzuschreiben,  noch  nicht  ausreichend  dargetan  sei.  Für  den,  der 
die  Konstanz  des  Bibeltextes  Cyprians  kennt  und  der  sich  mit  dem  Stil  Gyprians 
völlig  vertraut  gemacht  hat,  kann  hier  keine  Frage  mehr  bestehen.  Der  Ver£ 
hat  Cyprian  aufs  fleißigst^i  gelesen  und  sich  an  ihm  gebildet,  aber  man  kann 
aus  mehreren  Kapiteln  beweisen,  daß  er  nicht  Cyprian  selbst  sein  kann.  Dan 
müßte  die  Geschichte  des  Traktats  in  der  Überlieferung  und  in  den  Ebuid- 
Schriften  eine  ganz  andere  sein,  wenn  er  von  Cyprian  selbst  herrührte. 

2)  Rom  oder  Italien. 

3)  Nelke  sucht  zu  erweisen,  daß  der  Bischof  Cornelius  der  Verfiuaer  sei 
(wie  Erasmus),  was  aber  durch  die  Zeit  ausgeschlossen  ist. 

4)  Auch  die  Verfolgung  des  Gallus  ist,  soviel  wir  wissen,  nur  för  Rom 
wirklich  von  Bedeutung  gewesen,  nicht  für  Afrika. 


Cyprian  und  PBeadocjpiiamsQhes.  3g9 

oder  an  eiDen  römischen  Bischof  denken  kann  (s.  auch  Nelke). 
Wo  sollte  denn  sonst  in  diesem  geistig  ganz  armen  Zeitalter  des 
Abendlandes  ein  solcher  Mann  gefanden  werden?  Selbst  Novatian 
hat  keine  geistig  bedeutenden  Bischöfe  im  Abendland  um  sich  zu 
sammeln  vermocht  Es  wai*en  eben  keine  vorhanden.  Unsere 
Schrift  stammt  aber  wie  von  einem  höchst  autoritativen,  so  auch 
von  einem  geistig  recht  bedeutenden  Autor.  Endlich  —  man  kann 
es  niemandem  andemonstrieren,  daß  der  Bischof,  der  hier  spricht, 
Novatian  selbst  neben  sich  hat  und  nicht  nur  eine  novatianische 
Kirche.  Mir  ist  dieser  Eindruck  ein  ganz  sicherer,  und  deshalb 
lassen  mich  alle  die  vagen  Hinweise,  die  Schrift  könnte  auch  in 
irgend  einer  Provinzialstadt  verfaßt  sein,  völlig  unerschüttert  ^. 

Da  nun  die  Schiift  zwischen  Aug.  253  und  258  abgefaßt  ist  und 
von  einem  römischen  Bischof  herrührt,  so  kann  sie,  weil  Stephanus  aus- 
geschlossen ist  (er  kann  nicht  in  dieser  Weise  von  Cyprian  gelernt 
und  seine  Gedanken  sich  angeeignet  haben)  und  weil  auch  an 
Lucius  nicht  zu  denken  ist  (er  wurde  selbst  zuerst  noch  von  den 
Nachwehen  der  Gallus- Verfolgung  betroffen,  regierte  nur  einige 
Monate,  und  Cyprian  hätte  ihn  als  Autor  dieser  Schrift  nennen 
müssen,  wenn  er  sie  geschrieben  hätte),  nur  von  Sixtus  IL  her- 
rühren 2.  Ich  glaube,  daß  eben  die  Stringenz  dieses  Schlusses  — 
wir  sind  in  der  Kritik  selten  in  der  Lage,  so  stringente 
Schlüsse  ziehen  zu  können  —  manche  Kritiker  abgeschreckt  hat 
Sie  wollen  sich  nicht  gefangen  geben,  argwöhnend,  daß  ein  so 
sicherer  Beweis  eine  Falle  sein  müsse.  Der  Beweis  aber  hat  kein 
punctum  minoris  resistentiae;  denn  auch  die  Voraussetzung,  der 
Traktat  stamme  aus  Bom,  ist,  wie  bemerkt,  zuverlässig.  Es  gibt 
nur  eine  Möglichkeit  zu  entfliehen:  man  kann  versuchen,  den  Trak- 
tat als  eine  unter  dem  Namen  Cyprians  angefertigte  Stilübung  auf- 
zufassen. Daran  ist  auch  schon  gedacht  worden,  aber,  wie  mir 
scheint,  läßt  sich  diese  Hypothese  schlechterdings  nicht  glaubhaft 
machen. 

Ich  habe  in  meiner  ersten  größeren  Abhandlung  noch  manches 
Kinzelne   angeführt,  um  die  Abfassung  durch  Sixtus  (257/58)  zu 


1)  Hat  man  anderswo  als  in  Rom  geschrieben:  „unde  et  dominus  Christus 
Petro  sed  et  ceteris  discipulis  suis  mandat  dicens:  Euntes  evangelizate  gentibus, 
bapÜzantes''  etc.?  —  Monceaux  (p.  89)  behauptet,  entscheidend  sei  fiir  Afrika, 
daß  es  c.  3  heiße:  ,ySacramentum  baptismatis  quod  in  saiutem  generis  humani 
proWsum  et  soli  ecclcsiae  caelesti  ratione  celebrare  [permissum]".  Als  ob  man 
in  Rom  das  nicht  behauptet  hätte,  obgleich  man   die  Ketzertaufe  gelten  ließ! 

2)  Daß  das  Verhältnis  des  Sixtus  zu  Cyprian  ein  anderes  war  als  das  des 
Stephanus  läßt  sich  aus  Cypr.  ep.  80  und  aus  der  Vita  Cypriani  schließen,  wo 
Sixtus  „bonus  et  pacificus''  genannt  wird. 


10  Die  Litteratur  des  Abendlandes. 

härteu  und  die  Abfassungsverhältnisse  unter  BerücksichtJgiiDg 
issen,  was  wir  sonst  von  Noyatian  und  seiner  Bewegung  irissen, 
i  erläutern.  Es  wurde  zu  weit  fähren,  diese  Ausfuhrungen  hi^ 
i  wiederholen  und  die  kleinen  Korrekturen  vorzunehmen,  die  mir 
tzt  nötig  erscheinen.  Bemerkt  sei  nur  noch,  daß  im  Praedestin. 
38  zu  lesen  steht:  „Contra  Novatum  beatus  Xystus  martjr  et 
)iscopus  et  venerabilis  Cyprianus  martyr  Christi,  tuncCarthagi- 
ensis  pontifex,  scripsit  contra  Novatum  librum  de  lapsis,  quod 
)ssint  per  paenitentiam  recuperai*e  gratiam  quam  labende  perdi- 
^rant,  quod  Novatus  adserebat  fieri  omnino  non  posse''.  Dieses 
eugnis  ist  auch  nach  den  wichtigen  Nach  Weisungen,  die  von 
chubert^  über  den  schon  früher  sattsam  bekannten  Unwert  der 
3schichtlichen  Angaben  des  Prädestinatus  gegeben  hat^  doch  nicht 
nfach  beiseite  zu  schieben.  So  spärlich  die  nicht  erfandenen, 
Indern  überlieferten  Angaben  des  Buchs  sind,  so  gewiß  ist  es, 
iß  die  Angabe,  Cyprian  habe  gegen  Novatus  (Novatian)  geschrie- 
BU,  nicht  erfunden  ist  Also  kann  auch  die  Nachricht,  daß  Sixtus 
^en  ihn  aufgetreten  ist  bez.  gegen  ihn  geschrieben  hat  (letztere» 
•Igt  nicht  ganz  sicher  aus  dem  Text),  auf  Überlieferung  beruhen, 
k  mir  scheint  das  um  des  Zusammenhangs  willen  sehr  naheliegend 
1  sein^.  Prädestinatus  hat  der  Überlieferung  entnommen,  daB 
ixtus  und  Cyprian  gegen  Novatian  aufgetreten  sind.  Wäre  er 
3r  Briefsammlung  Cyprians  gefolgt,  so  hätte  er  Cornelius  und 
yprian  nennen  müssen.  Warum  nennt  er  jenen  nicht,  sondern 
ixtus?  Weil  Cornelius  keinen  Traktat  gegen  Novatian  ver- 
ißt  hat  3. 

f)  Ad  Vigilium  de  Judaica  incredulitate^. 

Die  handschriftliche  Überlieferung  dieses  noch  am  wenigsten 
ntersuchten  pseudocyprianischen  Traktats  führt  auf  Cod.  T  zurück. 


1)  Der  BOg.  rradestinatus,  i.  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  24  H.  4,  1903. 

2)  Schubert  hat  auch  gezeigt,  daß  der  Autor  dieses  Buchs  in  Rom 
hrieb. 

3)  Ehrhard  schreibt  (a.  a.  0.  S.  420):  „Ich  halt«  Hamacks  Resultat  für 
^sichert"  (s.  auch  seine  Oegenbemerkungen  gegen  die  Einwürfe  von  Jfi Hoher). 
reyman,  Krüger  (Litt.  Zentralbl.  ]895  Kol.  1393f.),  Loofs  (Deutsche  Liti- 
bg.  1895  Nr.  47),  Krüger  und  Haußlciter  erklärten  es  für  sehr  wahrschein- 
eh.  Schanz  vermißte  völlig  durchschlagende  Argumente  noch.  Bedenken 
ißerte  auch  Funk  (Tüb.  Quartalschrifl  1896  S.  G91ff.  KGesch.  Abbandi  u. 
nters.  Bd.  2,  1899,  S.  230). 

4)  S.  Hartel,  Opp.  Cjpr.,  Praef.  p.  LXIH.    Harnack,   Texte  u.  unten. 
1,  1883,  S.  llOff.    Zahn,  Forschungen  Bd.  4,  1891,  S.  3 10 ff.  320f.   Macholz. 

puren  bini tarischer   Denkweise   im  Abendland,   Jena   1902,   S.   5 ff.     Soden, 
^~  0.  S.  220  f.    Ficker,  Studien  zu  Vigilius  von  Tliapsus,  Leipzig  1897. 


Cyprian  und  Pseudocyprianisches.  391 

Dort  steht  die  Schrift  in  folgender  Umgebung:  Adv.  Jud.,  Ad  aleat, 
De  mont-  (dann  unser  Traktat),  Vita  Pontii,  Carmen  de  resurr^ 
Caena,  Orat.  I  u.  II,  Passio.  „Man  erkennt  deutlich  die  Geschichte 
dieses  Anhangs.  Sie  hat  zwei  Stadien.  Das  ältere  reicht  bis  zu 
unserer  Schrift,  an  die  dann  die  ,Vita',  ein  deutliches  Schluß- 
signal, angeschlossen  wui'de.  Damit  ist  gegeben:  Ad  Yigilium  ist 
in  Rom  und  zwar  vor  saec.  IX.  —  denn  es  steht  im  älteren 
Teil  des  Anhangs  von  T  —  in  die  cyprianische  Über- 
lieferung eingetreten"  (Soden).  Da  Adv.  Jud.  dem  Novatian 
gebührt  und  Ad  aleat  und  De  mont.  nicht  jünger  sind  als  das 
3.  Jahrhundert,  besteht  zunächst  ein  gewisses  Vorurteil  zu  Recht, 
daß  auch  unsere  Schrift  nicht  später  ist  als  saec.  III. 

Die  Untersuchung  der  Schrift  hat  bis  zum  J.  1902  in  eine 
andere  Richtung  geführt  Zahn  und  ich  haben  Gründe  geltend 
zu  machen  versucht,  die  dafQr  sprechen,  daß  der  Bischof  Vigilius, 
dem  unsere  Schrift  (als  Begleitschreiben  zu  einer  vom  Verfasser 
angefertigten  lateinischen  Übersetzung  des  Dialogs  von  lason  und 
Papiskus)  gewidmet  ist,  der  bekannte  Vigilius  von  Thapsus  ist 
Allein  Mac  holz  hat  in  neuer  Untei-suchung  schwerwiegende  Ar- 
gumente für  die  Annahme  (die  durch  Überlieferung  nahe  gelegt 
ist)  beigebracht,  daß  unsere  Schrift  dem  3.  Jahrhundert  oder  dem 
Anfang  des  4.  angehörte  Worüber  ich  immer  noch  nicht  ganz 
hinwegkomme,  das  sind  die  Stellen,  die  eine  Abhängigkeit  von 
Augustin  nahelegen  und  die  Macholz  m.  E.  nicht  völlig  beseitigt 
hat  (S.  8)  2.  Allein  ich  gestehe  zu,  daß  die  Gründe  von  Macholz 
schwerwiegender  sind  als  diese  Beobachtungen: 

(1)  Die  von  einem  Celsus^  wahrscheinlich  in  Afrika*  verfaßte 


1)  Auf  ^yAltertümliches''  hatte  ich  selbst  schon  hingewiesen  im  L  Teil 
(lieses  "Werkes  S.  719. 

2)  Vor  allem  c.  1:  die  Menschen  sind  „pari  merito  nequitiae  genitalis 
obnoxii'',  und  c.G:  „inde  iam  fit  ut  credendo  intellegas,  intellegendo  quod  credis". — 
Die  Anrede  „sanctissime"  (init.  et  fin.)  ist  im  3.  Jahrh.  auffallend;  doch  mindert 
eich  das  Auffallende,  da  der  Schreiber  in  dem  Bischof  den  zukünftigen  MSxtyrer 
sieht.  Übrigens  redet  Novatian,  De  cibis  c.  1,  seine  Gemeindeglieder  ^^fratres 
sanctissimi''  an. 

3)  So  nennt  er  sich  selbst  am  Schlüsse;  aber  der  Remigianus  und  Cod.  t 
bieten  ,,Cecilium".  Dies  ist  wohl  eine  Korrektur,  um  den  Namen  Gyprians  zu 
gewinnen;  unwahrscheinlicher  ist,  daß  der  Mann  wii'klich  Gaecilius  hieß,  und 
er  deshalb  mit  Cyprian  identifiziert  worden  ist.  In  diesem  Falle  wäre  „Celsum" 
ein  schwer  erklärlicher  alter  Schreibfehler. 

4)  Jedenfalls  nicht  in  Rom.  Hier  würde  man  das  Latein  nicht  als  „Ro- 
manus sermo"  bezeichnet  (c.  8),  auch  nicht  von  .„alia  pars  huius  provinciae" 
(1.  c.)  gesprochen  haben.  Die  „Provinz",  in  der  der  Verf.  lebt,  scheint  an  der 
Küste  zu  liegen  (c.  9:   „transmarina  peregrinatio"). 


392  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

Zuschrift  ^  ist  zur  Zeit  einer  chronischen  und  blutigen  Verfolgung 
geschrieben,  die  —  wenn  nicht  ftti-  jeden  Bischof,  so  doch  für  den, 
an  den  sich  die  Schrift  richtet  —  eine  sichere  Aussicht  auf  das 
Martyrium  eröffnete.  Diese  Situation  wird  von  der  Vandalen- Ver- 
folgung weniger  gut  gedeckt  Man  sieht  sich  vielmehr  an  die 
Verfolgung  des  Valerian  oder  des  Maximianus  Herculias  erinnert 

(2)  Von  „Barbaren"  ist  nirgends  die  Rede,  auch  nicht  von 
Arianern  —  das  aber  müßte  man  erwarten,  wenn  die  Schrift  aus 
der  Vandalen-Zeit  stammte. 

(3)  Trotz  der  von  den  Heiden  (der  Obrigkeit)  ausgehenden 
Verfolgung  erregt  den  Verfasser  der  Unglaube  und  Haß  der  Juden 
viel  mehr  als  der  der  „gentiles".  Das  ist  bei  den  Verfolgungen 
der  vorkonstantinischen  Zeit  nicht  beispiellos,  bei  der  Vandalen- 
Verfolgung  auffallender. 

(4)  Das  Interesse  für  das  uralte  Büchlein  „lason  und  Papis- 
ku8^  (im  Abendland)  ist  mit  jedem  Jahrzehnt,  um  das  man  den 
Traktat  herunterrückt,  litterargeschichtlich  schwerer  verständlich. 


1)  Was  man  der  Zuschrift  in  bezug  auf  den  Verfasser  und  den  Adressaten 
entnehmen  kann,  hat  Macholz  (S.  9f.)  gut  zuBammengestellt.  (1)  Der  Verl  war 
ein  Greis,  (2)  er  lebte  in  einer  abendländischen  Provinz,  in  der  er  mit  seiner 
Kenntnis  des  Griechischen  eine  Ausnahme  bildete  (Hartel  schließt  aus  den 
Gräzismen,  daß  der  Verfasser  ein  geborener  Grieche  war),  (3)  er  interessierte 
sich  mehr  noch  als  für  den  Unglauben  der  Heiden  für  den  der  Juden,  (4)  aus 
diesem  Interesse  hat  er  den  alten  Dialot?  des  lason  und  Papiskus  übersetzt^ 
(5)  er  hat,  um  den  Vigilius  zu  sehen  und  ihm  seine  Übersetzung  zur  Begut- 
achtung zu  unterbreiten,  eine  weite  Reise  zu  ihm  gemacht,  (6)  er  stellt  unter 
den  größten  Komplimenten  sein  Werk  dem  Vigilius  zur  Verfügung,  (7)  er  will 
an  den  Worten  seineä  Mundes  hängen  und  „dem  Licht,  das  der  Herr  zeigt"  in 
den  Predigten  des  Vigilius  folgen,  (8)  er  will  in  den  Schülerkreis  des  Vigilius 
eintreten,  (9)  er  sieht  mit  Bestimmtheit  den  Märtyrertod  des  Bischofs  voraus 
und  erheischt  für  diesen  Fall  seine  Fürbitte.  —  Von  Vigilius  hören  wir:  (1)  er 
war  Bischof,  (2)  er  war  des  Griechischen  mächtig,  (3)  er  ist,  kaum  von  einer 
unerwartet  schnell  zurückgelegten,  überseeischen,  gefahrvollen  Reise  zurück- 
gekehrt, vom  Volke  zum  Bischof  berufen  worden,  und  dies  kann  noch  nicht 
weit  zurückliegen  [die  panegyrische  und  gezierte  Sprache  macht  die  Aus- 
führungen in  c.  9  schwer  verständlich;  Zahn  hat  sie  so  verstanden,  daß  Vigilius 
als  Fremdling  in  seine  zukünftige  Bischofsstadt  kam],  (4)  er  war  als  heiliger 
Mann  und  Prediger  bekannt  (also  schon  Kleriker),  (5)  er  hatte  einen  Kreis  von 
Schülern,  (6)  er  war  —  augenscheinlich  eben  durch  seine  Wahl  zum  Bischof  — 
den  Gefahren  des  Zeugentodes  so  ausgesetzt,  daß  ihn  Gelsus  als  prädestinierten 
Märtyrer  bezeichnen  konnte  (Zahns  Interpretation  des  9.  Kapitels,  nach  welcher 
Vigilius  bereits  ein  zeitweiliges  Martyrium,  bestehend  in  Gefängnis  oder  Exil, 
hinter  sich  hatte,  scheint  auf  den  ersten  Blick  zutreffend,  bewährt  sich  aber 
bei  näherer  Erwägung  des  Textes  doch  nicht.  Möglich,  vielleicht  wahrschein- 
lich ist,  daß  die  ersten  Schritte  des  Staates  gegen  Vigilius  schon  unternommen 
waren,  als  Celsus  schrieb).    . 


Gyprian  und  PBeudocyprianisches.  393 

(5)  Die  Cbristologie  ist,  wie  Macholz  gezeigt  hat,  höchst 
altertümlich,  und  zwar  nicht  nur  an  einer  Stelle  \  sondern  durch- 
gehends.  Der  „spiritos  sanctus"*  nnd  „Christus''  werden  einfach 
identiflziei*t  (c.  7:  „Spiritus  sanctus  id  est  Christus  dominus  noster'\ 
cf.  c.  1:  „loquitur  Spiritus  sanctus:  Hierusalem,  Hierusalem  etc." 
Christus  der  Paraklet;  der  h.  Geist  hat  sein  Kommen  [nämlich  in 
Christus]  selbst  vorausgesagt  etc.).  Mit  der  Schrift  „De  monti- 
bus**  stimmt  die  unsrige  in  dieser  Christologie  zusammen^.  Sollte 
sie  noch  am  Ende  des  5.  Jahrh.  in  Afrika  gegolten  haben?? 

(6)  Nach  c  3  ist  der  alte  Simeon,  der  den  Herrn  auf  die  Arme 
genommen  hat,  blind  gewesen  und  dann  sehend  geworden?  Sind 
solche  Targume  im  3.  Jahrhundert  nicht  leichter  verständlich  als 
im  fünften? 

(7)  Der  Bibeltext  ist  —  worauf  ich  schon  früher  aufmerksam 
gemacht  habe  —  vorhieronymianisch.  Macholz  hat  ihn  S.  11—15 
zu  untersuchen  begonnen  und  jedenfalls  gezeigt,  daß  der  Bibeltext 
kein  Hindernis  bildet,  die  Schrift  ins  3.  Jahrb.  zu  versetzen. 

Ich  halte  diese  Gründe  für  stärker  als  die  schmalen  Beobach- 
tungen, die  für  eine  sehr  viel  spätere  Zeit  zu  sprechen  scheinen. 
Genauere  sprachliche  Untersuchungen  vorbehalten,  um  die  ich 
Weyman,  den  besten  Kenner  dieser  Latinität,  ersuche,  glaube  ich 
zurzeit  den  Traktat  der  Valerianischen  oder  Maximianischen  Ver- 
folgung zuweisen  zu  müssen  K  Die  tertuUianisch-cyprianische  Büß-, 
Verdienst-  und  Satisfaktions- Anschauungen  liegen  dem  Schriftchen 
jedenfalls  zugrunde. 

g)  De  rebaptismate^ 

Der  Über  de  rebaptismate  ist  die  aktuellste  Schrift  unter  den 

1)  Zahn  Bah  in  ihr  einen  Einfluß  des  alten  Dialogs  auf  den  Verfasser. 

2)  Auch  mit  Abschnitten  der  Tractatus  Pseudoorigenis  berührt  sie  sich 
uud  mit  Pseudocyprian,  Adv.  Jud.  Eine  interessante  Parellele  hat  Macholz 
iS.  11)  zu  Hippolyt,  De  antichristo  c.  61  mit  Ad  Vigil.  c.  6  entdeckt. 

:i)  Für  Vigilius  v.  Trident  (saec.  V  init.)  spricht  noch  weniger  als  fiir 
Vigilius  von  Thapsus. 

4)  Nach  den  Arbeiten Tillemonts,  Höflings,  Rouths  und  Fechtrups 
<!.  Ernst,  Wann  und  wo  wurde  der  Liber  de  rebapt.  verfaßt?  in  d.  Ztschr.  f. 
kathol.  Theol.  Bd.  20,  1896,  S.  193ff.  360ff.  Bd.  22,  1898,  S.  179f.  Benson, 
Uyprian,  1897,  S.  390ff.  Schüler,  Der  pseudocypr.  Traktat  de  rebapt.,  Marburg 
1897  (auch  abgedruckt  i.  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  40,  1897,  S.  555  fif.). 
Lüdemann  i.  Theol.  Jahresbericht  1897  S.  196.  1898  S.  208f.  Czapla, 
«Jennadius  als  Litterarhistoriker,  Münster  1898,  S.  66ff.  Ernst,  Wann  und  wo 
wurde  der  Lib.  de  rebapt.  verfaßt?  i.  d.  Histor.  Jahrbuch  Bd.  19, 1898,  S.  499fiF. 
737ff:  Zahn  i.  Theol.  Litt.-Blatt  1899  Nr.  27  und  in  seinem  Kommentar  zu 
Matth.  riOOS)  S.  24.  Beck,  Der  Liber  de  rebapt.  und  die  Taufe,  im  „Katholik" 


394  ^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

pseudocyprianischen  Traktaten  ^  gehört  dem  breanenden  Streit 
zwischen  Stephanus  und  Cyprian  an  und  stammt  wahrscheinlich 
von  einem  Ursinus,  „homo  Romanus"  \  den  aber  Qennadius  irrtüm- 
lich um  c.  150  Jahre  zu  spät  ansetzt^.    Der  Traktat,  der  für  die 

1900,  Januar  S.  40ff.  Ernst,  Die  Lehre  des  Lib.  de  rebapt.  von  der  Taofe, 
i.  d.  Ztschr.  f.  kathol.  Theol.  Bd.  24,  1900,  S.425ff.  Ehrhard,  AltchristL  Litt, 
1900,  S.  464 ff.  Nelke,  Die  Chronologie  der  Korrespondenz  Cyprians,  1902, 
S.  171ff.  Monceaux,  Eist.  litt,  de  TAfrique,  T.  U,  1902,  p.  91ff.  Barden- 
hewer,  Gesch.  d.  altkirchl.  Litt.  Bd.  2,  1903,  S.  448ff.  v.  Soden,  a.  a.  O.  S.  217. 

1)  Ober  die  ganz  schmale  Überlieferung  s.  Ernst  und  y.  Soden,  a.  a.  0. 

2)  So  Gennadius;  die  Schrift  selbst  zeigt,  daß  sie  von  einem  Bischof  her- 
rührt (s.  c.  1. 4  und  10).  Woher  Gennadius  seine  Nachricht  hat,  weiß  man  nicht. 
Das  „homo  Romanus"  stammt  vielleicht  nur  aus  der  Einsicht,  daß  ürsinos  den 
römischen  Standpunkt  vertritt.  Ernst  will  nachgewiesen  haben,  daß  der  Ver- 
fasser in  Mauretanien  zu  suchen  sei  (ähnlich  Monceaux);  Schüler  denkt  an 
einen  italienischen  Bischof.  Sicher  läßt  sich  nicht  entscheiden;  aber  ein  Italiener 
hätte  wohl  Roms  Ansehen  stärker  betont.  An  Afrika  (s.  Cypr.  ep.  73)  wird  in 
erster  Linie  zu  denken  sein.  Stephanus  (so  Fleury)  wäre  auch  dann  aussu- 
schließen,  wenn  die  Schrift  aus  Italien  stammen  sollte;  denn  er  hätte  die 
Autorität  des  römischen  Stuhls  in  ganz  anderer  Weise  geltend  gemacht.  — 
Übrigens  bleibt  es  möglich,  daß  Gennadius  irrtümlich  den  YerfiEMser  unserer 
Schrift  und  Ursinus,  den  Verfasser  einer  andern  ähnlichen  Schrift,  identifiziert,  oder 
daß  er  zu  Unrecht  unsere  Schrift  mit  Ursinus  in  Verbindung  gebracht  hat 

3)  Gennadius  charakterisiert  (De  vir.  inl.  27)  eine  Schrift  gegen  die  Wieder- 
taufe so,  daß  man  mit  Wahrscheinlichkeit  imsere  Schrift  in  ihr  sehen  darf  (so 
Ernst,  Schüler,  Czapla,  Zahn  u.  a.).  Er  legt  sie  einem  „Ursinus,  homo 
Romanus''  bei,  glaubt  aber  augenscheinlich,  daß  derselbe  um  400  gelebt  habe. 
Letzteres  —  obgleich  Zahn  nach  dem  Vorgang  Oudins,  Ronth8u.a.far 
diesen  Ansatz  eingetreten  ist,  aber  ohne  seine  Gründe  zu  nennen  —  ist  m.  K 
nicht  möglich  (c.  1 :  „nova  quaestio'') ;  die  Schrift  zeigt  die  zwischen  Stephanus 
und  Cyprian  schwebende  Kontroverse,  obgleich  keine  Namen  genannt  sind. 
Über  ein  vatikanisches  Manuskript,  welches  die  Beischrift  getragen  hat  „Ursinas 
monachus  Afer",  s.  Ernst,  Ztschr.  f.  kathol.  Theol.  1896  S.  3(>0ff.  —  Die  Argu- 
mente, welche  Oudin,  Routh  etc.  für  den  Ursprung  um  400  geltend  gemacht 
haben,  sind  nicht  ganz  belanglos,  aber  von  Ernst  und  Schüler  (a.  a.  O.  S.  14£) 
m.  E.  ausreichend  widerlegt.  Die  stärksten  Argumente  gegen  einen  so  späten 
Ansatz  scheinen  mir  zu  sein,  daß  (c.  11 — 14)  die  Kirche  sich  in  einer  Zeit  be- 
findet, in  der  es  Märtyrer  gibt,  und  daß  auf  den  früheren  Ketzertaufstreit  unter 
Cyprian  ganz  bestimmt  hätte  zurückgeblickt  werden  müssen  (man  vgL,  wie 
Augustin  den  Donatisten  gegenüber  verfahren  ist),  wenn  wir  uns  mit  unserem 
Traktat  in  der  Zeit  um  400  befänden.  Statt  dessen  liest  man  nur  von  „prisca 
consulta",  gegen  die  man  sich  jetzt  „post  tot  saeculorum  tantam  seriem'*  erhebe 
und  „auctoritati  tot  annorum  totque  ecclesiarum  itemque  apostolonim  et  epi- 
scoporum**  widerspreche.  Vom  berühmten  cyprianischen  Ketzertaufistreit  ist  hier 
augenscheinlich  nicht  die  Rede,  und  die  übertriebenen  Zeitausdrücke  fordern, 
da  die  Apostel  ausdrücklich  genannt  sind,  nicht  die  Annahme  einer  längeren 
Zeitdauer  als  200  Jahre.  Daß  die  Gegner  Cyprians  hauptsächlich  die  „consue- 
tudo"  für  ihre  These  angerufen  haben,  weiß  man  auch  aus  den  Briefen  Cyprians. 
Unter  den  „prisca  consulta"   die  Synoden  von  Arles,   Nicäa  usw.  zu  verstehen, 


Cyprian  und  PseudocyprianischeB.  395 

römische  Praxis  eintritt  ^  aber  z.  T.  auf  eine  sehr  anfechtbare 
Weise  ^  ist  geschrieben,  als  der  Streit  bereits  stark  vorgeschritten 
war  und  Schriften  gewechselt  worden  waren  ^.  Die  Kontroverse, 
die  sich  zwischen  Ernst,  Schüler  und  Nelke  erhoben  hat,  in 
welchen  Moment  des  Streits  und  nach  welchen  Briefen  Cyprians 
man  den  Traktat  einzuschieben  hat,  scheint  mir  nicht  sicher  lös- 
bar. Ernst  rückt  ihn  nach  ep.  69—72,  aber  unmittelbar  vor  das 
Septemberkonzil  v.  J.  256  und  vor  die  Briefe  73.  74;  in  ihnen  und 
auf  jenem  Konzil  sei  die  Schrift  bereits  berücksichtigt  und  be- 
kämpft. Schüler  und  Nelke  lassen  das  Konzil  unserer  Schrift 
vorhergehen.  Volle  Sicherheit,  daß  in  irgend  einem  der  cypriani- 
schen  Briefe  unsere  Schrift  berücksichtigt  sei,  läßt  sich  nicht  ge- 
winnen; aber  Ernst  hat  diese  Berücksichtigung  im  73-  u.  74.  Brief 
allerdings  recht  wahrscheinlich  gemacht  In  diesem  Falle  ist  der 
lYaktat  auf  den  Sommer  256  (als^  vor  das  letzte  der  afrikanischen 
Konzilien  im  Ketzertaufstreit)  anzusetzen.  Auf  Cyprian  wird  (c.  1) 
ganz  deutlich  in  folgenden  Worten  polemisch  angespielt:  „.  .  .  ubi 
nuUus  alius  fructus  reperiatur  nisi  hie  solus,  ut  unus  homo,  qui- 
c'umque  ille  est,  magnae  prudentiae  et  constantiae  esse  apud  quos- 
dam  leves  homines  inani  gloria  praedicetur  et  haereticorum  stupore 
praeditus,  quibus  hoc  unicum  perditionis  solacium  est,  si  non  soll 
peccare  videantur,  errores  et  vitia  universarum  ecclesiarura  cor- 
rexisse  apud  simillimos  sui  et  compares  celebretur*'  (man  vgl.  das 
Folgende).  Auch  c.  3  wird  er  angeredet:  „Ad  quae  forte  tu,  qui 
novum  quid  inducis,  continuo  impatienter  respondeas  ut  soles  dixisse 
in  evangelio  dominum:  Nisi  quis  denuo  natus  fuerit  etc.",  ferner 
c.  4 ff.:  „Quid  tibi,  frater,  videtur?  etc.  etc."  „Sed  adhaec  ut  soles 
contradices,  etc.  etc.",  cf.  c.  10:  „sed  non  tam  ornato  ut  tu  et  com- 
posite  isti  quoque  simpliciores  homines  mysterium  fidei  tradant; 
dicturus  es  enim  utique  pro  tua  singulari  diligentia  etc.  .  .  .  sed 
enim,  virorum  optime,  reddamus  et  permittamus  virtutibus  caelesti- 
bus  vires  suas  etc."  c.  11.    Der  Traktat   ist  auch  seines  Zitats 


die  sich  mit  der  Ketzertauffrage  beschäftigt  haben,  liegt  nicht  nahe;  denn 
schwerlich  wären  sie  als  „prisca'^  bezeichnet  worden.  Auch  begreift  man  nicht, 
warum  sie  nicht  ausdrücklich  genannt  sind,  wenn  sie  gemeint  waren.  Der 
YerfELsser  denkt  augenscheinlich  in  nebelhafter  Weise  an  apostolische  Fest- 
setzungen (so  auch  Schüler). 

1)  „Yetustissima  consuetudo  ac  traditio  ecclesiastica". 

2]  Die  Wassertaufe  wird  überhaupt  herabgesetzt  zugunsten  der  Geistes- 
taufe  (=  Handauflegung),  die  allein  die  Sündenvergebung  und  den  Heils- 
empfiäng  vermittelt. 

3)  c.  1:  „nonnulla  super  hac  nova  quaestione  scripta  aut  reacripta  esse 
iactabantur,  quibus  utraque  pars  ad  destrucnda  aliena  summe  studio  nit^b^^ox'^ . 


396  ^^  Litierator  des  Abendlandes. 

des  „confictus  liber  qui  inscribitur  Pauli  Praedicatio"  (c.  17)  wegen 
von  Interesse.   „Ratio"  und  „consuetudo"  (gegen  Cypr.)  c.  19. 

Daß  der  Verf.  unseres  Traktats  in  bezug  auf  die  Grefallenen 
der  Ansicht  Novatians  nahe  stehe,  hat  Schüler  (S.  48flr.)  zu  er- 
kennen gemeint,  aber  Ernst  hat  mit  Recht  dagegen  eingewandt, 
daß  es  sich  an  der  betreffenden  Stelle  (c.  13)  nicht  um  Gefallene 
überhaupt,  sondern  um  Häretiker-Märtyrer  handle. 

Gegen  die  nicht  einleuchtende  und  in  sich  unwahrscheinliche 
Interpolationshypothese  von  Beck  (c.  16—18  sollen  ein  Einschub 
sein)  s.  die  Ausführung  von  Ernst  (1900  S.  425ff.). 

2)  Novatian^ 

Den  Ausgangspunkt  für  die  Untersuchung  der  Schriften  Nova- 
tians hat  man  bei  den  beiden  Briefen  (Cypr.  30  u.  36)  zu  nehmen. 


t 


1)  Walch,  Eetzerhistorie  II,  S.  185 — 288  (die  grundlegende  Arbeit  neben 
Tillemonts  Darstellung),  vgl.  femer  Caspari,  Quellen  z.  Gesch.  des  Tauf* 
Symbols  Bd.  III;  Hagemann,  Die  römische  Kirche  und  ihr  Einfluß  usw.  (1864) 
S.  371  ff.;  Fechtrup,  Gyprian  I  (1878).  S.  auch  Harnack,  in  den  AbhandL, 
G.  y.  Weizsäcker  gewidmet,  1892  (die  Briefe  des  römischen  Klerus  aus  der  Zeit 
der  Sedisvakanz  i.  J.  250);  Wehofer,  Zur  Decischen  Christen  Verfolgung  und 
zur  Charakteristik  Novatians,  in  der  Ephemeris  Salonitana  (1894)  S.  13 ff.;  der- 
selbe. Sprachliche  Eigentümlichkeiten  des  klassischen  Juristenlateins  in  No- 
vatians Briefen,  in  den  Wiener  Studien,  Bd.  23  (1901)  S.  269 ff.;  Preuschen 
bei  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.,  Teil  I,  S.  652—656;  Harnack,  Ab- 
handl.,  von  Oettingen  gewidmet,  1897  (der  pseudoaugustinische  Traktat  contra 
Novatianum);  Schanz,  Gesch.  der  römischen  Litt.  Bd.  III  (1896)  S.  342  ff.;  Katten- 
busch,  Apost.  Symbol,  2.  Bd.  (1900)  passim;  Ehrhard,  AltchristL  Litt.  (19(X>) 
S.  417  ff. ;  Bardenhewer,  Geschichte  der  altkirchlichen  Litterator,  2.  Bd. 
(1903)  S.  559ff.;  Harnack  in  der  Protest.  REnzyklop.3  Bd.  14,  1904:  ,^ova- 
tian".  Zur  Überlieferungsgeschichte  der  pseudocyprianischen,  dem  Novatian 
gebührenden  Schriften  s.  v.  Soden  in  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  25  H.  3  S.  205 ff. 

Griechische  Urschrift  des  Traktats  De  trinitate  und  AbÜELssung  durch 
Hippolyt  behauptete  Quarry  in  der  Hermathena  X,  Nr.  23  (1897)  S.  36ff. 
(Novatiani  de  trinitate  liber  in  its  probable  history).  Weyman,  Archiv  f 
lat.  Lexikogr.  Bd.  XI,  1808/1900  S.  225)  hat  diese  Hypothese  mit  Recht  abge- 
lehnt. Auch  Hagemann  wollte  Novatian  nicht  als  Verfasser  der  Schrift 
gelten  lassen. 

Ober  das  Alter  der  Zusammenstellung  (Philastrius),  Novatian  (Tertullian, 
so  in  der  Handschrift)  de  cibis  Jud.  (Neue  Ausgabe  von  Landgraf  und  Wey- 
man,  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  Bd.  XI  S.  221  ff.),  Bamabae  epist.  und  Jacobi 
epist.  8.  Zahn,  Gesch.  des  neutestamentl.  Kanons  I,  S.  324,  vgl.  Wordsworth 
und  Sanday  in  den  Studia  Bibl.  Oxon.  I  (1885)  p.  113  ff.,  die  Prolegomena  m 
Philastrius  von  Marx  im  Wiener  Corpus  Scriptorum  1898  und  Weyman, 
Phüol.  Bd.  52  S.  7-28 ff.;  derselbe,  MiszeUen  zu  lat.  Dichtem  (1898)  S.  8. 

De  spectaculis  hat  Weyman  Novatian  beigelegt,  s.  Historisches  Jahrbuch 


Novatian.  397 


der  GörreageseUschaft  1892  Bd.  XllI,  S.  737  ff.  vgl.  1893  Bd.  XIV,  S.  330  f. ;  Hau ß  - 
leiter,  Theol.  Litt.-Blatt  1892  Bd.  13  Nr.  37,  ia94  Bd.  15  Nr.  41;  Demmler, 
Über  den  Verf.  der  unter  Cyprians  Namen  überlieferten  Traktate  De  bono  pud. 
und  De  spect.,  Tübingen  1894  (dazu  Weyman  in  d.  Wochenschr.  f.  klasa. 
Philol.  1894,  Separatabzug].  Gegen  Wolf flin,  Cyprianus  de  spect.,  im  Archiv 
f.  lat.  Lexikogr.  1892  Bd.  VII  S.  1  ff.,  der  für  Cyprian  als  Verfasser  eintrat,  s. 
Weyman  a.  a.  0.;  Monceaux,  Hist.  litt,  de  l'Afrique  Vol.  II  (1902)  p.  106 ff., 
ist  für  afrikanischen  Ursprung.    Schanz,  ^  a.  0.  III  S.  331  f 

De  bono  pudic.  hat  ebenfalls  Weyman  dem  Novatian  beigelegt;  Litte- 
ratur  wie  bei  De  spectaculis.  Gegen  Matzinger,  Des  h.  Cyprianus  Traktat 
De  bono  pud.,  Nürnberg  1892  s.  Weyman  a.  a.  0.;  Schanz,  a.  a.  0.  III 
S.  332  f. 

Quod  idola  dii  non  sint  hat  Haußleiter  dem  Novatian  beigelegt,  ThLB. 
lid.  15  Nr.  41,  dazu  Litt.  Rundschau  f.  d.  kathol.  Deutschland  1895  Nr.  11  S.  330. 

De  laude  mart.  hat  Harnack  dem  Novatian  beigelegt,  s.  Texte  u.  Unters. 

1895  Bd.  13,  Hefk  4,  dagegen  Weyman  im  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  Bd.  XI 
S.  553  f.   und   Litt.  Rundschau  1895   Nr.  HS.  331  ff.,   s.  auch  Wiener  Studien 

1896  S.  317;  Loofs,  Deutsche  Litt.-Ztg.  1895  Nr.  47  (für  die  Hypothese);  Hil- 
genfeld,  Berliner  Philol.  Wochenschrift  1896  Nr.  30  (die  Hypothese  ist  sehr 
wahrscheinlich);  Monceaux  a.  a.  0.  S.  1020*.;  Schanz,  a.  a.  0.  III  S.  333 
(gegen  die  Hypothese). 

Ad  versus  .Tudaeos  hat  Landgraf  dem  novatianischen  Kreise  bez.  Novatian 
selbst  beigelegt,  im  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  Bd.  XI,  S.  87  ff.  Harnack  ist 
für  Novatian  eingetreten  in  den  Texten  u.  Unters.  1900  Bd.  20,  Heft  3,  S.  126  ff., 
8.  auch  Jülicher  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1900  Nr.  4  und  Jordan  im  Archiv 
f.  lat.  Lexikogr.  Bd.  XIH,  S.  59 ff.;  Schanz,  a.  a.  0.  III  S.  337 f. 

Die  unter  dem  Namen  des  Origenes  stehenden,  jüngst  von  Batiffol  ent- 
deckten und  edierten  (Paris,  1900)  biblischen  Traktate  hat  Weyman  dem 
Novatian  vindiziert  (Archiv  f.  lat.  Lexikogr.,  Bd.  XI,  S.  467 f.  u.  S.  545—576, 
Hist.  Jahrbuch  1900,  Bd.  XXI,  S.  212ft*).  Beigestimmt  haben  ihm  Haußleiter 
(ThLB.  Bd.  21,  1900,  Nr.  14—16  u.  Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  13,  Heft  2,  S.  119 ff.: 
,,Novatians  Predigt  üb.  d.  Kundschafter";  s.  auch  S.  270  ff.:  die  Stelle  2.  Kor.  5, 21 
in  d  Predigten  N.s),  Zahn  (Neue  kirchl.  Ztschr.  1900,  Bd.  XI,  S.  347 ff.  und 
Grundriß  der  Gesch.  des  neutestam.  Kanons  S.  18)  imd  Jordan  (Die  Theologie 
der  neuentdeckten  Predigten  Novatians,  Leipzig  1892,  vgl.  „Melito  und  Novatian" 
im  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  Bd.  XIII,  H.  1,  S.  59  ff.).  Gegen  Novatian  als 
Verfasser  haben  sich  entschieden:  Funk  (Tüb.  Quartalschr.  1900,  Bd.  82, 
8.  534  ff.),  Morin  (Rev.  B6n6dictine  1900  T.  XVII,  p.  232,  1902  T.  XIX  p.  225ff., 
Rev.  d'histoire  et  de  litt^rature  relig.,  1900  T.  V,  p.  145 ff.),  Künstle  (Litt. 
Rundschau  1900  S.  169  ff.),  Ehrhard  (Die  altchristl.  Litt,  und  ihre  Erforschung 
von  1884—1900,  1.  Abt.,  S.  328  ff.),  der  Rezensent  im  LCB.  1900,  Nr.  49  fer 
meint,  die  Verfasserfrage  sei  noch  nicht  zu  entscheiden),  Butler  (The  new 
tractatus  Origenis  im  Joum.  of  theological  studies.  Vol.  II,  1901,  p.  113  ff.  u. 
254  ff.),  derselbe  (in  der  Ztschr.  f.  die  NTliche  Wissensch.  Bd.  4,  1903, 
S.  79 ff.),  Batiffol  (Bull,  de  litt.  eccl^.  1900  Nr.  6  Juin  p.  190 ff.  1900 
Nr.  9  Nov.  p.  283  ff.,  derselbe  (in  der  Rev.  biblique  Bd.  12,  1903,  S.  81  ff.), 
Ammundsen  (Novatianus  og  Novatianismen  etc.,  Kopenhagen  1901  S.  97 ff.), 
Torrn  (En  kritisk  Fremstilling  af  Novatianus'  Liv  og  Forfatter  virk- 
Bomhed  etc.,  Kopenhagen  1901,  S.  112  ff.)  und  Andersen  (Novatian.  Kon- 
kurrenzah«  etc.,  Kopenhagen  1901,  S.  186  ff.).    Die  drei  letztgenannten  Arbeiten 


398  ^^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

Daß  sie  (nicht  aber  ep.  8)  von  ihm  herrfthren,  habe  ich  in  den 
„Abhandlungen  für  Weizsäcker"  gezeigt  (1892)  —  für  ep.  30 
hat  es  Cyprian  ep.  55,  5  bezeugt  — ,  und  niemand  hat  m.  W.  da 
Beweis  bestritten.  Die  Briefe,  obgleich  sie  nicht  sehr  nmfangreick 
sind,  enthalten  doch  recht  Vieles  zar  Kenntnis  der  Eigenart»  ds 
Stils  und  des  Bibeltexts  N.s.  Geschrieben  sind  sie  (s.  o.  S.  347)  ii 
der  Zeit  der  Sedisvakanz  in  Rom  (zwischen  dem  Tode  Fabians  ood 
dem  Antritt  des  Cornelius),  näher  im  August  bez.  September  250. 

Unter  dem  Namen  Novatians  ist  uns  nichts  überliefert;  denn  er 
war  Schismatiker;  aber  noch Hieronymus  bemerkt  (De  vir.  inL  70): 
„Scripsit 

De  pascha, 

De  sabbato, 

De  circumcisione, 

De  sacerdote, 

De  oratione  [nicht  de  ordinatione]. 

De  cibis  iudaicis  [wohl  =  de  mundis  atque  immundis  animili- 
bus,  Hieron.  ep.  36,  1], 

De  instantia, 

De  Attalo, 

multaque  alia  et 

De  trinitate  gi'aude  volumen,  quasi  kmtofitiv  operis  Tertnlliani 
faciens,  (luod  i)leri(iue  nescientes  Cypriani  existimant'*. 

In  der  ep.  10,  3  spricht  Hieronymus  im  allgemeinen  von  „epi- 
stolae  Novatiani".  Alle  diese  Werke  sind  bis  auf  zwei  spurlos 
verschwunden.  Unter  Tertullians  Namen  haben  sich  De  trinitate 
und  De  cibis  Iudaicis  erhaltend 

In  bezug  auf  De  cibis  Iudaicis  steht  es  fest  (durch  den  Inhalt, 
vgl.  bereits  die  Aufschrift:  „Novatianus  plebi  in  evangelio  per- 
staiiti  saluteni''),  dali  das  Büchlein  von  Novatian  als  schismatischem 
Bischof  verfallt  ist^:  er  ist  von  seiner  —  der  römischen  - 
Gemeinde  seit  längerer  Zeit  getrennt;  höchst  wahrscheinUch 
hat  ihn   eine  ^'erfolgung  vertrieben  ^   und  er  sendet    ihr  diesen 

kenne   ich   nur  aus  dem  Referate  von  Jordan  (a.  a.  0.  S.  11  fF.  65 ff.);  Bihl- 
meyer,  Zu  den  so^,  Novatian-Homilien  (Tüb.  Quartalschr.  1904  S.  38  ff.). 

Armcllini  (De  prisca  refut.  Origenis  1862)  hat  Novatian  als  Verfii«e: 
der  Bog.  Philosophumona  vorgeschlagen;  s.  gegen  ihn  Jungmann,  Diss.  Beleci. 
in  bist.  eccl.  I,  p.  225  ff.  und  Grisar  in  der  Innsbrucker  Ztschr.  1878  S.  öCöf 

1)  Schon  Rufin  glaubte,  De  trinitate  sei  von  Tertullian,  s.  Ruf,  de 
adulter.  libr.  Orig.  Hieron.,  c.  Ruf.  II,  10. 

2)  Also  nach  dem  Frühjahr  2:>1,  s.  o.  S.  B49  ff. 

3)  Ob  diese  Verfolgung  die  des  Gallus  oder  die  des  Valerian  ist,  \W^ 
sich  nicht   ausmachen.    DaÜ   Novatian   zwischen  257  u.  258  noch  gelebt  h^ 


Novatian.  399 

Brief  K  Die  UbereinstimmungeD  mit  den  Briefen  im  Stil  sind  z.  T. 
frappant;  die  Echtheit  ist  nicht  zu  bezweifeln. 

Daß  Novatian  bereits  vor  dem  Schisma  sich  als  Prediger, 
Schriftsteller,  Lehrer  der  kirchlichen  Wissenschaft  und  Verteidiger 
des  Evangeliums  sehr  hervorgetan  hat,  folgt  aus  dem  Brief  des 
Cornelius  an  Fabius  von  Antiochien  (Euseb.,  h.  e.  VI,  43),  aus  den 
Briefen  Cyprians  (bes.  ep.  44.  55.  60)  und  aus  der  Schrift  Sixtus  IP. 
Wir  können  das  noch  bestätigen;  denn  die  Schrift  De  trinitate 
legt  es  nirgendwo  nahe,  daß  sie  von  Novatian  als  Schismatiker 
verfaßt  sei,  sondern  zeigt  ihn  uns  als  in  der  Kirche  stehend.  Auch 
sie  ist  durch  zahlreiche  Übereinstimmungen  im  Wortvorrat,  Stil 
und  theologischen  Denken  mit  epp.  30.  36  und  De  cibis  ludaicis 
verbunden,  so  daß  man  an  diesen  vier  Schriftstücken  einen  sicheren 
Maßstab  für  andere  Werke  besitzt,  die  als  von  Novatian  herrührend 
sich  melden.  Wie  lange  vor  Ausbruch  der  Verfolgung  des  Decius 
das  Werk  De  trinitate  verfaßt  ist,  weiß  man  nicht.  Hippolyts  Zeit 
liegt  jedenfalls  schon  weit  hinter  ihm,  so  daß  man  bei  den  vier- 
ziger Jahren  des  3.  Jahrhunderts  stehen  bleiben  muß.  Hieronymus' 
Behauptung,  De  trinitate  sei  eine  Epitome  eines  Werks  Tertullians 
(nur  an  Adv.  Prax.  läßt  sich  denken),  bestätigt  sich  nicht;  doch 

zeigt  die  Schrift  des  Sixtus  IT.  an  ihn  (s.  o.  S.  387  S.).  Wann  er  gestorben  ist, 
weiß  man  nicht  sicher.  Sokrates  (IV,  28)  will  wissen,  daß  er  als  Märtyrer  in 
der  Verfolgung  Valerians  gestorben  sei  (so  auch  die  späteren  Novatianer).  Die 
Märtyrerakten,  die  im  (>.  Jahrhundert  umliefen,  waren  gefälscht  (s.  £ulogiu8  Alex, 
bei  rhotius,  Cod.  182.  208.  280).  Wenige  Notizen  über  ihn  als  Schismatiker 
bei  Dionysius  v.  Alex,  (im  0.  u.  7.  Buch  der  h.  e.  des  Eusebius)  und  bei  Sixtus, 
ad  Novatianum. 

1)  Am  Schluß  von  c.  1  sagt  der  Verfasser,  er  habe  der  Gemeinde  bereits 
früher  zwei  Briefe  geschrieben,  „quae  sit  vera  circumcisio  et  quod  verum 
sabbatum",  an  die  sich  dieses  Schreiben  anschließe.  Schriften  unter  diesen 
Titeln  hat  Hieron.  als  dem  Novatian  gehörig  genannt.  Dies  verstärkt  die 
Überzeugung  von  der  Echtheit  unserer  Epistel. 

2)  Von  seinem  früheren  Leben  wissen  wir  nur,  daß  er  trotz  der  Kliniker- 
taufe, die  er  erhalten,  und  der  mangelnden  Bestätigung  derselben  von  Fabian 
oder  einem  älteren  römischen  Bischof  zum  Presbyter  geweiht  worden  ist  und 
im  Kollegium  so  angesehen  war,  daß  er  im  Sommer  250  zur  Zeit  der  Sedis- 
vakanz  die  offizielle  Korrespondenz  geführt  hat.  Philosophische  (stoische)  Bil- 
dung und  treffliche  rhetorische  Schulung  geht  aus  seinen  Schriften  hervor  und 
wird  auch  —  fi-eilich  als  Tadel  —  von  den  Gegnern  bezeugt.  Feiges  Ver- 
halten in  einer  Verfolgung,  welches  ihm  Cornelius  vorwirft,  ist  schwer  glaub- 
lich; denn  Cornelius  verleumdete  den  Novatian  auch  sonst.  Dagegen  ist  nicht 
zu  leugnen,  daß  er  dem  Rigorismus  in  bezug  auf  die  Gefallenen  ursprünglich 
nicht  so  strikt  gehuldigt  hat,  wie  seit  Ausbruch  des  Schismas.  Sixtus  II.  wirft 
ihm  das  direkt  vor,  und  ep.  30  bestätigt  es.  —  Die  Nachricht  des  Philo- 
storgius,  er  sei  ein  geborener  Phrygier  gewesen  (h.  e.  VFIF,  15),  ist  schwer 
glaublich. 


400  ^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

bestehen  sachliche  ZusammenhäDge  zwischen  beiden  Schriften  \  die 
auch  sonst  zwischen  der  Schriftstellerei  beider  Männer  nicht  fehlen 
(man  vgl.  die  Titel  der  Werke,  die  oben  genannt  sind,  und  daza 
die  Schriften  De  spectaculis  und  De  bono  pudicitiae»  die  im  Fol- 
genden als  novatianische  erwiesen  werden  sollen).  Das  Werk  De 
trinitate  zeigt,  wie  zu  erwarten,  philosophische,  theologische  nnd 
rhetorische  Schulung  2. 

Unter  den  pseudocyprianischen  Werken  sind  oben  (S.  370)  sechs 
genannt  worden,  die  man  dem  Noyatian  vindiziert  hat  Über  das 
erste  haben  wir  soeben  gesprochen  (De  trinitate):  es  gebührt  ihm 
wirklich,  und  schon  Hieronymns  hat  das  gewußt.  Mit  den  f&nf 
übrigen  verhält  es  sich  anders:  sie  sind  erst  in  allerneuester  Zeit 
dem  N.  beigelegt  worden,  lediglich  auf  Grund  innerer  Eriterien. 
Nur  insofern  ist  auch  ein  —  freilich  sehi*  allgemeines  —  änfieres 
vorhanden,  als  De  trinitate  bezeugt,  daß  novatianische  Werke 
(oder  doch  mindestens  ein  Werk)  in  früher  Zeit  dem  Cyprian  bei- 
gelegt worden  sind.  Es  ist  also  nicht  nnmethodisch,  wenn  wir 
die  diesem  beigelegten,  sicher  unechten  und  herrenlosen  SchrUteu 
daraufhin  untersuchen,  ob  sie  nicht  novatianisches  Gut  enthaltend 

(a)  und  (b)  De  spectaculis  und  De  bono  pndicitiae.  Diese 
beiden  kleinen  Briefe  sind  durch  ihre  Situation  und  stilistische 
Eigenart  enge  verbunden,  haben  aber  eine  ganz  verschiedene  Über- 
lieferungsgeschichte in  den  Mss.  Als  Wurzel  der  Bezeugungen 
von  De  spect.  hat  Soden  (S.  2llflF.)  den  Typus  504,  wie  er  ihn 
nennt,  nachgewiesen.  Wann  die  Schrift  in  die  Cyprian  -  Über- 
lieferung eingetreten  ist,  läßt  sich  nicht  ermitteln.  Den  Ort  an- 
langend, „so  läßt  sich  Rom  aus  der  Überlieferung  außerordentlich 
wahrscheinlich  machen:  das  Spurium  steht  unmittelbar  vor  dem 
im  Original  stark  verstümmelten,  aus  römischen  Quellen  ergänzten 


1)  Aber  unverkennbar  ist  auch  die  Einwirkung  von  Irenäus. 

2)  Die  Versuche,  das  Werk,  das  durch  äußere  und  innere  Gründe  als  no- 
vatianisch  gesichert  ist,  dem  Hippolyt  zuzusprechen  und  gar  eine  griechiache 
Grundschrift  anzunehmen,  darf  man  sich  selbst  überlassen.  Die  Schrift  enthält 
übrigens,  wie  es  einer  streng  sachlichen  Darlegung  gebührt,  keine  direkten 
Zeitspuren.  Nur  aus  der  Behandlung  des  Modalismus  als  einer  erklärten  Hi- 
resie  kann  man  schließen,  daß  es  nach  dem  1.  Viertel  des  3.  Jahrhunderts 
verfaßt  ist. 

3)  Umsonst  würden  wir  bei  Tertullian  jetzt  suchen.  Zwar  wissen  wir. 
daß  auch  ihm  früher  De  trinitate  und  femer  De  cibis  ludaicis  beigelegt  wor- 
den ist  (wir  hätten  diese  Schriften  nicht  mehr,  wenn  sie  sich  nicht  in  ter- 
tullianischer  Überlieferung  erhalten  hatten),  aber  unter  den  seinen  Namen 
heute  in  der  Überlieferung  tragenden  Schriften  ist  keine  einzige,  bei  der  man 
die  Frage  aufwerfen  könnte,  ob  sie  von  Novatian  sei* 


Novaüan.  401 

letzten  Teil  von  504".  Dagegen  steht  De  bono  pud.  in  6  Codd.  des 
Typus  91  und  zwar  neben  Dehabitu  virg.,  also  in  einer  sachlichen 
Verbindung  ^ 

Beide  Briefe  haben  mit  De  cibis  Indaicis  das  gemein,  daß  sie 
Hirtenschreiben  eines  von  seiner  Gemeinde  entfernten  Bischofs 
(so  ausdrücklich  De  bono  pud.  1)  sind  (De  spect.  1:  „üt  me  satis 
contristat  et  animum  nostrum  graviter  affligit  cum  nuUa  mihi  scri- 
bendi  ad  vos  porrigitur  occasio  —  detrimentum  est  enim  meum  vo- 
biscum  non  coUoqui  — ,  ita  nihil  mihi  tantam  laetitiam  hilaritatemque 
restituit  quam  cum  adest  rursus  occasio .  vobiscum  me  esse  arbi- 
tror,  cum  vobis  per  litteras  loquor".  De  bono  pud.  1:  „hoc  certe 
mei  et  operis  et  muneris  cotidianum  votivum  negotium  absens  licet 
optinere  conitor  et  praesentiam  mei  vobis  reddere  per  litteras 
conor**.  c.  14:  „ego  pauca  dictavi,  quoniam  non  est  propositum 
Volumina  scribere,  sed  adlocutionem  transmittere").  Sie  gehören 
also  einer  Situation  an,  die  wir  für  Novatian  zu  belegen  ver- 
mögen 2. 

De  spect  trägt  die  Aufschrift:  „[Cyprianus]  plebi  in  evan- 
gelio  stantem  salutera".  De  cibis  ludaicis  beginnt:  „[TertuUianus] 
plebi  in  evangelio  perstanti  salutem"  (der  Anfang  von  De 
pudic.  fehlt  leider).  Diese  Hervorhebung  des  Evangeliums  (in  der 
Adresse!)  ist  echt  novatianisch  und  findet  sich  so  m.  W.  nur  bei 
ihm.  Das  Zusammenstimmen  von  De  spect.  und  De  cibis  ist  höchst 
bedeutsam. 

Die  Gedankenbildung  und  der  Stil  der  beiden  Schriften  haben 
nirgendwo  in  der  ganzen  lateinisch-christlichen  Litteratur  so  schla- 
gende Parallelen  wie  bei  Novatian.  Die  rhetorische  Schulung,  die 
Kürze  der  Darlegung,  die  poetische,  an  Virgil  gebildete  Sprache 
ist  genau  dieselbe  sowie  die  (leichte)  Abhängigkeit  von  Tertullian. 
Diese  Verbindung  virgilischer  Elegantien  und  klarer  rhetorischer 
Disposition  mit  dem  „vigor  ecclesiasticae  disciplinae"  (De  spect.  1), 
der  „Annitas  evangelicae  radicis**,  dem  Wertlegen  auf  die  christ- 
liche „perfectio"  findet  sich  sonst  bei  niemandem  als  bei  Novatian. 

Im  einzelnen  haben  Weyman  (namentlich  1892  S.  743flF.  u. 
in  seiner  mit  Landgraf  besorgten  Ausgabe  von  De  cibis  lud., 
1798)  und  Demmler  (1804  S.  25ff.)  noch  eine  Fülle  von  begriif- 
lichen  und  sprachlichen  Übereinstimmungen  unserer  Briefe  mit  den 
sicher  echten  Schriften  Novatians  nachgewiesen.  Infolge  des 
geradezu  überwältigenden  Eindrucks,  den  diese  Parallelen  machen 

1 )  Daß  die  Schrift  De  bono  pvid.  echon  dem  Zeno  Veron.  bekannt  gewesen 
ißt,  zeigt«  Weyman  aus  Caspari,  Briefe  und  Abhandl.  usw.,  1890,  S.  21. 
Für  De  spect.  gibt  es  kein  Zeugnis. 

2)  Für  Italien  (Rom)  als  Ort  der  Abfassung  s.  De  spect.  5  (Juppiter  Latiaris). 
Harnack,  Altchristi.  Litte raturResch.  II,  2.  20 


402  I)i6  Litteratur  des  Abendlandes. 

(auch  in  bezug  auf  den  Bibeltext),  hat  die  Annahme,  die  Briefe 
gehörten  dem  Novatian,  mit  Recht  fast  überall  Anerkennung  ge- 
funden ^  Doch  Monceaux  erklärte  sich  nicht  für  überzeugt  und 
denkt  an  einen  afrikanischen  Kleriker  aus  der  Umgebung  Cyprians^. 
Daß  die  beiden  Briefe  von  Hieronymus  nicht  genannt  sind,  ist 
keine  durchschlagende  Gegeninstanz;  denn  er  hat  ausdrücklich 
bemerkt,  daß  er  nicht  alle  Briefe  Novatians  einzeln  angeführt  habe. 
Wir  dürfen  De  spect.  und  De  bono  pudic  als  novatianische  SchrifteD 
bezeichnen. 

(c)  Adversus  Judaeos.  Schon  in  dem  Verzeichnis  von  Chel- 
tenham  vom  J.  359  steht  diese  Schrift  unter  den  cyprianischen. 
„Die  Überlieferung  ist  enge  mit  der  von  Ad  aleat.  verknüpfte  Vor 
dieser  Schrift  steht  Adv.  Jud.  in  MQT,  ist  also  wohl  mit  oder  nicht 
lange  vor  ihr  jedenfalls  auch  in  Rom  in  die  Überlieferung 
Cyprians  eingetreten".  Im  Verzeichnis  von  Cheltenham  steht  Adv. 
Jud.  zwischen  der  novatianischen  ep.  30  und  der  römischen 
Corneliusbriefsammlung.  „Damit  ist  als  die  Zeit  ihres  Eintritts 
die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  und  als  Ort  Rom  gesichert" 
(Soden  S.  221). 

Nach  den  Untersuchungen  von  Landgraf  (Archiv  f.  Lexikogr. 
Bd.  11  H.  1  S.  87ff.)  und  mir  (Texte  u.  Unters.  Bd.  20  H.  3  S.  126ft) 
ist  erwiesen,  daß  diese  Schrift  entweder  von  einem  Freunde  und 
Zeitgenossen  Novatians  oder  von  diesem  selbst  ist*.  Ich  habe 
daraus  den  Schluß  gezogen,  daß  das  letztere  allein  gilt^  und  auch 
Jülicher  ist  dieser  Meinung  (Gott  Gel.  Anz.  1900  Nr.  4).  Ab- 
hängigkeit von  Cyprian  ist  nicht  nachweisbar^  Damit  ist,  was  die 
Zeit  betrifft,  eine  ziemlich  bestimmte  Grenze  gesteckt^  und  ebenso 
ist  die  Auswahl  der  Personen,  die  in  Betracht  kommen  können, 
sehr  beschränkt.  Eine  römische  (jedenfalls  nicht  afrikanische) 
Schrift "^^  die,  wie  die  unsrige,  bereits  in  der  Mitte  des  4.  Jahr- 

1)  Ist  je  durch  innere  Kriteiien  ein  Autor  siclier  identifiziert  worden,  so 
ist  es  hier  geschehen. 

2)  Zweifel  sind  auch  Funk  übrig  geblieben  (Tüb.  Quartalschr.  1900  S.  545\ 
Doch  8.  seine  „Kirchengescli.  Abb.  u.  Unters."  Bd.  2  (1899)  S.  236:  „Immerhin 
mag  die  Autorschaft  Novatians  bei  De  spect.  und  De  bono  pud.  als  sehr  wahr- 
echeinlich  gelten". 

3)  Auch  mit  der  von  De  laude  martyrii. 

4)  Don  original  lateinischen  Ursprung  hat  Landgraf  über  jeden  Zweifel 
erhoben. 

5)  Wohl  aber  von  Tertullian  (wie  bei  Novatian),  s.  c.  2  u.  Tert.,  Scorp.  8. 
ü)  Diese  ergibt  sich  auch  aus  der  merkwürdigen  Schilderung  in  c.  10.   So 

demokratisch  ging  es  später  nicht  mehr  zu. 

7)  Auch  der  Zweck  der  Schrift,  der  nach  einer  scharfen  Verurteilung  auf 
Judenl)ekehrung  ausgeht,  macht  es  gewiß,  daß  sie  aus  einer  großen  Stadt  des 
Abendlandes  stammt,  in  der  zahlreiche  Juden  lebten. 


Novatian«  403 

hunderts  in  einem  römischen  Bücherverzeichnis  unter  den  Cyprian- 
Schriften  gestanden  hat,  kann  nicht  wohl  nach  dem  J.  300  ge- 
schrieben sein,  und,  da  sie  keine  Abhängigkeit  von  Gyprian  aufweist 
und  überhaupt  in  mehr  als  einer  Hinsicht  archaistisch  anmutet, 
ist  es  wahrscheinlicher,  daß  sie  vor  als  daß  sie  nach  260  entstan- 
den ist^  Da  nun  aber  ihr  Verfasser  nicht  nur  ein  geschulter 
Ehetor  ist,  der  mit  den  rhetorischen  Mitteln  in  geschicktester  Weise 
wechselt,  sondern  auch  ein  Dialektiker,  wie  das  kunstvoll  gebaute 
Eingangskapitel  erweist,  sich  auf  die  stoische  Erkenntnistheorie 
stützt  und  sich  des  poetischen  Prosastils,  aber  mit  Kraft,  bedient, 
so  ist  es  wahrscheinlich,  daß  sie  von  Novatian  stammt.  Land- 
graf hat  hierfür  auch  eine  große  Eeihe  sehr  beachtenswerter 
Einzelbeobachtungen  geltend  gemacht,  die  nicht  widerlegt  und  nicht 
leicht  anders  gedeutet  werden  können  2.  Ich  füge  hinzu,  daß ^ die 
Schrift  De  laude  martyrii,  mit  der  zusammen  unsere  Predigt  in 
der  Überlieferung  auftaucht,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch 
von  Novatian  herrührt  (s.  unten).  Auf  das  besondere  Interesse  an 
den  „cibis"  (in  c.  2)  sei  noch  verwiesen ,  desgleichen  auf  die  Vor- 
liebe für  Jesajas  (vgl.  die  Schrift  De  trinitate).  Wann  unsere  Pre- 
digt gehalten  ist,  läßt  sich  nicht  näher  bestimmen;  Novatian  (oder 
sein  Doppelgänger)  kann  sie  vor  oder  nach  dem  Schisma  gehalten 
haben;  denn  in  der  polemisch-apologetischen  Predigt  spiegeln  sich 
innerkirchliche  Verhältnisse  nicht  ab.  Höchstens  darauf  wäre  zu 
verweisen,  daß  der  Verf.  im  N.  T.  noch  wenig  zu  Hause  ist  und 
daß  er  selbst  in  der  evangelischen  Geschichte  nicht  sicher  bewan- 
dert ist,  sondern  Konfusion  macht. 

Weyman^  und  Bardenhewer  (II  S.  442)  haben  sich  nicht 
für  übei-zeugt  erklärt^:  Die  Abfassung  durch  Novatian  soll  nur 
eine  Möglichkeit  sein;  „greifbare  Merkmale  der  Hand  Novatians 
sind  nicht  aufzuzeigen".  Ich  weiß  nicht,  warum  die  beiden  Ge- 
lehrten die  Novatian-Hypothese  bei  De  spect.  und  De  bono  pud. 
mit  anderem  Maßstabe  messen  als  bei  unserer  Schrift.  Bibelstellen 
lassen  hier  freilich  keinen  Vergleich  zu;  denn  sie  fehlen  in  Adv. 
Jud.  so  gut  wie  ganz;  aber  in  bezug  auf  Stil,  Rhetorik,  Reinheit 
der  Sprache,  Virgilismen  usw.  steht  es  bei  Adv.  Jud.  genau  so  wie 
bei  den  beiden  anderen  Schriften.    Das  ist  um  so  auflallender,  als 

1)  Hat  man  sie  doch  fiir  hippoly tisch  halten  können. 

J)  Sie  hier  mitzuteilen,  würde  zu  weit  führen.  Mau  überschlage  sie  aber, 
indem  man  dabei  erwägt,  wie  kurz  die  Schrift  ist  und  wie  zahlreich  die  Menge 
der  Cbereinstimmungen! 

3)  In  den  Hist.-pol.  Blättern  Bd.  123  S.  G44  [ich  zitiere  hier  nach  Barden- 
hewer; ich  selbst  habe  den  Aufsatz  nicht  eingesehen]. 

1)  Ehrbar d  S.  420  läßt  die  Frage  auch  zweifelhaft. 

9n* 


404  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

De  spect  und  De  bono  pud.  wie  ep.  30.  36  und  De  cibis  Briefe 
(briefliche  Ansprachen),  also  durch  ihr  litterarisches  Genre  diesen 
von  vornherein  verwandt  sind,  während  Adv.  Jud.  eine  polemische 
Predigt  ist  Trotzdem  ist  die  Blutsverwandtschaft  mit  den  unbe- 
zweifelten  Novatian-Schriften  unverkennbar.  Adv.  Jud.  aber  hat 
gegenüber  De  spect  und  De  bono  pud.  den  hohen  Vorzug,  daß  die 
Schrift  eine  viel  ältere  Bezeugung  besitzt  und  daß  sie,  wo  sie  zu- 
erst auftaucht,  neben  der  novatianischen  ep.  30  erscheint! 

(d)  De  laude  martyrii.  Die  Überlieferung  dieses  in  den 
Handschriften  73  mal  bezeugten  Traktats  lehrt,  daß  er  in  dem 
Archetypus  der  ältesten  drei  Typen  am  Schluß  der  großen  kursie- 
renden Sammlung  stand,  aber  schon  geraume  Zeit  vor  der  Mitte 
des  4.  Jahrhunderts  (s.  das  Verzeichnis  von  Cheltenham  v.  J.  359, 
Lucifer  von  Cagliari  und  den  sog.  Typus  504)  zu  ep.  6  und  vor 
ep.  10  gestellt  worden  ist  Sein  Anschluß  an  die  Cyprian- Samm- 
lung ist  in  Rom  erfolgt  (Soden  S.  214ff.).  Deutet  schon  dies  darauf 
hin,  daß  er  in  Bom  entstanden  ist  und  zwar  sicher  nicht  später 
als  in  der  2.  Hälfte  des  3.  Jahrhundeiiis ,  so  lehrt  die  Tatsache, 
daß  er  zusammen  mit  Adv.  Jud.  und  Ad  aleat  auftaucht  —  denn 
das  sind  die  ältesten  und  zusammengehörigen  unechten  Stucke 
innerhalb  der  Cyprian-Sammlung  —  noch  mehr.  Sie  macht  es 
überaus  wahrscheinlich,  daß  auch  unser  Traktat  zur  novatianischen 
Litteratur  gehört,  da  Adv.  Jud.  von  Novatian  selbst  herrührt  und 
Ad  aleat  wahrscheinlich  die  Schrift  eines  alten  römischen  nova- 
tianischen Bischofs  ist  Bedenkt  man  weiter,  daß  das  Verzeichnis 
von  Cheltenham  (abgesehen  von  De  laude)  außer  Adv.  Jud.  nur 
noch  eine  nicht-cyprianische  enthält  \  nämlich  die  ep.  30,  dal^ 
diese  ebenfalls  von  Novatian  herrührt,  daß  die  Sammlun? 
des  J.  359  also  (abgesehen  von  De  laude)  eine  lediglich  durch  No- 
vatian-Schriften bereicherte  Cyprian-Sammlung  ist  so  haben  eigent- 
lich die  die  Beweislast  welche  die  Abfassung  von  De  laude  durch 
Novatian  in  Zweifel  ziehen. 

Die  inneren  (i  runde  unterstützen  die  Annahme  des  novatiani- 
schen Ui-sprungs.  Hier  spricht  ein  rhetorisch  hochgebildeter  Mann 
wie  Novatian  —  daß  er  viel  schwülstiger  redet  als  sonst,  ist  nicht 
auffallend;  ists  doch  ein  Panegyrikus!  man  vgl.  den  panegyrischen 
76.  Brief  Cyprians  an  die  nuniidischen  Märtyrer  mit  seinen  anderen 
Briefen  und  Schriften  — ;  hier  spricht  ein  alter  römischer  Christ, 
der  aufs  stärkste  von  Virgil  abliängig  ist  —  wie  viel  Christen  mag 

1)  Die  Vita  per  Pontium  kommt  nicht  in  l^otracbt.  —  Ad  iileat.  stobt  im 
(•heltenhamor  VerztMchnis  nicht,  al>t*r  Rcino  Stellung  unmitt'elbar  nach  Adv. 
Judaooö  in  TQM  und  vor  De  hiude  (QM)  ist  von  höchst<?r  Bedentiing. 


NovaÜan.  405 

es  in  Rom  in  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  oder  um  die 
Mitte  desselben  gegeben  haben,  die  so  schrieben?  wir  kennen  nur 
einen,  Novatian  — ;  hier  spricht  ein  christlicher  Lehrer, 
der  Luc.  12,  8  zitiert:  ;,qui  me  confessus  fuerit  iit  terram 
coram  hominibus,  et  ego  confitebor  eum  coram  patre  meo 
et  coram  angelis  eins**  (c.  11);  wir  wissen,  daß  Novatian 
(ep.  30,  7)  das  ganz  singulare  „coram  angelis  eins"  bietet^; 
liier  spricht  ein  Mann,  der  den  Cyprian  nicht  benutzt  hat,  wohl 
aber  den  Irenäus  und  TertuUian,  ganz  wie  Novatian. 

Was  die  Umstände  der  Abfassung  anlangt,  so  ist  die  An- 
sprache deutlich  im  Beginn  einer  Verfolgungszeit  —  nach  einem 
längeren  relativen  Friedenszustand  —  in  Rom  von  einem  Manne 
geschrieben,  der  zwar  ein  kirchliches  Amt  bekleidet  haben  kann, 
aber  nicht  Bischof  gewesen  ist  Wäre  er  der  „Hirte**  der  Gemeinde, 
so  müßt«  das  in  der  Ansprache  hervortreten.  Als  er  schrieb, 
wütete  in  der  Stadt  und  auch  im  Reiche  eine  schwere  Seuche. 
Er  betrachtete  das  öffentliche  Bekenntnis  Christi  als 
den  eigentlichen  Christenstand,  die  Märtyrer  als  compares 
et  consortes  Christi,  das  Blutzeugnis  als  die  rechte,  ja  einzige 
imitatio  Christi.  Er  bevorzugte  Luc.  12,  8f.  (Matth.  10,  32f.)  resp. 
ähnlich  lautende  evangelische  Stellen  (aus  den  synoptischen  Ew. 
zitierte  er  nur  Matth.  3, 10*;  5,  26;  10,  39;  16,  26;  19,  29;  Luc.  12,  8; 
das  ist  höchst  bezeichnend);  außerdem  erklärte  er  es  als  göttlichen 
Befehl,  daß  die  Christen  dem  (geläuterten)  Gold  ähnlich  seien 
(s.  c.  16  und  Novatian  bei  Sixtus,  ad  Novat  1).  Er  selbst  befand 
sich  nicht  unter  den  Gefangenen,  sondern  war  frei,  als  er  seine 
Ansprache  niederschrieb.  Mit  Schmerz  gedenkt  er  selbst  dessen 
am  Schluß  seiner  Rede.  Der  Stil  derselben,  die  schulmäßig  dis- 
poniert ist,  ist  korrekter  und  „klassischer"  als  der  irgendeiner 
anderen  lateinischen  Schrift  des  3.  Jahrhunderts  mit  Ausnahme  des 
Octavius  des  Minucius  und  der  Schriften  Novatians. 

Auf  Grund  dieses  Tatbestandes  habe  ich  in  der  Abhandlung 
über  diese  Schrift  (Texte  u.  Unters.  Bd.  13  H.  4)  mit  Zuversicht 
den  Schluß  gezogen,  daß  sie  von  Novatian  stamme,  und  habe  durch 
eine  Reihe  von  Einzelbeobachtungen^  dies  Ergebnis  verstärkte  Nova- 

1)  Dioso  Konibiiiation  von  Matth.  10,  32  und  Luc.  12,  8  war  bisher  über- 
liau]>t  nicht  außer  in  Dt?  laude  11  und  cp.  30,  7  nachgewiesen.  Dann  zeigt«* 
Wcyman  (Rundschau  ISU7)  Nr.  11  und  Wiener  Studien  1S90  S.  317),  daß  sie 
sich  auch  im  Syr.  Curet.  und  bei  Victriciuö  von  Ronen  findet  (y  c.  407:  „Di* 
laude  t>anctoniin"  c.  8  Migne  Bd.  20).  Die  Bedeutung  des  Arguments  ist  da- 
mit natürlich  nicht  vernichtet.  Keiner  der  Landsleuto  und  Zeitgenossen  Nova- 
tiim^<  —  auch  im  weiteren  Sinne  —  bietet  sie. 

2)  Ein  [»aju:  unter  ihnen  gebe  ich  preis. 

:j)  Direkte  Beweise   tiir  Sprachverwandtschaft    der  Schrift   mit  den  sicher 


406  ^6  Littcratur  des  Abendlondce. 

tian  hat  diese  Anrede  gehalten,  als  er  noch  nicht  Schismatiker  wai\ 
gleich  nach  Anbruch  der  decianischen  Verfolgung  und  noch  vor 
dem  Tode  des  Bischofs  Fabian  (der  am  20.  Januar  250  erfolgte), 
also  im  Dezember  249  oder  Januar  250.  Diese  Rede  wird  seinen 
für  das  Jahr  250  bereits  bezeugten  Ruf  als  christlicher  Redner 
ebenso  begründet  haben  wie  seine  Schrift  De  ü-initate  sein  Ansehen 
als  kirchlicher  Lehrer.  Die  Zeitbestimmung  wird  durch  die  Tat- 
sache noch  verstärkt,  daß  anscheinend  in  mehreren  Handschriften, 
jedenfalls  im  Cod.  6  saec.  XL,  Moses  und  Maximus  als  die 
Adressaten  der  Anrede  ausdrücklich  in  der  Aufschrift  genannt 
werden.  Diese  sind  aber  die  frühesten  und  berühmtesten  Opfer 
der  decianischen  Verfolgung  (neben  dem  Bischof  Fabian)  und  wai'en 
die  Kollegen  des  Novatian  im  Presbyterium  *. 

Loofs  und  Hilgenfeld  haben  diese  Ausführungen  als  beweis- 
kräftig anerkannt  bez.  für  sehr  wahrscheinlich  erklärt,  aber  Wey- 
man,  Bardenhewer  und  Monceaux  haben  Widerspruch  erhoben-. 
Monceauxs  Widerspruch  will  nichts  besagen;  denn  er  erkennt 
auch  die  Wey mansche  These  in  bezug  auf  De  spect.  und  Debon«» 
pud.  nicht  an  und  hat  die  pseudocyprianischen  Schriften  trotz  der 
Breite  seiner  Darstellung  überhaupt  nicht  gründlich  untersucht 
Bardenhewer  begnügte  sich  mit  dem  Verdikt:  „Ein  solches 
Machwerk  —  er  bezeichnet  es  mit  Rettberg  als  verworren,  un- 
klar, geschraubt,  affektiert,  kurz  schlecht  —  darf  man  nicht  einem 
Schriftsteller  wie  Novatian  aufs  Konto  setzen.  Die  Argumente 
Harnacks,  die  ausgedehnte  Virgilbenutzung,  die  Verwandtschaft 
des  beiderseitigen  Bibeltextes  usw.  hat  ^^'eynlan  entkräftet".  Ge- 
schraubt und  affektiert  ist  die  Schrift  gewiß,  aber  nicht  verworren 
und  „schlecht".  In  bezug  auf  Panegyriken  empfand  man  eben  im 
3.  Jahrhundert  anders  als  im  20.;  auch  originale  Schriftsteller 
wurden  im  Altertum  nach  unserem  (leschmack  affektiert  und 
schwülstig,  wenn  sie  Ruhmesreden  hielten.  Wie  aber  Weyman  die 
ausgedehnte  Virgilbenutzung  und  die  Verwandtschaft  des  beider- 
seitigen Bibeltextes  entkräftet  haben  soll,  weiß  ich  nicht  Diese 
Art  von  Virgilbenutzung,  gewiß  im  3.  Jahrhundert  sonst  häufig, 
ist  in  bezug  auf  christliche  Schriftsteller  dieser  Zeit  nur  für  No- 
vatian nachzuweisen  —  mau  vgl.  Adv.  Jud.  mit  De  laude.  Daß  die 
Benutzung  Mrgils  in  De  laude  viel  aufdringlicher  ist,  erklärt  sich 

echten   Traktaten   Novatians   habi'   ich   nielit    ^egeheu,   wolil  aber   zahlreiche 
indirekte'. 

1)  Eine  genaue  Prüfung  der  Handsrliriften  in  bezug  auf  diesen  Beisatz 
f<'hlt  noch.  An  Ach  hat  er  das  Präjudiz  hohen  Alters  fiir  sieh  wie  die  Br'^i- 
sehriften  in  den  „Sententiae",  die  sich  in  t'inigeu  Hand«?ehrift^?n  finden. 

2)  Ehrhard  drückt  sich  zweifelhaft  aus. 


Novatian.  407 

doch  genügend  ans  dem  poetischen  Stil  des  Panegyrikus.  Den 
Bibeltext  anlangend,  so  habe  ich  nur  behauptet,  daß  der  locus  classicus 
des  späteren  Novatian  sich  auch  in  De  laude  findet  und  zwar  in 
der  singulären  Fassung  Novatians.  Der  Nachweis,  daß  diese 
Fassung  im  Syr.  Curet  steht  und  150  Jahre  nach  Novatian  noch 
einmal  vorkommt,  den  Weyman  gegeben  hat,  ist  dankenswert, 
kann  aber  das  Gewicht  dieses  Arguments  nur  um  weniges  ver- 
mindern. 

(e)  Quod  idola  dii  non  sint.  Wir  haben  oben  S.  336 f.  gezeigt, 
daß  diese  Schrift  nicht  von  Cyprian  herrührt  Es  erübrigt  noch 
die  Frage,  ob  sie  nicht  von  Novatian  stammt  Haußleiter  (Theol. 
Litt-Blatt  1894  Nr.  41  Kol.  484  f.)  hat  das  für  wahrscheinlich  ge- 
halten, und  nach  dem,  was  wir  bisher  über  novatianisches  Eigen- 
tum innerhalb  der  Cyprianischen  Sammlung  gelernt  haben,  liegt 
diese  These  (angesichts  einer  Schrift,  die  so  frühe  den  cyprianischen 
beigesellt  worden  ist)  nahe.  Haußleiter  hat  auch  ein  paar  Be- 
obachtungen beigebracht,  die  da  zeigen,  daß  in  der  Sprache  zwischen 
Quod  idola  und  Novatian  Übereinstimmungen  bestehen,  die  in  bezug 
auf  Cyprian  fehlen.  Allein  da  der  größte  Teil  des  Inhalts  in  Quod 
idola  abgeschrieben  ist,  so  ist  das  Material,  welches  sich  zur  Ver- 
gleichung  darbietet,  außerordentlich  schmal,  und  die  schrift- 
stellerische Individualität  des  Verfassers  von  Quod  idola  ist  nicht 
näher  zu  bestimmen.  Daher  bleibt  die  Abfassung  der  Schrift  von 
Novatian  eine  bloße  Möglichkeit,  aber  behaupten  läßt  sie  sich 
nicht  —  sie  läßt  sich  um  so  weniger  behaupten,  als  die  Gattung 
dieser  Schrift  für  Novatian  nicht  bezeugt  ist  Niemand  hat  ihn 
unter  die  Apologeten  gerechnete 

Die  unter  dem  Namen  des  Origenes  stehenden  20  Traktate  de 
libris  SS.  scrinturarum  (Predigten)  hatte  ihr  Entdecker  und  Editor, 
Batiffol,  dem  Origenes  vindiziert  aber  angenommen,  daß  sie  von 

1)  Die  13  pseudocyprianischen  Schriften,  die  wir  untersucht  haben,  ver- 
teilen sich  also:  De  trinitate,  De  spect..  De  bouo  pud.,  Adv.  Jud.,  De  laude  ge- 
liören  dem  Novatian  an;  novatianisch  (im  weiteren  Sinne)  ist  höchstwahrschein- 
lich Ad  aleat.  und  vielleicht  Quod  idola.  Yorcyprianisch  sind  De  pascha  und 
.«ehr  wahrscheinlich  De  montibus.  Römisch  und  zwar  von  dem  Zeitgenossen 
Cyprians  Sixtus  ist  Ad  Novatianum.  Von  einem  Zeitgenossen  ist  auch  De  rebapt. 
In  die  Zeit  Valerians  oder  Diokletians  gehört  voraussichtlich  Ad  Vigilium. 
Nichts  Bestimmtes  läßt  sich  über  De  paenit.  sagen.  Von  keiner  dieser  Schriften 
ist  also  ausgemacht,  daß  sie  später  als  im  M.  Jahrhundert  verfaßt  ist;  bei  10 
Schriften  ist  die  Abfassung  in  diesem  Jahrhundert  sicher.  Sicher  afrikanisch 
ist  keine  einzige  Schrift,  aber  für  Ad  Yigilium  ist  afrikanischer  Ursprung 
wahrscheinlich,  wahrscheinlich  auch  für  De  rebapt.  und  De  montibus.  Zweifellos 
römisch  sind  acht  Traktate. 


408  ^^6  Littcratur  des  Abendlandes. 

Victorinus  von  Pettau  übersetzt  und  bearbeitet  seien.  Ich  hatte 
(Theol.  Litt-Ztg.  1900  Nr.  5)  diese  Hypothese  akzeptiert,  aber 
hinzugefügt,  daß  man  die  Bemerkung  des  Hieronymus  über  Victorin 
nicht  außer  acht  lassen  dürfe,  Victorin  habe  die  „Tractatns  Ori- 
genis  non  ut  interpres,  sed  ut  auctor  proprii  operis'^  übersetzt 
„Das  gibt  einen  Fingerzeig,  daß  wir  in  zweifelhaften  Fällen  den 
Text  als  Eigentum  nicht  des  Origenes,  sondern  des  Victorin  an- 
zusehen haben.  Deshalb  kann  man  fragen,  ob  man  diese  Homilien 
unter  die  Werke  des  Origenes  aufnehmen  soll".  Femer:  „Die 
Trinitätslehre  ist  nicht  rein  origenistisch,  sondern  durch  Tertallian 
stark  in  der  Richtung  auf  das  Nicänum  beeinflußte^  „TertuUians 
Traktat  De  resurr,  ist  (tract.  1 7)  so  stark  ausgeschrieben,  daß  diese 
Homilie  für  die  Textkritik  Tertullians  etwas  ausü'ägt*'.  Butler 
bestätigte  es,  daß  sich  Parallelen  zwischen  den  Werken  des  Ori- 
genes und  diesen  Traktaten  finden. 

Allein  die  Untersuchung  trat  in  ein  neues  Stadium,  als  W^ey- 
man  nachwies,  daß  diese  Predigten  ein  lateinisches  Originalwerk 
(der  Form  nach)  sind.  Dieser  Nachweis  wai'  einleuchtend  und 
durch  die  Fülle  der  Argumente  abschließend.  „Selten  ist",  sagt 
Bardenhewer  mit  Recht,  „eine  bestrittene  Frage  der  altkirch- 
lichen Litteraturgeschichte  so  glatt  und  rasch  zu  endgültiger  Ent- 
scheidung gebracht  worden  wie  die  Originalität  des  lateinischen 
Textes  der  Predigten  durch  die  Nachweise  Weymans.  Der  Pre- 
diger ist,  daran  läßt  sich  nicht  mehr  rütteln,  ein  stilistisch  und 
rhetorisch  wohlgeschulter  Lateiner".  Damit  wurde  die  Annahme 
hinfällig,  daß  die  Traktate  eine,  sei  es  auch  noch  so  freie,  Be- 
arbeitung griechischer  Predigten  darstellen.  Griechische  Quellen 
(s.  die  Gräzismen)  liegen  mit  zugrunde;  Origenes  ist  (direkt  oder 
indirekt)  benutzt,  aber  er  ist  nicht  die  Vorlage.  Es  ergab  sich 
aber  auch  die  weitere  Konsequenz,  daß  man  die  Predigten  — 
zahlreiche  Vorlagen  vorbehalten  —  als  einheitliches  Werk  aufzu- 
fassen habe. 

Weynum  u.a.  zeigten  ferner,  daß  die  Benutzung  lateinischer 
Litteratur  in  den  Predigten  viel  weiter  reicht,  als  Batiffol  dies 
gesehen  hatte.  TertuUian,  Minucius,  namentlich  aber  Novatian 
sind  von  dem  auch  mit  den  lateinischen  Klassikern  vertrauten  Ver- 
fasser stark  und  z.  T.  sklavisch  ausgebeutet,  auch  Hilarius,  Rufin 
u.  a.  —  doch  hier  erhebt  sich  die  Frage,  ob  sie  nicht  viel  mehr 
die  Ausschreiber  sind. 

Wevman  nahm  letzteres  an  und  suchte  den  Nachweis  zu 
führen,  daß  Novatian  der  Verfasser  der  Predigten  sei  Dieselben 
seien,  abgesehen  von  den  zahlreichen  wörtlichen  oder  fast  wört- 
lichen Entlehnungen  aus  den  Schriften  Novatians,  „in  ihrer  Totali- 


Novation.  409 

t^it  mit  Eigentümlichkeiten  des  novatianischen  Sprachgebraachs 
durchsetzt  und  darunter  mit  solchen,  die  nicht  an  der  Oberfläche 
liegen,  sondern  sich  erst  nach  wiederholter  Lektüre  dem  philo- 
logischen Auge  erschließen". 

Dieser  Nachweis  erschien  Haußleiter,  Jordan  und  Zahn 
einleuchtend,  und  die  beiden  ersteren  bemühten  sich,  ihn  durch 
neue  Argumente  zu  bekräftigen.  Allein  Funk,  Morin,  Batiffol, 
Künstle,  Ehrhard,  Butler,  Ammundsen,  Torm,  Andersen 
lind  Bardenhewer  erhoben  Widerspruch,  und  zwar  mit  Recht 
Entscheidend  ist  schon,  daß  sich,  wie  Weyman  und  Jordan  selbst 
zugestehen,  die  Abfassung  durch  Novatian  nur  halten  läßt,  wenn 
man  sich  zur  Annahme  christologischer  Interpolationen  entschließt. 
Interpolationen  aber  lediglich  deshalb  anzunehmen,  weil  der  Text 
zu  einer  vorgefaßten  Meinung  nicht  paßt,  ist  methodisch  unstatt- 
hafte Es  können  aber  folgende  Sätze  nicht  (oder  so  gut  wie  sicher 
nicht)  vornicänisch  sein.  Trakt  3  p.  33:  „(Christus)  deus  secundum 
naturam  patris,  quia  vere  deus  est  nuucupatur;  filius  etenim  dei, 
deus  verus  de  deo  vero,  unigenitus  ab  ingenito,  non  potest  alius 
esse  quam  deus.  Trakt.  14  p.  157:  „Nemo  vincit  nisi  qui  patrem 
et  filiiim  et  spiritum  s.  aequali  potestate  et  indifferent!  vir- 
tute  crediderit".  Trakt  20  p.  571:  „In  hoc  spiritu  positus  nemo 
uegat  Christum  verum  deum  et  verum  filium  unigenitum  de 
ingenito  natum"".  Diese  Sätze  auszuschalten,  liegt  im  Zusammen- 
hang des  Ganzen,  wie  bemerkt,  kein  Anlaß  vor.  Die  Ei^wähnung 
des  Praxeas  und  Sabellius  in  tract  3  und  die  Nichterwähnung 
des  Arius  ist  kein  solcher;  denn  Anus  ist  im  Abendland  überhaupt 
nicht  viel  erwähnt  worden  (abgesehen  von  den  Streitschriften),  und 
zur  Bekämpfung  des  Modalismus  war  auch  später  noch  im  Abend- 
lande Ursache  genug  vorhanden.  Es  hat  aber  Funk  noch  zwei 
Beobachtungen  geltend  gemacht,  die  für  das  4.  Jahrh.  (bez.  den 
Ausgang  desselben)  sprechen.  In  tract  12  werden  von  den  Kate- 
chumenen  und  Gläubigen  als  eine  besondere  Klasse  „competentes" 
unterschieden  (p.  135).  Das  ist  erst  für  die  2.  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts zu  belegen.  Ferner  wird  Christus  als  „omni  pulchritudine 
pulchrior,  omni  formositate  formosior"  in  tract  7  (p.  80)  gefeiert 
Diese  Anschauung  läßt  sich  auch  erst  für  das  4.  Jahrh.  belegen. 
Weiter  ist  zwai*  der  terminus  „trinitas"  im  3.  Jahrh.  nachweisbar 
(doch  nicht  in  den  Schriften  Novatians),  aber  ein  solch  umfang- 
reicher Gebrauch,  wie  er  in  diesen  Predigten  vorliegt,  ist  in  vor- 
nicänischer  Zeit  höchst  auffallend.    Endlich,  die  Hauptsache   — 


1)  Die  christolopfischcn  iStellen  sind  formell  dem  Ganzen  gut  eingegliedert 
lind  geben  in  dieser  Hinsicht  keinen  Anlali  zu  I5edenken. 


410  ^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

die  exegetische  Methode  und  Technik,  die  in  den  Traktaten  offen- 
bar ist,  ist  für  das  Abendland  und  die  lateinische  Kirche  vor 
Victorin  von  Pettau  nicht  zu  belegen.  Wäre  Novatian  oder  ein, 
sei  es  auch  etwas  späterer  Zeitgenosse  der  Verfasser,  so  müßte  er 
uns  bekannt  sein. 

Demgemäß  und  weil  Zeitspuren,  die  auf  das  3.  Jahrhundert 
weisen,  überhaupt  nicht  vorhanden  sindS  ist  es  angezeigt,  diese 
Predigten  mit  den  genannten  Gelehrten  mindestens  tief  in  das  4. 
Jahrhundert  zu  rücken^.  Daß  sie  den  Novatian  besonders  stark 
und  sklavisch  wörtlich  ausgeschrieben  haben  —  vermutlich  auch 
an  solchen  Stellen,  wo  wir  es  nicht  zu  beweisen  vermögen^;  denn 
viele  Schriften  Novatians  fehlen  uns  — ,  spricht  mehr  gegen  als  for 
ihn  als  Verfasser;  denn  daß  er  sich  selbst  in  dieser  Weise  ge- 
plündert haben  soll,  ist  nicht  glaublich*.  Auch  nicht  wenige  der 
allegorischen  Auslegungen  befremden  bei  einem  lateinischen  Schrift- 
steller um  die  Mitte  des  3.  Jahrhundeils  und  speziell  bei  Novatian. 
Was  Geist  und  Art  anlangt,  so  erscheint  mir  der  Verfasser  der 
Predigten  dem  echten  Novatian  ganz  fremd  gegenüberzustehen. 
—  Gehören  die  Predigten  nicht  dem  Novatian  und  nicht  in  die 
vornicänische  Zeit,  so  haben  wir  an  dieser  Stelle  keine  Veranlassung, 
näher  auf  sie  einzugehen  und  uns  au  den  bisher  noch  aussichtslosen 
Versuchen,  ihren  Verfasser  aufzuspüren,  zu  beteiligend 


3)  Römische  Bischöfe  und  Kleriker  von  Cornelias 

bis  Miltiades. 

Was  sich  in  bezug  auf  Abhandlungen  und  Schreiben  römisclier 
Bischöfe,  Kleriker  und  Konfessoren  aus  der  Briefsammlung  Cyprians 
bez.  den  Corpora  Opp.  Cypr.  ergeben   hat,  s.  dort  und  Texte  und 

1)  Die  „Verfolgungen"  gehören  teils  zur  Fa<^on  des  homiletischen  StiU, 
teils  sind  wirkliche  Verfolgungen  ins  Auge  gefaßt,  die  aber  partikular  auch 
noch  in  nachkoustantinischer  Zeit  stattgefunden  haben  (ähnlich  Funk). 

2)  An  Yictorin  ist  auch  nicht  mehr  zu  denken,  da  er  schon  in  der  di->- 
kletianischen  Verfolgung  gestorben  ist. 

3)  Hierfür  hat  Haußleiter  manches  beigebracht. 

4)  Wohl  aber  erkläi-t  sich  so  vortreft'lich,  daß  ein  so  femer  Sprachkennt*r 
wie  Weyman  sich  täuschen  lassen  konnte.  Die  Predigten  haben  wirklich  vi«*! 
Novatianisches,  aber  sie  haben  es  übernommen.  Andererseits  fehlen  auch  Ab- 
weichungen von  der  Weise  Novatians  nicht. 

5)  Morin  hat  i==eine  Hypothese,  Gregor  von  Elvira  sei  der  Verfasser, 
zurückgezogen  imd  sucht  den  Autor  jetzt  im  5.  Jahrhundert.  Batiffol  siebt 
jetzt  in  einem  Novatianer  aus  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  den  Urheber,  und  a- 
einen  solchen  doukt  auch  Torrn. 


Römisclie  BiscliOfe  und  Kleriker  von  Cornelius  bis  Miltiades.         411 

Unters.  Bd.  23  H.  2  S.  Iflf.  Hier  wird  hinzugefügt,  was  wir  un- 
abhängig von  denselben  wissen. 

Cornelius  (März  251— Juni  253)^  Die  drei  Briefe  des  Cor- 
nelius an  den  antiochenischen  Bischof  Fabius  (Euseb.  VI,  43,  3  f., 
nicht  4  Briefe,  wie  Hieron.,  de  vir.  inl.  66  iiTtümlich  angibt)  fallen 
in  den  Anfang  seiner  Regierung,  da  sie  sich  auf  die  Wahl  des 
(iregenbischofs  Novatian  und  seine  Exkommunikation  auf  einer  römi- 
schen Synode  beziehen  2;  nur  von  dem  dritten  besitzen  wir  Fragmente. 
Ungefähr  gleichzeitig  wird  der  verlorene  Brief  an  Dionysius  von 
Alexandrien  sein  (Euseb.  VI,  46,  3).  Von  Briefen  des  Cornelius  an 
alle  Kirchen,  in  denen  er  seinen  Standpunkt  in  der  Gefallenen- 
Frage  dargelegt  und  aus  der  Schrift  begründet  habe,  spricht  Sokrates, 
h.  e.  IV,  28.  Briefe  italienischer  Bischöfe,  die  ihm  ihre  Zustimmung 
zur  Exkommunikation  des  Novatian  ausgesprochen  haben,  erwähnt 
Cornelius  in  seinem  Brief  an  Fabius  (Euseb.,  1.  c  §  22). 

Stephanus  ([12.  Mai]  254—2.  Aug.  257).  Briefe  des  St  an 
syrische  und  arabische  Gemeinden  (Dionys.  Alex,  bei  Euseb., 
li.  e.  VII,  5,  2;  nicht  erhalten)  unbestimmten  Inhalts  (mit  einer 
Geldunterstützung),  Briefe  an  die  orientalischen  Bischöfe  im  Ketzer- 
taufstreit, ihnen  mit  der  Exkommunikation  drohend  (Dionys.  ep.  ad 
Sixtum,  1.  c.  §  4,  cf.  Firmil.  bei  Cypr.  ep.  75,  25).  Unter  ihm  ist 
wahrscheinlich  die  offizielle  römische  Bischofsliste  fortgeführt  worden, 
die  wir  im  Catal.  Liber.  besitzend 

Sixtus  II  ^31.  [24.??]  Aug.  257—6.  Aug.  25S).  Briefe  an  die 
<  )rientalen  in  Sachen  der  Ketzertaufe  sind  sehr  wahrscheinlich 
( Euseb.,  h.  e.  VII,  9).  Über  ihn  als  Verfasser  der  pseudocyprianischen 
Schrift  Ad  Novatianum  s.  o.  S.  387.  Über  die  Sixtus-Sprüche  s.  o.  S.  190. 

Phileraon,  Römischer  Presbyter,  Schreiben  an  Dionysius  v. 
Alex.  Von  diesem  verlorenen  Schreiben  wissen  wir  nur  aus  den 
beiden  Antwortschreiben  des  Dionysius  (Euseb.,  h.  e.  VII,  5,  6; 
7,  1).  Der  Brief  ist,  wie  der  Zusammenhang  mit  anderen  Briefen 
zeigt,  im  J.  257/8  geschrieben. 

Dionysius  v.  Rom  (22.  Juli  259--26.  [27.]  Dez.  268).  Als 
T^resbyter  war  Dionysius  Mitverfasser  des  eben  genannten  Schreibens 
an  Dionysius  von  Alex.  (Euseb.,  1.  c),  als  Bischof  hat  er  an  den- 
selben   zwei    Schreiben    gerichtet    über    Subordinatianismus    und 

1)  Zur  Chronologie  s.  Senfelder  in  d.  Ttib.  QuartaLschr.  Bd.  7-J,  1801, 
S.  (>Sff.    Er  setzt  April  251  bis  Juli  253  an. 

2)  Die  Mitteilungen  im  Koptischen  Synaxarium  zum  12.  Kihak  (Wüsten- 
l'eld  II  S.  172  f.)  über  diese  Synode  scheinen  auf  einer  guten  Quelle  zu  be- 
ruhen. Neben  den  00  Bischöfen,  die  auch  Kusebius  als  Teilnehmer  nennt, 
werden  18  römische  Presbyter  erwähnt, 

:{)  S.  T.  H  Bd.  1  dieses  Werks  S.  l.VJ. 


412  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Sabellianismus  (Athan^  De  sentent  Dionys.  13  und  De  synod.  43). 
Da  der  alexandrinische  Dionysius  im  J.  264  (oder  erst  265)  ge- 
storben ist,  so  fallen  diese  Schreiben  zwischen  259  und  264;  ein 
längeres,  anzweifelhaft  echtes  Stück  aus  dem  einen  bei  Äthan., 
De  decr.  syn.  Nie.  26.  Das  Schreiben  nach  Cäsarea  Eapp.,  welches 
Basilias  Magn.  (ep.  70  ad  Damas.)  erwähnt,  läßt  sich  nicht  näher 
datieren. 

Felix  ([5.J  Jan.  269—30.  Dez.  274).  Das  zu  Ephesus  auf  dem 
Konzil  verlesene  Glaubensbekenntnis  des  Felix  ist  eine.  apoUina- 
ristische  Fälschung*.  Da  es  sich  als  Bestandteil  eines  Briefs  des 
Felix  an  den  Bischof  Maximus  y.  Alex,  produziert  und  es  an  sich 
sehr  glaublich  ist,  daß  Felix  einen  solchen  Brief  in  Sachen  des 
Paul  von  Samosata  an  Maximus  gerichtet  hat,  so  wird  man  an- 
nehmen  dürfen,  daß  die  Äpollinaristen  einen  vorhandenen  Brief  des 
Felix  mit  dieser  Adresse  für  ihre  Zwecke  verfälscht  oder  ihn  als 
Deckung  gebraucht  haben.  Dieser  verlorene  echte  Brief  wird  dem 
Anfang  des  J.  269  angehört  haben  (Euseb.,  h.  e.  VII,  30).  Daß 
Felix  litterae  communic.  an  Domnus,  den  Nachfolger  Pauls,  gerichtet 
hat,  ist  aus  Euseb.  VII,  30,  19  gewiß^ 

Melchiades  =  Miltiades  (2.  Juli  310—10.  [11.]  Jan.  314).  Die 
uns  aus  Optat  I,  22  ff.  und  aus  dem  Brief  Konstantins  ad  Aelafiuni 
(Routh,  Reliq.  Sacr.  IV -^  p.  297  ff.)  bekannte  Synodalentscheidung 
dieses  Papstes  in  der  Donatistensache  erfolgte  am  2.  Okt.  313,  bez. 
au  diesem  Tage  begann  die  Synode  im  Palast  der  Kaiserin  Fausta. 
—  De  Rossi  und  Duchesne  (Martyrol.  Hieronym.,  1894,  p.  L 
haben  gezeigt,  daß  die  letzte  Quelle  des  Martyrolog.  Hieronym.  ein 
römischer  Kalender  ist,  der  z.  Z.  des  Melchiades  (also  unmittelbar 
nach  der  Verfolgung)  angelegt  worden  ist. 

4)  Römische  ünostiker  in  der  Mitte  des  3.  Jahrhanderts. 

(Ol  jcsqI  \i6iXq)L0v  xal  \lxx'iXlvov^) 

Die  im  1.  Teil  dieses  Werks  S.  173f.  u.  661  ff.  bezeichneten 
Gnostiker  sind  die,  mit  denen   sich   die  römischen  Neuplatoniker 

1)  S.  Ciisiuiri,  Alt«  und  neue  Quellen  z.  liCöch.  des  Taufsymbols  IST!» 
S.  111 — VI?,.  Tber  die  C herliefe run<^  des  Stücks  s.  außer  den  im  1.  Teil  diesrs 
Werks  f;!;enannten  (Quellen  Maassen,  (ieseli.  d.  Quollen  usw.  1  S.  231. 

*J)  Auf  die  Papste  zwischen  Felix  und  Melchiades,  auf  den  Papst  Silvester 
sowie  auf  den  dunklen  Häretiker  Heraclius  (Damasusinschrift  auf  Bischof  Eu- 
sebius)  gehe  ich  nicht  ein,  da  wir  nicht  wissen,  daß  sie  etwas  Schriftliches 
hinterlassen  haben.  —  Daß  ein  anonymer  römischer  Bericht  über  die  Tanslatii* 
app.  Petri  et  Pauli  wahrscheinlich  dem  'i\.  Jahrhundert  angehört,  darüber  s. 
den  1.  Teil  dieses  AVerks  S.  ÜOO  und  vgl.  de  Waal,  Die  Apostelgruft  Ad  cata- 
cumbas  (3.  Suppl.-lleft  z.  Hörn.  Quartalschr.  1S91  S.  22  ff.). 


Römische  Gnosfdker  in  der  Mitte  des  3.  Jabrhanderts.  413 

auseinandergesetzt  haben.  Plotin  kam  i.  J.  244  nach  Rom  ^  und 
blieb  daselbst  bis  zu  seinem  Tode  (270).  Nach  der  Vita  Plotini 
des  Porphyrias  (c  16)  hat  er  sich  mit  Gnostikern  wissenschaftlich 
auseinandergesetzt,  die  in  Rom  lebten^,  unter  ihnen  Adelphius  und 
Aquilinus.  Von  Aquilinus  hören  wir  auch  durch  Eunapius^;  ihm 
haben  noch  Schriften  (oder  eine  Schrift)  des  Aquilinus  vorgelegen  \ 
Eine  Schrift  unter  dem  Titel  jcsq!  agid^nAv  von  ihm  zitiert  Joh. 
Laurent  Lydus*.  Porphyrius  teilt  uns  auch  (I.e.)  aus  der  bei 
diesen  Gnostikern  hoch  angesehenen  Litteratur  etwas  mit,  wissen- 
schaftliche Werke  und  Apokalypsen.  Plotin  hat  die  des  Zoroaster 
und  des  Zostrianus  seinen  Schülern  Amelius  und  Porphyrius  zur 
Untersuchung  übergeben.  Er  selbst  aber  schrieb  —  wie  es  scheint, 
bevor  jene  ihre  Prüfung  beendet  hatten  —  eine  eigene  Abhandlung 
„gegen  die  Gnostiker**  (9.  Buch  der  2.  Enneade).  Die  Zeit  der 
Gegner  ist  nicht  näher  als  250 — 270  zu  bestimmen;  jene  Abhand- 
lung des  Plotin  (der  Titel  ist  späterer  Zusatz)  fallt  zwischen  262 
und  268  —  denn  das  sind  die  Jahre  der  litterarischen  Produktivi- 
tät Plotins  ^  — ,  wahrscheinlich  aber  i.  d,  J.  264  ^  Als  ein  Fragment 
aus  den  Schriften  dieser  Gnostiker,  die  mit  den  Prodicianern  des 
Clemens  Alex.  bez.  mit  den  „Gnostikern"  im  spezifischen  Sinne  ver- 
wandt sind,  ist  das  große  und  intei*essante  Zitat  des  Porphyrius 
(De  abstin.  I,  42)  in  Anspruch  zu  nehmen.  Wir  erfahren  übrigens 
auch,  daß  die  Gnostiker,  um  zu  hören  und  zu  disputieren,  in  die 
Schule  Plotins  eingetreten  sind^.  Dies  muß  im  Anfang  des  7.  oder 
am  Ende  des  6.  Jahrzehnts  geschehen  sein  und  war  natürlich  nur 
von  kürzerer  Dauer.  Plotins  Stellung  gegenüber  den  Gnostikern 
ist  allmählich  schroffer  geworden;  den  Abschluß  kann  man  in  den 
15  Büchern  des  Porphyrius  xaxa  XQioriavoiv  sehen.  Dieser  ging 
eines  Nervenleidens  wegen  i.  J.  268/9  nach  Lilybäum  und  liat  bald 
darauf  sein  polemisches  Werk  erscheinen  lassen,  das  natürlich  auf 
den  römischen  Eindrücken  und  den  Studien  in  Eom  ruht. 


1)  S.  Karl  Schmidt  in  d.  Texten  ii.  Unters.  IUI. 'J(»  Heft  4  S.  11. 

2)  S.  Schmidt,  a.  a.  0.  S.  14. 

3)  S.  Schmidt,  a.  a.  0.  S.  15 ff.  Er  nennt  ihn  unter  den  Anhängern  des 
l'lotin;  aber  das  ist  Konfusion;  es  sei  denn,  daß  Aquilin  später  zum  Neuplato- 
lüsmus  übergegangen  ist,  was  nach  Plotin,  Knneade  2,  Buch  9  c.  10  nicht  ganz 
unwahrscheinlich  ist. 

4)  De  mensibus  IV,  52  p.  2:38  ed.  Röther. 

5)  Vita  Plotini  c.  5:  „sechs  Jahre". 

G)  S.  Schmidt,  a.  a.  0.  S.  8Uf.  Daß  Plotin  auch  sonst  gegen  diese  Gno- 
stiker polemisiert  hat,  zeigt  Schmidt  S.  G3ff. 

7)  Enneade  2,  Buch  9  c.  10;  Plotin  würdigt  sie  sogar  des  Namens  „Freunde". 


414  ^^3  Litteratur  des  Abendlandes. 


5)  Arnobiusy  Ady.  Nationes. 

Das  schnell  komponierte  und  flüchtig  hingeworfene  Werk  Ad?. 
Nationes  (Gentes?),  dessen  Anlage  am  Schluß  ganz  verworren  wird*, 
gehört  nach  dem  unverwerflichen  Zeugnis  des  Hieronymus  dem  in 
Sicca  in  Nordafrika  lebenden  Rhetor  Amobius,  der  es  (s.  Hieron. 
Chron.  ad  ann.  2343)  zum  Erweise  seiner  jüngst  gewonnenen  Christ- 
lichkeit geschrieben  haben  soll  („qui  cum  Siccae  ad  declamandum 
invenes  erudiret  et  adhuc  ethnicus  ad  credulitatem  somniis  com- 
pelleretur  neque  ab  episcopo  impetraret  fidem  quam  semper  im- 
pugnaverat,  elucubravit  adversum  pristinam  religionem  luculentis- 
simos  libros  et  tandem  veluti  quibusdam  obsidibus  pietatis  foedns 
impetravit'').  Der  als  Schüler  des  Arnobius  bezeichnete  Lactantins 
(Hieron.  De  vir.  inl.  80)  hat  es  nie  zitiert;  auch  stillschweigende 
Benutzungen,  die  man  nachweisen  wollte,  sind  ganz  ansicher-; 
trotzdem  liegt  zur  Bezweiflung  der  Schülerschaft  des  Lactantius 
kein  Grund  vor  3.  Das  Buch  ist,  wie  es  scheint,  nicht  viel  gelesen 
worden;  außer  von  Hieronymus  wird  es  nur  von  „Gelasius"  er- 
wähnt und  —  es  war  in  der  Tat  nicht  unbedenklich  —  verworfen. 

Hieronymus  hat  in  seiner  Chronik  den  Arnobius  zum  J.  326/7 
gestellt,  d.  h.  er  hat  seine  Fortsetzung  der  Chronik  des  Eusebios,  der 
den  Arnobius  nicht  erwähnt  hatte,  mit  dieser  Notiz  begonnen  *.  Sie 
ist  um  so  weniger  streng  zu  nehmen,  als  Hieron.  De  vir.  inL  79  selbst 
schreibt:  „Arnobius  sub  Diocletiano  principe".  Dies  bestätigt  sich 
durch  den  Inhalt  des  Buchs.  L  I,  13  heißt  es:  „Trecenti  sunt  anni 
ferme  minus  vel  plus  aliquid,  ex  quo  coepimus  esse  Christiani  et 
terrarum  in  orbe  censeri"^    Vertrüge  sich  diese  Notiz  zur  Not 


1)  S.  Reifferscheid,  Arnob.  Adv.  Nat.  1.  VII  (1875)  p.  XIV.  Die  Inte- 
grität des  Buchs  ist  aber  nicht  zu  beanstanden. 

2)  Altere  Nachweise  bei  Le  Brun-Lenglet  und  Buenemann;  vgl.  auch 
Brandt  in  der  3.  seiner  4  dem  Lactantius  gewidmeten  Abhandlungen  (Sitiungs- 
her.  d.  Wiener  Akad.  1889—1891),  1890,  S.  19  f.  Auffallende  Übereinstimmung 
zeigen  nur  zwei  Stellen,  die  evangelische  Berichte  enthalten. 

3)  Nicht  in  seiner  christlichen,  sondern  noch  in  der  heidnischen  Periode 
muß  Amobius  der  Lehrer  des  Lactantius  gewesen  sein.  Das  folgt  aas  der 
Chronologie  des  Lebens  beider  Männer  mit  Sicherheit.  Daher  hatte  Lactantius 
wenig  Grund,  den  Arnobius  zu  erwähnen.  Die  Notiz  hat  aber  doch  wahr- 
scheinlich in  einem  verlorenen  Werk  jenes  gestanden.  Woher  hatte  sie  Hie- 
ronymus sonst? 

4)  Damit  erledigt  sich  auch  die  Annahme,  326/7  sei  das  Todesjahr  des 
Arnobius.  Hieronymus  hat  den  Arnobius  einfach  in  das  erste  Jahr  gestellt, 
welches  den  Anfang  seiner  Zusätze  bildet. 

5)  Cf.  II,  71:  „Ante  CCC  annos  religio,  inquit,  vestra  non  fuit". 


LactantiuB.  415 

auch  noch  mit  der  Zeit  um  d.  J.  326,  so  folgt  aus  IV,  36,  daß  die 
diokletianischen  Edikte  kürzlich  ergangen  und  noch  nicht  zurück- 
genommen sind^;  dasselbe  ergibt  sich  ganz  klar  aus  II,  5^.  Also 
stammt  das  Werk  aus  der  Zeit  304— 310^.  Rechnet  Ai'nobius  selbst 
II,  71  seit  der  Gründung  der  Stadt  Rom  1050  Jahre  „aut  non  mul- 
tum  ab  his  minus*',  so  kann  gegenüber  der  Gewißheit,  daß  Diokle- 
tian bereits  seine  Edikte  erlassen  hatte,  diese  Berechnung,  die  auf 
c.  295  führen  würde,  nicht  aufkommen^.  Weiteres  ist  nicht  bekannt; 
aber  da  Lactantius  schwerlich  später  als  c.  250  geboren  (s.  u.)  und 
ein  Schüler  des  Arnobius  gewesen  ist,  so  muß  das  Greburtsjahr 
des  letzteren  noch  in  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  fallen. 
Für  die  psychologische  Würdigung  seines  Werks  *  ist  die  Erkennt- 
nis nicht  gleichgültig,  daß  es  Arnobius  als  Mann  von  c.  60  Jahren 
geschrieben  hat  Auch  die  Greschichte,  die  Hieron.  berichtet  (s.  o.), 
gewinnt  dadurch  an  Glaubwürdigkeit:  man  begreift  daß  der  Bischof 
der  Konversion  des  alten  Heiden  zunächst  Mißtrauen  entgegen- 
setzte, und  daß  die  Konversion  solches  Aufsehen  erregte,  daß  sich 
die  Kunde  bis  zur  Zeit  des  Hieronymus  erhalten  hat 

6)  Lactantins. 

L.  Caecilius  (schwerlich  Caelius)  Firmianus  Lactantius  *  ist  von 
(Teburt.  Afrikaner  gewesen;  denn  nach  Hieron.,  De  vir.  inL  80  war 
er  Schüler  des  Arnobius,  der  in  Sicca  Numid.  die  Rhetorik  lehrte, 

1)  „Nam  nostra  quldem  scripta  cur  ignibiis  menierunt  dari?  cur  imma- 
Biter  conventicula  dirtii?" 

2)  „Quod  cum  genera  poenarum  tanta  sint  a  vobis  proposita  religionis 
liuius  sequentibus  leges,  augeatur  res  magis  et  contra  omnes  luinas  atque  inter- 
flicta  formidinum  animosius  populus  obnitatur". 

3)  Erzählt  die  von  Hieron.  bewahrte  Überlieferung,  daß  Arnobius  durch 
Träume  zugunsten  des  Christentums  erschüttert  worden  sei,  so  mag  man  sich 
erinnern,  daß  die  Verfolgungszeit  —  in  dieser  geschah  es  —  öfters  in  die 
Reihen  der  Verfolger  eingegriffen  und  Saulus  zu  Paulus  gemacht  hat. 

4)  Gegen  Brandt, 

5)  Es  zeigt  die  Lektüre  des  Protrepticus  des  Clemens  Alex.  (s.  Röhricht. 
IJe  Clemente  Alex.  Arnobii  ....  auctore,  1892)  und  des  Cicero.  Juristische 
Kenntnisse  hat  Ferrini  nachgewiesen  (Die  Jurist.  Kenntnisse  des  Amob.  u. 
Lact,  in  d.  Ztschr.  d.  Savigny-Stiftung  f.  Recht^gesch.  Bd.  15,  Roman.  Abt., 
1894,  S.  343  fF.).  Die  Litteratur  zur  Text-  u.  Quellenkritik  des  Arnobius  s.  bei 
Ehrhard,  Die  altchristl.  Litt.,  19()0  S.  481  flP. 

6)  Die  Handschriften  schwanken  zwischen  „Caecilius"  (die  jüngeren)  und 
„Caelius"  (Bononiensis);  aber  auf  einer  afrikanischen  Inschrift  findet  sich  ein 
L.  Caecilius  Firmianus  (CIL  VIII  7241 :  Cirta).  Da  Hieron.  „qui  et  Lactantius" 
schreibt,  so  muß  dieser  Name  als  Signum  gelten,  gebildet  von  „Lactans",  wie 
Fidentius  von  Fidens,  usw. 


416  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

und  schrieb  in  Afi*ika  als  adalescentulus  ein  ^Symposium".  Auch 
seine  verlorene  Reisebeschreibung  („Hodoeporicum*')  „von  Afrika 
nach  Nikomedien"  zeugt  fftr  jenes  Land.  Daß  die  Familie  ^  nach 
Cirta  gehörte,  darf  man  vielleicht  aus  der  soeben  zitierten  Inschrift 
schließen  \ 

Als  Heide  geboren ^  Lehrer  der  Rhetorik*  in  seiner  Heimat, 
berief  ihn  zusammen  mit  dem  Grammatiker  Flavius  Diokletian  als 
Lehrer  der  Rhetorik  nach  Nikomedien  ^  Ob  er  schon  in  der  letzten 
Zeit  seines  Lebens  in  Afrika  oder  erst  in  Nikomedien  Christ  ge- 
worden ist,  läßt  sich  nicht  entscheiden;  ebensowenig  ist  das  Jahr 
seiner  Übersiedelung  nach  Asien  bekannt  Seine  drei  frühesten 
Werke,  die  Hieronymus  nennt  (I.e.):  „Symposium,  qnod  ada- 
lescentulus scripsit  Africae,  et  Hodoeporicum  Africa  usque  Ni- 
comediam  hexametris  scriptum  versibus,  et  alium  librum,  qoi  in- 
scribitur  Grammaticus",  sind  verloren  gegangen^.  Die  beiden 
letzteren  kann  er  bereits  als  Christ  geschrieben  haben,  ja  es  ist 
nicht  einmal  notwendig,  den  „Grammaticus**  zu  den  frühesten  Schrif- 
ten zu  rechnen. 


1)  Vermutungen,  daß  der  im  Eingang  der  Epitome  genannt«  „Pentadiu> 
frater*'  mit  einem  anderen  der  uns  bekannten  Pentadii  identisch  sei,  sind  um 
80  nichtiger,  als  man  gar  nicht  weiß,  ob  jener  Pentadius  ein  leiblicher  Bruder 
des  Lactantius  oder  ein  christlicher  Bnider  war  oder  ein  Freund. 

*J)  Italienischer  Lokalpatriotismus  hat  ihn  für  Fermo  reklamiert,  aber 
Firmianus  stammt  von  Firmus;  von  Fii-mum  kann  es  nicht  gebildet  sein  (s.  die 
Widerlegung  bei  Brandt,  in  der  '->.  seiner  4  dem  Lact,  gewidmeten  Abhand- 
lungen [Sitzungsber.  d.  Wiener  Akad.  laSO— 91],  1800  S.  off.).  Solche  Namen.--- 
ableitungen  (Flaccianus,  Severianus,  Verianus,  Priscillianus,  Fuscianus)  waren 
damals  ganz  geläutig. 

3)  Ganz  sicher  ist  das  nicht,  aber  (1)  er  war  Schüler  des  Amobius,  al> 
dieser  noch  Heide  war,  (2)  er  venii-t^iilt  Instit.  I,  1,  8  die  Art,  wie  er  früher 
seinen  Beruf  ausgeübt  hat,  (o)  Augustin  rechnet  ihn  (De  doctr.  II,  61)  zu  de« 
Lehrern,  die  ursprünglich  dem  Heidentum  angehört  haben. 

4)  Aber  nur  Tlieoretiker ,  s.  Inst.  div.  III,  13,  12:  „Eloquens  uunquam  fui 
(luippe  qui  forum  ne  adtigerim  quidem". 

5)  Hieron.,  De  vir.  inl.  80  und  Jnstit.  div.  V,  2,  2. 

G)  Von  dem  zweiten  fehlt  jede  J^pur,  ebenso  von  dem  erst-en;  denn  es  isT 
unwahrscheinlich,  daß  die  hexameti-ische  Rätselsammlung  des  Synip[h]osin5 
(Teuffei -Schwabe,  <iesch.  d.  röm.  Litt. *  S.1152j  das  gesucht«  Werk  ist^  Zwar 
ist  diese  lUltselsammlung  schon  in  karolingischer  Zeit  dem  Lactantiiis  beige- 
legt worden;  allein  der  Gleichklang  der  Namen  „Symposion"  und  „SyTnp[h]o- 
sius"  hat  wohl  dazu  vorführt.  Allerdings  ist  der  Name  Symp[h]o8iu8  etwa^ 
auffallend,  und  die  reine  Sprache  jener  I^ätsel  legt  es  nahe,  sie  ins  3.  oder 
•1.  Jahrh.  zu  verlegen.  Aber  sie  sind  in  Versen  geschrieben;  nach  Hieron.  aber 
muß  man  annehmen,  daß  das  Symposion  ein  Prosawerk  war  (s.  Brandt,  Lact. 
Opp.  II,  1  p.  XXXVIllf.  u.  4.  Abhandl.  ISiil  S.  120 ff.).  Vom  „Grammaticiir 
haben  sich  vielleicht  zwei,  ])e/w.  ein  Fragment  erhalten  (s.  Brandt  S.  12^7). 


Laota&tuii.  4X7 

Nach  Inst  div.  V,  2,  2  war  L.  nicht  mehr  in  Biihynien,  als 
er  das  5.  Bach  schrieb  („ego  com  in  Bithynia  oratorias  litteras 
acdtas  docerem*");  nach  V,  11,  15  war  er  L  J.  305,  vielleicht  aach 
noch  i.  J.  306,  daselbst  Die  öffentliche  Tätigkeit  hat  er  noch  beim 
Ausbrach  der  diokletiamschen  Verfolgung  ausgeübt,  dann  aber, 
infolge  des  Edikts  natürlich,  aufgegeben  ^  da  die  private  nichts 
mehr  eintrug,  hat  er  sich  ganz  der  Schriftstellerei  zugewandt 
(Hieron.  1.  c:  „penuria  discipulorum  [Nicomediae]  ob  Graecam 
videlicet  civitatem  ad  scribendum  se  contulit^)^  Als  ihm  der  Boden 
in  Nikomedien  zu  heiß  wurde,  verließ  er  die  Stadt  und  Provinz; 
aber  nach  Demort  persec  35  (u.  48)  ist  er  in  den  JJ.  311—313  wie- 
der in  Bithynien  gewesen;  also  war  es  das  Toleranzedikt,  welches 
ihn  wieder  dorthin  zurückführte.  „Eztrema  senectute"  wurde  er 
als  Lehrer  der  litterae  Latinae  für  Crispus,  den  Sohn  des  Kon- 
stantin, nach  Gallien  (Trier)  berufen  (Hieron.  L  cu.  Chronik  ad 
ann.  2333)^.  Da  Crispus  L  J.  307  oder  um  dieses  Jahr  geboren  ist' 
und  wahrscheinlich  um  d.  J.  317  nach  Gallien  geschickt  wurde, 
so  ist  Lactantius  um  diese  Zeit  dorthin  gegangen  ^.  War  er  damals 
bereits  hocbbetagt,  so  fällt  seine  Geburt  schwerlich  nach  d.  J.  250  ^ 
tJber  das  Todesjahr  und  die  letzten  Lebensumstände  des  L.  ist 
nichts  bekannt. 

Unter  den  uns  erhaltenen  Schriften  geht  De  opifido  dei*  den 
Institutiones  voraus;  denn  diese  blicken  auf  jenes  Werk  zurück'', 
werden  aber  in  De  opificio  bereits  angekündigt^.  De  ii*a  dei  folgte 


1)  Hieron.  hat  Über  die  Kunde,  daß  Lactantius  ans  Mangel  an  Schülern 
sich  der  Schriftstellerei  zuwandte,  hinaus  keine  Nachricht  besessen.  Die  Worte 
„ob  Graecam  videlicet  civitatem"  sind  seine  Erklärung  der  Sache.  Solange 
L.  staatlich  angestellter  Lehrer  war,  konnte  es  ihm  an  Schülern  nicht  fehlen, 
die  in  Nikomedien  die  Reichssprache  lernen  wollten.  £s  ist  mOglich,  daß  die 
Schüler  ausblieben,  als  er  sich  gezwungen  sah,  ins  Privatleben  zurückzukehren. 
Nun  wurde  er  arm.  S.  auch  Hieron.  ad  ann.  2333:  „adeo  in  hac  vita  pauper, 
nt  plerumque  etiam  necessariis  indiguerit". 

2)  Das  war  wohl  die  Belohnung  für  die  Schrift  De  mortibus  persecutorum. 

3)  Seeck  bei  Pauly-Wissowa  IV  Kol.  1722fc 

4)  Seine  Abwesenheit  von  Bithynien  in  der  Zeit  vor  d.  J.  311  darf  also 
mit  der  Übersiedlung  nach  Gallien  nicht  identifiziert  werden. 

5)  Doch  ist  der  Ausdruck  des  Hieron.  „extrema  senectute"  um  des  Zusam- 
menhangs willen  —  L.  macht  die  Reise  von  Bithynien  nach  Trier,  und  seine 
ganze  Lebenslage  ändert  sich  —  nicht  zu  pressen.  Umgekehrt  ergibt  sich  aus 
Inst.  I,  1,  11  u.  VIT,  27,  8,  daß  L.  schon  ein  sehr  gereifter,  in  höherem  Alter 
stehender  Mann  gewesen  sein  muß,  als  er  die  Institutionen  schrieb. 

6)  De  opificio  dei  vel  formatione  hominis  ad  Demetrianum  auditorem  snum. 

7)  Inst.  II,  10,  15:  „Quam  [materiam]  ego  nunc  idcirco  praetereo,  quia 
nuper  proprium  de  ea  re  libellum  ad  Demetrianum  auditorem  meum  scripsi". 

8)  G.  15,  6:  „Sed  erit  nobis  contra  philosophos  integra  disputatio'';  20,  2: 
Harnack,  Altchristi.  Litteraturgesch.  II,  2.  27 


4  IS  Die  Litteratur  des  AbendlandeB. 

beiden  engverbundenen  Werken  auf  dem  Fuße  K  Die  drei  Schriften, 
die  der  unfreiwilligen  Muße  des  Verfassers  und  dem  im  J.  303  neu 
hervorgetretenen  Hasse  und  den  Angriffen  seitens  der  Heiden  ihren 
Ursprung  verdanken,  sind  mit  wünschenswerter  Sicherheit  zu  da- 
tieren. Bereits  De  opiflcio  setzt  die  diokletianische  Verfolgung 
voraus^,  ja  auch  schon  philosophische  Gegenschriften  gegen  das 
Christentum,  welche  die  Verfolgung  motivieren  und  rechtfertigen 
sollten  \  Diese  Gegenschriften  zweier  Philosophen  ^  sind  sehr  bald 
nach  der  Zerstörung  der  Kirche  in  Nikomedien,  die  am  23.  Febr.  303 
erfolgte,  erschienen  (Inst  V,  2,  2 :  „Ego  cum  in  Bithynia  oratorias 
litteras  accitus  docerem  contigissetque  ut  eodem  tempore  dei  tem- 
plum  everteretui**'  —  die  geistige  Deutung  dieser  Angabe  ist 
schlechthin  unstatthaft  —  „duo  extiterunt  ibidem  qni  iacenti  et 
abiectae  veritati  nescio  utrum  superbius  an  importunins  insultar 
rent").  Die  Schrift  De  opiflcio  kann  also  nicht  vor  Ende  des 
Jahres  303  entstanden  sein.  Sie  ist  aber  auch  nicht  erheblich 
später  zu  setzen;  denn  noch  das  6.  Buch  der  Instit  (und  danun 
wohl  auch  das  ihm  enge  verbundene  7.)  ist  zur  Zeit  der  Verfolgung 
geschrieben  (VI,  17,  6:  „Spectatae  sunt  enim  semper  spectan- 
turque  adhuc  per  orbem  poenae  cultorum  dei,  in  quibus 
excruciandis  nova  et  invisitata  tormenta  excogitata  sunt").  Also 
fallt  der  Abschluß  der  Institutionen  vor  das  Toleranzedikt  des 
Galerius,  d.  h.  vor  April  311  ^    Im  J.  305,  vielleicht  auch  L  J.  306, 

„statui   enim  quam  multa  potero  litteris  tradere  quae  ad  beaiae  vitae  stahmi 
spectant,  et  quidem  contra  philoaophos". 

1)  Inst.  2,  17,  5:  „Sed  seponatur  interim  nobis  hie  locus  de  ira  dei  dissf- 
rendi,  quod  et  uberior  est  materia  et  opere  proprio  latius  exequenda".  IHe 
Inst,  werden  in  De  ira  mehrmals  nach  Büchern  zitiert,  s.  2,  5.  6.  Wie  nahe 
sich  beide  Schriften  stehen,  geht  auch  daraus  hervor,  daß  in  beiden  ein  Sp*'- 
zialwerk  gegen  alle  Häretiker  angekündigt  wird  (s.  Instit.  IV,  80,  14;  De  ira 
2,  6).  Ob  dasselbe  und  die  gleichfalls  (Vli,  1,  26)  angekündigte  Spezialschrift 
gegen  die  Juden  je  erschienen  ist,  wissen  wir  nicht. 

2)  C.  20,  1:  „Haec  ad  t«,  Demetriane,  interim  paucis  et  obscurius  for- 
tasse  quam  decuit  pro  remm  ac  t^mporis  necessitate  peronivi".  Mit  den 
Worten  (1,  1):  „Quam  minimo  sim  quietus  etiam  in  summis  necessitatibus,  »a 
hoc  libello  poteris  aestimare".  C.  1,  7:  „Nam  illo  conluctator  et  adversariu> 
noster  scis  (juam  sit  astutus  et  idom  saepe  violentus,  sicuti  nunc  videmus". 

3)  Lactantiuß  geht  auf  sie  in  den  Instit.  ein,  aber  in  De  opiticio  kennt 
er  sie  bereits;  denn  er  kündigt  ja  (s.  Note  S  S.  417)  ihre  Widerlegung?  an. 

4)  Der  eine  ist  unbekannt,  der  zweite  ist  wahrscheinlich  Hierokles.  >. 
diese  Litt.-Gescb.  T.  \  S.  87r{  f. 

5)  S.  auch  V,  2.'>:  „veniet  rabiosis  ac  voracibus  lupis  (den  Kaisem 
merces  sua,  qui  iustas  et  Rim]>liccs  animas  nullis  facinoribus  admiseis  excni- 
ciavenint"  (vgl.  das  ganze  Kapit«*l:  „mali  principes",  „iniustissinii  persei'u- 
tores").     Also    hatten   sie  ihren  Lohn  noch  nicht  bekommen.     Die  Sprache  ii^t 


LactaniioB. .  419 

war  L.  noch  in  Nikomedien  K  Es  ist  wahrscheinlicher,  daß  er  dort 
De  opificio  abgefaßt  und  die  Institutiones  begonnen  hat,  als  daß  er, 
seiner  Lehrtätigkeit  beraubt,  ein  paar  Jahre  ganz  untätig  war. 
Dazu  kommt,  daß  die  Haltung  in  De  opificio  ganz  latitudinarisch 
ist  und  sich  von  der  in  den  Institutionen  beobachteten  dadurch 
chai*akteristisch  unterscheidet.  Es  scheint,  daß  Lactantius,  als  er 
De  opificio  schrieb,  noch  glaubte,  der  Sturm  werde  schnell  vorfiber- 
gehen  und  ein  direktes  Bekenntnis  zum  Christentum  sei  in  der 
akuten  Krise  nicht  opportun.  Daher  wird  De  opificio  i  J.  303/4 
entstanden  sein.  Gleich  darauf  ftberzeugte  er  sich^  daß  er  mit 
offenem  Visir  den  litterarischen  Gtegnern  des  Christentums  ent- 
gegentreten müsse.  Muß  man  den  ganzen  Zeitraum  von  304  bis 
April  311  ffir  die  Institutionen  offen  lassen,  so  ist  es  —  da  das 
Werk  in  De  opificio  angekündigt  ist,  und  Lactantius  augenschein- 
lich ein  routinierter  Schriftsteller  war  —  doch  wahrscheinlich,  daß 
der  Abschluß  des  Buchs,  der  nicht  mehr  in  Bithynien,  sondern 
an  einem  unbekannten  Ort  erfolgte,  dem  Jahre  305/6  näher  zu 
rücken  ist,  als  dem  J.  311  (Lactantius  hat  also  wohl  gleichzeitig 
mit  Arnobius  seine  Institutionen  geschrieben).  Näheres  läßt  sich 
zunächst  nicht  angeben;  doch.  s.  unten. 

Ein  eigentümliches  Rätsel  bilden  die  dualistischen  und  die 
I)anegyrischen  Zusätze  in  den  Institutionen  (eine  auch  in  De  opi- 
ficio), die  sich  in  den  Handschriften  finden.  Brandt  2,  der  sie  sehr 
sorgfältig  untersucht  hat,  kommt  zu  dem  Ergebnisse,  daß  sie  einem 
und  demselben  Verfasser  angehören,  aber  nicht  dem  Lactantius, 
sondern  einem  sehr  bald  nach  der  Zeit  des  Lactantius  schreiben- 
den Interpolator  (vielleicht  in  Trier).  Daß  sie  aus  einer  Feder 
siud,  ist  auf  Grund  der  gemeinsamen  Überlieferung  nicht  unwahr- 
scheinlich, aber  nicht  gewiß.  Mit  Sicherheit  aber  kann  m.  E.  Lac- 
tantius selbst  als  Verfasser  nicht  abgelehnt  werden;  denn  die  Stücke 
zeigen  seinen  Stil,  und  auch  der  Dualismus  in  der  Metaphysik  ist 
dem  Lactantius  nicht  fremd,  wenn  er  auch  in  jenen  Stücken  sehr 
viel  stärker  erscheint.  Man  könnte  also  an  nachträgliche  Zusätze 
durch  den  Verfasser  denken  —  wer  hätte  in  späterer  Zeit  sonst 
ein  Interesse  gehabt,  gerade  Stücke  dieser  Art  hinzuzufügen?  — , 

fil>rigen8  dieselbe  hier  wie  in  De  morfcibus.  —  Daß  die  Verfolgung,  auf  welche 
die  Institutionen  Micken,  nicht  die  des  Licinius  ist,  ist  an  sich  klar  und  hat 
Kbert  zum  Cberfluß  bewiesen  (über  den  Verf.  d.  Buchs  De  mort.  S.  125  flf.)» 

1)  S.  o.  S.  417.  Die  Stelle  (V,  11,  15)  lautet:  „Vidi  ego  in  Bithynia 
juaebidem  gaudio  mirabiliter  elatum  tamquam  barbarorum  gentem  aliquam 
subegisset,  quod  unus  qui  per  biennium  magna  virtute  restiterat,  postremo 
cedere  visus  esset". 

2)  Abhandlung  1  u.  2  (Sltzungsber.  d.  Wiener  Akad.  1889). 

07* 


420  ^^®  Litteraiur  des  Abendlandes. 

aber  bequem  ist  natürlich  eine  solche  Hypothese  nicht  Sind  sie 
unecht,  so  müssen  sie  doch  dem  4.,  spätestens  dem  Anfang  des 
5.  Jahrh.  zugewiesen  und  als  Dokumente  jener  verhältnismäßig 
kurzen  Epoche  der  lateinischen  Kirche  betrachtet  werden,  in  der 
gebildete  Christen  für  den  Manichäismus  und  ihm  verwandte  Ge- 
danken empfänglich  waren. 

Die  Schrift  De  ira  dei  ad  Donatum  kann  nicht  näher  datiert 
werden,  als  oben  S. 4 17 f  bereits  angegeben:  sie  folgte  den  Institu- 
tionen bald. 

Geraume  Zeit  nach  den  Institutionen^  hat  Lactantius  dieEpi- 
tome  Divinarum  Institutionum  ad  Pentadium  fratrem  herausgegeben. 
Ihre  Echtheit  (Brandt,  4.  Abh.  S.  2ff.)  —  schon  Hieronymus  kannte 
sie  als  Werk  des  Lactantius^  —  ist  nicht  zu  bestreiten  und  hat  an 
der  Freiheit  dem  Hauptwerk  gegenüber  ihr  Siegel.  In  c.  61  (66) 
wird  so  gesprochen,  als  hätte  der  christliche  Glaube  noch  immer 
die  Probe  der  Verfolgung  zu  bestehen.  Doch  ist  das  abstrakt 
geredet.  Daß  alle  Verfolger  bereits  ihren  Lohn  haben,  ist  c,  48  (53) 
ausdrücklich  gesagt:  „eorum  omnium  qui  hoc  facinus  ausi  sunt 
miserabilus  exitus  partim  cognovimus  partim  vidimus  (Augenzeuge) 
nee  ullus  habuit  iupune  quod  deum  laesit,  sed  qui  sit  verus  dens 
qui  verbo  discere  noluit,  supplicio  suo  didicit".  Die  Epitome  ist 
also  nach  313  geschrieben,  näheres  s.  u.  —  Über  Verwandtschaft 
der  Epitome  mit  De  ira  s.  Brandt,  4.  Abhandl.  S.  10. 

Das  Fragment  aus  der  Schrift  De  motibus  animi,  dessen  Echt- 
heit kein  Bedenken  gegen  sich  hat,  ist  nicht  datierbar  ^  Übrigens 
kann  das  Stück  auch  Teil  eines  Briefs  des  L.  sein,  da  eine  beson- 
dere Schrift  unter  dem  Titel  De  motibus  animi  sonst  nicht  ge- 
nannt wird. 

Die  beiden  verlorenen  Bücher  ad  Asclepiadem  sind  ebensowenig 
datierbar,  wie  die  Schrift  dieses  Asklepiades  De  Providentia, 
welche  derselbe  an  L.  gerichtet  hat^  und  wie  die  umfangreichen. 

1)  Epit.,  Praef.:  „Quarnquam  Divinarum  Institutionum  libri,  quos  iam 
I^ridem  .  .  .  conscripsimus  etc." 

2)  Aber  auch  er  kannte  sie,  wie  er  De  vir.  inl.  80  ausdrucklich  bemerkt, 
nur  verstümmelt  (dxiipaXog).  Um  so  wunderbarer  war  es,  daß  man  L  J.  1711 
noch  ein  vollständiges  Exemplar  in  Turin  entdeckte. 

3)  S.  Brandts  Heidelberger  Gymnasialprogramm  1891  imd  die  4.  Abhandl. 
in  den  "Wiener  Sitzungsberichten  (1891)  S.  126 f. 

4)  Wir  wissen  nur,  daß  diese  Schrift  älter  ist  als  Instit.  VU,  s.  VII,  4, 17 : 
,,Optime  Asclepiades  noster  de  Providentia  summi  dei  disserens  in  eo  libro 
quem  scripsit  ad  me".  —  De  vir.  inl.  80  erzählt  Hieron.,  daß  Diokletian  zusammen 
mit  Lactantius,  dem  Rhetor,  auch  Flavius,  den  Grammatiker,  nach  Nikomedien 
auf  Lehrstühle  berufen  habe.  Gewiß  hätte  Hieron.  ihn  und  sein  Werk  „De 
luedicinalibus"  („cuius  De  medicinalibus   versu   compositi   exBtant  libri")  nicht 


LactantiuB.  42 1 

ganze  AbhaDdlungen  umfassenden,  fast  spurlos  untergegangenen 
Briefsammlungen  des  Lactantius  Ad  Probum  epp.  1.  IV,  Ad  Deme- 
trianum  epp.  1.  II  (VIII  oder  mehr?  schwerlich;  s.  Brandt,  Ab- 
handl.  4  S.  123),  Ad  Severuni  epp.  L  IL  Sie  handelten  (nach  Hieron.) 
„raro  de  nostro  dogmate",  sondern  waren  vielmehr  profan-wissen- 
schaftlichen Inhalts.  Warum  sie  untergegangen  sind,  zeigt  Hieron. 
ep.  84,  7  und  Comment  in  ep.  ad  GaL  lib.  II  (in  c.  4;  VII 
p.  450  Vall.)  K 

Hieronymus  legt  (De  vir.  inl.  80)  dem  L.  ein  Werk  „De  perse- 
cutione  lib.  un."  bei;  unter  dem  Namen  „Lucius  Caecilius"  findet 
sich  ein  solches  Werk  von  einem  Buch  mit  dem  Titel  „De  mor- 
tibns  persecutorum"  -.  Da  De  persecutione  eine  nahe  liegende  Ver- 
kürzung jenes  Titels  ist^  der  Verfassername  stimmt,  die  Buchzahl 
dieselbe  ist  und  dazu  De  mort  pers.  einem  Donatos  gewidmet  ist, 
wir  aber  wissen,  daß  L.  einen  Freund  dieses  Namens  besaß,  so 
besteht  zunächst  ein  starkes  Vorurteil,  daß  beide  Werke  identisch 
^iind.  Dieses  Vorurteil  bestätigt  sich  durch  die  Zeitlage  des  über- 
lieferten Buchs.  Dasselbe  ist  nämlich  dem  Eusebius  bei  Abfassung 
der  letzten  Bücher  seiner  KGeschichte  bekannt  gewesen*,  ja  ist 
sicher  noch  vor  dem  Ausbruch  der  Verfolgung  des  Licinius  ge- 
schrieben; denn  dieser  wird  c.  1,  3  in  (legensatz  zu  den  verfolgen- 
den Kaisern  gestellt  und  zusammen  mit  Konstantin  gefeiert    Die 

erwähnt,  wenn  Flavius  nicht  Christ  gewesen  wäre  (hätte  das  Buch  christlichen 
Inhalt  gehabt,  so  hätt«  Flavius  einen  besonderen  Platz  in  dem  Schriftsteller- 
katalog erhalten;  es  war  also  indifferent).  Evident  ist  das  Christentum  des 
Flavius  nach  Hieron.,  Adv.  Jovin.  IT,  6:  „Legat  qui  vult  Aristotelem  et  Theo- 
phrastum  prosa,  Marcellum  Sidetem  et  nostrum  Flavium  hexametris  versibus 
disserentes".  Näheres  wissen  wir  über  das  Werk  nicht.  Wie  verbreitet  aber 
muß  das  Christentum  in  Afrika  gewesen  sein  —  ganz  sicher  ist  es  freilich  nicht, 
daß  auch  Flavius  aus  Afrika  berufen  wurde,  doch  legt  der  Ausdruck  des  Hieron. 
es  nahe  — ,  wenn  die  beiden  Gelehrten,  die  Diokletian  in  die  Hauptstadt  Niko- 
luedien  berief,  entweder  schon  Christen  waren  oder  dem  Christentum  so  nahe 
standen,  daß  sie  es  bald  darauf  wurden! 

1)  Die  Briefe  ad  Probum  sind  vielleicht  in  Gallien  verfaßt,  da  L.  in  ihnen 
nach  Hieron.  Comra.  in  Gal.  1.  II  praef.  den  Namen  der  gens  Galatarum  (Gallo- 
rum)  erklärt  hat.  Doch  ist  es  nicht  einmal  sicher,  ob  sie  in  die  christl.  Zeit 
«les  L.  fallen.  —  Tn  bezug  auf  die  Briefe  ad  Severum  s.  Hieron.,  De  vir.  inl.  111. 
—  Über  ein  angebliches  Buch  De  spectaculis  s.   Brandt,   -1.  Aühandl.  J*^.  128. 

2)  In  einer  Handschr.  saec.  IX. 

H)  Hieron.  ist  auch  sonst  in  Wiedergabe  von  Buchtiteln  ungenau. 

-1)  Der  Beweis  würde  hier  zu  weitläufig  sein;  es  genügt  übrigens,  daß 
auch  Brandt  (-1.  Abhandlung  unter  seinen  Wiener  Abh.  S.  75.  121)  derselben 
Meinung  ist.  Material  in  bezug  auf  das  Abhängigkeitsverhältnis  des  Eusebius 
von  L.  hat  Antoniades,  Kaiser  Licinius  (1884)  S.  6ff.  zusammengestellt  (man 
vgl.  auch  Tnstit.  V,  11,  10  mit  Euseb.,  h.  e.  VlII,  11). 


422  ^ie  Litteratur  des  Abendlandes. 

Licinius-Veifolgung  ist,  ihren  Ausbruch  anlangend,  nicht  sicher  zu 
datieren  (319.  321,  gar  schon  315);  aber  das  ist  auch  für  das  uns 
beschäftigende  Problem  nicht  notwendig;  denn  unser  Werk  setzt 
voraus,  daß  zwischen  Konstantin  und  Licinius  noch  keine  Feind- 
schaft bestand.  Das  führt  auf  die  Zeit  vor  dem  Oktober  314  (dem 
cibalischen  Krieg)'.  Andererseits  erzählt  das  Werk  die  Ereignisse 
zweifellos  bis  zum  Sommer  313  (Tod  des  Maximinus  Daza,  c.  49 
und  Tod  des  Diokletian,  c.  42),  ist  also  313/4  geschrieben.  Hier- 
zu fügt  sich  trefflich  die  Bemerkung  (c.  48,  13):  „His  litteris 
(Toleranzedikt  des  Konstantin  und  Licinius)  propositis  etiam  verbo 
hortatus  est,  ut  conventicula  [in]  statum  pristinum  redderentur  .  sie 
ab  eversa  ecclesia  usque  ad  restitutam  fuerunt  anni  decem,  menses 
plus  minus  quattuor'' ;  denn  wenn  auch  nicht  gesagt  ist,  daß  damals 
bez.  gleich  darauf  der  Schreibende  sein  Werk  geschrieben  hat  sn 
macht  doch  die  genaue  Monatsangabe  es  wahrscheinlich,  daß  er 
bald  darauf  zur  Feder  gegriffen  hat;  er  hätte  sich  sonst  doch  wohl 
mit  der  Angabe  „zehn  Jahre*"  begnügt'^.  Dazu  kommt,  daß  das 
ganze  Büchlein  einen  so  impressionistischen  Eindnick  macht,  daß 
es  den  erzählten  Ereignissen  auf  dem  Fuße  gefolgt  sein  muß. 

Indessen  hat  diese  Zeitbestimmung  zwei  Einwürfe  gegen  sich. 
In  c.  50.  51  sind  Ereignisse  mitgeteilt,  die  vielleicht  nach  314 
fallen,  und  nach  Seeck  ist  Diokletian  erst  am  3.Dez.316(nicht3l3) 
gestorben.  Allein  Seeck  hat  mich  nicht  überzeugt,  daß  die  alte 
Annahme  (313)  im  Unrecht  sei,  und  jene  Ereignisse  brauchen  nicht 
notwendig  nach  dem  Herbst  314  angesetzt  zu  werdend    Man  wird 


1)  Es  sind  in.  E.  bloße  Ausflüchte  (Brandt  S.  107  ff.),  venuöge  deren  man 
das  leugnet.  Wären  Konstantin  und  Licinius  sich  bereits  in  die  Haare  geraten, 
so  hätte  L.  die  ganze  Schrift  nicht  mehr  so  schreiben  können,  wie  er  sie  jr«*- 
schrieben  hat.  Und  wie  konnte  er  dann  den  herrlichen  „Frieden",  der  bleiben 
möge,  preisen? 

2)  Man  vgl.  auch  den  Schlußsatz:  „Celcbremus  [1.  supplicemus  oder  fibn- 
lich],  ut  pacem  post  annos  decem  plebi  suae  datam  confirmet  [deus]  in  saecu- 
lum"  (c.  52,  4).  Hätte  der  Verfasser  so  schreiben  können,  wenn  seitdem  mehrere 
Jahre  verflossen  wären?  Auch  diese  Stelle  zeigt  doch  klärlich,  daß  unsen- 
Schrift  imraittelbar  nach  dem  Siege,  d.  h.  in  das  Jahr  Herbst  313 — 314  f&llt 
und  daß  der  Ansatz  Seecks  ;]17— 321  nicht  möglich  ist. 

3)  Daß  sie  (Brandt,  kleine  Ausgabe  1897,  p.  4(>,  5—9.  13—10.  22—2? 
Interi)olationen  sind,  dafür  spricht  manches.  Doch  mag  das  dahingest-ellt  bleiben. 
Die  15  Monate,  die  Valeria  umhergeirrt  sein  soll  (c.  51),  fuhren,  auch  wenn 
man  sie  genau  nimmt,  nicht  weiter  als  bis  zum  Oktob.  314.  Die  Schlacht  bei 
Cibalae  fand  am  8.  Okt.  314  statt.  Man  muß  daran  festhalten,  daß  die  Mortv> 
unmittelbar  vorher  geschrieben  sind.  Die  15  Monate  passen  dann  gerade  nocli 
—  zu  genau!  — ,  aber,  wie  bemerkt,  das  ganze  Stück  ist,  vie  auch  Ebert 
(S.  124  not.  10)  gesehen  hat,  verdächtig.  Ich  lasse  es  fallen  und  beschränke 
mich  auf  den  Ansatz  Herbst  313  bis  Herbst  314.  Ebert  wiU  313  oder  314  An- 


Lactantius.  423 

daher  bei  dem  Ansatz  Herbst  313  bis  Herbst  314  verharren  dürfen. 
Der  äußerste  terminus  ad  quem  ist  jedenfalls,  wie  alle  zugestehen, 
das  J.  321.  Auch  die,  welche  irrtümlich  so  weit  heruntergehen  zu 
müssen  meinen  (Seeck),  können  von  der  Chronologie  aus  keine 
Einwendung  gegen  die  Abfassung  durch  Lactantius  erheben. 

Aber  diese  wird  noch  durch  folgende  Beobachtung  verstärkt. 
Der  Verfasser  des  Büchleins  ist  ein  lateinischer  Gelehrter  im 
Orient,  wie  Lactantius,  und  zwar  lebte  er,  wie  Lactantius,  in  Niko- 
medien;  denn  aus  dem  Werk  geht  mit  Klarheit  zwar  nicht  die 
Abfassung  in  dieser  Stadt  hervor,  wohl  aber,  daß  sein  Verfasser 
die  JJ.  303f.  311—313  in  Nikodemien  verbracht  hat  (c.  12.  35.  48, 
s.  0.  S.417)  und  dort  Augenzeuge  der  Bewegung  war.  Wir  haben 
aber  festgestellt  (s.  S.  4 18  f.),  daß  L.  noch  L  J.  305  (vielleicht  auch 
noch  306)  in  Nikomedien  gewesen  ist,  und  nichts  hindert,  daß  er 
auch  311—313  dort  war;  denn  nach  Gallien  ist  er  erst  später 
tibergesiedelt.  Da  nun  an  eine  verschmitzte  Fälschung  unter  dem 
Namen  und  unter  den  Augen  des  Lactantius  nicht  gedacht 
werden  kann,  so  ist  die  Entscheidung  durch  das  Gewicht  der 
äußeren  Gründe  zwingend:  der  lateinische  Gelehrte  und  Christ 
Lucius  Caecilius,  der  i.  J.  303  f.  in  Nikomedien  lebte,  einen  Freund 
Donatus  besaß  und  ein  Werk  De  mortibus  persecutomm  in  einem 
Buche  im  J.  313/4  (oder  einige  Jahre  später)  geschrieben  hat,  kann 
nicht  ein  Doppelgänger  gewesen  sein  des  lateinischen  Gelehrten 
und  Christen  Lucius  Caecilius  Firmianus  Lactantius,  der  im  J.  303  f. 
in  Nikomedien  lebte,  einen  Freund  Donatus  besaß,  im.  J.  313;4  und 
auch  noch  mehrere  Jahre  später  am  Leben  war  und  ein  Werk 
De  persecutione  in  einem  Buche  verfaßt  hat.  Sie  müssen  identisch 
sein.  Trotzdem  wird  die  Identität  noch  immer  bekämpft,  am 
schärfsten  in  der  Neuzeit  von  dem  um  L.  hochverdienten  Brandt*. 
Die  chronologischen  Schwierigkeiten  sind,  wie  gezeigt,  ohne  Be- 
lang; es  sind  überhaupt  keine  vorhanden;  es  sei  denn  man  behaup- 
tet, De  mortibus  müsse  in  Nikomedien  im  J.  314  oder  315  ge- 
schrieben sein,  Lactantius  sei  aber  schon  vorher  nach  Gallien 
übergesiedelt.  Beides  ist  unrichtig:  die  Schrift  braucht  nicht  not- 
Avendig  in  Nikomedien  verfaßt  zu  sein  (obgleich  die  Abfassung  dort 


fang,  Görres  Sept.  314,  Keim  urteilt  wie  ich.  Alle  drei  erkennen  an,  daß  der 
cibalißche  Krieg  noch  nicht  begonnen  hat.  Brandt  will  April  315  oder  einige 
Monate  später,  Belser  (Tüb.  Quartalschr.  1802  S.  252ff.)  Dezember  314. 

1)  Brandt  sieht  die  Schrift  De  mort.  wie  einen  Schandfleck  an,  von 
-welchem  er  seinen'  Helden  reinigen  muß.  Durch  die  verhilngnisvoUe,  ganz 
jri-undlose  Annahme,  L.  müsse  um  300  nach  Gallien  gegangen  sein,  ist  von  ihm 
l«'ider  das  Leben  des  L.  verwirrt  worden. 


424  ^16  Litteratur  des  Abendlandes. 

das  Wahrscheinlichere  ist)*,  und  daß  Lactantius  schon  vor  c.  317 
nach  Gallien  übergesiedelt  ist,  ist  ein  Irrtum  (s.  o.  S.  417).  Die 
inneren  Gründe,  die  man  gegen  die  Abfassung  der  Schrift  De  mort 
durch  L.  geltend  gemacht  hat  (Roheit  der  Auffassung,  Ungerech- 
tigkeit des  Urteils,  Lügen,  Stilverschiedenheiten  2),  sind  nicht  nur 
nicht  zwingend,  sondern  erledigen  sich  leicht,  sobald  man  die  Ver- 
schiedenheit des  Zwecks  und  der  Situation  dieser  Schrift  im  Ver- 
gleich mit  den  anderen  würdigt  Das  geschieht  in  der  Gegenwart 
immer  mehr,  und  seitdem  haben  auch  die  unverständigen  „Ent- 
rüstungen" über  die  Schrift  gerechteren  Erwägungen  Platz  ge- 
macht Im  Gegensatz  zu  früheren  Verwerfungsurteilen  ist  der  aus- 
gezeichnete Quellenwert  des  Büchleins  immer  deutlicher  geworden. 
Natürlich  ist  es  eine  Parteischrift,  aber  keine  der  schlechten  Sorte. 
Das,  was  abzuziehen  ist,  gewahrt  ein  geschultes  Auge  leicht;  das 
übrige  ist  fast  alles  ein  Komplex  von  zuverlässigen  Nachrichten, 
durch  die  Brille  eines  Christen  gesehen. 

Ist  aber  De  mort  von  Lact  verfaßt  (wahrscheinlich  in  dem  Jahre 
313—314)  und  ist  der  Donatus  der  „Mortes"  identisch  mit  dem  der 
Schrift  De  ira,  so  besitzen  wir  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel,  um 
die  Trias  De  opif.,  Inst  und  De  ira  ganz  genau  zu  datieren.  Es 
wurde  oben  bemerkt,  daß  De  opif.  höchst  wahrscheinlich  dem 
J.  303/4  angehört,  daß  die  Institutionen  innerhalb  des  Zeitraumes 
304— April  311  dem  J.  305/6  näher  zu  rücken  sind  als  dem  J.  311 
und  daß  De  ira,  welche  Schrift  dem  Donatus  gewidmet  ist,  ihnen 
schnell  gefolgt  ist  Nun  erfahren  Avir  aber  aus  den  „Mortes",  daK 
Donatus  im  J.  311  (s.  c.  35)  nach  6 jähriger  Kerkerhaft  entlassen 
wurdet  In  De  ira  ist  er  noch  frei.  Also  ist  er  zwischen  April  305  bis 
Jan.  306  gefänglich  eingezogen  worden.  Also  ist  De  ira  spätestens 
am  Ende  305  geschrieben.  Mithin  fällt  die  Trias:  De  opific,  Instit. 
und  De  ira  in   die  JJ.  303—305^.     Dieser  Ansatz   ist  auch  der 

1)  Sc  eck  setzt  sie  nacli  Gallien,  weil  sie  geraume  Zeit  nach  Dez.  316  ab- 
gefaßt sein  müsse,  damals  aber  L.  in  Ciallien  weilte.  An  der  Abfassung  durch 
L.  zweifelt  auch  er  nicht. 

2)  Die  Stil  Verschiedenheiten  sind  so  gerin  j^,  daß  sie  überhaupt  nicht  in 
Betracht  kommen.  Das  lernt  man  am  besten  aurf  Brandts  Bemühungen  (Ab- 
handl.  4  S.  2t)ff.),  die  das  (Tegenteil  erweisen  wollen.  Dagegen  sind  die  Oberein - 
Stimmungen  im  Stil,  im  Wortschatz  und  in  zahlreichen  Sätzen  und  Satzgruppen 
eo  groß,  daß  Brandt  sich  genötigt  sieht,  in  dem  Verf.  der  Mortes  einen  Nach- 
ahmer und  einen  Plagiator  dos  L.  zugleich  anzuerkennen.  Das  ist  um  so  un- 
wahrscheinlicher, als,  wie  Kbert  mit  Recht  (S.  125 f.)  betont  hat,  die  ganze 
Idee  der  mortes  prrsecutorum  bereits  in  den  Institutionen  ausge- 
sprochen liegt,  s.  besonders  V,  2.). 

3)  S.  auch  c.  10. 

4)  niernach  ist  in  bezug  auf  die  Stelle  Inst.  V,  11,  15..  die  das  J.  306  offen 
läßt,  dieses  Jahr  in  Wegfall  zu  bringen. 


LaetantiuB.  425 

natürlichste,  und  der  Zeitraam  von  3  Jahren  erscheint  aasreichend 
lang,  um  jene  Schriften  entstehen  zu  lassen.  Lactantius  ist  im 
J.  305  (Anfang)  noch  in  Ilikomedien  gewesen.  Dort  hat  er  den 
nach  zweijähriger  Kerkerhaft  abgefallenen  Bruder  gesehen;  bald 
darauf  hat  er  Bithynien  verlassen  und  die  Institutionen  anderswo 
vollendet  und  De  ira  geschrieben  (beides  noch  im  J.  305). 

Noch  ist  ein  Wort  über  das  Verhältnis  der  Epitome  zu  den 
Mortes  zu  sagen.  Die  Epitome  ist  nach  dem  Sommer  313  (Tod 
des  Maximinus  Daza  und  damit  aller  Verfolger,  s.  o.  S.  420)  ab- 
gefaßt und  die  Mortes  ebenfalls.  Nun  aber  bestehen  zwischen 
ihnen  so  starke  Übereinstimmungen  ^  daß  in  der  einen  Schrift 
notwendig  die  andere  benutzt  ist  Die  Mortes  sind,  wie  wii* 
gesehen  haben,  höchst  wahrscheinlich  zwischen  Herbst  313  u.  314 
geschrieben.  Also  wird  die  Epitome,  die  nach  ihrem  Selbstzeugnis 
geraume  Zeit  nach  den  lust  fällt,  nach  den  Moi-tes  verfaßt  sein. 
Brandt  kehrt  das  Verhältnis  um.  Es  wird  ihm  zuzugeben  sein''', 
daß  „iam  pridem''  unter  Umständen  auch  nur  wenige  Jahre  aus- 
drücken kann;  aber  das  Nächstliegendste  ist  das  nicht  Die  Art 
der  Übereinstimmungen  verlangt  aber  m.  E.  nicht,  daß  die  Epitome 
die  frühere  Schrift  ist  Entweder  sind  sie  also  ungefähr  gleich- 
zeitig ausgearbeitet  oder,  da  die  Mortes  gewiß  in  einem  Zuge  ge- 
schrieben sind,  wahrscheinlicher  ist  die  Epitome  ihnen  gefolgt 

Daß  Lactantius  auch  Dichter  gewesen  ist,  ist  nach  dem  in 
Hexametern  abgefaßten  „Hodoeporicum"  (s.  o.  S.  416)  gewiß.  Die 
Überlieferung  der  Handschriften  und  Drucke  legt  ihm  auch  noch 
andere  Gedichte  bei,  so  ein  Gedicht  „De  resurrectione"  (auch  „De 
Pascha")  genannt;  aber  es  ist  von  Venantius  Fortunatus^;  so  ein 
Oedicht  „De  passione  Domini"  (oder:  „De  benefieiis  suis  Christus"), 
aber  es  fehlt  hier  jede  Handschrift;  das  Gedicht  ist  wohl  die  Arbeit 
eines  italienischen  Humanisten^;  endlich  das  Gedicht  De  Phoenice 
in  85  Distichen.  Dieses  Carmen  hat  Anspruch  darauf,  für  ein  echtes 
Werk  des  L.  zu  gelten.  Es  ist  christlich  (die  lat  Übersetzung  des 
1.  Clemensbriefs  ist  benutzt,  s.  o.  S.  304,  und  es  sind  auch  sonst, 
freilich  versteckte,  christliche  Züge  zu  konstatieren)  •'.  Es  war  schon 

1)  S.  Brandt,  4.  Abhandlung  S.  OQfF. 

2)  S.  Brandt,  a.  a.  0.  S.  114. 

3)  Brandt,  Lact.  Opp.  N,  1  p.  XXXIII-XXXVin. 

4)  Brandt,  1.  c.  p.  XXII,  p.  148—151,  8.  auch  dessen  Abhandlung  in  dem 
für  Wölfflin  geschriebenen  Comment.,  1891  8.  77—84.  Manitius,  Gesch.  d. 
ehristl.-lat.  Poesie  (1891)  S.  bO  hält  das  Gedicht  fiir  alt,  legt  es  aber  nicht  dem 
Lactantius  beL    Mir  scheint  es,   wie  Brandt,  von  einem  Humanisten  zu  sein. 

'))  S.  Z.  25.  r4.  9;J. 


426  ^^®  Litteratur  des  Abendlandes. 

dem  Claudian  bekannt  K  Zwei  alte  Handschriften  (des  9.  u.  10.  Jahrb.) 
legen  es  dem  Lactantius  bei,  femer  höchst  wahrscheinlich  Alcuin, 
wenn  er  (Poet  lat  aevi  Carolini,  ed.  Dümmler  I  p.  204)  den  L.  zu 
den  lateinischen  Dichtem  zählt,  weiter  und  unzweideutig  der  Ano- 
nymus De  dubiis  nominibus,  der  zwischen  Isidor  und  dem  9.  Jahrh. 
schrieb  (Gr.  L.  V  565  K),  endlich  ebenso  zweifellos  Gregor  von  Tours 
(De  cursu  stellarum  c.  12)  2.  Diese  starke  Bezeugung  wird  durch 
innere  Momente  bekräftigt.  Entscheidende  Beobachtungen,  die 
gegen  L.  als  Verfasser  sprechen,  gibt  es  nicht;  die  Anschauungen 
aber,  die  das  Gedicht  enthält,  fügen  sich  zwanglos  zu  denen  des 
Lactantius;  man  kann  sogar  in  manchen  Wendungen  dem  L.  eigen- 
tümliche Ideen  vermuten;  doch  ist  darauf  kein  Gewicht  zu  legen. 
Mit  Ebert,  Riese,  Dechent,  Birt,  Scholl»,  Lobe*,  Brandt^ 
und  Schanz^  ist  an  der  Echtheit  des  Gedichts  festzuhalten.  Eine 
nähere  Zeitbestimmung  ist  unmöglich,  nur  die  Annahme  Brandts 
ist  abzulehnen,  es  stamme  aus  der  vorchristlichen  Periode  des  Lac- 
tantius '. 

7)  Yictorin,  Bischof  Yon  Pettan. 

Es  ist  eine  merkwürdige  Tatsache,  daß  der  älteste  Exeget 
der  lateinischen  Kirche  Bischof  in  Pannonien  gewesen  ist  und  zwar 
in  der  heutigen  Steiermark.  So  kompliziert  die  Fragen  sind,  die 
sich  an  die  Reste  der  uns  von  Victorin  erhaltenen  Schrift  knüpfen, 
so  einfach  ist  es,  seine  Zeit  zu  bestimmen^.  Nachdem  Zeugnis  des 
Hieronymus  (De  vir.  inl.  74;  ep.  58,10;  70,  5;  Adv.librosRuflnil,  2  u. 
sonst)  ist  er  als  Märtyrer  (in  der  diokletianischen  Verfolgung)  ge- 


1)  Riese,  Rhein.  Museum  Bd.  :U  (187())  S.  llOff.  Birt,  ebendorfc,  Bd.  o4 
(1879)  S.  8.  Dechent,  ebcndort  Bd.  ;J5  (1880)  S.  80  und  Ebert,  Gesch.  der 
rliristl.-lat.  Litt.  12  S.  100 f. 

2)  Script,  rer.  Merov.  I,  2  S.  801  ed.  Krusch. 

3)  Vom  Vogel  Phönix,  Heidelb.  Programm  1890. 

4)  In  den  Jahrbb.  f.  protest.  Theol.  Bd.  18  (1892)  S.  :-Uff. 

5)  Lact.  Opp.  11,  1  p.  XVlllfl*.,  in  der  4.  der  vier  Wiener  Abhandl.  S.  131  f. 
und  im  Rhein.  Mus.  Bd.  47  (1S02)  S.  390ff. 

(1)  Rom.  Litt.-aesch.  III  S.  383if. 

7)  Von  dem  Werk  Pichon's  „Lactance"  (Paris,  1901)  habe  ich  erst  Kenut- 
nis  genommen,  als  diese  Blätter  geschrieben  waren  (s.  die  Charakteristik  von 
Wen  dl  and  i.  d.  Deutschen  Litt.-Ztg.  1903  Nr.  40).  In  wie  vielen  Punkten 
wir  übereinstimmen,  werden  die  Leser  ersehen. 

8)  über  sein  Leben  wissen  wir  nichts  Sicheres;  denn  die  Angabe  Cassio- 
dors,  er  sei  früher  Rhetor  gewesen  (Inst.  J,  5,  7 ),  scheint  auf  einer  Verwechslunfr 
mit  Marius  Victorinus  zu  beruhen.  Wie  Victorin  mit  Origenes*  Werken  ver- 
tmut  geworden  ist,  wäre  interessant  zu  erfahren.  In  Pettau  wird  er  sie 
schwerlich  kennen  gelernt  haben;  er  wird  ihre  Kenntnis  dorthin  gebracht  haben. 


Victorin,  Bbcbof  von  Pettau.  427 

storben  (in  welchem  Jahre,  ist  unbekannt).  Weit  über  die  Zeit 
Diokletians  hinauf  werden  seine  Schriften,  wenn  überhaupt,  nicht 
reichen;  denn  Hieron.  hat  ihn  nach  Malchion,  Archelaus  und  Ana- 
tolius  und  vor  Pamphilus,  Pierius  und  Lucian  gestellt;  er  bezeichnet 
ihn  damit  als  einen  Schriftsteller  der  diokletianischen  Zeit^  Was 
man  a  priori  vermutet,  nämlich  daß  Victorin  für  seine  exegetischen 
Arbeiten  den  ältesten  griechischen  Exegeten  des  Abendlands,  Hip- 
polyt,  benutzt  haben  wird,  das  bestätigt  Hieronymus.  Aber  er 
bringt  uns  darüber  hinaus  auch  noch  die  Kunde,  daß  Victorin  die 
Arbeiten  des  Origenes  verwertet  hat.  Zwar  schweigt  er  von  dem 
Verhältnis  des  V.  zu  beiden  im  Schriftstellerkatalog,  aber  ep.  84,7; 
61,  2;  Adv.  1.  Rufini  III,  14;  comm.  in  Eccles.  zu  4,  13  konstatiert 
er,  daß  Victorin  den  Origenes  benutzt  habe,  und  zwar  muß  man 
nach  ep.  84,  7  schließen,  daß  er  sich  (trotz  verschiedener  dogma- 
tischer Anschauungen)  eng  an  ihn  angeschlossen  hat  2.  Für  Hip- 
polyt  aber  s.  ep.  36,  16  .  .  .  „Hippolyti  martyris  verba  ponamus,  a 
(luo  et  Victorinus  noster  non  plurimum  discrepat,  non  quod  omnia 
plenius  exsecutus  sit,  sed  quod  possit  occasionem  praebere  lectori 
ad  intelligentiam  latiorem".  Zufrieden  mit  dem  Exegeten  Victorin 
konnte  Hieron.  schon  deshalb  nicht  sein,  weil  er  sein  Vorgänger 
war.  „Non  aeque  Latine  ut  Graece  noverat,  unde  opera  eins 
grandia  sensibus  viliora  videntur  compositione  verborum"*  (De  vir. 
inl.74)  —  war  Victorin  Grieche?  schwerlich;  die  Bemerkung  ist  eine 
kleine  Bosheit  des  Hieron.^  — ;  „quod  intellegit,  eloqui  non  potest" 
(ep.  58,  10);  „in  libris  Victorini,  licet  desit  eruditio,  tamen  non 
deest  eruditionis  voluntas"   (ep.  70,  5);   „Victorinus  simplicitatem 

1)  Nichts  ist  darauf  zu  geben,  daß  Ambrosiaster  zu  Rom.  5,  14  den  Vic- 
torin zwischen  TertuUian  und  Cyprian  gesteUt  hat. 

2)  Hierzu  vgl.  die  bisher  übersehene  merkwürdige  Stelle  im  Commonitorium 
des  Paulus  Orosius  c.  3  (Schepß  im  18.  Bande  des  Wiener  Coq>u8  Script,  p.  155), 
wo  Origenes  und  Victorinus  scheinbar  zufällig  und  vielleicht  doch  nicht  zuföUig 
zusammenstehen:  „Tunc  duo  cives  mei  Avitus  et  alius  Avitus,  cum  iam  tam 
turi)em  confusionem  (seil,  durch  Priscillian  verursacht)  per  se  ipsam  veritas  sola 
Tiiidaret,  peregrina  petierunt.  nam  unus  Hierosolymam,  alius  Romam  profectus 
t'st;  reversi  unus  rettulit  Origenem  alius  Victorinum;  ex  his  duobus  alter  alteri 
cessit:  Priscillianum  t^men  ambo  damnanmt.  Victorinum  parum  novirous  (aber 
in  Rom  wurden  damals  seine  Schriften  vorgelegt,  wenn  man  lateinische 
Kommentare  zur  h.  Schrift  begehrte;  das  erfahren  wir  aus  unserer  Stelle; 
andere  Kommentare  gab  es  freilich  auch  kaum),  quia  adhuc  paene  ante  editiones 
suas  Victorini  sectator  cessit  Origeni.  coeperunt  ergo  ex  Origene  magnifica 
jilura  proponi  etc." 

3)  Richtig  wird  sein,  daß  Victorin  mehr  griechisch  als  lateinisch  gi»- 
bildet  war.  Auch  ein  geborener  Lateiner  kann  in  der  Kenntnis  und  Litteratur 
♦■iner  fremden  Sprache,  der  griechischen,  gebildeter  gewesen  sein  als  in  seiner 
eigenen. 


428  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

suam  in  eo  probat,  dum  nulli  molitor  insidias*'  (Adv.  lib.  Bufini  I,  2;; 
„sanctae  memoriae  martyr  Victorinus  cum  apostolo  dicere  poterat- 
—  die  giftige  Pille  wird  versüßt  — :  „etsi  imperitus  sermone,  non 
tarnen  scientia".  Doch  wird  man  nicht  zweifeln  können,  daß  Vic- 
torins  Kommentare  wirklich  weit  hinter  denen  zui*ückblieben,  die 
nachmals  Hieron.  geschrieben  hat,  und  daß  sein  Eigentümliches 
gegenüber  Origenes  wesentlich  in  der  realistischen  Eschatologie 
bestanden  haben  wird  (s.  de  vir.  inl.  18). 

Kommentarwerke  des  Victorin  zählt  Hieron.  im  Schriftsteller- 
katalog neun  auf,  nämlich  zu  den  di*ei  ersten  Büchern  Mosis,  zn 
Jesajas,  Hezechiel  und  Habakuk,  zum  Ekklesiastes,  dem  Hohen- 
lied und  der  Offenbarung  Johannis.  Er  bat  den  Kommentar  zu 
Matth.  vergessen;  denn  nach  seiner  eigenen  Praefatio  zu  diesem 
Evangelisten,  nach  der  Praefatio  in  Translat  Hom.  Origenis  in 
Lucam  ^  nach  Adv.  Helvid.  17  u.  nach  Cassiodor  ist  es  gewiß,  daf> 
Victoriii  auch  einen  solchen  abgefaßt  hat  Die  Auswahl  zeigt,  daß 
Victorin  die  h.  Schrift  in  ihren  Hauptteilen  den  Lateinern  durch 
exegetische  Bemühungen  nahe  bringen  wollte;  nur  an  Paulas  hat 
er  sich  nicht  gewagt.  Ob  und  in  welchem  Maße  aus  späteren 
lateinischen  Kommentaren  diese  —  bis  auf  den  Apok.-Kommentar  — 
verlorenen  Kommentare  hergestellt  werden  können,  bez.  Victorini- 
sches  herausgeschält  werden  kann,  ist  noch  zu  untersuchen.  Am 
meisten  verspricht,  soviel  ich  sehe,  der  Kommentar  des  Hierony- 
mus  zum  Ekklesiastes.  An  dem  unbeholfenen  (nicht  vulgären' 
Latein  ist  \'ictoriii,  wenn  er  nicht  überarbeitet  worden  ist,  zu  er- 
kennen 2. 

1)  Die  St^'llt»  ist  Ti*il  1  S.  734  übersehen  worden;  sie  lautet:  „Commentari""* 
viri  eloquentiüsimi  Hilarii  et  b.  martyris  Victorini,  quos  in  Alatthaeum  divers«» 
sennone,  sed  una  j^'atia  spiritus  ediderunt,  post  paucos  dies  ad  vos  mittlre 
disposui". 

2)  Nachdem  dies  niedergeschrieben  war,  erschien  das  11.  Stück  der  „Studi 
e  Testi"  Mercatis  (auch  u.  (L  T.:  „Varia  Sacra  fasc.  1"),  1903.  In  ihnen  sin«! 
die  „Anonymi  Chiliastae  in  Matthaeum  fragmentji"  abgedruckt  und  mit  einer 
Einleitung  versehen,  die  im  Cod.  Ambros.  1  101  sup.  (dem  Kodex,  der  das  Mu- 
rat.  Fragment  enthält)  stehen  und  auf  die  Mercati  in  den  „Rendiconti"  de* 
Istituto  Lomb.  di  scienze  e  lettere  (Serie  II  Vol.  XXXI  [189S]  p.  1208-8,  dell" 
estrato  p.  /).'i — 38)  hingi'wiesen  hatt^».  Diese  Stücke  gehören  einem  milden 
lateinischen  Chiliast<?n  (wie  M.  richtig  sieht,  nicht  später  als  des  4.  Jahr- 
hunderts), und,  wie  M.  ebenfalls  richtig  gesehen  hat,  spricht  alles  dafür  und 
nichts  dagegen,  dali  sie  dem  Victorin  gebühren  (die  Stücke  tragen  besondere 
Überschriften:  „Orate  ue  fiat  fuga  vestra  etc.",  „De  adventu  domini  Christi", 
„De  die  et  hora  nemo  seit"  etc.  Stück  1:  Zu  Matth.  24,  20— 20;  Stück  II:  Zu 
Matth.  24,  27— :U;  Stück  Hl:  Zu  Matth.  24,  :;2— 44;  es  folgen  noch  zwei  gani 
kurze  Stücke:  ,J^»^  tribus  mensuris"  [Matth.  1,'>,  IkJ]  und  „De  Petro  apostolo" 
[Marc.  14,  47\.    di«*  vielleicht  nicht  von  demselben  Verf.  sind).     Irgend  welche 


Victorin,  Bischof  von  Pettau.  .  429 

Der  Kommentar  zur  Apokalypse  des  Victorin  ist  die  Grund- 
lage zweier  uns  erhaltenen  Apokalypsen-Kommentare,  eines  kür- 
zeren (Lonicerus  1543,  de  la  Eigne)  und  eines  längeren  (Gal- 
land i,  Migne),  die  einen  echten  Prolog  des  Hieronymus  haben*. 
Hier  ist  der  Victorin-Kommentar  verkürzt,  verlängeit,  Stücke  aus 
Tichonius  und  aus  eigenem  Vermögen  hinzugefügt,  korrigiert  und  neu 
herausgegeben.  Was  uns  aber  in  jenen  beiden  Rezensionen  vor- 
liegt, ist  selbst  wieder  interpoliert  2.  Doch  läßt  sich  das  victori- 
nische  Gut  nach  dem  oben  angemerkten  Maßstabe  (dazu  zahlreiche 
Gräzismen,  auch  in  der  Syntax)  einigennaßen  ausscheiden.  Ganz 
victorinisch  ist  der  umfangreiche,  streng  chiliastische  Schluß- 
abschnitt, den  Haußleiter  entdeckt  und  herausgegeben  hat^  Er 
darf  materiell  und  formell  geradezu  als  die  Norm  gelten,  nach 
der  man  Zweifelhaftes  zu  bestimmen  hat^. 

In  einem  Kodex  der  Lambeth-Bibliothek  (Nr.  414)  saec,  IX.  ist 
unter  dem  Namen  des  Victorin  ein  Stück  »De  fabrica  raundi"  er- 
halten». Obgleicli  sonst  unbezeugt,  erweist  sich  das  Stück  nach 
Anschauung  und  Sprache  als  echt    Eben  die  Vergleichung  mit 

historische  Material  enthalten  sie  nicht,  wohl  aber  zeigen  sie  an  einigen  Stellen 
CSX,  hat  sie  bemerkt)  charakteristische  Verwandtschaft  mit  den  Gedanken 
Hippolyts.  Die  Sprache  ist  —  auch  wenn  man  Verschlechterungen  der  Ab- 
schreiber in  Anschlag  bringt  —  unbeholfen  und  dürftig,  wie  man  es  bei  Victorin 
erwarten  muß. 

1)  Die  längere  Rezension  auch  abgedruckt  in  der  Bibliotb.  Casin.  V,  1, 
1894,  p.  Iff. 

2)  S.  Haußleiter  in  d.  Ztschr.  f.  kirchl.  Wissensch.  und  kirchl.  Leben 
Bd.  7  (1886)  S.  239ff.  Einschränkungen  bei  Kattenbusch,  Das  apostol.  Sym- 
bol I  S.  21 2  ff.  Auch  in  späteren  lateinischen  Kommentaren  zur  Apok.  findet 
sich  Victorinisches.  Über  die  Abhängigkeit  des  irischen  Patricius  von  Victorin 
B.  Kattenbusch,  a.  a.  0.  und  Haußleiter,  Der  Aufbau  der  altchristl.  Litte- 
ratur  (1898)  S.  35  f. 

3)  In  dem  Theol.  Litt.-Blatt  1895  Nr.  17  nach  dem  Cod.  Ottob.  3288  A. 
Dazu  Harris,  A  new  patristic  fragment  in  The  Expositor,  1895  p.  448 ff.  (Ob 
die  Ausführungen  letztlich  auf  Papias  bez.  die  Presbyter  des  Irenäus  zurück- 
drehen?). 

4)  Die  in  dem  Apok.-Kommentar  enthalt<?ne  regula  fidei  (Hahn,  Bibliothek 
<1.  Symbole  3  S.  17  f.)  ist  morgenländisch  und  nicht  abendländisch.  —  Merk- 
würdig ist,  daß  der  paulinische  Thessalonicherbrief  als  Brief  an  die  Kirche 
Macedoniens  bezeichnet  und  der  Hebräerbrief  benutzt  ist.  Daß  Victorin  den 
1  renäus  gekannt  hat,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Die  Verwandtschaft,  die  zwischen 
Gedanken  des  Apokal.-Kommentars  und  den  Carmfna  adv.  Marcionem  besteht 
(Haußleiter  S.  254ff.),  wird  so  zu  deuten  sein,  daß  beide  dem  Hippolyt 
folgten  falls  nicht  doch  der  Verfasser  der  Carmina  (Commodian)  den  Victorin 
benutzt  hat. 

5)  Eine  Handschrift  fehlt  nicht;  danach  ist  das  Teil  I  S.  733  Gesagte  zu 
berichtigen. 


430  ^id  Litteratur  des  Abendlandes. 

den  ans  erhaltenen  apokalyptischen  Stücken  Victorins  entscheidet  ^ 
Aus  einem  exegetischen  Werk  kann  es  nicht  genommen  sein;  aber 
nach  Hieronymus  hat  Yictorin  „multa  alia"  geschrieben,  und  in 
dem  frühestens  dem  6.  Jahrh.  angehörigen  Dialog  zwischen  Hieron. 
und  Augustin  (Hieron.  Opp.  XXX  p.  261  flf.  Migne)  c  7  lesen  wir,  dal» 
Hieronymus  in  seiner  Lehre  von  der  Entstehung  der  Seele  dem 
Yictorin  folge.  Das  Stück  De  fabrica  mundi  ist  vielleicht  nur  ein 
Fragment  \ 

Hieronymus  und  Optatus  legen  dem  Victorin  ein  Werk  „ad- 
versum  omnes  haereses*"  bei.  Das  unter  den  Werken  des  Tertnllian 
stehende,  den  Präskriptionen  angehängte  und  durch  einen  am  An- 
fang zugefügten  Satz  mit  ihnen  künstlich  verbundene^  Büchlein 
mit  demselben  Titel,  welches  jedenfalls  schon  dem  Pacian  (s.  ad 
Sympron.  I,  Iff.)  und  dem  Hieron.  (adv.  Lucifer  23)  bekannt  war^. 
ist  vielleicht,  ja  wahrscheinlich  eben  das  Werk  des  Victorin  ^;  denn 

(1)  beide  Werke  sind  gegen  alle  Häretiker  geschrieben  und 
tragen  diesen  Titel, 

(2)  Victorins  Buch  ist  um  300  oder  etwas  früher  entstanden; 


1)  S.  den  Abdruck  bei  Ron th,  Reliq.  Sacr.»  III  p.  455 ff.  Das  Sfcfick  ist  in  der 
Überlieferang  verwahrlost,  aber  daß  es  in  unbeholfenem,  gräzisierendem  Latein 
geschrieben  ist,  ist  noch  jetzt  deutlich.  Die  p.  456  aufgestellte  Behauptung. 
Jesus  sei  am  Mittwoch  gefangen  gesetzt  worden,  findet  sich  auch  bei  Orientalen. 

2)  Macholz  hat  in  seiner  Schrift  „Spuren  binitarischer  Denkweise  im 
Abendlande"  (Jena,  1902)  S.  lüff.  dieses  Stück  sowie  den  Apokal.- Kommentar 
behandelt. 

3)  „Quorum  haereticorum"  (bezieht  sich  auf  den  Schluß  von  De  praescr.', 
„ut  plura  praeteream,  pauca  perstringam". 

4)  Hieron.  schreibt:  „Taceo  de  Judaismi  haereticis,  qui  ante  adventum 
Christi  legem  traditam  dissiparunt:  quod  Dositlieus  Samaritanorum  princep» 
prophetas  repudiavit,  quod  Sadducaei  ex  illius  ra<lice  nascentes  etiam  resurrec- 
tionem  carnis  negaverunt,  quod  Pharisaei  a  Judaeis  divisi  propter  quasdam 
observationes  superfluas  nomen  quoque  a  dissidio  susceperunt,  quod  Herodiani 
Herodem  regem  susceperunt  pro  Christo,  ad  eos  venio  haereticos  qui  evangeUa 
laniaverunt".  S.  auch  d.as  Folgende.  Diese  Worte  (vgl.  auch  die  unmittelbar 
vorhergehenden  und  nachfolgenden)  sind  ein  fönnliches  Plagiat  an  dem  pseudo- 
tertull.  Libellus;  Hieronymus  hat  nur  den  schlechten  Stil  durchweg  korrigiert. 
In  dem  Libellus  heißt  es :  „Taceo  enim  Judaismi  haereticos,  Dositheum  inquaiu, 
Samaritanum,  qui  piimus  ausus  est  pro]>heta8  quasi  non  in  spiritu  sancto  locut^s 
repudiare;  taceo  Sadducaeos,  qui  ex  huius  erroris  radice  surgentes  ausi  sunt  ad 
han(5  haeresim  etiam  resurrectionem  camis  negare;  praetermitto  Pharisaeos, 
qui  additamenta  quaedam  legis  adstniondo  a  Judaeis  divisi  sunt,  unde  etiam 
hoc  accipere  ipsum  quod  habent  nomen  digni  fuerunt,  cum  his  etiam  Herodianos 
qui  Christum  Herodem  esse  dixerunt.  ad  eos  me  converto  qui  ex  evangelio 
haeretici  esse  v(>luenmt". 

5)  S.  meine  Abhandl.  i.  d.  Ztschr.  f.  wisseusch.  ITieol.  Bd.  19  (ISTü; 
S.  llOf.    Schon  Öhler  in  der  Edit.  Opp.  Tert.  hat  für  Victorin  plädiert. 


Victorin,  BiBchof  von  Pettan.  43 X 

der  pseudotertullianische  Libellus  war  bereits  im  4.  Jahrb.  vor- 
handen, 

(3)  Victorin  hat  Werke  des  Hippolyt  benutzt  (s.  0.) ;  der  Li- 
bellus ist,  wie  Lipsius  zuerst  gezeigt  hat,  ein  lateinischer  Aus- 
zug aus  dem  Syntagma  Hippolyts  gegen  alle  Häresien  \  für  den 
aber  als  Sekundärquellen,  wie  ich  nachgewiesen  habe^,  tertuUiani- 
sche  Schriften  benutzt  worden  sind  3. 

Gegen  die  Verfasserschaft  des  Victorin*  kann  eingewendet 
werden,  daß  der  Stil  nicht  so  schlecht  ist  wie  der  der  unzweifel- 
haft victorinischen  Stücke;  allein  da  fast  alles  in  ganz  kurzen 
Sätzen  gegeben  ist,  so  war  der  Anlaß  zu  Verstößen  spärlicher.  Ist 
man  geneigt,  das  Büchlein  dem  Victorin  abzusprechen,  so  kann 
man  mit  ihm  zwei  Menschenalter  weiter  hinaufsteigen;  denn  es 
kommt  nichts  in  ihm  vor,  was  die  Abfassung  nach  c.  220  notwen- 
dig macht  Leichter  begreiflich  —  das  ist  zuzugestehen  —  ist 
das  Büchlein,  wenn  man  es  schon  als  um  220  entstanden  ansieht 


1)  Ob  er  uns  genau  in  der  Gestalt  vorliegt,  in  der  ihn  der  Exzerptor  ge- 
macht hat,  oder  ob  er  —  was  wahrscheinlicher  —  korrigiert  wurde,  als  man 
ihn  den  Präskriptionen  Tertullians  anhängte,  läßt  sich  nicht  ausmachen.  Ober 
die  Frage,  ob  nicht  sowohl  ein  Auszug  als  eine  Obersetzung  einer  griechischen 
Epitome  des  Syntagmas  vorliegt,  s.  unter  Hippolyt. 

2)  De  Apellis  gnosi  monarchica  (1874)  p.  20 ff.  Es  ist  hier  gezeigt,  daß, 
wenn  Pseudotertullian  nicht  den  TertuUian  benutzt  hat,  er  Tertullian  selbst 
sein  müsse. 

3)  Auch  verlorene,  sicher  adv.  Apell. 

4)  Für  Victorin  darf  angeführt  werden,  daß  derselbe  Hieronymus,  der 
stillschweigend  den  pseudotertuU.  Libellus  Adv.  omnes  haereticos  ausplündert, 
uns  der  Gewährsmann  för  ein  Werk  des  Victorin  unter  diesem  Namen  ist. 
Wenn  Hieronymus  zwei  Werke  unter  dem  Titel  Adv.  omnes  haereses  gekannt 
hat,  warum  hat  er  dieser  Kenntnis  niemals  Ausdruck  gegeben?  Lateinische 
ketzerbestreitende  Werke  aus  älterer  Zeit  waren  doch  große  Seltenheiten!  — 
Ein  neckischer  Zufall,  dem  gar  keine  Bedeutung  beizumessen  ist,  ist  es,  daß 
gegen  Schluß  des  Libellus  sich  der  Satz  findet:  „etiam  Prazeas  quidam  haeresim 
introduxit,  quam  Victorinus  corroborare  curavit".  Daß  unter  diesem  „Vic- 
torinus"  kein  Victorin,  sondern  der  römische  Papst  Victor  zu  verstehen  ist,  ist 
sehr  wahrscheinlich.  Da  aber  in  Adv.  Prax.  1  der  römische  Bischof,  den 
Prazeas  beeinflußt  hat,  nicht  genannt  ist,  so  zeigt  sich  hier  sei  es  eine  selb- 
ständige Kenntnis  des  Verfassers  des  Libellus  —  denn  im  Syntagma  des  Hippo- 
lyt stand  überhaupt  nichts  über  Praxeas  —  sei  es  eine  selbständige  Konjektur. 
Selbständige  Kenntnis  römischer  Verhältnisse  zeigt  auch  die  Unterscheidung 
der  Montanisten  (sec.  Proclum  und  sec.  Aeschinem),  wenn  sie  nicht  aus  dem 
Syntagma  stammt;  doch  bieten  Epiphanius  und  Philastrius  die  Namen  nicht. 
Gegen  Teil  I  dieser  Litt.-Gesch.  S.  238  muß  ich  es  für  wahrscheinlich  halten 
daß  Proclus  und  Aeschines  auf  Rom  weisen.  Der  Verf.  des  Libellus  war  wahr- 
scheinlich Römer  bez.  für  römische  Verhältnisse  interessiert.  Aber  Victorin 
kann  sehr  wohl  mit  Rom  vertraut  gewesen  sein. 


432  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

und  zwar  entstanden,  um  die  Präskriptionen  Tertnllians  zu  er- 
gänzend Das  Fehlen  des  Sabellius  bleibt  in  beiden  Fällen  auf- 
fallend. Sollte  dem  Rechnung  getragen  werden,  daß  ihn  Tertullian 
nicht  bekämpft  hat?^ 

Was  man  sonst  dem  Victorin  beilegen  zu  sollen  gemeint  hat 
vor  allem  verschiedene  Gedichte,  erweist  sich  als  ihm  fremd.  Latei- 
nischer Dichter  ist  er  sicher  nicht  gewesen.  Über  die  Tractatos 
Origenis  s.  unter  Novatian. 

Daß  die  lateinische  Kirche  fast  sämtliche  Werke  ihres  ersten 
Exegeten  hat  untergehen  lassen,  ist  traurig.  Die  Gründe  kann 
man  aus  der  Weise  herauslesen,  in  der  Hieronymus  (zu  dessen  Zeit 
sie  noch  sehr  bekannt  waren)  über  sie  geurteilt  hat:  diese  Kom- 
mentare waren  sehr  schlecht  stilisiert  An  ihrem  schlechten  Stil 
sind  sie  untergegangen;  die  Kommentare  des  Hieronymus  haben 
sie  ersetzt.  Der  Chiliasmus,  den  sie  vertraten,  war  ihnen  in  späterer 
Zeit  allerdings  auch  gefährlich,  vielleicht  auch  ihr  Verhältnis  zn 
Origenes.    Im  sog.  Gelasianum  sind  sie  verworfen. 


1)  Nach  Lipsiuß,  Chronol.  d.  rörn.  Bischöfe  S.  176,  ist  das  Büchlein  Bchon 
c.  211 — 215  in  Rom  verfaßt  worden. 

2)  Spezielle  Beobachtungen,  die  den  Libellus  mit  den  wenigen  Fragmenten 
Victorins  verbinden,  kenne  ich  nicht,  man  müßte  denn  darauf  verweisen,  daß 
sowohl  im  Traktat  De  fabrica  mundi  als  im  Libellus  (c.  1)  von  7  „Diakonen'* 
(zu  Act.  0)  gesprochen  wird.  Aber  das  beweist  so  wenig  wie  die  mehr  morgen- 
als  abendländisch  klingende  Fpnnel:  „crucifixum  passumque  et  mortauEi*' 
(s.  auch  die  merkwürdige  Formel :  „ex  spiritu  sancto  et  virgine  Maria  concephiiE 
et  natum";  sie  findet  sich  m.  W.  nur  in  dem  Glaubensbekenntnis  Gregors  L 
s.  Hahn,  Symbol.^  S.  28.  387).  —  Die  Möglichkeit  (von  alteren  Kritikern  ver- 
teidigt), daß  TertuUian  selbst  der  Verf.  des  Libellus  ist  und  seinem  Werke  D* 
praescr.  nachträglich  diesen  Anhang  gegeben  hat,  ist  ausgeschlossen  —  die 
Sprache  ist  zwar,  wenn  auch  ein  schweres,  so  doch  kein  unüberwindUche? 
Hindernis,  und  das  Verhältnis  zwischen  dem  Libellus,  dem  Syntagma  Hippolyt». 
den  PhOosophumenen  und  TertuUian  würde  einfacher,  wenn  Tertullian  selbst  der 
Verfasser  des  Libellus  wäre  — ,  aber  unmöglich  ist  die  Annahme;  denn  (1)  wider- 
spricht diese  Art  der  Schriftstellerei  (ein  anderes  Werk  einfach  zu  exzerpiere:: 
und  sich  dabei  einer  bis  an  Ünverständlichkeit  reichenden  Kürze  zu  befleißigen^ 
dem,  was  wir  sonst  von  Tertullian  wissen;  (2)  ist  es  unglaublich,  daß  Tert 
dem  Ordo  alles  das  zugeschrieben  hat,  was  dem  Marcion  gebührt  (das  tut  ab»*r 
der  Verf.  des  Libellus),  und  daß  (?r  die  im  Libell.  c.  6  erzählte  Geschichte. 
Marcion  sei  der  f^ohn  eines  Bischofs  und  wegen  einer  groben  ünzucht-sünde  aß? 
der  Kirche  ausgeschlossen  worden,  gekannt  hat;  hätte  er  sie  gekannt,  so  hätt^ 
er  in  dem  grolien  Werk  Adv.  Marc,  von  ihr  Gebrauch  gemacht;  (H)  der  Ver- 
fasser des  Libellus  rechnet  die  Montanisten  zu  den  Häretikern;  das  hat  Ttri. 
niemals  —  auch  nicht  in  seiner  vormontanistischen  Zeit  —  getan.  I^ 
Libellus  harrt  übrigens  noch  einer  genauen  text-  und  historisch-kritisclh*: 
Untersuchung;   er  bietet  nicht  wenige  noch  ungelöste  Probleme. 


Reticins  von  Auian  usw.  —  CommodianB  Instructiones  usw.  433 

8)  Beticins  Ton  Antnn^  Kommentar  zam  Hohenlied  nnd 

Streitschrift  gegen  NoTatian. 

Was  über  des  Beticins  Werke  bis  1893  bekannt  war,  habe 
ich  im  1.  T.  dieser  Lit.  Gesch.  S.  751  f  zusammengestellt.  Seitdem 
hat  Morin  (Rev.  Ben^d.  1896  Aug.  S.  340)  das  von  Tillemont 
(M6m.  T.  VI  p.  29)  signalisierte  Fragment  aus  dem  Hohelied-Kom- 
mentai*  bei  dem  Schüler  Abälards,  B6renger,  nachgewiesen^.  Es 
ergibt  sich  hieraus,  daß  dieser  Kommentar,  den  Hieron.  nach  den 
Proben  mit  Orund  sehr  abschätzig  charakterisiert  hat,  noch  im 
12.  Jahrh.  existierte.  Über  die  genauere  Abfassungszeit  desselben 
sowie  die  der  Schrift  gegen  Novatian,  auf  die  Augustins  Zitate  wohl 
zurückgehen,  läßt  sich  nichts  sagen.  Wir  wissen  nur,  daß  Reticius 
auf  den  Synoden  zu  Rom  (313;  s.  Euseb.,  h.  e.  X,  5;  die  Donatisten 
hatten  um  gallische  Schiedsrichter  gebeten,  Optat  I,  23)  und  Arles  zu- 
gegen gewesen  ist  Bei  der  hohen  Auszeichnung,  welche  die  Berufung 
nach  Rom  bedeutete,  muß  er  damals  ein  in  großem  Ansehen  stehender 
Mann  gewesen  sein.  Die  Ansätze  flir  sein  Todesjahr,  die  in  der 
Hist  litt  de  la  France  (Paris,  1733, 1,  2  p.95f.  cf.  59—63)  und  sonst 
versucht  worden  sind,  schweben  in  der  Luft.  Von  einem  Wunder 
bei  seinem  Begräbnis  erzählt  Gregor  v.  Tours  (De  gloria  b.  con- 
fess.  c.  75):  der  Leichnam  des  Bischofs  erzwingt  die  Beisetzung 
bei  der  Leiche  seiner  Gattin,  und  als  er  in  das  Grab  zu  ihr  gelegt 
wird,  rücken  die  Gebeine  der  Frau  von  selbst  zur  Seite.  —  Nahe 
liegt  die  Annahme,  daß  der  Hohelied- Kommentar  des  R.  nicht  un- 
abhängig ist  von  dem  des  Hippolyt,  aber  es  fehlt  uns  jedes  Mittel, 
diese  Vermutung  zu  begründen.  Auch  das  wissen  wir  nicht,  ob  er 
vor  oder  nach  dem  Kommentar  des  Victorin  v.  Pettau  zum  Hohen- 
lied geschrieben  ist 

9)  Commodians  Instructiones  nnd  das  sog.  Carmen 

apologeticnm  \ 

Außer  Gennadius,  der  Commodian  in  seinen  Schriftstellerkatalog 
aufgenommen  hat  (De  vir.  inl.  15),  und  dem  Gelasianum,  welches 
seine  Werke  zu  den  Apokryphen  zählt,  ist  dieser  Dichter  niemals 
ini  christlichen  Altertum  erwähnt  worden.  Da  nicht  auszumachen 
ist,   ob   Gennadius  (er  schrieb  sicher  zwischen  477  u.  494,  wahr- 


1)  In  der  Apologie  desselben  für  seinen  Lehrer,  Migne  Bd.  178  Kol.  1864. 
Das  Fragment  zeigt  den  gebildeten,  schwülstigen  gallischen  Rhetor. 

2)  Pitra,  Spicil.  Solesm.  I  (1852)  p.  21-49.  537—543;  IV  (1858)  p.  222f.; 
Jacobi  i.  d.  Deutschen  Ztschr.  f.  christl.  Wiss.  u.  christl.  Leben,  Bd.  IV  (1853) 

Harnack,  Altchristl.  Litteraturgesch.  II,  2.  28 


434  ^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

scheinlich  zwischen  491  u.  494)^  füi'  seine  MitteiluDgen  irgend- 
welche anderen  Grundlagen  besaß  als  die  Werke  des  Commodian 
—  die  Möglichkeit  ist  freilich  nicht  ausgeschlossen  — ,  so  sind  wir 
ganz  auf  diese  Werke  angewiesen.  Daß  das  Buch,  welches  den 
Titel  „Instructiones"  trägt,  von  Commodian  ist^  bezeugt  es  selbst; 
denn  die  von  hinten  nach  vorn  gelesenen  Anfangsbuchstaben  der 
26  Verse  des  39.  Gedichts  des  2.  Buchs  ergeben  die  Worte  „Com- 
modianus,  mendicus  Christi".  Einschiebungen  in  dieses  Werk  ans 
zwei  Büchern  und  80  Gedichten  lassen  sich  nicht  nachweisen,  viel- 
mehr erscheinen  alle  Gedichte  in  bezug  auf  Geist,  Anschauung  und 
Sprache  als  blutsverwandt  —  Daß  das  1060  Zeilen  lange  Gedicht, 
dem  in  der  einen  Handschrift,  in  der  es  auf  uns  gekommen  ist, 
jede  Überschrift  fehlt  und  dessen  verlöschte  Subscriptio  nur  die 
Worte  „Explic  [t]ractat  sei  epsc"  erkennen  läßt^  von  dem  Verfasser 
der  Instruktionen  stammt,  kann  nur  aus  inneren  Gründen  er- 
schlossen werden.  Sie  sind  allerdings  sehr  stark.  Dieses  von 
Pitra  zuerst  edierte  und  „Carmen  apologeticum  ad  versus  Judaeos 
et  Gentes"  genannte  Werk  ist  durch  so  zahlreiche  Klammem 
(Sprache,  Stil,  Anschauung,  Halbverse  und  ganze  Verse 2)  mit  den 
Instruktionen  verbunden,  daß  die  Identität  der  Verfasser  sehr  wahr- 
scheinlich ist.  Gennadius  hat  in  seinem  Bericht  Buchtitel  über- 
haupt nichl  genannt,  'sondern  sich  auf  die  Mitteilung  beschränkt 


Nr.  26;  Ebert  i.  d.  Abhandl.  der  K.  Sachs.  Gesellßch.  d.  Wiss.  186S  Nr.  T- 
S.  387-420;  Lipsius,  Litt.  Zeiitral.-Bl.  1809  Nr.  4;  F.  X.  Kraus  im  Bonner 
Litt.-Bl.  1871  Nr.  22;  Leimbach,  Über  Commodians  Carmen  Apol.,  Schmal- 
kalden,  1871 ;  Rönsch,  Ztschr.  f.  d.  histor.  Theol.  N.  F.  36.  Bd.  (1872)  S.  163—302: 
Hilgenfeld,  Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  15(1872)  S.  604ff.;  Jen.  Litt-Ztg.  18h 
S.  796f.;  Ludwig,  Ausgabe,  Leipzig,  1877 f.,  derselbe  im  Philol.  Bd.  36  (1S77- 
S.  285fiF.;  Harnack,  Theol.  Litt.-Ztg.  1879  Kol.  51ff.;  Dombart,  Ztschr.  f. 
wiss.  Theol.  Bd.  26  (1879)  S.  374ff.;  derselbe,  Sitzungsber.  d.  Wiener  Akad. 
Bd.  96  (1880)  S.  447 f.,  Bd.  107  (1884)  S.  713f.;  derselbe  i.  d.  Blattern  £  d. 
bayerische  Gymnasialschulwesen  Bd.  16  (1880)  S.  341  ff;  derselbe  im  Archir  f 
lat.  Lexikogr.  Bd.  6  (18S9)  S.  5S6ff.;  derselbe,  Ausgabe  i.  d.  Wiener  Sammlung: 
18S7;  Boissier,  Commodien,  Paris,  1886  und  in  den  M^langes  Renier,  1887. 
dazu  La  fin  du  paganisme  (1891)  II  p.  33ff.;  Aub6,  L'öglise  et  Tötat  (iSsTf 
p.  517—544;  Harnack,  Theol.  Litt.-Ztg.  1888  Kol.  521;  Manitius,  Gesch.  der 
Christi,  lat.  Poesie  1891  und  i.  d.  Wiener  Sitzungsberichten  Bd.  117  (1889)  XH 
S.  22ff.;  Bewer  i.  d.  Ztschr.  f.  kathol.  Theol.  Bd.  23  (1899)  S.  759—763;  Jü- 
licher in  Pauly-Wissowas  REnzykl.  Bd.  4  (1901)  Kol.  773;  Hanssen,  De 
arte  metrica  Commod.  Argentor.  1881;  W.  Meyer  i.  d.  Abhandl.  d.  Müncheoff 
Akad.  17.  Bd.  2.  Abt.  (1885)  S.  2880'.;    Bousset,  Der  Antichrist  (1895)  S.  49i 

1)  S.  Czapla,  Gennadius  als  Litterarhistoriker  (1898)  S.  209. 

2)  Instr.  1,  38,  1  =  Carmen  229:   „Inprobi  (inprovidi)  semper  et  dura  eff 
▼ice  recalces". 


Commodians  Instractiones  und  das  sog.  Carmen  apologeticom*       435 

Commodian  habe  „mediocri  sermone  quasi  veräu  *  adversus  paganos'^ 
geschrieben.  Man  hat  darüber  gestritten,  ob  darunter  das  I.  Buch 
der  Instruktionen  oder  das  Carmen  apolog.  oder  beide  oder  diese 
und  auch  das  zweite  Buch  der  Instruktionen  zu  verstehen  sind^. 
Entscheiden  läßt  sich  nicht;  aber  die  gleich  folgende  nähere  Cha- 
rakteristik^ macht  es  wahi*scheinlich,  daß  er  sowohl  die  Instructi- 
ones  als  das  Carmen  gemeint  hat  Doch  kann  er  auch  andere, 
uns  nicht  erhaltene  Gedichte  Commodians  mit  im  Auge  gehabt 
haben  *. 

Die  Gedichte  sagen  uns  über  die  Pei*son  C.s  nicht  mehr,  als 
daß  er  früher  Heide  war,  sich  eine  gute  Bildung  erworben  hatte  *, 
und  durch  die  Lektüre  der  „lex"  Christiana  zum  Christentum  be- 
wogen worden  ist  ^.  Aus  der  yerlöschten  Unterschrift  zu  schließen, 
daß  er  Bischof  war,  ist  sehr  prekär,  da  die  Gedichte  selbst  nichts 
davon  andeuten,  obgleich  Anlaß  genug  dazu  in  den  Instruktionen 
gegeben  war.  Wahrscheinlich  ist  das  „mendicus  Christi"  nicht  nui- 
als  „servus  Christi"  zu  verstehen,  sondern  im  Sinne  von  Asket". 

1]  Eine  sehr  glückliche  Bezeichnung;  die  Verse  Commodians  sind  rhyth- 
mische Prosa^ 

2)  S.  Czapla,  a.  a.  0.  S.  37—41. 

3)  „De  divinis  repromissionibns"  ist  so  wenig  Buchtitel  wie  „adversus 
I)aganos". 

4)  „Et  quia  parum  nostrarum  adtigerat  litteranim,  magis  illorum  destruere 
potuit  quam  nostra  ürmare.  uade  et  de  divinis  repromissionibus  adversus  illos 
(igens  vili  satis  et  crasso  ut  ita  dixerim  sensu  disseruit^  illis  stuporem  nobis 
desperationem  incutiens.  Tertullianum  et  Lactantium  et  Papiam  auctores  se- 
cutus  moralem  sane  doctrinam  et  maxime  voluntariae  paupertatis  amorem  optime 
prosecutus  studentibus  iuculcavit".  Die  Instruktionen  sind  hier  jedenfalls  ge- 
meint („moralem  doctrinam'')  und  das  Carmen  wohl  auch;  denn  wenn  auch  die 
Instruktionen  eschatologischen  Stoff  enthalten,  so  tritt  er  in  ihnen  doch  zurück. 
Der  Schlußsatz  ist  durch  beide  Schriften  nicht  vollkommen  gerechtfertigt.  Apo- 
logetisch ist  der  Hauptteil  beider  Schriften.    Das  hat  G.  richtig  gesehen. 

5)  Die  vulgare  Sprache  ist  gewollt;  C.  schrieb  für  das  Volk.  Seine  Bildung 
folgt  aus  seiner  klassischen  Lektüre  (s.  Dombart,  Ausgabe  p.  IV f.:  Horatius, 
Lncretius,  Virgil,  Cicero,  Terentius)  und  aus  dem  nicht  geringen  Geschick,  mit 
welchem  im  Carmen  apol.  ein  großer  Stoff  bewältigt  ist. 

6)  Auch  christlicher  Litteratur  ist  er  nicht  fremd.  Neben  der  Kenntnis 
der  Bibel,  die  nicht  nur  durch  Cyprians  Testimonien  vermittelt  ist  (s.  u.),  ist 
die  Benutzung  des  Hirten  (häufig,  s.  z.  B.  Instr.  II,  25,  4;  I,  30,  16),  der  Acta 
Fetri  (Carmen  626  ff.),  des  Tertullian  —  doch  ist  die  Verwertung  einzelner 
h> teilen  desselben  nicht  sicher  nachweisbar  —  u.  a.  Sehr,  (ob  Barnabas?  IrenäusV 
Theophilus?)  zu  bemerken,  über  das  Verhältnis  zu  Lactantius  s.u.  —  Mani- 
tius  meinte  in  C.  einen  früheren  Rechtsgelehrten  sehen  zu  müssen  (vornehmlich 
auf  Grund  von  Carmen  730  ff.),  was  nicht  unwahrscheinlich  ist. 

7)  Vgl.  zu  „mendicus"  die  Nach  Weisung  von  Weyman,  Miscellanea  z. 
lat.  Dichtem,  1898,  S.  9  f.  (Separatabdruck  aus  demCompte  rendu  du  4.  Congr^s 

2ft* 


436  »  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Demselben  Gedicht,  in  dem  er  sich  so  nennt,  hat  er  die  Auf- 
schrift: „Nomen  Gasei''  gegeben.  Man  hat  das  auf  die  Stadt  Gaza 
gedeutet,  aber  dann  hätte  Commodian,  der  den  Buchstaben  Z  nicht 
meidet,  sondern  bevorzugt,  „Gazeus"  geschrieben.  Es  wäre  auch 
seltsam,  wenn  dieser  waschechte  Abendländer  —  denn  als  solcher 
erweist  er  sich  —  aus  Gaza  stammte!  Die  Sache  scheint  mir  ein- 
fach zu  liegen.  Die  Aufschrift  und  das  Akrostich  bilden  eine 
Gleichung:  „Nomen  Gasei  =  Commodianus  mendicos  Chiisti'',  d.  h. 
so  will  er,  der  Gasei  heißt,  genannt  sein;  Commodianus  ist  Signum: 
der  Verfasser  hieß  also  wirklich  „Gasei".  Das  ist  ein  semitischer 
Name,  s.  I  Chron.  2,  31:  Gases,  griechisch  —  Gasei  oder  Gazei  (so 
Lucian).  Commodian  war  also,  da  an  Afrika  als  sein  Heimatland 
sehr  wohl  gedacht  werden  kann,  ein  latinisierter  Punier  *. 

Wann  sind  diese  Gedichte  geschrieben?  Vor  Eber t  schwankten 
die  Gelehrten  zwischen  dem  3.  u.  4.  Jahrhundert  Eberts  Abhand- 
lung, in  welcher  d.  J.  249  als  Jahr  der  Abfassung  des  Carmen  an- 
geblich erwiesen  worden  ist,  schien  der  Unsicherheit  ein  Ende 
gemacht  zu  haben.  Fast  alle  Gelehrten,  die  sich  mit  der  Frage 
beschäftigt  haben,  stimmten  ihm  bei^.  Doch  Aub6  trat  für  das 
J.  260  ein.  Kraus  erklärte,  das  Gedicht  könne  frühestens  am  An- 
fang des  4.  Jahrhunderts  entstanden  sein^  Brewer  ging  bis  458/466 
hinunter,  und  Jülicher  wollte  das  Jahrhundert  zwischen  250 — 350 
ofiFen  gelassen  wissen^. 

scientifique  international  des  Catholiques),  aus  der  10.  Collatio  CoseiodorB  (p.  30% 
10 £F.  ed.  Petschenig):  „et  re  vera  quae  maior  aut  sanctior  potest  esse  pauj»ertas 
quam  illius,  qui  nihil  se  praesidii,  nihil  virium  habere  cognoscens  de  aliena 
largitat«  cotidianum  poscit  auxilium,  et  vitam  suam  atque  Bubstantiam  singnli» 
quibusque  momentis  divina  ope  intellegens  sustentari  verum  se  mendicum 
domini  non  inmerito  profit^tur,  suppliciter  ad  cum  quotidie  clamens:  Eg-^ 
autem  mendicus  et  pauper  sum"  (Ps.  39,  18). 

1)  Hält  man  das  „s"  in  „Gasei"  für  gleichgültig,  so  könnt«  man  sich 
daran  erinnern,  daß  Commodian  zweimal  (Instr.  II,  14, 12  und  31,  14)  „Gasum" 
im  Sinne  von  „aerarium  ecclesiae"  braucht,  und  hiemach  den  Namen  „gazeus" 
erklären.    Wahrscheinlich  aber  ist  diese  Erklärung  nicht. 

2)S.  Dombart,  Ausgabe  Praef.  p.  II:  „nunc  quidem  tantum  non  inte' 
omnes  constat". 

3)  Ich  habe  (a.  a.  0.)  t"iir  die  Instniktionen  die  Zeit  bis  311  offen  gelasdeD. 

4)  So  in  der  RKnzykl.;  in  der  fast  gleichzeitig  erschienenen  Anzeige  von 
Waitz  (Das  pseudotertull.  Gedicht  adv.  Marc,  1901)  hält  er  die  These  diese? 
Gelehrten,  das  pseudotertullianische  Gedicht  sei  von  Commodian  (jedoch  nacb 
den  Instruct.  und  dem  Carra.  apol.  verfaßt),  für  sehr  probabel  und  fögt  hinzu: 
„Hoffentlich  ist  die  Annahme  einer  Entstehung  unseres  Poems  in  der  nich- 
nicänischen  Zeit  deßnitiv  abgetan"  (Gott.  Gel.  Anz.  1901  S.  632).  Ehrhard  idit: 
altchristl.  Litt.,  1900,  S.  480)  bemerkt  zu  der  bisher  nicht  erwiesenen  Hypothek 


Commodians  Instructiones  und  das  sog.  Carmen  apologeticnm.         437 

Welche  Gründe  gibt  es  für  den  Ansatz  Eberts  und  seiner  An- 
hänger? Zunächst  sind  alle  Argumente,  die  von  der  Christologie 
(scharfer  Modalismus),  dem  Verhältnis  zur  heidnischen  Umgebung, 
dem  Martyrium  \  dem  „Novatianismus"*  usw.  hergenommen  sind, 
für  die  Einschränkung  der  Abfassungszeit  auf  die  Mitte  des 
3.  Jahrh.  (oder  gar  d.  J.  249)  nicht  beweiskräftig.  Ich  habe  in 
dieser  Hinsicht  nicht  eine  Stelle  gefunden,  die  nicht,  sei  es  zur 
Not,  sei  es  passender,  um  350  geschrieben  sein  könnte.  Man  darf 
nicht  vergessen,  daß  sich  bis  zur  Mitte  des  4.  Jahrh.,  ja  über  sie 
hinaus,  die  Christen  noch  immer  auf  Martyrien  präpariert  und  vor 
allem  so  gesprochen  haben,  als  würden  sie  noch  eintreten.  Ebenso 
sind  die  wunderlichsten  Christologien  über  die  Mitte  des  4.  Jahrh. 
hinaus  in  den  katholischen  Kirchen  des  Abendlandes  verbreitet 
gewesen,  die  modalistische  vor  allem,  aber  auch  die  adoptianische 
und  andere  \  Auch  aus  der  Tatsache,  daß  der  Verf.  sich  fast  ebenso 
oft  mit  seiner  Polemik  und  Apologetik  gegen  die  Juden  zu  richten 
scheint  wie  gegen  die  Heiden,  läßt  sich  der  terminus  ad  quem 
nicht  gewinnen:  gewiß  müssen  auch  wirkliche  Juden  in  der  Um- 
gebung der  ersten  Leser  gewesen  sein,  aber  daß  die  Apologetik, 
wenn  sie  gegen  Heiden  kämpft,  sich  stets  auch  gegen  die  Juden 
richtet,  ja  manchmal  sie  allein  zu  berücksichtigen  scheint,  ist  bekannt 
und  aus  der  apologetischen  Praxis  vieler  Jahrhunderte  zu  belegen. 
Der  terminus  ad  quem  ist  aber  in  der  Tatsache  gegeben,  daß  das 
grobe  Heidentum  die  Christenheit  noch  rings  umgibt  und  eine 
verführerische  Macht  ist.  Deshalb  scheint  es  nicht  geraten,  sich 
abwärts  weit  von  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  zu  entfernen.  Ja 
man  wird  zugestehen  müssen,  daß  zwar  nicht  Stellen  wie  Instr.  I, 
24,  11  ff.  —  die  Leute  laufen  bald  in  die  „Synagogen",  d.  h.  Kirchen, 
bald  in  die  Tempel  — ,  wohl  aber  U,  17,  19 f.:  „Si  refrigerare  cupis 
animam,  ad  martyres  i!  expecta  requiem  futurorum  transitu  mortis", 
die  Zeit  vor  311  näher  legen  —  wenn  nicht  „martyres"  die  Grä- 
ber der  Märtyrer  sind.  Das  besondere  Interesse  an  dem  Senat, 
(1.  h.  das  Interesse,  daß  der  Rächer  über  ihn  kommen  möge  (cami. 


Bewers:  „Ich  würde  mich  nicht  wundern,  wenn  der  Beweis  gelänge;  denn 
Comniodian  in  vomicänischer.  Zeit  hat  mich  immer  etwas  seltsam  angemutet, 
trotzdem  so  manche  einzelne  Züge,  insbesondere  seine  Vertrautheit  mit  der 
ältesten  christlichen  Litteratur  und  der  altertümliche  Charakter  seiner  Schriften, 
die  herrschende  Meinung  in  hohem  Grade  empfehlen". 

1)  Das  Gedicht  U,  21  spricht  mehr  dafür,  daß  die  Zeiten  des  Martyriums 
abgelaufen  sind. 

2)  Auch  das  „sursum  corda"  (Instr.  II,  35,  14:  „Sacerdos  domini  cum 
j.Sursum  corda*  praecepit")  bietet  keinen  chronologischen  Anhaltspunkt;  denn 
dieses  Wort  als  Bestandteil  der  Messe  ist  schon  für  das  3.  Jahrh.  nachweiabax« 


438  ^6  Litteratar  des  Abendlandes. 

apoL  815.  820.  824.  831.  849.  851.  855.  910),  zeigt  den  Senat  als 
Hochburg  des  Heidentums,  schließt  also  das  5.  Jahrb.  wohl  aus. 
Daß  der  Verf.  aber  voraussetzt,  die  Juden  hätten  noch  Einfluß  auf 
den  Seuat  (849  f.),  ist  nach  d.  J.  311  nicht  wohl  denkbar.  Hier  also 
erschiene  ein  sicherer  terminus  ad  quem  —  wenn  nicht  anzunehmen 
ist,  daß  der  Verfasser  die'  Züge  der  neronischeu  Verfolgung,  bez. 
ihre  Vorbereitung,  auf  die  Verfolgung  der  Endzeit  übertragen  hat, 
unbekümmert  ob  sie  noch  passen.  Das  liegt  in  der  Tat  nahe\ 
und  deshalb  verschlägt  auch  dieses  Argument  nichts. 

Der  Ebertsche  Ansatz  aber  (249)  ist  unhaltbar.  Die  Verse  805ff. 

Sed  quidam  hoc  aiunt:  Quando  haec  Ventura  pntamus? 
Accipite  paucis,  quibus  actis  illa  sequantur. 
Multa  quidem  Signa  fient  tantae  termini  pesti, 
Sed  erit  initium  septima  persecutio  nostra. 
Ecce(iam)  ianua(m>  pulsat  et  cingitur  ense, 
810  Qui  cito  traiciet  Gothis  inrumpentibus  amne 
Eex  ApoUyon  erit  cum  ipsis,  nomine  dirus, 
Qui  persecutionem  dissipet  sanctorum  in  amiis. 
Pergit  ad  Eomam  cum  multa  milia  gentis  etc. 

sollen  den  Übergang  der  Goten  über  die  Donau  z.  Z.  des  Phi- 
lippus  Arabs  anzeigen,  und  daß  es  eben  diese  Zeit  sei,  lehre 
Augustin;  denn  nach  De  civ.  dei  XVIII,  52  sei  die  decianische 
Christen  Verfolgung  die  siebente!  Aber  ist  es  denn  nur  wahrschein- 
lich, um  nicht  zu  fragen,  ist  es  möglich,  daß  im  J.  249  die  deciani- 
sche Christenverfolgung  als  die  siebente  gezählt  worden  ist?  Davon 
ist  nichts  bekannt;  diese  Art  Zählungen  sind  überhaupt  spät.  Ver- 
folgungen wie  die  decianische  muß  es,  als  der  Verfasser  schrieb, 
längst  gegeben  haben;  denn  nach  ihr  (oder  der  verwandten  diokle 
tiauischen)  ist  das  allgemeine  Bild  der  Verfolgungen  wie  in  den 
Instruktionen,  so  Carmen  873 fF.,  gezeichnet: 

Mittunt  [seil,  die  Kaiser]  et  edicta  per  iudices  omnes  nbique, 
Ut  genus  hoc  hominum  faciant  sine  nomine  Christi. 


1)  Die  ganz  singulare  und  seltsame  Schilderung  847—856:  „Ista  quiafaciat 
[der  wiedergekehrte  Elias],  cruciati  nempe  ludaei  |  Multa  adversus  eura  conflant 
in  crimina  falsa  |  Incenduntque  prius  senatum  consurgere  in  ira  j  Et  dicunt 
Heliam  inimicum  esse  Romanis.  |  Tunc  inde  confestim  motus  senatus  ab  Ulis  | 
Exorant  Neronem  precibus  et  donis  iniquis:  |  Tolle  inimicos  populi  de  rebus 
humanis  |  Per  quos  et  di  nostri  conculcantur  neque  coluntur.  |  At  ille  suppletus 
furia  precibusque  senatus  |  Yehiculo  publice  rapit  ab  Oriente  prophetas**  —  ist 
nicht  leicht  anders  erklärlich  als  durch  die  Annahme,  daß  Commodian  eine 
uns  unbekannte  Quelle  für  die  neronische  Verfolgung  besaß.  An  andei'er  Stelle 
werde  ich  darauf  näher  eingehen. 


Commodians  InBtractiones  und  das  sog.  Carmen  apologeticam«        43g 

Praecipinnt  qaoqne  simulacris  tura  ponenda 
Et,  ne  qais  lateat,  omnes  coronati  procedant^ 

Die  Siebenzahl  ist  die  heilige  Zahl;  die  letzte  Verfolgung  wird 
daher  die  siebente  sein.  Das  ist  die  Meinung  des  Verfassers.  Aus 
dem  dunklen  810.  Vers  kann  man  aber  nicht  mehr  herauslesen  als: 
die  Goten  werden  über  Rom  kommen.  Diese  Drohung  ist  nicht 
nnr  in  der  zweiten  Hälfte  des  S.Jahrhunderts  verständlich;  sie 
paßt  ebensogut  für  das  ganze  4.  Jahrhundert 

Die  politische  Eschatologie  Commodians  791—1060  ist  so  kom- 
pliziert (speziell  auch  Lactantius  gegenüber,  s.  u.),  so  zusammen- 
gestückt aus  verschiedenen  Bestandteilen,  daß  man  schon  deshalb 
auf  eine  verhältnismäßig  späte  Zeit  sich  gewiesen  sieht  Man  muß 
sich  hüten,  sie  auszudeuten ;  das  einzelne  ist  zu  abrupt  Aber  wenn 
nicht  alles  trügt,  so  sind  doch  Diokletian  und  seine  beiden  Mit- 
kaiser, welche  die  Christen  verfolgten,  angedeutet  in  den  Wor- 
ten (871  f.): 

Participes  autem  duo  sibi  Caesares  addit  [seil,  der  Kaiser- 
Antichrist], 
Cum  quibus  hunc  populum  persequatur  diro  furore^. 

Wie  kann  der  Verfasser  auf  den  ganz  singulären  Zug,  der 
Antichrist  nehme  sich  zwei  Cäsaren  als  Genossen,  gekommen  sein, 
wenn  er  nicht  das  Vorbild  Diokletians  hatte? 

Und  zittert  nicht  noch  die  Verfolgung  Diokletians  nach,  wenn 
man  (879 ff.)  liest: 

NuUa  dies  pacis  tunc  erat  nee  oblatio  Christo, 
Sed  cruor  utique  manat,  quam  describere  vincor; 
Vincunt  enim  lacrimae,  deficit  manus,  corda  tremescunt, 
Quamquam  sit  martyribus  aptum  tot  funera  ferre; 
Per  mare,  per  terras,  per  insulas  atque  latebras 
Scrutanturque  diu,  exsecratos  victima(m)  ducunt 

Will  man  auf  diese,  wie  mir  scheint  nicht  unwichtigen  Zeit- 
spuren, die  auf  die  nächsten  Jahre  nach  dem  Erlöschen  der  gi'oßen 
Verfolgung  im  Abendland  führen,  nichts  geben  und  hält  man  ander- 
seits die  decianische  Verfolgung  als  Folie  der  Ausführungen  des 
Verfassers  für  genügend,  so  muß  man  sich  mit  der  weiten  Zeit- 
bestimmung: bald  nach  250  und  bis  um  350  begnügen.  Jedenfalls 
schrieb  er  beide  Werke  in  einer  Friedenszeit  ^. 


1)  Diese  Anordnung,  sonst  unbekannt,  kann  aber  nur  unter  Decius  oder  in  der 
diokletianischen  Verfolgung  stattgefunden  haben,  wenn  sie  nicht  Erfindung  ist. 

2)  S,  auch  911:   „tres  Caesares".    Constantius  fehlt  natürlich. 

3)  Cf.  Instruct.  II,  25  („De  pace  subdola").  —  Leider  läßt  eine  der  wenigen 


440  ^^  Liiteraiiur  des  Abendlandes. 

Aber  die  Ebertsche  Hypothese  wird  noch  durch  eine  andere 
Erwägung  als  unhaltbar  erwiesen.  Dombart  hat  gezeigt,  di( 
Conimodian  die  Cyprianischen  Testimonien  reichlich  benatzt  hat, 
und  die  Benutzung  ist  evident.  Eine  Zeitlang  konnte  man  sich 
darauf  zurückziehen,  nur  das  1.  u.  2.  Buch  der  Testimonien  sei  im 
Carmen  apolog.  verwertet  und  diese  Bflcher  seien  kurz  vor  249  tod 
Cyprian  geschrieben.  Das  war  freilich  auch  schon  prek&r.  Allein 
es  ist  von  Dombart  selbst  zugestanden  (Ausgabe  p.  IV),  daB  Con- 
modian  an  zahlreichen  Stellen  auch  andere  Schriften  Cypiiaib 
ausgebeutet  hat  K  Also  kann  er  nicht  vor  c.  260  geschrieben  haben. 

Gennadius  setzt  den  Commodian  zu  den  christlichen  Schrift- 
stellern um  400  und  behauptet,  er  sei  in  seinen  Ausführungen  dem 
Lactantius  gefolgt.  Das  ei*stere  ist  unerheblich;  denn  augenscheiih 
lieh  hat  Gennadius  die  Zeit  des  Commodian  nicht  gekannt,  sonst 
hätte  er  doch  irgendeine  chronologische  Bemerkung  gemacht  Aber 


stellen,  in  denen  Commodian  Zeitgeschichtliches  und  ganz  Konkretes  bringt, 
einen  sicheren  Schluß  nicht  zu.  Das  18.  Gedicht  (Instr.  J)  handelt  Ton  dem 
syrischen  Gott  Ammudates  [=  Elagabal],  und  es  heißt  von  ihm:  „Ammadttes 
quem  [?]  suum  cultores  more  colebant  |  Magnus  erat  iUis,  quando  fbit  aorum  in 
aede;  |  Mittebant  capita  sub  numine  quasi  praesenti.  |  Ventuui  est  ad  BummiiDi 
ut  Caesar  tolleret  aurum:  |  Defecit  numen  yel  fiigit  aut  transit  in  ignem". 
S.  über  diesen  Gott  Hamann  i.  d.  Ausgabe  des  C.  von  Ludwig  p.  XXXIIl: 
Mordtmiuin  und  Redslob  i.  d.  Ztschr.  d.  deutschen  morgen!.  Gesellsch.  Bd.  2' 
S.  91  ff.,  Bd.  :Jl'  S.  733,  Ed.  Meyer  in  Roschers  Lexik.  S.  291,  Tümpel  in 
Pauly-WLssowas  Rfhizykl.  I  Kol.  18(Wff.  Da  nach  dem  Sturze  Klogabal?. 
des  Kaisers,  der  Gott  wechselnde  Schicksale  gehabt  hat  und  wir  nicht  wisaec- 
wo  Commodian  schrieb,  so  kann  man  weder  behaui)ten,  der  hier  genannte  Cäiar 
sei  Macrinus  oder  Alex.  Scvenis,  noch  es  müsse  ein  christlicher  Kaiser  sein  'S- 
Brewer».  Aufgehört  hat  der  Kult  des  Gottes  sicher  noch  nicht  überall  in 
3.  Jahrhundert. 

1)  Wer  erinnert  sich  z.  B.  nicht  an  Cyprian,  wenn  er  Instr.  II,  14,  l-t- 
liest:  „Non  operas  facitis,  non  donum  gazo  parotis  |  Et  sie  promereri  douiinuui 
putatis  inanes".  —  Dombart  nimmt  freilich  noch  immer  an,  im  Carmen  seien 
nur  die  Testim.  T  und  II  benutzt,  in  den  Instruktionen  der  ganze  Cyprian  (inki. 
Testim.  Uli,  imd  somit  sei  das  Cannen  i.  J.  249,  die  Instruktionen  einige  Jahre 
später  geschrieben.  Wer  sieht  nicht  das  Künstliche  und  gänzlich  ünbefrieiligenJ^ 
dieser  Konstruktion  ein?  Erstlich  wissen  wir  nicht,  daß  die  Instruktionen  nacl 
dem  Carmen  geschriebon  sind  (Eb(^rt  nahm  für  Instr.  I  das  Umgekehrte  iil-^ 
sicher  an  und  behauptetf?  für  Buch  II  nur  die  Möglichkeit,  daß  ea  nach  dew 
Carmen  entstanden  sei):  es  nuifi  das  ad  hoc  einfach  behauptet  werden;  zweitens 
war  im  Cannen,  Roviol  icli  sehe,  überhaupt  kein  Anlaß,  Testim.  III  zu  zitieren: 
drittens  wissen  wir  nicht,  weder  wann  Cyi)rian  Testim.  I  und  II  geschrieben 
hat,  noch  wie  groU  drr  zeitliche  Abstand  zwischen  diesen  Büchern  und  Buch  11  f 
gewesen  ist;  viertens,  wie  prekär  ist  eine  Hypothese,  die  die  Abhängigkeit  de» 
Schriftstellers  B  vom  Schriftstfllor  A  iinnimmt,  aber  behauptet,  die  Bücher  von 
A,  welche  B  nicht  benutzt,  seien  noch  nicht  geschrieben  gewesen! 


Commodians  Instructiones  und  das  sog.  Carmen  apologeticmu.         441 

auch  die  andere  Bemerkung  kann  belanglos  sein;  sie  braucht 
nämlich  nichts  anderes  zu  bedeuten,  als  daß  Commodian  Chiliast 
gewesen  ist  wie  Lactantius  (und  die  neben  ihm  genannten  Schrift- 
steller Tertullian  und  Papias).  Immerhin  ist  dem  Gennadius  der 
(bedanke  gar  nicht  gekommen,  Lactantius  könne  junger  als  Com- 
modian sein,  und  vielleicht  las  er  in  einem  uns  nicht  erhaltenen 
Gedicht  des  Lactantius  Namen.  Dem  sei  wie  ihm  wolle  —  wie 
verhalten  sich  unsere  Gedichte  tatsächlich  zu  den  Werken  des 
Lactantius? 

Dombart  (Praef.  p.  II)  leugnet,  daß  Lactantius  bei  C.  benutzt 
sei.  Zunächst  kommen  das  bei  beiden  sich  findende  Material  und 
die  Grundzüge  der  Anschauung  in  Betracht.  Die  Übereinstimmung 
ist  sehr  groß  —  besonders  in  der  Eschatologie,  in  der  aber  L.  der 
minder  komplizierte  ist  — ,  so  daß  die  Annahme,  sie  seien  von  ein- 
ander unabhängig,  nicht  wohl  möglich  ist.  Hätte  aber  Lactantius 
den  Commodian  gekannt,  so  hätte  er  ihn  wohl  genannt  wie  seine 
anderen  Vorgänger.  Wer  Carmen  191  ff.  mit  Inst.  div.  IV,  10.  11, 
Carmen  267  ff.  mit  Inst.  div.  IV,  18,  28.  29,  Carmen  791  ff.  mit  Inst, 
div.  VII,  25  u.  Carmen  927  ff.  mit  Inst.  div.  VII,  17,  4—6  vergleicht, 
wird  sich  der  Vermutung  nicht  entschlagen  können',  daß  Commo- 
dian hier  von  Lactantius  abhängig  ist  Auch  den  Phönix  erwähnt 
er  Carmen  139.  Brewer  macht  dazu  auf  Einzelheiten  aufmerk- 
sam, von  denen  aber  m.  E.  nur  eine  einzige  in  Betracht  kommt: 

Inst.  div.  IV,  10,  6.  Carmen  192  f. 

Tum  .  .  .  deus  eduxit  eos  .  .  .    Inde  deus  illos  eiecit  duce  Moyse, 
'dnce  Moyse,  per  quem  postea  lex    per  quem  dedit  illis  legem, 
illis  a  deo  data  est 

Aber  auch  das  kann  Zufall  sein.  Dagegen  scheint  folgendes 
von  Bedeutung  zu  sein:  Carmen  612  liest  man  die  auffallende  Be- 
merkung: „Nam  qui  deum  sequitur,  ^copria*  iudicatur  ab  ipsis" 
(seil,  den  Heiden).  Wir  wissen  nicht,  daß  die  Christen  generell 
mit  diesem  Schimpfnamen  (der  sich  bei  Sueton,  Tib.  61  u.  Claud.  8 
findet)  belegt  worden  sind,  aber  Lactantius  (V,  1,  27)  sagt  uns, 
daß  die  Heiden  den  Cyprian  „Coprianus"  genannt  haben.  Steht 
nicht  Commodians  Vers  hiermit  in  Verbindung?  Ganz  durchschla- 
gend ist  das  auch  nicht,  und  man  wird  daher  das  Urteil  dahin 
zusammenfassen  müssen:  es  ist  wahrscheinlich,  daß  Commodian 
den  Lactantius  benutzt  hat 

Wie  dieses  wahrscheinlich  ist,  so  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  Commodian  nach  der  diokletianischen  Verfolgung  geschrieben 
hat.    Weiter  vermögen  wir  nicht  zu  kommen,  und  somit  ist  das 


442  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Urteil  dahin  zusammenzufassen:  die  Gedichte  Commodians  sind  der 
Zeit  260— c.  350  zuzuweisen;  wahrscheinlich  sind  sie  nicht  lange 
nach  der  diokletianischen  Verfolgung  entstanden  *.  In  welche  Provinz 
des  Abendlandes  der  Verf.  gehört  —  von  Geburt  (Afrika?)  und  als 
Schriftsteller  — ,  läßt  sich  nicht  sicher  ausmachen.  Das  besondere 
Interesse  fQr  Rom,  das  er  im  Carmen  bezeugt,  kann  rein  escha- 
tologisch  sein;  doch  ist  es  bemerkenswert,  daß  es  durch  keine 
Teilnahme  für  irgendeine  bestimmte  Provinz  begrenzt  erscheintj 
und  daß  die  besondere  Berücksichtigung  des  Senats  bei  einem 
Provinzialen  jener  Zeit  etwas  Auffallendes  hat  Mehr  läßt  sich 
nicht  sagen  oder  vielmehr  —  es  läßt  sich  doch  noch  etwas  sagen, 
wenn  wir  die  pseudotertullianischen  Gedichte  Adv.  Marcionem  her- 
beiziehen \ 


10)  Das  pseudotertulliauische  Carmen  Adversns  Marcionem' 

und  das  Gedicht  Landes  Domini. 

Während  die  übrigen,  dem  Tert.  beigelegten  Gedichte  weder 
ihm  gehören,  noch  aus  der  vorkonstantinischen  Zeit  stammen,  be- 
darf es  der  Untersuchung,  ob  die  1300  Hexameter  gegen  Marcion 
in  5  Büchern,  für  die  es  heute  keine  Handschrift  mehr  gibt^  und 
die  seit  der  editio  princeps  v.  J.  1564  (Fabricius  Chemnicensis)  unter 
den  Opp.  TertuUiani  abgedruckt  werden,  der  vorkonstantinischen 

1)  Will  mau  den  Goteneinfall,  von  dem  in  dem  Carmen  apolog.  die  Retie 
ist,  spezialisieren,  so  kann  man  an  die  Furcht  denken,  die  sie  im  J.  331  2  Tor 
dem  Siege  Konstantins  über  sie  erregt  haben  müssen.  —  Brewer  schreibt' 
(a.  a.  0.  S.  7G3):  „In  der  späteren  Abhandlung  hoffe  ich  zu  zeigen,  dalJ 
Commodian  der  Mitte  des  5.  Jahrh.  angehört  und  daß  er  seine  Dichtungren  um 
458—460  in  Südgallien  abfaßte".  Diese  Abhandlung  ist  bis  jetzt  nicht  er- 
schienen, und  ich  ahne  nicht,  worauf  Brewer  diesen  paradoxen  Ansatz  stützen 
will.  In  Kürze  bemerke  ich  nur,  daß  des  Gennadius'  Bericht  rätselhaft  wird, 
wenn  Commodian  sein  Zeitgenosse  gewesen  ist,  und  daß  auch  die  Stellung,  die 
er  ihm  im  Katalog  gegeben  hat,  bei  dem  Ansatz  458/00  unerklärlich  ist.  Femer, 
soll  um  jene  Zeit  das  Heidentum  noch  eine  solche  Macht  gewesen  sein,  wie  C. 
es  schildert?   Und  wie  steht  es  mit  dem  Martyrium? 

2)  Dort  wird  auch  über  das  Verhältnis  Commodians  zu  Victorin  von  Pett;m 
gehandelt  werden. 

3)  Ob  dieser  Titel  handschriftlich  ist,  ist  fraglich. 

4)  Doch  hat  sich  vor  einigen  Jahren  im  Cod.  Vatic.  582  ein  Gedicht  „Vic- 
torini versus  de  lege  domini"  gefunden,  das  sich  als  Cento  aus  dem  Carmen 
adv.  Marc,  darstellt.  Von  den  210  Versen  sind  c.  100  aus  diesem  abgeschrieben. 
Damit  ist  ein  sehr  dankenswertes  Hilfsmittel  zur  Kritik  des  vom  ersten 
Herausgeber  greulich  entstellten  Carmen  adv.  Marc,  gewonnen.  Schon  früher 
war  ein  Gedicht  desselben  Verfassers  bekannt  geworden  über  das  Leben  Jesu 
(in  derselben  Handschrift),  das  c.  20  Verse  unserer  Gedichte  enthält. 


Das  pseadotertollianiBclie  Carmen  Adyersus  Marcionem  usw.  443 

Epoche  zuzuweisen  sind  oder  nicht'.  Letzteres  behaupteten 
Hückstädt,  Harnack  und  0x6^^  jenes  Hilgenfeld,  Waitz 
und  Jülicher. 

Mit  einer  sehr  erfi*eulichen  Tatsache  können  wir  beginnen: 
0x6  (Prolegg.  p.  40— 51)  und  Waitz  (S.  112—158),  die  beiden  um 
das  Gedicht  verdientesten  Gelehi1;en,  haben  es  erwiesen,  soweit 
sich  ein  solches  Ergebnis  ohne  äußere  Zeugnisse  erweisen  läßt,  daß 
Commodian  der  Verf.  unserer  Gedichte  ist.  0x6  hat  zuerst  die 
hierher  gehörigen  Beobachtungen  zusammengestellt,  ohne  den 
Schluß  auf  Identität  zu  ziehen  3,  Waitz  hat  sie  vermehrt  und  das 
Fazit  gezogen.  Auch  wenn  man  nicht  wenige  Beobachtungen,  die 
aus  der  Freude  an  der  Entdeckung  stammen,  abzieht,  bleibt  so 
außerordentlich  vieles  in  jeder  Richtung,  in  der  Vergleiche  über- 
haupt möglich  sind,  übrig,  daß  das  Resultat  sich  förmlich  auf- 
drängt. Da  ich  den  Beweis,  wie  ihn  Waitz  geführt  hat,  nicht  zu 
verstäi-ken,  sondern  nur  zu  reinigen  vennag,  so  darf  ich  mich  be- 
gnügen, einfach  auf  ihn  zu  verweisen*.  Vorsichtigerweise  wird 
man  sagen,  der  Verfasser  unsrer  Carmina  ist  entweder  Commodian 
selbst  —  das  ist  das  Wahrscheinliche  —  oder  ein  Schüler  und 
jSachahmer  Commodians,  der  in  seinen  Anschauungen  und  seinem 
Kreise  lebte,  ihm  also  auch  zeitlich  nahe  stand.  An  einen  späten 
Plagiator  kann  nicht  gedacht  werdend 

1)  Vgl.  über  sie  Hückstädt,  Cber  das  pseudoteHull.  Gedicht  Ad?.  Marc, 
1S75;  Harnack,  Theol.  Litt.-Ztg.  1876  Kol.  2ü5f.  1888  Kol.  520f.  und  in  der 
Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  Bd.  19  (187Ü)  S.  11 3 ff.;  Hilgenfeld,  a.  a.  0.  Bd.  19 
S.  154 ff.;  0x6,  Prolegg.  de  carniine  Adv.  Marcionitas,  1888;  ders.,  Victorini 
versus  de  lege  domini.  Ein  unedierter  Cento  aus  dem  Carmen  Adv.  Marcionit., 
Krefelder  Programm,  1894;  Koffmane,  Entsteh,  u.  Entw.  des  Kirchenlateins, 
1S79  S.  151ff.;  Haußleiter  i.  d.  Ztschr.  f.  kirchl.  Wiss.  u.  kirchl.  Leben  Bd.  7 
(1886)  S.  2:^ff.;  Brandes  in  den  Wiener  Stud.  Bd.  12  (1890)  S.  310ff.;  Krüger, 
Oesch.  d.  altchristl.  Litt.  (1898)  S.  173  und  in  d.  Protest.  REnzykl.  Bd.  68, 
S.  406 f.;  Waitz,  Das  pseudotertull.  Gedicht  Adv.  Marc,  1901;  Jülicher, 
Gott.  Gel.  Anz.  1901  Nr.  8.  Dazu  die  Werke  von  Ebert,  Bahr,  Manitius. 
Die  filr  die  Wiener  Sammlung  von  Oxe  übernommene  Ausgabe  steht  noch  aus. 
\^\.  auch  Macholz,  a.  a.  O.  S.  20ff. 

2)  Manitius  und  Brandes  setzen  es  sogar  erst  ins  5.,  ja  6.  Jahrh. 

3)  Nach  Oxe  ist  Commodian  nachgeahmt. 

i)  Jülicher  hat  mit  Recht  die  Beweise  Waitzs  an  mehreren  Stellen 
bemängelt  und  auf  Punkte  hingewiesen,  auf  die  sich  die  Untersuchung  noch 
zu  erstrecken  hat;  aber  ich  kann  nicht  finden,  dalJ  das  Ergebnis  der  Waitz- 
8chen  Untersuchung  erschüttert  ist. 

5)  Macholz  (S.  21  f.)  will  sich  zu  der  Commodian-Hypothese  abwartend 
verhalten.  Er  schreibt:  „Daß  diese  Annahme  ,durch  einen  Vergleich  der 
christologischen  Anschauungen  beider  mehr  als  probabel*  wird,  kann  ich  nicht 
finden,  zumal  Waitz   selbst   zu   der  weiteren   Hypothese   einer  theologischen 


444  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

Aber  zwei  Punkte  bedürfen  doch  noch  einer  Prüfung,  erstlich: 
welche  Zeitspuren  weisen  unsere  Gedichte  aufi  und  zweitens:  was 
sagt  uns  die  Überlieferung  über  den  Verfasser?* 


Fortentwicklung  derselben  Persönlichkeit  von  den  cbrlstologischen  Formu- 
lierungen der  unter  Commodians  Namen  erhaltenen  Scbriften  zu  denen  des  Ge- 
dicbts  adv.  Marcionem  seine  Zuflucht  nehmen  muß  (a.  a.  0.  S.  126),  weil  er 
trotz  der  —  übrigens  nicht  sehr  überzeugenden  —  Ann&herangsTersache  beider 
Christologien  (a.  a.  0.  S.  124)  die  christologische  Differenz  nicht  ganz  zu  be- 
seitigen vermag.  Im  Gedicht  adv.  Marc,  haben  wir  eine,  wenn  auch  nnans- 
gebildete  und  von  modalistischen  Ausdrucksweisen  nicht  freie  Hypostaaea- 
christologie  —  der  Verf.  ist  eben  binitarischer  Monotheist  — ,  bei  Commodian 
fehlt  etwas  dem  ,,genitum  de  lumine  lumen"  auch  dem  „cum  patre  aemper  erat 
unitus  gloria  et  aevo"  wirklich  Entsprechendes,  und  Äußerungen  wie  Commo- 
dian,  Carm.  apol.  804  ff.  277  wären  m.  E.  in  adv.  Marc,  nicht  denkbar".  Ich 
kann  die  christologischen  Varietäten  nicht  so  hoch  einschätzen.  Die  Grund- 
Züge  der  Christologic  sind  dort  und  hier  dieselben,  und  sie  sind  in  sich  yariabel. 
Die  abendländischen  Christologen  der  voraugustinischen  Zeit  sind,  soweit  sie 
nicht  erklärte  Anhänger  der  Logos- Christologie  waren,  sämtlich  in  sich  wider- 
spruchsvoll, wenn  man  sie  an  einer  christologischen  Theorie  mißt. 

1)  Die  Quellen  der  Schrift  anlangend,  vgl.  die  sorgfältigen  Untersuchungen 
von  Waitz  S.  33 — 75  (in  bezug  auf  die  starke  Abhängigkeit  von  Virgil  s. 
Ox^).  Benutzt  ist  Tertullian  (nicht  nur  die  BB.  Adv.  Marc,  sondern  auch 
andere  Schriften);  benutzt  ist  auch  Irenäus.  In  beiden  Fällen  ist  der  Verf. 
aber  so  wenig  Plagiator,  daß  Waitz  die  Hypothese  vertreten  konnte,  imstr 
Verf.  habe  in  den  wichtigsten  Partien,  die  ihm  mit  beiden  gemeinsam  sin«i. 
weder  den  einen  noch  den  andern  in  der  Hand  gehabt,  sondern  eine  Quelle, 
die  auch  sie  benutzt  haben,  nämlich  das  Werk  des  Theophilus  von  Antiochien 
gegen  Marcion  (Waitz  sucht  außerdem  den  Theophilus  mit  jenem  Presbyter 
des  Irenäus  zu  identifizieren,  der  De  duobus  testamentis  gesclirieben  hat-. 
Hieraus  folgt,  daß  der  Verf.  griechisch  verstanden  hat  (was  übrigens  auch  aii> 
der  Benutzung  des  griechischen  Irenäus  folgt,  s.  oben  S.  320).  Sicherheit 
läßt  sich  aber  über  Theophilus  als  Quelle  keineswegs  gewinnen.  Noch  ein-* 
zweite,  unserem  Verfasser  und  Irenäus  gemeinsame  Quelle  scheidet  Waitz 
aus,  nämlich  einen  mit  Zusätzen  ausgestatteten  Katalog  römischer  Bischofs. 
Hier  hat  er  vielleicht  recht:  die  Annahme,  daß  Irenäus  in  dieser  Partie  direkt 
benutzt  ist,  macht  einige  Schwierigkeit.  Auch  das  ist  nicht  unwahrscheinlich« 
daß  der  Katalog,  bez.  die  Zusätze,  an  einigen  Stellen  bei  unserem  Verfasser 
ursprünglicher  erhalten  sind  als  bei  Irenäus.  Allein  weder  vermag  ich  die^♦' 
Quelle  als  eine  vollständige  Ketzerbestreitung  anzusehen,  in  die  ein  BischotV- 
katalog  aufgenommen  ist  (so  nämlich  stellt  Waitz  die  Sache  dar),  noch,  kann 
ich  zugeben,  daß  der  Biscliofskatalog  in  ursprünglicher  Gestalt  von  dem  Ver- 
fasser wiedergegeben  ist.  Vielmehr  hatte  derselbe  bereits  einen  starken  Ein- 
griff erlitten;  denn  die  Aufzählung  eines  besonderen  Bischofs  „Cletus**  neb'^a 
„Anacletus"  ist  trotz  allem,  was  Waitz  darüber  sagt,  ein  Beweis  einer  ver- 
hältnismäßig späten  Korruption  der  Liste.  —  Benutzt  sind  femer  der  Hirte  df> 
Hennas  und  Barnabas  (Oxe).  Sichere  Spuren  der  Benutzung  Cyprians  sind  nicht 
nachweisbar  (auch  nicht  der  Testimonia).  Die  von  0x6  behauptete  Abhängig- 
keit unseres  Dichters  von  Juvencus  hat  Waitz   mit   schlagenden  Gründen  auf 


Das  pseudotertullianiBche  Carmen  Adversus  Marcionem  usw.  445 

Bei  Hilgenfeld  und  Waitz  finden  sich  folgende  Erwägungen, 
welche  die  2.  Hälfte  des  3.  Jahrh.  als  Zeit  der  Abfassung  empfehlen 
sollen: 

(1)  Der  Marcionitismus  erecheint  als  die  einzige  nennenswerte 
Häresie  im  Abendland;  „wir  befinden  uns  also  noch  nicht  in  dem 
durch  ganz  andere  Lehrstreitigkeiten  zerspaltenen  4.  Jahrh."  Ari- 
aner  und  Manichäer  sind  nicht  genannt 

(2)  Der  Marcionitismus  wird  noch  nicht  ganz  abstrakt  als 
Dualismus  behandelt,  sondern  wesentlich  richtig  aufgefaßt,  und  der 
Sieg  über  ihn  gilt  dem  Verf.  noch  als  schwer:  er  ist  noch  ein  re- 
spektabler Gegner, 

(3)  Der  Dichter  hat  von  der  Erbsünde  im  strengen  Sinn  des 
Woi-ts  noch  keinen  Begriff. 

(4)  Durch  I,  109.  190  u.  212ff.  ist  die  Märtyrei-zeit  indiziert. 

(5)  Das  Heidentum  herrscht  noch  (I,  136— 138  ^  und  III,  6—9), 
wenn  auch  die  Zeit  nahe  erscheine,  da  die  Völker  christlich  werden. 

(6)  Der  Kirchenbegriff  verlange  eine  Abfassungszeit  bald  nach 
Cyprian  (s.  Waitz  S.  14ff.). 

(7)  Das  Gedicht  nennt  die  Kleriker  nicht,  wie  Cyprian,  Priester, 
und  außer  dem  Opfer  Christi  kennt  es  kein  anderes;  die  kultischen 
Handlungen  fallen  dem  Dichter  —  ganz  anders  wie  Cyprian  — 
nicht  unter  den  Begriff  eines  Opfers  (S.  16ff.). 

(8)  Die  Logoslehre  tritt  noch  zurück,  und  in  der  Auffassung 
von  dem  Wesen  und  dem  Werk  Christi  fehlen  unserem  Autor  Be- 
griffe und  Vorstellungen,  die  in  der  nachnicänischen  Zeit  Gemein- 
gut der  kirchlichen  Theologie  geworden  sind,  während  die  Theorien 
des  Irenäus,  Tertullian  und  des  Modalismus  sich  finden  (S.  22 — 29). 

Andere  Argumente  habe  ich  nicht  gefunden,  nur  bei  Waitz 
ein  par  noch  schlechtere  als  die  unter  Nr.  3.  6  und  7  genannten^; 

gemeinsame  profan-poetische  Quellen  zurückgeführt.  Dasselbe  gilt  von  dem 
Verhältnis  des  Commodian  und  Juvencus  und  von  angeblichen  Abhängig- 
keiten unseres  Dichters  von  noch  späteren  lateinischen  Dichtern,  wie  sie 
Manitius  behauptet  hat.  "Ober  das  Verhältnis  zu  Victorin  v.  Pettau  und  die 
Abhängigkeit  von  Hippolyt  s.  u. 

1)  „Quem  [deum]  stultae  quam  vis  gentes  errore  copertae  |  Florentes  opibus 
alieno  nomine  laudent  |  Factoremque  tamen  gnari  culpare  verentur". 

2)  S.  42  wird  noch  das  Argument  nachgebracht,  das  Gedicht  nenne  die 
römischen  Bischofsnamen  nach  griechischer  Weise  und  das  spreche  für  das 
3,  Jahrb.,  „da  noch  in  Rom  die  griechische  Sprache  herrschte".  Allein  dann 
müßte  man  für  das  Gedicht  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrh.  als  Abfassungszeit 
ansetzen.  Warum  muß  übrigens  ein  Lateiner  notwendig  „Aristus"  schreiben 
ßtatt  „Euaristus"  oder  „Iginus"  (Higinus)  statt  „Hyginus"?  Auch  schreibt  der 
Verf.  „Sixtus",  nicht  „Xystus".  Endlich  —  welcher  Verlaß  ist  auf  die  Schreibung 


446  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

auf  die  letzteren  gehe  ich  nicht  ein,  weil  aach  sie  ganz  belanglos 
sind.  Die  unter  Nr.  4  und  5  stehenden  beruhen  auf  einer  falschen 
Beurteilung  der  Stimmung  der  Kirche  im  Abendland  in  den  nächsten 
Jahrzehnten  nach  d.  J.  311.  Dorfc  ist,  da  Eonstantius  Chlorus  vor- 
gearbeitet hatte,  der  Sieg  des  Christentums  unter  Konstantin  nicht  als 
so  eminent  empfunden  worden,  wie  im  Morgenland,  and  die  Unpartei- 
lichkeit der  Yorgratianischen  Kaiser,  das  Heidentum  der  Aristo- 
kratie und  Bureaukratie  und  die  Zähigkeit  des  Heidentums  (aacb 
das  Auftreten  des  Staats  gegen  die  Donatisten)  ließen  VerfolgUDgen 
noch  immer  als  möglich  erscheinen,  ließen  jedenfalls  die  Stimmung 
nicht  aufkommen,  daß  das  Christentum  bereits  herrsche.  Wie  die 
oben  untersuchten  Gedichte  Commodians,  so  können  auch  unsere 
Carmina  sehr  wohl  einige  Dezennien  nach  311  geschrieben  sein; 
die  äußere  Situation  ist  dort  und  hier  dieselbe.  Alles  das  aber, 
was  Waitz  unter  Nr.  8  ausgeführt  hat,  beweist  nur,  daß  die  Car- 
mina in  der  2.  Hälfte  des  3.  Jahrh.  geschrieben  sein  können, 
nicht  aber,  daß  sie  damals  geschrieben  sind.  Ich  wage  zu  be 
haupten,  daß  die  Christologie  im  Abendland  nach  Kailist  bis 
Damasus  wesentlich  unverändert  geblieben  ist  und  daß  es  daher 
schlechthin  unmöglich  ist,  auf  Grund  christologischer  Indiaen 
die  Abfassung  einer  lateinischen  christlichen  Schrift  in  ein  be- 
stimmtes Dezennium  zwischen  230  und  370  zu  setzen,  wenn  nicht 
Formeln  der  nicänischen  Synode  oder  einer  nachnicänischen  in  ilir 
benutzt  sind  oder  falsche  Christologieen  bekämpft  werden. 

Es  bleiben  also  nur  die  beiden  eng  zusammengehörigen  Argu- 
mente Nr.  1  und  2.  Sie  schließen  das  Ende  des  4.  Jahrhundert^ 
sicher,  das  dritte  Viertel  höchst  wahrscheinlich  aus';  aber  mehr 
läßt  sich  nach  dem  Stande  unserer  Kenntnisse  nicht  sagen.  Die 
Manichäer  brauchten  vor  c.  350  nicht  erwähnt  zu  werden,  denn 
damals  haben  sie  schwerlich  schon  im  Vordergi'unde  gestandeu, 
und  die  Arianer  sind  dem  Abendland  erst  nach  dem  Tode  des  Kon- 
stans  wirklich  bemerkbar  geworden,  d.  h.  seit  350.  Gewiß  ist,  daü 
eine  Polemik  gegen  die  Marcioniten  als  gegen  einen  zur  Zeit  noch 
gefährlichen  Feind  in  jedem  Jahrzehnt,  das  man  von  350  aufwärts 
steigt,  begreiflicher  wird;  allein  wir  wissen  viel  zu  wenig  vod 
der  Geschichte  dieser  Kirchengemeinschaft  zwischen  250  und  So*» 
im  Abendland,  speziell  in  Rom,  als  daß  wir  behaupten  könnten, 
eine  Polemik  wie  die  unseres  Verfassers  sei  um  340  oder  350  in 


der  Namen,  da  doch  Fabricius,  auf  dessen  Ausgabe  wir  angewiesen  sind,  der 
Text  und  die  Schreibung  nachweisbar  eigenmächtig  geglättet  hat? 

1)  Denn  unser  Gedicht   ist   keine  Stilübung,   sondern   hat    es   mit  eiiwc 
wirklichen  Gegner  zu  tun. 


Das  pseudotertuHianische  Carmen  Adversus  Marcionem  usw.  447 

Rom  oder  in  jeder  Provinz  des  Abendlandes  deplaciert  und  über- 
flüssig gewesen. 

Somit  erweisen  sich  alle  Argumente,  die  für  die  Abfassung  in 
den  JJ.  260—300  angeführt  werden,  als  unzureichend;  man  muß 
noch  die  folgenden  50  Jahre  hinzunehmen,  d.  h.  wir  sehen  uns  auf 
dieselben  Grenzen  angewiesen,  die  wir  für  die  unzweifelhaft  dem 
f'Om  median  angehörigen  Werke  festgestellt  haben. 

Aber  wie  wir  es  dort  für  wahrscheinlich  halten  mußten,  daß 
die  Gedichte  nicht  lange  nach  der  diokletianischen  Verfolgung  ab- 
gefaßt sind,  so  gibt  es  auch  hier  ein  Argument,  das  für  diese  Zeit 
spricht  Der  Verfasser  schreibt  IV^,  29  und  V,  199  übereinstimmend: 
„Filius,  immense  genitum  de  lumine  lumen"  („De  patre  prin- 
cipium,  genitum  de  lumine  lumen").  Nun  bekennt  zwar  Ter- 
p  tullian,  Apol.  21:  „ita  de  spiritu  Spiritus  est,  dedeo  deus  ut  lumen 
de  lumine  ftccensum**;  aber  das  wichtige  „genitum"  fehlt,  und  durch 
das  „ut"  erscheint  das  Ganze  als  ein  Vergleich.  Im  Nicänum  da- 
gegen heißt  es:  ysppijO-ipta  ix  rov  xaxQoq  ....  (pciq  ix  gxorog 
....  yBvvrid^kvra  ov  JtoiijO-ivra.  Vor  dem  Nicänum  weiß  ich  keinen 
Beleg  für  diese  wichtige  Formel.  Die  Annahme  liegt  daher  nahe, 
daß  unser  Verfasser  nach  dem  J.  325  geschrieben  hat.  Sicher  ist 
dies  freilich  nichts  nur  eben  wahrscheinlich.  Weiteres  vermag  ich 
über  die  Zeitlage  nicht  zu  sagen;  nui'  daran  erinnere  ich  noch  ein- 
mal, daß  die  Verdoppelung  Anacletus  und  Cletus  in  der  römischen 
Bischofsliste  im  vierten  Jahrh.  erklärlicher  ist  als  im  dritten  ^ 

Als  Autor  unserer  Gedichte  war  in  der  einzigen,  verlorenen 
Handschrift  höchst  wahrscheinlich  TertuUian  angegeben  2.  Diese 
Angabe,  die  sich  aufs  leichteste  erklärt,  erledigt  sich  eben  dadurch. 
Viele  Bemühungen  und  Hypothesen  haben  die  Nachrichten  hervor- 
gerufen, (1)  daß  die  beiden  Plagiate  aus  unseren  Gedichten  („De 
nativitate,  vita,  passione  et  resurrectione  domini"  und  „De  lege 
domini",  Cod.  Vatic.  582)  den  Namen  des  Victorinus  tragen,  (2)  daß 
ein  spanischer  Anonymus  in  der  2.  Hälfte  des  7.  Jahrhundeiis 
schreibt^:  „Victorinus  episcopus  composuit  et  ipse  versibus  duo 
opuscula  admodum  brevia,  unum  adversus  Manichaeos,  reprobrantes 
veteris  testamenti  deum  veramque  Christi  incarnationera  contra- 
dicentes,  aliud  autem  adversus  Marcionistas,  qui  duo  principia 
i.  e.  duos  deos  fingunt,  unum  malum,  iustum,  creaturarum  condi- 


1)  Der  Versuch  von  Hückstädt,  die  Zeit  Julians  in  den  Gedichten  nach- 
zuweisen, ist  von  Waitz  mit  Recht  beseitigt  worden. 

2)  S.  Waitz  S.  76f. 

3)  De  XII  Script,  eccl.,  Appendix  zu  lldefonsus'  kirchlichem  Schriftsteller- 

Irn.falncr 


448  ^^  Litteratur  des  Abendlandea. 

torem  et  retributorem  factorum,  alter  am  bonum,  animarum  snseep- 
torem  et  indultorem  criminum".  Die  Kombination  dieser  bdda 
Nachrichten  und  ihre  Beziehung  auf  unsere  Gedichte  schien  nahe 
zu  liegen.  Allein  erstlich  war  im  3.-6.  Jahrhundert  der  Nune 
Yictorinus  (Victor)  sehr  häufig,  zweitens  sind  unsere  Gedichte  nickt 
„admodum  brevia'S  drittens  ist  es  doch  nicht  das  NächstUegendCL 
einen  für  Gedichte  gebotenen  Verfassemamen  vielmehr  auf  dk 
Quelle  dieser  Gedichte  zu  beziehen.  Es  bleibt  also,  wie  Waitz* 
richtig  sieht,  nur  eine  abstrakte  Möglichkeit^  daß  ein  VictoriniB 
der  Verfasser  unserer  Gedichte  ist.  Läßt  man  nun  die  uns  be- 
kannten Victoiini,  die  als  Schriftsteller  bekannt  sind,  Bemr 
passieren,  so  scheiden  alle  aus^  und  es  bleibt  nur  dei*  von  Pettti 
nach.  Zwischen  seinen  Schriften  und  unseren  Gedichten  bestehen, 
wie  zuerst  Haußleiter  nachwies,  in  der  Tat  frappante  Überein- 
stiuiniungen'.  Allein  auch  an  ihn  kann  nicht  gedacht  werden; 
denn  er  ist  einer  der  am  stärksten  gräzisierenden  Lateiner,  und 
es  kann  ihm  deshalb  auch  die  naive  Theologie  nicht  zugesprochen 
werden,  welche  unsere  Gedichte  aufweisen.  Ferner  aber  —  und 
das  ist  das  Wichtigste  —  zeigte  Waitz,  daß  genau  dasselbe  Ver- 
hältnis, welches  zwischen  Victorin  und  unseren  Gedichten  waltet« 
auch  zwischen  Conimodian  und  Victorin  besteht  Commodian  müEte 
also  mit  Victorin  ebenfalls  identisch  sein!  Da  das  nicht  möglieb 
ist,  scheint  gefolgert  werden  zu  müssen,  daß  sowohl  in  unseren 
Gedichten  wie  bei  Commodian  Victorin  in  gleicher  Weise  benutzt 
ist.  Aber  auch  diese  Annahme  ist,  wie  Waitz  uns  belehrt  hai. 
unzutreifend.  Die  Übereinstimmung  zwischen  den  dreien  oder  riei- 
mehr  zweien  (denn  es  zeigt  sich  hier  aufs  neue,  daß  Commodian 
und  der  Verf  unserer  Gedichte  höchst  wahrscheinlich  identisch 
sind)  erklärt  sich  vielmehr  nur  so,  daß  sie  einer  gemeinsamen 
Quelle,  nämlich  dem  griechischen  Apokalypse-Kommentar  HippoljU 
gefolgt  sind;  denn  nur  in  dem  apokalyptischen  Material  ist  die 
Übereinstimmung  vorhanden,  und  dort  nicht  so,  daß  Victorin  dem 
Commodian  g(*gentiber  überall  als  das  Original  erscheint.  Die  Resi^ 
jenes  Hippolyt- Kommentars  aber  zeigen  uns  die  Quelle. 

Also  ist  die  Victorin-Hypnthese  in  jeder  Gestalt  für  unserr 
(iediclite  abzulehnen.  Der  einzige  Gewinn  der  IiTgänge  liegt,  darin 
daß  auch  an  diesem  Punkt  die  Hypothese  der  Identität  unseres 


1)  S.  TS  ff.    Der  Abschnitt  ist  besonders  sorgiMtig  gearbeitiit. 

'J)  Auch  der  l^hetor  Miirius  Victorinus  Afer,  den  Hückstädt  ins  Au^"^ 
gefaßt  hatte,  s.  Waitz  S.  SU  f. 

;{)  Aus  dem ,  was  uns  von  diesem  Yictorin  erhalten  ist,  ersieht  man,  d.«' 
auch  er  gegen  die  Marcioniten  polemisiert  hat. 


Das  psendoterkillianiBche  Carmen  Adversos  Marcionem  usw.  44g 

Verfassers  und  Commodians  sich  bestätigt  Wie  sonst  ihre  Quellen 
in  frappierender  Weise  dieselben  sind,  so  haben  sie  auch  Hippolyts 
Kommentar  benutzt 

Ist  Commodian  und  Pseudotertnllian  Adv.  Marc,  derselbe 
Dichter  und  schrieb  dieser  Dichter  zwischen  260  und  c.  350,  oder 
wahrscheinlicher  zwischen  c.  315  und  c  350,  so  liegt  es  am  nächsten, 
ihn  nach  Rom  zu  versetzen.  Dorthin  weist  das  Carmen  apolog. 
mit  seinem  lebhaften  Interesse  (nicht  nur  für  die  Stadt,  sondern 
auch  für  den  Senat),  und  dorthin  unsere  Gedichte,  die  eine  römische 
Bischofsliste  bringen^  und  die  marcionitische  Kirche  noch  als  eine 
Macht  zeigend  Ist  aber  unser  Dichter  ein  Schüler  des  Commodian, 
so  ist  er  wenig  später  als  dieser  anzusetzen. 


In  dem  Paris,  lat  7558  (olim  Colbert.  4133,  dann  Begius  6411) 
saec  IX. 3  ist  ein  anonymes  Gedicht  mit  der  Aufschrift  „Landes 
Domini'^  erhalten,  welches  Brandes^  einer  fast  vollkommenen 
Vergessenheit  entrissen  hat^  Er  hat  zugleich  gezeigt,  daß  das 
148  Hexameter  umfassende  Gedicht  aus  der  Zeit  des  Konstantin 
stammt^  (und  zwar  Konstantins  I.  —  dies  folgt  aus  der  letzten 
Zeile ;  denn  Konstantin  II.  starb  kinderlos)  und  wohl  vor  dem  J.  323, 
also  316—323  entstanden  ist  Das  letztere  aber  ist  unsicher:  man 
muß  sich  mit  dem  Ansatz  „unter  der  Regierung  des  Konstantin" 


1)  Sogar  „hac  cathedra  Petrus,  qua  sederat  ipse"  etc.  heißt  es  III,  276, 
aber  „hac"  steht  hier  vielleicht  für  den  Artikel. 

2)  Das  war  sie  am  Ende  des  3.  Jahrh.  auch  noch  für  den  in  Pettau 
schreibenden  Victorin,  s.  die  vorvorige  Anmerkung. 

3)  S.  Dümmler,  Neues  Archiv  III  S.  299 fF.,  Schenkl  im  Wiener  Corpus 
Script.  T.  XVI,  1  p.  340  flf. 

4)  Braunschweiger  Gymnasialprogramm  1887:  Edition,  Einleitung  und 
Kommentar. 

5)  Trotzdem  habe  ich  es  im  I.  T.  dieser  Litt.-Gesch.  übersehen,  und  keiner 
der  Kritiker  hat  mich  an  dasselbe  erinnert.  Edit.  princeps  Paris.  1560  (More- 
lius),  Abdrücke  bei  Fabricius  (1564),  in  den  Biblioth.  Patrum  (auch  bei 
Migne  Bd.  61  p.  lOOlflf.),  bei  Rivinus  (1652)  und  Arevalus  (1792).  Wohl 
beachtet  ist  es  in  der  Hist.  litt,  de  la  France  T.  I,  2  (1733)  p.  95f.,  von  Mani- 
tius,  Gesch.  d.  christl.-lat.  Poesie  (1891)  S.  42 f.  und  von  Bardenhewer 
(Patrologie2  S.  368). 

6)  S.  die  Schlußverse  143—148: 

„At  nunc  tu  dominum  meritis,  pietate  parentem, 
Imperio  £a.cilem,  vivendi  lege  magistrum 
Edictisque  parem,  quae  lex  tibi  condita  sancit, 
Yictorem  laetumque  pares  mihi  Gonstantinum! 
Hoc  melius  fetu  terris  nil  ante  dedisti 
Nee  dabis:    exaequent  utinam  sua  pignora  patrem". 
Harnack,  AltchrlBtl.  Litteraturgesch.  II,  2.  29 


450  ^^^  Litteratur  des  AbeDcUandes. 

begnügen.  Das  Gedicht  weist  mit  Sicherheit  nach  Flavia  Aednorum 
in  Gallien  1  und  ist  das  Werk  eines  Bhetors  oder  Rhetorenzöglings 
der  durch  Konstantin  nen  begründeten  dortigen  Schule.  Auf  nicht 
ganz  schlagende  Erwägungen  hin  haben  die  Verfasser  der  Hist 
litt  de  la  France  den  Helden  unsers  Gedichts  mit  Reticias  in  Ver- 
bindung gebracht,  wenn  auch  die  Geschichte,  die  den  Anlaß  des 
Gedichtes  bildet  (ein  frommes  Ehepaar  hatte  sich  ein  Doppelgrab 
herrichten  lassen;  als  der  Oatte  der  Gattin  im  Tode  folgte,  streckte 
ihm  die  Tote  trotz  der  Binden  die  linke  Hand  entgegen),  eine  starke 
Ähnlichkeit  hat  mit  der  von  Gregor  von  Tours  in  bezug  aaf 
Beticius  erzählten  Geschichte.  Wenn  aber  unser  Dichter  den 
Bischof  gemeint  hätte,  hätte  er  dieses  Amt  seines  Helden  nicht 
wohl  verschweigen  können. 

Der  Dichter  schreibt  klar  und  verständlich;  die  Prosodie  „ist 
von  einer  Beinheit,  die  in  jener  Zeit  höchst  selten  b^egnef.  Ge- 
reimte Verse,  auch  paarweis  gereimte  Hexameter  finden  sich 
übrigens  bereits.  Juvencus  soll  das  Gedicht  (nach  Manitius^ 
schon  benutzt  haben. 

Nach  Brandes  (S.  18)  hat  der  Dichter  in  v.  2—4  den  II.  Petras- 
brief benutzt  Das  wäre  aufifallend;  allein  die  Übereinstimmung 
ist  so  gering,  daß  die  Annahme  einer  Benutzung  überflüssig  ist' 


11)  Die  Synode  von  Elvira. 

Die  lehrreichste  Quelle,  die  wir  für  die  innerkirchlichen  Zu- 
stände einer  großen  Provinz  um  d.  J.  300  besitzen,  sind  die 
Kanones  der  Synode  von  Elvira.  Ihre  Echtheit,  im  18.  Jahrhundert 
von  hyperkritischen  bez.  tendenziösen  Katholiken  beanstandet,  be- 
darf keiner  Beweisführung.  Ebensowenig  ist  zweifelhaft,  daß  El- 
vira (Illiberis)  nicht  in  Gallia  Narbon.,  sondern  in  der  Baetica 
nahe  von  Granada  zu  suchen  ist  Gehalten  wurde  die  Synode,  wie 
die  Akten  sagen,  am  15.  Mai;  außerdem  bemerken  die  Handschriften^ 


1)  S.  Y.  7 ff.:  „Nam  qua  stagnanti  praelabitur  agmine  ripos  |  Tardus  Arar 
pigrumquo  diu  vix  explicat  amnem,  |  Qua  fratema  Remo  progignitur  Aedua 
pubes". 

2)  Wocliensclir.  f.  klass.  Philol.  188S  Kol.  18. 

3)  Brandes  (S.  15f.)  nimmt  viele  Interpolationen  an  und  schlägt  vor. 
eine  ganze  Reihe  von  Versen  auszuscheiden;  Manitius  ist  vorsichtiger,  und 
mit  Recht. 

4)  Sie  gehen  bis  ins  10.  Jahrh.  hinauf;  eine  allen  kritischen  Ansprücbea 
genügende  Ausgabe  gibt  es  noch  nicht;  die  relativ  beste  ist  die  von  Gonzales 
(Madrid,  1808). 


Die  Synode  von  Elyira.  451 

in  der  Überschrift:  „Constantini^  temporibus  editum  eodem  tempore 
quo  et  Nicaena  Synodus  habita  est",  dazu  in  einigen  der  Znsatz 
„era  362"  (=  324  p.  Chr.  n.).  Diese  Angaben  sind  natürlich  nicht 
ursprünglich.  Die  Zeit  der  Synode  ist  umstritten  2.  Zwar  brauchen 
die  Ansätze  um  700  (MagdeL  Cent)  und  um  252  (Morin)  nicht 
widerlegt  zu  werden  —  es  ist  gewiß,  daß  die  Synode  in  die 
Bischofszeit  des  Hosius  von  Cordova^  und  in  die  Zeitnähe  der 
Synode  von  Arles  fällt^  — ,  aber  eine  genauere  Zeitbestimmung  ist 
nicht  ohne  weiteres  zu  geben.  Wäre  es  erweislich,  daß  der  Bischof 
Yalerius  von  Saragossa,  der  an  der  Synode  teilgenommen  hat^ 
Märtyrer  unter  Diokletian  geworden  ist,  so  wäre  ein  sicherer  ter- 
minus  ad  quem  zu  fixieren;  allein  das  Martyrium  ist  ganz  unsicher, 
und  selbst  wenn  es  gewiß  wäre,  fragte  es  sich,  ob  nicht  im  4.  Jahr- 
hundert zwei  oder  mehrere  Valerii  Bischöfe  von  Saragossa  gewesen 
sind;  ja  dies  ist  sogar  nach  Prudent^  Peristeph.  4,  78,  wahr- 
scheinlich. 

Die  verbreitetste  Meinung  ist  die,  die  Synode  sei  unmittelbar, 
nachdem  die  diokletianische  Verfolgung  in  Spanien  erloschen,  ab- 
gehalten worden,  also  im  J.  305  oder  306.  Sie  stützt  sich  darauf 
(s.  Hefele),  daß  die  Synode  mehrere  Bestimmungen  gegen  Lapsi 
getroflfen  hat  und  zwar  außerordentlich  harte  (viel  härtere  als  die 
nicänische  Synode);  diese  Bestimmungen,  so  sagt  man^  setzen  eine 
große  Verfolgung  voraus  und  zwar  eine  eben  erst  abgelaufene; 
denn  sie  seien  nicht  wohl  begreiflich,  wenn  sie  erst  10—20  Jahre 
nach  der  Verfolgung  getroffen  wären.  Letzteres  ist  richtig:  wenn 
die  große  Verfolgung  in  den  Akten  bereits  vorausgesetzt  ist,  so 
müssen  die  Bestimmungen  über  die  Gefallenen  ihr  auf  dem  Fuß 
gefolgt  sein,  und  die  Datierung  305/6  ist  somit  zu  billigen. 

Allein  es  ist  nur  ein  Schein,  daß  die  Synode  nach  einer  großen 
Verfolgung  gehalten  ist.  Wäre  eine  solche  mit  ihren  Tausenden 
oder  doch  Hunderten  von  Gefallenen  unmittelbar  vorhergegangen, 
so  müßten  die  Kanones  Ifif.  ganz  anders  lauten,  als  sie  lauten. 
Die  Kasuistik  müßte  einen  breiten  Raum  einnehmen,  und  es  müßten 
überhaupt  viel  konkretere  Züge  gegeben  sein,  als  die  Akten  sie 
bieten.  Diese  haben  es  lediglich  mit  frivolen  und  leichtsinnigen 
(Tefallenen  zu  tun,  wie  sie  in  Friedenszeiten  vereinzelt  stets  zu 


1)  „Constantü"  schreiben  die  Handschriften,  was  natürlich  ein  Fehler  ist. 

2)  Vgl.  Garns,  Kirchengesch.  Spaniens  Bd.  2  S.  4 ff.;  Hefele,  Konzilien- 
i;esch.  12  S.  148ff.;  Dale,  The  synod  of  Elvira.  London,  1882;  Duchesne, 
Le  concile  d'Elvire  et  les  Flamines  chrötiens,  1886  (in  den  Mölanges  Renier). 

3)  Er  hat  als  zweiter  unter  den  19  Bischöfen  unterschrieben. 

4)  Mehrere  Teilnehmer  an  unserer  Synode  sind  auch  Mitglieder  des  Konzils 
von  Arles  gewesen,  wie  die  Listen  ausweisen. 

90* 


452  ^®  liitteratur  des  Abendlandes. 

finden  waren.    Sehr  richtig  bemerkt  Duchesne,  nachdem  er  die 
einschlagenden  Bestimmungen  der  Synode  (can.  1.  59.  57.  40.  41. 
56.  2.  3.  4.  60)  zusammengestellt  hat:  „Je  ne  comprends  pas  commeot 
on  peut  Yoir  dans  ces  dispositions  une  sorte  de  liquidation  de 
Situation,  aprös  une  pers6cution  violente.    Nulle  part  Fapostasie 
n'est  indiqu6  comme  ayant  6t6  commise  pour  ob6ir  k  Taatoritt^. 
Ces  maitres  qui  vivent  en  paix  avec  des  esclaves  idolätres,  ces 
dames  cbr6tiennes  ä  qui  des  voisines  empruntent  leurs  habits  de 
föte  pour  se  parer  les  jours  de  procession  paienne,  ces  duomvirs 
chr^tiens,  ces  flamines  k  qui  il  est  apparemment  f&cile  d'esqaiver 
les  sacrifices  et  meme  Tobligation  de  donner  des  jeux  pnblics,  tont 
nous  tran$poi*te  en  un  temps  de  paix,  oü  le  paganisme  Stait  encm 
dominant  et  officiel  sans  doute,  mais  nullement  pers^uteur^.    So 
ist  es:  die  Synode  ist  in  einer  Zeit  abgehalten  worden,  in  der  dts 
Heidentum  seit  einer  Beihe  von  Jahren  faktisch  seinen  Frieden 
mit  dem  Christentum  geschlossen  hatte  und  daher  die  Chiisten 
mittleren  Schlages  in  Gefahr  standen,  auch  ihrerseits  die  Grenzen 
von  heidnisch  und  christlich  zu  verwischen,  während   umgekehrt 
einige  fanatische  Christen  die  Toleranz  und  Schwäche  der  Heiden 
bereits  zu  mißbrauchen  begannen  K  Einer  systematischen  Verfolgung 
seitens  der  Obrigkeit  war  man  augenscheinlich  längst  entwöhnt 
Dies  fühi*t  —  da  andrerseits  das  Heidentum  noch  Herr  und  keine 
Form  des  Götzendienstes  und  Opfers  noch  untersagt  ist  —  in  die 
Zeit  zwischen  270  und  303,   d.  h.  in  die  Zeit,  die  Eusebins  L  e. 
Vni,  1  beschrieben  hat.  Da  aber  Hosius^  entweder  im  J.  295  oder 
ganz  kurz  vorher  Bischof  geworden  ist,  so  fällt  unsere  Synode  in 
die  JJ.  295—302.^.    Ihr  Datum  noch  genauer  zu  bestimmen,  ist 
unmöglich,  aber  auch  wertlos,  da  fiir  unsere  dürftigen  Kenntnisse 
diese  Jahre  eine  unterschiedslose  Einheit  bilden.  Von  den  damaligen 
spanischen  Provinzen  war  auf  der  Synode  nur  Mauretania  Tingitana 
nicht  vertreten. 


1)  Can.  <K):  „Si  quis  idola  fregerit  et  ibidem  fderit  occisus,  quatenas  in 
evangelio  scriptum  non  est  neque  invenietur  sub  apostolis  umquain  factum, 
placuit  in  numenim  eum  non  recipi  martyrum". 

2)  Hosius  ist  nachweisbar  um  d.  J.  257  geboren  (s.  Loofs,  Artikel  Hoaus 
in  der  Trotcst.  REnzykl.3  ßj,  g) ;  j,  j.  2S0  war  er  sicher  noch  nicht,  aber  auch 
im  J.  200  noch  nicht  Bischof  von  Gordova.  Nach  Athanasius  (Hist.  Arian.  42) 
war  er  im  J.  350  schon  „mehr  als  (K)  Jahre  Bischof,  d.  h.  er  ist  im  J.  295 
Bischof  geworden  oder  kurz  vorher. 

3^  Das  Jahr  303  fällt  foH,  da  die  Synode  im  Mai  gehalten  worden  ist. 


i 


Chronologie  früher  donatistischer  und  antidonatbÜBcher  Aktenstücke  usw.     453 


12)  Chronologie  frfiher  donatistischer  nnd  antidonatistiseher 
Aktenstfielte  sowie  der  einscldagenden  Synoden. 

Nach  der  grundlegenden  UntersnchnDg  Daches n es  „LeDoissier 
du  Donatisme"  ^  in  der  die  Art  der  Überlieferung  und  die  Echtheit 
der  oben  stehenden  Gruppe  von  Schriften  nachgewiesen  ist,  ist  es 
nicht  schwer,  die  Chi'onologie  festzustellen.  Einzeln  sind  die  Akten- 
stücke aufgezählt  und  kurz  charakterisiert  im  1.  Teil  dieser  Litt.- 
Gesch.  S.  744flF.2    Ich  folge  hier  derselben  Numerierung^. 

1*'*'.  Prozeßakten  des  Bischofs  Melchiades  von  Rom  und  Ge- 
nossen y.  J.  303. 

2.  Akten  der  Beschlagnahme  der  Kirche  von  Cirta,  Dioclet.  VIII 
und  Maximian.  VIT  =  ann,  303,  XIV.  Kai.  Jun. 

3.  Acta  mart  Saturnini  presb.,  Felicis,  Dativi^  Ampelii  eta  in 
donatistischer  Redaktion.  Nicht  alle  Zeugen  haben  die  Datierung 
Dioclet.  IX  und  Maximian.  Vin  ==  304. 

4**.  Andere  Märtyrerakten,  die  mit  jenen  im  J.  411  verlesen 
wurden. 

5.  Akten  des  Konzils  von  Cirta,  am  5.  März  305;  den  Gesta 
apud  Zenoph.  angehängt.  Zwei  Daten  liegen  bei  Augustin  vor, 
die  sich  widei-sprechen:  „Dioclet  VIII  und  Maximian.  VII*  (c.  Cres- 
con.  III,  30)  und  „post  cons.  Dioclet  IX  und  Maximian.  VUI"" 
(Brevic.  coUat  HI,  33);  aber  nicht  das  J.  303,  sondern  nur  305 
kann  hier  richtig  sein.  Das  Monatsdatum  ist  auch  nicht  einheitlich 
überliefert,  aber  feststeht  der  Anfang  März. 

6**.  Briefe  zwischen  Mensurius  von  Karthago  und  Secuudus 
von  Tigisis  vor  dem  J.  311  (Mensurius  f  311).  Der  wesentliche 
Inhalt  läßt  sich  noch  feststellen. 

7**.  Restitutionsakte,  in  der  dem  Bischof  Melchiades  (Miltia- 
des)  von  Rom  die  h.  Oii;e  auf  Befehl  des  Maxentius  zurückgegeben 
werden  (nicht  lange  vor  dem  Sturz  des  Maxentius). 


1)  Extrait  des  Mölangea  d'Archöol.  et  d'Hist.  publica  par  TEcole  Fran<;aise 
de  Rome  T.  X,  1890.  Separatabzug;  s.  vorher  schon  die  Abh.  Im  Bull,  critique 
T.  Vn  (1886)  p.  123.  Duchesne  setzt  sich  namentlich  mit  Volt  er  (Ursprung 
des  Donatismus,  1883)  und  Seeck  (Ztschr.  d.  Savigny-Stiftung  f.  Rechtsgesch. 
Bd.  10,  Rom.  Abt.  S.  144, 177—251,  s.  Ztschr.  f.  KGesch.  1889  Bd.  10  S.  505—508) 
auseinander.  Hauck,  Protest.  REnzykl.^  Bd.  2  S.  50  ist  dem  Ansätze  Seecks 
fiir  die  Synode  von  Arles  (=  J.  316)  beigetreten. 

2)  Doi*t  sind  auch  die  Nachweise  gegeben,  wo  die  einzelnen  Stücke  zu 
finden  sind,  die  ich  hier  nicht  wiederhole. 

3)  Wie  Duchesne  bezeichne  ich  die  verlorenen  Stücke  mit  zwei  Sternen, 
di**  nur  teilweise  erhaltenen  mit  einem. 


454  ^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

8.  Brief  des  K.  Konstantin  an  den  Prokonsnl  Analinus  in 
Karthago,  Winter  312/3  aus  Rom. 

9.  Brief  desselben  an  denselben,  Anfang  313  aas  Rom. 

10.  Brief  desselben  an  Gaecilian  von  Karthago  (Mitteilang  der 
an  den  Rationalis  von  Afrika,  Ursus,  gegebenen  Ordre),  Anfang  313 
aus  Ron). 

11**.  Brief  desselben  an  den  Rationalis  von  Afrika,  ürsns, 
Anfang  313  aus  Rom. 

12**.  Aktenstück  über  den  Verteilungsmodus  der  für  Gaecilian 
angewiesenen  Gelder,  Anfang  313  aus  Rom. 

13**  und  14**.  Briefe  des  K.  Konstantin  an  den  Prokonsul 
Anulinus  und  an  den  Vicarius  von  Afrika  Patricias  zur  Unter- 
stützung Gaecilians,  Anfang  313. 

15*.  Synodalschreiben  der  karthaginiensischen,  gegen  Gaecilian 
gehaltenen  Synode  von  c.  70  Bischöfen,  gehalten  Ende  312  (An- 
fang 313?). 

16.  Bericht  des  Anulinus  an  Konstantin  über  die  Wirren  in 
Karthago,  datiert  auf  den  15.  April  313. 

17**.  Libellus  ecclesiae  catholicae  criminum  Caeciliani  traditus 
a  parte  Maiorini,  war  dem  vorigen  Bericht  beigegeben. 

18.  Supplik  derselben  Leute,  ebenfalls  Nr.  16  beigegeben, 
datiert  XVU  Kalend.  Maj.  (313). 

19.  Brief  des  K.  Konstantin  an  den  Bischof  Melcbiades  (Mil- 
tiades)  von  Rom  und  an  Marcus,  in  dem  er  sie  zu  Richtern  in  der 
Donatistensache  einsetzt  und  ihnen  die  Aktenstücke  Nr.  17  und  18 
übersendet,  v.  J.  313. 

20**.  Brief  des  K.  Konstantin  an  den  Prokonsul  Anulinus, 
mit  dem  Auftrag,  die  Häupter  der  streitenden  Parteien  nach  Rom 
zu  senden,  v.  J.  313. 

21**.  Bericht  des  Anulinus  über  die  Ausführung  des  Auftrags, 
V.  J.  313. 

22*.  Akten  des  römischen  Konzils  der  19  Bischöfe  in  der 
Donatistensache,  vom  2.  Oktober  313  (Optatus  I,  23:  Constantin.  IV 
und  Licin.  III,  sexto  Nonas  Oct.  die,  sexta  feria). 

23**.    Bericht  dieses  Konzils  an  den  Kaiser  (Oktober  313). 

24**.  Bericht  des  Vikarius  von  Afrika  Aelafius*  an  Nicasius 
and  andere  (313/4). 

25.    Brief  des  K.  Konstantin  an  Chrestus,  Bischof  von  SyraknsL 


1)  Daß  Aelafius  identisch  ist  mit  Aelius  Paulinus,  hat  Duchesne  [ht 
dosßier  p.  Ol  f.)  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Die  Reihe  der  Vicarii  Afirica« 
lautet  also:  Patricius  (Anfang  313),  Aelius  Paulinus  =  Aelafius  (813/14),  Vena 
(nachweisbar  Febr.  315),  Domitius  Celsus,  Eumelius,  Verinus. 


Chronologie  firüher  donaiisiischer  und  aniddonatbidscher  Aktenstücke  nsw.    455 

um  ihn  zam  Konzil  nach  Arles  einzuladen,  das  am  1.  Angast  zu- 
sammentreten solle  (Sommer  314).  Daß  das  Konzil  wirklich  im 
J.  314  und  nicht,  wie  Seeck  zu  zeigen  versuchte,  im  J.  316  ge- 
halten worden  ist,  hat  Duchesne  (Le  dossier  p.  56 ff.)  zum  Über- 
fluß nachgewiesen;  denn  Seecks  Argumente,  die  er  der  allgemeinen 
und  wohlbegründeten  ^  Annahme  entgegengesetzt  hat,  waren  sehr 
schwach.  Zwischen  Okt  313  (Römisches  Konzil)  und  Nov.  316 
(Mailänder  Entscheidung  Konstantins)  muß  die  Synode  abgehalten 
worden  sein.  Da  sie  sicher  für  den  1.  August  einberufen  worden 
ist  —  denn  dieses  Datum  bietet  das  Aktenstück  Nr.  26  — ,  so  stehen 
die  JJ.  314,  315  und  316  offen.  Nach  der  Synode  von  Arles  und 
vor  der  Mailänder  Entscheidung  ist  Konstantin  aber  (nach  Augustin, 
ep.  43,  20)  in  Eom  gewesen.  In  Bom  war  Konstantin  innerhalb 
jeuer  3  Jahre  nur  vom  18.  Juli  bis  27.  Sept  315.  Da  die  Synode 
und  die  konträren  Maßnahmen,  die  ihr  folgten,  mindestens  eine 
Reihe  von  Monaten  in  Anspruch  nahmen,  so  ist  das  J.  315  ebenso 
wie  das  Jahr  316  —  Seeck  schiebt  freilich  einen  sonst  unbekannten 
Aufenthalt  Konstantins  in  Rom  willkürlich  ein  —  ausgeschlossen, 
und  es  bleibt  nur  314  übrig.  Konstantin  war  nicht,  oder  höchst 
wahrscheinlich  nicht,  auf  der  Synode  anwesend  2. 

26.  Brief  des  K.  Konstantin  an  Aelafius  wegen  des  in  Arles  zu 
haltenden  Konzils  (er  solle  die  afrikanischen  Bischöfe  nach  Arles, 
und  zwar  zum  1.  August,  senden),  Sommer  314. 

27.  Schreiben  des  Konzils  von  Arles  an  den  Bischof  von  Rom, 
Silvester,  Herbst  314. 

28.  Schreiben  Konstantins  an  die  noch  versammelten  Väter 
von  Arles,  Herbst  (oder  später)  314. 

29.  Schreiben  der  Praefecti  Praetorio  an  den  Vikarius  von 
Afrika,  Domitius  Celsus,  die  Rücksendung  der  donatistischen  Bischöfe 
nach  AMka  betreffend.  In  der  Handschrift  steht  am  Schluß  nach 
der  Grußformel:  „Hilarus  princeps  obtulit  IV  Kai.  Maias  triberos". 
Dazu  bemerkt  Duchesne  (Le  dossier  p.  50):  „Cette  date  n'estpas 
Celle  de  la  pi6ce,  mais  celle  d'une  Präsentation  de  la  piece  ä  quelq'un. 
La  formule  n'est  pas  assez  claire  pour  que  Ton  voie  sile  princeps 
(officii)  a  Instrumente  k  Treves  ou  en  Afrique".  Was  die  Zeit 
betiifft,  so  hat  Konstantin  die  donatistischen  Bischöfe  mehrere  Monate 
in  Arles  zurückgehalten  (augenscheinlich  fürchtete  er  von  ihrer 
Rückkehr  nach  Afrika  neue  Wirreu).    Domitius  Celsus  ist  erst 


1)  Die  aus  dem  Archiv  von  Arles  selbst  stammenden  Handschriften  haben 
die  Aufschrift  „Volusiano  et  Anniano  coss."  =  ann.  314. 

2)  Die  Annahme  des  Gegenteils  (Seeck)  verwickelt  in  sehr  große  Schwierig- 
keiten. Warum  haben  die  Donatist^n  nach  der  Synode  an  ihn  appelliert,  wenn 
er  zugegen  gewesen  war? 


456  ^^^  Litteratur  des  Abendlandes. 

nach  dem  Febr.  315  Vikar  von  Afrika  geworden;  denn  damals  war 
noch  Verus  Vikar,  unser  Schreiben  fällt  also  in  den  Frfihlin; 
oder  Sommer  315.  Ist  nicht  doch  das  Datum  „IV  Kai.  Haias' 
zutreffend? 

30**.  Schreiben  Konstantins  an  Caecilian  von  Karthago,  ihn 
nach  Rom  einladend. 

31.  Schreiben  Konstantins  an  die  zu  Arles  versammelt  ge- 
wesenen (donatistischen)  Bischöfe.  In  diesem  Brief  ist  das  vorig« 
Schreiben  ei-wähnt  Die  Gegenparteien  sollen  persönlich  vor  ihm 
erscheinen,  und  er  wird  entscheiden.  Beide  Briefe  sind  aus  dem 
J.  315  und  zwar  aus  dem  Sommer,  da  Konstantin  vom  IS.  Joli  bis 
27.  Sept.  in  Rom  weilte. 

32**.  Bericht  des  Vikarius  von  Afrika,  Domitins  Celsos,  an  den 
Kaiser  über  die  fortschreitende  donatistische  Agitation  in  Afrika. 
V.  J.  315  (316?). 

33.  Schreiben  Konstantins  an  Celsus  über  die  weiteren  Hal>- 
nahmen  in  dieser  Sache,  Herbst  oder  Winter  315. 

34*.  Schreiben  desselben  an  den  Vikarius  von  Afrika,  Eumelins» 
datiert:  „IV  Idus  Nov.  Sabino  et  Ruflno  coss.**  —  10.  Nov.  316.  Der 
Kaiser  teilt  von  Mailand  aus  seine  dort  getroffene  Entscheidung 
gegen  die  Donatisten  mit 

35**.  Akten  der  von  den  Bischöfen  Eunomins  und  Olympius 
auf  Befehl  des  Kaisers  in  Afrika  während  der  Abwesenheit  der 
Bischöfe  Caecilian  und  Donatus  ^  abgehaltenen  Untersuchung,  Ende 
316  oder  Anfang  317  (s.  Duchesne,  Le  doissier  p.  62  ff.). 

36**.  Gesetz  Konstantins,  den  Donatisten  die  Kultstatten  weg- 
zunehmen, v.  J.  317  (?). 

37.  Sermo  de  passione  SS.  Donati  et  Advocati,  Rede  eines 
Donatisten  am  Jahrestag  dieser  Opfer  des  Konstantinischen  Ge- 
setzes Nr.  36. 

38.  Anklageschrift  des  Diakons  Nundinarius  von  Cirta  gegen 
den  Bischof  Silvanus  von  Cirta,  v.  J.  320.  Erhalten  wie  die  Nr.  39—44 
in  Nr.  45. 

39—44.  Brief  des  Purpurius,  Bischofs  von  Limata,  an  SilvanuN 
Bischof  von  Ciila  —  Brief  desselben  an  den  Klerus  und  die  Bürger 
von  Cirta  —  Brief  des  Bischofs  Fortis  an  den  Bischof  Silvanus  — 
Brief  desselben  an  den  Klerus  und  die  Bürger  von  Cirta  —  Brief 
des  Bischofs  Sabinus  an  den  Bischof  Silvanus  —  Brief  desselben 
an  deu  Bischof  Fortis;  die  Schreiben  fallen  kurz  vor  das  J.  3*20 
oder  in  dies  Jahr. 

1)  Dieser  war  Ende  ;Jir>  dem  Majorinus  gefolgt. 


Chronologie  früher  donatisiischer  und  antidonaiistischer  Aktenstücke  usw.    457 

45.  Gesta  apad  Zenophilum  v.  8.  Dez.  320  (Constant  Maximo 
Augusto  et  Constantino  iun.  Caes.  Coss.,  Idib.  Decembr.). 

46**-  Bittschrift  der  verfolgten  Donatisten  an  Konstantin 
V.  J.  320/1. 

47**  Schreiben  Konstantins  an  den  Vikarins  von  Afrika,  Verinus, 
in  welchem  die  strengen  Maßregeln  gegen  die  Donatisten  zurück- 
genommen werden,  datiert  5.  Mai  321. 

48.  Schreiben  desselben  an  die  katholischen  Bischöfe  und  das 
afrikanische  Volk,  sie  sollten  die  Donatisten  ertragen;  nicht  näher 
zu  datieren. 

49.  Schreiben  desselben  an  die  nnmidischen  katholischen  Bischöfe, 
datiert  v.  5.  Febr.  330  aus  Sardika. 

50.  Schreiben  desselben  an  Valentiu,  Consularis  von  NumidieD, 
datiert  5.  Febr.  330  aas  Sardika. 

Alle  diese  Aktenstücke  gehören  zur  „Pnrgatio  Caeciliani''  und 
waren  größtenteils  schon  zur  Zeit  des  Optatus  und  Augustin  in 
einer  Sammlung  vereinigt  Die  Hauptstücke  dieser  Sammlung 
waren :  (A)  Gesta  apud  Zenophilum  (320)  mit  den  zugehörigen  Akten- 
stücken, (B)  die  Akten  des  Konzils  von  Cirta  (305),  (C)  die  Akten 
des  Konzils  von  Karthago  (312),  (D)  Bericht  des  Prokonsuls  Anulinus 
mit  dem  Anhang  (E)  der  Supplik  der  Donatisten  (313),  (F)  Schreiben 
Konstantins  an  den  Papst  Miltiades  (313),  (G)  Anzeige  des  Pro- 
lionsuls  Anulinus,  daß  die  Parteien  nach  Rom  reisen  (313),  (H)  die 
Akten  des  Konzils  von  Rom  (313),  (I)  Schreiben  Konstantins  an 
den  Vikar  von  Afrika,  Eumelius  (316),  (K)  die  von  den  Bischöfen 
Eunomius  und  Olympius  in  Karthago  veranstaltete  Enquete  (316/17). 
Die  Akten  von  Arles  waren  nicht  in  dieser  Sammlung,  auch  nicht 
die  bei  Eusebius  stehenden  Briefe  und  die  im  Theodos.  Kodex  ent- 
haltenen. Die  folgenden  Aktenstücke  bilden  die  „Purgatio  Felicis 
Aptungani*". 

51*.  Schreiben  des  Ex-duumvir  Alfius  Caecilianus  von  Aptunga 
au  den  Bischof  Felix  von  Aptunga,  v.  J.  314. 

52**.  Schreiben  Konstantins  an  Aelius  Paulinus,  Mkar  von  Afrika, 
ihn  zur  Untersuchung  in  bezug  auf  Felix  von  Aptunga  auffordernd, 
V.  J.  314  (bei  Optatus  steht  wahrscheinlich  irrtümlich  „ad  Aelianuni 
proconsulem"). 

53**.  Schreiben  des  Vikars,  Aelius  Paulinus,  an  die  Duunivirn 
von  Aptunga,  v.  J.  314. 

54*.  Bericht  über  das  Verhör  des  Ex-Duunivir  Alfius  Caecilianus 
vor  dem  Gerichtshof  von  Aptunga,  v.  J.  314. 

55*.  Bericht  über  das  Verhör  in  Karthago  vor  dem  Duunnir 
Aurelius  Didymus  Speretius,  datiert  auf  den  19.  August  314  (Volu- 
siano  et  Anniano  coss.,  XIV  Kai.  Sept.). 


458  ^^0  Litteratar  des  Abendlandes. 

56*.  Gesta  purgationis  Felicis  episcopi  Aptangitani,  datieil  auf 
den  15.  Febr.  315  ^ 

57*"^.  Bericht  des  Prokonsuls  Aelian  an  den  Kaiser  Konstantin 
in  dieser  Sache,  315. 

58.  Schreiben  Konstantins  an  den  Prokonsul  Probianns,  dta 
Ankläger  des  Felix  betreffend,  v.  J.  315,  wahrscheinlich  im  Hoch- 
somiuer,  von  Eom  aus  (Seeck  S,  518). 

13)  Der  Briefwechsel  zwischen  Seneea  und  Paulos-. 

Die  Behauptung,  daß  dieser  Briefwechsel  nicht  identisch  sei 
mit  den  Briefen,  die  dem  Hieronymus  vorlagen,  entbehrt  der  Be- 
gründung und  wird  durch  die  Beobachtung  unwahrscheinlich  ge- 
macht, daß  Hieron.  (de  vir.  inl.  12)  eine  Stelle  des  uns  vorliegenden 
Briefwechsels  (ep.  11),  wenn  auch  nicht  ganz  wörtlich,  zitiert   Die 
Einheitlichkeit  der  Sammlung  konnte  auch  nicht  eindrucksvoll  be- 
stritten werden^;  denn  das  Gemeinsame  ist  bedeutender  als  die 
Verschiedenheit  der  einzelnen  Stücke,  wenn  sich  auch  ep.  10—14 
(bez.  10—12)  zu  ihrem  Vorteile  von  den  vorhergehenden  unter- 
scheiden.   Will  man  dem  Verf.  die  Unwissenheit  nicht  zutraaeo, 
Paulus  habe  seine  Briefe  lateinisch  abgefaßt,  so  muß  man  ein 
griechisches  Original  annehmen.    Allein  daß  Seneea    den  grie- 
chischen Stil  des  Paulus  verbessert  sehen  und  ihm  dabei  behilt- 
lieh  sein  wollte  (ep.  13),  ist  nicht  wahrscheinlich.    Der  Ver£  hätte 
sich  dann  nach  einer  anderen  Figur  als  grammatischen  Lehrmeister 
des  Paulus  umgesehen  und  hätte  nicht  gerade  einen  Briefwechsel 
zwischen  Seneea  und  Paulus  erdichtet.    Also  stand  der  Fälscher 
dieser  Briefe  auf  einer  sehr  niedrigen  litterarischen  Bildungsstufe 
trotz  seiner  ^'erehrung  für  Seneea  (aber  wieviel  mag  er  von  ihm 
wirklich  gekannt  haben?)  —  ein  Abendländer  mit  ausschließlich 
lateinischem  Horizont,  der  darüber  nie  nachgedacht  hat,  daß  sein 
Christentum  und  seine   lateinische  Bibel  griechischen   Urspruiiii^ 
sind.    Über  den  Zweck  der  Fälschung  ist  ein  Zweifel  nicht  möglicii 
nicht  die  Werke  Senecas  sollten  den  Christen  empfohlen  werden  — 
diesen  Erfolg  hat  der  gefälschte  Briefwechsel  erst  in  der  Cbtr- 
lieferung  gehabt  — ,  sondern  die  Paulusbriefe  sollten  der  besserer. 


1)  Aiigustins  Angabe  (31 1)  beruht  auf  einer  leichten  Verwechslunir  x-;  ': 
S.  51  Off.). 

2)  8.  den  ersten  Teil  dieses  Werks  ( 1*^03}  S.  703 ff.   Bardenhewer,  <-:«:- 
d.  altkirchl.  Litt.  I  (1902)  S.  4G7Ö*. 

3)  Westerburg  (Der  Urspmng  der  Sage,  daß  Seneea  Christ  gewe?<:'i  ^• 
18S1)  hat  sie  zu  zerstören  versucht. 


Der  Briefwechsel  zwischen  Seneca  und  Paulus.  459 

römischen  Gesellschaft  empfohlen  werden,  die  sich  nicht  entschließen 
konnte,  diesen  schlecht  stilisierten  Schriftstücken  (im  Vulgärlatein) 
eine  ernste  Aufmerksamkeit  zu  widmen.  Zu  diesem  Zweck  ist 
Seneca  als  Vorbild  vom  Fälscher  herbeizitiert  worden.  Wenn  der 
große  Philosoph  —  Verwandtschaft  seiner  Lehren  mit  der  christ- 
lichen hat  schon  Tertnllian  entdeckt,  de  anima  20  —  die  Briefe  des 
Apostels  inhaltlich  so  ausgezeichnet  gefunden  hat,  obgleich  ihm 
die  dürftige  Form  nicht  entgangen  ist,  so  werden  sich  die  „Ge- 
bildeten^ doch  wohl  bequemen  müssen,  seinem  Beispiel  zu  folgen. 
Die.  Abfassungszeit  der  Fälschung  ist  hierdurch  einigermaßen 
festgelegt.  Die  Fälschung,  deren  Existenz  um  das  J.  390,  aber 
auch  nicht  früher,  nachweisbar  ist,  ist  zu  einer  Zeit  entstanden, 
in  der  als  wesentlicher  Anstoß  am  Christentum  die  schlechte 
litterarische  Form  seiner  Urkunden  hervorgetreten  war  und  in  der 
es  lateinische  Christen  gab,  die  von  einer  griechischen  Epoche 
nichts  mehr  wußten  ^  Zu  jenem  vgl.  Lactantius  und  die  pseudo- 
justinische  Cohortatio,  aber  auch  die  Väter  des  4.  und  anfangenden 
5.  Jahrhunderts.  Die  Illusion,  Paulus  habe  lateinisch  geschrieben, 
ist  einem  Christen  des  3.  Jahrhunderts  doch  wohl  nicht  zuzutrauen. 
Der  Briefwechsel  gehört  dem  4.  Jahrhundert  an,  und  nur  eine  un- 
beweisbare Möglichkeit  besteht,  daß  er  innerhalb  dieser  Zeit  vor- 
konstantinisch  ist 

1)  Was  man  gegen  die  Abfassung  unserer  Briefe  im  4.  Jahrb.  auf  Gniiul 
der  Existenz  einer  pseudosenecaniscben  Scbrift  (,,De  copia  yerborum"),  die  dem 
Martin  von  Bracara  (f  580)  gebührt,  eingewendet  hat,  erweist  sich  als  haltlos, 
ja  kehrt  sich  in  das  Gegenteil.  Man  hat  die  Schrift  des  Martin  „Formula  vitae 
honestae"  auf  Grund  unserer  bereits  zirkulierenden  Briefe,  näher  der  op.  9,  zu 
einer  Schrift  Senecas  „De  copia  verborum"  umgesterapelt. 


ANHANG 

ZUM  DRITTEN  UND  VIEBTEN  BUCH. 

I.  MARTYRIEN. 

II.  KIRCHENRECHTLICHE  LITTERATUR. 
III.  PSEÜDOKLEMENTINEN. 


L  Martyrien. 

Weder  beabsichtige  ich  im  folgenden  eine  Zusammenstellung 
der  beglaubigten  Märtyrer  aus  der  Zeit  von  Septimius  Severns  bis 
Licinius  zu  geben  ^  —  die  Aufgabe  gehört  nicht  in  eine  Litteratur- 
geschichte  — ,  noch  will  ich  von  sämtlichen  Märtyrerakten  jener 
Zeit  handeln,  soweit  sie  (ob  erhalten  oder  verloren)  nachweisbar 
sind.  Die  letztere  Aufgabe,  die  sofort  wieder  in  die  Überlieferungs- 
geschichte führt,  ist  in  bezug  auf  die  griechischen  Akten  von 
Ehrhard  für  die  Berliner  akademische  Ausgabe  der  Griech.  Kirchen- 
väter der  ersten  Jahrhunderte  in  Angriff  genommen  worden  2,  und 
sie  bildet  seit  Dezennien  den  Hauptgegenstand  der  Untersuchungen 
der  Bollandisten^  Ich  muß  mich  bei  dem  gegenwärtigen  Stande 
der  Forschung^  darauf  beschränken,  diejenigen  echten  oder  besonders 


1)  Für  die  Zeit  von  Commodas  bis  Philippus  Arabs  (inkl.)  hat  Neu  mann. 
Der  E6m,  Staat  und  die  allg.  Kirche,  Bd.  1  (1890)  S.  274—331  eine  Zusammen- 
Btellung  gegeben. 

2)  Vgl.  desselben  bereits  erschienene  Arbeiten  in  Krumbachers  Gesch. 
der  byz.  Litt. 2,  1897,  S.  176—205,  in  der  Festschrift  f.  d.  Campo  Santo  i.  Rom, 
1897,  S.  46 ff.,  i.  d.  Rom.  Quartalschr.  Bd.  11,  1897,  S.  67—215.  Gegen  Ehr- 
hard erhob  Ausstellungen  Delehaye,  Anal.  Boll.  Bd.  16,  1897,  S.  311  ff., 
Bd.  17,  1898,  S.  448 ff.  Duplik  Ehrhards  i.  d.  Rom.  Quartalschr.  Bd.  11,  1897, 
S.  531  ff. 

3)  Sie  —  an  ihrer  Spitze  Delehaye  —  haben  in  den  letzten  Jahren  außer 
den„ActaBollandiana'',der  führenden  Zeitschrift  für  martyrologische  Forschungen, 
besonders  dankenswerte  umfangreiche  Vorarbeiten  herausgegeben,  nämlich 
erstlich  Katalogä  der  hagiographischen  lateinischen  Handschriften  von  Brüssel 
(1886/9),  Paris  (1889—1893)  und  einer  Reihe  kleinerer  belgischer,  französischer 
u.  a,  Bibliotheken  (in  den  Anal.  Bolland.  1882 — 1895),  femer  der  hagiographischen 
griechischen  Texte  von  Paris  (1896),  der  Chigiana  (Anal.  1897),  der  Vaticana 
(1.  c.  1897),  der  Barberina  (1.  c.  1900),  zweitens  ein  Verzeichnis  der  bisher  ge- 
druckten hagiographischen  Texte  mit  bibliographischen  Noten  (Biblioth.  hagiogr. 
Graeca,  1895;  Biblioth.  hagiogr.  latina,  1898 ff).  Unentbehrlich  ist  noch  immer 
die  große  Zusammenstellung  der  Vitae  Sanctorum  von  Potthast,  Biblioth. 
bist.  med.  aevi,  Bd.  2^,  1896. 

4)  Sie  wird  auch  neben  den  Bollandisten  von  anderen  in  der  jüngsten 
Zeit  lebhaft  betrieben.    Vor  allem  sind  Duchesne,   Conybeare,   Batiffol, 


464  ^^6  Litteratur  des  Abendlandes. 

wertvollen  Märtyrerakten  zu  nennen  und  zu  datieren,   die  nach 
Umfang  und  Bedeutung  ein  Anrecht  auf  eine  Stelle  in  der  Litteratur- 
geschichte  haben.   Unter  echten  Märtyrerakten  sind  zu  verstehen 
( 1 )  solche,  welche  auf  den  Gerichtsprotokollen  fußen  oder  geradezu 
Abschriften  derselben  enthalten,  (2)  solche,  welche  Aufzeichnungen 
oder  Diktate  der  Märtyrer  selbst  einschließen,  (3)  solche,  welche 
Aufzeichnungen  sind  oder  bringen,  die  von  Augen-  und  Ohrenzeugen 
oder  von  Zeitgenossen  unmittelbar  (oder  doch  nicht  lange)  nach 
den  Martyrien  gemacht  worden  sind  bez.  auf  solche  zurückgehen. 
„Unechte"   Akten    sind    aber  nicht  immer  geschichtlich   wertlos; 
denn  (1)  können  die  Tatsache  des  Martyriums  selbst  sowie  der 
Todestag,  der  Ort  und  die  Art  des  Todes  echt  sein  und  sind  es 
nicht  selten,  (2)  können  auch  die  schlechtesten  Akten  einige  zu- 
verlässige Erinnerungen   bez.  haltbare   Lokaltraditionen    bergen» 
(3)  können  sie  zur  besseren  Ermittelung  und  Erkenntnis  der  echten 
Akten  dienen  ^  (4)  enthalten  gerade  die  (als  Quellen  betrachtet) 
wertlosesten  Akten  nachweisbar  und  oftmals  Umformungen  antiker 
Mythen  bez.  folkloristischer  Überlieferungen,   Heroengeschichten, 
Volks-  und  Lokalkulte,  und  sind  deshalb  in  religionsgeschichtlicher 
Hinsicht  sowie  für  die  Geschichte  des  Romans  von  hohem  Werte  -. 
Die  Frage   „echt  oder  unecht*   ist  aber  in  vielen  Fällen  deshalb 
keine  einfache,  weil  die  Akten,  zur  öffentlichen  oder  privaten  Er- 
bauung bestimmt,  im  Laufe  der  Zeiten  sehr  häufig  ein  oder  mehrere 
Male    umgeformt  worden  sind,    um  diesem  Zwecke  besser  zu 
dienen^.    Daß  sie  auch  bei  den  Übersetzungen  —  ein  großer  Teil 

Franchi  de'  Cavalieri,  Führer  (y),  von  (rebhardt,  Ciörres,  Le  Blant. 
Kruscli,  Papadopulos  Kerameus,  Savio,  de  Rossi  (f),  üsener  und 
Viteau  zu  nennen. 

1)  An  den  Wert,  den  auch  die  ganz  unzuverlässigen  Akten  für  die  Zeit 
haben  können  und  haben,  in  der  sie  geschrieben  sind,  brauche  ich  nur  zu 
erinnern. 

2)  S.  vor  allem  die  bahnbrechenden  Arbeiten  von  U  s  e  n  e  r  1879 — 1903.  Freilich 
bedarf  es  auf  diesem  Gebiete  einer  besonderen  Nüchternheit  und  Zurückhaltung, 
damit  nicht  alles  zu  allem  wird  und  wir  schließlich  so  klug  sind  wie  zuvor.  S. 
Delehaye,  Les  Legendes  hagiographiques  (in  den  Acta  Boll.  und  separat)  1903. 

o)  Man  vgl.  als  das  nächstliegende  Beispiel  die  älteste  lateinische  Märtyrer- 
akte, die  von  Scili.  —  Delehaye  hat  in  seiner  eben  genannten  vorzüglichen 
Studie,  nach  Abweisung  unzutreffender  Einteilungsprinzipien  p.  59 ff.,  ein** 
Klassifikation  der  hagiographischen  Texte  vorgeschlagen  (S.  02 ff.).  Er  unter- 
scheidet G  Klassen:  (1)  Proces  verbaux  officiels  (natürlich  sind  ihnen  stets 
längere  oder  kürzere  Zugaben  des  Redaktoi-s  beigegeben),  (2)  Relations  de 
t^moins  oculaires  ou  de  contemporains  bien  inform^s,  ayant  recu- 
eilli  autour  d'eux  les  Souvenirs  d'autres  temoins  oculaires  („Dans  ces  röcits,  qui 
ont  un  caractere  litt^raire,  une  place  consid^rable  est  laiss^e  k  l'^Ument  8uh- 
jectif,  totalement  absent  dans  les  actes  purement  officiels";  man  kann  hier  noch 


I.  Martyrien.  465 

der  Märtyrerakten  ist  schon  im  4.  und  5.  Jahrhundert  kirchliches 
Gemeingnt  geworden,  da  die  Verehrung  der  Märtyrer  aus  der 
Heimatgemeinde  in  die  ganze  Kirche  überging  —  Umformungen 
nach  dem  Geschmack  der  Völker,  zu  denen  sie  kamen,  erlitten 
haben,  war  unvermeidlich^. 

Eine  höchst  dankenswerte  kritische  Übersicht  über  die  For- 
schungen auf  diesem  Gebiete  in  den  JJ.  1884—1900  hat  Ehrhard, 
Die  altchristl.  Litteratur  und  ihre  Erforschung  (1900)  I  S.  539—592 
geliefert^.    Eine  eigene  Zeitschrift  für  diese  Studien  geben  die 


drei  Unterklassen  unterscheiden:  (a)  Les  docnments  ou  le  t^oin  direct  parle 
Beul  en  son  nom.  (b)  Geux  oü  il  se  contente  d'enregistrer  le  t^moignage  d'autrui. 
(c)  Ceux  enfin  oü  Tobsenration  directe  est  combin^  avec  le  t^moignage,  comme 
dans  plusieurs  chapitres  des  Martyrs  de  Palestine  d'Eus^be  et  dans  la  vie  de 
Cyprien  par  le  diacre  Pontius.  Mais  tous  ces  genres  d'actes  out  cela  de  commun 
qu'ils  sont  d^riv^  directement,  sans  Pintermödiaire  d'une  source  ^crite,  d'un 
t^moignage  vivant  et  contemporain),  (3)  Actes  dont  la  source  principale 
est  un  document  ^crit,  appartenant  ä  l'une  des  deux  s^ries  pr^ce- 
dentes  (Elle  comprend  les  remaniements  k  tous  les  degr^s,  depuis  les  simples 
retouches  de  style,  respectant  la  disposition  du  morceau  et  le  detail  des  d^ve- 
loppements,  jusqu'aux  arrangements  libres  oü  le  nouveau  redacteur  taille  dans 
son  modele,  le  bouleverse,  le  d^veloppe,  Tinterpole  mßme),  s.  z.  B.  die  Arbeit 
des  Metaphrasten,  (4)  Romans  historiques  (Les  actes  dont  le  fond  n'est 
point  une  source  dcrite,  mais  qui  r^sultent  de  la  combinaison  fantaisiste  de 
quelques  Clements  r^els  dans  un  cadre  de  pure  imagination) ;  hierher  gehört 
toute  la  s^rie  des  cycles  du  L^gendaire  Romain  (s.  dazu  desselben  Ab- 
handlung in  den  Acta  Boll.  Tom.  16,  1897,  p.  209 ff.;  über  das  flavische  Amphi- 
theater und  die  römischen  Märtyrer);  Töl^ment  historique  est  presque  torgours 
reduit  ä  une  quantit6  infinitesimale;  le  nom  du  saint,  l'existence  de  son  sanc- 
tuaire,  la  date  de  sa  föte,  sont  d'ordiiSaire  ce  que  Ton  peut  retirer  avec  certitude 
de  ces  compositions  oü  la  fantaisie  s'est  donn^  libre  carri^re ;  durch  die  schein- 
bar oder  wirklich  genauen  topographischen  Angaben  darf  man  sich  nicht  ver- 
führen lassen,  die  Glaubwürdigkeit  der  Berichte  anzunehmen,  (5)  Romans 
d'imagination  (oü  le  h^ros  lui-mtae  est  une  cr^ation  du  poäte),  cf.  der  h. 
Nicephorus  und  die  hh.  Barlaam  und  Joasaph,  (6)  Legendes  hagiogra- 
phiques  faux  (compos^es  avec  Tintention  de  tromper  le  lecteur).  Ich  würde  zu 
diesen  Klassen  noch  eine  siebente  hinzufügen,  die  freilich  auch  durch  die 
4. — 6.  hindurchläufl:  die  schematisch,  lediglich  nach  der  Vorlage  be- 
rühmter Martyrien  angefertigten  Akten. 

1)  Bedjan  hat  eine  große  Sammlung  syrischer  Akten  —  leider  ganz  un- 
kritisch —  zusammengehäuft  (Acta  mart.  et  sanct.  Bd.  1 — 7, 1890  ff).  Eine  über- 
sieht über  syr.  MÄrtyrerakten  bei  Duval,  La  litt4rature  syriaque,  1899  p.  121  ff. 
Hyvernat  hat  mit  der  Herausgabe  koptischer  Akten  begonnen  (Les  actes  des 
mart.  de  PEgypte,  1886 f.),  vgl.  dazu  Am^lineau,  Les  actes  des  martyrs  de 
r^glise  copte,  1890.  Auch  die  Slawisten  haben  in  jüngster  Zeit  Beiträge  zur 
Hagiographie  geliefert.  Armenisch  erhaltene  Akten  publizierte  Conybeare,  1894. 

2)  Sie  ist  in  Hinsicht  auf  Sicherheit  des  Überblicks  der  Glanzpunkt  des 
ausgezeichneten  Werks.  Vgl.  auch  Bardenhewer,  Gesch.  d.  altkirchl.  Litt. 
Bd.  2.  (1903)  S.  611  ff. 

Harnack,  Altchristl.  Litteratargesch.  11,  2.  30 


466  ^*  Martyrien. 

BoUandisten  heraus,  ActaBollandiana,  die  so  zu  sagen  die  Zentral- 
stelle geworden  ist  Jeder,  der  diese  Blätter  liest,  wird  frappiert 
sein,  welchen  Umfang  die  hagiographische  Arbeit  zur  Zeit  ge- 
wonnen hat^  Sie  ist  ein  eigener  Zweig  der  kirchenhistorischen 
Foi'schung  geworden.  Wer  die  Publikationen  v.  Gebhardts  über 
die  lateinische  Passio  Theclae  (Texte  u.  Unters.  Bd.  22,  H.  2,  1902 1 
durcharbeitet,  wird  erkennen,  daß  es  kaum  ein  schwierigeres  und 
dornenvolleres  Gebiet  der  Text-  und  Geschichtskritik  gibt,  als 
dieses  Feld.  Wer  aber  beginnt,  sich  in  die  Akten  selbst  einzu- 
arbeiten, den  werden  sie  nicht  leicht  loslassen;  denn  den  mannig- 
fachsten Interessen,  denen  des  Textkritikers,  Philologen,  Historikers, 
Sagenforschers  und  Theologen,  kommen  sie  mit  vollen  Händen  ent- 
gegen. Der  interkonfessionelle  Wettstreit  auf  diesem  Grebiete  ist 
längst  eröffnet;  denn  mit  Ehrhard  (a.  a.  0.  S.  564)  haben  nicht 
wenige  katholische  Forscher  jetzt  erkannt,  „daß  die  Frage  nach 
der  Echtheit  irgendeines  hagiographischen  Textes  keine  dogmatische 
Bedeutung  besitzt". 

Von  den  Märtyrerakten  des  Polykarp,  des  Justin,  des  Carpus 
und  Genossen,  der  Lyoneser  Christen,  der  Scilitaner^  und  des 
ApoUonius  ist  im  1.  Band  dieses  Werks  gehandelt  worden.  Die 
Akten  der  Perpetua  undFelicitas  sind  oben  S.  321  ff.  besonders  be- 
sprochen, da  sie  eine  kirchenhistorische  Quelle  ersten  Eanges  sindl 
Nach  ihnen  besitzen  wir  aus  der  Zeit  bis  zum  Regierungsantritt 
des  Decius  keine  echte  oder  wesentlich  echte  Märtyrerakte.  Aus 
der  Zeit  des  Decius  aber  haben  wir  eine  hervorragend  wichtige, 
nämlich  die  des  Pionius,  und  zwei  beachtenswerte*. 


1)  Auch  der  allgemeinen  Kenntnis  werden  die  wichtigsten  Akten  jetzt 
wieder  näher  gebracht,  s.  v.  Gebhardt,  Acta  Martyrum  Selecta,  1902,  und 
Knopf,  Ausgewählte  Märtyrerakten,  1901.  Da  die  BoUandisten  in  ihren  „Ana- 
lecta"  nicht  nur  neue  Texte  bringen,  sondern  der  Forschung  in  aUen  Ländern 
in  kritischen  Referaten  aufs  sorgfältigste  folgen,  ist  es  jedem  Historiker  leicht 
möglich,  auf  diesem  ungeheuren  Gebiet  sich  zu  orientieren. 

2)  S.  zu  diesen  die  jüngst  erschienene  Abhandlung  von  Franchi  de' 
Ca V alier i  (Rom.  Quartal schrift,  1903,  17.  Bd.  H.  3  S.  209 £).  Auch  er  sagt: 
„Era  forse  il  primo  sangue  cristiano  che  scorreva  nell'Africa  proconsolare". 
Der  Verf.  handelt  von  einigen  im  J.  1901  in  der  Kirche  des  Johannes  und  Paul 
zu  Rom  entdeckten  Gebeinen  und  versucht  in  ihnen  mit  Hilfe  litterarischer 
Überlieferung  die  Reliquien  der  scilitanischen  Märtyrer  zu  erkennen. 

3)  über  die  in  dem  Konvolut  der  donatistischen  Aktenstücke  stehenden 
Martyrien  s.  oben  S.  453  ff j 

4)  Zur  decianisehen  Verfolgung  s.  außer  den  bekannten  Werken  von  Aub^ 
und  Allard  die  Monographie  von  Gregg,  The  Decian  persecution,  Edinbnrg 
und  London,  1897.  Kritische  Untersuchungen  über  die  Märtyrerakten  finden 
sich  in  jedem  dieser  Werke ;  aber  eine  abschließende  Arbeit  (s.  Theol.  Liti-Ztg. 
1898  Nr.  14)  steht  noch  aus.    Wir  dürfen  sie  von  Neumann  erwarten« 


I.  Martyrien.  467 

Den  griechischen  Text  des  Pionius  (von  Smyrna)  hat  uns 
Gebhardt  geschenkt*.  Die  alte  schwerfällige  lateinische  Über- 
setzung (die  Mss.  weichen  stark  voneinander  ab)  ^  behauptet  neben 
diesem  einen  gewissen  Wert^  Daß  wii*  die  Akten  des  Pionius 
besitzen,  die  Eusebius  gelesen  (h.  e.  IV,  15)  und  in  seine  Samm- 
lung der  alten  Märtyrerakten  aufgenommen  hat,  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln. Bei  der  Zeitbestimmung  hat  er  sich  durch  die  nahe 
Verbindung  der  Polykarpakten  mit  den  unsrigen  irreführen  lassen. 
Die  Verhaftung  des  Pionius  hat,  wie  die  Akten  selbst  sagen 
(c.  2),  am  23.  Febr.,  dem  Todestage  Polykarps,  stattgefunden,  und 
zwar  unter  Decius  i.  J.  250;  denn  c.  23  heißt  es:  ravra  ijtgax^ri 
kjti  äpdvjtarov  rf^q  *Aclag  *IovXlov  UqoxjLov  KvPTiXZiapov ,  vjtaraV' 
OPTCOP  avTOXQaroQog  jT.  MboIov  Kvpxov  TQaiapov  Aexlov  Ssßaoxov 
To  ÖBVXBQOP  xcii  OvBXxlov  FQaxov ,  jtQO  XEöCaQOP  elöcop  MaQxlcop 
xaxa  ^Pa>/ialovg,  xaxa  61  ^Aöiapovg  firipog  ixxov  kppsctxaidexarjj 
TjfieQa,  aaßßäx(p,  wQa  ösxax^,  cf.  c.  2:  Mi]p6g  txxov  ÖBvxiga 
iviörafiipov  caßßaxov  /leyaXov,  ip  x^  ysped-Xia  rJliiQa  xov  fiaxa- 
Qiov  fiaQxvQog  üoXvxclqjcov ,  opxog  xov  öioy/iov  xov  xaxa  Aixiop 
ovPBji7]g)d'i]öap  ÜLOPiog  jtgeoßvxsQog  xal  Saßlpa  ofioXoy^xQia  xal 
[dcxZrjJcidÖTjg  xal  Maxsöopia  xal  Al/ipog  JtQtoßvxsQog  x^g  xaB-oXix^g 
ixxjirjolag.  Diese  Zeitbestimmung  wii'd  durch  den  Inhalt  der  Akten 
nicht  widerlegt,  sondern  bestätigt*. 

C.  1  ist  ein  Vorsatzstück,  das  im  Griechen  gegenüber  dem 
Lateiner  eine  jüngere  Fassung  zeigt.  C.  2  —  21  sind  einheitlich. 
Das  Ganze  ist  unter  leichter  Benutzung  des  Mart  Polyc.  (hin  und 
her  mit  Anlehnung  an  die  Briefe  des  Paulus)  niedergeschrieben 
und  kann  schon  deshalb  den  Tatsachen  selbst  weder  auf  dem  Fuße 
gefolgt  sein  noch  sie  überall  mit  absoluter  Zuverlässigkeit  wieder- 
gegeben haben.    Die  langen  Reden  des  Pionius  sind,  wenn  über- 


1)  Archiv  f.  slaw.Philol.  Bd.  18, 1806,  S.  156 ff.,  Acta  Martyrum  Sei.  p.  96  ff. 
Unabhängig  von  diesen  Ausgaben  Gregg  p.  242 ff. 

2)  Das  Ms.,  welches  die  BoUandisten  abgedruckt  haben,  ist  viel  besser  als 
die,  welchen  Rainart  gefolgt  ist.    Diese  sind  kastriert. 

3)  Auch  eine  slawische  und  eine  armenische  Obersetzung  gibt  es ;  also  wird 
sich  wohl  auch  eine  syrische  finden. 

4)  Nicht  künstliche  Mache,  sondern  ein  Zeichen  der  Intimität  und  Zuver- 
lässigkeit der  Akte  scheint  mir  c.  9  zu  sein,  wo  es  von  der  heidnischen  Herrin 
der  Sabina,  Politta,  heißt:  avrij  inl  xaiQwv  FoQÖiavov  ßovXofxivrj  juiexayayelv 
XTJg  nlaxewg  t^v  Saßivav  nBÖtjaaaa  i^wQtaev  ovr^v  h  o^eoiv.  Echte  Lokal- 
farbe ist  in  vielen  Zügen  deutlich.  C.  11  wird  eine  Frau  aus  dem  Dorf  Karina 
und  ein  Montanist  Eutychianus  genannt.  C.  18  wird  vor  den  Verlockungen  zum 
Judentum  gewarnt.  C.  15  ff.  der  heuchlerische  Bischof  Euktemon,  der  geopfert 
bat  (alles  auf  ihn  Bezügliche  fehlt  in  den  Mss.  Ruinarts).  C.  21  der  marcio- 
nitische  Presbyter  Metrodorus  wird  mit  P.  zusammen  verbrannt. 


468  I-  Martyrien. 

haupt  eine  Wiedergabe  seiner  damals  gesprochenen  Worte,  so  doch 
keine  treue  ^  Dennoch  hat  man  den  Eindruck,  hier  in  allem 
Wesentlichen  —  was  die  Persönlichkeit  des  Pionins  und  seinen 
Prozeß  anlangt  —  auf  historischem  Boden  zu  stehen  und  von  einem 
Zeitgenossen  Kunde  zu  empfangen.  Derselbe  (der  sich  als  litterariscb 
fein  gebildeter  Mann  dartut)  gibt  sich  nicht  geflissentlich  als  solcher. 
Dies  scheint  mir  ein  gutes  Zeichen  zu  sein.  Ob  (und  inwieweit)  von 
wirklichen  Reden  des  Pionius  Gebrauch  gemacht  worden  ist,  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden.  Es  ist  mir  aber  wahrscheinlich.  Pionins 
muß,  wie  sein  Enkomiast,  ein  fein  gebildeter  Mann  gewesen  sein  l 
Er  hat  auch  das  ganze  jüdische  Land  bereist  und  ist  bis  jenseits 
des  Jordan  gekommen  und  hat  das  Tote  Meer  gesehen,  aber  auch 
von  den  asiatischen  Provinzen,  den  vulkanischen  Inseln  des  Mittel- 
meeres und  von  Sizilien  mit  seinem  Ätna  weiß  er  zu  berichten  (c.  4). 
Die  Gerichtsprdtokolle  scheinen  mir  in  c.  9.  19  f.  gebraucht  zu  sein. 
Nur  wenige  Jahre  nach  dem  Martyrium  werden  unsere  Akten 
niedergeschrieben  worden  sein. 

Die  beachtenswerten  Akten  aus  der  Zeit  des  Decius  sind  die 
des  Achatius  (nur  lateinisch  erhalten)^  und  die  des  Eonon^. 

So,  wie  sie  vorliegt,  ist  freilich  die  Akte  des  Achatius,  eines 
kleinasiatischen  Bischofs  (Antiochien  Pis.?),  unbrauchbar  und  kein 
Denkmal  des  3.  Jahrhunderts.  Das  Gespräch  mit  dem  Prokonsol 
Martianus  ist  ganz  unglaubwürdig^;  aber  die  Erzählung  hat  Züge, 
die  auf  einen  echten  Kern  schließen  lassen,  bez.  auf  eine  bessere 
Vorlage,  die  Ursprüngliches  bewahrt  zu  haben  scheint  Hierhin 
rechne  ich  die  merkwürdigen  Worte  des  Maiüanus  (c  4):  „Cata- 
phryges  aspice,  homines  religionis  antiquae,  ad  mea  Sacra  conversos 
reliquisse  quae  fuerant  et  nobiscum  diis  vota  persolvere:  et  tu  simi- 
liter  parere  festina.  omnes  catholicae  legis  collige  Christianos  etc.* 
Eine  eingeflochtene,  aus  der  Luft  gegrifi'ene  Bosheit  des  katholischen 
Verfassers  gegen  die  Montanisten  ist  das  doch  schwerlich !  Ferner 
schließt  die  Akte  ganz  merkwürdig.  Der  Prokonsul  erklärt,  er 
werde  an  den  Kaiser  berichten  (Achatius  hatte  also  das  römische 
Bürgerrecht,  was  freilich  nicht  gesagt  ist);  dann  heißt  es  weiter: 


1)  Eine  ganze  Abhandlung  über   die  Hexe  von  Endor  ist  c.  14  eingefügt. 

2)  Er  oder  sein  Biograph  oder  beide  hatten  eine  vorzügliche  Bibelkenntni?. 
Pionius  scheint  von  Jugend  auf  Christ  gewesen  zu  sein,  s.  c.  14. 

3)  Gebhardt,  a.  a.  0.  S.  115ff. 

4)  Gebhardt  S.  129ff. 

5)  Undurchsichtig  und  wohl  falsch  überliefert  sind  (c.  5)  die  Worte: 
„Achatius  dicor  et,  si  proprium  nomen  meum  ezploras,  vocor  Agathangelus 
[so  weit  ist  der  Bericht  glaublich]  et  Piso  Troianoruna  episcopus  et  Menander 
presbyter". 


I.  Martyrien.  4g9 

„lectis  itaque  omnibas  gestis  Decias  Imperator,  alterationem  iam 
redditae  responsionis  [?]  admirafis,  versus  in  risum  est  et  Martiano 
praefecturam  [!]  Pamphyliae  mox  dedit,  Achatium  vero  vehementer 
admirans  [!]  aestimationi  propriae  et  legi  suae  reddidit''.  So  hat 
man  natürlich  im  3.  Jahrh.  nicht  geschrieben,  und  so  hat  Decius 
nicht  gehandelt;  aber  die  auffallende  Tatsache,  daß  ein  unter 
Decius  verhafteter  Bischof  Achatius  auf  kaiserlichen  Befehl  —  wir 
wissen  nicht  aus  welchem  Grunde,  und  der  Erzähler  wußte  es 
auch  nicht  —  wieder  frei  gelassen  worden  ist^  ist  schwerlich  zu  be- 
zweifeln. Freilassungen  unter  Decius  hat  man  schwerlich  erfunden  ^ 
Die  erst  i.  J.  1898  von  Papadopulos  Kerameus  veröffent- 
lichte Passio  des  Eonon  (zu  Magydus  in  Pamphylien)  —  daß  sie 
unter  Decius  stattgefunden  haben  soll,  ist  unsicher ^  —  ist  auch 
legendarisch  und  wohl  von  den  Akten  des  Pionius  abhängig  (s.  c.  4, 
wo  der  Bichter  sagt:  rl  JtZapäcd-s,  avß-QOjtov  ß-sov  Xiyovteg,  xäi 
TOVTOV  ßiod^avTJ;  dg  e/iad-ov  jtaQct  ^lovöaimv  dxQißcog  xrX.);  aber 
sie  scheint  doch  einen  echten  Kern  zu  besitzen.    Hat  die  Legende 


1)  Die  Passio  des  h.  Maximus,  eines  „plebeius''  und  kleinasiatischen  Mär- 
tyrers (in  einem  Gebiet,  in  welchem  die  Diana  vor  allem  verehrt  wurde)  wird 
zu  den  besseren  Akten  gerechnet  (Gebhardt,  a.  a.  0.  S.  120 ff.)  —  schwerlich 
mit  Grund.  Zwischen  dem  Anfang  „Decius  imperator  volens  opprimere"  und 
den  Worten  „decreta  invictissimorum  principum"  besteht  ein  unlösbarer  Wider- 
sjiruch;  denn  Decius  war  Alleinherrscher;  der  Prokonsul  „Optimus"  ist  sattsam 
bekannt;  der  Inhalt  der  kaiserlichen  Dekrete  („ut  omnes  Christiani  relicta 
superflua  superstitione  cognoscant  verum  principem,  cui  omnia  subiacent,  et 
eins  deos  adorent")  ist  erfunden.  Charakteristisches  ist  in  dem  Verhör  nicht 
zu  entdecken.  Nur  die  Kürze  der  Akte  ist  ein  günstiger  Umstand;  aus  der 
Zeit  des  Decius  ist  sie  aber  nicht  und  wahrscheinlich  trotz  der  Kürze  unecht, 
—  Aus  derselben  Schmiede  scheinen  die  Acta  Petri,  Andreae,  Pauli  et  Dionysiae 
(zu  Lampsakus)  zu  sein  (Ruinart,  edit.  ann.  1859  p.  204 ff.).  Auch  hier  wird 
Decius  (c.  6)  genannt,  imd  trotzdem  ist  von  „decreta  invictissimorum  principum" 
die  R^de.  Der  Konsul  Optimus  fehlt  nicht.  Zuerst  erscheint  die  „magna  dea 
Venus"  als  die  Hauptgöttin  (c.  1);  dann  heißt  es,  wie  in  der  Passio  Maximi 
(c.  2):  „sacrificate  mirandae  Dianas"  (c.  4).  Auch  schon  die  Namen  der  Mär- 
tyrer erregen  hier  Bedenken;  denn  die  Häufung  biblischer  Namen  (Paulus, 
Petrus,  Andreas)  ist  für  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  sehr  ungewöhnlich  (y. 
meine  Missionsgesch.  S.  304 ff.).  Vielleicht  besteht  auch  ein  Zusammenhang 
mit  den  Achatius- Akten,  was  diesen  nicht  günstig  ist.  Dort  wird  Apollo  ebenso 
heftig  angegriffen  wie  hier  Venus,  und  Troja  (Troas)  wird  dort  und  hier  ge- 
nannt. Die  Geschichte  der  Dionysia  ist  ganz  konventionell  (c.  3),  und  wenn 
es  von  dem  Christen  Nicomachus,  der  während  der  Foltern  verleugnete,  heißt 
(c.  2):  „Statim  arreptus  a  daemone  et  in  terrara  allisus  dentibusque  linguam 
suam  comedens  emisit  spiritum",  so  ist  das  ebenfalls  Legendenstil. 

2)  Sie  gehört  vielleicht  erst  unter  Maximinus  Daza,  da  von  gefUlschten 
vTtOfivrifAaxa  über  den  Tod  Christi  (c  4)  die  Rede  ist;  doch  werden  dieselben 
als  jüdische,  nicht  als  heidnische  charakterisiert. 


470  ^'  Martyrien. 

einen  Gärtner  erfunden,  der  bei  den  kaiserlichen  G^ärten  in  Karmena 
in  Pamphylien  angestellt  ist  (c.  2),  aber  aas  Nazareth  stammt  und 
sich  demgemäß  (c.  4)  rühmt,  zur  ovyytveia  ^Ifjoov  zu  gehören?  Ich 
bezweifle  das,  zumal  da  dieses  Moment  nicht  weiter  aasgebeutet 
wird^ 

Aus  der  Zeit  Valerians  haben  wir  vier  wertvolle  Martyrien: 

(1)  Die  Acta  proconsularia  Cypriani  (s.  o.  S.  366  f.)- 

(2)  Die  Passio  SS.  Mariani,  Jacobi  etc.  ^  (in  Lambese,  Numid.) 
am  6.  Mai  259^.  Die  Erzählung*  stammt  von  einem  Freand  und 
Augenzeugen  (auf  Anregung  der  Märtyrer,  s.  c.  1)  und  ist  in  den 
wesentlichen  Stücken  als  authentisch  zu  betrachten  \  Da  der  Ver- 
fasser nicht  trocken  berichtet,  sondern  eine  erbauliche  and  rheto- 
rische Darstellung  bringt^,  so  hat  er  vielleicht  Vorlagen  benutzt, 
vielleicht  das  Mart.  der  Perpetua,  aber  in  der  Hauptsache  ist  er 


1)  Die  übrigen  auf  die  Zeit  des  Decius  datierten  Martyrien  lasse  ich 
sämtlich  beiseite.  Auch  die  des  Bischofs  Nestor  in  Pamphylien  können  (gegf^n 
Aub^,  L^äglise  et  T^tat  dans  la  II.  moiti^  du  III.  si^le,  1885,  p.  176 ff.  üC»7ff.' 
auf  Abfassung  im  3.  Jahrhundert  keinen  Anspruch  machen.  Schon  der  Umstand, 
daß  der  Richter  das  Christentum  jj&Qijaxeia  X(Zv  PaXiXalwv^*  nennt  (Anb^  p.  5(ft» . 
macht  sehr  bedenklich.  Auch  die  Selbstbezeichnung  des  Nestor  als  imaxoito; 
xal  IsQOvgyog  rwv  ßvatrigliov  XQiarov  (p.  511)  paßt  nicht  für  das  3.  Jahrh. 
Die  christologißchen  Formeln  weisen  auf  eine  späte  Zeit  (p.  512  ff.).  Das  Übrige 
ist  konventionell.  Die  Akten  der  hh.  Lucian  und  Marcian  in  Nikomedien 
I R  u  i  n  ii  r  t  p.  21 2  ff. ;  A  u  b  ^  p.  167  ff.)  behandeln  ein  in  den  späteren  Legenden  ganz 
gewöhnliches  Problem,  und  auch  die  Akten  des  Trypho  und  Respicius  in  Nicäa 
(Ruinart  p.  20Sff.;  Aub<5  p.  101  ff.)  enthalten  nichts,  was  sie  wert-voll  er- 
scheinen läßt. 

2)  S.  die  Monogra]»hie  von  Franchi  de'  Cavalieri  in  „Studi  e  Testi*' 
Nr.  :],  IIKX);  Mercati,  D'alcuni  nuovi  sussidi  per  la  critica  del  t«sto  di  >. 
Cipriano,  Roma,  1S99  p.  87  ff.;  Gebhardt  p.  UM  ff.;  Monceaux,  Hist.  litt.  .1.' 
l'Afrique  c\ir6i.  T.  II  p.  15:5  ff. 

o)  S.  Monceaux  p.  156 f. 

4)  Schon  Augustin  kennt  sie,  Sermo  284,  2.  S.  auch  Corp.  Inscr.  Lat.  T.  S 
Nr.  71)24. 

5)  Der  Erzähler  fuhr  mit  Marianus  und  Jacobus  in  einem  Wagen  und  kam 
mit  ihnen  nach  Cirta;  aber  in  den  Prozeß  ist  er  dann  selbst  nicht  verwickelt 
w^orden.  Er  war  Laie  und  daher  von  der  Verfolgung  nicht  betroffen.  Die  Art. 
wie  eine  ganze  Reihe  anderer  Märtyrer  mehr  oder  weniger  beiläufig  eingeführt 
wird,  ist  ein  Zeichen  der  Echtheit.  Auch  stimmt  alles  in  den  Prozessen  mit 
dem,  was  wir  von  Valerians  Verfolgung  wissen.  Gegen  die  Echtheit  (Glaub- 
würdigkeit) hat  sich  Victor  Schulze  ausgesprochen  (TheoL  Litt.-Blatt  Bd.  J). 
1899,  S.  471). 

0)  Monceaux  (p.  16o)  vermag  ich  nicht  beizustimmen:  „L'aut^ur  est  uii 
demi-lettr^,  presque  un  ignorant.  II  n'y  a  pas  trace  de  rh6torique  dans  s'»n 
recit.     11  ecrit  comme  il  devait  parier,  avec  nal'vet-ö  et  bonhomie". 


I.  Martyrien.  471 

ganz  selbständig  ^  Jacobos  hatte  schon  in  der  decianischen  Ver- 
folgung Mai-tyrien  erlitten  (c  5).  Eine  Vision  des  Marianas  wird 
in  den  eigenen  Worten  desselben  erzählt  (c  6,  Nachbildung  des 
Mart.  Perpet).  In  der  Vision  erscheint  Cyprian.  Vision  des  Jacobus 
c.  7.  Vision  des  Aemilianns,  von  ihm  selbst  erzählt  c.  8.  Zweite 
Vision  des  Jacobus,  dem  der  Bischof  Agapius  erscheint  c  11. 
Prophezeiung  des  Marianus  c.  12^.  Diese  Visionen  bilden  den 
Kern  des  Berichts  im  Sinne  des  Verfassers.  Was  von  ihnen  glaub- 
würdig ist,  d.  h.  auf  die  Märtyrer  selbst  zurückgeht,  läßt  sich  natür- 
lich nicht  mehr  ausmachen.  Aber  das  urteil  über  das  Ganze  hängt 
nicht  von  ihnen  ab.  Wer  unechte  Akten  kennt,  der  muß  bei  der 
Lektüre  dieser  Akten  merken,  daß  sie  nicht  zu  ihnen  gehören. 

3)  Die  Passio  SS.  Montani  et  Lucii  etc.  ^  (Mai  259,  Karthago). 
Diese  Passio  ist  von  einem  Manne  verfaßt,  der  dem  Cyprian  an 
stilistischer  Bildung  nahe  kommt  und  sich  wohl  an  ihm  gebildet 
hat.  Er  will  Augenzeuge  sein,  und  die  erste  Hälfte  seiner  Er- 
zählung (c.  1 — 11)  bildet  ein  Brief  der  Märtyrer  Montanus  und 
Lucius,  an  den  er  dann  seine  Dai*stellung  des  Endes  der  Märtyrer 
geknüpft  hat,  wie  es  ihm  einer  derselben  befohlen  habe  (Flavianus). 

Im  J.  1890  erklärten  Harris  und  Gifford ^  diese  Akten  für 
„a  deliberate  forgery,  based  chiefly  upon  the  Acts  of  Perpetua 
and  Felicitas".  Letztere  Akten  sind  gewiß  benutzt,  aber  die  Be- 
hauptung „based  chiefly"  ist  sehr  übertrieben.  Franchi  de'  Cava- 
lieri  (a.  a.  0)  widerlegte  die  Behauptung  der  beiden  Engländer 
und  fand  damit  im  wesentlichen  Zustimmung  bei  Wilamowitz- 
Möllendorff*  und  den  Bollandisten ^.  Wilamowitz  fügte  noch 
eine  stilistische  Beobachtung  dem  Beweise  Franchis  für  die  relative 
PZchtheit  des  Briefs  hinzu.  Allein  Victor  Schnitze*^  erklärte  sich 
durch  Franchi  nicht  überzeugt;  er  bezeichnete  die  Passio  für  ein 
tendenziöses  Schriftstück,  auferbaut  auf  älteren  (uns  z.  T.  unbe- 
kannten) hagiographischen  Arbeiten,  den  Brief  für  gefälscht,  das 


1)  Sichere  Spuren  der  Benutzung  der  Opp.  Cypriani  habe  ich  nicht  ge- 
funden.   Auch  ist  der  Stil  von  dem  Cyprians  ganz  verschieden. 

•J)  Diese  Prophezeiung  der  Rache  des  Himmels  setzt  die  Kunde  vom 
gehmählichen  Ende  Yalerians  nicht  voraus  (gegen  Monceaux  p.  158).  Daraus 
folgt  aber  nicht  notwendig,  daß  die  Akten  vor  demselben  verfaßt  sind. 

3)  Ausgabe  und  Untersuchung  von  Franchi  de'  Cavalieri,  Rom. 
Quartalschr.,  Suppl.-Heft,  1898;  Gebhardt  S.  146 ff.;  Monceaux,  1.  c.  II 
p.  105  ff. 

4)  The  Acts  of  the  martyrdom  of  Perpet.  et  Fei.  London,  1890. 

5)  Lesefrüchte,  im  „Hermes"  Bd.  84,  1898,  S.  212. 
'))  Anal.  Rolland.  Bd.  18,  1809,  p.  07. 

7)  Theol.  Litt.-Blatt  Bd.  20,  1899,  S.  470. 


472  I-  Martyrien. 

Ganze  als  ein  Werk  etwa  aus  der  Zeit  Diokletians.    Gegen  ihn  hat 
Fr  an  Chi  seine  Auffassung  verteidigt  ^  und  unabhängig  von  ihm  ist 
Monceaux  (1.  c.)  zu  denselben  Ansichten  gelangt^.    Es  ist  diesen 
beiden  Gelehrten  beizustimmen.     Der  Brief  ist  nicht  von  dem 
Redaktor  gefälscht;  dazu  ist  die  Verschiedenheit  des  Stils  zu  groß; 
aber  Monceaux  wird  recht  haben:  Flavianus  wird  diesen  Brief 
namens  der  beiden  Märtyrer  auf  Grund  ihrer  Erlebnisse  geschrieben 
und  ihn  dem  Bedaktor  nach  dem  Tode  derselben  gegeben  haben 
mit  der  Anweisung,  das  Ende  der  Märtyrer  zu  beschreiben.    Dieser 
hat  den  Auftrag  vollzogen  und  ein  litterarisches  Kunstwerk  ge- 
schaffen, das  natürlich  manche  Stilkorrekturen  erfordei-te.    Aber 
der  Inhalt  des  Ganzen  ist  auch  in  Dutzenden  von  Einzelheiten 
unerfindbar,  und  die  Abhängigkeit  von  den  Acta  Perpetuae  kann 
an  dieser  Einsicht  nichts  ändern.   In  bezug  auf  einen  anscheinend 
besonders  gravierenden  Punkt  (daß  nach  unseren  Akten,  ganz  wie 
in  denen  der  Perpetua,  zeitweilig  ein  Prokurator  Afrika  verwaltet 
hat)  hat  Monceaux  (p.  170)  sogar  die  Zuverlässigkeit  der  Acta 
nachweisen  können.   Es  wäre  auch  wunderlich,  wenn  der  Fälscher 
so  gedankenarm  und  töricht  gewesen  wäre,  daß  er  gerade  hier 
die  Acta  Perpet  kopiei*t  hätte!   Ich  schließe  mich  also  Franchi 
an,  der  in  bezug  auf  das  ganze  Werk  (p.  15  der  Schrift  über  die 
Acta  Mariani  et  Jacobi)  bemerkt:  „Gli  Atti  di  Lucio  e  Montano 
sono    stati  redatti  senza  dubbio  doppo   passato  il  turbine  della 
persecuzione,  in  parte  su  un  documento  preesistente,  in  paile  di 
getto,  da  un  discepolo  di  S.  Cypriano.    II  suo  Stile  e  notevolmente 
inferiore   allo  stile  del  maestro,  ma  6  ancora  lontanissimo  della 
turgidezza  e  dalla  decadenza  che  offendono  e.  g.  nelle  Passioni 
donatistiche  di  Marculo  e  Donato,  d'lsaaco  e  Massimiano,  imitazioiii 
letterarie  etc."   Auch  was  er  (p.  12)  im  Anschluß  an  Wilamowitz 
über  den  Brief  sagt,  ist  zutreffend:  (1)  „Poichö  lo  scrittore  della 
Passione  usö  constantemente  la  clausola  metrica,  clausola  che  non 
si  trova  nella  lettera,  se  non  con  moltissime  eceezioni,  egli  non  piiö 
ritenersi  inventore  di  detta  lettera  [Flavian,  s.o.,  wird  der  Ver- 
fasser sein;  so  erklärt  sich  das  Problem  am  besten].    (2)  Mai  poi- 
che  nella  lettera  la  clausola  metrica  dove  e  studiatamente  usata, 
dove  trascurata  affatto,  non  sembra  potersi  dubitare  che  una  paite 
del  documento  fu  rimaneggiata  od  aggiunta,  un'  altra  piü  o  meno 
rispettata.    (3)  Un  tale  rispetto,  che  supratutto  si  manifesta  nelle 
visioni,  constituisce  una  notevole  conferma  dell'  autenticitä  sostan- 
ziale  della  lettera  e  della  serietä  del  compilatore  degli  Atti". 


1)  La  passio  SS.  Mariani  et  Jacobi  (1900)  p.  1—15. 

2)  Eine  Mittelstellung  nimmt  Ehrhard  ein  (Die  altchr.  Litt.,  1900,  S.  5S0£\ 


I.  Martyrien.  473 

(4)  Die  Passio  Fructuosi  (episc.  Tarragon.),  Augurii  et  Eulogii, 
am  21.  Janaar  259  („Valeriano  et  Gallieno  Impp.,  Aemiliano  et 
Basso  Coss.")  K  Sie  ist,  so  wie  sie  uns  vorliegt,  schon  von  Pruden- 
tius  versifiziert  worden  (Peristeph.  c  6)  und  erweckt  keine  Zweifel. 
Sie  stammt  von  einem  Zeitgenossen,  der  (c.  2)  wahrscheinlich  das 
amtliche  Protokoll  benutzt  hat^. 

Zwei  Soldaten-Martyrien  aus  der  Zeit  Diokletians  ^  (aber  vor 
der  großen  Verfolgung)  sind  als  echt  anzuerkennen,  nämlich  die 
Passio  Maximiliani^  („Tusco  et  Anulino  coss.^  IV  Id.  Mart.  Tebeste 
in  foro  inducto  Fabio  Victore  una  cum  Maximiliano  et  admisso 
Pompeiano  Advocato"  =  12.  März  295  zu  Thebeste  Num.)  —  Maxi- 
milian weigerte  sich  als  Christ  Soldat  zu  werden  ®  ■—  und  die  Passio 
Marcelli  ^  (zu  Tingi  in  Mauretanien  am  30.  Okt;  das  Jahr  ist  ungewiß, 
aber  das  Martyrium  erfolgte  unter  der  Regierung  des  Maximianus 
Herculius^  und  vor  der  großen  Verfolgung).    Marcellus  legte  die 


1)  Ruinark  p.  264ff.    Aub6,  1.  c.  p.  408ff. 

2)  Die  auf  Valerian  und  Gallienus  datierte  Passio  Nicephori  (Ruinart 
p.  282 ff.)  ist  nicht  echt,  sondern  eine  moralische  ErzSiilung,  una  die  Unver- 
söhnlichkeit  zu  bekämpfen.    Der  Ort  der  Handlung  ist  nicht  angegeben. 

3)  Dazu  vgl.  das  Soldaten- Jlartyrium  bei  Euseb.,  h.  e.  VII,  15  (der  Haupt- 
mann Marinus). 

4)  Ruinart  p.  340ff.    Knopf  a.  a.  0.  S.  79ff. 

5)  S.  c.  2:  „In  sacro  comitatu  dominorum  nostrorum  Diocletiani  et  Maxi- 
luiani,  Constantii  et  Mazimi  [««  Galerii  Mazimiani]  milites  Christiani  sunt  et 
militant". 

6)  Die  Passio  ruht  fast  ganz  auf  dem  Gerichtsprotokoll  und  ist  daher  von 
ausgezeichnetem  Wert. 

7)  Ruinart  p.  343f.    Knopf  a.  a.  0.  S.  82ff. 

8)  Die  Exekution  die  III.  Kai.  Nov.  (c.  3),  aber  das  Delikt  geschah  „Natali 
die  imperatoris"  (c.  1),  „lam  die  XII.  Kai.  Aug.  apud  signa  legionis  istius, 
quando  diem  festum  Imperatoris  celebrastis"  (c.  2).  Dazu  Ruinart:  „Haec 
verba  non  de  genuino  Herculii  natali  intellegenda  esse  observat  Antonius  Pagi, 
eed  de  natali  eins  imperii  Caesarei,  quod  nonnisi  singulis  quinquenniis,  de- 
cenniis  ac  deinceps  festum  habebatur;  natale  autem  genuinum  singulis  annis". 
Mason  (The  persec.  of  Diocl.,  187G,  p.  45)  hält  den  21.  Juli  fiir  den  Geburtstag 
des  Maximian  und  bemerkt  zu  diesem  Datum:  „This  is  the  date  gathered  by 
Tillemont  from  the  birth  day  Panegyric.  The  Acts  might  have  said  „Impera- 
tor um",  since  the  two  Augusti  were  born  on  the  same  day  of  the  year,  Pan. 
Gen.  1,  2".  In  c.  3  ist  der  Ausdruck:  „coram  omni  populo  in  deos  et  in 
Caesarem  (nicht  Augustum)  multa  blasphema  locutus  est",  höchst  wahrschein- 
lich korrekt  und  ein  Zeichen  der  Echtheit;  denn  die  Provinz  Mauretania  Ting. 
gehörte  zu  Spanien,  dieses  Land  aber  zum  Gebiet  des  Constantius  Chlorus,  der 
damals  Cäsar  war.  —  Marcellus  ist  als  Hauptmann  in  der  Legio  Trajana  (c.  1) 
bezeichnet.  Sie  muß  identisch  sein  mit  Legio  II  Trai.,  die  ihr  gewöhnliches 
Standquartier  in  Alexandrien   hatte.    Aber  in   Mauretania  Ting.   stand   über- 


474  ^*  Martyrien. 

Abzeichen  eines  Hauptmanns  und  die  Waffen  nieder  und  weigerte 
sich,  Soldat  zu  bleiben  K 

Die  Akten  der  h.  Gurias  und  Schamonas,  die  von  Bahmani 
syrisch  ediert  und  auf  das  J.  297  bezogen  worden  sind  2,  sind  von 
Nöldeke  der  Zeit  360—450  zugewiesen^  Baumstark  hat — 
nach  Ehrhard^  —  erwiesen,  daß  die  Mäi-tyrer  selbst  dem  J.  303 
angehören. 

Aus  der  Zeit  von  303  ff.  ist  eine  beträchtliche  Anzahl  echter 
Akten  auf  uns  gekommen  ^  Erwähnt  wurden  schon  (und  werden 
daher  hier  nicht  mehr  besprochen)  die  Aufzeichnungen  Eusebs 
über  die  palästinensischen  Martyi*er  in  zwei  Ausgaben  (s.  dazn 
auch  seine  Beschreibung  anderer  Märtyiien  in  der  bist  eccl.)^ 
ferner  die  Acta  Luciani,  die  des  Phileas  und  Philoromus,  die  des 
Saturninus,  Dativus,  usw.^    Für  diese  Zeit  ist  aber  bisher  längst 


haupt  keine  Legion,  sondern  die  Provinz  war  von  zahlreichen  Auxiliartruppen 
besetzt,  s.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung,  1.  Bd.  (1873)  S.  325.  —  V^a- 
saeus  im  Chron.  Hispanico  hat  —  ich  weiß  nicht  auf  welche  Gründe  hin  — 
unser  Martyrium  in  d.  J.  298  versetzt  (Fausto  bis  et  GaUo  coss.). 

1)  Auch  diesen  Akten  liegen  Protokolle  zugrunde,  und  sie  sind  daher 
ersten  Ranges.  Die  beigefügte  Passio  des  Gerichtsschreibers  Cassian  s.  bei 
Ruinart  p.  345. 

2)  Acta  SS.  Confess.  Guriae  et  Shamonae,  Rom,  1899. 

3)  Straßburger  Festschrift  z.  Philologen- Vers.  1901,  S.  13  ff. 

4)  A.  a.  0.  S.  544. 

5)  S.  in  bezug  auf  diese  Zeit  Sulp.  Sever.,  Chron.  II,  32:  „extant  etiani 
mandatae  litteris  praeclarae  eius  temporis  martyrum  passiones,  quas  conectenda? 
non  putavi,  ne  modum  operis  excederem". 

G)  Eusebs  Methode,  über  Martyrien  (in  Palästina)  zu  berichten,  muß  studiert 
werden,  um  dadurch  einen  Maßstab  für  die  Kritik  solcher  Martyrien  zu  ge- 
winnen, die  auf  Echtheit  Anspruch  machen.  Zur  längeren  Rezension  der  Mart. 
Pal.  8.  Anal.  Bolland.  Bd.  17,  1898,  p.  113ff  Die  Passio  Petri  Baisami  {er 
stammte  aus  Eleutheropolis  in  Judäa  und  wurde  zu  Aulana  in  Samarien  ^r- 
martert  „III  Non.  Jan.  sub  Maximiane  Imperatore  [=  Galerio],  Severe  praeside . 
die  uns  nur  in  lateinischer  Übersetzung  erhalten  ist,  bezieht  sich  auf  den  Petrus 
Apselamus,  von  dem  Eusebius  (De  mart.  Pal.  c.  10,  s.  die  größere  Rez.  S.  71  ff. 
bei  Vi  ölet,  Texte  und  Unters.  Bd.  14  H.  4  S.  71  ff.)  berichtet,  obgleich  vieles 
nicht  stimmt  (nach  Euseb.  war  das  Martyrium  lll  Id.  Jan.  [recens.  maL:  „Am 
10.  Kanon  chräj"],  der  Märtyrer  stammt  änö  ^AviaQ  x(Ojuiijg  T(3v  ogmv  ^EXtv^fQO- 
noXewq  [reo.  maior:  „im  Gebiete  von  Beth  Gubrin"],  die  Exekution  erfolgt  iu 
Caesarea  Pal.,  der  Richter  und  andere  bitten  den  Märtyrer  wiederholt  und  in- 
ständig, seiner  Jugend  zu  schonen;  in  der  Passio  finden  sich  nur  die  Worte 
des  Richters:  „misere  tui  et  sacrifica".  Nach  der  Passio  wird  Petrus  gekreuzigt- 
nach  Eusebius  verbrannt).  Die  Passio  hat  nach  Eusebius  (p.  71  Violet;  im 
7.  Jahre  der  Verfolgung,  also  im  J.  309  stattgefunden.  Unsere  Akten  sind. 
wie  aus  Vorstehendem  hervorgeht,  ohne  Wert. 

7)  S.  oben  S.  llOf.,  138f,  69f.,  456. 


I.  Martyrien.  475 

noch  nicht  so  viel  geschehen  wie  für  die  frühere  Zeit  mit  ihren 
Martyrien,  und  für  sie  vor  allem  werden  die  Studien  Ehrhards 
epochemachend  sein.  Ich  muß  mich  daher  hier  darauf  beschränken, 
diejenigen  Martyrien  zu  bezeichnen,  die  ich  nach  wiederholtem 
Studium  (zuletzt  für  die  Missionsgeschichte)  für  echt  oder  doch  für 
geschichtlich  wertvoll  zu  halten  geneigt  bin.  Ich  führe  sie  in 
alphabetischer  Beihenfolge  an:^ 

Passio  Agapes,  Chioniae,  Irenes  etc.  (Thessalonich  i.  J.  304)  ^  — 
,.Maximiano  Imperatore".  „Dulcetius  Praeses".  „visne  omnia  illa 
facere,  quae  nos  dominis  Imperatoribus  ac  Caesaribus  devoti  faci- 
mus?"  (c.  4).  „Imperator es  ac  Caesares"  (c.  4.  5).  „divinum  edictum 
dominorum  Augustorum  ac  Caesar  um"  (c.  4).  „num  aliqua  apud  vos 
sunt  impiorum  Christianorum  commentaria  vel  membranae  aliquae 
vel  libri?  nulla,  o  praeses,  nobis  sunt;  omnia  illa  imperatores,  qui 
nunc  sunt,  a  nobis  abstulerunt"  (c.  4,  s.  dazu  c.  5,  wo  es  von  Irene 
heißt:  „quae  tot  membranas,  libros,  tabellas,  codicillos  et  paginas 
scripturarum  ad  hodiemum  usque  diem  servare  voluisti").  „su- 
periore  anno,  cum  edictum  illud  tale  ac  pium  iussum  domn.  Imp. 
et  Caes.  primo  fuit  divulgatum"  (c.  5)  —  also  fällt  das  Martyrium 
i.  d.  J.  304.  —  Aus  (c.  7)  geht  eben  dieses  Jahr  heiTor:  „Dioclet 
Aug.  IX,  Maximiane  autem  Aug.  VIII  coss.  KaL  April.  Die  Passio 
ruht  auf  Akten,  hat  ganz  unerfindbare  Züge  und  ist  nur  in  c.  6, 
wie  mir  scheint,  konventionell  behandelt. 

Passio  Claudii,  Asterii  etc.  (Ägea  in  Cilicien)^  —  „Lysias 
Praeses".  „dominus  noster  Augustus".  „domini  nostri  Imperatores 
insserunt  Christianos  vos  sacrificare  diis,  contradicentes  puniri" 
(c.  1).  „X  Kai.  Sept  Augusto  et  Aristobulo  coss."  (c.  6).  Dies  wäre 
der  23.  August  285,  aber  das  Jahr  kann  nicht  richtig  sein.  Diese 
Exekutionen  setzen  ja  aufs  deutlichste  das  Dekiet  vom  J.  304 
voraus.  Die  Passiones  sind  so  schmucklos,  daß  ihnen  ein  echter 
Kern  gewiß  zugrunde  liegt. 


1)  Die  Passio  Afrae  (Augsburg)  —  s.  Ruinart  p.  482ff.;  Krusch,  Passiones 
vitaeque  SS.  1896,  p.  41  ff.  —  ist  ihrem  Tatbestande  nach  glaubwürdig,  die 
Akten  aber,  die  schon  dem  Verf.  des  Martyrol.  Hieronym.  bekannt  waren,  sind  es 
höchstens  teilweise  (Duchesne,  Bull,  critique  1897  p. 301  ff.  325 ff..  Anal.  Bolland. 
Bd.  17,  1898  p.  433ff.).  Krusch  halt  mit  der  „Conversio"  auch  die  „Passio" 
för  ganz  unbrauchbar  (Neues  Archiv  Bd.  19,  1894,  S.  13  ff.  und  Bd.  24,  1899, 
S.  280ff.  Mitt.  d.  Instituts  f.  Österreich.  Gesch.-Forschung  Bd.  21,  1900,  S.  Iff.). 
Die  Passio  Floriani  (Lorsch)  sei  hier  gleich  angeschlossen.  Sie  ist  vielleicht  zu 
halten  (s.  Duchesne,  1.  c.  p.  381  ff.,  anders  Krusch,  Neues  Archiv  Bd.  24, 
1899,  S.  533f.    Dazu  Achelis,  Die  Martyrologien,  1900,  S.  140f.). 

2)  Ruinart  p.  424ff'.  Knopf  S.  91ff.  (Lat.  Übers.;  der  griechische  Grund- 
text fehlt). 

3)  Ruinart  p.  309 ff.    Nur  lateinisch  erhalten. 


476  ^'  Martyrien. 

Passio  Crispinae  (aus  Thagara)  ^  —  „Diocletiano  et  Maximuno 
coss.  (wohl  das  Jahr  304)  ^  die  Non.  Decemb.  [5.  Dez.]  apud  coloniaiB 
Thebestinam,  in  secretario  pro  tribanali  adsidente  Annlino  pro- 
coDsule''  „Thagarensis  Crispina  quae  legöm  domn.  Prindpain  god- 
tempsit''.  „praeceptum  sacrum,  ut  omnibus  diis  nostris  pro  salote 
Principum  sacrifices  secundum  legem  datam  a  domn.  nostris  Dio- 
cletiano  et  Maximiano  piis  Aagustis  et  Constantio  nobilissimo  Caesare' 
[sowohl  die  Erwähnang  des  CoDStantios  als  die  Nicht-Erwähnung 
des  Galerius  ist  ein  Zeichen  der  Echtheit;  Galerius'  Name  war  in 
Afrika  in  der  Tat  nicht  zu  nennen],  „cole  religionem  Romanam, 
quam  et  domini  nostri  invicüssimi  Caesares  et  nos  ipsi  obse^ 
yamus''.  Die  zuverlässige  Erzählung  ist  der  Passio  sehr  bald  ge- 
folgt (schon  nach  wenigen  Jahren  hätte  man  den  Namen  des 
Constantius  wohl  unterdrückt),  ruht  aber  schwerlich  auf  einem 
Protokoll. 

Passio  Dasii  (Dorostolum  Moes.,  20.  Nov.  303  [?])  *  —  „ßcoi- 
Xbv6vx(dv  Ma^ifiiapov  xal  /iioxXsriapav^,  ^Baööov  ilJ77arov".  „firjpi 
Noefiß,  elxdöt,  rjiiiQif  Jtagaoxev^,  Sq^:  rsTOQT^,  r^g  öeitjprig  elxcA 
6\  . . .  rjd-Xriasp  kv  jcoXbl  AcoQootoXq),  ßaciZ.  Ma^ifi,  x.  AioxXJ*^  Die 
Passio  ist  (nach  c.  3)  in  einer  Zeit  geschrieben,  in  der  das  Christen- 
tum schon  herrschte.  Schon  deshalb  ist  sie  von  nur  bedingtem 
Werte.  Antiquarisch  wichtig  ist  die  Schilderung  des  Satnmalien- 
festes  im  Heere  und  die  Mitteilung,  daß  es  noch  jetzt  gefeiert  wird; 
die  Darstellung  des  Prozesses  selbst  ist  von  sehr  geringer  Be- 
deutung ^ 

Acta  Euplii  (Catauia  Sicil.,  12.  Aug.  304)^  —  „Diocletiano 
novies  et  Maximiano  octies  coss.  pridie  Idus  Augusti".  „Calvisianus 
consularis".  „Euplius  ingressus,  evangelia  portans".  „non  decet 
tales  Chartas  eum  teuere  contra  regalem  praeceptionem".  „quare 
apud  te  habuisti  et  non  tradidisti  has  lectiones,  quas  Imperatores 
vetuerunt?"    „qui  secundum  edictum  principum  non  tradidit  scrip- 

1)  Ruinart  p.  477 ft*.   Gorres,  Ztschr.  f.  wies.  Theol.  Bd.  33  (1890)  S.  4:iff. 
J)  Die  Ziffern  fehlen  leider  bei  Diocl.  u.  Max.,  aber  das  J.  303  ist  zu  früh, 

3)  Zuerst  (griechisch)  ediert  von  Cumont  (Anal.  Boll.  Bd.  IG,  1897,  p.  off., 
abgedruckt  bei  Knopf  S.  SÜff.  Ein  verlorenes  lateinisches  Original  ist  anzu- 
nehmen. Zum  Inhalte  s.  Parmentier,  Le  roi  des  Satumales  in  d.  Rev.  «ie 
Philol.  Bd.  21,  1897,  p.  143ff.  und  Wendland  im  „Hermes"  Bd.  33,  1S4*S, 
S.  175  ff.  —  Das  Jahr  ist  unsicher. 

4)  Obgleich  die  Passio  Didymi  et  Theodorae  (Ruinart  p.  428ffl,  Acta  SS. 
April.  III  p.  LXIIIff.  [griechisch])  bei  Ambros.,  de  virg.  II,  4  ein  Zeugnis  hat. 
halt«  ich  die  Erzählung  für  einen  Roman. 

5)  Ruinart  p.  437 f.  (2  lat.  Rez.)i  die  erste  auch  bei  Knopf  S.  97ff. 
Griechisch  beim  Metaphrasten,  s.  Migne,  Ser.  Gr.  Bd.  115  Kol.  523 ff.  Mason, 
1.  c.  p.  223  ff. 


L  Martyrien.  477 

toi-as,  sed  legit  populo,  torqueatur "  [dies  ist  ein  Zeichen  der  Zu- 
verlässigkeit]. Die  Akten  gehen  anscheinend  auf  die  Protokolle 
zurück,  sind  aber  nicht  gleich  nach  dem  Martyiium  niedergeschrieben 
(s.  den  Schluß). 

Passio  Felicis,  episc.  Tibiurae  [Tubjuza]  Af.,  mart.  Venusii, 
30.  Aug.  303  *  —  „Diocletiano  VIII  et  Maximiano  VII  coss.  Augustis 
exivit  edictum  Imperatorum  et  Caesarum  super  omnem  faciem 
terrae,  et  propositum  est  per  colonias  et  civitates  principibus  et 
magistratibus,  suo  cuique  loco,  ut  libros  deificos  peterent  de  manu 
episcoporum  et  presbyterorum.  tunc  programma  positum  est  in 
civitate  Tibinrensi,  die  Non.  Jun.**  [Diese  Zeitbestimmung  ist  für 
die  Geschichte  des  Edikts  wichtig].  „Anulino  proconsuli  rationem 
reddatis".  „Magnilianus  cnrator".  „tunc  profectus  est  Felix  a  Tibiura, 
VIII  Eal.  JuL,  [Carthaginem]".  „[in  carcere  missus]  post  XVI  dies 
productus  est,  hora  noctis  quarta,  ad  Anulinum  proconsulem'' 
„tunc  iussit  iUum  Anulinus  proconsul  ad  praefectum  praetorio  mitti, 
Id.  JuL*'  „Post  dies  autem  IX  iussit  eum  praefectus  ad  imperatorem 
navigare".  „fuit  in  capsa  navis  diebus  IV".  „[venit]  Agrigentum, 
Catanam,  Messanam,  Taurominium^,  in  partes  Lucaniae  civitatem 
nomine  Bulo^,  Venusium''.  „ductus  est  ad  passionis  locum  die 
III  KaL  Sept"    Die  Akten  sind  m.  E.  zuverlässig  ^ 

Passio  Irenaei  episc.  Sinn,  im  Frülyahr  304  wahrscheinlich  *  — 
„sub  Diocletiano  et  Maximiano".  „Probus  praeses  Pannoniae". 
„clementissimi  principes  iusserunt  aut  sacrificare  aut  tormentis 
succumbere  debere".  Aus  c.  3  geht  hervor,  daß  Irenäus  ein  sehr 
junger  Mann  war,  verheiratet  war  und  Kinder  hatte  (c.  4  wider- 
spricht dem  nicht,  sondern  bestätigt  es),  „martyrizatus  est  die  VIII. 
id.  [alii  Kai.]  Apr."    Die  Akten  sind  wesentlich  zuverlässig. 

Passio  JuHi  veterani  in  Dorostorum  Moes.  z.  Z.  der  großen 
Verfolgung®  —  ist  augenscheinlich  nach  dem  Protokoll  gearbeitet 
(„Maxime  praeside")  und  wesentlich  zuverlässig  l 


1)  Ruinart  p.  390ff.  (bei  den  Holland.  Acta  Octob.  Bd.  10  p.  618ff.  zwei 
Rezensionen),  Knopf  S.  84 ff.,  Mason,  1.  c.  p.  172 ff. 

2)  In  Agrigent,  Catana  und  Taurominium  findet  er  Christen. 

3)  Dieser  Hafenort  Lukaniens  ist  nicht  bekannt  (Vibo?). 

4)  Unglaubwürdig  sind  die  Acta  Genesii  (Rom),  s.  von  der  Lage,  Studien 
zur  Genesius-Legende.    2  T.  Berlin,  1898  und  1899. 

5)  Ruinart  p.  432ff.  Gebhardt  S.  102ff.  Die  Acta  SS.  Mart.  III  App. 
p.  23  bieten  einen  griechischen  Text. 

6)  Anal.  Bolland.  Bd.  10,  1891,  p.  50ff. 

7)  In  den  Anal.  Bolland.  Bd.  15,  189G,  p.  73ff.  haben  die  Bollandisten  das 
zugleich  mit  den  Fragmenten  des  Petrus-Ev.  in  Akhmim  gefundene  Fragment 
eines  Martyrium  Juliani  abgedruckt  und  zu  identifizieren  vermocht.  Sie  zeigten, 
daß    es   einer  Passio  Juliani  Anazarb.  angehört   und   sich   zu   der  noch  unge- 


478  ^'  Martyrien. 

Passio  Pollionis  Lectoris  in  Cibalis  Pannon.,  sehr  bald  nadi 
der  vorigeD,  also  noch  i.  J.  304  ^;  sie  ist,  wie  das  Vorsatzstdck  (c  li 
beweist,  unter  Valentinian  I.  oder  bald  nach  ihm  geschrieben,  aof 
Grund  einer  guten  Quelle,  „sub  Probo  praeside"  2. 


druckten  (im  byzantinischen  Zeitalter  redigierten)  Passio  desselben  in  demll& 
der  Bibl.  nat.  Paris.  Gr.  nr.  1488  wie  eine  Vorlage  zu  einer  breiten  Ansfölmag 
verhält.  Das  Stück  im  Eod.  von  Akhmim  ist  zu  kurz,  mn  ein  urteil  über  die 
Echtheit  bez.  das  Alter  der  Passio  zuzulassen«  Der  PiAses  heißt  Marcianiu,  die 
Mutter  Julians  Asklepiodora. 

Die  Passio  Mazimac,  Secundae  et  DonatOlae  (ediert  in  den  AnaL  Bolland. 
Bd.  0,  1890,  p.  107if.  llOff.,  cf.  Bd.  10  p.  59)  wird  als  zayerl&ssiges  Martyrinm 
betrachtet,  und  gewiß  sind  die  Personen  historisch  (ihre  Passio  hat  y^Mazimiano 
imp.   sub   Anulino  proconsule  IV  Kai.  Aug.",  wahrscheinlich    im  J.  904,  den 
eigentlichen  Verfolgungsjahr  in  Afrika,  stattgefunden  in  Thuborbo  [in  welchem?]; 
die  „possessio  Chephalitana''  l&ßt  sich  leider  nicht  bestimmen).    Daß  in  die 
Überlieferung  der  Name  des  Kaisers  Gallienus  eingedrungen  ist^   ist  nicht  Toa 
Bedeutung.    Aber  die  Passio,  wie  sie  vorliegt,  ist  kein  echtes  Produkt^  weia 
sie  auch  einen  guten  Kern   hat  (s.  wie  c.  1  der  große.  Ab£Edl    beim  Erscheinen 
des  Opfer-Edikts  zugestanden  ist).  Gleich  im  Eing^g  fragt  Anulinus:  „Christiu! 
estis  an   pagani?"  und   das  wiederholt  sich  c  3.    Das  VerbOr   der  jugend- 
lichen Christinnen,   die  mit  einer  selbst  für  Afrika  unerhörten  Frechheit  $xA- 
Worten,   kann   nicht  zuverlässig  sein.    Soll  Anulinus  wirklich    gesagt  haben: 
„Per  deum  vivum  te  adiuro  ut  dicas  mihi  quot  annorum  es"?   und  soll  Ifsxisa 
geantwortet  haben:  „Costae  membrorum  tuorum  confringantur,  nam  ego  anno- 
rum 8um  XIV"?  Das  Gespräch  der  Maxima  und  Donatilla  mit  Secunda  ist  jraiu 
konventionell  (c.  4);    auch    sagt   die   zwölfjShrige   Secunda:     y^sponsum  quaero 
spiritalem    Jesum,    qui    virginitat-em    non    corrumpit".      C.    6    sagt    Anulinc*- 
„Recedite  a  me,  quoniam  iam  deficio".  In  der  Erzählung  ist  das  sehr  verstäDi- 
lich,  aber  soll  das  aus  dem  Protokoll  sein?  Die  Bärengeschichte  (c.  (5)  ist  auch 
sattsam  bekannt. 

Die  von  einem  gebildeten  Manne  geschriebene,  antiquarisch  und  in  den 
Details  besonders  interessante,  sehr  lesbare  Passio  Philippi  episc.  von  Herakles 
und  (icnoBsen  in  Adrianopel  unter  den  Praesides  Bassus  (s.  Mart.  Dasiii  nud 
danach  Justinus  (s.  Ruinart  p.  440 ff.,  Mason,  1.  c.  p.  176—182)  ruht  gewil 
wie  sehr  viele  Züge  ausweisen,  auf  guten  lokalen  Überlieferungen  und  darf  al» 
eine  Hauptc^uelle  fiir  die  Geschichte  der  Ausfährung  der  ersten  diokletianischfii 
Edikte  im  Osten  benutzt  werden  (auch  das  Verhalten  des  Bassus  wird  richtig 
geschildert  sein).  Sie  ist  aber  in  der  uns  vorliegenden  Gestalt  sekundär,  wie 
das  ab  und  zu  planlos  auftauchende  „Wir*',  der  terminus  „pagani''  und  manckt^ 
andere  Ungeschickte  beweist.  Immerhin  mag  sie  trotz  dieser  Züge  aus  dei: 
Anmerkungen  herausgenommen  und  in  den  Text  gestellt  werden.  Daß  in  den 
Akten  der  Protrepticus  des  Clemens  (4,  53)  benutzt  ist,  hat  Führer  gezeigt 
(Mitt.  des  deutschen  archaol.  Instituts  Bd.  7,  ia92,  S.  loSff".). 

1)  Ruinart  p.  435f. 

*J)  Die  Passio  quattuor  coronati  (de  Rossi,  Bull,  di  archeoL  crist.  ISTJ 
p.  4üff'.;  Petschenig,  Wiener  Sitzungsber.  Bd.  97  [1880]  p.  761ff.;  Erbe=. 
Ztschr.  f.  KGesch.  Bd.  5  [1882]  S.  406ff.;  Hirschfeld,  Archäol.  epigr.  Mitt*!'- 
aus  Österreich-Ungarn  Bd.  9,  1885,   S.  21  ff.;    Meyer,   Programm    des   Luiset- 


I 

I 


I.  Martyrien.  479 

Testamentum  XL  Martymm  zu  Sebaste  Arm.,  unter  Licinius, 
und  Acta  derselben^. —  Das  Testament  ist,  wie  Bonwetsch  und 
Haußleiter  gezeigt  haben,  in  seiner  Fülle  unerfindbarer  Züge 
sicher  echt,  und  zwar  in  vollem  Sinn  des  Worts.  Die  Akten 
{Aixivlov  xov  ßaaiXicog,  ^AygixoXaov Tjysfiovsvovzoc) sindhetreichtlich 
später,  ausgeschmückt  und  nicht  zuverlässig. 

Passio  Quirini  episc.  in  Siscia  Pann.  um  d.  J.  309  sub  pridie 
Non.  Jun.  2  —  Die  uns  erhaltene  Passio  dieses  berühmten  Märtyrers 
lag  schon  dem  Hieronymus  und  Prüden tius  vor^.  Im  Vorbericht: 
„Perimentibus  eos  Maximian!  imperatoris  legibus  Christianus  infesta- 
^atur  exercitus.  per  Ulyricum  vero  Diocletianus  sacrilegis  praeceptis 
in  Christi  populum  hostiliter  saeviebat,  addito  tyrannidi  suae  Maxi- 
miano  in  regno  participe,  qui  et  suam  rabiem  et  Diocletiani  per 
omnem  Illyricum  ostenderet".  —  „a  Maximo  praeside  (fugiens) 
iossus  est  comprehendi".  „imperatorum  praecepta".  „consentiens 
eris  sacerdos  magno  deo  Jovi,  alioquin  ad  Amantii  Praesidis  primae 
Pannoniae^  iudicium  dirigeris,  a  quo  dignam  mortis  sententiam 
excipias*".  „cum  deductus  fuisset  b.  Quirinus  ad  primam  Pannoniam 
et  per  singulas  civitates  vinctus  catenis  ad  Praesidis  Amantii 
iudicium  traheretur,  si  quidem  ad  ripam  Danubii  ad  singulas  civi- 
tates [ducebatur],  Amantio  eodem  die  revertente  de  civitate  Scara- 
betensi,  offertur  ei  b.  Quirinus  episc,  quem  Praeses  ad  urbem 
Sabariensem  [Scarabantiam]  ad  audiendum  censuit  repedari*".    Die 

Passio  ist  einige  Zeit  nach  dem  Ereignis  geschrieben  (c.  5 :  „corpus 

inventum  est,  ubi  etiam  locus  orationis  habetur"),  aber  im  wesent- 
lichen glaubwürdig  (trotz  des  kleinen  Wunders  in  c.  4)  *. 


gynmasiums  zu  Berlin,  1886;  Wattenbach,  Berliner  Sitzungsber.  1896  S.  1281  ff. 
Anal.  BoU.  Bd.  16  [1897]  S.  337;  Ehrhard  machte  [Altkirchl.  Litt.-Gesch. 
S.  559]  auf  einen  griechischen  Text  aufmerksam)  kann  nicht  hierher  gerechnet 
werden,  obgleich  sie  Glaubwürdiges  enth&lt. 

1]  Dies  Testament  in  der  griechischen  Originalsprache  ist  aufs  neue  ent- 
deckt und  samt  der  Übersetzung  einer  altslawischen  Version  ediert  worden  von 
Bonwetsch  (Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  3  [1892]  S.  705 ff.  und  Stud.  z.  Gesch.  d. 
Theol.  u.  Kirche  T,  1,  1897,  8.  71  ff.),  abgedruckt  bei  Gebhardt  S.  166  ff. 
Knopf  S.  107ff.  Die  Akten  griechisch  bei  Abicht  und  Schmidt  (hier  auch 
in  slaw.  Übers.)  in  dem  Archiv  f.  slaw.  Philol.  Bd.  18,  1896,  8.  144  ff.  und  bei 
Gebhardt  S.  171ff.  S.  Haußleiter,  Neue  kirchl.  Ztschr.  a.  a.  0.  S.  978ff. 
Harnack,  Gesch.  der  Mission,  1902,  S.  471. 

2)  Ruinart  p.  522ff. 

3)  Hieron.  Chron.  ad  ann.  2324,  Prudent.,  Peristeph.  7. 

4)  D.  h.  nach  Pannonia  superior;  zu  dieser  Provinz  gehörte  Quirinus  als 
Bischof  von  Siscia.  Er  war  aber  augenscheinlich  nach  Pannonia  II  (inferior) 
geflohen  und  wurde  von  dem  dortigen  Legaten  Maximus  verhaftet,  um  dann  aus- 
geliefert zu  werden. 

5)  Passio  Tarachi  (aus  Claudiopolis   Isaur.),   Probi   (aus   Side   Pamph.)  et 


4gO  ^-  Martyrien. 


Andronici  (aus  Ephesus),  erstes  Verhör  in  Tarsus,  zweites  und  drittes  und  Mar- 
tyrium in  Anazarbus  Cilic,  wahrscheinlich  im  J.  304  —  den  Kern  der  Paeäo 
(c.  1—9;  cf.  Ruinart  p.  451flE'.  [griech.  und  lat.].  Mason,  1.  c  p.  189— 2C4j 
wird  man,  wenn  auch  starke  Bedenken  nachbleiben,  für  eine  zwar  ausge- 
schmückte, aber  im  wesentlichen  zuverlässige  Wiedergabe  der  Protokolle  halten 
können,  wenigstens  scheint  mir  eine  Erfindung  dieser  ermüdenden  Wieder- 
holungen und  der  immer  wieder  markierten  Schläge  und  Martern  weniger  glaublicL 
Die  Eonsulatszahlen  für  Diokletian  und  Maximian  sind  in  den  HandBchiiften 
verdorben,  ebenso  ist  das  Monatsdatum  unsicher;  das  Jahr  304  ist  nur  a  priori 
wahrscheinlich.  Der  Präses  heißt  (nach  dem  Griechen)  Flavius  GaiuB  Nnmeri- 
anus  Maximus  (1.  4.  7  etc.).  Das  Wunder  in  c.  6  ist  nicht  anstößig,  die  Noüz 
in  c.  7 :  fl  xal  xa  fidXiaxa  ovx  MSetnl  aoi  xaxa  xov  acipiaxog  fiov  avQauanixof 
ovxa  ovx(og  nagavofAwq  ßaaavtC,Hv^  vertrauenerweckend.  Der  Hinweis  des 
Richters  (c.  9)  auf  Pilatusakten  paßt  besser  für  die  Zeit  Maximins.  Dagegen 
ist  die  Schilderung  der  Passio,  die  in  der  1.  Person  Plural,  gehalten  ist,  gans 
imglaub würdig  (c.  10.  11).  Damit  fällt  auch  das  (im  Griech.  fehlende)  vorge- 
setzte Schreiben  als  eine  Fälschung  dahin  (Brief  von  10  Giliciem  an  die  BiAder 
in  Ikonium;  in  ihm  heißt  es:  „et  quia  omnia  scripta  confessionis  eoromneoesee 
erat  nos  colligere,  a  quodam  nomine  Sabasto,  uno  de  spiculatoribns,  CG  denarüs 
omnia  ista  transscripsimus''.  Die  Ikonier  erhalten  den  Auftrag,  die  Passio  den 
Brüdern  in  Pisidien  und  Pamphylien  mitzuteilen).  Dann  erhebt  sich  doch  die 
Frage  noch  einmal,  ob  nicht  das  Ganze  von  Anfemg  bis  zu  Ende  eine  F&lschang 
ist;   aber  ich  getraue  mir  nicht,  sie  mit  einem  sichern  Ja  zu  beantworten. 

Die  Passio  S.  Theodoti  Ancyrani  (s.  Ruinart  p.  373 ff.  Mason  p.  354£i 
hat  Franchi  de'  Cavalieri  in  einer  kritischen  Ausgabe  vorgelegt,  kommen- 
tiert, eingehend  untersucht  und  für  wesentlich  glaubwürdig  erklärt  (I  Martin 
di  S.  Teodoto  e  di  S.  Ariadne  etc.,  Roma,  1901  in  den  „Studi  e  Testi"  Nr.  0. 
In  der  Theol.  Litt.-Ztg.  1902  Nr.  12  habe  ich  in  geschichtlicher  Hinsicht  die 
Glaubwürdigkeit  der  kulturgeschichtlich  und  antiquarisch  höchst  wertvollen 
Akten  Franchi  gegenüber  herabgesetzt.  Kol.  359:  „Ich  glaube,  daß  Fr.  in  der 
Annahme  von  Dichtungen  zu  zurückhaltend  gewesen  ist.  Da  er  den  ganzen 
Schluß,  der  eine  Herodot  nachgebildete  Novelle  enthält,  für  unglaubwürdig  er 
klärt,  wird  er  auch  in  den  vorhergehenden  Erzählungen  noch  manches  streichen 
müssen.  .  .  .  Dieser  Nilus  ist  ein  vortrefflicher  Novellist".  In  bezug  auf  die 
Zeit  der  Abfassung  zeigte  ich,  daß  sie  nicht  unter  Diokletian,  sondern  nacn 
Daza  [unter  dem  das  Martyrium  sich  ereignet  hat],  vielleicht  erst  nach  Julian  ßHt. 
Delehaye  (in  den  Acta  Bolland.  Bd.  22,  1903,  p.  320ff.)  ist  noch  einen  b<f- 
deutenden  Schritt  weiter  gegangen  und  hat  die  von  den  Akten  selbst  behsnp- 
tete  Abfassung  durch  einen  früheren  Mitgefangenen,  Nilus,  bestritten.  Er  stötit 
sich  auf  zahlreiche  ünwahrscheinlichkeiten  der  Erzählung.  Das  Ganze  sei  eine 
künstliche  Schöpfung,  mit  folkloristischen  Elementen  durchzogen.  „La  substance 
mßme  du  morceau  est  l^gendaire  et  le  pr^tendu  compagnon  du  martyr  n'e^t 
qu'un  imposteur.  Dans  son  ensenible,  Thistoire  qu'ii  nous  conte  est  un  morceau 
de  fantaisie,  dans  lequel  il  a  fait  entrer  les  614ments  les  plus  disparates".  Die 
Erzählung  von  den  sieben  alten  Jungfrauen  kann  ausgeschieden  werden  und 
bildet  eine  Überlieferung  für  sich,  die  sich  nach  dem  Synax.  eccl.  CP.  p.  546 
für  Amisus  nachweisen  läßt.  Gerade  sie  ist  freilich  auch  „une  tradition  l^n- 
daire  et  m§me  mythologique  bien  marqu^e".  Festen  Boden  hat  man  nirgen<iä 
unter  den  Füßen.  Das  Ganze  ist  eine  Dichtung  wie  die  Passio  Bonifacü,  die 
Passio  Nicephori  und  die  Passio  Theoduli,  die  auch  ihrer  Art  nach  mit  unsert? 


I.  Martyrien.  4g  1 

Passio  Typasii  Veterani  Ticabae  [Cicabae]  =  Tigava  casta-a 
Mauret,  III  Id.  Jan.  (305  oder  etwas  später)^  —  „In  temporibus 


moralischen  Novelle  verwandt  sind.  Hat  Theodotus  Ancyranus  überhaupt 
existiert?  Diese  seine  Passio  ist  das  einzige  Zeugnis,  doch  —  muß  nicht  in 
Malos  sein  Heiligtum  gewesen  sein  imd  bezeugt  das  nicht  seine  Existenz? 
Möglicherweise,  aber  sicher  ist  das  auch  nicht.  Soweit  Delehaye.  Nach  seinen 
Ausführungen  muß  man  die  AbfiEu»ung  durch  einen  Mitgefangenen  in  der  Tat 
fallen  lassen  und  das  Stück  in  sp&tere  Zeit  rücken.  Daß  es  einen  Kern  alter 
Überlieferung  enthält,  glaube  ich  festhalten  zu  müssen.  Eine  Reihe  von  Zügen 
macht  doch  einen  wesentlich  anderen  Eindruck  als  die  Passiones  Boni&cii  und 
Nicephori.    Allein,  wie  sie  jetzt  vorliegt,  ist  diese  Passio  unglaubwürdig. 

Dasselbe  gilt  von  der  Passio  Sergii  et  Bacchi,  kaiserlicher  Palastofßziere 
zu  Antiochien,  M&rtyrer  zu  Resaph  bez.  zu  Beth  Ballasch  in  Eomagene  (grie- 
chisch zuerst  in  den  Anal.  Bolland.  Bd.  14,  1895,  S.  373  ff.)*  ^ei*  VerfEisser 
scheint  in  Eomagene  zu  Hause  zu  sein,  und  seine  „Novelle''  —  das  ist  sie  — 
ist  in  geogpraphischer  und  vielleicht  auch  milit&rwissenschaftlicher  Hinsicht 
nicht  ohne  Wert;  aber  geschichtlichen  Wert  (auch  wenn  man  den  Tyrannen 
Mazimianus  in  Maximinus  ändert,  was  notwendig  erscheint)  besitzt  sie  nicht, 
und  ich  wundere  mich,  daß  Le  Blant,  Allard  und  die  Bollandisten  dies 
nicht  gesehen  haben.  Ist  in  ihr  ein  echter  Kern  verborgen,  so  ist  er  doch  nicht  mehr 
zu  ermitteln.  Martyrien,  in  denen  der  Kaiser  selbst  redet  —  hier  rückt  er  u.  a. 
den  Christen  den  ehebrecherischen  Ursprung  Christi  auf  (c.  8)  — ,  sind  von  vorn- 
herein bedenklich.  —  Fast  noch  deutlicher  tritt  die  Unbrauchbarkeit  der  Passio 
Pancratü,  eines  reichen,  auch  in  Rom  begüterten  jungen  Phrygiers  (Anal. 
Bolland.  Bd.  10  p.  53£],  hervor,  der  ein  Zwiegespräch  mit  Diokletian  geführt 
haben  soll,  das  von  Unglaublichkeiten  wimmelt.  —  Auch  die  Passio  Fabii 
VexUliferi  (Anal.  Bolland.  Bd.  9,  1890,  p.  107  ff.  3  23  ff.)  ist  aus  der  Liste  der 
echten  Martyrien  zu  streichen.  Die  Bollandisten  urteilen  selbst  so,  glauben 
aber  die  Abfassung  im  4.  oder  5.  Jahrhundert  festhalten  zu  können.  Die  Passio 
soll  in  Caesarea  Mauret.  die  pridie  Eal.  Aug.  sub  Diocl.  et  Mazimiano  coss. 
(oder,  wie  es  c  2  heißt:  „Diocl.  et  Maximiane  Augustis,  Constantio  et  Maxi- 
miane [Galerie]  consulibus";  statt  „consulibus''  ist  natürlich  „caesaribus''  zu 
lesen)  stattgefunden  haben.  —  Die  Passio  Sereni  Sirmiensis  (Ruinart  p.  517 f.) 
ist  eine  Keuschheitsgeschichte,  eine  Novelle.  Was  ihr  an  Tatsächlichem  etwa 
zugprunde  liegt  (da  sie  zwar  mit  dem  Tode  des  Serenus  endigt,  aber  in  der  eigent- 
lichen Erzählung  die  erwartete  Pointe  fehlt,  wird  sie  wohl  nicht  einfach  erfanden 
sein),  läßt  sich  nicht  mehr  entscheiden.  Die  Frau  eines  „domesticus  Maximiani 
imperatoris"  spielt  in  dem  Stück  eine  Hauptrolle.  Der  Präses  ist  nicht  genannt. 
Ehrhard  (Die  altchristl.  Litt.,  1900,  S.  547)  schreibt:  „Auf  dem  2.  Kon- 
greß  der  christlichen  Archäologen  in  Rom  1900  gab  Mercati  Kenntnis  von 
Fragmenten  eines  griechischen  Martyriums  von  Trophimus  und  Genossen  auf 
Palimpsestblättem  des  Cod.  Vatic.  Gr.  1853,  die  wohl  den  ältesten  Text  über 
diese  Gruppe  von  Märtyrern  darstellen.  Die  Fragmente  enthalten  in  Form 
eines  Dialogs  zwischen  Trophimus  und  dem  Richter  eine  Apologie  gegen  die 
Griechen,  von  der  Bestandteile  sich  bei  Clemens  Alex.,  Eusebius  Caes.  und 
Theodoret  vorfinden  [dies  ist  nicht  deutlich].  Hoffentlich  wird  Mercati  seinen 
Fund  bald  veröffentlichen". 

1)  S.  AnaL  Bolland.  Bd.  9,  1890,  S.  107ff.  llöff.  Hier  sind  die  Akten  zum 
ersten  Mal  ediert. 

Harnack,  Altchristl.  Litteratargesch.  II,  8.  31 


482  ^'  Martyrien, 

Diocletiani  et  Maximiani  Imperatorum  parva  adhuc  christiaüitatis 
religio  fuerat"  [das  war  der  Eindruck  in  Mauretanien]  et  per  uni- 
versam  propemodum  terram  bella  surrexerant.  nam  in  partibus 
Orientis  Narseus  quidam  nomine  assumpserat  tyi*annidem  [T i He- 
rn ont,  Hist.  des  emper.  T.  4  p.  16  f.],  in  Britannia  Carausius  rebella- 
verat  [Tillemont,  1.  c.  p.  6. 12. 14],  Achilleus  Aegyptum  Lybiamque 
yastabat  [ibid.  p.  15],  in  partibus  quoque  Galliarum  Bacaudae  ciiide- 
liter  saeviebant  [ibid.  p.  5J.  praeterea  in  Sitifensi  provincia  gentiles 
qui  semper  pacati  fuerant  et  Quinquegentiani  vocantur  [cf.  Corp. 
Inscr.  Lat.  T.  VIII  nr.2615],  dii^eptis  provincialium  facultatibus  atque 
universis  possessoribus  incollsque  prostatis  latrocinia  perpetrabant 
contra  quos  multi  iudices  produxerant  [processerant?]  et  universi 
cum  magnis  exercitibus  victi  perierant,  in  tantum  ut  terribili  horrore 
nuUus  iam  comes  ad  ipsas  partes  .änderet  accedere  et  duces,  qui 
ad  Sitifensem  provinciam  mittebantur,  aut  aegritudinem  fingerent 
aut  veluti  naufragia  formidantes  in  vicinas  Italiae  insolas  resi- 
derent.  tanta  erat  desperatio  ut  Africa  Romanis  necata  videretur 
imperio.  Diocletianus  itaque,  oppressus  tantorum  clade  bellorum, 
Maximianum  ex  Caesare  fecit  Augustum  eumque  adversus  Quinque- 
gentianos  ad  Sitifensem  misit,  qui  edicto  suo  universos  ad  auxiliuin 
milites  convocaret".  Eine  solche  umfassende  historische  Einleitung 
ist  in  Martyrien  ganz  ungewöhnlich  K  „Typasius  qui  iam  dignis 
stipendiis  inter  commilitaneos  militabat".  „Claudio  comite,  pro- 
vinciae  duce".  „Maximianus  edictum  per  Afticam  misit,  ut  demo- 
lirentur  ecclesiae,  incenderentur  divinae  legis  Codices,  turificarent 
sacerdotes  et  populi".  Die  Passio  ist  wohl  noch  im  4.  Jahrhundert 
geschrieben  und  geht  in  ihren  mittleren  Partien  auf  die  Proto- 
kolle zurück,  während  die  lange  Vorgeschichte  und  der  Schluß 
legendarisch  sind. 


1)  Cf.  den  Schluß  (c.  8):  „lesus  Christus  ....  Diocletiani  et  Maximian! 
ademit  imperium.  nam  quotiens  accipiebant  diademas  et  purparas,  confestim 
graviter  vexabantur,  ut  nee  cibum  caperent  nee  somno  reficerentnr  nee  respiwre 
nee  super  genua  sua  consistere  aut  vivere  penitus  potuissent;  quotiens  auteni 
privati  fuissent,  recipiebant  invalidi  sanitatem.  cum  autem  se  vidissent  multo 
iam  tempore  tali  contagione  tabescere,  sponte  sua  deposuenint  omamenta 
regalia,  quod  noc  autea  nee  postea  factum  est,  manu  sua  qui  eis  succesäeraut 
tradiderunt,  et  in  possessionibus,  imperantibus  aliis,  privati  \'ixerunt.  sed  Maxi- 
mianus,  qui  persecutionis  huius  fuerat  princeps,  dum  sub  praetextu  inimicitiarum 
Maxcntü  filii  sui  Constantino  imperatori  genero  suo  pararet  insidias,  detectus 
per  Faustam  filiam  suam,  quae  dolura  marito  renuntiaverat,  profiigit  Massiliaequ«.* 
oppressus  [ea]  causa  Constantini  iussu  est  peremptus". 


n.  Eirohenreohtliohe  Litterator. 

Kiixhenrechtliche  Bestimmungen  im  engeren  Sinn  und  in  schrift- 
lich fixierter  Form  hat  es  im  3.,  ja  schon  im  2.  Jahrhundert  ge- 
geben. Von  autoritativen  Bischöfen  und  Synoden  sind  sie  nur  zum 
Teil  ausgegangen.  Was  sich  aÄf  bestimmte  Urheber  zurückführen 
läßt,  ist  an  seinem  Orte  genannt  worden  ^  Aber  darüber  hinaus 
hören  wir  von  Kanones,  die  wir  nicht  genauer  zu  fassen  vermögen, 
und  sind  uns  Schriften  überliefert,  deren  Verfasser  und  Ursprung 
wir  nicht  kennen. 

Was  das  Erste  betrifft,  so  sei  an  zwei  illustre  Beispiele  er- 
innert Wir  lesen  in  Hippolyts  Ref utat.  IX,  1 1  von  dem  römischen 
Bischof  Zephyrin,  daß  er  ajteigog  rcov  kxxXrjöiaorixcip  oqcop  ge- 
wesen sei'^.  Was  sind  das  für  Bestimmungen  gewesen  und  in 
welcher  Form  existierten  sie?  Die  Väter  von  Nicäa  aber  haben 
in  ihren  Feststellungen  sich  wiederholt  auf  „den  Kanon",  „den 
kirchlichen  Kanon",  „dieDogmata  [Feststellungen]  der  apostolischen 
und  katholischen  Kirche",  „das  alte  und  kanonische  Gesetz",  „die 
Bestimmung"  [ogog]  berufen  (c  2.  5.  6.  9  [10].  13.  15.  16.  18.  19). 
Wir  wissen  nichts  darüber,  was  das  für  Kanones  gewesen  sind, 
ob  und  wie  sie  zusammengeordnet  waren,  welches  Geltungsgebiet 
sie  hatten  und  woher  ihre  Geltung  stammte.  Nur  das  wissen  wir, 
daß  sie  bestimmt  fixiert  gewesen  sein  müssen;  denn  c.  18  wird 
6  xavciv  ausdrücklich  wie  von  rj  avpi^O-eia  {coöjibq  ovxb  o  xavcov 
OVT6  rj  Cvvrid-Bia  jtaQiöcoxe)  so  von  ra^ig  {jtaQa  xavova  yaQ  xal 
jtaga  xa^iv  iöxl  xo  yivofievov)  unterschieden.    Ganz  vergeblich 


1)  Für  das  2.  Jahrb.  sei  an  die  Didache  und  an  die  Quellenschriften  der 
sog.  Apostolischen  Kirchenordnung  erinnert,  für  das  dritte  an  Bestimmungen 
kleinasiatischer  (Ikonium,  Synnada,  Ancyra,  Neoc&sarea),  syrischer  (Antiochien), 
römischer  und  afrikanischer  Synoden,  feraer  an  den  Kanon  des  Heraklas  von 
Alexandrien,  an  die  Bußbestimmungen  verschiedener  Bischöfe  usw. 

2)  Hierzu  ist  auch  Ep.  Clem.  ad  Jacob.  2  und  19  zu  vergleichen,  wo  Petrus 
von  Clemens  sagt,  er  sei  Blöihq  xhv  ttjq  ixxXrjaiag  xavova  (in  bezug  auf  das 
Binden  und  Lösen). 


4^4  ^^'  Kirchenrechiliche  Litteratur. 

waren  bisher  alle  meiDC  Bemühungen,  das  hier  bestehende  Bitfd 
zu  losend 

In  Betracht  kommen  für  unsere  Untersuchung  (l)diesog.ÄpoElt- 
lische  Kirchenordnung,  (2)  die  sog.  Apostolische  Didaskalia  —  m 
besonders  wertvolles  Werk  —  und  (3)  Kirchenrechtliches  nirte 
dem  Namen  des  Hippolyt  .^ 

1)  Die  sog.  Apostolische  Eirchenordnungl 

In  dem  1.  Teile  dieser  Littei*aturge8chichte  S.  451— 466  habe 
ich  auf  Grund  meiner  früheren  Untersuchungen^  ausfuhrlich  Be 
rieht  über  den  Gang  der  Forschung  in  bezug  auf  dieses  merk- 
würdige Buch  und  den  Stand  derselben  erstattet^.  Diese  Dir 
legungen  brauche  ich  nicht  zu  wiederholen.  Das  Material  ist  seit- 
dem bereichert  worden.  Nicht  nur  sind  in  Neapel  und  Paris 
Zwillingskodizes  zum  Ottobon.  Gr.  408  (Neapol.  6r.  93  11  C  S 
saec.  XI^^  vel  XIII.  und  Paris.  Gr.  1555  A  saec  XIV.)  hinn- 
getreten  ^  --  das  bedeutet  nicht  viel  — ,  sondern  auch  die  syrischen 

1)  An  die  sog.  ,, Apostolischen  Eanones"  ist  sicher  nicht  eu  denken;  denn 
sie  sind  jünger.  —  Der  in  c.  2  angezogene  kirchliche  Kanon  bestunmt^  daß  der 
Taufe  eine  längere  Unterrichts-  und  PrQfimgBzeit  vorangehen  müsse  (ob  &  I 
sich  am  Schluß  auf  einen  früheren  Kanon  bezieht,  ist  zweifelhafte.  Der  in  (■ ' 
angezogene  Kanon  besagt,  daß,  wer  von  den  einen  ausgeschlosst^n  ist^  nicbt 
von  d«'n  andern  wieder  aufgenommen  werden  soll.  Der  c  6  blickt  auf  f'»^'' 
Bestimmungen  ül)er  die  Bischofswahl  zurück,  ebenso  der  c.  9.  Der  c.  13  ?agT- 
daß  „das  alte  und  kanonische  Gesetz"  die  Wiederaufnahme  Gefallener  in  ca-^ 
mortis  gebiete.  Der  c.  15  blickt  auf  einen  Kanon  zurück,  der  bestimmt«,  oLiß 
kein  Bipchof  oder  Priester  oder  Diakon  von  einer  Stadt  zur  andern  übergt-beu 
soll,  der  v.  10  auf  einen  ähnlichen,  der  verbot,  daß  Oeistliche  (inkl.  niede:- 
Kleriker)  überhaupt  ihre  Kirchen  verlassen.  Nach  c.  18  widerstreitet  es  ,A^ 
Kanon",  daß  Diakonen  den  Priestern  die  Eucharistie  reichen.  Nach  c.  10  gi"'* 
es  einen  ,"0()og",  daß  die  Anhänger  Pauls  von  Samosata  wiedergetauft  werdet: 
müssen,  weim  sie  in  die  katholische  Kirche  aufgenommen  werden  wollen.  Di- 
als  „altes  und  kanonisches  Gesetz"  bezeichnete  Bestimmung  in  c.  13.  diß 
(gefallene  in  casu  mortis  wiederaufzunehmen  sind,  kann  nicht  Yor  dem  J.  l!'l 
getrofien  worden  sein.  Dasselbe  gilt  von  der  Bestimmung  gegen  die  Anhänsrer 
Pauls  von  Samosata.  Daher  werden  wohl  die  meisten  angezogenen  Kanoof« 
erst  aus  der  2.  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  stammen  (von  den  großen  orl''^ 
talischeu  Jr^ynoden,  die  zwischen  251  und  268  gehalten  worden  sind?). 

2)  Üljer  den  ursprünglichen  Titel  kann  man  nicht  ins  klare  kommen,  lui 
Vindob.  lauti^t  er:  Ai  öiazayal  al  öia  KXtj/iBvtog  xal  xavoveg  ixxJiijütaatüiol 
twv  ay.  dnoovoXwv. 

3)  T.'xte  u.  Unters.  Bd.  II,  1.  2  und  II,  5. 

4)  Vgl.  auch  den  1.  Band  der  Chronologie  S.  532.  712, 

5)  Von  jenem  besitze  ich  die  Varianten;  diesen  hat  Schermaun  ^Orit•n^ 
Christ.  Bd.  2,  11X)2.  S.  ;{9SfF.)  beschrieben. 


Die  sog.  Apostolische  Kirchenordnung.  435 

^  Zeugen  haben  sich  vermehrt  ^  nnd  vor  allem  hat  Hauler  in  einem 
Veronenser  Palimpsest  unsere  KO.  lateinisch  nachgewiesen  2. 

Für  die  Beurteilung  der  Schrift  —  wenn  man  davon  absieht, 

i   daß  die  lateinische  Version,   die  Hauler  in  die  2.  Hälfte  des 

«  4<  Jahrhunderts  setzt,  den  früher  schon  wahrscheinlichen  terminus 
^  quem  bestätigt  —  hat  das  alles  nichts  ausgetragen.  Auch  der 
Text  erscheint  weder  durch  die  Syrer  noch  durch  den  Lateiner 

^  wesentlich  verbessert.  In  bezog  auf  das  Alter  der  Schrift  in 
ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  besteht  noch  eine  kleine  Kontrovei'se. 

,  Achelis',  Ehrhard^  und  Bardenhewer*  wollen  nicht  über 
das  J.  c.  300  heruntergehen,  während  ich  auch  den  Anfang  des 
4.  Jahrhunderts  offen  gelassen,  ja  ihn  empfohlen  habe^  und  Funk, 
der  früher  das  Büchlein  bis  in  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrh. 
hinaufgerückt  hatte,  sich  mir  angeschlossen  hatl  Eine  sichere 
Entscheidung  ist  nicht  möglich.  Sicher  ist  nur,  daß  um  350  der 
terminus  ad  quem  liegt  ^  und  daß  der  terminns  a  quo  nicht  vor 
c.  250  fallen  kann.  Innerhalb  dieses  Zeitraumes  aber  liegt  es 
näher,  die  zweite  Hälfte  zu  bevorzugen,  weil  wir  erst  im  4.  Jahr- 
hundert für  diese  Art,  auf  die  einzelnen  Apostel  Anordnungen  zu 
verteilen,  Beispiele  haben,  und  weil,  wie  Funk  richtig  bemerkt, 
die  Schrift  den  apostolischen  Konstitutionen  formell  näher  steht 
als  der  Litteratar  des  3.  Jahrh.,  soweit  sie  uns  bekannt  ist.  Die 
Gründe,  welche  Achelis  angeführt  hat,  um  das  3.  Jahrh.  zu  be- 
haupten, hat  Funk  widerlegt  (ünbekanntschaft  mit  der  Metro- 


1)  S.  Baumstark,  Widmung  des  Kollegiums  des  deutschen  Campo  Santo 
an  den  Internat.  Archäol.  Kongreß,  1900,  S.  15 ff.  (Cod.  Mus.  Borg.).  Arendzen, 
Joum.  of  Theol.  Stud.  Bd.  3,  1900,  p.  59  ff.  (Cod.  Malab.  üniversit.  Canterb,  und 
Cod.  Mosul.),  dazu  Nestle,  Theol.  Litt.-Ztg.  1902  Nr.  1  Kol.  1.  Zur  koptisch- 
arabischen Gestalt  8.  Riedel,  Die  Kirchenrechtsquellen  des  Patriarchats 
Alexandrien,  1900,  S.  21  f.  69  f. 

2)  Didascal.  Apost.  fragm.  Veron.  Lat.  Accedunt  canonum  qui  dicuntur 
apostolorum  et  Aegyptiorum  reliquiae,  fasc.  I,  1900  p.  92  ff.  Erhalten  sind  die 
CO.  18—30. 

3)  In  der  Protest.  REnzyklop.3  Bd.  1  S.  730  ff. 

4)  Die  altchristl.  Litteratur,  1900,  S.  530  f. 

5)  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  Bd.  2  S.  202 ff'. 
0)  texte  u.  Unters.  II,  1.  2  S.  218f. 

7)  Kirchengesch.  Abhandl.  u.  Unters.  2.  Bd.,  1899,  S.  249 f.  Funk  meint 
jetzt,  die  Schrift  sei  von  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  eher  etwas  zu  entfernen 
als  ihm  nahe  zu  rücken;  man  könne  sehr  wohl  in  die  nachnicänische  Zeit  gehen. 

8)  Die  Hypothese  der  Identifizierung  unserer  Schrift  mit  der  Schrift,  die 
Hufin  (Comm.  in  symb.  apost.  38)  „Duae  viae  vel  ludicium  Petri",  Hieronymus 
(De  vir.  inl.  1 )  „ludicium  Petri"  genannt  hat,  verstärkt  diesen  durch  die  Existenz 
der  lateinischen  Version  gebotenen  Terminus.  Jene  Hypothese  aber  ist  durch 
die  Auffindung  der  Version  erst  wirklich  wahrscheinlich  geworden. 


4g6  ^^*  Kirchenrechtliche  Liiteratar. 

politauverfassung  nnd  den  Clerici  minores).  Man  wird  der  Wah^ 
heit  am  nächsten  kommen,  wenn  man  300—350  als  Abfassongszeit 
bestimmt.  Der  Abfassangsort  wird  immer  noch  am  sichersten  in 
Ägypten  gesucht.  Dort  sind  die  Quellen  unserer  Schrift,  Didache 
und  Bai*Dabas  (auch  I  Clemens)  am  höchsten  gehalten  worden  i;  dort 
finden  wir  die  Unterscheidung  von  Petiois  nnd  Eephas,  wie  sie  unsere 
Schrift  macht,  nämlich  bei  Clemens  Alex,  (doch  ist  ihm  Eephas 
nicht,  wie  in  der  KO.,  ein  Zwölfapostel,  sondern  einer  der  Siebzig). 
Das  ist  etwas  so  Singuläres^,  daß  wir  allein  deshalb  an  Ägypten 
festhalten  müssen.  Dorthin  weist  auch  das  Interesse  für  Martha 
und  Maria  und  der  Hauptstamm  der  Überlieferungsgeschichte. 
Daß  sich  in  Syrien  die  Schrift  ebenfalls  findet,  hat  nicht  die  gleiche 
Bedeutung;  denn  nur  bei  Kopten  und  Abessyniem  ist  sie  kirch- 
liches Rechtsbuch  gewesen  und  geblieben.  Wäre  sie  in  Syrien 
entstanden,  so  wäre  auch  schwerer  erklärlich,  daß  sie  so  bald 
ins  Lateinische  übei*setzt  worden  ist.  Ägypten  and  Eom  gehörten 
im  4.  Jahrhundert  zusammen,  nicht  Syrien  und  Rom.  Auf  die 
Didaskalia  darf  man  sich  dagegen  nicht  berufen;  denn  diese  ist 
älter  als  unsere  Schrift;  die  lateinische  Übersetzung  der  Didaskalia 
kann  daher  noch  in  die  kurze  Episode  fallen,  da  Antiochien  und 
Rom  sich  näher  traten  (Zeit  Aurelians);  sie  kann  aber  auch  ftst 
ein  Jahrhundert  später  sein  als  das  Original  (Hauler)'. 

Das  eigentliche  Problem,  welches  die  Apostolische  KO.  bietet  — 
sie  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bestimmt  gewesen,  die  alte 
Didache  zu  verdrängen  — ,  sind  die  Quellen  des  zweiten  Teils  (der 
erste  ist  nichts  anderes  als  eine  Reproduktion  der  „beiden  Wege*, 
wir  wir  sie  aus  der  Didache  und  verwandten  Stücken  kennen). 
Ich  habe  zu  zeigen  versucht,  daß  der  Verfasser  zwei  kirchen- 
reclitliche  Quellenschriften  des  2.  Jahrhunderts  und  dazu  eine  ganz 
singulare  Apostelliste  benutzt  hat  Duchesne^,  Funk*  und 
Achelis^  haben  dem  widersprochen.   Ich  kann,  nachdem  ich  ner- 


1)  Funk  (a.  a.  0.  S.  ^oO)  bemerkt:  „Eine  der  QueUen  der  KO,  «I'T 
Barnabasbrief,  gehört  wohl  Ägypten  an.  Zur  Zeit  ihrer  Entstehung  war  aWr 
derselbe  bereits  so  verbreitet,  daß  seine  Benutzung  für  die  Heimat  der  KO  nicht? 
beweist".    Das  ist  zu  viel  gesagt. 

*J)  Die  Apostellistc  ist  auch  sonst  merkwürdig:  Johannes  und  Matthäus 
stehen  voran  (gewiß  als  Evangelisten),  dann  folgen  Petrus  und  Andn^as;  «li- 
8.  Stelle  nimmt  Nathanael  ein. 

li)  Anderes,  was  auch  für  Ägypten  angeführt  werden  kann,  s.  Text«?  una 
Unters.  II,  1.  2  ^.  210 f. 

4)  Bullet,  critiquo  Bd.  7,  18SC,  p.  367  ff. 

r>)  A.  a.  0.  S.  230  ff.  und  schon  vorher  in  der  Tüb.  Quartalschr,  Bd.  '>'. 
1.SS7,  S.  270  ff 

0)  0.  a.  0. 


Die  sog.  Apostolische  Eirchenordnung.  487 

liial  Über  die  Frage  gehandelt  habe,  nicht  wieder  das  ganze  Problem 
aufrollen.  Daß  die  doppelte  Instruktion  in  bezug  anf  die  Diakonen 
(c.  20  u.  22,  getrennt  darch  eine  Instruktion  über  Witwen),  die  z.  T. 
sich  deckt,  methodisch  durch  die  Annahme  einer  Quelle  erklärt 
werden  muß,  sollte  man  nicht  in  Abrede  stellend  Wie  weit  diese 
Quelle  reicht  und  in  welchem  Maße  der  Redaktor  sie  verändert 
hat,  darüber  läßt  sich  ganz  Sicheres  natürlich  nicht  sagen.  Aber 
am  nächsten  liegt  es  doch  —  da  anf  die  Diakoneninstruktion  eine 
Anweisung  für  die  Laien,  dann  für  die  Weiber  folgt,  und  in  dieser 
sich  ein  so  altertümliches  Stück  findet,  wie  die  Wechselrede  von 
Martha  und  Maria,  dazu  ein  apokryphes  Herrnwort  — ,  alles  Fol- 
gende bis  c.  28  zu  der  Quelle  zu  rechnen.  Doch  auch  die  Ab- 
schnitte, in  denen  die  erste  Diakoneninstruktion  steht  (c,  16—21), 
können  nicht  erst  im  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  konzipiert  sein. 
Oder  waren  im  4.  JahrL  Laien  aus  Nachbargemeinden  bei  der 
Bischofsauswahl  beteiligt?  (c.  16).  Stand  im  4.  Jahrhundert  der 
Lektor  vor  dem  Diakon?  (c.  19.  20).  Haben  die  Bestimmungen 
über  Presbyter  (c.  17.  18)  —  Funk  deutet  sie  z.  T.  auf  Diakonen  — 
im  4.  oder  3.  Jahrhundert  irgendwelche  Analogien?  Wurden  im 
3.  Jahrhundert  Witwen  „zum  Empfang  von  Offenbarungen"  ein- 
gesetzt, so  daß  sie  als  die  Geistträger  in  der  Gemeinde  erscheinen? 
So  wird  es  dabei  bleiben,  daß,  wie  die  erste  Hälfte  des  Buches 
auf  Quellen  ruht  (und  zwar  auf  solchen  des  2.  Jahrhunderts),  so 
auch  die  zweite.  Nur  so  ist  auch  das  ganze  Unternehmen,  welches 
sonst  eine  Fälschung  von  exorbitanter  Dreistigkeit  wäre,  verständ- 
lich. Der  Redaktor  hatte  Quellen  vor  sich,  die  sich  teils  selbst 
als  apostolische  bezeichneten  oder  so  verstanden  werden  konnten 
{Aiöaxri  xmv  ajtoöx6X(Dv\  teils  in  das  graueste  Altertum  und  darum 
bis  in  die  apostolische  Zeit  zurückzureichen  schienen,  da  ihr  In- 
halt dem  der  Pastoralbriefe  so  nahe  stand.  Auf  Grund  dieser 
Quellen  hat  er  es  gewagt,  unter  Umformungen  das  vorzulegen,  was 
er  uns  als  „Kirchliche  Kanones  der  h.  Apostel  nach  dem  Befehl 
des  Herrn  Jesu  Christi"  vorgelegt  hat.  Wie  viel  er  dabei  ge- 
ändert hat,  läßt  sich  nicht  mehr  sagen  —  es  war  vielleicht  mehr, 
als  ich  nachgewiesen  habe.  Demgemäß  läßt  sich  auch  die  Zahl 
seiner  Quellen  mit  Sicherheit  nicht  mehr  angeben.  Jedenfalls 
stammt  diese  gefälschte  Apostolische  Kirchenordnung  nicht  aus 
einer  der  großen  christlichen  Hauptgemeindeu;  in  einem  Winkel 
muß  sie  entstanden  sein,  hat  sich  von  dort  —  dank  ihrer  Maske  — 
verbreitet  und  ist  zu  Ansehen  gelangt.  So  wie  er  lautet,  konnte 
ihr  kirchenrechtlicher  Bestandteil  im  5.  Jahrhundert  und  den  fol- 


1)  Anerkannt  von  Achelis  S.  731  und,  wenn  auch  zweifelnd,  von  Funk. 


4gg  IL  Kirchenrechtliche  Literatur. 

genden  nirgendwo,  soviel  wir  zu  urteilen  vermögen,  einem  Be 
dürfnisse  entgegenkommen.  Es  kann  lediglich  die  apostoliscte 
Maske  gewesen  sein,  die  die  Schrift  in  die  Höhe  gebracht  und  aaf 
ihr  erhalten  hat.  Einzelnes  konnte  man  ihr  freilich  zu  allen  Zei:«n 
auch  später  noch  entnehmen. 

2)  Die  sog.  Apostolische  Didaskalia^ 

Daß  das  uns  nicht  erhaltene  griechische  Original  dieser  einzig- 
artigen Schrift,  welche  in  einer  syrischen  Version  (mehrere  unter 
sich  differierende  Handschriften  sind  allmählich  aufgetaucht)  und 


1)  Bötticher  (Lagarde),  Didascalia  App.  syriace,  1854.  Versuch  einer 
griech.  Rückübersetzung  von  demselben  in  Bunsens  Analecta  Antenic.  Bd.  2, 
1854.  Harnack  In  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  2  H.  1.  2,  1884,  S.  241—268  und 
H.  5,  1886,  S.  76f.  Derselbe,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.  Teil  I,  1893,  S.  51o& 
Derselbe  in  d.  Stud.  und  Krit.  1893  S.  403flE'.  Derselbe  in  d.  Texten  und 
Unters.  Bd.  9,  H.  2,  2.  Aufl.  1893:  Apost.  Didask.  und  Petrusev.  S.  40ff.  Funk. 
Die  apost.  Konstitutionen,  1891,  S.  28 ff.  Derselbe,  La  date  de  la  Didascalie 
des  apötres  (Extr.  de  la  Revue  d^Hist.  eccl^iast.  II  nr.  4,  1891).  Derselbe  in 
d.  Tüb.  Quartalschr.  1893  S.  259f.  594ff.;  1903  S.  195ff.  Hauler,  Eine  lat. 
Palimpsestübersetzung  der  Didasc.  App.  (Sitzungsber.  d.  E.  Akad.  d.  Wiss.  in 
Wien,  Bd.  134,  1896).  Derselbe,  Didasc.  Apost.  fragmenta  Yeronensia  Latina, 

1900  (dazu  Corssen  in  d.  Ztschr.  f.  Nlliche  Wissensch.  1900  S.  339 ff.  und  in 
d.  Berliner  Philol.  Wochenschr.  1900  Nr.  39.  40).  Zahn,  Neue  Funde  aus  der 
alten  Kirche  (Die  lat.  Didaskalia,  Neue  kirchl.  Zeitschr.  Bd.  11,  1900,  S.  431  ff.'. 
Kattenbusch,  Das  apost.  Symbol  Bd.  I,  1894,  S.  252ff.  394,  Bd.  2,  1900,  S.  2Cr2tf. 
Holzhey,  Die  Abhängigk.  d.  syr.  Didask.  von  der  Dida^he  (Compte  rendu  du 

4.  Congr^s  scient.  intemat.  des  Cathol.,  189S,  Sect.  I  p.  249 ff.).  Derselbe,  Die 
beiden  Rezens.  der  Ignatius-Briefe  und  d.  apost.  Didask.  (Tüb.  Quartalschr.  1898 

5.  320 ff.).  Derselbe,  Dionys.  v.  Alex,  und  die  Didask.  (Theol.  prakt.  Monats- 
schr.  1001  S.  51 5 ff.);  s.  zu  Holzheys  Hypothese  Achelis  in  d.  Theol.  Litt.- 
Ztg.  1898  Nr.  16.  Ehrhard,  Die  altchiistl.  Litteratur,  1900,  S.  523 ff.  Riedel, 
Die  Kirchenrechtsquellen  des  Patriarchats  Alexandrien,  1900,  §  22,  S.  l*>4f. 
Nau,  Ancienne  litt^rature  Syriaque  I,   Extrait  du  „Canoniste  Contemp."  Febr. 

1901  bis  Mai  1902:  Französische  Übersetzung  der  syr.  Didask.  [von  mir  nicht 
eingesehen].  Gibson,  The  Didasc.  Apost.  in  Syriac,  ed.  from  a  Mesopot.  Ms. 
[ann.  1036  p.  Chr.]  with  various  readings  and  collations  of  other  Mss.  [einer 
Cambridger  Hdschr.  und  einem  Ms.  Mus.  Borg.,  s.  über  diesen  Nau];  dazu  eine 
englische  Übersetzung  der  syr.  Didask.  (Horae  Semit.  Nr.  1.  2,  190.3);  dazu: 
Wellhausen  i.  Gott.  Gel.  Anz.  1903  S.  258ff.  Nestle  in  d.  Ztschr.  f.  NTliehr» 
Wissensch.  1901  S.  151  f.,  in  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1903  Nr.  14  und  in  The 
American  Journ.  of  Theology  Bd.  7  H.  4,  1903,  p.  750.  Böhmer-Romundt 
in  d.  Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  Bd.  4Ü,  1903,  S.  375  [Opus  imperf.  u.  Didasc.]. 
Achelis,  Art.  „Apost.  Konstitut."  in  der  Protest.  REnzykl.s  Bd.  1,  1890,  S.  734ff. 
Derselbe,  Theol.  Litt.-Ztg.  1890  Kol.  540f.  Derselbe  und  Flemming,  Die 
syrische  Didaskalia  übersetzt  und  erklärt  (Texte  u.  Unters.  Bd.  25  H.  2,  W.^]. 
Bardenhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  Bd.  2,  190.S,  S.  2.55ff. 


Die  sog.  AposioliBche  Didaskalia.  4g9 

in  einer  altlateinischen  Übersetzang  (nach  Hau  1er  saec.  IV.;  Ms. 
saec.  VI.  init)  vorliegt*  und  die  Grundschrift  der  sechs  ersten 
Bücher  der  apostolischen  Konstitutionen  bildet,  dem  3.  Jahrhundert 
angehört,  wird  ni.  W.  von  Niemandem  bestritten.  Leicht  läßt  sich 
in  der  Tat  sowohl  der  terminus  a  quo  als  ad  quem  bestimmen.  Eine 
im  Orient,  näher  in  Syrien  oder  Palästina  oder  Arabien,  verfaßte 
Schrift,  die  mit  den  Worten  beginnt:  „Die  Pflanzung  Gottes  und 
der  heilige  Weinberg  seiner  katholischen  Kirche"  usw.,  die 
die  Didache,  die  Ignatiusbriefe,  das  Petrusevangelium  (s.  meine 
Nachweisungen  i,  d.  Texten  u.  Unters.  Bd.  9,  H.  2,  1893),  die  Acta 
Pauli  (der  Häretiker  Kleobius,  s.  c.  23,  Achelis,  Ausgabe  S.  121) 
und  eine  ausgebildete  Gestalt  der  Simonsage  (a.  a.  0.)  benutzt  ^  — 
kann  nicht  vor  +  200  niedergeschrieben  sein^.  Umgekehrt,  eine 
Schrift,  die  von  den  Audianern  (zweites  Viertel  des  4.  Jahrh.)  hoch- 
geschätzt wurde  ^,  die  Epiphanius  für  Gottes  Wort  erklärte,  wenn 
er  auch  wußte,  daß  ihr  apostolischer  Ui'sprung  bestritten  war  ^  die 


1)  Die  von  Achelis  gebotene  deutsche  Übersetzung  ruht  auf  dem  ganzen 
kritisch  durchgearbeiteten  Material,  s.  den  Apparat  S.  146—235  und  die  Ab* 
handlungen  S.  243  ff. 

2)  Vielleicht  auch  die  Acta  Petri,  s.  Schmidt  ind.  Texten  u.  Unters. 
Bd.  24  H.  1  S.  146  f. 

3)  Man  beachte  auch  die  Ausbildung,  welche  die  Häresie  erlebt  hat.  Häre- 
tische Gemeinden  gibt  es  ringsum,  und  sie  bilden  eine  stetige  Gefahr.  — 
Folgende  Schilderung  (c.  18  S.  89  Achelis)  spricht  auch  dafür,  den  term.  a 
quo  (um  200)  nicht  zu  verlassen:  „Sie  [von  laxen  Bischöfen  ist  die  Rede]  nehmen 
Geld  zur  Beschaffung  des  Unterhalts  der  Waisen  und  Witwen  von  Reichen, 
die  Leute  im  Gefängnis  halten  oder  ihre  Sklaven  schlecht  behandeln,  oder  hart 
auftreten  in  ihren  Städten  oder  die  Armen  drücken,  oder  von  Verabscheuungs- 
würdigen,  oder  solchen,  die  ihren  Leib  schändlich  mißbrauchen,  oder  von  Übel- 
tätern, oder  von  denen,  die  hinwegnehmen  oder  hinzufügen,  oder  von  frevel- 
haften Verteidigern,  oder  von  ungerechten  Anklägern,  oder  von  parteiischen 
Rechtsgelehrten,  oder  von  denen,  die  mit  Farben  malen,  oder  von  denen,  die 
(lötzenbilder  verfertigen,  oder  von  spitzbübischen  Gold-,  Silber-  und  Erzarbeitem, 
oder  von  Mördern  oder  von  Henkern  des  Gerichts  oder  von  jeder  Obrigkeit  des 
römischen  Weltreichs,  die  sich  in  den  Kriegen  verunreinigten  usw." 

4)  Bei  Epiphan.,  haer.  70,  10 f.  Die  Audianer  sind  in  Ostsyrien  begründet 
worden  und  haben  sich  durch  Verbannung  ihres  Stifters  nach  Skythien  (zu  den 
Goten)  verbreitet. 

5)  Epiphanius  ist  der  einzige  griechische  Kirchenlehrer,  der  unsere  Schrift 
kennt  und  zitiert,  und  zwar  zitiert  er  sie  unter  dem  Namen  jy/Jiaxd^eig  [Aid- 
Taftc]  TöJv  dTiooxoXwv**^  8.  haer.  45,  4;  75,  0;  80,  7;  70,  10 f.  An  erst-er  Stelle 
schreibt  er:  dkkd  xal  ol  dnoaroXoi  (paaiv  iv  ry  Jiaxd^fi  xy  xaXov/uiivrj  oxi' 
4^vxeia  &sov  xal  dfineXwv  rj  xa&oXixrj  ^xxXrjoia  (s.  Didask.  c.  1,  Achelis  S.  1). 
An  zweiter:  el  6h  xal  XQV  ^o  xfi<;  /Jiaxd^sojg  xwv  dnooxoXwv  /Jysiv,  nwq  ixet 
w(}iZovxo  x€Tgd6a  xal  ngoodßßaxov  vrjoxelav  öia  navxoq  x^Q^^  nevxrjxoaxfjQ 
xxX.  elxa  6h  si  fiij  negl  xrjg  avxrjg   vno^ioswq  xsxgdöwv   xal  ngooaßßdxwv  ol 


490  ^^*  Kirchenrechtliche  Litteratur. 

der  Verfasser  des  Opus  imperf.  in  Matth.  gekannt  und  für  eine 
echt  apostolische  Schrift  gehalten  zu  haben  scheint^,  die  in  der 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  oder  etwas  später  ins  Latei- 
nische übersetzt  worden  ist^  und  die  in  bezug  auf  den  Schrift- 
gebrauch die  merkwürdigsten  Archaismen  aufweist  (&  u.),  kano 
nicht  später  als  +  300  verfaßt  sein^. 

Innerhalb  des  3.  Jahrhunderts  muß  man  aber  der  Zeit  zwischen 
250—300  den  Vorzug  geben,  wenn  man  die  Schrift  in  der  Ge- 
stalt beurteilt,  wie  sie  beim  Syrer,  d.  h.  in  dem  Cod.  Sanger- 
raanensis,  vorliegt  Das  habe  ich  bereits  im  I.  Teil  dieses  Werks 
S.  516  behauptet;  Funk  hat  es  früher  bestritten  und  setzte  die 
Schrift  in  den  Anfang  des  3.  Jahrhundeils,  bez.  in  die  erste  Hälfte 
desselben.  Allein  jetzt  („La  date  de  la  Didascalie  des  apötres", 
1901)  hat  er  mir  beigestimmt.   Entscheidend  ist,  daß  der  Abschnitt 


avrol  dnoaroXoi  iv  xy  /JiazdSei  ^Xeyov  xvk,  (s.  Didask.  c  21  S.  107).  An  dritter: 
xal  negl  jahv  ovv  xov  yevelov  iv  xalg  diaxd^eai  xcüv  ctnooroXcifv  g>aoxei  6  d^eto; 
XoyoQ  seal  ^  öiöaaxalla  fjitj  q>&eig€iv,  xovxiaxi  fjifj  xs/ivety  xqIxcl^  yevclov  ß^St 
kxatgiofxip  xaxaxoofjiBla^ai  fXTfdh  vnsQritpavlaq  vnoSeiy/ia  ötxaioauvijg  xr^v  ngoci' 
Xsvaiv  ^x^iv  (6.  Didask.  c.  2  S.  4 f.).  An  letzter:  slg  xovxo  ^  xal  ol  avxoi 
Avötavol  naQaipigovai  r^v  xwv  dnotnoXotv  didxa^iv^  ovoav  fihv  xoTg  noXlol; 
iv  diLi(pi)Jxx(p,  aAA'  ovx  dSoxifxov.  näoa  yäg  iv  avxy  xavoytxri  xd^iq 
ifx(piQexai  xal  ovö'kv  nagaxfx^Q^Yß^'^^'*'  ^^?  nlaxewg  ovSh  x^g 
ofAoXoylaq  (das  Folgende  bezieht  sich  auf  Didask.  c.  21).  Übrigens  zitiert 
Epiphanius  nicht  etwa  die  Texte,  wie  sie  in  den  App.  Constit.  I — VI  vorliegen : 
er  hat  vielmehr  wirklich  unsere  Didaskalia  im  Auge,  aber  der  Text,  der  ihm 
vorlag,  deckte  sich  nicht  vollkommen  mit  dem  uns  durch  den  Syrer  und  den 
Lateiner  gebotenen. 

1)  Er  zitiert  sie  unter  dem  Namen  „Liber  Canonum  Apostolorum",  s.  zu 
Matth.  0,  3  (Migne,  Ser.  Gr.  T.  LYI  p.  707):  „Aliter  certe,  sicuti  apostoli 
interpretantur  in  libro  Canonum,  qui  est  de  episcopis:  dextra  est  populu» 
christianus,  qui  est  ad  dextram  Christi,  sinistra  autem  omnis  populus,  qui  est 
ad  sinistram.  boc  ergo  dicit:  ne  Christianum  facientem  eleemosynam,  qui  est 
dextra,  infidelis  aspiciat,  qui  est  sinistra;  Christianus  autem  si  Christianum 
viderit  eleemosynam  facientem,  non  est  contra  Christi  praeceptum,  quoniam 
ambo  dextra  sunt".  Dazu  zu  Matth.  25,  18  (1.  c.  p.  935):  „Quomodo  autem 
quidam  sacerdotes  ex  hominibus  ordinantur,  manifeste  in  libro  octavo  Canonum 
Apostoloiiim  dicitur".  Das  Opus  imperfectum  ist  von  einem  arianischen  Exe- 
geten  verfaßt,  vielleicht  von  einem  gotisch-lateinischen.  Denn  es  ist  wohl  nicht 
zufällig,  daß  die  Didaskalia  sowohl  den  unter  Goten  lebenden  Audianem  (s.  o.) 
als  auch  dem  Verfasser  unseres  Kommentars  bekannt  ist.  Das  erst«  Zitat  be- 
zieht sich  auf  Didask.  c.  15  S.  82.  Das  zweite  kann  nur  unsicher  auf  Didask. 
c.  8  bezogen  werden;  Zahn  (Forschungen  III  S.  283)  glaubt,  Const.  Apost.  VIII,  - 
sei  gemeint.  Auch  das  erste  Zitat  stinunt  nicht  ganz  wörtlich  mit  dem  Syrvr 
überein. 

2)  Sicher  ist  die  Ansetzung  Haulers  (2.  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts)  nicht. 

3)  Das  Heidentum  erscheint  als  herrschend.    Märtyrer  c.  19. 


Die  sog.  AposioliBche  Didaskalia.  491 

Über  die  Behandlaog  der  groben  Sünder  in  c.  6  (Achelis  S.  19—27) 
unmöglich  vor  der  Entscheidung  der  novatianischen  Kontroverse 
im  Sinne  der  milden  Praxis  geschrieben  sein  kann^  Dies  ist 
auch  deshalb  sicher,  weil  wir  durch  Eusebius  wissen,  daß  im 
führenden  Episkopat  des  Orients  noch  um  250  sehr  starke  novatia- 
nische  Neigungen  vorhanden  waren,  die  nur  mit  großer  Mühe  über- 
wunden werden  konnten  2. 

Aber  es  ist  nichts  weniger  als  sicher,  daß  uns  die 
Schrift  im  Sangermanensis-Latinus  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  vorliegt;  denn 

(1)  Schriften,  wie  die  unsrige,  voll  konkreter  Einzelbe- 
stimmungen, den  Bedürfnissen  der  Gegenwart  entgegenkommend, 
werden,  wie  ein  Dutzend  von  Beispielen  lehrt,  immer  aufs  neue 
verändert,  vermehrt,  verkürzt  und  umgearbeitet;  daß  man  die 
älteste  Gestalt  in  die  Hand  bekommt,  ist  ein  Glücksfall,  so  selten, 
wie  die  editio  princeps  eines  vielgebrauchten  Katechismus, 

(2)  Die  Übereinstimmung  des  Sangermanensis  und  Latinus,  die 
übrigens  auch  nicht  überall  zusammengehen  (s.  Achelis  S.  250), 
garantiert  nicht  die  Urgestalt,  sondern  nur  die  recensio  einer  be- 
stimmten, freilich  sehr  alten  Zeit, 

(3)  Die  Zitate  des  Epiphanius  stimmen  mit  Sangermanensis  und 
Latinus  nicht  vollkommen  überein, 

(4)  Die  Abschnitte  über  die  laxen  Grundsätze  bei  Behandlung 
der  groben  Sünder  im  Sangerm.  und  Latinus  (c.6  und  c.  11,  Achelis 
S.  32)  widersprechen  der  Bestimmung  in  c.  5  (S.  18  Achelis): 
^Denn  wir  glauben  nicht,  0  Brüder,  daß,  wenn  jemand  in  das 
Wasser  hinabgestiegen  ist,  er  wieder  die  verabscheuungswürdigen, 
unreinen  Handlungen  der  frevelhaften  Heiden  begehen  wird.  Denn, 
das  ist  offenbar  und  jedermann  bekannt,  daß  jeder,  der  nach  der 
Taufe  Böses  tut,  schon  zum  Höllenfeuer  verdammt  ist"  — , 


1)  Funk  will  die  Ablehnung  der  Grundsätze  des  Novatianismus  noch 
immer  nicht  in  der  Didaskalia  sehen.  Er  behauptet,  die  hierarchische  Kon- 
stitution der  Kirche,  wie  sie  in  dem  Buche  vorliege,  führe  in  die  zweite  Hälfte 
des  3.  Jahrhunderts.  Aber  a.  a.  0.  p.  7  hat  er  doch  Folgendes  bemerken 
müssen:  „II  me  semble  toujours  douteiix  que  F^crit  fasse  allusion  au  Nova- 
tianisme,  ou  qu41  le  combatte  sans  le  nommer.  Cette  maniere  de  voir  ne 
ß'appuie  sur  aucun  argument  d^cisif,  et  il  n^est  pas  impossible  que  l'agitution 
novatienne  fftt  d6jä,  trop  loin  de  Vauteur  pour  qu'il  ait  senti  le  besoin  de  prendre 
Position  contre  eile.  Quoi  qu'il  en  soit,  la  cl<5mence  que  montre  Tauteur  de  la 
Didascalie  dans  la  conduite  ä.  tenir  vis- k- vis  des  p6cheurs  est  teile,  qu'il  y  a 
tout  Heu  de  placer  P^crit  plutöt  apr^s  qu'avant  le  milieu  du  IJle  si^cle".  Mehr 
>)edarf  es  nicht. 

2)  Rom  und  Alexandrien  haben  sich  mit  Erfolg  bemüht,  den  Orientalen 
die  novatianischen  Neigungen  auszutreiben. 


492  •  ^*  Kirchenrechiliohe  Litteratur. 

(5)  Die  Abschnitte  über  die  laxen  Grundsätze  bei  Be- 
handlung der  groben  Sünder  finden  sich  in  den  apost. 
Konstitutionen  nicht, 

(6)  C.  14,  S.  75, 18f.  wird  die  zweite  Ehe  rund  gestattet,  aber 
in  den  übrigen  Ausfuhrungen  dieses  Kapitels  gilt  die  zweite  Ehe 
als  eine  Schmach, 

(7)  Der  nur  c.  9  S.  50,  3  erwähnte  Subdiakon  scheint  ein  Zu- 
satz zu  sein,  da  Subdiakonen  an  Stellen,  wo  sie  genannt  sein 
müßten,  fehlen  \ 

(8)  Das  Johannes-Ev.  ist  —  abgesehen  von  einer  Stelle,  c.  16 
(Achelis  S.  86),  vgl  Joh.  13,  4 ff,  —  in  der  Didaskalia  nicht  als 
evangelische  Instanz  benutzt;  dieser  ganze  Abschnitt  (Achelis 
S.  85,  36—87, 11)  aber  fehlt  (neben  vielen  anderen  Auslassungen) 
im  Syrus  Harrisianus.  An  sich  will  das  Fehlen  in  diesem  Kodex, 
der  von  ganz  willkürlichen  Auslassungen  wimmelt  (s.  Achelis 
S.  252 ff.),  nichts  besagen.  Aber  da  die  Perikope  fiberflüssig  ist 
und  da,  wie  bemerkt,  nur  in  ihr  das  Johannes-Ev.  als  evangelische 
Quelle  benutzt  ist,  so  legt  sich  die  Vermutung  nahe,  daß  die  Aus- 
lassung im  HaiTisianus  in  diesem  Falle  nicht  zufällig  ist-^. 

Es  ist  also  recht  wahrscheinlich,  daß  wir  im  Sangerni.-Latinus 
nicht  die  älteste  Gestalt  der  Didaskalia  vor  uns  haben  ^.  Dies  ist 
stets  meine  Meinung  gewesen,  weil  diese  Schrift  Eigentümlichkeiten 
aufweist,  die  uns  spätestens  in  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahr- 
hunderts zurückführen*;  ja  auch  in  diesem  Zeitraum  erscheinen 
sie  noch  etwas  paradox.  Ich  habe  vor  allem  die  Stellung  zum 
Neuen  Testament  im  Auge  \  Der  Verfasser  braucht  als  Instanzen 
nur  die  synoptischen  Evangelien  (und  das  Petrusevangelium),  wahr- 


1)  Bereits  Funk,  Apostol.  Konatit.  S.  50,  hält  es  nicht  für  unwahrschein- 
lich, daß  der  Subdiakon  interpoliert  ist.  Wie  steht  es  femer  mit  denDiakonis^n? 
Sind  nicht  auch  sie  interpoliert?  Haben  wirklich  in  einer  Gemeinde  Wit-wen 
und  Diakonissen  in  der  Weise  nebeneinander  gestanden,  wie  wir  nach  dem  uns 
überlieferten  Text  annehmen  müssen? 

2)  S.  Wellhausen,  a.  a.  0. 

3)  Auch  Wiederholungen  fehlen  nicht,  und  die  ganze  Anordnung  macht 
nicht  überall  den  Eindruck,  ursprünglich  zu  sein.  —  Ist  eine  Urgestalt  anzu* 
nehmen,  die  hinter  Sangerm.-Latinus  liegt,  so  werden  wohl  auch  die  klerischt-n 
Bestimmungen  nicht  unbetroften  geblieben  sein.  Funk  hat  wahrscheinlich 
recht,  daß  diese  Bestimmungen,  wie  wir  sie  jetzt  lesen,  der  zweiten  Hälfte  de^ 
3.  Jahrhunderts  angehören. 

4)  Ausscheidungen  von  Interpolationen  wirklich  vorzunehmen,  getraue  ich 
mir  nicht.  Wir  wissen  nicht,  ob  es  sich  um  solche  handelt  oder  um  leichte 
Bearbeitungen.    Jm  großen  und  ganzen  ist  die  Schrift  gewiß  einheitlich. 

5)  Auch  das  Verhältnis  zum  A.  T.  bietet  Merkwürdiges,  doch  lasse  ich  es 
hier  beiseite. 


Die  80g.  ApostoÜBche  Didaskalia.  493 

scheinlich  aber  nicht  (wie  bemerkt)  das  Johannesevangelium  K  Auch 
die  Panlusbriefe  können  noch  nicht,  mit  den  Evangelien  zu  einer 
Sammlung  vereinigt,  für  ihn  auf  der  Höhe  des  Alten  Testaments 
gestanden  haben  2.  Damit  ist  ein  Zustand  der  h.  Sammlung  (das 
A,  T.  und  das  Evangelium  [Hermwort]  sind  die  h.  Schriften)  ge- 
geben, wie  wir  ihn  —  von  der  Singularität,  betreffend  das  Joh.-Ev., 
abgesehen  —  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  für  einige  östliche 
Gebiete  um  das  J.  200  feststellen  können:  neben  dem  Alten  Testa- 
ment stehen  nur  die  Evangelien  (bez.  auch  die  Apokalypse)  ^  Auch 
die  Stellung  zum  Petrusevangelium  erhält  ein  gewisses  Licht  durch 
das  Verhalten,  welches  die  Gemeinde  von  Rhossus  und  der  Bischof 
Serapion  von  Antiochien  ui^sprünglich  zu  diesem  Evangelium  ein- 
genommen haben  (s.  Euseb.^  h.  e.  VI,  12).  Ganz  rätselhaft  bleibt  für 
die  Zeit  um  d.  J.  200  das  Verhältnis  zum  Johannes-Ev.    Mag  es 


1)  Der  Index  bei  Achelis  (S.  241)  weist  außer  Joh.  13  (S.  86)  und  der 
Perikope  von  der  Ehebrecherin,  die  nicht  zum  Joh.-Ev.  gehört  hat,  noch  acht 
Stellen  aus  dem  Joh.-Ev.  auf;  sie  beweisen  aber  nicht  mehr  (einige  von  ihnen 
beweisen  Überhaupt  nichts),  als  daß  das  Evangelium  dem  VerfiEtsser  nicht  un- 
bekannt geblieben  ist.  Dafür,  daß  der  Verfasser  das  Joh.-£v.  zu  „dem  Evan- 
gelium" gerechnet  hat,  kOnnen  sie  schwerlich  angeführt  werden.  Es  ist  also 
die  oben  bezeichnete  SteUe  in  c.  16  (S.  86:  Joh.  13)  wirklich  die  einzige,  auf 
die  man  die  Behauptung  zu  stützen  vermag,  der  Verfasser  befolge  unsem  Vier- 
Ew.-Eanon.  Ist  es  aber  die  einzige,  so  ist  sie  eben  dadurch  aufs  höchste  ver- 
dächtig: unsere  Schrift  ist  doch  sehr  umfangreich,  und  die  Zahl  ihrer  den 
Synoptikern  parallelen  Zitate  ist  groß  —  wie  will  man  es  erklären,  daß  sie  nur 
ein  Zitat  aus  dem  Joh.-Ev.  bringt,  wenn  dieses  Ev.  dem  Verfasser  formell  mit 
den  drei  andern  gleichstand?  Darauf,  daß  auch  Markus  ganz  zurücktritt  und 
daß  Matthäus  häufiger  benutzt  erscheint  als  Lukas,  kann  man  sich  nicht 
berufen. 

2)  Paulusbriefe  hat  der  Verfasser  gekannt  (also  wohl  alle)  und  auch  hie 
und  da,  wenn  auch  selten,  benutzt,  aber  eine  kanonische  Instanz  ist  ihm  Paulus 
nicht  gewesen,  sondern  nur  „der  Herr".  Daß  das  lediglich  die  Folge  seiner 
apostolischen  Fiktion  ist,  ist  mir  sehr  zweifelhaft.  Ahnlich  steht  es  mit  der 
Apostelgeschichte ;  er  benutzt  sie,  aber  er  benutzt  auch  andere  Apostelgeschichten. 
Der  Tatbestand  in  bezug  auf  das  N.  T.  scheint  mir  bei  A  chelis  S.  318 ff.  ver- 
wischt zu  sein.  Er  glaubt  (S.  324)  für  den  Verfasser  den  vollständigen  Kanon 
des  N.  T.  konstatieren  zu  dürfen.  Aber  eben  die  Tatsache,  die  Achelis  selbst 
feststellt,  daß  der  Verfasser  ein  5.  (ja  nach  A.  auch  ein  6.)  Evangelium  be- 
nutzt und  dazu  allerlei  Apokryphes,  hätte  ihn  zu  Erwägungen  auffordern  müssen, 
ob  die  verschiedenen  Bestandteile  unseres  N.  T.s  dem  Verf.  gleichwertig  waren, 
bez.  ob  er  Überhaupt  etwas  dem  N.  T.  Ähnliches  besaß.  Genau  genommen  sind 
übrigens  auch  für  den  Verf.  nicht  die  Evangelien  die  Instanzen,  sondern  neben 
dem  A.  T.  lediglich  der  Herr  oder  das  Evangelium.  Achelis'  Meinung,  das 
Evangelium  sei  =  „das  N.  T."  (S.  333),  ist  m.  E.  unrichtig. 

3)  S.  meine  Bemerkungen  über  den  Kanon  des  Theophilus  in  der  Ztschr. 
f.  KGesch.  Bd.  11  (1889)  S.  17  ff. 


494  II*  Eirchenreclitliche  Litteratur. 

der  Verfasser,  was  nicht  unwahrscheinlich,  gekannt  haben  —  zam 
„Evangeliam"   hat  er  es  schwerlich  gerechnet    Das  weist  noch 
hinter  Tatian  und  ist  also  sehr  paradox.    Soll  man  sich  den  Tat- 
bestand so  deuten,  daß  in  der  Gemeinde,  in  der  er  schrieb,  noch 
immer  eine  alte  Evangelienharmonie  als  „das  Evangelium''  ge- 
braucht wurde,  in  welcher  nicht  Johannes,  wohl  aber  Matthto, 
Markus,  Lukas  (und  das  Petrusevangelium?)  zusammengearbeitet 
waren?   Daß  er  einer  Evangelienharmonie  folgt,  ist  nach  der  Art 
seiner  Beziehung  auf  das  Evangelium  und  seiner  so  frei  erscheinenden 
Zitate  wahrscheinlich  ^    Daß  vor  Tatian  bereits  Evangelienha^ 
monien  zusammengestellt  worden  sind  (ohne  Johannes),  ist  eine 
Hypothese,  die  angesichts  der  Evangelienzitate  des  2.  Jahrhunderts 
(auch  des  Justin)  sich  immer  mehr  empfiehlt    Aber  daß  solche 
Harmonien  oder  eine  solche  Harmonie  sich  bis  zum  Anfang  des 
3.  Jahrhunderts  in  katholischen  Gemeinden  erhalten  hat,  ist  anf- 
fallend  und  keine  leichte  Annahme,    über  diesen  kann  man  aber 
mit  dem  Buch,  auch  wenn  man  einen  Kern  zu  entwickeln  versucht 
nicht  hinaufgehen,  es  sei  denn  daß  man  es  sich  ganz  willkürUch 
umformt  ^.    Der  Katholizismus  ist  dem  Buche  wesentlich ,  aber  es 
ist,  wie  ich  (Stud.  u.  Krit  1893,  S.  404)  schrieb,  „ein  Katholizismus 
sui  generis,  d.h.  ein  solcher,  der  sich  von  dem  der  großen  alt- 
katholischen Väter  in  mehr  als  einer  Hinsicht  —  vor  aUem  in 
seinen  Grundlagen  —  unterscheidet".    Die  apostolisch-katholische 
Schriftensammlung,  die  apostolisch-katholische  Glaubenslehre,  das 
apostolische  Amt  der  Bischöfe  liegen  noch  nicht  im  Gesichtskreis 
des  Verfassers.   Er  ist  von  römischem  Einfluß  (von  der  Entwicklnug 
der  Dinge,  wie  sie  sich  zuerst  in  Rom  abgespielt  hat  und  dann  in 
die  Provinzen  getragen  worden  ist)  noch  unbeeinflußt^. 

Nur  in  Teilen  von  Syrien  oder  im  östlichen  Palästina  können 
wir  fiir  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrh.  einen  solchen  Zustand  an- 
nehmen. Dorthin  weisen  auch  andere  Spuren.  Augenscheinlich 
haben  die  „katholischen"  Gemeinden,  für  die  der  Verfasser  zunächst 


1 )  (legeu  die  Anunhmc  einer  Evangelienharmonie  spricht  das  ausdrück- 
liche Zitat  c.  21  S.  lOG,  23:  „Im  Evangelium  Matthäus  steht".  Man  muß  dem- 
gemäß  die  Kenntnis  der  getrennten  Evangelien  neben  der  Ew. -Harmonie  an- 
nehmen —  eine  Annahme,  die  nicht  sehr  schwierig  ist,  da  der  Verf.  ja  auch 
das  Johannesevangelium  kennt. 

2)  Die  vorgerückte  Zeit,  d.  h.  mindestens  die  Zeit  um  d.  J.  200,  ist  überall 
in  dem  Buche  ersichtlich,  mag  man  auf  die  Verflechtung  mit  der  Welt,  «ü-- 
Martyrien,  die  hierarchische  Entwicklung,  die  Häresie  etc.  blicken  (s.  o.). 

8)  S.  mein  Lehrbuch  der  Dogmengesch.  P,  1888,  S.  402,  P,  1894,  S.44ö£ 
vor  allem  den  Satz  S.  441:  „Die  Grundschrift  der  sechs  ersten  Bücher  «1'^' 
apostolischen  Konstitutionen  kennt  noch  keinen  NTlichen  Kanon". 


Die  sog.  Apostolische  Didaskalia.  495 

geschrieben  hat,  Juden*  und  judenchristliche  Gemeinden^  neben 
sich,  und  die  Warnungen  vor  judaistischen  Einflüssen  sind  nicht 
nur  akademische;  ein  wenig  Judenchristentum  steckt  sogar  dem 
Verfasser  selbst  noch  im  Blute,  und  seine  Sammlung  h.  Schriften 
(A.  T.  und  das  Evangelium)  deckt  sich  formell  mit  der  der  Juden- 
christen. Das  fugt  sich  gut  zu  der  Annahme,  daß  Syrien  oder  das 
östliche  Palästina  (Arabien)  der  Entstehuugsort  ist.  Hierfür  spricht 
auch  die  Tatsache,  daß  unsere  Schrift  für  uns  zuerst  bei  den 
Audianem,  bei  Epiphanius  und  in  den  apostolischen  Konstitutionen 
auftaucht 

Der  Verfasser  hat  nicht  für  eine  Dorfgemeinde  geschrieben,  son- 
dern für  eine  große  (freilich  abgelegene)  Kirche  in  großstädtischer 
Umgebung  mit  ihren  Lockungen,  Versuchungen  und  komplizierten 
Verhältnissen.  Dennoch  vermögen  wir  sie  nicht  zu  ermitteln.  Eine 
griechische  war  es  gewiß  und  keine  syrische.  Syrische  Christen  sind 
nirgends  ins  Auge  gefaßt.  An  eine  Küstenstadt  nördlich  von  Cäsarea 
—  die  ganze  Küste  bis  Kleinasien  hin  steht  offen  —  oder  an  eine 
Großstadt  des  Ostjordanlandes  wird  zu  denken  sein.  Vielleicht  ist 
die  römische  Provinz  Arabien  und  eine  Stadt  wie  Bostra  am  meisten 
zu  empfehlen.  Der  Verfasser  hat  für  Jerusalem  ein  Interesse,  das 
über  das  allgemein  christliche  (des  3.  Jahrhunderts)  hinauszugehen 
scheint  Die  Christen  des  Ostjordanlandes  betrachteten  sich  wahr- 
scheinlich als  die  Nachkömmlinge  der  Urgemeinde  im  besonderen 
Sinne.  So  würde  sich  die  Fiktion  am  besten  erklären.  In  Älia 
selbst  aber  hat  der  Verfasser  schwerlich  geschrieben.  Für  Arabien 
spricht  auch  die  ganz  eigentümliche  Haltung  der  Schrift  und  ihr 
besonderer  Katholizismus.  In  den  Griechenstädten  der  syrischen 
Mittelmeerküste  mit  ihrem  lebhaften  Verkehr  und  Austausch  ist 
ein  solcher  relativer  Archaismus  zwar  nicht  ganz  ausgeschlossen,' 
aber  doch  schwerer  verständlich.  Was  wir  von  Origenes  über  die 
arabisch-giiechische  Kirche  wissen,  zeigt  uns  auch  einen  bemerkens- 
werten Archaismus.  Ferner  ist  die  Haltung,  welche  die  Sclirift 
in  bezug  auf  Judentum  und  Judenchristentum  einnimmt  —  ihr 
Katholizismus  steht  dem  Judenchristentum  nälier  als  irgendeine 
sonst  bekannte  Spielart  des  Katholizismus  — ,  dieser  Hypothese 
günstig.  Weiter  bestehen  einige  feine  Beziehungen  zwischen  der 
Didaskalia  und  der  pseudoklementinischen  Litteratur,  deren  letzte 
Quelle  vielleicht  auch  auf  das  Ostjordanland  weist.  Endlich  ist  auch 
die  Römerfreundlichkeit  nach  allem,  was  wir  wissen,  in  den  Städten 


1)  „Die  grundlos  so  genannten  Juden"  (c.  13  iS.  71). 

2)  S.  den  Appell  an  die  Christen  aus  den  Juden  <•.  2<)  p.  liS,  21  ff. 


495  II.  EorchenrechÜiche  Litieratur. 

der  Provinz  Arabien  im  3.  Jahrh.  begreiflicher  als  in  der  Provinz 
Syrien. 

Neuerlich  hat  Holzhey  (Monatsschr.  190],  S.  51 5 ff.,  &  auch 
seine  früheren  Arbeiten)  richtig  erkannt,  daß  die  Schrift  nicht 
durchweg  aus  einem  Gusse  ist  Auch  der  letzte  Ausgangspunkt, 
die  alte  Aiöax^  '^^^  ^ß'  axooxoXtov,  wird  richtig  bestimmt  sein^. 
Allein  der  Versuch,  drei  Rezensionen  —  im  SangeruL-Latinus  soll 
die  dritte  vorliegen  —  zu  bestimmen,  kann  nicht  gebilligt  werden. 
Es  fehlt  an  sicheren  Anhaltspunkten.  Ebensowenig  läßt  sich  eine 
Beziehung  zwischen  Dionysius  Alex,  und  der  Didaskalia  nach- 
weisen, geschweige  daß  die  Annahme,  Dionysius  selbst  oder  einer 
seiner  Schüler  habe  sie  bearbeitet,  erh&rtet  werden  konnte.  Wir 
müssen  uns  mit  der  Annahme  begnügen,  daß  unsere  Schrift  höchst 
wahrscheinlich  bald  nach  Beginn  des  3.  Jahrhunderts  entstanden 
ist  in  einer  syro-palästinensischen  (arabischen)  Großstadt,  und  zwar 
in  einer  Friedenszeit  \  in  der  man  aber  auf  blutige  Martyrien,  die 
sich  sofort  wiederholen  können,  zurückblickte.  Die  dreist  gewählte' 
Form  hat  sie  empfohlen;  die  Schrift  fand  Anklang  und  blieb  dem- 
gemäß nicht  unverändert  Die  Bearbeitung,  wie  sie  im  Sangenn.- 
Latinus  vorliegt,  gehört  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  an; 
die  in  den  apostolischen  Konstitutionen  ist  nicht  auf  Gmnd  des 
Sangerm.- Latinus  gemacht,  sondern  benutzte  eine  etwas  andere 
Rezension  als  Vorlage.  Selbst  noch  der  Harrisianns  zeigt,  daß  der 
Sangerman.  nicht  die  Urgestalt  selbst  ist 


Bei  dieser  Niederschrift  der  Untersuchungen  über  die  aposto- 
lische Didaskalia  lag  mir  die  von  Achelis  und  Flemming 
(Texte  u.  Unters.  Bd.  25  H.  2)  gebotene  Übersetzung  schon  vor. 
Die  Druckbogen  der  ausgezeichneten  Abhandlungen,  die  Achelis 


1 )  Doch  hat  man  dies  übertrieben.  Die  Beziehungen  Ewischen  Didaskalia 
und  Didache  sind  sehr  lose. 

2)  Die  Stellung  zum  römischen  Staat  ist  freundlich,  s.  c  26  (S.  137):  „AWr 
nicht  allein  an  seiner  Person  hat  unser  Herr  und  Heiland  das  gezeigt  [daß 
er  das,  was  nicht  hilft,  abgetan,  und  was  nicht  errettet,  au%elOst  hat], 
sondern  er  hat  es  auch  durch  die  Römer  vervrirklicbt;  er  hat  den  Tempel  ler- 
st<5rt,  den  Altar  außer  Tätigkeit  gesetzt,  die  Opfer  abgeschafft  und  alle  Gebott- 
und  Veri)flichtungon,  die  in  der  Wiederholung  des  Gesetzes  waren,  aai^5«t 
Denn  auch  die  Römer  halten  das  Gesetz,  aber  die  Wiederholung  des  Gesetze! 
verschmähen  sie;   darum  ist  ihre  Herrschaft  kräftig". 

3)  Ein  moralisches  Urteil  soll  damit  nicht  geftllt  sein:  die  Schrift  ist  von 
einem  ernsten  und  besonnenen,  warmherzigen  und  klugen  Manne  von  großer 
Umsicht  verfaßt  und  ist  das  würdige  Denkmal  eines  jungen,  eigenartigen 
Katholizismus. 


Die  sog.  Apostolisclie  Didaskalia.  497 

der  Übersetzung  beigegeben  hat  (S.  243—387),  erhielt  ich  aber  erst 
nach  Abschluß  meines  Manuskriptes.  An  einigen  Stellen  ver- 
mochte ich  noch  die  von  A.  aufgestellten  Ansichten  zu  berück- 
sichtigen; anderes  sei  hier  nachgeholt. 

In  der  ersten  Abhandlung  (S.  243— -266)  handelt  A.  vom  Text 
der  syrischen  Didaskalia.  Er  wägt  hier  den  Wert  der  4  syrischen 
Zeugen  (SangeruL,  Harris.,  Cantabrig.  und  Borg.)  ab  und  bestimmt 
sowohl  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  als  das  zu  dem  Lateiner  und 
der  Rezension,  welche  den  apostol.  Konstitutionen  zugrunde  liegt. 
Für  die  Frage  der  Abfassungszeit  ist  die  Untei*suchung  über  die 
Integrität  (Interpolationen)  von  besonderer  Wichtigkeit,  sowie  die 
Auseinandersetzung  mit  der  Ho Izhey sehen  Hypothese,  die  mit 
Becht  abgelehnt  wird.  In  bezug  auf  das  Verhältnis  der  Didaskalia 
zur  Didache  bemerkt  A.  (S.  260):  „Zwischen  diesen  Schriften  sind 
die  Verbindungspunkte  äußerst  gering".  Interpolationen  nimmt  A. 
nur  sehr  wenige  an.  Doch  läßt  er  eine  von  uns  bemerkte  gleich- 
falls gelten  (S.  75:  zweite  Ehe),  geht  aber  über  die  Widersprüche 
in  der  Behandlung  der  groben  Sünder  hinweg. 

In  der  zweiten  Abhandlung  (S.  266—317)  hat  A.  die  Zustände 
der  Christengemeinde,  aus  der  die  Didaskalia  stammt,  nahezu  er- 
schöpfend geschildert  und  damit  einen  sehr  dankenswerten  Beitrag 
zu  unserer  Kenntnis  der  Kirchengeschichte  des  3.  Jahrhunderts 
geliefert  Er  hat  ihr  eine  neue  Quelle  zum  ersten  Mal 
wirklich  erschlossen,  überall  umsichtig  nachschaffend  und  ge- 
staltend. Nur  aus  Tertullians  Werken  —  nicht  aus  Clemens  oder 
Origenes  —  läßt  sich  ein  ähnlich  detailliertes  Bild  einer  Christen- 
gemeinde für  das  3.  Jahrhundert  gewinnen.  Daß  wir  uns  mit  unserer 
Schrift  in  eben  diesem  Jahrhundert  befinden,  bestätigen  zahli-eiche 
Züge  des  Bildes. 

Die  dritte  Abhandlung  (S.  318—354)  ist  dem  Neuen  Testamente 
der  Didaskalia  gewidmet.  Hier  halte  ich  schon  den  Titel  für  irre- 
führend und  bin  nicht  davon  überzeugt  worden,  daß  man  von 
einem  Neuen  Testament  des  Verfassers  im  strengen  Sinn  des  Worts 
reden  darf  (s.o.S.492ff.).  Gekannt  hat  er  freilich  die  meisten  Schriften 
des  N.  Ts,  aber  als  eine  dem  A.  T.  gleichwertige  und  geschlossene 
Sammlung  beurteilt  er  den  Komplex  von  christlichen  Schriften, 
den  er  benutzt,  m.  E.  nicht.  Der  Herr  (bez.  das  Evangelium)  steht 
für  ihn  neben  dem  A.  T.,  und  für  das  Evangelium  kommt  ihm  das 
Johannesevangelium  nicht  in  Betracht.  Achelis  hat  nur  festgestellt, 
was  der  Verf.  von  NT  liehen  Schriften  gekannt  bez.  wahrscheinlich 
gekannt  hat,  während  er  die  Frage  nach  der  Autorität  dieser 
Schriften  eigentlich  gar  nicht  aufgeworfen  hat.  Das  ist  um  so 
auffallender,    als  er  S.  324ff.  sehr  sorgfältig  den   „apokryphen'* 

Harnack,  Altcbristl.  Litteraturgüsch.'II,  2.  ',\2 


498  ^^*  Kirchenrechtliche  Litteratar. 

Schriften,  die  in  der  Didask.  benutzt  sind,  nachgeht    „Sie  hat 
nicht  vier  Evangelien  in  Gebrauch,  sondern  mindestens  fünf  (das 
Petrusevangelium),  und  neben  unserer  Apostelgeschichte  stehen  ihr 
in  gleicher  Würde   noch   manche  andere  Acta  apostolorum''. 
Wenn  dem  so  ist,  so  durfte  die  Frage,  welche  Autorität  allen  diesen 
Schriften  bei  dem  Verfasser  zukommt,  nicht  unterdrückt  werden. 
S.  332  steht  allerdings  ein  Satz,  der  in  die  richtige  Sichtung  weist 
(„Die  Didaskalia  kennt  eine  Menge  heiliger  Schiiftren,  unterscheidet 
aber  noch  nicht  zwischen  guten  und  schlechten  [?] ,  häretischen  [?  • 
und  katholischen.    Sie  gebraucht  die  einen  wie  die  anderen''),  aber 
es  wird  ihm  nicht  genügend  Folge  gegeben.    Ebendort  sagt  Aj 
„Eine  interessante  Ausnahme  ist  es,  wenn  die  Didaskalia  einmal 
von  den  heiligen  Schriften  und  dem  Evangelium  Gottes  spricht 
(S.  8);  denn  in  diesem  Ausdruck  liegt  eine  Erinnei'ung  an  die  Zeit, 
wo  allein  das  A.  T.  heüige  Schrift  hieß,  eine  Zeit,  die  lange  hinter 
unserem  Verfasser  liegt".   Das  ist  unrichtig:  gewiß  sind  dem  Verl 
auch  die  später  „NT  liehe  Schriften  **  genannten  Bücher  irgendwie 
„heilige  Schriften" ;  dennoch  aber  handelt  es  sich  S.  8  nicht  um  eine 
„Ausnahme".  A.  konstatiert  ja  selbst,  daß  derVerfasser  auch  sonst  die 
Formeln:  „Gesetz,  Propheten,  Evangelium"  oder  „David,  Propheten, 
Evangelium"  oder  „Propheten,  Evangelium,  Psataien"  oder  „Gesetz, 
Buch  der  Könige  und  der  Propheten   und  Evangelium"   braucht 
Überall  erkennt  man  hier,  daß  —  mag  es  auch  viele  heilige  christ- 
liche Schriften   geben  —  nur  das  Evangelium  als  Instanz  neben 
dem  A.  T.  steht.    Achelis'  Schlußurteil  (S.  333):   „Im  ganzen  wird 
man   sagen   können,  daß  der  Verf.  unter  ,Gesetz  und  Propheten* 
das  A.  T.,  unter  ,Evangelium*  das  N.  T.  versteht;  pars  pro  tote; 
a  potior!  fit  denoniinatio'*  —  ist  daher  nicht  beifallswürdig.    Noch 
weiter  vom  Richtigen  aber  entfernt  sich  A,  wenn  er  S.  335  schreibt: 
„Das  Evangelium  steht  auf  derselben  Höhe,  wie  das  Gesetz,  und 
wie    andererseits  Paulus".    Die  paulinischen  Briefe,  die  übrigen 
apostolischen  Briefe  und  die  Apostelgeschichte  treten  für  den  Verf. 
ganz  zurück.    ,,Aus   der  Apostelgeschichte  wird  kein  Wort  mit 
einer    ausdrücklichen   Wendung    als  Zitat    eingeführt,    und   vom 
Apostolus  wird  überhaupt  ein  spärlicher  Gebrauch  gemacht",  sagt 
Achelis  selbst  (S.  334).    Auch  die  paulinischen  Briefe  werden  nie 
als   Instanzen,   dem  A.  T.  und  Evangelium  gleichwertig,  zitiert. 
Was  Achelis  dagegen  anführt  (S.  334),  ist  nur  ein  Schein.    Wenn 
der  Verfasser  die  Sprüche:   „Die  Liebe  decket  auch   der  Sünden 
Menge"    und    „Es  werden  Häresien   und  Spaltungen   entstehen**, 
als  Herrnwoi-te  anführt  (S.  14,  32;  118,  35),  so  hält  er  nicht  den  In- 
halt des  I  Petrus-  und  des  1  Korintherbriefs  für  kanonisch  bez,  für 
das  Eigentum  Christi,  sondern  nahm  an,  daß  jene  Sprüche  wirklich 


Die  sog.  Apostolische  Didaskalia.  499 

Herrn  Worte  seien;  wie  er  zu  dieser  Meinung  gekommen  ist,  wissen 
wir  nicht  Desgleichen  stellt  er  nicht  den  Epheserbrief  auf  die 
Höhe  des  A.  T.,  wenn  er  c.  4,  26  mit  den  Woi-ten  einführt  (S.  65,  20): 
„Es  steht  geschrieben",  sondern  er  hielt  den  Spruch:  ^Nicht  soll 
die  Sonne  über  deinem  Zorn  gegen  deinen  Bruder  untergehen**, 
f&r  ein  alttestamentliches  Wort  Andere  „Belege"  aber  für  die 
irrtümliche  Meinung,  die  paulinischen  Briefe  wären  dem  Verf.  der 
Didaskalia  kanonisch  wie  das  A.  T.  und  das  Evangelium  gewesen, 
gibt  es  nicht 

Die  vierte  Abhandlung  (S.  354 — 387)  ist  den  Fragen  des  Orts 
und  der  Zeit  gewidmet  In  bezug  auf  die  Ortsbestimnmng  hält  es 
auch  A.  für  die  wichtigste  Beobachtung,  daß  die  Gemeinde,  in  der 
der  Verfasser  schreibt  judenchristliche  Gemeinden  neben  sich  hat 
und  daß  sie  als  die  eigentlichen  Gegner  gelten  (S.  355  flF.).  Ihnen 
gegenüber  hat  der  Verf.  sogar  etwas  für  die  Juden  übrig  (S.  361); 
der  jüdische  bez.  judenchristliche  Einfluß  aber  sei  so  stark,  daß  der 
A^'ert  trotz  seiner  Gegnerschaft  selbst  etwas  von  ihm  affiziert  ist 
(S.  362  £).  Schreibt  er  nun  in  einer  Gegend  mit  starken  juden- 
christlichen Gemeinden,  so  muß  man  ihn  dort  suchen,  wo  nach 
Epiphanius  Ebioniten  bez.  Nazai'äer  zahlreich  zu  finden  waren: 
„in  Batanea  und  Paneas  vor  allem,  in  Moabitis  und  Kochaba  in 
der  Basanitis,  jenseits  Adraa,  aber  auch  in  Cypern'%  bez.  ,,in  Beröa 
in  Cölesyiien  und  in  der  Dekapolis  um  Pella  herum  und  in  der 
Basanitis  in  der  Stadt  Kochaba".  Achelis  meint  (mit  Zahn  zu- 
sammentreffend, der  in  erster  Linie  an  Beröa  [Aleppo]  denkt, 
s.  Neue  kirchl.  Ztschr.  Bd.  11,  1900,  S.  437f.)  eine  Stadt  in  Cöle- 
Syrien  bevorzugen  zu  müssen  (S.  364 f),  indem  er  sich  auf  einige 
Spezialbeobachtungen  beruft,  die  ebensogut,  ja  noch  besser  auf 
eine  Stadt  im  Ostjordanland  bez.  im  peträischen  Arabien  passen. 
Sehr  richtig  bemerkt  er  (S.  365):  „Es  muß  ein  recht  verborgener 
Winkel  der  Erde  gewesen  sein,  wo  der  Verf  schrieb;  sonst  hätten 
ihm  so  viele  und  wesentliche  (^edanken  des  Katholizismus  nicht 
unbekannt  sein  können".  Eben  deshalb  halte  ich  die  von  mir  auf- 
gestellte Hypothese,  au  die  zuletzt  genannte  Gegend  zu  denken, 
für  empfehlenswerter;  denn  die  heidenchristlichen  Gemeinden  der 
größeren  syrischen  Städte  standen  mit  der  allgemeinen  Kirche  in 
einem  lebhafteren  Zusammenhang  als  die  Städte  östlich  vom  Jordan 
und  vom  Toten  Meer. 

Was  die  Zeit  anlangt,  so  konstatiert  auch  Achelis,  daß  die 
Schrift  im  3.  Jahrhundert  zur  Zeit  eines  relativen  Friedens  ver- 
faßt ist  (S.  366f.);  „das  römische  Reich  und  seine  Organe  genießen 
das  vollste  Vertrauen  des  \'erfassers"  (S.  3()8);  ,,er  hat  in  seiner 
Gemeinde  schwerlich  Martyrien  erlebt"  (S.  :^69  ;  aber  er  weiß  von 


5()0  ^^*  Kirchenrechtliche  Litterator. 

Martyrien,  auch  von  gleichzeitigen.  Ist  damit  die  Zeit  des  Decius, 
Gallus  und  Valerian  wahrscheinlich  ausgeschlossen  —  denn  welcher 
abgelegene  Winkel  in  der  Kirche  kann  gedacht  werden,  in  dem 
sich  ihre  Nöte  nicht  fühlbar  machten?  — ,  so  möchte  ich  weiter 
bemerken,  daß  überhaupt  der  Zeitraum  von  c.  250—273  in  Wegfall 
kommt;  denn  damals  waren  die  politischen  Wirren  im  ganxen 
Osten  so  groß,  daß  sie  sich  in  unserer  Schrift  widerspiegeln  mü£teD. 
mag  sie  nun  in  Cölesyrien  oder  bei  Paneas,  in  der  Dekapolis  oder 
im  peträischen  Arabien  verfaßt  sein.  Die  Entscheidung  ist  also 
zwischen  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  und  der  Zeit  von 
273— c.  300  zu  treffen.  Auch  Achelis  hält  die  Entscheidung  für 
sehr  schwierig,  neigt  sich  aber  dem  zweiten  Ansatz  zu,  was  ich 
für  richtig  halte  (s.  oben  S.  490),  wenn  man  die  Schrift  nimmt,  wie 
sie  im  Sangerman.  vorliegt  Auf  die  Frage,  ob  die  ürgestalt  nicht 
schon  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  angehört,  geht  er  nicht  ein. 
weil  er  sich  nicht  übei'zeugt  hat,  daß  eine  solche  anzunehmen  ist 
Nachdem  er  S.  370  ff.  mit  Recht  eine  Reihe  von  Momenten,  die  über- 
haupt nichts  beweisen,  abgelehnt  hat,  sucht  er  aus  dem  Osterfasten 
(S.  374  ff.)  ^eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit"  zu  gewinnen,  daß  die 
Schrift  nicht  vor  Dionysius  Alex.  (247—264)  abgefaßt  ist  Allein 
das  Osterfasten  war  in  den  verschiedenen  Kirchen  von  so  ver- 
schiedener LängC;  daß  man  aus  dem  sechstägigen  Fasten,  dem  der 
Verf.  das  Wort  redet,  für  die  Zeit,  in  der  er  schrieb,  schlechter- 
dings niclits  zu  folgern  vermag.  Glaubt  Achelis  aber  (S.  377)  für 
ein  verhältnismäßig  spätes  Datum  „die  große  Menge  der  NT  liehen 
Schriften"  anführen  zu  dürfen,  die  der  Verf.  kennt,  so  gesteht  er 
dabei  selbst,  daß  andere  diesem  Argument  jede  Beweiskraft  ab- 
sprechen werden.  Hier  nun  findet  sich  der  Säte,  den  ich  noch 
weniger  als  einige  vorher  vorgetragene  Sätee  mit  den  Anschauungen 
von  Achelis  über  das  N.  T.  in  der  Didaskalia  zu  reimen  weit. 
„Ich  muß  zugeben",  heißt  es  S.  377,  „daß  es  als  ein  Zeichen  hohen 
Alters  unserer  Schrift  gedeutet  werden  könnte,  daß  ihr  der  Wert- 
unterschied für  kirchliche  und  kanonische  Schriften  ganz 
zu  fehlen  scheint'.  Das  eben  ist's,  was  ich  behauptet  habe;  i>t 
das  aber  richtig,  so  kann  man  nicht  von  einem  Neuen  Testamente 
der  Didaskalia  sprechen,  in  welchem  die  Paulusbriefe  und  anderes 
gleichwertig  neben  dem  Herrnwort  gestanden  habe.  Dann  aber 
ist  es  wirklich  so,  daß  man  Grund  hat,  mit  der  Didaskalia  moe- 
liehst  weit  hinaufzugehen  und  in  Merkmalen,  die  sich  dem  nicht 
fügen,  Interpolationen  zu  sehen.  Von  solchen  will  aber  Achelis 
nicht«  wissen;  auch  die  laxen  Bußgrundsätze,  die  sich  finden, 
sollen  nicht  die  novatianische  Kontroverse  voraussetzen,  und  so 
schließt  er  recht  skeptisch  (S.  377):   „So  bin  ich  bereit,   die  Er- 


Kirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  501 

örternng  darUber,  ob  die  Didaskalia  in  die  erste  oder  in  die  zweite 
Hälfte  des  3.  Jahrh.  gehört^  mit  einem  „non  liquet''  zu  schließen; 
nur  glaube  ich  sie  besser  zu  verstehen,  je  mehr  man  ihr  Datum 
dem  Ende  des  Jahrhunderts  annäherf".  Warum  er  sie  dann  besser 
yersteht,  das  habe  ich  trotz  der  sorgfältigen  Ausführungen  nicht 
ermitteln  können.  Ich  bleibe  dem  gegenüber  dabei,  daß  die  Dida- 
skalia wahrscheinlich  in  die  erste  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  ge- 
hört, daß  sie  aber  im  letzten  Viertel  dieses  Jahrhundeils  Zusätze 
erhalten  hat 

In  bezug  auf  den  Verfasser  finden  sich  bei  Achelis  (S.  377  ff.) 
noch  einige  treffende  Bemerkungen:  ein  Bischof,  aber  kein  Theologe, 
naiver  Modalist,  guter  Bibelkenner,  wirklicher  Seelsorger,  geübter 
Prediger,  eindrucksvoller  Schriftsteller,  vielleicht  neben  seinem 
bischöflichen  Amt  Arzt  von  Beruf  (?),  vielleicht  Jude  von  Geburt  ^ 

3)  Kirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts. 

Es  ist  oben  (S.201. 482)  bemerkt  worden,  daß  Hippolyt  dem  Bischof 
Zephyrin  vorgeworfen  habe,  er  sei  ajtsiQog  xmv  ixxXr]oiaoTixcop 
oQcov  gewesen.    Solche  „oqoi"^  hat  er  also  vorausgesetzt  und  sich 

1)  Unter  den  historischen  Singularitäten,  welche  die  Didaskalia  reichlich 
bietet,  steht  neben  der  merkwürdigen  Chronologie  des  (letzten)  Aufenthalts 
Jesu  in  Jerusalem  und  der  Leidensgeschichte  der  Auferstehungsbericht  im 
Vordergrund.  Er  lautet  (c.  21  S.  107):  „In  der  Nacht  also,  da  der  Sonntag 
anbrach,  erschien  er  der  Maria  von  Magdala  und  der  Maria,  der  Tochter  des 
JacobuBjUnd  im  Morgengrauen  des  Sonntags  trat  er  bei  Levi  ein,  und  dann  erschien 
er  auch  uns".  Eine  besondere  Erscheinung  Jesu  vor  Levi  wird  sonst  nirgends 
berichtet,  geschweige  als  die  erste;  aber  das  IVtnis-Evangelium  nennt  unter 
denen,  die  bei  der  ersten  Erscheinung  (vor  Petrus)  zugegen  waren,  den  Levi, 
Sohn  des  Alphäus,  und  der  Form  nach  ist  unsere  Erzählung  mit  der  des 
Hebräer-Evangeliums  verwandt,  welches  den  Herrn  zuerst  dem  Jacobus  Justus 
erscheinen  l&ßt.  Hier  heißt  es:  „Dominus  ..  .  ivit  ad  Jacobum  et  apparuit  ei". 
Cber  den  ersten  Zeugen  der  Auferstehung  war  Streit:  in  diesem  Streit  spiegeln 
sich  die  Interessen  großer  Parteien.  Die  älteste  Clxjrliefeniug  nannte  den 
Petrus;  die  Judenchristen  —  ein  Beweis,  daß  ihnen  der  gesetzesfreie  Petnis 
nicht  mehr  vollgültig  war  —  nannten  den  Jacobus.  Wt^lehes  Interesse  konnte 
man  haben,  den  Levi  zu  nennen,  wie  unser  ganz  singulärer  Bericht  das  tut? 
Eine  sichere  Antwort  ist  nicht  möglich.  Aber  wahrscheinlich  ist,  daß,  wer 
Levi  nannte,  ihn  mit  Matthäus  identifizierte  und  an  Matthäus  als  den  ältesten 
Evangelisten  gedacht  hat:  der  älteste  Evangelist  muß  auch  der  älteste 
Zeuge  gewesen  sein.  Wie  ein  Kom])romiß  sieht  diese  Entscheidung  aus:  sowohl 
Petrus  als  Jacobus  sollt-en  vermieden  werden.  Was  Achelis  S.  3-Of.  bemerkt 
hat,  ist  unhaltbar.  Er  will  den  Bericht  auf  das  Petrus-Ev.  zurückführen.  Aber 
in  diesem  Evangelium  erscheint  der  Herr  ja  erst  nach  mehreren  Tagen  und  in 
Galiläa;   auch  ist  Levi  hier  nur  neben  Petrus  genannt. 


502  ^*  Kirchenrechtliche  Litterator. 

für  sie  interessiert.  Auf  der  ihm  gesetzten  Statue  findet  man  unter 
den  Büchertiteln  Hippolyts  ein  Werk  (oder  zwei  Werke)  mit  der 
Aufschrift:  üegl  x^Q'-^l^^'^^^  ajcoöroXix^  jiaQaöoöcg.  Ob  die  beiden 
letzten  Worte  mit  den  beiden  ersten  zusammenzufassen  sind  oder 
ob  sie  ein  besonderes  Werk  darstellen,  läßt  sich  nicht  bestimmt 
sagen.  Hieronymus  weiß,  daß  Hippolyt  Eirchenrechtliches  verfaßt 
hat;  denn  ep.  71,  6  ad  Lucinium  schreibt  er:  „De  sabbatho  quod 
quaeris  utrum  ieiunandum  sit,    et  de  eucharistia  an   accipienda 

quotidie scripsit  quidem  Hippolytus  vir  disertissimus  et  carp- 

tim  diversi  scriptores  e  variis  auctoribus  edidere".  In  besonderer 
Überlieferung  ist  uns  im  Griechischen  ein  kurzer  Traktat  Jiöa- 
oxaXla  T.  ay,  djtoöroXcop  jtsQl  x^Q^<^l^ciTa)v  ohne  Hippolyts  Namen 
erhalten.  Er  entspricht  mit  ganz  unwesentlichen  Abweichungen 
den  App.  Constit.  VIII,  1.  2.  Mit  ihm  verbunden  ist  ein  anderer 
Traktat,  der  App.  Constit.  VIII,  4  ff.  entspricht  Er  trägt  die  Auf- 
schrift: /ttara^eig  r.  avxAv  dy.  djtoövoXcov  jteQi  x^^QoroviSv  öia 
^JjtJtoXvTov  K  Ähnliche  Stücke,  die  wie  Quellenschriften  oder  Aus- 
züge von  App.  Constit  VIII  erscheinen,  sind  unter  Hippolyts  Namen 
in  syrischen  Codd.  der  Vaticana  und  des  britischen  Museums  er- 
halten 2.  Endlich  gibt  es  ein  umfangreiches  kirchenrechtliches 
Werk  im  Arabischen  (junge  Überlieferung),  das  den  Titel  „Canones 
Hippolyti"  trägt  und  von  Haneberg  i.  J.  1870  zuerst  ediert  worden 
ist.  Über  das,  was  aus  diesem  Material  wirklich  dem  Hippolyt 
gebührt,  hat  sich,  nachdem  Achelis  zuerst  in  die  Untersuchung 
eingetreten  ist,  eine  große  Kontrovei-se  erhoben,  in  der  Funk  mit 
unermüdlichem  Fleiß  und  Eifer  tätig  ist  Kompliziert  ist  die 
Kontroverse,  weil  sie  sich  notgedrungen  mit  auf  das  8.  Buch  der 
App.  Constit,  die  sog.  ägyptische  Kirchenordnung  und  das  jüngst 
entdeckte  „Testamentum  domini  nostri"  beziehen  mußte.  Die 
Litteratur  ist  bereits  sehr  bedeutend  geworden^,  aber  nur  Funk 
und  noch  nicht  Achelis  hat  sein  letztes  Wort  gesprochen. 


1)  über  ihre  Cberlieferung  8.  den  1.  Teil  dieses  Werks  S.  643  und  ftijre 
Cod.  Laurent,  plut.  IX  cod.  8  hinzu. 

2)  Näheres  a.  a.  0. 

3)  Haneberg,  Die  Canones  Hippolyti,  1870.  Bonwetsch,  Montanismus. 
1881,  S.  36 ff.  Achelis,  Die  Canones  Hippolyti,  in  den  Texten  u.  Unters.  Bd.  <3 
H.  4,  1891.  Duchesne  im  Bull.  crit.  1891,  S.  41  ff.,  cf.  Origines  du  culte 
chr6t.2,  1898,  p.  504 ff.  Funk,  Die  apostolischen  Konstitutionen,  1891.  Voigt, 
Eine  verschollene  Urkunde  des  antiuiontanist.  Kampfes,  1891.  Funk,  Die  Zeit 
der  apost.  Konstit.  in  der  Tüb.  Quartalschr.  1892  S.  396  ff.,  1893  S.  594  ff.,  ab- 
gedruckt in  den  Kirchengesch.  Abh.  u.  Unters.  Bd.  2,  1899,  S.  359ff.  Sohni. 
Kirchenn-cht,  1892,  S.  142.  Harnack,  Gesch.  der  altchristl.  Litt.  T.  I,  18l>3. 
S.  013f.  779.    Derselbe  in  den  Stud.  u.  Krit.  1893,  S.  403—427  [über  Funk]. 


Eirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  503 

Ehrhard  und  Bardenhewer  haben  mit  Recht  bemerkt,  daß 
sich  im  Bahmen  der  Litteratnrgeschichte  der  drei  ersten  Jahr- 
hnnderte  die  Frage  nicht  erörtern  läßt  Auch  wir  müssen  davon 
absehen,  sie  hier  in  ihrem  ganzen  Umfange  aufzunehmen;  denn 
wir  müßten  in  das  4.  und  5.  Jahrhundert  herabsteigen  und  diesen 
Band  mit  einem  Stoffe  füllen,  der  nicht  in  ihn  gehört.  Es  muß 
hier  genügen,  das  festzustellen,  was  sich  unabhängig  von  weit- 
schichtigen Voruntersuchungen  ermitteln  läßt. 

Was    zunächst    die    auf    der    Statue    bezeichnete    Schrift 


Achelis,  Hippolytus  im  Eärcheniecht  in  der  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  Bd.  15 
H.  1,  18Ö4,  S.  Iffi  KattenbuBch,  Das  apostol.  Symbol  Bd.  1,  1894,  S.  322flP. 
Funk,  Das  achte  Buch  der  Apost.  Eonst.  und  die  verwandten  Schriften  im 
Histor.  Jahrb.  1895,  S.  1£P.  S.  473 £P.  Rolffs,  Antimontanistische  Urkunden  in 
den  Texten  u.  Unters.  Bd.  12  H.  4,  1895.  Batiffol,  La  littörature  chr6t. 
Grecqne,  1897,  p.  157 ff.  Funk,  Die  Liturgie  der  äthiopischen  EO.  in  der  Tüb. 
Quartalschr.  1898  S.  513ff.  Ignatius  Ephraem  11  Rahmani,  Testamentum 
domini  nostri  Jesu  Christi.  Mainz,  1899.  Harnack,  Vorläufige  Bemerkungen 
z.  dieser  Schrift  in  den  Sitzungsber.  d.  K.  Preuß.  Akad.  1899  S.  878  ff.,  s.  auch 
Achelis  in  der  Theol.  Litt.-Ztg.  1899  Kol.  704ff.,  Riedel  im  Theol.  Litt.-Bl. 
1900  S.  193ff.  201ff.,  Wordsworth  in  d.  Revue  intemat.  de  thöologie  Bd.  8, 
1900,  p.  452ff.,  Arendzen  in  d.  Joum.  of  theolog.  Stud.  Bd.  2,  1901,  p.  401  ff., 
Nau  im  Joum.  Asiatique  Bd.  15,  1900,  p.  233 ff.  Funk,  Die  Symbolstücke  in 
der  Ägypt.  KO  und  den  Canones  Hippol.  in  d.  Tüb.  Quartalschr.  1899  S.  161  ff. 
Morin,  L'origine  des  canons  d'Hippolyte  in  d.  Rev.  Ben6d.  Bd.  17,  1900, 
p.  241  ff.  Funk,  Das  Testament  unseres  Herrn  in  „Der  Katholik"  1900  S.  Iff. 
und  Tüb.  Quartalschr.  1900,  S.  161  ff.  Morin,  Le  testament  du  Seigneur  i.  Rev. 
B^Äi  Bd.  17,  1900,  S.  10  ff.  Zahn,  Das  Testament  usw.  in  der  Neuen  Kirchl. 
ztschr.  1900,  S.  438 ff.  Baumstark,  Überlieferung  und  Bezeugung  des  Testa- 
mentum in  d.  ROm. Quartalschr.  Bd.  14,  1900,  S.lff.  Kattenbusch,  Apost.  Symb. 
Bd.  2,  1900,  S.  968ff.  Drews,  Testam.  domini  usw.  in  den  Stud.  u.  Krit.  1901, 
S.  141  ff.  Funk,  Das  Testament  unseres  Herrn  und  die  verwandten  Schriften, 
Mainz,  1901  [in  dieser  umfangreichen  Monographie  hat  Funk  seine  Ansichten 
abschließend  dargelegt].  Hauler,  Didascaliae  app.  fragmenta  Veron.  lat.; 
acced.  canonum  qui  die.  app.  et  Aegypt.  reliquiae.  Leipzig,  1900.  Riedel, 
Die  Kirchenrechtsquellen  des  Patriarchats  von  Alexandrien  (S.  193 ff.:  die 
Canones  Hippolyti  übers.),  1900  [dazu  derselbe  in  den  Nachrichten  der  K.  Ge- 
sellsch.  d.  Wiss.  z.  Göttingen,  Philol.-hist.  Klasse,  1902  H.  5  S.  685 ff.:  der 
Katalog  der  christl.  Schriften  von  Abü^l  Barakät;  und  derselbe  in  d.  Stud.  u. 
Krit.  1903,  S.  338 ff.:  Bemerkungen  z.  d.  Kanones  des  Hippolytus].  Bonwetsch, 
Artikel  „Hippolyt"  in  der  Prot.  REnzykl.a  Bd.  8,  1900,  S.  181f.  Baumstark, 
Kanones  des  Hipp,  oder  des  Julius  in  dem  „Oriens  Christianus"  2.  Bd.,  1902, 
S.  191ff.  Ehrhard,  Die  altchristl.  Litt.,  1900,  S.  403ff.  531ff.  Cooper  und 
Maclean,  The  Testament  of  Our  Lord.  Translated  into  Knglish.  Edinburg, 
1902.  Nestle  im  American  Joum.  of  Theology  Bd.  7,  1903,  p.  749  („The 
Testament  of  our  Lord  and  kiudred  Literature").  Funk,  Ein  Fragment  z.  d. 
apostol.  Konst.  in  d.  Tüb.  Quartalschr.  19U3,  S.  lUoff.  (h.  auch  S.  478 ff.).  Barden- 
hewer, Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  Bd.  2,  1903,  S.  515.  341  ff. 


504  ^^*  Kirchenrechtliche  Litteratur. 

IIsqI  x^Q^(ff^cLT(x)v  betrifft  S  so  haben  sie  bereits  ältere  Gelehrte 
(Fabricius,  Gallandi  usw.)  in  den  c  1  u.  2  des  8.  Buchs  der 
apostoL  Konstit  (bez.  in  dem  mit  ihnen  inhaltlich  und  wörtlich 
nahezu  identischen^  Traktat  /liöaoxaXla  r.  a.  axooxoXcov  x^qi 
xagiö/iazcov^)  wiedererkennen  zu  dürfen  gemeint  Sehr  viele  neuere 
Gelehrte  sind  ihnen  gefolgt  Volle  Sicherheit  läßt  sich  nicht  ge- 
winnen, aber  daß  irgendein  Zusammenhang  besteht,  ist  aus  fol- 
genden Erwägungen  wahrscheinlich: 

(1)  XA^  ist  nicht  aus  einem  Gusse;  denn  die  Apostel  reden 
in  der  ersten  Person,  aber  p.  2,  26f.  heißt  es:  „xaga/ielvag  rol; 
djtoöToXoig  ....  aveXriiAtpd^ri  ijc  otpeötp  avtciv** ;  femer  ist  die  An- 
lage undurchsichtig,  und  das  Ganze  —  doch  ist  das  ein  subjektives 
Urteil  —  sieht  wie  ein  Auszug  aus  einem  größeren  Werke  aus. 

(2)  Der  Verfasser  des  Stücks  bez.  seiner  Grundlage  schrieb  in 
einer  Zeit,  da  es  noch  Charismen  gab  und  daher  auch  die  Frage 
nach  den  göttlichen  und  den  dämonischen  Charismen  noch  brennend 
war.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  sich  der  ßedaktor  der  apost. 
Konstitutionen  ohne  eine  Vorlage  in  diese  Zeit  hineinversetzt 
hat,  die  von  seiner  Gegenwart  weit  ablag.  Hippolyts  Zeitalter  ist 
das  letzte,  in  welchem  die  Charismen  noch  eine  Bolle  spielten. 
Nur  dem  Hippolyt  aber  wird  ein  Traktat  Uegl  x^^O/uorcor  zuver- 
lässig beigelegt 

(3)  Trug  Hippolyts  Schrift  den  Titel  IIcq!  xß(>«öf^af a>r  ajroaro- 
jLixt]  jraQaöooig,  so  ist  es  besonders  leicht  verständlich,  daß  der 
Redaktor  der  apost  Konstitntionen  aus  ihr  eine  /tiöaoxaXia  r.  d. 
aJtoöToXmv  formte  und  in  ihr  die  Apostel  in  der  ersten  Person 
reden  ließ.  Es  wäre  das  die  genaue  Parallele  zu  der  Tatsache, 
daß  er  im  7.  Buch  die  Aiöaxi]  r&v  anocxoXcov  zu  einer  direkten 
Kundgebung  der  Apostel  umgestempelt  hat  Allerdings  (s.  o.)  ist 
es  nicht  sicher,  daß  ajtoovohx?]  jcagadooiq  mit  xbq\  xciQiOfdaTwi' 
einen  Titel  bildet,  aber  unmöglich  ist  es  keineswegs;  denn  selbstver- 
ständlich auch  in  bezug  auf  die  Charismen  glaubte  man  am  Anfang 
des  3.  Jahrhunderts  apostolische  Überlieferung  und  Anweisung  zu 
besitzen.  Natürlich  muß  Hippolyts  Schrift  viel  umfangreicher  ge- 
il Achelis,  Canones  Hippol.  8.  2G9ff.,  Funk,  ApostoL  Konstit.  S.  lo'^tf 

Derselbe,  Das  Testament  unseres  Herrn  (1901)  S.  I80f. 

2)  Die  Verschiedenheit  ist  fast  durchweg  nicht  größer  als  die,  wt^lclie 
zwischen  nahe  verwandten  Handschriften  einer  und  derselben  Schrift  besteht. 
Eine  Ausnahme  bilden  aber  zwei  Stellen  (Lagarde  p.  2,  15 — 17;  p.  2,  23 f. j,  w^ 
die  Priorität,  wie  Funk  1901  S.  180f.  schlagend  gezeigt  hat,  auf  Seiten  der 
Const.  App.  liegt-. 

3)  Lagarde,  Reliq.  iur.  autiquiss.  Gr.  p.  Ift". 

4)  So  nenne  ich  diis  Stück. 


Kirclieiirechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  505 

weaen  sein  als  XA,  das  bei  Lagarde  nicht  mehr  als  1:^6  Drnck- 
Zeilen  nm&ßt  Die  Schrift  wird  sich  auch  gegen  den  Montanismos 
gerichtet  haben,  wovon  sich  in  XA  nichts  findet  Gehörte  sie  zu 
Hippolyts  späteren  Werken,  so  werden  auch  Ausfälle  gegen  Kaliist 
und  seinen  Anhang  nicht  gefehlt  haben.  In  dieser  Hinsicht  aber 
ist  es  vielleicht  nicht  unwichtig,  daß  XA  p.  4,  6ff.  steht:  oire 
ßaailevg  &voosß^g  ßaOtXeix;  ixt  vxcQxsiy  äXXä  rvQavvog,  oire 
ixlcxoxoq  dyvolf  i]  xaxovolq^  xsjUBöfiivog  ext  kxlöxojtog  koxiv, 
aXXa  ^evödwiiog,  ov  xaga  d-Bov,  dXXä  xaga  avd^Qdjtmv  JtQoßXrj- 
9'elg.    Viel  ist  freilich  darauf  nicht  zu  geben. 

(4)  Ganz  unsicher  kann  man  sich  flir  die  Hypothese,  XA  habe 
die  Schrift  Hippolyts  zur  Grundlage,  dai*auf  berufen,  daß  XA  in 
griechischen  und  syrischen  Handschriften  mit  dem  Stück  XB 
(«»  xsqI  x^^foxoviciv)  verbunden  ist  (d.  h.  ihm  vorhergeht)  und  daß 
XB  die  An&chrift  trägt  „öiä  ^IxjtoXvxov''.  Es  wird  sich  zeigen, 
daß  XB  inhaltlich  schwerlich  etwas  mit  Hippolyt  zu  tun  hat 
Dann  aber  wäre  es  eine  merkwürdige  und  daher  nicht  wahrschein- 
liche (jedoch  mögliche)  Gaprice  der  Oberlieferung,  wenn  man  eine 
Vertauschung  annehmen  und  „dia  'fjtjroXvtov''  zum  ersten  Stück 
ziehen  müßte. 

Es  ergibt  sich,  daß  XA  nicht  mit  erheblicher  Wahrscheinlich- 
keit auf  Hippolyt  zurückgeführt  werden  kann.  Gesetzt  aber  auch, 
die  Wahrscheinlichkeit  sei  eine  annehmbare,  so  ist  damit  nicht 
viel  gewonnen;  denn  nur  weniges  ließe  sich  aus  dem  jedenfalls 
stark  bearbeiteten  Stück  dem  Hippolyt  vindizieren.  Bei  keinem 
einzigen  Satze  ist  die  Gewähr  gegeben,  mit  ihm  auf  hippolytischem 
Boden  zu  stehen;  nur  ein  paar  Hauptgedanken  könnten  auf  ihn 
zurückgeführt  werden. 

Das  Stück  XB  (oder  besser  die  Stücke)  *  enthält  folgende  Ab- 
schnitte: (1)  Aiaxa^eig  x.  avxdiv  dy,  djtooxoXcov  jreQi  x^^Qoxovcdip 
öiä  'ijtxoXvxov  (Lagarde  p.  5 — 10  =  App.  Const.  VIII,  4.  5.  16.  17. 
18.  30.  31),  (2)  IlavXov  x.  dy.  djt.  diaxa^HQ  jrsQi  xavovcov  ixxXt]- 
oiaoxix^v  (Lag.  p.  10—12  =  App.  Const.  VIII,  32).  (3)  IltxQov  xai 
IlavXov  T.  dy.  djr.  öiaxa^tic  (Lag.  p.  12 — 15  =  App.  Const.  VIII,  33. 
34.  42.  43.  44.  45),  (4)  IleQl  evxa^iag  öiöaoxaXia  jravTOjv  r.  dy. 
djtooxoXcov  (Lag.  p.  15 — 18  =  App.  Const.  VIII,  4G).  Nur  das  erste 
ist  auf  Hippolyt  zurückgeführt  (aber  nicht  in  allen  Mss.,  wohl  aber 


1)  S.  Funk,  Apost.  Konstit.  S.  14211*.,  derselbe,  QimrtalBcbr.  1S0:J,  S.  (K)5tf., 
derselbe,  Histor.  Jahrb.  18()o  S.  Itf.  473 f.,  derselbe,  Das  Testament  unseres 
Herrn  (1901)  S.  126—178.  S.  170—212.  S.  27jff.  Aclielis,  Ztschr.  f.  KGesch. 
Bd.  15  S.  1  ff.    Harnack,  Stud.  und  Krit.  181  »3  S.  4()Sf. 


k 


50g  II.  Kirchenrechtliche  Litteratur. 

auch  in  syrischen,  die  den  Titel  sogar  auf  folgende  Stücke  ausdehnen); 
es  kommt  also  allein  hier  in  Betracht  Aber  eine  nähere  Unter- 
suchung zeigt,  daß  sich  der  hippolytische  Ursprung  nirgendwo  er- 
w eisen,  in  bezug  auf  manche  Stücke  aber  widerlegen  läßt  Aller- 
dings erhebt  sich  hier  sofort  die  Frage,  ob  XB  Auszug  ans  oder 
Quelle  für  Const  Apost  1.  VIII  ist;  denn  XB  ist  nicht  wie  XA  mit 
den  parallelen  Stücken  der  Const  Apost  fast  identisch,  sondern 
unterscheidet  sich  sehr  erheblich  von  ihnen  K  Aber  diese  Frage 
läßt  sich  nicht  lösen,  ohne  die  ganze  Kontroverse  Aber  die  Ent- 
wicklungsgeschichte des  orientalischen  Kirchenrechts  aufzurollen  l 
Wir  müssen  also  sehen,  wie  weit  wir  kommen,  ohne  die  ParaUel- 
verordnungen  hinzuzuziehen.  Hier  muß  nun  bekannt  werden,  daß 
erstlich  die  Einkleidung  des  Ganzen  (direkte  Anordnung  der  Apostel) 
unmöglich  von  Hippolyt  herrühren  kann  —  solche  Einkleidungen 
unternimmt  nur  ein  Anonymus  — ,  femer  daß  aus  den  bekannten 
und  sicheren  Werken  Hippolyts  nichts  zu  Gebote  steht,  was  ge- 
eignet wäre,  die  Überlieferung  des  hippolytischen  Ursprungs  dieser 
Bestimmungen  wirklich  zu  stützen,  und  daß  drittens  die  hierarchische 
Konstitution,  die  sie  voraussetzen  (Bischof,  Presbyter,  Diakonen, 
Diakonissen,  Subdiakonen,  Lektoren,  Konfessoren,  Jungfrauen,  Wit- 
wen, Exorcisten ;  dazu  p.  9,  32  der  Satz :  diaxovoq  dq>oQl^£c  v^odta- 
xovov,  apaypciorrjp,  tpaXrrjp,  dicocoviööccv ,  iäv  di^  xl  toiovtop, 
fifj  jraQovTog  JtQBCßvxiQov),  für  das  Abendland  und  Rom  sowie  für 
die  Zeit  um  220  außerordentlich  befremdet,  um  nicht  mehi*  zu  sagen'. 
Die  Bestimmung  über  die  Konfessoren  (p.  8,  15  ff.)  muß  letztlich 
allerdings    auf   die  vorkonstantinische  Zeit  zurückgehen.     Einen 

1)  Ein  Auszug  ist  XB  gewiß  —  das    zeigt   seine  Form  — ;    aber  fragli<A 
ist,  ob  aus  Const.  App.  VIII. 

2)  Nicht  verschweigen  darf  ich,  daß  die  Nachweisungen  Funks  (besonden 
die  dogmengeschichtlichen)  mich  sowohl  in  bezug  auf  XA  als  XB  davon  über- 
zeugt haben,  daß  sie,  verglichen  mit  dem  Text  des  8.  Buchs  der  Apost.  Cons*- 
eine  Reihe  deutlicher  und  starker  sekundärer  Züge  tragen.  Sie  könnei 
also,  wie  sie  lauten,  nicht  die  Quelle  oder  Vorstufe  von  App.  Const.  VUI 
sein.  XA  und  XB  sind  orthodox  in  der  Trinitätslehre,  App.  Const.  VIII  ist  es 
nicht.  Die  Frage  kann  also  nur  so  lauten,  ob  sie  ein  Auszug  aus  App.  CoDft 
selbst  oder  ein  in  späterer  Zeit  gemachter,  mit  Zusätzen  versehener  Auszug  «i 
einer  vor  App.  Constit.  liegenden  Vorstufe  derselben  sind.  Solange  eine  sold« 
Vorstufe  nicht  nachgewiesen  ist,  besteht  Funks  These  zu  Recht,  daß  XA  vaA 
XB  Auszüge  aus  App.  Const.  VIII  sind.  Die  Möglichkeit,  eine  Vorstufe  «i 
konstruieren,  hängt  nach  den  Nachweisungen  Funks  nur  noch  an  einem  gi»| 
dünnen  Faden.  Man  darf  darauf  gespannt  sein,  ob  Achelis  ihn  noch  zu  eiBet[ 
haltbaren  Tau  zu  verstärken  vermag. 

3)  vSubdiakonen  sind  in  Rom  vor  dem  Bischof  Fabian  nicht  nachweish*-"] 
die  Einschiebung  von  Diakonissen  zwischen  Diakonen  und  Subdiakonen  ist  ftj 
Rom  nicht  zu  b»'logen;   Psalmsänger  sind  dieser  Gemeinde  ebenfalls  fremd 


4- 


Kirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  507 

altertümlichen  Eindruck  macht  das  Weihegebet  für  den  Bischof, 
aber  solche  Gebete  entscheiden  nicht 

Nichts,  darf  man  sagen,  kann  mit  ii*gendwelcher  Wahrschein- 
lichkeit als  hippolytisch  in  Ansprach  genommen  werden  \  Aber 
woher  kommt  dann  die  Überlieferung,  diese  Anordnungen  seien 
von  Hippolyt?  Die  Frage  wird  noch  rätselhafter,  wenn  XA  und  XB 
lediglich  Auszüge  aus  App.  Const  YIII  sind.  Auch  Funk  (1901, 
S.  212)  hat  keine  Antwort  zu  geben  vermocht:  ,,Hier  hat  allerdings 
unser  Wissen  ein  Ende.  Bei  dem  Stand  der  Dinge  kann  man  sich 
darüber  nur  in  Vermutungen  bewegen.  Vielleicht  gab  ein  Fehler 
in  dem  Exemplar  der  App.  Const,  das  dem  Bearbeiter  von  VHP' 
(=  XA  und  XJB)  zu  Gebote  stand,  zur  Setzung  des  Namens  Anlaß. 
VieUeicht  meinte  der  Bearbeiter,  daß  Hippolyt  eine  derartige 
Schrift  verfaßt  habe,  und  glaubte  deswegen  den  Namen  an  die 
Spitze  des  Stücks  setzen  zu  können''.  Diese  Annahme  ist  in  der 
Tat  die  am  nächsten  liegende.  Das  Verfahren  des  Redaktors  wird 
einigermaßen  verständlich,  wenn  ihm  bekannt  war,  daß  Hippolyt 
als  Verfasser  kirchenrechtlicher  Schriften  bez.  als  Redaktor  kirchen- 
rechtlicher Verordnungen  galt,  und  wenn  sich  diese  Verordnungen 
den  Titeln  nach  und  sonst  in  einigen  Beziehungen  z.  T.  mit  XB 
deckten. 

Sind  nun  nicht  die  Canones  Hippolyti,  die  nur  arabisch  er- 
halten und  erst  im  1 2.  Jahrhundert  bezeugt  sind,  das  wirklich  von 
Hippolyt  herrührende  Werk?^  Achelis  hat  das  behauptet,  jedoch 
eine  sehr  große  Zahl  von  Interpolationen  und  Umstellungen  an- 
nehmen müssen.  Daß  auch  in  dieser  Gestalt  die  Hypothese  un- 
haltbar ist,  hat  Funk  aus  inneren  Gründen  —  von  den  Gründen. 
die  er  dem  Verhältnis  zu  den  anderen  parallelen  Schriften  ent- 
nimmt, sehe  ich  ab  —  erwiesen  ^  Auch  Achelis  wird  jetzt  zuge- 
stehen müssen,  daß  man  sich  mit  der  Hypothese  des  hippolytischen 
Ursprungs  im  günstigsten  Fall  auf  einen  weit  zurückliegenden 
Kern  der  „Canones  Hippolyti"  zurückziehen  muß.  Die  Schrift,  wie 
sie  vorliegt,  ist  eine  ägyptische  Kirchenordnung,  die  in  Dutzenden 
von  Bestimmungen  und  Ausführungen  weder  abendländisch  noch 
vomicänisch  sein  kann.  Diese  Bestimmungen  und  Ausführungen 
erscheinen  nicht  wie  mehr  oder  weniger  leicht  abzuziehende  Zu- 
sätze, sondern  sie  reichen  in  das  Herz  des  Buchs,  wie  es  vorliegt. 
liinein  und  beherrschen  das  Zentrum  sowohl  wie  die  Peripherie. 


1)  Damit  ist  nicht  rund  aiisgoschlossen,  daß  etwas  von  Hippolyt  herrührt. 

2)  Ich  zitiere  die  Kanones  nach  der  Auspabi»  von  Riodcl,  si.  a.  0.  S.  'iOOft'. 

3)  7ailetzt  in  dem  Werk  vom  J.  1001  S.  lM:;-201. 


50S  ^^-  Kirchenrechtliche  Litteratur. 

Speziell  auch  die  ADdeutUDgen  über  die  Buße  sind,  wie  schon 
Duchesne  eingewandt  hat,  nicht  hippolytisch. 

Dennoch  meine  ich  mit  Achelis  daran  festhalten  zu  müssen, 
daß  der  Name  „Hippolyt"  keine  bloße  Fiktion  ist,  so  wertlos  wie 
der  Name  „Clemens''  bei  anderen  Konstitntionen.  Die  Erwägongen 
von  Achelis,  die  m.  R  in  Kraft  bleiben,  sind  folgende: 

(1)  Diese  Kanones  geben  sich  formell  nicht  als  apostoUsche 
Anordnungen;  sie  enthalten  kein  „Wir,  die  Apostel*"  S  und  sie  be- 
rufen sich  unbefangen  auf  das  im  N.  T.  enthaltene  schriftliche  Wort 
der  Apostel  Da  sonst  alle  oder  fast  alle  Kirchenordnungen  sich 
als  direkt  apostolische  bezeichnen,  besteht  der  Schluß  zu  Secht, 
daß  eine  Kirchenordnung,  die  wesentlich  denselben  Inhalt  hat  wie 
die  anderen,  sich  aber  nicht  als  apostolische  gibt,  sondern  sich 
auf  einen  Kirchenmann  zurückfuhrt,  wirklich  irgendwie  niit 
diesem  Kirchenmann  zusammenhängt 

(2)  Die  als  Kanon  1  bezeichnete  Satzgruppe  ist  in  Wahrheit 
eine  Vorrede;  sie  ist  an  sich  bei  Kirchenordnungen  dieser  Art 
ganz  ungewöhnlich,  und  sie  trägt  sowohl  in  ihrer  Konzeption  als 
in  der  Ausführung  Züge,  die  vortrefflich  zu  flippolyt  passen.  Sie 
lautet  2: 

„Vor  allem  reden  wir  über  den  heiligen,  echten  Glauben  an 
unseren  Herrn  Jesum  Christum,  den  Sohn  des  lebendigen 
Gottes.  Wir  haben  es  im  Glauben  verfaßt,  indem  wir  mit 
aller  Festigkeit  zustimmen.  [So  sagen  wir  also  in  Wahr- 
heit,  daß  die  Dreiheit,  die  in  sich  gleiche,  in  der  Ehrung 

vollkommene,  sich  gleich  ist  in  der  Herrlichkeit] '  dal! 

er  keinen  Anfang  und  kein  Ende  hat,  er,  das  Woi-t,  der  Sohn 
Gottes,  welcher  der  Schöpfer  der  ganzen  Schöpfung  ist,  der 
sichtbaren  und  der  unsichtbaren.  Das  haben  wir  verfaßt 
indem  vrir  in  Wahrheit  zustimmen.  Denen  aber,  welche 
irren  und  Unerlaubtes  über  das  Wort  Gottes  reden,  wird  es 
gehen,  wie  von  ihnen  unser  Herr  Christus  gesagt  hat  Darum 
haben  wir  uns  um  so  enger  vereinigt  in  der  Kraft  Gottes 
und  jene  abgesondert,  weil  sie  nicht  mit  den  h.  Schiiften, 

1)  Die  Aufschrift  („Dies  sind  die  Kanonoe  der  Kirche  und  die  Gebote, 
welche  Hippolytuß,  der  oberste  der  Bischöfe  von  Rom,  gemäß  den  Befehlen 
(Jier  Apostel  durch  den  h.  Geist,  der  in  ihm  sprach,  geschrieben  hat,  an  Zahl 
38  Kanones")  kann,  abgesehen  von  dem  Namen  Hippolyt,  sehr  wohl  als  sekundär 
betrachtet  werden,  ja  dies  ist  das  Wahrscheinliche.  Die  Zweifel,  die  Funk 
schon  an  diese  Einleitung  heftet,  sind  daher  belanglos. 

2)  Was  als  inteq)oliert  erscheint,  habe  ich  eingeklammert-. 

3)  Hier  fehlt  etwas;  es  scheint  getilgt  worden  zu  sein,  als  der  vorher- 
gehende Satz  eingeschoben  wurde. 


Eirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  509 

dem  Worte  Gottes,  überemstimmen  und  nicht  mit  uns,  den 
Schülern  der  Schriften.  Deswegen  haben  wir  sie  von  der 
Kirche  abgesondert  und  ihre  Sache  Oott  anheimgestellt,  der 
die  gan2e  Schöpfung  in  Gerechtigkeit  richten  wii*d.  Die 
unwissenden  aber  lehren  wir  es  ohne  Neid  kennen,  damit 
sie  nicht  wie  die  Häretiker  in  einen  schlimmen  Tod  fallen, 
sondern  des  ewigen  Lebens  gewflrdigt  werden  und  ihre 
Kinder  und  Nachfahren  diesen  einzigen  Glauben  lehren"". 

Was  Achelis  zu  diesem  Stück  bemerkt  hat,  bleibt  trotz  den 
Gegenbemerkungen  Funks  in  Kraft  Der  eingeklammei*te  Satz. 
der  nach  vorwärts  und  rückwärts  den  Zusammenhang  stört,  erweist 
sich  als  eine  Interpolation.  Streicht  man  ihn,  so  hat  man  eine 
Satzgruppe,  die  höchst  altertümlich  anmutet  und  aufs  stärkste  an 
Hippoljrt  und  an  seine  Situation  den  Modalisten  und  Kallist  gegen- 
über erinnert  Für  den  Sohn  Gottes,  den  Logos,  tritt  der  Ver- 
fasser au&  energischste  ein;  der  Glaube  an  ihn  ist  der  Glaube 
überhaupt  Die  Gegner  sind  solche,  die  Unerlaubtes  über  den  Logos 
Gottes  reden.  Ihnen  gegenüber  haben  wir  uns  „um  so  enger  ver- 
einigt in  der  Kraft  Gottes  und  jene  abgesondert,  weil  sie  nicht 
mit  den  h.  Schriften,  dem  Worte  Gottes,  übereinstimmen  und  nicht 
nait  uns,  den  Schülern  der  Schriften".  Hier  wie  überhaupt  in  der 
ganzen  Nachdrücklichkeit  der  Ausführungen  hört  man  geradezu 
Hippolyt  reden,  und  ich  getraue  mir  zu  behaupten,  daß,  wenn  dieses 
Stück  heute  zum  ersten  Male  und  namenlos  auftauchen  würde, 
nicht  wenige  Kenner  urteilen  würden,  es  rühre  von  Hippolyt  her. 
Ist  es  nicht  dieselbe  Art  und  Energie,  wie  sie  in  dem  Proümium 
der  Eefutatio  (p.  4f.  Duncker)  hervortritt^:  cov  [row  ajtooToXcov] 
Tlfislg  öiaöoxoi  rvyx^^oprtg  t^c  ts  avrTjc  x^Q^'^^^  (isrtxovxe^ 
oQX^QccTslag  re  xäi  öiöaoxaXlag  xal  tpQovQoi  rrjg  ixxh/olag  ItXoyi' 
Ofiivoi  ovx  o^pO-aXfitp  pvoraCofiSP  ovöe  Xoyov  oqO^op  oio?jt(5fi€P  . .  . 
xal  oCa  xaQi^Bi  ro  ayiop  Jtpevfia  jtäoip  dq>0^6po?  xoipcopovrrs^,  ov 
fiopov  aXXoTQia  6i  iXiyxov  atg  (papeQOP  ayoprsc,  äXXa  xal  ooa  i) 
aXi^O-eia  . . .  öitixopr^os,  ravra  xal  öia  Xoyov  orj/jtiovfiepoi  . .  .  xfjQva- 
oofiev  (s.  auch  das  Folgende:  Widerspruch  der  Gegner  mit  den 
h.  Schriften)?  Auch  „die  Schüler  der  Scliriften**  mutet  hippolytisch 
an.  In  dem  wahrscheinlicli  (s.  o.  S.  232)  von  H.  lierrülirenden  Stück 
ep.  ad  Diogn.  11  bezeichnet  sich  H.  emphatisch  als  Schüler  der 
Apostel.  Über  die  Aussclieidiing  der  ..Kallistianta-*'  durch  Hippolyt 
s.  Refut  IX,  12,  p.  458.    Daß  das  Stück,  wie  Funk  meint,  von  einem 


1)  Etwas  Verwandtes  meine  ich  auch  aus  dem  Proöm.  zum  Liber  Genera- 
tionis  herauszuhören  (Edit.  prineei)s  d«'s  Originultextf*  als  Ms.  gedruckt  von 
Adolf  Bauer,  1904),  sowie  aus  manchen  anderen  Zusammenfassungen  Hippolyts. 


510  ^^*  Kirchenrechtliche  Litteratur. 

MoDophysiten  herrühre  und  die  christologischen  Kämpfe  des  5.  Jahr- 
hunderts zu  seiner  Voraussetzung  habe,  ist  eine  außerordentlich 
schwierige  Annahme.    Nahe  liegt  sie  gewiß  nicht 

(3)  Da  der  Subdiakon  in  der  hierarchischen  KonstitatioD, 
welche  diese  Kanones  voraussetzen,  eine  feste  Stelle  hat  \  so  kann 
diese,  so  wie  sie  lautet,  nicht  für  eine  Schrift  Hippolyts  in  An- 
spruch genommen  werden.  Im  einzelnen  mag  manches  auf  eine  alte 
Quelle  zurückgehen  —  die  Bestimmung  (c.  2  fin.)  freilich,  daß  auch 
ein  Presbyter  ordinieren  könne,  ist  selbst  für  Hippolyts  Zeit  „zu 
alt^*  und  eben  deshalb  wohl  als  Konfusion  zu  beurteilen;  auch  wird 
sie  durch  c.  4  fin.  aufgehoben;  das  Weihegebet  aber  für  den  Bischof 
und  was  sich  an  dasselbe  anschließt,  kann  sehr  wohl  aus  der  Zeit 
Hippolyts  herrühren  — ,  jedoch  mit  Sicherheit  ausscheiden  läßt 
sich  nichts.  Die  Promotionen  der  Konfessoren  (c.  6)  zur  Presbyter- 
würde gehen  gewiß  in  vorkonstantinische  Zeit  zurück  —  Punks 
Meinung,  daß  hier  monophysitische  Praxis  vorliege,  ist  seltsam  -, 
und  die  Anordnung,  daß  ihnen  die  Würde  ipso  facto  zukomme,  also 
eine  Ordination  nicht  zulässig  sei,  macht  einen  sehr  alten  Eindruck, 
da  bereits  bei  Cyprian  sich  eine  solche  Praxis  bez.  eine  so  große 
Konzession  nicht  mehr  findet  2.  Sehr  merkwürdig  und  singulärist 
c.  6  fin.,  der  dem  Sklaven,  der  Konfessor  geworden,  nur  die  Pres- 
byterwürde, nicht  aber  das  Recht  sie  auszuüben  zuspricht  In 
das  Altertum  muß  c.  8  zurückführen:  „Wenn  jemand  um  seine 
Ordination  bittet,  weil  er  die  Gabe  der  Heilung  erhalten  habe,  so 
wird  er  erst  ordiniert,  wenn  die  Sache  klar  ist,  und  auch  das,  ob 
die  Heilung,  die  von  ihm  ausgeht,  von  Grott  stammt".  In  noch 
höherem  Grade  gilt  das  von  c.  9:  „Wenn  ein  Presbyter  fortzieht 
und  sich  an  fremden  Orten  niederläßt,  so  soll  der  Klerus  jenes 
Orts  ihn  aufnehmen,  und  man  soll  den  Bischof  seines  Stuhls  fragen, 
damit  er  nicht  etwa  wegen  irgendeines  Grundes  geflohen  ist  Ist 
jedoch  seine  Stadt  fern,  so  soll  zuerst  untersucht  werden,  ob 
er  ein  Apostel  ist;  dieser  steht  den  Presbytern  gleich.  Darauf 
wird  er  Teilnehmer,  und  es  wird  ihm  doppelte  Ehre  erwiesen,  ohne 
daß  er  jedoch  noch  ordiniert  ist".  Der  Kanon  ist  nicht  klar  und  wohl 
überarbeitet;  aber  die  Berücksichtigung  von  „Aposteln"  lehrt,  daß 
er  einen  alten  Kern  hat.  Das  Gleiche  gilt  von  c.  10  (Über  die, 
welche  Christen  werden  wollen),  c.  11  (Über  die  Verfertiger  von 
Idolen  und  Götzenbildern),  c.  12  (Christenstand  und  Gtewerbe), 
c.  13.  14  (Christenstand  und  Soldatenstand),  c.  15  (Christenstand  und 

1)  Der  Versuch  von  Achelis,  ihn  auszuscheiden,  ist  undurchführbar. 

2)  Daß  die  Konfessoren  Anspnich  haben,    in  den  Klerus  aufgenommen  zu 
werden,  bezeugt  auch  er,  aber  von  der  Ordination  sieht  er  nicht  ab. 


Kirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyts.  5[1 

schlechte  Handlangen),  c.  16  (Verbot,  eine  Frau  zu  einer  Konkubine 
hinznzonehmen),  c  17  (Christliche  Frauen),  vielleicht  auch  fiir  einige 
Bestimmungen  in  c.  18.  In  bezug  auf  alle  diese  Kanones  hat  es 
nicht  nur  keine  Schwierigkeit  eine  alte  (bez.  abendländische)  Quelle 
anzunehmen,  sondern  eine  solche  Annahme  liegt  auch  durchweg 
nahe.  Man  darf  dasselbe,  trotz  vielem  Fremden,  Späten  und  Morgen- 
ländischen, dessen  Aufdeckung  wir  Funk  verdanken,  von  den 
can.  19—37  behaupten  und  letztlich  auch  von  dem  etwa  ein  Fünftel 
des  Ganzen  füllenden,  predigtartig  gestalteten  can.  38,  der  gewöhn- 
liche Christen  und  Asketen  unterscheidet,  aber  das  Mönchtum 
nicht  ins  Auge  faßt.  Auch  Funk  stellt,  soviel  ich  sehe,  nicht 
in  Abrede,  daß  ein  großer  Teil  der  Bestimmungen  in  den  Canones 
Hippolyti  letztlich,  d.h.  ihren  Grundlagen  nach,  nicht  nur  bis  in 
das  3.  Jahrhundert  hinaufgehen  kann,  sondern  wirklich  hinauf- 
geht K  Was  er  leugnet,  ist  nur  dies,  daß  sie  in  der  Gestalt,  in  der 
sie  in  den  Canones  Hippolyti  vorliegen,  ein  größeres  Recht  haben 
für  alt  oder  gar  für  hippolytisch  angesehen  zu  werden,  als  in  den 
anderen  Gestalten,  in  denen  sie  uns  überliefert  sind.  Er  behauptet 
vielmehr  umgekehrt,  daß  sie  in  den  Canones  Hippolyti  in  der  jüngsten 
Gestalt  erscheinen,  denn  nach  ihm  gilt  folgender  Stammbaum: 

App.  Constit  lib.  \'III 


XA  und  XB 


Ägyptische  Kirchenordnung 


Testanientum  domini 

Canones  Hippolyti 


Nun  aber  leugnet  Funk  nicht,  daß  das  8.  Buch  der  App.  Constit. 
auf  viel  ältere  Quellen  zurückgeht.  Es  könntii  somit  der  ganze 
Stammbaum  Funks  zu  Recht  bestt4ien  und  die  Canones  Hippolyti 
doch  ihren  Namen  mit  Fug  tragen,  wenn  man  nämlich  annimmt, 
daß  in  ihnen  die  alten  Quellen  oder  die  alte  Quelle  {näm- 
lich Hippolyt)  auch  noch  direkt  benutzt  ist.  so  daß  sie  eine 
Kompilation  aus  einer  späten  Ableitung  der  Quelle  und 


1)  Ich  kann  nur  wiederholen,  was  ich  Stiid.  u.  Krit.  IhiKJ  iS.  110  ansge- 
eprocben  habe,  daß  es  Blindheit  in  bezug  auf  f^eßchichtliche  Farben  verrät, 
wenn  man  die  Canones  Hippolyti  in  rausch  und  Bogen  in  die  Zeit  um  das 
J.  50(J  verlegt. 


512  IL  Kirchenrechtliche  Litteratar. 

der  Quelle  selbst  sind.    Dann  würde  der  Stammbaum  so  aus- 
sehen ^ : 

Echte  Kanones  Hippolyts 


App.  Const  1.  Vm 

I 
XA  und  XB 

I 
Ägyptische  Kirchenordnung 


Ägyptische  Canones  Hippolyti 

Ich  darf  mich  hier  auf  eine  Erörterung  dieser  Frage  nicht 
einlassen.  Das  gegebene  Schema  würde  das  Problem  lösen,  welches 
Funk  nicht  zu  lösen  vermag,  wie  denn  der  Name  „Hippolyt" 
plötzlich  in  den  Stammbaum  eingetreten  ist  Wenn  sich  die 
älteren  KKOO  sämtlich  als  direkt  apostolisch  bez.  als  apostolisch- 
clementinisch  gegeben  haben,  wie  kommt  es,  daß  die  jüngste  Ge- 
stalt darauf  verzichtet  und  unter  dem  Namen  „Hippolyt"  erscheint?- 
Das  ist  doch  das  umgekehrte,  was  wir  sonst  beobachten.  Man 
macht  wohl  aus  Anordnungen  eines  angesehenen  Kirchenlehrers  in 
späterer  Zeit  apostolische  Anordnungen  (s.  z.  B.  die  Liturgien), 
aber  daß  man  Anordnungen  der  Apostel  in  späterer  Zeit  in  An- 
ordnungen eines  Kirchenlehrers  verwandelt,  ist  doch  ganz  rätsel- 
haft! —  Was  nach  den  eingehenden  Untersuchungen  Funks  jetzt 
noch  zu  geschehen  hat,  ist  m.  E.  folgendes:  es  muß  aus  sämtlichen 
Parallelschriften  (App.  Const.,  XA  und  XB,  Ägypt  KO,  Arabische 
Didaskalia,  Testamentum  domini,  Canones  Hippolyti)  für  alle  Ab- 
schnitte, die  sie  gemeinsam  haben,  und  auch  für  solche  Abschnitt^ 
die  nur  zwei  oder  drei  oder  vier  von  ihnen  bieten,  die  älteste 
Form  bestimmt  werden.  Die  so  gewonnenen  Stücke  müssen  zu- 
sammengestellt und  in  bezug  auf  sie  die  Frage  erhoben  werden. 


1)  Das  ist  natürlich  eine  hypothetische  Konstruktion.  Die  Verwandt- 
schaftsverhältnisse können  viel  komplizierter  sein  und  sind  es  wahrscheinlich. 
Auf  jeder  Stufe  kann  das  hinter  ihr  Stehende  (das  Original)  in  rerschie- 
denster  Weise  aufs  neue  eingewirkt  haben. 

'J)  Baumstark  versuchte  zu  zeigen,  daß  der  den  Kanones  anhaftende 
Name  ursprünglich  „Julius"  gelautet  habe  (=  Julius  J.  von  Rom)  und  nur  durch 
ein  Mißverstiiudnis  im  Arabischen  zu  „Hippoly^s"  geworden  sei  („Orient 
Christianuß"  Bd.  2  S.  lOlff.i;  aber  er  hat  nur  die  Möglichkeit,  nicht  die  Tat- 
sächlichkeit eines  solchen  Mißverständnisses  erwiesen.  Da  an  XB  der  Name 
Hippolyts  haftet,  so  darf  er  schon  deshalb  bei  den  Kanones  nicht  korrigiert 
werden  (so  auch  Bardenhewer,  Gesch.  der  altkirchl.  Litt.  Bd.  2  S.  541  f.  nini 
Funk,  Tüb.  Quartalschr.  19<)3  S.  478flF.). 


Kirchenrechtliche  Arbeiten  Hippolyte.  5  [3 

ob  sie  nicht  von  Hippoljrt  herrühren.  Daß  die  Canones  Hippolyti 
durchweg  die  jüngste  Gest-alt  der  Bestimmungen  darstellen,  ist 
von  Funk  nicht  bewiesen  worden.  Da  sie  sich  durch  eine  Vor- 
rede hervorheben,  die  allen  Anspruch  dai-auf  macht,  von  Hippolyt 
zu  stammen,  da  sie  eine  große  Schlußausführung  aufweisen,  die 
man  nicht  ohne  weiteres  ins  5.  oder  6.  Jahrhundeil  verbannen 
kann,  da  sie  in  c.  19,  11  ein  Glaubensbekenntnis  enthalten,  das 
abendländisch  (römisch)  zu  sein  scheint  ^  und  da  sie  einer  Schrift 
gegenüber  wie  das  Testam.  domini  nostri  in  vielen  Zügen  (nicht  in 
allen)  eine  ältere  Farbe  aufweisen,  so  kann  die  Ansicht  nicht  ge- 
billigt werden,  daß  sie,  abgesehen  von  den  ihnen  eigentümlichen 
jungen  Stücken  und  Zügen,  restlos  in  den  Parallelschriften  auf- 
gehen. In  c  1  und  2  der  App.  Constit.  sieht  die  große  Mehrzahl 
der  Forscher  (auch  Funk)  eine  Schrift  Hippolyts  benutzt  obgleich 
gerade  hier  nur  recht  unsichere  Beobachtungen  für  diese  Hypothese 
sprechen.  Die  Bezeichnung  von  XB  als  hippolytisch,  der  Titel 
„Canones  Hippolyti",  die  Vorrede  zu  diesen  Kanones  und  die  Tat- 
sache, daß  der  Inhalt  des  gemeinsamen  Guts  in  die  Märtyrerzeit 
(und  nicht  in  die  späteste)  zurückführt,  endlich  die  sichere  Kunde, 
daß  Hippolyt  sich  für  ,1'Oqoi''  interessiert  und  aucli  Kirchenrecht- 
liches geschrieben  hat,  machen  es  überaus  wahrsclieinlich,  daß  in 
den   großen  Parallelschriften  wirklich   Canones  Hippolyti   stecken 


1)  Kan.  19,  11  lautet:  „Und  so  steigt  er  ins  Wasser  hinab.  Der  l'n'sbytiT 
legt  ihm  die  Hand  auf  und  fragt  ihn  folgendermaßen:  ,<tlaubet  du  au  Oott 
den  Vater,  den  alles  fassenden?*  Der  Täufling  antwortet:  ,Ich  glaube*.  Jener 
taucht  ihn  einmal  ins  Wasser,  während  seine  Hand  auf  seinem  Haupte  liegt. 
Dann  fragt  er  ihn  zum  zweitenmal  folgeudermaßen :  ,(ilaub8t  du  an  Jesus 
Christus,  den  .Sohn  Gottes,  den  Maria  die  Jungfrau  von  dem  h.  <ieist  gebar, 
der  kam,  um  das  Menschengeschlecht  zu  erlösen,  der  [für  uns]  gekreuzigt  wurde 
zur  Zeit  des  Pontius  Pilatus,  der  starb  und  am  dritten  Tage  von  den  Toten 
auferstand,  aufstieg  zum  Himmel,  sich  zur  Rechten  des  Vaters  setzt»*  und  wieder- 
kommen wird,  um  die  Lebenden  und  die  Toten  zu  richten?'  Jener  antwortet: 
,Fch  glaube*,  und  er  taucht  ihn  zum  zweitenmal  in  das  Wasser.  Dann  fragt 
er  ihn  zum  dritt-enmal  folgendermaßen:  ,(Tlaubst  du  an  den  h.  üeist,  den 
Parakleten,  der  vom  Vater  und  vom  Sohn  emaniert?*  Wenn  j«.*n«'r  sagt:  ,leli 
glaube*,  taucht  er  ihn  zum  drittenmale  ins  Wasser.**  Der  Satz:  ,,Der  vom 
Vater  und  vom  Sohn  emaniert**,  ist  in  eiiu'm  orientalischen  (Glaubensbekenntnis 
höchst  merkwürdig  und  paradox,  aber  er  ist  auch  in  einem  alten  abend- 
ländischen Symbol  unmöglich.  Sieht  man  von  ihm  ab,  ho  ist  es  wahrscheinlicli, 
daß  das  alte  römische  Symbol  di<»8em  (Jlaubensbekenntnis  zugrunde  liegt.  Es 
fehlt,  wie  in  diesem,  der  Schöpfer  Himmels  und  der  Erden.,  <'«  fehlt  das  „Em- 
pfiEingen*'  und  das  „Niedergefahren  zur  Hölle**.  Allerdings  sind  auch  Difterenzen 
mit  dem  altrömischen  Symbol  vorhanden,  ein  IMus  und  ein  Minus,  und  statt 
„Begraben"  liest  man  hier  „Oestorben**;  aber  dennoch  kommt  dies  Tilaubens- 
bekenntnis  dem  «alt-römischen  nüher  als  irgendeinem  anderen. 

Harnaek,  Altchristi.  Litt»^ratnrR*»8rh.  IT,  2.  X] 


514  ^^'  KirchenrechtHche  Litteratur. 

und  daß  der  Name  „Hippolyt"  keine  Fiktion  ist  wie  der  Name 
„Clemens".  Funk  hat  uns  von  dem  Irrtum  befreit,  daß  die  An- 
ordnungen Hippolyts  in  erster  Linie  und  mit  verhältnismäßig 
leichter  Mühe  aus  den  arabisch  erhaltenen  Canones  Hippolyti  zu 
gewinnen  sind.  Der  endgültige  Beweis,  daß  sie  überhaupt  nicht 
zu  gewinnen  sind  und  daß  die  Canones  Hippoljrti  die  schlechteste 
Quelle  sind,  ist  aber  nicht  erbracht  und  wird  voraussichtlich  auch 
nicht  erbracht  werden.  Es  ist  schon  etwas  erreicht,  wenn  es 
gelingt,  auch  nur  einzelne  Abschnitte  und  etwa  die  Anlage  des 
hippolytischen  Werks  wiederherzustellen.  Daß  dabei  die  „Canones 
Hippolyti**  besondei'S  gute  Dienste  leisten  werden,  ist  mir  nicht 
zweifelhaft  K 

Exkurs. 

Auf  das  ,,Testamentum  domini  nostri**  einzugehen,  liegt  keine 
Veranlassung  vor.  Wie  kompliziert  die  überlieferungsgeschicht- 
lichen Fragen  sind,  kann  man  an  Baumstarks  gelehrter  Abhand- 
lung v.  J.  1900  (in  der  Eöm.  Quartalschr.) ,  namentlich  aber  an 
seiner  Tabelle  (S.  28)  studieren.  Allein  an  einem  Abschnitt  des 
„Testamentum**  dürfen  wir  nicht  vorübergehen.  Gleich  nach  dem 
Erscheinen  desselben  machte  ich  in  den  Sitzungsber.  d.  K.  Preuß. 
Akad.  1899  S.  878  ff.  auf  die  Apokalypse  aufmerksam,  die  in  dem 
Buch  eingesprengt  ist.  Sie  war  z.  T.  schon  früher  bekannt  aus 
den  Fragmenten  des  Testamentum,  die  Lagarde  (Reliq.  iuris 
eccl.  antiq.  1856)  aus  dem  Cod.  Syr.  Sangerm.  38  in  griechischer 
Rückübersetzung  mitgeteilt  hatte.  Ich  hatte  Benutzung  der  Petrus- 
Apokalypse  in  ihr  wahrgenommen,  was  James  in  seiner  Ausgabe 
derselben  (p.  53 ff.)  bestätigen  konnte.  Auch  glückte  es  James 
(Apocr.  Anecdota  1893  p.  151ff.),  in  dem  Cod.  Lat  Trevir.  36 
saec.  VIII.  das  Bruchstück  einer  lateinischen  Prophezeiung  über 
den  Antichrist  zu  entdecken,  welches  sich  mit  zwei  Kapiteln  des 
Werks  bei  Lagarde  deckt.  Jetzt  liegt  nun  mit  dem  vollständigen 
Testamentum  auch  die  Apokalypse  vollständig  vor. 

Daß  sie  (p.  7:  „Adpropinquante  regno**  bis  p.  17  „quos  etipse 
noscit'*  bei  Ralimani)  nicht  von  dem  Verfasser  der  Kirchenordnung 
stammt,  sondern  ursprünglich  eine  selbständige  Schrift  gewesen 
ist,  bedarf  keines  Nachweises.    Es  ist  schon  auffallend  genug,  daß 

1)  Jüngst  hat  Riedel  (Stiid.  u.  Krit.  1903  S.  SSSff.)  auf  Beziehungen 
zwischen  den  Canones  Hipp,  und  der  athanasianischen  Schrift  De  virginitate 
aufracrksam  gemacht.  Aber  leider  fördert  dieser  Nachweis  nicht;  denn  man 
kann  nicht  darüber  ins  klare  kommen,  auf  welcher  Seite  die  Priorität  liegt. 
Auch  ist  die  Authentie  des  Traktats  trotz  der  glänzenden  Verteidigung  durch 
Eichhorn  noch  immer  umstritten. 


Exkurs:  Apokalypse  im  „Testameutum  domini  nostri".  515 

eine  nüchterne  Kirchenordnung  durch  eine  Apokalypse  eingeleitet 
ist;  daß  sie  zu  dem  Zweck  der  Einleitung  eigens  verfaßt  ist,  ist 
ganz  unglaublich.  Auch  bestehen  keine  inneren  Verbindungsfäden 
zwischen  ihr  und  dem  Hauptkörper  des  Buches.  Dazu  kommt,  daß 
sich  ein  Stück  dieser  Apokalypse  auch  im  Abendland  findet,  während 
von  der  Kii'chenordnung  selbst  keine  Spuren  dort  nachgewiesen  sind. 
Die  Apokalypse  handelt  von  den  Vorzeichen  des  Antichrists, 
von  seinem  Auftreten  und  von  seiner  Erscheinung  ^  Der  Lateiner 
bemerkt:  „Dexius  (=  Decius)  erit  nomen  antichristi".  Der  Ab- 
schreiber saec.  VIII.  hat  diese  Worte  aus  der  Überlieferung  und 
behandelt  sie  wie  einen  Teil  seines  Textes;  denn  erst  nach  ihnen 
setzt  er  „Explicit".  Doch  hat  die  Apokalypse  unter  dem  Anti- 
christ keinen  irdischen  König  verstanden,  vielmehr  ist  es  für  sie 
charakteristisch,  daß  sie  vor  dem  Auftreten  des  Antichrists  2  einen 
irdischen  König  schildert,  der  der  Vorläufer  des  Verhaßten  ist 
Dieser  irdische  König  aber  ist,  wie  es  scheint,  wirklich  Decius, 
und  die  Apokalypse  also  genau  zu  datieren.  Die  Worte  nämlich 
(p.  7 f.):  „Surget  autem  et  in  occidente  rex  alienigena,  princeps 
summi  doli,  atheus,  homicida,  deceptor,  cupidus  auri,  vaferrimus, 
pravus,  inimicus  fidelium  et  persecutor.  Dominabitur  et  in  gentes 
barbaras  et  eflfundet  multum  sanguinera.  Tunc  argentum  erit  con- 
temptibile  et  in  honore  habebitur  aurum  (tantum).  Erit  in  omni 
civitate  et  regione  direptio  et  praeda  per  latrones  effiindeturque 
sanguis'^  passen  auf  Decius  vor  seiner  Niederlage  ^  zumal  wenn 
man  erwägt,  daß  es  gerade  Decius  gewesen  ist,  den  man  nicht  so- 
wohl den  „Antichristen"  als  den  „metator  antichristi"  (Lucianus  in 
epp.  Cypr.  22,  1)  —  ganz  wie  in  unserer  Apokalypse  —  genannt 
hat  Ferner  hat  die  Schilderung  der  innerkirchlichen  Miß-  und 
Notstände  beim  Ausbruch  der  Verfolgung  (p.  9  ff.)  Ähnlichkeit  mit 
den  Schilderungen  bei  Cyprian  (Briefe  und  De  lapsis).  Diese  Be- 
schreibung schließt  es  aus,  daß  unsere  Apokalypse  der  vordeciani- 


1)  Der  Lateiner  hat  die  Beschreibung  des  Antichrists  den  Vorzeichen 
vorangestellt;  die  Stellung  im  Syrer  ist  die  natürlichere. 

2)  Von  ihm  heißt  es  (p.  15):  „Haec  sunt  signa  eius.  caput  eius  sicut 
flamma  ingens;  oculus  dexter  sanguine  mixtus,  sinister  caesii  coloris,  duas 
habens  pupillas ;  eius  palpebrae  sunt  albae,  labium  eius  inferius  magnum,  femur 
dexter  t^nnis  (Lat.:  „macrum'O,  et  pedes  lati  (Lat. :  „tibiae  tenues,  pedes  lati"); 
maior  digitus  eius  contusus  et  oblongus.  ista  est  falx  desolationis".  Die 
Schilderung  In  der  Elias- Apokalypse  ist  ganz  anders;  nur  „dünnbeinig"  steht 
auch  dort;  ob  übrigens  diese  ganze  Beschreibung  der  Person  des  Antichrists 
nicht  ein  späterer  Zusatz  ist,  kann  man  fragen. 

3)  Das  über  Silber  und  (lold  Gesagte  bleibt  uns  allerdings  in  Beziehung 

auf  die  Regierung  des  Decius  dunkel. 

33* 


516  ^^*  KirchenrechÜiche  Litteratur. 

sehen  Zeit  angehört  > ;  somit  stehen  überhaupt  nar  die  Verfolgongs- 
zeiten  des  Decins  und  des  Diokletian  (bez.  seiner  Mitkaiser)  in 
Frage^.  Da  nun  aber  die  Schilderung  des  Kaisers  auf  Maxiroinns 
Daza  nicht  paßt,  während  die  Apokalypse  doch,  wie  sich  gleich 
zeigen  wird,  aus  dem  Orient  stammt,  so  ergibt  sich  auch  von  hier 
aus  die  Bedeutung  der  beim  Lateiner  erhaltenen  Überlieferung. 
Diese  kann  man  allerdings  unter  der  Voraussetzung  erschütteru. 
daß  unsere  Apokalypse  überhaupt  nicht  aus  einer  Verfolgungszeit 
stammt,  sondern,  die  Anerkennung  des  Christentums  im  Staat  be- 
reits voraussetzend,  von  einer  unerwartet  hereinbrechenden  Ver- 
folgung in  rein  idealer  Schilderung  spricht  Ich  räume  ein,  daß 
diese  Deutung  nicht  unmöglich  ist,  ja  an  einigen  Wendungen  der 
Prophetie  eine  Stütze  finden  kann^  Läßt  sich  das  Zeitalter  der 
Apokalypse  nicht  mit  Sicherheit,  sondern  nur  mit  einer  gewissen 
Wahrscheinlichkeit  bestimmen,  so  können  wir  doch  über  das  Land, 
aus  welchem  sie  stammt,  nicht  zweifeln.  Sie  ist  in  Syrien  oder  in 
einer  Nachbarprovinz  Syriens  geschrieben;  denn  p.  131  heißt  es^* 

1.    ^H  SvQla  öiaQxao&^oerai  xcu  xlavaerai  tov^  vlovg  mr^c' 
7/  KiXtxia  CLQhl  TQaxfßov  avTr^q  fcoc  Si;  9>ßJ^  o  xqIvov 


1)  Man  vergleiche  besonders  die  erschütternden  Klagen  über  die  schlechten 
Hirten,  d.  h.  den  verweltlichten  und  verwilderten  Klems. 

2)  Die  valerianische  nicht;   denn  die  Kirche  trat  in  sie  gefestigter  ein. 

3)  P.  11:  „Quamobrem  (weil  der  Klerus  so  verwildert  ist)  diffundentur 
inter  gentes  increduiitas,  odium  frat^mitatis  etc.";  1.  c:  „Veniet  tempus, 
quo  nonnulli  ipsonim  me  negabunt,  ezcitabunt  in  terra  discidia  et  confident 
in  rege  corrui)tibiIi".  —  In  die  Mitte  des  3.  Jahrh.  haben  die  Apokalypse  (be- 
vor sie  vollständig  bekannt  war)  auch  La  gar  de  (Analecta  Antenic.  Bd.  2, 18^, 
8.  38)  und  Neumann  (Litt.  Zentralblatt  1894  S.  707)  verwiesen,  aber  in  dem 
Kaiser  nicht  Decius  gesehen.  Ausführlich  hat  jetzt  Funk  (Testament-,  19<»1, 
S.  83  ff.)  die  Frage  erörtert.  Er  meint,  daß  die  Schilderung  Kämpfe  unter  den 
Christen  verrät,  wie  sie  erst  vom  4.  Jahrh.  an  zutage  treten,  und  daß  man  an 
die  monophysitische  Zeit  und  ihre  Schrecken  denken  kOnne  (s.  die  Plerophorien 
des  Johannes  von  Majuma).  Die  Deutung  auf  einen  Kaiser  des  3.  Jahrh.  scheint 
ihm  überhaupt  fragwürdig,  an  christliche  Herrscher  bez.  auch  an  einen  großen 
germanischen  König  sei  bei  dem  „rex  alienigena"  zu  denken.  Funk  legt  auf 
das  Zeugnis  des  Lateiners  kein  Gewicht,  welches  doch  die  Sonderexisteiiz 
der  Apokalypse  sehr  wahrscheinlich  macht  (so  auch  Baumstark,  Rom.  Quar« 
talschr.  11)00  S.  37),  und  will  den  beim  Lateiner  genannten  „Decius"  aus  einem 
Mißverständnis  erklären.  Aber  ganz  sicher  ist  auch  er  nicht,  daß  die  Apoka- 
lypse vom  Verf.  des  Tttstamentum  selbst  herrührt. 

4)  Ich  gebt*  hier  die  Rückübersetzung  La  gar  des  (1.  c.  p.  83)  mit  einigen 

Verbesseningen.     Im  Cod.  Sangerm.  hat  das  Stück  eine  besondere  Überschrift 

-  nsi)l  xTiq  dnw/.eiaQ  xwv  xXifidrwv.  —  Die  hier   geschilderten  Verheerungen 

können  die  der  Goten  z.  Z.  des  Decius  sein.    Doch  ist  es  nicht  sicher,  daß  die 

Goten  vor  2(33  4  in  jene  Länder  gekommen  sind. 


Exkon:  Apokalypse  im  „Testameutum  domini  nostri".  5^5 

■ 

eine  nüchterne  Kirchenordnung  durch  eine  Apokalypse  eingeleitet 
ist;  daß  sie  zu  dem  Zweck  der  Einleitung  eigens  verfallt  ist,  ist 
ganz  unglaublich.  Auch  bestehen  keine  inneren  Verbindungsfäden 
zwischen  ihr  und  dem  Hauptkörper  des  Buches.  Dazu  kommt,  daß 
sich  ein  Stück  dieser  Apokalypse  auch  im  Abendland  fiudet,  während 
von  der  Kirchenordnung  selbst  keine  Spuren  dort  nachgewiesen  sind. 
Die  Apokalypse  handelt  von  den  Vorzeichen  des  Antichrists, 
von  seinem  Auftreten  und  von  seiner  Erscheinung  ^  Der  Lateiner 
bemerkt:  „Dexius  (=  Decius)  erit  nomen  antichristi''.  Der  Ab- 
schreiber saec.  VIII.  hat  diese  Worte  aus  der  Überlieferung  und 
behandelt  sie  wie  einen  Teil  seines  Textes;  denn  erst  nach  ihnen 
setzt  er  „Explicit".  Doch  hat  die  Apokalypse  unter  dem  Anti- 
christ keinen  irdischen  König  verstanden,  vielmehr  ist  es  für  sie 
charakteristisch,  daß  sie  vor  dem  Auftreten  des  Antichrists ^  einen 
irdischen  König  schildert,  der  der  Vorläufer  des  ^'erhaßten  ist 
Dieser  irdische  König  aber  ist,  wie  es  scheint,  wirklich  Decius, 
und  die  Apokalypse  also  genau  zu  datieren.  Die  Worte  nämlich 
(p.  7f.):  „Surget  autem  et  in  occidente  rex  alienigena,  princeps 
summi  doli,  atheus,  homicida,  deceptor,  cupidus  auri,  vaferrimus, 
pravus,  inimicus  fldelium  et  persecutor.  Domiuabitur  et  in  gentes 
barbaras  et  eflfundet  multum  sanguinem.  Tiinc  argentiim  erit  con- 
temptibile  et  in  honore  habebitur  aurum  (tantuni).  Erit  in  omni 
civitate  et  regione  direptio  et  praeda  per  latrones  eifundeturque 
sanguis'^  passen  auf  Decius  vor  seiner  Miederlage  ^  zumal  wenn 
man  erwägt,  daß  es  gerade  Decius  gewesen  ist,  den  man  nicht  so- 
wohl den  „Antichristen"  als  den  „metator  antichristi"  (Ijiicianus  in 
«PP«  Cypr.  22,  1)  —  ganz  wie  in  unserer  Apokalypse  —  genannt 
hat.  Ferner  hat  die  Schilderung  der  innerkirclilichen  Miß-  und 
Notstände  beim  Ausbruch  der  Verfolgung  (p.  9if.)  Ähnlichkeit  mit 
den  Schilderungen  bei  Cyprian  (Briefe  und  De  lapsis).  Diese  Be- 
schreibung schließt  es  aus,  daß  unsere  Apokalypse  d(^r  v«>rdeciani- 


1)  Der  Lateiner  hat  die  Beschnnbun^  des  Antichrists  den  Vorzeichen 
vorangestellt;  die  Stellung  im  Syrer  ist  die  nutürliclier«». 

2)  Von  ihm  heißt  es  (p.  15):  „Ilaec  sunt  sij^nii  eins,  oaput  eins  sicut 
flamma  ingens;  oculus  dexter  siinf^iine  mixtus,  sinistcr  caesii  colorie,  duas 
habens  pupillae ;  eius  palpebrae  sunt  albaf,  hibiuni  eins  inf^-riiis  iiiaj^nuni,  femur 
dexter  t^nuis  (Lat.:  „macrum^O?  e*'  ikkIcs  Uiti  (Lat.:  „tibiae  (enues,  ]iedes  lati"); 
inaior  digitus  eius  contusus  et  oblonj^irf.  ista  est  l'alx  d»'Solationis".  Die 
Schilderung  In  der  Elias-Apokalypse  ist  ganz  anders;  nur  „dünnbeinig"  steht 
auch  dort;  ob  übrigens  diesfj  ganze  Beschreibung  d»'r  I\*rsou  des  Anticlirists 
nicht  ein  späterer  Zusatz  ist,  kann  man  fragen. 

3)  Das  über  Silber  und  (lold  Gesagte  bleibt  uns  allerdings  in  Beziehung 
auf  die  Regierung  des  Decius  dunkel. 


m.  Die  pseudoklementinischen  Schriften  \ 

Nach  ühlho ms  Untersuchung  (1854),  also  nach  50  Jahren  — 
denn  die  Arbeit  von  Lehmann,  obgleich  sie  einige  Vorzüge  be- 
sitzt,   war    unselbständig,    und    die   Arbeit   von    Langen   war 


1)  Vgl.  die  Ausgabe  der  Homilien  von  Lagarde  (1865;  man  beachte  die 
Einleitung),  der  Bekognitionen  von  Gersdorf  (1838;  eine  kritische  Ausgabe 
fehlt  noch),  der  beiden  Epitome  von  D  res  sei  (1859),  der  syrischen  Rekognitionen 
von  Lagarde  (18C1),  der  arabischen  Stücke  von  Gibson  (Apocr.  Sinaii  in 
Stud.  Sinait.  5.  Stück,  1896,  dazu  Ryssel,  Theol.  Litt.-Ztg.  1896,  Kol.  372ff.). 
Nach  den  älteren  Arbeiten  von  Neander  (1818),  Baur  (seit  1831),  Schlie- 
mann  (1844),  Schwegler  (1846),  Hilgenfeld  (1848  und  in  den  Theol.  Jahrbb. 
Bd.  13,  1854,  S.  483ff.),  Ritschl  (Allg.  Monatsschrift  f.  Wissensch.  und  Litt 
1852,  S.  64ff.),  Ritschl,  Altkath.  Kirche,  1850,  S.  196ff.,  Uhlhorn  (1854, 
s.  auch  Protest.  REnzykl.s  Bd.  4  S.  171ff.),  Lehmann  (1869)  und  LipsiuB 
(Quellen  der  römischen  Petrussage,  1872,  vgl.  Protest.  KZeitung  1879  S.  477fF. 
und  Zahn,  Gott.  Gel.  Anz.  187(3  Nr.  45)  kommen  besonders  folgende  Unter- 
suchungen in  Betracht:  Salmon  im  Dict.  of  Christ.  Biogr.  Vol.  1, 1877,  p.  567 ff., 
Renan  i.  Joum.  des  Savants  1880  Sept.  p.  539 ff.  (s.  desselben  Marc  Aurele  1882 
p.  74 ff.),  Bestmann,  Gesch.  der  christl.  Sitt<}  Bd.  2, 1883,  Hilgenfeld,  Ketzer- 
goschichte,  1884,  Harnack,  Lehrbuch  d.  Dogmengesch.  Bd.  1,  1886,  S.  325  ff., 
Bd.  13  S.  2S0ff.  2(j3ff.,  van  Nes,  Het  Nieuwe  Testament  in  de  Clementinen, 
Amsterdam  1887,  Lipsius,  Apokr.  Apostelgesch.  Bd.  2, 1887,  S.  37 ff.,  Langen, 
Die  Clemensromane,  1800  (dazu  Harnack,  Theol.  Litt.-Ztg.  1891,  Kol.  14501, 
Weyman,  Ilistor.  Jahrb.  Bd.  12,  1891,  S.  155f.,  Brüll  in  d.  Tüb.  Quartalschr. 
Bd.  73,  ISOl,  S.  577ff.),  Bigg,  The  Clementine  Homilies  in  d.  Stud.  Bibl.  et 
Kccl.  Oxf.  T.  2,  ISOO,  p.  157 ff.,  Quarry  in  der  Hermathena  T.  17,  1891,  p.  91  ff., 
Preuschen  in  meiner  Altchristl.  Litt-Gesch.  Teil  I,  1893,  S.  212ff.,  Index  of 
notoworthy  words  and  i»hrases  found  in  the  Clementine  writings  commonly 
called  the  Homilies  of  Clement  [Lightfoot-Fund],  1893,  Richardson  in  den 
Paperß  of  American  Soc.  of  Church  Hist.  Vol.  VI,  1894,  p.  131ff.,  Hort,  .ludaistic 
Christianity,  1804,  p.  2()lf.,  Richardson,  The  Clement  Litterat.  Synopsifl 
and  Abstract  of  a  lecture,  1894  [als  Ms.  gedruckt],  Krüger,  Gesch.  der  alt- 
christl. Litt.,  1S9Ö,  S.  2:J2tf.,  Sceberg,  Lehrbuch  der  Dogmengesch.  1.  Bd.,  1895, 
S.  52f,  Kalbfleisch  im  „Hermes"  1805  S.  631  ff.  [zum  Text  der  Hom.],  Bussell 
in  den  Stud.  Bibl.  et  Ecclos.  Oxf  T.  4,  1896,  p.  133ff.,  Harnack,  Chronologie 
der  altchristl.  Litt.  Bd.  1,  1897,  S.  625ff'.,  Robinson,  Philocalia  of  Origen, 
1898,  Ehrhard,   Die  altchristl.  Litteratur,  1900,  S.  170ff.,   Preuschen,  Anti- 


III.  Die  pseudoklementinischen  Schriften.  5I9 

durchweg  verfehlt  —  ist  endlich  wieder  das  Problem  der  pseudo- 
klementinischen  Schriften  im  Zusammenhang  und  gründlich  unter- 
sucht worden,  nämlich  von  Waitz.  Ich  habe  dieses  sorgfältig  ge- 
arbeitete Werk  größtenteils  noch  benutzen  können,  stimme  mit  dem 
Verfasser  in  vielen  wesentlichen  Punkten  überein,  was  bereits  meine 
Ausführungen  im  Lehrbuch  der  Dogmengeschichte  erkennen  lassen, 
und  bin  ihm  für  treffliche  Belehrung  im  einzelnen  dankbar.  Volle 
wissenschaftliche  Sicherheit  in  bezog  auf  die  zahlreichen  hier 
schwebenden  Probleme  wird  fi'eilich  erst  gewonnen  werden,  wenn 
wir  einen  zuverlässigen  Text  der  Rekognitionen  besitzen,  das  Ver- 
hältnis der  Rezensionen  im  Detail  studiert  ist  und  die  Texte 
kommentiert  sind.  In  bezug  auf  das  Alter  der  letzten  Quellen 
der  Pseudoklementinen  hat  mich  Waitz  nicht  überzeugt. 

An  keinem  anderen  Punkte  der  altchristlichen  Litteratur  haben 
die  urteile  so  schroff  gewechselt  wie  in  bezug  auf  die  pseudo- 
klementinischen  Schriften:  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
standen  sie  im  Zentrum  der  Hypothesen  über  die  Entwicklung  des 
vorkatholischen  Zeitalters  der  Kirche  (denn  man  verlegte  sie  — 
Quellenschriften  und  Bearbeitungen  —  in  das  Ende  des  1.  und 
kaum  über  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts);  jetzt  werden  sie  von 
vielen  neueren  Forschern  bei  den  Untersuchungen  über  die  Ent- 
stehung des  Katholizismus  nicht  oder  kaum  n4elir  berücksichtigt, 
sind  in  einen  Winkel  der  Litteraturgescliichte  verstoßen,  und  ihre 
Abfassungszeit  wird  tief  heruntergcaiickt  (wenn  auch  über  das 
Alter  ihrer  Quellenschriften  eine  Einigung  noch  längst  nicht  erzielt 
ist).  M.  E.  ist  ihnen  damit  nur  ihr  Kecht  geschehen,  wie  die  fol- 
genden Darlegungen,  die  freilich  nur  die  chronologischen  Fragen 
ins  Auge  fassen  dürfen,  beweisen  werden. 

Von   den  beiden   „Epitome"   ist  abzusehen,   das   hat  Waitz 

Ipgomena,  1901,  S.  Soff.  IGoff.,  Hort,  Notes  iiitroductory  to  the  study  of  tlie 
Clem.  Recogn.  A  course  of  lectiires,  1!X>1  Ibei  der  Beiiutzuii<^  dieses  Works  liat 
man  sich  zu  erinnern,  daß  es  ein  Abdruck  von  Aufzeicbiuinji^en  ist,  die  Hort 
im  J.  1884  gemacht  liafc],  Meyboom,  ^larcion  en  Paulus  in  de  Clementijneu, 
in  d.  Theol.  Tijdschr.  1001,  S.  157 tf.,  Meyboom,  De  Clemens-Konian,  1.  Bd., 
1002  [dazu  V.  Dobschütz,  Theol.  Litt.V.tjr.  VM'>  Nr.  J*J,  Bardenhewer, 
("leBch.  der  altkirchl.  Litteratur  1.  Bd.,  l(Mrj.  S.  IJölff.,  Cluii»niaii,  Orij:^en  and 
the  date  of  1*8.  Clement  im  Journal  of  Theol.  Stud.  1902,  ]..  -i::«;!!'.,  K-.mI 
Schmidt,  Die  alten  Petnisakten,  in  den  Texten  u.  Unter;?.  Bd.  21  H.  1.  Ili0:>, 
Hilgenfeld,  Die  alten  Actus  Tauli  in  der  Ztschr.  f.  wissensfli.  Theol.  Bd.  40, 
1!K)3,  S.  321  ff.,  Derselbe,  Orij^enes  und  J'.seudocleniens,  u.  a.  0.  S.  :V12ff., 
Böhmer-Romundt,  a.a.O.  S.  ilTl  [Über  das  Ojnis  inii»erf.  und  die  Clement.', 
Headlam,  The  Clement.  Litt^rat.  im  ,lourn.  of  The(d.  Stud.  Bd.  3.  19<a  p.  41  ff., 
Waitz,  Die  Pseudoklementinen,  in  den  Tt-xt^'u  und  T'nterKucliunjren  Bd.  25 
H.  4,  1904. 


520  1^^*  ^®  pseadoklementiniBclien  Schriften. 

(s.  auch  Hort,  1901,  p.  4f.)  aufs  neue  (S.  7ff.)  gegen  Langen  er- 
wiesen: sie  sind  wirklich  nichts  anderes  als  Auszüge  aus  den 
Homilien  (s.  auch  Bardenhewer  S.  358).  Etwas  günstiger  läßt 
sich  über  die  syrische  Fassung,  die  in  einem  uralten  Ms.  (vom  J.  411) 
vorliegt,  minder  günstig  über  die  arabischen  Stücke  urteilen  (Be- 
richt über  Slawisches  bei  Franko  in  Preuschens  Ztschr.  Bd.  3, 
1903,  S.  146 ff.).  Auch  sie  sind  Auszüge  (s.  Hort,  1901,  p.  78ff.) 
aus  den  Homilien  und  Rekognitionen.  Insofern  aber  haben  sie, 
namentlich  der  Syrer,  einen  gewissen  Wert,  als  wir  die  Rekog- 
nitionen bekanntlich  nicht  mehr  im  griechischen  Original,  sondern 
nur  in  der  teilweise  kastrierten  lateinischen  Übersetzung  Bufins 
besitzen.  Es  ist  daher  wahrscheinlich,  daß  für  den  Text  der 
4  ersten  BB.  der  Rekognitionen  sich  aus  der  genauen  Untersuchung 
des  Syrers  etwas  ergibt;  eine  solche  ist  aber  bisher  in  umfassender 
Weise  noch  nicht  angestellt  worden.  Doch  hat  Böhmer-Romundt 
(1903,  S.  374)  auf  die  sehr  wichtige  Tatsache  aufmerksam  gemacht, 
daß  der  von  Rufin  in  seiner  Überaetzung  weggelassene,  arianisch 
lautende  Abschnitt  „De  ingenito  deo  genitoque"  (s.  u.)  sich  beim 
Syrer  (III,  2—11,  p.  Slff.  Lagarde)  findet. 

Bereits  in  meinem  Lehrbuch  der  Dogmengeschichte  (P  S.  296  ff.) 
habe  ich  die  Ansicht  vertreten,  daß  man  in  bezug  auf  die  Homilien 
und  Rekognitionen,  die  nicht  in  direkter  litterarischer  Abhängig- 
keit voneinander  stehen  \  mindestens  drei  Schichten  zu  unter- 
scheiden habe,  nämlich  (l)  eine  bez.  mehrere  judenchristlich- 
synkretistische  Schriften  und  dazu  eine  Petrus-Simon  Magus-Schrift 
antignostisclien  Charakters,  (2)  eine  Zusammenarbeitung  und  Um- 
arbeitung derselben  (in  der  Form  eines  Clemens-Romans),  durch 
welche  sie  dem  Gemein-christlichen  angenähert  bez.  in  dasselbe 
aufgenommen,  zugleich  aber  hellenischer  und  für  weitere  Kreise 
anziehungskräftiger  wurden,  (3)  zwei  weitere  Umarbeitungen  auf 
Urund  einer  und  derselben  Grundlage  (nämlich  auf  Schicht  2\ 
eben  die  Homilien  und  Rekognitionen,  die  von  katholischen  Ver- 
fassern herrühren,  deren  Katholizismus  aber  nicht  die  alexandrinische 
Theologie  involvierte  und  die  geschrieben  haben  —  so  verschieden 
sonst  ihre  Zwecke  waren  — .  um  zu  erbauen  und  zu  unterhaltend 


1)  Die  Versuche,  die  Homilieu  direkt  aus  den  Rekognitionen  abzuleiten 
oder  umgekehrt,  sind  gescheitert;  das  ist  jetzt  so  gut  wie  allgemein  anerkannt 

•J)  Auf  weitere  Umbildungen,  die  diese  Litteratur  (bez.  die  Homilien)  er- 
lebt hat  (im  Interesse,  sie  noch  erbaulicher  und  orthodoxer  zu  gestalten), 
brauchen  wir  hier  nicht  einzugehen.  Beiseite  müssen  wir  aber  auch  alt^? 
Schriften  lassen,  die  uns  nur  dem  Namen  nach  überliefert  sind  und  die  xu 
unserer  Litteratur  gehören  können,  uns  aber  sonst  ganz  unbekannt  sind. 


III.  Die  pseadoklementinischen  Schriften.  521 

In  dieser  Allgemeinheit  kann  die  These  schwerlich  beanstandet 
werden;  denn  —  wie  schon  ein  flfichtiger  Überblick  über  die  An- 
lage nnd  den  Stoff  zeigt  —  das  Verhältnis  der  Homilien  zu  den 
Rek(^nitionen  fordert  eine  umfangreiche  Quellenschrift,  nämlich 
den  Clemens-Boman^  (=  UsqIoöoi  IHtqov);  der  Clemens-Roman 
selbst  aber  (den  größeren  Teil  des  in  den  Homilien  und  Rekog- 
nitionen  enthaltenen  Stoffs  umfassend)  zeigt  in  den  apologetischen, 
polemischen,  dogmatischen  und  historischen  Partien  neben  einer 
Fülle  indifferenten  (bez.  gemein-christlichen)  Materials  einen  Grund- 
stock von  Anschauungen,  Lehren  und  Gebräuchen,  der  seine 
Parallelen  ausschließlich  an  den  Ebioniten  des  Epiphanius,  an  den 
Elkesaiten  und  an  Symmachus,  kurz  an  dem  judenchristlichen 
Sjrnkretismus  hat;  er  zeigt  demgemäß  die  zahlreichsten,  auf  Schritt 
nnd  Tritt  begegnenden  Widersprüche.  Zum  Grundstock  gehört 
aber  auch  eine  nicht  häretische,  vielmehr  antignostische  Erzählung 
von  den  Taten  des  Petrus  gegenüber  Simon  dem  Magier. 

Ist  für  die  eine  Hälfte  der  ersten  Schicht  der  judenchristlich- 
synkretistische  Charakter  sichergestellt,  so  kann  andererseits  der 
katholische  Charakter  2  der  dritten  Schicht  nicht  verkannt  werden. 
Eine  Schrift,  die  selbst  noch  (nicht  bloß  ihre  Quellen)  die  Tendenz 
gehabt  hätte,  in  antikatholischem  Interesse  zu  wirken,  hätte  von 
Rufin  nicht  für  ein  gutkatholisches  und  empfehlenswertes  Buch 
gehalten  werden  können.  Wir  dürfen  in  dieser  Beziehung  seinem 
Urteile  mehr  trauen  als  unseren  mikrologischen  Erwägungen. 
Doch  nicht  nur  sein  Urteil  kommt  in  Betracht.  Die  noch  heute 
vorhandenen,     den    verschiedensten    Jahrhunderten    angehörigen 


Hierher  gehören  die  „Dialoge  des  Petrus  und  Apion",  welche  Eusebius  (h.  e.  11 1, 
38,  5)  erwähnt  und  über  deren  Inhalt  man  ganz  aufs  Kat^n  angewiesen  ist. 

1)  Also  nicht  etwa  nur  eine  Anzahl  kleiner  gemeinsamer  Quellen.  "Wie  um- 
fangreich die  eine  gemeinsame  (Quelle  gewesen  sein  muß,  geht  daraus  hervor, 
daß  man  Jahrzehnte  hindurch  den  Versuch  machen  konnte,  die  eine  Schrift  aus 
der  andern  abzuleit-en.  Auch  Hort  (1894  p.  201)  hat  sein  Urteil  dahin  abge- 
geben: ,,The  existing  Works,  the  Clementine  Homilies  and  the  Recognitions^ 
are  apparently  independent  abridgements,  for  vt'ry  dift'eront  purposos,  of  a 
voluminous  book  üegloSoi  nivQOv".  Cf.  derselbe  (19()1,  p.  Slf.):  „The  only 
reasonable  alternatives  are  that  the  book  which  the  Chronicon  Paschalc  calls 
Kktifiivzia  was  itself  a  combination  of  both  toxts,  or  that  it  was  a  common 
source  of  both.  That  both  R^cog.  and  Hom.  had  a  common  source,  that  is, 
that  the  several  dift'erences  and  resemblances  betweon  them  i-annot  be  explained 
by  the  supposition  that  either  was  derived  from  the  other,  is  the  conclusion 
towards  which  criticism  has  been  tending  for  somp  time.  .  .  It  is  indeed 
diffieult  to  understand  how  any  other  was  ever  tought  credible". 

2)  „Katholisch"  ist  hier  im  Sinne  von  „antignostisch"  und  „antijudaistisch" 
gebraucht  —  mehr  soll  einstweilen  nicht  gesagt  sein. 


522  ^^*  ^^^  pseudoklementmiBchen  Schriften. 

6 — 7  Dutzend  vod  Rekognitionen-Handschriften  und  die  reiche  Be- 
nutzung derselben  bezeugen  es,  daß  das  Buch,  wie  es  als  katholisches 
empfunden  worden,  so  auch  wirklich  katholisch  ist  Das  unzweifel- 
haft Häretische,  das  es  noch  immer  von  seinen  indirekten  Quellen 
her  in  sich  birgt,  ist  durch  die  Verschmelzung  und  Verkapselung 
unschädlich  gemacht  und  in  der  Tat  fast  unschädlich  geworden. 
Stärker  tritt  dasselbe  in  den  Homilien  hervor;  aber  auch  dort  ist 
es  von  neutralen  und  katholischen  Anschauungen  so  umschlossen, 
daß  es  nahezu  unschädlich  ist  Diese  Umschließung  ist  auch  hier 
das  Werk  eines  nicht-tendenziösen,  wohl  doktrinär  interessierten, 
aber  zugleich  auf  Erbauung  ausgehenden  Erzählers ;  also  keines 
Häretikers,  der  geheime  Zwecke  verfolgte.  Somit  ist  auch  der 
Redaktor  der  Homilien  ein  Katholik,  der  sich  an  seine  Glaubens- 
genossen gerichtet  hat  und  sie  durch  die  Aufstutzung  eines  älteren 
didaktisch-erbaulichen  Romans  vom  Paganismus  gründlich  befreien 
wolltet  Die  besondere  Spielart  des  Katholizismus  ist  freilich 
unverkennbar. 

Nicht  ohne  weiteres  ist  der  Charakter  der  mittleren  Schicht 
klar.  A.  a.  0.  S.  296  ff.  habe  ich  zwei  Möglichkeiten  offen  gelassen, 
die  zweite  aber  für  die  wahrscheinlichere  erklärt  Die  Umarbeitung 
ist  entweder  noch  innerhalb  des  synkretistischen  Judenchristentums 
selbst  geschehen  oder  schon  von  einem  „katholischen"  Schriftsteller. 
„Im  ersteren  Fall  müßte  sich  jenes  Judenchristentum  im  Westen 
zu  größeren  Konzessionen  an  das  herrschende  Christentum  herbei- 
gelassen, die  Bt^schneidung  aufgegeben  und  sich  dem  Kirchenwesen 
der  Heidenchristen   akkommodiert  sowie  auch  die  Polemik  gegen 

1)  Die  Hypothese  Biggs  (1890),  der  die  Schichten  umzukehren  versucht 
—  das  Katholische  soll  das  Primäre  sein,  das  Judenchristlich-synkretistiscbe 
das  Sekundäre  — ,  scheitert  sowohl  an  dem  Verhältnis  der  Homilien  zu  den 
Rekognitiouen  als  auch  an  der  Tatsache,  daß  das  Häretische  durchweg  als  da« 
Altere  erscheint.  —  Wie  man  sich  in  katholischen  Kreisen  darüber  hinwegg»^ 
setzt  hat,  daß,  z.  ß.  im  3.  Buch  der  Homilien,  viele  Stücke  im  A.  T.  einfach 
als  falsch,  unsittlich  und  lügenhaft  bezeichnet  sind,  gestehe  ich  nicht  zu  wissen. 
Hier  erinnern  die  Homilien  stark  an  die  Syllogismen  des  Apelles,  deren  Ver- 
fasser sie  sonst  wegen  seiner  Lehre  vom  Schöpferengel  bekämi)ft  haben.  An 
einigen  Stollen  erscheint  das  Christentum  der  Homilien  überhaupt  wie  ein 
Synkretismus  aus  dem  gemein  Kirchlichen,  dem  judenchristlich  Gnostischen  und 
der  Kritik  des  Apelles.  Höchst  anstößig  ist  auch  Hom.  VIII,  G — S.  Aber  man 
darf  andererseits  nicht  vergessen,  daß  angesichts  der  Verwerfung  gewisser  Ab- 
schnitte des  A.  T.s  immer  noch  die  Auskunft  und  Rettung  übrig  blieb,  wie  sie 
Barnabas  vorgezeichnet  hatte:  wir  verwerfen  sie  in  ihrem  wörtlichen  Sinn,  aber 
ihr  geistiger  und  prophetischer  Sinn  bleibt  dabei  bestehen.  Man  erinnere  sich 
übrigens  auch  daran,  daß  in  der  Apostolischen  Didaskalia  „die  Wiederholung" 
im  Gesetz  rund  verworfen  wird,  und  doch  ist  die  Didaskalia  gewiß  ein  gut 
katholißches  Buch. 


m.  Die  pseadoklementinischen  Schriften.  523 

Paulus  zurückgestellt  haben.  iDdessen  ist  die  Existenz  eines 
solchen  Judenchristentums  bisher  nicht  bewiesen.  Daher  ist  mit  der 
Möglichkeit  einer  litterarisch-katholischen  Redaktion  schon  auf 
dieser  Stufe  zu  rechnen.  Die  Identifizierung  des  reinen  Mosaismus 
mit  dem  Christentum  war,  sobald  von  der  Beschneidung  nicht  mehr 
die  Bede  war,  im  3.  Jahrhundert  an  sich  nichts  weniger  als  an- 
stößig; die  scharfe  Unterscheidung  zwischen  zeremonial-  und  sitten- 
gesetzlichen Bestandteilen  im  A.  T.  konnte  nach  dem  großen  Kampfe 
mit  dem  Gnostizismus  nicht  mehr  zum  Ärgernis  gereichen;  die 
starke  Betonung  der  Einheit  Gottes  und  die  Ablehnung  der  Logos- 
lebre  war  im  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  (und  auch  weiter  noch) 
durchaus  nicht  unerhört,  und  in  den  Adam-Christus-Spekulationen, 
in  den  Ansichten  über  Gott  und  Welt  usw.  mußte  das  KoiTekte 
und  Erbauliche  das  Bedenkliche  zu  überstrahlen  scheinen.  Vor- 
sichtiger urteilt  jedenfalls  der  Historiker,  der  einem  Judenchristen- 
tum, das  aus  den  widersprechendsten  Elementen  zusammengesetzt 
ist,  dem  ferner  die  Beschneidung  und  die  nationalen  HoflTnungen 
fehlen,  und  das  endlich  katholisches  und  deshalb  hellenisches  Ge- 
präge trägt,  die  Existenz  bis  auf  weiteres  abspricht,  als  derjenige, 
welcher  lediglich  auf  Grund  von  Eomanen,  die  niemals  Gegenstand 
des  Angriffs  geworden  sind,  die  Existenz  eines  dem  Katholizismus 
sich  akkommodierenden ,  gänzlich  unbezeugten  Judenchristentuins 
behauptet*". 

um  aber  die  wichtige  Frage  nach  dem  Charakter  der  zweiten 
Schicht  sicherer  zu  lösen,  als  es  durch  allgemeine  Erwägungen  ge- 
schehen kann,  ist  es  nötig,  sie  zunächst  in  Umrissen  herzustellen. 
Das  hat  Waitz  (S.  16—39)  getan.  Über  ein  paar  Punkte  kann 
man  streiten;  in  allem  Wesentlichen  ergibt  sich  der  Umfang  des 
Clemensromans  mit  großer  Wahrsclieinlichkeit^: 

Hom.  Kekogn. 

I,  1-7»  I,  1—7»  Die  Seelenkämpfe  des  Cle- 

mens und  die  Predij^  eines 
Unbekannten,  bezw.  nach 
den  Rekog.  des  Barnabas  in 
Rom  [Barnabas  wird  ur- 
sprünglich sein;  die  Honii- 
lien  Ilaben  ihn  getilgt,  weil 
die  öffentliche  Tradition  von 
seiner  Tätigkeit  in  Rom 
nichts  wußte]. 


1)  Zu  vgl.  ist  hierzu  die  dotaiUiertere  Tabelle,  welche  Tlort  (19(»l  p.  145 
bis  158)  för  die  parallelen  Stücke  in  Hom.  T — 111  und  Rekog.  I— 111  gegeben  hat. 


524  ^11*  ^^®  pseudoklementiniBchen  Schriften. 

Hom.  Rekogn. 

1, 7*>— 8  —  Die  Reise  des  Clemens  nach 

Alexandrien. 

I,  9—14  I,  7*»— 11  Die  Disputation  des  Barna- 

bas  nnd  Clemens  mit  den 
Philosophen  in  AlexandrieD, 
bez.  in  Rom,  nach  den 
Rekogn.,  die  auch  hier  das 
ursprüngliche  bewahrt  ha- 
ben werden. 

I,  15—22  I,  12—19         Das   Zusammentreffen  des 

Clemens  mit  Petrus  in  Cäsa- 
rea  und  die  Belehrung  des 
Petrus  über  den  wahren 
Propheten. 

11,  1  II,  1  Das  Auftreten  des  Petrus 

mit  seinen  16  (nach  den 
Rekogn.  12)  Begleitern. 

II,  18  II,  3—6  Der  Bericht  des  Aquila  und 

Nicetas  über  Simon,  Ein- 
leitung dazu. 

11,19—21  —  Die  Erzählung  von  der  Syro- 

phönizierin  Justa,  der  Pflege- 
mutter des  Simon,  Aqaila 
und  Nicetas. 

II,  22  II,  7  Über  Simons  Abkunft  und 

Lehre. 

II,  23.  24  II,  8.  11  Über  die  Vorläufer  Simons, 

Johannes  und  Dositheus. 

II,  23.  25  II,  9.  12  Über  Helena. 

II,  26—31  II,  13—15  Über    Simons     nekroman- 

tische  Künste. 

II,  32.  34  II,  9.  10  Über     Simons      magische 

Künste. 

II,  35—37  1, 20.  21  Die  Meldung  des  Zakchäus 

vom  Aufschub  der  Dispu- 
tation. 

II,  4—12  1, 21—26  DiellnterweisungdesPetrus 

(III,  1 1—16;  über  den  wahren  Propheten, 

sein  Wesen  und  seine  Er- 
kenntnis. 


III.  Die  pseadoklementiniacben  Schriften. 


525 


HOID. 

(II,  15-18) 
(in,  17—28) 

Rekogn. 
I,  27—42 

I,  43.  53-71 

(II,  38—3,10) 

— 

in,  29-30 

II,  19—20 

in,  31—37 

II,  33—36 

III,  38.  XVI,  5—15     II,  38-46 


(in,  38—57) 

XVII,  1    3 

III,  12 

XVU,4(XVni,4- 

-23)    11,47 

XVII,  5-12 

11,  48-60 

XVII,  13-19 
XVI,  16 

II,  61—69 
111,3     12 

iVIII,  1.  2 

III,  37.  38 

II,  13.  14 
XIX,  3.  4 
(11,  29) 
(H,  33) 
III,  58—73 

III,  38—42 
TU,  15     17 
III,  42—50 
III,  51—62 
III,  63— (56 

HL  67—74 

IV,  1 

IV,  2     7 

VI,  26- VIII,  1 

IV,  1 

Das  Buch  von  den  Erschei- 
nungen des  wahren  Pro- 
pheten. 

Die  Disputation  der  Apostel 
mit   den  Juden  über    den 
wahren  Christus. 
Das  Gespräch  über  die  fal- 
schen Perikopen. 
Die  Aufforderung  des  Zak- 
chäus  zum  Beginn  der  Dispu- 
tation mit  Simon. 
Die  Disputation   über  den 
Friedensgruß. 
Die  Disputation    über  die 
Lehre  der  Schrift  von  Gott 
und  Göttern. 

Widerlegung    der   marcio- 
nitischen  Antithesen. 
Die  Meldung  des  Zakchäus 
über  Simon. 

Über  Gottes  Oifenbarung 
(Matth.  11,  27). 
Fortsetzung  (über  das  un- 
endliche Licht),  vgl.  Hom. 
XVII],21undRekog.ll,45. 
Foi-tsetzung. 

Fortsetzung  (über  die  Ent- 
stehung Gottes). 
Über    die    Güte    und    Ge- 
rechtigkeit Gottes. 
Fortsetzung. 
Über  das  Böse. 
Fortsetzung. 
Fortsetzung. 

Die  Ordination  desZakchäus 
in  Cäsarea. 

Weitere  Wirksamkeit  des 
Petrus  in  Cäsarea. 
Die  Reise  des  Petrus  von  Cä- 
sareanach  Tripolis  und  seine 
Wirksamkeit  auf  den  ver- 
schiedenen Reisestationen. 


526 


III,  Die  pseudoklementinisclien  Schriften. 


Holu. 

Rekogn. 

vni,  2   8 

IV,  2-7 

VIIT,  9    23 

IV,  8-37 

IX,  1     21 

X,  2—20 

V,  2—22 

X,  21—25 

XI,  4-18 

V,  23—36 

XT,  1     3 

VI,  1     3 

XI,  19—32 

VI,  4-15 

XII,  1    24 

VII,  1—24 

XII,  25-53 

XIII,  1—12 

VII,  25—36 

XIII,  13     21 

VII,  37.  38 

XIV,  1 
XIV,  2.  3 

VII,  38 
VIII,  1.  2 

XIV,  :i.  7 
XV,  1     5 

XIV,  8— 12 

VIII,  3    36 

VIII,  37     57 
VIII,  57-62 
IX,  Teile  V.  1—32« 
IX,  33     38 

XV,  1  XX,  1- 
IV,  7    VI,  25 

-10         X,  1     12 
X,  17-51 

XX,  11     23 

X,  b'\ — 65 
X,  66-72 

i  Reden  des  Petrus  in  Tripolis 
über  den  Dämonenglaaben. 


Beden  des  Petras  in  Tripolis 
wider  die  heidnische  Oötter- 
verehrung. 

Beise  des  Petrus  von  Tri- 
polis nach  Laodicea.  Unter- 
wegs die  erste  Wiederer- 
kennung  (der  Mattidia  als 
der  Mutter  des  Clemens). 
Rede  des  Peti*us  über  die 
Menschenliebe. 
Die  zweite  Wiedererkenn- 
uug  (des  Aquila  und  Nicetas 
als  Brüder  des  Clemens). 
Bede  des  Petrus  über  die 
Keuschheit 

Die  Taufe  der  Mattidia. 
Das    ZusammentreflFen   des 
Petrus  mit  dem  Greis  am 
Meer. 

Disputation  über  Astrologie 
und  Gottesglauben. 

Die  dritte  Wiedererkennung 
(des  Faustus  als  Vaters  des 
Clemens). 

Gespräch  über  das  ÜbeL 
Gespräch    über    die    heid- 
nische Mythologie. 
Das  Ende  des  Simonronians. 
Die  Wirksamkeit  des  Petrus 
in  Antiochien. 


1)  Den  AbschniU  IX,  19fF.  über  die  verschiedenen  Gesetze  der  Länder  der 
Grundschrift  zuzuweisen,  ist  man  nicht  veranlaßt. 


III.  Die  peeudoklemeiitimschen  Schriften.  527 

Zu  dem  Clemensroman  (Schicht  2)  hat  aber  auch  als  EinleituDg 
der  Brief  des  Clemens  an  Jakobus  gehört  K  Er  ist  an  sich  —  für 
Hom.  und  Bekog.  —  nicht  leicht  zu  missen,  da  erst  er  die  ganze 
Situation  aufklärt,  und  er  kann  nicht  erst  vom  Bedaktor  der 
Homilien  stammen,  da  er,  obgleich  er  in  Bufins  Übersetzung  der 
Bekog.  fehlt,  ebenso  nahe  Beziehungen  zu  diesen  wie  zu  jenen  hat^. 
Daß  er  weder  zu  den  Homil.  noch  zu  den  Bekog.  gehört,  geht  auch 
daraus  hervor,  daß  er  einen  weiteren  Verlauf  der  Petrus-Clemens- 
Oeschichte  ankündigt,  die  aber  weder  in  den  Honiil.  noch  in  den 
Bekog.  gegeben  ist.  Eben  deshalb  haben  wir  die  oben  gegebene 
Tabelle  mit  Punkten  geschlossen,  um  anzudeuten,  daß  die  Grund- 
schrift noch  weiter  reichtet 

Die  Existenz  und  z.  T.  auch  der  angegebene  Umfang  des  Clemens- 
romans wird  auch,  wie  Hort  (1901,  p.  24—91)  und  Waitz  (S.  39—48) 
gezeigt  haben,  bestätigt  durch  litterarische  Zeugnisse.  Ein  in  der 
„Philokalia**  (c.  23  p.  211ff.  ed.  Bobinson)  sich  findendes  Zitat  — 
ob  es  auf  Origenes  zurückgeht,  braucht  uns  hier  noch  nicht  zu 
kümmern  —  ist  daselbst  so  eingeführt:  Kai  KjLrjfirjQ  öh  6  'Pcofiaioc, 
niiQOV  xov  ojtootoXov  fiad^TjT^Q,  ovycpöa  rovroig  Iv  np  Jtagovri 
^QoßXrifiaxi  jtQoq  xov  JtaxtQa  kv  Aaoäixda  djxihv  Iv  ralg  UeQiO' 

1)  S.  Waitz  S.  2ff. 

2)  Ob  Rufin  den  Brief  bei  den  Rekog.  vorgefunden  hat,  ist  nach  seinen 
Worten  in  der  Vorrede  nicht  sicher;  indessen  ist  es  wahrscheinlich  (ohne  Wert 
ist  Rufins  Urteil,  der  Brief  sei  jünger  als  die  Rekog.).  Er  schreibt:  „Epistolam 
sane,  in  qua  idem  Clemens  ad  lacobum  fratrem  domini  scribens  de  obitu  nun- 
tiat Petri,  et  quod  se  reliquerit  successorem  cathedrae  et  doctriuae  suae,  in 
qua  etiam  de  omni  ordine  ecclesiastico  continctur,  ideo  nunc  huic  0])eri  non 
praemisi,  quia  et  tempore  posterior  est,  et  olira  a  me  inter]iretata  et  edita" 
[in  dieser  seiner  Obersetzung  existiert  der  Brief  no('h\  Zu  bemerken  ist  auch, 
daß  Rufin  neben  den  Rekognitiouen  noch  eine  parallele  Redaktion  desselben  Stofis 
vorgefunden  [war  es  die  Gnindschrift?  sicher  nicht;  waren  es  die  Iloiuilien?]  und 
daß  er  eine  Ausführung  „De  ingenito  deo  genitcxjue"  imd  andere  Stücke,  die  in 
beiden  Formen  standen,  gestrichen  hat,  weil  sie  ihm  unverständlich  waren, 
d.  b.  häretisch  anmuteten:  „Puto  quod  non  te  lateat,  Clementis  huius  in  draeco 
eiusdem  operis  ^AvayvdaewVy  h.  e.  Recognitionum,  duas  editiones  haberi,  et  duo 
Corpora  esse  librorum,  in  aliciuantis  ([uidem  diversa,  in  multis  tarnen  eiusdem 
narrationis.  denique  pars  ultima  huius  oi)tTi8,  in  qua  de  transformatione 
Simonis  refertur,  in  uno  corpore  habetur,  in  alio  penitus  non  habetur,  sunt 
autem  et  quaedam  in  utroque  cor])ore  de  ingenito  deo  genitoque  disserta,  et 
de  aliis  nonnullis,  quae  ut  nihil  amplius  dicam  (!},  excesserunt  intelligeutiam 
nostram.  haec  ergo  ego,  tamquam  quae  s^upra  vires  moas  essent  (!),  aliis  reeer- 
vare  malui,  quam  minus  plena  proferre.  in  caeteris  autem,  quantum  potuimus, 
operam  dedimus,  non  solum  a  sententiis,  sed  ne  a  sormonibus  quidem  satis  '?] 
elocutionibusque  discedere". 

3)  Sie  war  wohl  auch  sonst  umfassender  und  länpfcr  als  die  Hom.  und 
Rekog.,  8.  Hort,  1901,  p.  SS. 


528  ^^*  ^^  pBeudoklemenidnischen  Schriften. 

öoig,  dpayxaiozarov  ri  kjd  riXei  xAv  jibqX  tovxov  Xoyoov  tpriolv 
jtBQl  Tcip  rfjg  yev£0£(x}g  öoxovvxoov  ixßeßfjxivai,  Xoyq)  iö\  Der 
Titel  and  die  Bachzahl  deckt  sich  nicht  mit  den  Bekog.^  aber  in- 
haltlich deckt  sich  das  Stück  ganz  wesentlich  and  fast  dorchweg 
wörtlich  mit  Bekog.  X,  lOflF.  (p.  226,  20ff.  ed.  Gersdorf).  Aach  läßt 
es  sich  wahrscheinlich  machen,  daß  wirklich  gerade  im  14.  Buch 
der  Grundschrift  diese  Perikope  gestanden  hat.  Ähnlich  steht  es 
mit  den  anderen  patristischen  Zeugnissen  >;  es  ist  nicht  nötig,  aaf 
sie  näher  einzugehen:  sie  sind  zu  einem  nicht  geringen  Teil  rätsel- 
haft, wenn  man  annimmt,  sie  seien  aus  den  Hom.  oder  Bekog. 
geflossen;  sie  erklären  sich  aber  befriedigend,  wenn  sie  aus  der 
Grundschrift  derselben  stammen  \  Der  Titel  der  Grundschrift  (des 
Clemensromans)  wird  gelautet  haben,  wie  die  Homilien  angeben: 
„KXTJfievTog  xAv  Hsxqov  kptiötjfiltDV  xtjQvyfiaxwv  ijtixofiri"^  oder 
(schwerlich):  „IleQioöoi  IlixQov  {öia  EXfjfiavxog)^  \ 

Die  Clemens-Schrift  hatte  ausschließlich  einen  didaktisch-apolo- 
getischen Zweck;  gegenüber  den  unrichtigen  und  unbefriedigenden 
Antworten,  welche  das  (gebildete)  Heidentum  und  die  Häi*esie  auf  die 
zahlreichen  und  wichtigen  Fragen  der  religiösen  Weltanschauung 
geben,  sollen  hier  die  einleuchtenden  Wahrheiten  der  christlichen 
Religion  mitgeteilt  werden.  Für  „suchende"  Heiden  und  für  Eatechu- 
menen*  der  gebildeten  Stände  ist  das  Werk  geschrieben.  Um  deD 
Charakter  und  die  Absichten  des  Verfassers  festzustellen,  sind  in 
erster  Linie  die  Abschnitte  herbeizuziehen,  die  sicher  ganz  und  gar 
sein  geistiges  Eigentum  sind  —  das  ist  die  Clemeusgeschichte  und 
alles,  was  mit  ihr  in  untrennbarem  Zusammenhang  steht  Also  der 
Brief  des  Clemens  an  Jacobus  und  etwa  folgende  Stücke:^ 

Hom.  I,  1—7  Rekog.  T,  1—7. 
Hom.  I,  9-14  Rekog.  T,  7—11. 
H.  1,  15—22  R.  I,  12—19. 
H.  II,  2-5  R.  II,  1. 
H.  II,  18  R.  II,  1—6. 

1)  SorgftUfcig  zusammengestellt  von  Preuschen  (Teil  1  dieses  Werk« 
^^.  219  ff.). 

2)  Besonders  an  den  Zitaten  in  dem  Opus  imperf.  und  in  dem  Chron.  pasch, 
läßt  sich  (ias  zeigen.  Der  IHtel  „nf^lodoi"  findet  sich  bei  Hieronymus  („Clemens 
in  Periodis");  Epiphanius  schreibt  genau  (haer.  30,  15):  Degtodoi  UitQOV  6a 
K),rifAtvzoq. 

'^)  Die  letzte  Wurzel  der  ganzen  Litteratur,  die  unten  zu  besprechenden 
KrjQvyuara  TlixQoVy  werden  wohl  in  verschiedenen,  unter  sich  verwandten  Be- 
arbeitungen umgelaufen  sein. 

4)  S.  Waitz  S.  50f. 

5)  Nach  Waitz  S.  r»lf. 


III.  Die  pseadoklementinisohen  Schriften.  529 

H.  II,  35-37  R  I,  20.  21. 

H.  VIII,  9—23  (IX,  1—21)  R.  IV,  8— IH. 

H.  X,  2—20  R.  V,  2-22. 

(H.  X,  21—25)  R.  V,  36. 

H.  XI,  1-3  R  VI,  1—3. 

H.  XI,  4—18  R.  V,  23—36. 

H.  XI,  19—33  R  VI,  4-14. 

H.  XU,  1-24  R.  VII,  1-24. 

H.  XII,  25—33  XIII,  1—12  R.  VII,  25-36. 

H.  XIII,  13-21  R  VII,  37.  38. 

H.  XIV,  1  R.  VII,  38. 

H.  XIV,  2.  3.  8—12  R  VIII,  1-2.  IX,  35-38. 

H.  XV,  1—11. 

Die  theologische  Haltung  in  diesen  Stücken  kann  noch  als 
gemein-christlich  und  kirchlich  bezeichnet  werden.  Die  heiligen 
Schriften  sind  das  A.  T.  in  seinem  ganzen  Umfang,  die  vier  Evan- 
gelien und  die  Paulusbriefe*;  die  Verfassung  der  Gemeinden  ist 
die  katholische.  Ganz  deutlich  erkennt  man  also,  daß  das  Juden- 
christlich-Synkretistische  lediglich  den  Quellen  angehört:  die  Taufe 
steht  im  Mittelpunkt,  von  Beschneidung  usw.  ist  nicht  die  Rede. 
Ebenso  ist  der  Antipaulinismus  ausschließlich  in  den  Quellen  zu 
spüren:  der  Verfasser  des  Clemensromans  braucht  die  paulinischen 
Briefe'^.  Die  Rezeption  der  Vorstellung  von  Christus  als  „dem 
Propheten**  ist  nicht  notwendig  häretisch;  denn  dieser  Prophet  ist 
ja  so  verstanden,  daß  er  dem  „Logos"  sehr  nahe  kommt  (s.  Rekog. 
VIII,  r>9.  62).  Die  Logoslehre  ist  freilich  in  dem  Roman  still- 
schweigend abgelehnt,  aber  das  ist  kein  Zeichen  der  Häresie. 
Christus,  „der  Prophet",  ist  zugleich  „der  große  König"  (Kp.  Ili; 
der  Ausdruck  stammt  aus  der  letzten  Quelle)  und  „der  Soter- 
Steuermann"  (1.  c.  15). 

Die  Bestimumng  der  Abfassungszeit  des  Romans  ist,  was  den 


Y)  Das  4.  Evangelium  ist  selten  benutzt,  aber  «ioch  unverkennbar  iß.  v^r 
allem  Hom.  XIX,  22).  Paulus  ist  nie  mit  Namen  zitiert  —  rler  Hearbeiter  liat 
in  dieser  Hinsicht  die  Vorlage  respektiert  — .  aber  die  liriefo  sind  ilun  bekannt 
und  von  ihm  benutzt. 

2)  Epiphanias  (haer.  :>0,  15)  teilt  uns  mit,  die  „Kbioniten"  brauchten  dii' 
di&  KXi^iÄ€VtOQ  geschriebenen  UfQioöoi  IHtqov,  Wenn  das  dieselbe  Rezension 
des  Stoffs  war,  die  wir  als  (inindschrift  «Icr  H(»m.  und  Hekoi^.  zu  ermitt^iln  ver- 
mögen (was  keineswegs  sicher  ist^  so  hat  sich  entweder  Kpiphanius,  wie  ^^^» 
oft,  get-äuscht  und  statt  der  Quellenschriit  der  üt^iodoi  diese  selbst  genannt, 
oder  diese  späten  „Ebionitein"  haben  wirklich,  wie  sie  auch  sonst  Katholisches 
herangezogen  haben,  sich  die  katholische  Bearbeitung  angeeiguet,  die  ja  noch 
immer  für  ihre  Zwecke  ausgenutzt  werden  konnte. 

Harnack,  Altchristl.  Litteratiir<;eBc-h.  II,  2.  31 


530  ^^*  ^^^  pBeudoklemeniimschen  Schriften. 

terminus  a  quo  betrifft  keine  schwierige  Aufgabe.    Auch  der  Ab- 
fassungsort kann  nicht  leicht  verkannt  werden. 

Die  Simon-Sage  in  der  Form  des  Justin  und  Irenäus  und  die  Namen 
Faustus,  Faustinus,  Faustinianus  deuten  bestimmt  auf  die  nach- 
marcaurelische  Zeit.  Eben  in  diese  werden  wir  durch  den  Schrift- 
gebrauch gefühi-t  Noch  weiter  herunter  leitet  die  Beobachtung, 
daß  die  Idee  des  „episcopus  episcoporum''  bereits  vorhanden  ist: 
Jacobus  ist  der  ijtloxojtog  kjcioxojKov  in  Jerusalem  (ep.  Clenu  1), 
Petrus  erscheint  als  der  Oberbischof  in  der  Heidenwelt  Vor 
Kailist  (TertulL  de  pudic.  1,  s.  auch  Stephanus  bei  Cypr.,  Sentent. 
episcop.,  praefatio)  sind  die  Sache  und  der  Ausdruck  nicht  zu  be- 
legen, und  sie  führen  natürlich,  wie  auch  die  Namen  Faustus  etc. 
und  das  ganze  Interesse  an  dem  römischen  Clemens,  auf  Roml 
Mit  Recht  aber  weist  Waitz  (S.  62)  auch  darauf  hin,  daß  die 
Vorstellung,  die  Apostel  hätten  nicht  nur  die  ersten  Bischöfe  ein- 
gesetzt, sondern  wären  selbst  die  ersten  Bischöfe  gewesen,  nach- 
irenäisch  und  vor  dem  Anfang  des  3.  Jahrh.  nicht  nachweisbar  ist 
Ebenso  ist  die  Annahme,  Clemens  sei  von  Petrus  selbst  zu  seinem 
Nachfolger  geweiht,  erst  durch  TertuUian  (gegen  Irenäus)  zu  be- 
legen (de  praescr.  32).  Daß  aber  TertuUian  den  Clemensroman 
gekannt  hat,  wäre  eine  grundlose  Annahme.  Endlich  sind  die  Be- 
fugnisse des  Bischofs  nach  unserer  Schrift  solche,  wie  sie  erst  z.  Z. 
Kallists  in  Rom  ausgebildet  worden  sind:  der  Bischof  hat  neben 
der  vollen  Lehrgewalt  die  volle  Schlüsselgewalt  (nach  Mt.  16,  19), 
und  er  kann  sie  im  Sinne  der  Vergebung  auch  in  bezug  auf  Un- 
zuchtsünden geltend  machen.  Er  hat  in  der  Gemeinde  den  rojioz 
des  obersten  Lehrers  der  W^ahrheit  (so  oft)  und  des  Arztes 
(Ep.  Cleni.  2)-^. 

1)  Die  Phantasien,  die  Idee  eines  Oberbischofs  sei  auf  judenchristlichem 
Boden  entstanden  und  von  dort  auf  den  römischen  Bischof  übertragen,  kann 
man  auf  sich  beruhen  lassen.  Warum  Jacobus  von  unserem  Verfasser  „Bisehof 
der  Bischöfe**  genannt  ist  und  nicht  Petrus,  ist  leicht  ersichtlich.  Er  mulU-e 
sich  an  seine  Vorlage,  die  den  Jacobus  bevorzugte,  anbequemen,  s.  Waitz 
S.  (37  tf.  Die  Hervorhebung  der  Kirche  von  Jerusalem,  die  der  Autor  in  seinen 
Quellen  vorfand,  brauchte  ihn  nicht  zu  befremden,  trotzdem  er  kein  Judenchrist, 
sondern  Katholik  war.  Im  Laufe  des  3.  Jahrhunderts  ist  das  Ansehen  der  Ge- 
meinde von  Alia  (Jerusalem)  wieder  stark  gestiegen,  wie  nicht  nur  der  bekannte 
Kanon  von  Nicäa,  sondern  schon  früher  Firmilian  (bei  Cjprian,  ep.  75,  6)  be- 
weist. Finnilian  sehreibt :  „Romae  non  observari  omnia  aequaliter  quae  Hiero- 
Bolymis  observantur**  —  die  Gebräuche  der  Gemeinde  von  Jerusalem  sind  ihm 
die  Maßstäbe  des  Alten. 

-)  Die  Qualitäten,  die  vom  Bischof  verlangt  werden,  und  die  gänzliche 
.^cheidung  desselben  von  bürgerlichen  Geschäften  (Ep.  c.  5 f.)  weisen  auch  ins 
o.  Jahrhundert.   Ebendorthin  gehören  (Hom.  III,  71)  die  nQeoßvzfQOi-xaxriXTfxal 


III.  Die  pseudoklemenÜniBcben  Schriften.  531 

Viel  stärker  aber  noch  als  Einzelheiten  spricht  die  Gesamt- 
haltang  des  Bomans  dafür,  daß  man  mit  ihm  hinter  die  Zeit  c.  225 
nicht  hinaufgehen  darf  ^  Er  ist  in  einer  Friedenszeit  von  längerer 
Daner  verfaßt  Die  Stimmung,  in  der  die  alten  Apologeten,  in  der 
noch  TertuUian  und  Clemens  geschrieben  haben,  ist  längst  vorüber; 
der  Kampf  mit  dem  Heidentum  ist  zu  einem  geistigen  Kampf 
geworden.  Das  Heidentum  erscheint  nicht  mehr  als  der  Richter 
und  Henker  des  Christentums,  sondern  als  litterarische  Gegner 
stehen  sie  sich  im  Kampf  um  die  Weltanschauung  gegenüber^.  Die 


[ein  Begriff] ;  sie  entsprechen  den  „presbyteri-doctores"  des  Abendlandes  saec.  III. 
—  Noch  eine  Einzelheit  ist  hier  zu  erwähnen.  Sowohl  in  der  Ep.  Clem.  ad 
Jacob,  (c.  14 f.)  als  auch  in  Hippolyts  Schrift  De  antichristo  (c.  59)  findet  sich 
die  ausgeführte  Allegorie  von  der  Kirche  als  einem  Schiff.  Schon  dieses  Zu- 
sammentreffen ist  bedeutungsvoll;  aber  um  wieviel  archaistischer  als  unser 
Verfasser  ist  Hippolyt!    Er  schreibt: 

„nXoiwv  ntigvyiQ"  üaiv  al  ixxXrjaiai'  „&aXaaoa^^  di  iartv  6  xoofJLoq^  iv 
^  7/  ixxXfjala  wg  vavg  iv  neXdysi  ;|rfi^ec^£Ta<  /a^v  dXX^  ovx  dnoX/.vzai,  sxsi 
yag  fisd'*  kavt^g  xbv  sfineiQov  xvßegvrjxTjv  Xqioxov,  (figet  6h  iv  fitow  xal  rd 
TQonaiov  td  xaxa  toi  ^avdrovy  ciq  xöv  axavQov  xov  xvqlov  f/eO^*  kavzf^g  ßa- 
axa^ovca.  eoti  yag  avxf^q  i)  fihv  ngio^a  dvaxoXt],  JiQVfAva  dh  ojg  dvoiqy  xb  öh 
xoiXov  iJtcarifißQla,  oüaxeg  ovo  al  ovo  Sia&^xaij  axoivla  dl  nepixetaf/ha  w^ 
dydnri  xov  XQiaxov  a^lyyovaa  t^v  ixxXijalav,  dvxXlav  6b  (ptQSi  fjieB^  havxfjg  wg 
xo  ,^ovxq6v  x^g  naXiyysyealag^* ,  dvaveovaav  xoig  maxetovzag.  o^ovij  dh 
xavxjf  XafxnQO,  ndgeaxiv  wg  x6  nvsvfia  xb  un  otgavwv,  öl  ov  a<pgayiL,ovTai 
ol  Ttiaxiiovxeg  xw  ^ew,  na^lnovxai  öh  avxig  xal  ayxvoai  oiörjQaL  avxov  xov 
Xgiaxov  aX  dyiai  ivzoXal  övvaxal  ovaai  wg  oiöijoog.  eyii  6h  xal  vaixaq,  öe^iü 
xal  Bvwvvfxw  (ig  dylovg  dyyiXovg  naQiögovg,  öi  wv  du  x^axelxat  xal  (fQOv- 
geixai  rj  ixxXijaia.  xXlf.ta^  6h  iv  avxy  elg  iipog  inl  xö  xhQaq  dvdyovaa  wg 
slxwv  OTj/neiov  nd^ovg  Xgioxovj  i'Xxovaa  xoig  ntaxovg  elg  dvdßaaiv  ovQavwv, 
tpitpagoi  6h  inl  xb  xigag  iip*  vxprjXov  hvovfxevoi  wg  xd^tig  7iQ0<pijxwv  fiagxvQwv 
xe  xal  dnooxoXwv  eig  ßaotXfiav  Xqioxov  dvaTiavö/aevat.  Damit  v^l.  man  Clem. 
ep.  14  f.: 

*Eotxev  oXov  xb  ngäy/ua  x^g  ixxXrjoiag  vi]t  fieydX^,  6icc  oifoÖQov  ;rf//ia;vo? 
ivögag  ifBQOvay  ix  noXXwv  xonwv  ovxag  xrd  filav  xivd  dya&ijg  ßaatXeiag  noXiv 
olxsTv  &iXovxag.  iaxw  fihv  oiv  v/alv  6  xavxrjg  öeonoxrjg  v>fog,  xal  naQeixdo^w 
6  fihv  xvßfQvr^xrig  Xqigxw,  6  UQwgtvg  iniaxomp,  o\  valxat,  Tigsaßvxigoigy  ol 
xolxotQXOi  6tax6votg,    ol  vavaxo?,6yoi   xoig  xaxtjyoiaiv,    xoig  inißdxatg  xb  xwv 

dSsXtpwv  nXrj&ogf  xOi  ßvx}öß  6  xoo/aog tioxa&frlxwaav  oiv  ol  intßdzai 

kSgaloi  inl  xwv  iölwv  xa^ei^ofifvoi  xonwv,  'Iva  fifj  xfj  dxa^i((  otiofibv  rj  hxego- 
xXiviav  nagix^^^^'  ^^  vavaxoXoyoi  xoig  fita&ovg  vnofiifivrjaxhTwaav,  ol  6id- 
xovoi  fiij6hv  dfisXeixwaav  wv  inioxtvOrjaav,  ol  nQeoßvxegoi  wgntQ  vavxai 
xaxagxiLfixwaav  intfifXwg  x(c  yoi'^^y^^  hxuoxwj  o  inloxonog  wg  ngwgevg 
iygriyoQwg  xov  xvßfQvr]xov  fiovov  xovg  Xoyovg  dvxißaXXhw.  b  Xgioxbg  wg 
awxrfQ  xvßfQVi)xrig  tfiXeioBw  xx?.. 

1)  Auf  die  Zeit  des  Kaliist  weist  auch  die  Mahnung  (Hom.  111,  70):  (^govov 
Xqioxov  [seil,  des  Bischofs-  xifiT^atxe'  oxi  xal  Miovoiwg  xad^iÖQav  xtfjiäv  ixeXev- 
0&1JX6,  xav  ol  ngoxa&e^ofievoi  dfxagxw/.ol  vofJLlt,wvxai. 

2)  Das  schließt  natürlich  nicht    aus,    daß    sich    einzelne    Christen   im  Gc- 


532  ^^^*  ^^  pseudoklementinischeii  Schriften. 

geistigen  Kämpfe  in  Rom,  die  Karl  Schmidt  in  seiner  wertvollen 
Abhandlung  über  Plotins  Stellung  zum  Gnostizismus  und  kirch- 
lichen Christentum  (Texte  und  Unters.  Bd.  20  H.  4,  1901)  nach- 
gewiesen hat,  scheinen  die  nächsten  Parallelen  zu  sein.  Waitz 
(S.  70—75)  meint  die  Zeit  des  Alexander  Severus  bevorzugen  zu 
müssen  (Synkretismus  am  römischen  Hofe),  allein  er  mischt  Er- 
wägungen ein,  die  nicht  sowohl  unserer  Schrift,  als  vielmehr  ihren 
Quellen  oder  ihrer  Quelle  gelten,  nämlich  dem  Elkesaitismus  und 
der  Zeit  seines  Auftretens.  Eine  sichere  Entscheidung  ist  nicht 
möglich.  Die  inneren  Gründe  gestatten  nur  die  Behauptung,  daß 
der  Clemensroman  zwischen  225  und  300  in  Rom  abgefaßt  ist. 
Innerhalb  dieses  Zeitraums  ist  wohl  die  Zeit  um  260  den  früheren 
Jahrzehnten  vorzuziehend 

Noch  vor  kurzer  Zeit  freilich  glaubte  man,  einen  sicheren 
terminus  ad  quem  für  die  Abfassungszeit  zu  besitzen:  Origenes, 
sagte  man,  hat  unsere  Schrift  sowohl  im  Matth.-Kommentar  (ser.  77) 
als  auch  in  dem  älteren  Genesis-Kommentar  benutzt  (nach  der 
Philokal.  23).  Allein  beide  Zeugnisse  sind  erschüttert  worden. 
Bigg  (1890  p.  186)  und  noch  eindrucksvoller  Robinson  (Ausgabe 
der  Pbilokal,  1893)  haben  auf  die  sehr  nahe  liegende  Möglichkeit 
hingewiesen,  daß  erst  die  Bedaktoren  der  Philokalia  die  Stelle  zu- 
gesetzt haben,  und  diese  Möglichkeit  zur  Wahrscheinlichkeit  er- 
hoben, und  Chapman  (1902)  hat  starke  Gründe  dafür  beigebracht, 
daß  in  der  unzuverlässigen  lateinischen  Übersetzung  des  Matth.- 
Kommentars  des  Origenes  die  Zitate  aus  unserem  Werk  Inter- 
polationen aus  dem  Opus  iraperfectum  in  Matth.  sind  2.  Der  Wider- 
spruch Hilgenfelds  (Ztschr.  f.  wiss.  Theol.  1903  S.  342  ff.)  ist 
soweit  berechtigt,  als  die  Unmöglichkeit,  daß  die  Worte  von 
Origenes  selbst  herrühren,  weder  von  Robinson  noch  von  Chap- 
man erwiesen  ist;  aber  in  Rücksicht  auf  die  Tatsache,  daß  Eusf- 

fUngnis  befinden  und  daß  die  Christen  überhaupt  noch  verfolgt  werden;  doch 
ist  ep.  Clem.  9  und  Honi.  III,  09  nicht  gesagt,  dalJ  die  iv  ^vAa;?«?^  Befindlichen 
um  ihres  Chrij^tenstandes  willen  dort  sind,  und  auch  c  15  des  Briefs  lautet  sehr 
allgemein. 

1)  Ira  Lehrburli  dfr  Dogmengesch.  i^  S.  *J95  habe  ich  auch  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  die  scharfe  Ablehnung  der  Erweckung  des  christlichen 
Glaubens  durch  Visionen  und  Träume  und  die  Polemik  gegen  diese  für  da.« 
3.  Jahrhundert  ins  G^'wicht  fallt,  s.  Hom.  XVIl,  14—19.  Petrus  sagt  §  18:  xh 
döiödxToK  dvev  onxaolaq  xal  oveigiov  fia^elv  dnoxalvxpiq  ianv,  das  habe  er 
schon  boi  soinom  Bekenntnis  (Matth.  10)  gelernt.  Die  Frage,  ei  tiq  6i  ontaolc; 
TiQOQ  6i6aoxa)Jav  ooifioih)vtti  öivaxai,  wird  §  19  verneint.  Zu  tief  innerhall» 
des  H.  Jahrhunderts  möchte  ich  aber  mit  dem  Roman  nicht  herabsteigen,  <1* 
die  Logoslchr«'  (s.  o.)  ganz  beiseite  gelassen  ist. 

2)  S.  dazu  Harnack  in  d.  Theol.  Litt.-Ztg.  1902  Nr.  21. 


III.  Die  pscudoklementiniBchen  Schriit€ii.  533 

bios,  der  genaue  Zitatenforscber,  bei  Origenes  eine  Cleiuens-Petrus- 
Schrift  nicht  entdeckt  bat,  muß  man  den  geäußerten  und  begrün- 
deten Zweifeki  ein  sehr  bedeutendes  Gewicht  beimessend  Läßt 
man  sie  nicht  gelten,  so  müßte  man  unser  Buch  spätestens  in  das 
3.  Jahrzehnt  des  3.  Jahrhundeii»  setzen;  läßt  man  sie  wirksam 
werden,  so  stehen,  wie  bemerkt,  noch  die  folgenden  70  Jahre  offen. 
Übrigens  bezeugt  selbst  Eusebius  nicht  unsere  Schrift,  sondern  nur 
Dialoge  des  Petrus  und  Apion,  die  mit  unserer  Schrift  verwandt 
sein  können  (s.  0.  S.  r)21).  Indessen  über  das  J.  300  dürfen  wir 
nicht  heruntergehen;  denn  weder  in  der  großen  Verfolgungszeit, 
noch  gar  unter  Konstantin  kann  unsere  Clemens- Schrift  ver- 
faßt sein. 

Ist  nun  die  klementinische  Grundschrift  zwischen  225  und  300 
geschrieben  worden  (bez.  vielleicht  um  260)  ^  so  werden  wir  für 
die  Hom.  und  Rekog.  frühestens  das  letzte  Drittel  des  3.  Jahr- 
hunderts als  Abfassungszeit  annehmen  dürfen.  Zunächst,  auf  die 
Bezeugung  gesehen,  scheint  sogar  nichts  dagegen  zu  sprechen,  sie 
in  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  oder  noch  etwas  später  zu 
verlegen,  ja  das  Schweigen  des  Eusebius  scheint  diesen  Ansatz 
sogar  zu  empfehlen.  Indessen  gibt  es  eine,  wie  mir  scheint,  nicht 
unerhebliche  Beobachtung,  die  eine  Herabdrückung  der  beiden 
Schriften  bis  zur  Grenze  ihrer  ersten  Bezeugung  weniger  ratsam 
macht  Es  wird  sofort  gezeigt  werden,  daß  die  Schriften  die 
lucianisch-arianische  Christologie  enthalten,  daß  sie  aber  gegen  die 
Orthodoxie  und  das  „o//ooü(J£oc"  nicht  polemisieren  (das  Wort 
ofdoovoiog  kommt  in  ihnen  überhaupt  nicht  vor).  Diese  Haltung 
ist  vor  dem  Nicänum,  also  um  300  und  zwischen  313  und  325, 
leichter  verständlich  als  nach  demselben.  Doch  muß  die  Möglich- 
keit offen  gelassen  werden  (s.  unten),  daß  die  Verfasser  Grund 
hatten,  sich  der  direkten  Polemik  gegen  die  Orthodoxie  zu  ent- 
halten. In  diesem  Falle  können  die  Schriften  aueh  nach  d.  J.  325 
angesetzt  werden. 

Offenbar  konnte  nur  <.*in  katholischer  Christ,  der  der  hicianisch- 
arianischen  Christologie  huldigte,  den  strengen  lantimodalistischen 
und  antiorthodoxen)  Munothe.ismus,  den  er  in  seinen  judenclirist- 
lichen  Quellen  fand,  billigen  und  weiter  führen.  Das  aber  haben 
die  Verfasser  der  Hom.  und  Rekog.  getan.   Die  Ausführungen  über 

1)  So  auch  Waitz  S.  TOIK 

2)  Unsere  Schrift,  nber  auch  ihre  Vorstiifon,  sind  dorn  Ver- 
fasser der  alten  Actus  l*»*tri,  wie  si«'  uu?  im  Ms.  von  Vercelli  und  sonst. 
in  Bnichstücken  vorlii'<?en,  noch  j^anz  unlifkannt.  Das  ist  eine  höchst 
wichtif^e  Beobachtun«^.  Hiljronfold  (1IM»3  S.  :iLMiV.}  viMSuclit  verc^cbons,  das 
Gegenteil  zu  erweisen. 


534  ^^*  ^^®  pseudoklementixiiBchen  Schriften. 

den  deus  ingenitus  genitusque,  die  Rufin  in  den  Rekog.  getilgt  hat. 
die  sich  aber  in  den  Syr.  Rekog.  III,  2—11  (s.  o.  S.  520)  finden  und  die 
in  den  Hom.  ihre  Parallelen  haben,  weisen  direkt  auf  die  lucianisch- 
arianische  Christologie  *.  Man  fiberschlage  die  Stellen  Hom.  X,  10 
(avTOv  yaQ  fiopov  iotlv  ^  tvrtfiog  öo^a  rov  (lovov  dyep^rov,  oti 
ra  XoLJta  Jtavra  yBvrixa  rvyx^^^^'  o^?  ovp  rov  dysvfJTOV  Xdiov  ro 
d-Boq  elvai,  ovxcoq  jtäv  orcovv  yspofispov  d-sog  rä  opxl  ovx  Icxivf- 
und  Hom.  XVI,  15.  16  (Petrus  spricht:  o  xvQiog  rlfiAv  ovrs  d-eovQ 
dvai  k(pd'iy^axo  xaQa  xov  xxloavxa  xa  xdvxa  ovxe  havxop  ^sov 
sivai  dpTjyoQEVOsp,  vlov  6h  ^eov  xov  xa  jtavxa  öiaxoOfii^aavxoQ  xov 
eljtovxa  avxov  svXoywg  i/iaxagicsp.  Simon  erwidert:  ov  öoxet  ooi 
ovv  xov  djto  d'sov  d-eov  slvai;  Petrus  antwortet:  jtäg  xovxo  dvai 
&vpaxai,  (pQaoov  rjfilv.  xovxo  yaQ  ^fislg  sljtelv  öoi  ov  övvdfiB^a. 
oxi  fiTi  7]xovoafi€P  xaQ  avxov.  XQog  xovxoig  6i'  xov  xaxQog  to 
fif]  ysyevpfjod-al  ioxiv,  vlov  öh  xo  ysyevv^od^ai,  yavvrixov  6b  dyevvtjxq) 
i}  xal  avxoyBVvrix(x>  ov  OvvxQlvBxat  .  .  .  o  fi^  xaxa  xdvxa  xo  avxo 
ä)v  XLVL  xag  avxäg  avx^  xdoag  ^x^iv  xQOOa}Wfilag  ov  Svvaxai,  man 
vgl.  das  Folgende).  Das  ist  mindestens  nicht  durchweg  den  juden- 
christlichen Quellen  entnommen ;  die  lucianische  Christologie  ist 
eingemischt,  die  aber,  wie  es  scheint,  noch  nicht  die  Formeln  des 
Nicänums  sich  gegenüber  hat  Anderswo,  namentlich  in  früherer 
Zeit,  lassen  sich  diese  und  ähnliche  Darlegungen  nicht  unterbringen. 


1)  Böhmer-Romundt  (1903  S.  374)  sagt  rund:  „Der  Text-,  den  Rufin 
und  der  syrische  Übersetzer  benutzten,  stammte  aus  arianischen  Kreisen.  Dann 
aber  erhebt  sich  die  Frage:  Ist  nicht  vielleicht  die  in  den  Rekog.  vorliegend»^ 
Bearbeitung  der  Giemen tien  erst  nach  850  in  arianischen  Kreisen  entstanden? 
Dagegen  scheint  zu  sprechen,  daß  Clemens  III  c.  7  in  der  dritten  Person  ein- 
geführt wird,  während  er  sonst  immer  in  erster  Person,  als  Erzähler,  redet. 
Aber  ein  durchschlagender  Grund  ist  das  nicht.  Die  Fi*age  ist  vielmehr  zweifel- 
los einer  Untersuchung  wert".  An  die  fortgeschrittene  Doktrin  des  Eunomiu? 
denkt  Böhmer  deshalb,  weil  Rufin  (De  adulterat.  libr.  Orig.  p.  386  ed.  Lom- 
matzsch  Bd.  25)  schreibt:  „Clemens,  apostolorum  discipulus,  qui  Ronianae 
ecclesiae  i)ost  apostolos  et  episcopus  et  martyr  fuit,  libros  edidit,  qui  Graew 
a})pellantur  ^AvayvwQiafJLOQ  i.  e.  „Recognitio";  in  quibus  cum  ex  persona  Petri 
apostoli  doctrina  quasi  vere  apostolica  in  quam  plurimis  expouatur,  in  aliquibus 
ita  Eunomii  dogma  inseritur,  ut  nihil  aliud  quam  ipse  Eunomins  disputare 
credatur,  filium  dei  creatum  de  nullis  exstantibus  asseverans".  Allein  so  lehr- 
reich diese  Mitteilung  des  Rufin  ist,  so  wenig  bietet  sie  daför  Sicherheit,  daß 
wirklich  die  R«.'kog.  erst  nach  Eunomins  oder  z.  Z.  seiner  Wirksamkeit  ent- 
standen sind.  Die  Lehrweise  des  Eunomins  war  ja  nur  eine  konsequente  Er- 
neuerung der  Lehre  des  Lucian,  Arius  und  Asterius.  Sie  hatte  die  Folge, 
daß  man  in  der  2.  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  sehr  häufig  von  der  „doctrina 
Eimomii"  sprach,  wo  man  ebenso  richtig  „doctrina  Luciani  vel  Arii"  sagen 
konnte. 

2)  Alan  vgl.  auch  die  folgenden  Kapit-el  bis  c.  10  fin. 


III.  Die  psendoklementiniBchen  SchrifbcD.  535 

Gerade  f&r  Lucian  (und  Arius)  ist  der  Ausgangspunkt  „ingenitus- 
genitus''  das  Charakteristische,  und  die  Schule  Lucians  hat  auch 
das  Maß  von  Aggressivem  besessen,  das  sich  in  diesen  Ausfuhrungen 
bez.  in  ihrer  Rezeption  zeigt  Aber  die  arianisch-nieänische  Kon- 
troverse ist,  wie  es  scheint,  noch  nicht  angebrochen;  eine  direkte 
Polemik  gegen  das  r.of^oovoiog'^  hätten  die  Verf.,  sollte  man  denken, 
nicht  vermieden,  wenn  es  schon  im  Mittelpunkte  oder  überhaupt 
zur  Frage  gestanden  hätte.  Die  Thesen  der  Gegenpartei  scheinen 
noch  formlos  und  unbestimmt.  Indessen  ist  zuzugestehen,  daß  wir 
uns  bei  dieser  Annahme  irren  können  und  daß  die  Verfasser  Grund 
haben  konnten,  von  der  direkten  Polemik  abzusehen  und  das 
Nicänum  zu  verschweigen.  Die  Christologie  anlangend,  wird  also 
die  ganze  Zeit  von  c.  290 — 360  offen  bleiben  müssen,  wenn  es  auch 
von  ihr  aus  angezeigt  scheint,  die  vornicänische  Zeit  zu  bevorzugen. 
Jedenfalls  aber  ist  an  die  Schule  bez.  den  Umkreis  oder  besser 
die  Doktrin  Lucians  zu  denkend  Sie  hat  die  Verfasser  in  der 
Christologie  durchschlagend  beeinflußt 

Für  die  Annahme  aber,  daß  die  Rekog.  (und  dann  wohl  auch 
die  Hom.)  doch  erst  in  nachnicänischer  Zeit  abgefaßt  sind,  fallt 
die  Beobachtung  ins  Gewicht,  daß  der  Abschnitt  Rekog.  IX,  19 ff. 
<„Über  die  Gesetze  der  Länder")  nicht  direkt  den  pseudobardesa- 
nitischen  Dialogen  jtQog  rovg  hralQovg  entnommen  zu  sein  scheint, 
sondern  durch  Vermittelung  von  Kuseb.,  Praepar.  evang.  VI,  10, 
11  —  48.  Nicht  nur  nämlich  deckt  sich  der  Abschnitt  in  den  Rekog. 
dem  Umfang  nach  mit  dem  von  Eusebius  zitierten  Stück,  sondern 
er  teilt  auch  Eigentümlichkeiten  mit  dem  Zitat  bei  Eusebius  (gegen 
die  angebliche  gemeinsame  Quelle).  Hat  man  aber  die  Wahl,  ent- 
weder hier  Eusebius  als  Quelle  für  die  Rekog.  anzunehmen  oder 
beide  auf  eine  andere  Rezension  der  Originalquelle  zurückzuführen 
(s.  0.  8.  131),  so  ist  unzweifelhaft  die  (»rstere  Annalimt'  die  leichtere'^. 


1)  Hier  nahm  man  auch  nicht  daran  Anstoli,  duli  es  Kt'ko«^.  I,  1^  lieilU-: 
„Sed  post  Aaron,  qui  pontifex  fuit,  ulins  ex  iwiuis  a<lsii  mitnr,  non  M(»ysen 
dico,  sed  illum  (jui  in  aquis  baptisnn  filiu«  a  «loo  n]»i>olln tus  opt"; 
denn  daa  ist  die  Lehr»?,  die  von  Lucian  und  seinem  Kreis»»,  tn)tz  ihrer  Ab- 
weichnnj]f  von  Pauhis  Samos.,  noch  immer  festj^clialten  worden  ist. 

2)  ¥äS  findet  sich  auch  in  den  Heko<r.  j^efrenüber  Kusebius  k»nii  IMus  in 
dem  Material,  wohl  aber  ein  solches  l'lus  bei  Kusebius  <^e<?»'nüb»'r  den  Kekof?. 
Was  die  Rekog.  mehr  bieten,  sind  Ami'lifikationen,  die  einen  juul;^u  Kindnick 
machen.  So  heißt  es  bei  Kuseb.  Vi,  10,  l'i:  xal  ovts  ol  iv  IlaQOin  XQiaziavol 
noXvyafAovoiy  in  den  Rekof^.  IX,  'J9:  „Denique  apud  l'nrthos,  sicut  nobia 
Thomas,  qui  apud  illos  evangelium  praedicat,  scrii)3it,  non  multi  iam 
erga  plurima  matrimonia  diffunduntur".  —  Nach  Kuseb.  VI,  \i\  13  find»'t  sich 
in  Rekog.  IX,  2(i  init.  folgend»'r  Kinschub:  „Quia  immo  »-t  maiorem  ßd»nn  rcrum 
praesentium  dabo.   ec»;e  enim  ex  adventu  iusti  et  veri  j'rophetae  vixdum  Septem 


536  ^^^*  ^^^  pseudoklementimscheii  Schriften. 

In  diesem  Falle  sind  die  Rekog.  frühestens  in  die  Zeit  zwischen 
313  und  325,  d.  h.  unmittelbar  nach  der  Praeparatio  des  Eusebius 
zu  setzend  Hilgenfeld^  und  Waitz^  folgen  hier  komplizierteren 
Annahmen,  durch  die  die  Abhängigkeit  der  Rekogn.  von  der 
Praeparatio  hinfällig  wird ;  aber  einleuchtend  sind  dieselben  nicht. 

Die  schwierigste  Frage  ist  die  nach  den  Quellen  des  klemen- 
tinischen  Romans  (der  2.  Schicht),  d.  h.  nach  der  untersten,  letzten 
Schicht.  Daß  sie  aus  zwei  heterogenen  Bestandteilen  besteht  (s.  o. 
S.  520),  scheint  mir  die  sicherste  Beobachtung  zu  sein,  die  auch  von 
Waitz  aufs  neue  erhärtet  ist  Der  eine  Bestandteil  (wie  es  scheint 
eine  Schrift)  ist  judenchristlich-gnostisch,  und  man  wird  ihn  als 
„Kerygmen  des  Petrus"  bezeichnen  dürfen.  Im  einzelnen  läßt  sich 
die  Abgrenzung  nicht  ganz  genau  durchführen.  Besonders  aber  ist 
die  Zeitfrage  umstritten.  Hier  ist  der  Punkt,  an  welchem  die  neue 
Untersuchung  von  Waitz  (S.  78— J69)  den  stärksten  Widerspruch 
hervorruft.  Richtig  zeigt  er  zuerst,  daß  der  Brief  des  Petrus  an 
Jakobus  hierher  gehört,  und  gibt  auch  einen  Rekonstruktionsversuch 
der  Kerygmen  (nebst  Inhalt  und  Gedankengang),  wie  er  so  sorg- 
fältig und  einleuchtend  bisher  nicht  vorgelegt  worden  ist*.  Die 
Charakteristik  des  Werks  als  einer  Geheimschrift  —  die  lehrhafte 
Darbietung  eines  in  sich  geschlossenen  Systems,  in  welchem  die 
Identität  des  Christentums  mit  der  Urreligion  sich  darstellen  sollte  ^  — 
ist  ebenfalls  zutreffend,  und  die  Erkenntnis,  daß  diese  Schrift  mit 
den  Hervorbringungen  der  Elkesaiten  und  der  verschieden  be- 
titelten „Ebioniten"  des  Epiphanius  [dazu  des  Symmachus]  die 
nächste  Verwandtschaft  hat,  aufs  neue  sichergestellt.  Die  Verwandt- 
schaft betrifft  nicht  Sekundäres  —  das  ist  vielmehr  verschieden  — . 
sondern  das  Primäre  und  die  Hauptsachen  in  den  Anschauungen. 


luini  sunt,  in  qiiibus  ex  oninibus  ^entibus  convenientes  honiiiies  tul 
.ludaeam  et  signiß  ac  ATitutibiis  (piae  viderant  sed  et  doctrinae  maiestat«' 
licrmoti,  ubi  recepenint  fidem  eius,  abeuntes  ad  regiones  suas  illicitos  quosqiie 
«:^entilium  rituB  et  incesta  sprevere  coniugia".  Die  Annahme  liegt  nicht  gauz 
fem,  dal)  der  Verf.  unwillkürlich  an  die  großen  Festversammlungen  gedacht 
hat,  die  zur  Zeit  Konstantins  in  Jerusalem  gehalten  wurden,  an  die  zahlreichen 
rilgerreiseu  dorthin  aup  allen  Weltgegenden  und  an  die  Folgen,  die  das  fiir 
die  Verbreitung  des  Christentums  hatte. 

1)  Cber  die  Abfassungszeit  der  Praepar.  s.  oben  S.  ll'Jf. 

2)  Bardesanes  der  letzte  Cinostiker  S.  140.  148. 
:;)  A.  a.  0.  S.  250  tf. 

4)  Vgl.  auch  die  Tabelle  sprachlicher  Eigentümlichkeiten  der  Kerygmen 
S.  119  if. 

5)  Der  Mosaisiuus  (»rscheint  dabei  in  seinem  einen  Teile  als  Bejahung,  in 
dem  andern  als  Depravatinu  der  Urreligion. 


111.  Die  pseudoklementiniBclien  Schriften.  537 

Dazu  gehört  auch  die  antipaaliDischc  Tendenz;  man  hat  sie  freilich 
übertrieben  und  auch  in  solchen  Zügen  gesucht,  die  indifferent  sind, 
aber  sie  liegt  in  den  Kerygmen  doch  ebenso  offen  vor,  wie  bei  den 
Kbioniten  des  Epiphanius  und  den  mit  ihnen  zusammenhängenden 
Parteien.  Hier  das  richtige  Maß  getroffen  zu  haben,  scheint  mii* 
ein  Hauptvorzug  der  Waitzschen  Untersuchung:  daß  Paulus,  zwar 
keineswegs  durchweg,  aber  doch  an  nicht  wenigen  Stellen  und  in 
wichtigen  Partien,  an  der  Person  des  Simon  Magus  bekämpft  wird, 
ist  unverkennbar.  Aber  wenn  nun  Waitz  nachweisen  will(S.  151ft*.), 
daß  diese  Kerygmen  in  Cäsarea  Pal.  abgefaßt  sind,  so  ist  es  ihm 
nicht  gelungen,  dafür  auch  nur  Wahrscheinlichkeitsgründe  beizu- 
bringen. Die  Solle,  die  Cäsarea  spielt,  erklärt  sich  doch  hinreichend 
aus  dem  Leben  des  Petms  und  kann  daher  nicht  zur  Bestimmung 
des  Oi-ts  der  Abfassung  geltend  gemacht  werden.  Was  aber  die  Zeit 
betrifft,  so  ist  es  auffallend,  wie  schnell  Waitz  die  einzigen  festen 
Punkte  für  die  Datierung  preisgegeben  hat  zugunsten  der  Annahme 
eines  hohen  Alters  der  Kerygmen.  Die  festen  Punkte  sind  Sym- 
machus,  Alcibiades  und  die  Ebioniten  des  Epiphanius  (die  letzteren 
über  4-  200  hinaufzusetzen,  haben  wir  schlechterdings  keinen  An- 
laß). Nun  bringen  aber  die  Kerygmen  ein  festes,  abgeklärtes 
historisch-dogmatisch-apologetisches  System.  Dieses  den  ver- 
wandten Erscheinungen  zeitlich  überzuordnen,  ist  unstatthaft.  Das 
tut  auch  Waitz  nicht,  ja  er  sucht  wahrsclieiulich  zu  maclien,  daß 
der  Kampf  gegen  die  falsche  Propbelie,  der  in  den  Kerygmen  ge- 
führt wird,  sich  auf  die  Elkesaiten  bezieht,  zu  denen  sich  der 
Verfasser  bei  aller  Verwandtschaft  auch  im  (Gegensätze  wisse. 
Allein  —  gesetzt  daß  dies  richtig  ist,  und  es  spricht  manches  da- 
für —  welches  Recht  haben  wir.  die  Polemik  gegen  die  Elkesaiten 
bereits  um  das  J.  135  (in  diese  Zeit  will  Waitz  die  Kerygmen 
verlegen)  anzusetzen?  Daß  jene  ihren  Ursprung  schon  um  das 
J.  100  genommen  haben,  wird  richtig  sein  (s.  oben  S.  167 f.); 
aber  von  einer  öffentlichen  Bedeutuns:  derselben  hören  wir  erst 
seit  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts.  Den  Ansatz  (um  135)  sucht 
Waitz  dadurch  zu  stützen,  daß  in  dem  Werk  weder  auf  ßasilides 
noch  auf  Marcion  nocli  auf  den  Montanisnuis  Kücksicht  genünimen 
sei*.  Allein  warum  mußten  diese  Erscheinungen  berücksichtigt 
werden?  Indessen  Marcion  ist  ganz  deutlieh  bekämpft.  Waitz 
sucht  dem  zu  entgehen  durch  die  (übrigens  auch  von  anderen  be- 


1)  Cber  (1.  J.  lob  will  W.  nicht  hiiiaufj^eht'ii ,  «hi  er  in  ITom.  'J,  17  dip 
zweite  Zerstörung  Jerusalems  vorausgesetzt  findet.  DnIJ  hier  von  derselben  so 
gesprochen  wird,  wie  nur  ein  Aug«"nzeuge  spreeh«'!]  könne,  kann  ieh  nieht  finden, 
halte  aber  überhau])t  Waitz'  Interpretation  der  .St«'lle  lür  ganz  unsieher. 


53S  ^^«  ^6  pseudoklementinischen  SchrifteiL 

fürwortete)  Annahme  einer  antimarcionitischen  Überarbeitang 
der  Kerygmen.  Ich  sehe  die  Nötigung  zu  dieser  die  Quellenfrage 
noch  mehr  komplizierenden  Hypothese  nicht  ein*.  Beweise  für 
seinen  Ansatz  außer  dem  Angeführten  hat  Waitz  nicht  bei- 
gebracht*^; Erwägungen  (S.  161),  daß  der  Inhalt  der  Kerygmen  für 
die  Zeit  um  135  besonders  gut  passe,  sind  ganz  subjektiv.  Dann 
aber  ist  es  geboten,  bei  der  Zeit  um  200  stehen  zu  bleiben.  Hier 
haben  wir  festen  Boden.  Die  Möglichkeit,  etwas  weiter  mit  dem 
Buche  hinaufzugehen,  soll  nicht  bestritten  werden;  aber  Gründe, 
es  von  der  Zeit  des  Symmachus  und  Alcibiades  abzurücken,  gibt 
es  nicht,  und  immer  wird  der  Eindruck  der  stärkste  bleiben,  daß 
hinter  dem  judenchristlich-gnostischen  System,  welches  diese 
Kerygmen  enthalten,  eine  lange  Geschichte  eben  dieses  Jaden- 
christentums liegt  ^.  Natürlich  weist  das  Buch  auf  das  palästinensisch- 
syrische („arabische")  Gebiet,  die  Heimat  dieser  Sichtungen,  zurück; 
aber  ob  sein  Verfasser  dort  weilte,  ob  er  nicht  vielmehr  schon 
auf  römischem  Boden  zu  suchen  ist,  kann  man  nicht  wissen. 

Als  eine  zweite  Quellenschrift  neben  den  Kerygmen  des  Petrus 
sind  die  Ugd^eig  IlerQov,  die  Rekogn.  I,  72 £  einsetzen,  erkannt 
(s.  Waitz,  S.  169—250).  Sie  handelten  von  Petrus  und  Simon  Magus, 
der  als  connexio  haereticorum  erscheint,  aber  durchaus  nicht,  wie 
in  den  Kerygmen,  ein  verkappter  Paulus  ist  Die  Schrift  ist  nicht 
einfach  aufgenommen,  sondern  benutzt  und  verarbeitet  Petrus 
folgt  dem  Simon  von  Cäsarea  aus  überallhin  nach  und  macht  ihn 
zu  schänden.  Der  Clemens-Roman  hat  sie  aber  nicht  bis  zn 
ihrem  Ende  benutzt;  denn  weder  mit  Laodicea  noch  mit  Antiochien 
können  diese  IlQa^HQ  IHtqov  geschlossen  haben;  sie  führten  viel- 
mehr, wie  deutliche  Fingerzeige  beweisen,  bis  Rom.  Von  den 
Kerygmen  heben  sie  sich  deutlich  ab,  was  sich  auch  lexikalisch 
erweisen  läßt  (s.  Waitz,  S.  188 f.).  Dazu:  „Nach  den  Kerygmen  ist 
Jakobus  der  Oberhirte,  hier  Petrus.  Auch  das  Simonbild  ist  völhg 
verschieden.    In  den  Kerygmen  ist  unter  seiner  Maske  Paulus  bezw. 

1)  Außer  einer  antimarcionitischen  Redaktion  (Eiuschiebung  antimarcioni* 
tischer  Abschnitte)  —  Waitz  sucht  zu  zeigen ,  daß  Justins  Anti-Marcion  be- 
nutzt sei  —  soll  auch  noch  eine  andere  Interi)olation  erfolgt  sein,  aber  nicht 
aus  den  von  Epiphanius  genannten  ,*Avaßa0^fxol  ^laxwßov"  (K^siWnj  Hil gen- 
fei d,  Ulli  hörn  u.  a.),  sondern  aus  einer  unbekannten  Schrift. 

2)  Die  eigenartigen  und  altertümlichen  Evangelienzitat-e  fordern  nicht,  daß 
mnn  das  Buch  bis  gegen  l'^5  hinaufsetzt. 

3)  Daß  daher  Gedanken  und  Motive,  die  in  dem  Buche  zum  Ausdruck 
kommen,  zum  Teil  sehr  alt  sind,  ja  selbst  hinter  die  Zeit  des  Christentums 
zurückführen  —  denn  es  gab  ein  gnostisches  Judentum,  bevor  es  ein  gnostisches 
Judenchristentum  gegeben  hat  — ,  ist  selbstverständlich.  Hier  aber  handelt  es 
sich  um  die  litterarische  Fixierung. 


ni.  Die  pseadoklementiniBchen  Schriften.  539 

Marcion  verborgen,  hier  ist  er  kein  anderer  als  der  echte  Simon, 
der  Magier  und  Pseudomessias,  dessen  Bild  uns  die  Häreseologen 
zeichnend  Sind  die  Kerygmen  ausgesprochen  antikatholisch,  juda- 
istisch  und  gnostisch,  voll  eigenartiger  Lehranschauungen,  so  hat 
die  Sinion-Petruslegende  einen  ausgesprochen  katholischen  und  in 
der  Bekämpfung  des  Simon  einen  ebensolchen  antignostischen 
Charakter.  Abnorme  Lehranschauungen  finden  sich  nirgends".  Den 
selbständigen  Chai-akter  dieser  Quellenschrift  erwiesen  zu  haben, 
sowie  die  gegenseitige  Unabhängigkeit  von  Petrus'  Kerygmen  und 
Petrus'  Praxis,  ist  ein  besonderes  Verdienst  der  Waitzschen  Unter- 
suchungen. 

Auf  die  P>agen  einzugehen,  wie  sich  diese  tlga^tiq  IHtqov 
zu  den  Acta  Pauli,  den  Acta  Petri  (Vercell.)  und  den  sog.  katho- 
lischen Acta  Petri  et  Pauli  verhalten,  bin  ich  außer  stände;  denn 
die  Bogen  des  Waitzschen  Werks,  welche  sie  behandeln,  sind  mir 
eben  erst  zugegangen.  Die  neuen  Aufstellungen  durchzuarbeiten 
und  zu  kontrollieren,  ist  mir  nicht  mehr  möglich.  Für  die  Quellen- 
untersuchung der  Pseudoklementinen  ist  aber  auch  eine  solche 
Durcharbeitung  nicht  nötig;  denn  in  der  Bestiinniung  des  Charakters 
und  der  Abfassungszeit  der  in  diesen  benutzten  IJQa^eig  IHtqov 
treffe  ich  mit  Waitz  zusammen.  Diese  Uga^eig  katholischen,  schroff 
antignostischen  Charakters ^  sind,  wie  die  Legende  von  dem  in 
Kom  göttlich  verehrten  Simon  beweist  ^  nachjustinisch.  Aber  man 
muß  noch  einen  Schritt  weiter  herabsteigen:  das  Simonbild  der 
Uga^eig  liegt  zwischen  dem  des  Justin  und  Hippolyt,  und  zwar 
steht  es  diesem  näher.  Der  Lehrbegriff  ist  bereits  der  des  vulgären 
Katholizismus.  „Die  Christianisierung  der  Welt  ist  weit  fort- 
geschritten". Tausende,  ja  Zehntausende  Christen  werden  in  Cäsarea 
und  Antiochien  vorausgesetzt.  Besondere  Kirchengebäude  sind 
schon  vorhanden.  Daher  hat  Waitz  wahrscheinlich  recht,  wenn 
er  Rekog.  10,  55  („Caesar  in  urbe  Roma  et  per  provincias  maleficos 
inquiri  iussit  ac  perimi")  auf  die  strengen  Vorschriften  bezieht, 
die  Caracalla  gegen  die  Zauberer  (nach  langer  Pause)  erlassen  hat. 
Jedenfalls  hat  man  keinen  Grund,  mit  diesen  l/Qa^eig  ins  2.  Jahr- 
hundert hinaufzugehen;  man  wird  am  Anfang  des  3.  Jahrhunderts 
stehen  bleiben  müssen.  Einen  ganz  sicheren  terminus  ad  quem 
über  die  Benutzung  in  dem  Clemens-Roman  hinaus  finde  ich  nicht; 


1)  Dies  hat  Waitz  S.  2()2— 2U  orwifsen. 

2)  Waitz  will  in  dem  Vorfiisß^T  einen  antiochoiiisclien  Kleriker  erkennen 
(S.  243 ff.);  ich  finde  nicht  hinreichende  Anhaltspunkte  zur  He«tinimung  des  Orts 
der  Abfassung, 

3)  Die  Legende  erscheint  Hom.  2,  27  schon  gestci«;ert. 


540  ^'^*  ^^  pseadoklementiniBchen  Scliriften. 

doch  ist  es,  wie  bemerkt,  wahrscheinlich,  daß  die  Schrift  vor  jene 
Form  der  Simon-Legende  zu  stellen  ist,  die  nns  Hippolyt  bezengt 

Das  Quellenschema  der  Psendoklementinen  —  freilich  nnr  iac 
rohem  Umriß  —  ist  dieses: 

Judenchristlich-gnostische    Eatholisch-antignostische 
KfjQVYfiara  Uirgov  Uga^Biq  IlixQov 

Der  Glemens-Boman 
[zwischen  225  nnd  300,  vielleicht  um  260] 


Die  Homilien  Die  Rekognitionen. 

[Anfang  des  4.  Jahrb.,  vielleicht  noch  später] 

Nirgendwo  führt  die  Qu  eilen  Untersuchung  sicher  bis  ins  2.  Jahr- 
hundert hinauf,  d.  h.  in  litterarisch-faßbarer  Gestalt  können  kaum 
die  Keiygmen,  noch  weniger  die  Praxeis  über  die  Grenze  +  200 
hinaufgeführt  werden.  Daß  die  Eerygmen  Überlieferungen  nnd 
Stoffe  enthalten,  die  älter  sind,  ist  gewiß,  aber  dieses  Ältere  ist 
schwerlich,  jedenfalls  nur  zum  kleinsten  Teil,  in  den  „geschicht- 
lichen" Partien  zu  suchen  —  sie  sind  Erfindungen  des  ausgehenden 
2.  Jahrhunderts  wie  die  „geschichtlichen"  Stoffe  der  Acta  Pauli  — , 
auch  nicht  in  den  dogmatischchristlichen,  sondern  in  den  jüdischen, 
den  spekulativen  und  mythologischen,  kurz  in  den  gnostischen 
(dazu  in  evangelischen  Zitaten). 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

I.  Zu  Clemens  Alexandrinus  (S.  Iff.). 

Dem  S.  11  (16)  fonnulierten  Ergebnis,  der  Pädagog  sei  nach 
202/3  und  nicht  mehr  in  Alexandrien  geschrieben,  muß  die  von 
mir  erst  nachträglich  bemerkte  Stelle  Paed.  II,  10,  93  entgegenge- 
halten werden:  ov  yag  elg  rfjp  KQaTTjroc  Jtrjgap  fiovrjv  dXjL^  ovöe  elg 
rqv  ^fieriQav  xoXtv  sloxktl  ov  fimgog  jtaQaoiroq  xrl.  Es  ist 
nicht  leicht,  diese  Woi-te  nicht  auf  Alexandrien  zu  beziehen: 
„unsere"  Stadt,  die  zugleich  eine  „Seestadf"  ist,  ist  doch  wohl 
Alexandrien.  Auf  die  Möglichkeit,  daß  es  eine  andre  Seestadt 
ist,  in  der  sich  Clemens  seit  Jahr  und  Tag  aufgehalten  hat,  nach- 
dem er  Alexandrien  verlassen,  will  ich  mich  nicht  berufen,  obgleich 
wir  von  dem  Leben  des  Clemens,  seitdem  er  Alexandrien  verlassen 
hatte,  nur  sehr  weniges  wissen.  Auch  die  Art,  wie  er  Paed.  111, 
2,  4.  5  von  Ägyptern  und  den  Agyptiazusen  spricht,  entscheidet 
nicht  gegen  die  Annahme,  er  habe  diese  Worte  in  Ägypten  selbst 
geschrieben.  Es  muß  also  als  sehr  wahrscheinlich  gelten,  daß  der 
Pädagog  doch  noch  in  Alexandrien  verfaßt  ist.  Aber  wie  soll  man 
ihn  dann  datieren,  wenn  doch  Strom.  1  und  II  (bez.  I--1V)  in 
Alexandrien  zur  Zeit  der  (anbrechenden)  Verfolgung,  also  202  3, 
geschrieben  sind,  der  Pädagog  ihnen  folgte,  und  Clemens  nach  dem 
Zeugnis  des  Eusebius  die  Schule  und  die  Stadt  in  der  Verfolgung 
(202/3)  verlassen  hat?  Ist  der  Pädagog  nicht  doch,  wie  früher  von 
allen  angenommen  worden  ist,  vor  Strom.  I — IV  verfaßt?  Ich  kann 
das  nicht  glauben,  da  mir  die  gegen  diesen  Ansatz  vorgetragenen 
Gründe  unwiderleglich  scheinen.  Da  man  aber  auch  nicht  an  der 
Tatsache  rütteln  darf,  daß  Clemens  die  Schule  und  Alexandrien 
im  J.  202  oder  spätestens  im  J.  203  verlassen  hat  (Euseb.,  h.  e. 
VI,  3,  1;  VI,  2,  2;  VI,  H),  so  muß  der  Fehler  im  Ansatz  für  die 
Abfassungszeit  der  Strom.  I  und  II  (bez.  I -IV)  stecken.  Wir 
haben  (S.  9.  11)  diese  Bücher  bez.  das  2.  auf  das  Jahr  20*2/3  datiert, 
weil  in  dem  2.  Buch  auf  heftige  Verfolgungen  angespielt  wird. 
AVir  drückten  uns  aber  so  aus:    „Strom.  1— II  können  (wie  m.  W. 


542  Nachträge  und  BerichUgungen. 

alle  annehmen)  kaum  früher  als  im  J.  202  geschrieben  sein  um 
der  schweren  Verfolgungen  willen,  die  sie  voraussetzen".  Diese 
Annahme  hat  sich  nun  als  irrig  erwiesen.  Die  im  2.  Buch  voraus- 
gesetzte Verfolgung  —  aus  Buch  I,  III  und  IV  ersieht  man  nicht, 
daß  Verfolgungen  im  Gange  waren  —  darf,  so  verlockend  es  ist, 
doch  nicht  mit  der  großen  Verfolgung,  die  im  10.  Jahre  des  Severus 
ausbrach  und  den  Clemens  zur  Flucht  zwang,  identifiziert  werden, 
sondern  ist  eine  frühere,  unbekannte  Verfolgung  (wohl  von  kürzerer 
Dauer)  gewesen.  Daß  dieser  Annahme  eine  erhebliche  Schwierig- 
keit entgegensteht,  sehe  ich  nicht.  Wii*  wissen  von  der  alexancbn- 
nischen  und  ägyptischen  Kirchengeschichte  des  2.  Jahrhunderts  so 
gut  wie  nichts.  Daß  schon  vor  d.  J.  202/3  Verfolgungen  auch  in 
Ägypten  stattgefunden  haben,  ist  nicht  unwahrscheinlich.  Irenäus 
schreibt  —  und  zwar  unter  Commodus!  — :  „Ecclesia  omni  in  loco 
multitudinem  martyrum  in  omni  tempore  praemittit  ad  patrem" 
(IV,  33,  9).  In  dem  Momente  aber,  in  welchem  man  Strom.  II,  20,  125 
nicht  mehr  auf  die  Verfolgung  des  Severus  bezieht,  steht  für  die 
vier  ersten  Bücher  der  Strom,  und  für  den  Pädagog  die  ganze  Zeit 
von  c.  190—202  offen;  denn  es  gibt  m.  W.  schlechterdings  keine 
Gründe,  die  da  nötigen,  diese  Schriften  erst  nach  dem  J.  200  an- 
zusetzen. Somit  halte  ich  nunmehr  für  die  wahrscheinlichste  An- 
nahme: Protrept.  zwischen  180  und  190;  Strom.  I— IV  und  Paedag. 
zwischen  190  und  202;  Clemens  verläßt  202/3  Alexandrien.  Daß 
die  drei  letzten  Bücher  der  Strom,  nicht  in  Alexandrien  verfaßt 
sind,  dafür  spricht  auch  die  große  Anzahl  neuer,  vorher  niemals 
von  Clemens  erwähnter,  häretischer  Sekten,  die  VII,  18,  108  ge- 
nannt sind:  Peraten,  (Doketen),  Hämatiten,  Kajanisten,  Ophianer 
und  Entycheten.  Sie  alle  oder  doch  fast  alle  sind  in  Syrien,  nicht 
aber  in  Ägypten  zu  suchen. 

2.  Zum  Geburtsjahr  des  Origenes  (S.  28). 

In  der  Protest.  REnzyklop.^  Bd.  14  S.  469ff.  ist  Preuschen 
für  das  J.  182  als  Geburtsjahr  des  Origenes  eingetreten.  Ich  habe 
diese  Möglichkeit  gar  nicht  erwähnt,  weil  ich  das  Jahr  185  (186) 
für  erwiesen  erachtete.  Die  Gründe  sind  folgende:  (1)  Die  Stelle 
Euseb.  h.  e.  VII,  1  muß  nach  dem  konstanten  Sprachgebrauch  des 
Eusebius  (s.  Bd.  1  dieser  Chronologie  S.  15flF.)  so  verstanden  werden, 
daß  Origenes  unter  Gallus  gestorben  ist  (nicht,  wie  Preuschen 
die  Worte  deutet,  in  der  letzten  Zeit  des  Decius  oder  im  Anfang 
der  Regierung  des  Gallus),  (2)  Nach  Euseb.,  1.  c.  VI,  2,  12  war 
Origenes  beim  Tode  seines  Vaters  im  J.  202  im  17.  Lebensjahr, 
d.  h.  er  war  im  J.  185  (186)  geboren;    Preuschen   erklärt   diese 


Nachtr&ge  und  Berichtigungen.  543 

bestimmte  Angabe  füi*  einen  IiTtum:  »man  wird  auf  sie  kein  Ge- 
wicht legen  dürfen**  (!),  (3)  Eusebius  sagt,  in  völliger  Überein- 
stimmung mit  diesem  Ansatz  (h.  e.  VI,  3,  3),  Origenes  habe  acht- 
zehnjährig (und  zwar  im  J.  203)  die  Leitung  der  Katechetenschule 
übernommen.  Auch  diese  Angabe,  die  ebenfalls  auf  d.  J.  185  (186) 
f&hrt,  erklärt  Preuschen  för  inig:  Eusebius  folge  wohl  einer 
unsicheren  Quelle.  Und  warum  diese  Gewaltstreiche?  Weil  bei 
Photius  (CoA  118)  zu  lesen  steht,  Origenes  sei  als  Märtyrer  ge- 
storben Aexlov  Tfjv  xara  rmv  XQioxiavAv  €o//or/;ra  jtviovxoq,  und 
sich  Photius  auf  Pamphilus  und  viele  andere,  welche  noch  Zeit- 
genossen des  Origenes  ausgefragt  haben,  berufe.  Allein  die 
Quelle,  der  Eusebius  in  h.  e.  VI  und  VII  init.  folgt,  ist  ja 
eben  seine  mit  Pamphilus  zusammen  verfaßte  Apologie 
für  Origenes,  also  eben  die  Quelle,  auf  die  sich  Photius 
beruft!  Diese  Quelle,  die  fast  ausschließlich  aus  Briefen 
und  Schriften  des  Origenes  selbst  geflossen  war,  liegt  in 
der  KGeschichte  des  Eusebius  noch  unniittelbai-  vor,  bei  Photius 
aber  nur  in  einem  Referat.  Sollen  wir  nun  dem  Referat  des 
Photius  mehr  glauben  als  dem  Selbstplagiat  des  Eusebius?  Die 
Meinung,  Origenes  sei  schon  unter  Decius  gestorben  —  Photius 
war  augenscheinlich  nicht  der  erste,  der  sie  vorgebracht  hat  — , 
mußte  sich  ja  notwendig  aus  der  Tatsache  entwickeln,  daß  er  als 
Greis  unter  Decius  gemartert  worden  war  und  die  Folgen  dieser 
Insulte  wohl  nicht  mehr  überwunden  hat. 

Photius  kennt  übrigens  auch  die  richtige  Tradition;  er  fährt 
fort:  ol  de  (paolv  avxov  twg  FaXXov  xal  BoXovoiavov  öiaQxeoavza 
xrX.  Wie  Preuschen  richtig  bemerkt,  hatte  Ph.  das  aus  dem 
griechischen  Hieronymus  geschöpft.  Die  Notiz  des  Hieronyuius 
bezeichnet  Preuschen  als  „leichtsinnige  Bemerkung"  auf  Grund 
von  Euseb.,  h.  e.  VII,  1.  Allein  die  Bemerkung  ist  nicht  leichtr 
sinnig,  sondern  enthält  das  allein  richtige  \'erständnis  der  Stelle 
(s.  0.).  Somit  fehlt  jeder  Grund,  von  dem  Geburtsjahr  185/6  und 
demgemäß  von  dem  Todesjahr  254  abzugehen.  Wenn  Preuschen 
sich,  um  die  Angaben  des  Eusebius  unzuverlässig  erscheinen  zu 
lassen,  darauf  beruft,  daß  er  den  Origenes  als  17-  bez.  18jährigen 
einen  viog  xofiiöfj  jtaig  nenne  —  ein  solcher  sei  doch  kein  ^ganz 
kleiner  Junge"  mehr  — ,  so  braucht  man  die  griechischen  Worte 
keineswegs  so  zu  übersetzen,  wie  Preuschen  getan  hat.  Übrigens 
fangen  sie  erst  an  paradox  zu  werden,  wenn  man  das  Geburts- 
jahr des  Origenes  mit  Preuschen  uui  drei  bis  vier  Jahre  her- 
aufsetzt 


544  Nachträge  und  Berichtigungen. 


3.  Zu  Origenes,  Hexapla  (S.  29£  53). 

In  der  eben  ei-schienenen  Abhandlung  von  E.  Schwartz,  „Zur 
Geschichte  der  Hexapla"  (Nachrichten  der  K.  GescUsch.  d.  Wissensch. 
z.  Göttingen,  Fhilol.-historische  Klasse,  1903  H.  6)  ist  klargestellt, 
daß  die  auch  dem  Fundort  nach  anonyme  Übersetzung,  die  Euse- 
bius  (h.  e.  VI,  16)  nach  den  Angaben  des  Origenes  aufzählt  und 
die  keine  besondere  Kolumne  in  dem  großen  Werk  erhalten  hat, 
zur  fünften  (der  in  Nikopolis  gefundenen)  gehört,  d.  h.  wohl  uar 
eine  andere  (aber  mehrfach  differierende)  Handschrift  eben  dieser 
tJbei*setzung  gewesen  ist.  Ihre  Sonderlesarten  waren  als  Margi- 
nalien neben  dem  Texte  der  fünften  Übersetzung  angeführt  — 
Ebendort  ist  mit  Recht  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  die  Aus- 
drucksweise des  Origenes  in  bezug  auf  die  sechste,  in  Jericho  ge- 
fundene Übersetzung  es  unsicher  macht,  ob  er  sie  selbst  entdeckt 
hat  Sidier  ist  nur,  daß  sie  unter  Caracalla  entdeckt  worden  ist 
Hiernach  ist  das  auf  S.  29  über  sie  Bemerkte  zu  ei'gänzen  und  die 
Vermutung  S.  34  not  2  (in  bezug  auf  die  Zeit  des  Besuchs  in 
Jericho)  zu  streichen.  Mit  der  Übei^setzung  wurden  in  dem  Fasse 
zu  Jericho  „xal  äkXa  ßißUa  'EßgaUa  xal  ^EXXrivixa^  gefunden. 
Leider  hat  Origenes  ihre  Titel  nicht  angegeben. 

• 

4.  Zu  Eusebius,  Kaxa  MccQxsXkov  (S.  I24f.). 

In  Preuschens  Zeitschrift  (Bd.  4,  1903,  S.  330—334)  hat 
Conybeare  den  Nachweis  zu  führen  versucht,  daß  die  beiden 
Werke  gegen  Marcell  nicht  von  Eusebius  Pamphili,  sondern  von 
Eusebius  Emisenus  stammen.  Außer  anderem  stützt  er  sich  darauf, 
daß  der  I,  4  (p.  38  ed.  Gaisford)  zitierte  Brief  der  des  Marcell 
an  Julius  sei,  dieser  aber  sei  erst  im  J.  341  geschrieben;  damals 
aber  sei  unser  Eusebius  nicht  mehr  am  Leben  gewesen.  Femer 
macht  er  darauf  aufmerksam,  daß  (1.  c.)  „der  andere  Eusebius- 
eben  der  unsrige  sei,  daß  sich  Eusebius  aber  selbst  nicht  in  dieser 
Weise  habe  zitieren  können.  Ohne  die  von  Conybeare  erhobenen 
Bedenken  sämtlich  genauer  prüfen  zu  wollen,  bemerke  ich,  daß  der 
berühmte  Brief  des  Marcell  an  Julius  von  Rom  nicht  in  d.  J.  341 
gesetzt  zu  werden  braucht,  sondern  z.B.  von  Caspari  (Quellen  z. 
Gesch.  des  Taufsymbols  TU,  1875,  S.  28ff.)  mit  guten  Gründen  auf 
337  (338)  datiert  wird.  Ist  also  dieser  Brief  gemeint,  so  kann  doch 
unser  Eusebius  der  Verfasser  des  Werks  sein.  Allein  Conybeare 
hat  den  Text  flüchtig  gelesen;  nicht  um  einen  Brief  des  Marcell 
handelt  es  sich,  am  wenigsten  um  den  berühmten,  sondern  um  einen 


Nachtr&ge  und  Berichtigungen.  545 

Brief  eines  Dritten  (wahrscheinlich  des  Asterius),  den  Marcell 
zitiert  hat  Das  Argument  ist  also  ganz  hinfällig.  Was  aber  den 
anderen  Eusebins  betrifft  (s.  außer  p.  38  auch  52  f.  54  f.  56  f.  58  f. 
601  62),  so  ist  es  (s.  p.  57)  allerdings  unser  Eusebins  selbst;  dieser 
spricht  also  von  sich  in  der  3.  Person.  So  auffallend  das  ist,  so 
ist  es  für  sich  doch  noch  kein  ausreichender  Beweis,  daß  Eusebins 
nicht  der  Verfasser  der  Schrift  ist,  zumal  da  Eusebins  hier  mehrere 
Bischöfe,  die  Marcell  angegriffen  haben,  verteidigt,  und  es  daher 
nahe  lag,  daß  er  in  diesem  Zusammenhang  von  sich  in  der  3.  Person 
sprach. 

5.  Zur  pseudojustinischen  Cohortatio  adGraecos  (S.  lölff.). 

Nachdem  der  Abschnitt  über  die  Cohortatio  bereits  gedruckt 
war,  erschien  die  umfangreiche  Abhandlung  von  Knossalla,  „Der 
pseudo-justinische  AOrOS  nAPAINETIKOU  BPÜS  EAAENAS-" 

(Kirchengesch.  Abhandl.  hrsg.  von  Sdralek,  2.  Bd.,  1904  S.  109— 190). 
Der  Verf.  würdigt  zuerst  (S.  110—133)  die  Untersuchungen  von 
Widmann  und  Gaul  und  hält  ihre  Ablehnung  des  Schürerschen 
Beweises  für  die  Abhängigkeit  der  Cohortatio  von  Africanus  für 
gerechtfertigt.  Ich  bleibe  demgegenüber  bei  den  Ausführungen,  die 
ich  S.  154 ff.  gegeben  habe.  Widmanns  Gründe  für  den  Ursprung 
der  Schrift  von  Justin  findet  er  nicht  zureichend,  aber  gegen  (truI, 
dessen  Identifizierung  der  Cohoi-t..  mit  dem  „"EXeyxog"  ])ei  Eusebins 
er  anerkennt,  hat  er  im  Grunde  nicht  viel  einzuwenden.  Seine 
Schilderung  des  „Milieu"  der  Schrift  hält  er  nicht  für  falscli, 
sondern  nur  für  unvollständig  und  nicht  einwandfrei;  mit  ihm 
glaubt  er  zu  erkennen,  daß  die  Cohort.  den  Apologien  vor  Africanus 
verwandter  ist  als  den  späteren,  erklärt  aber  seine  Beweise  für 
lückenhaft.  Die  Abhängigkeit  der  Cohort.  von  Hermias  und  Clemens 
Alex,  lehnt  er  ab.  Aber  in  bezug  auf  den  terininus  ad  quem  der 
Abfassung  stimmt  er  mit  Gaul  überein  (c.  220)  und  sucht  ihn  in 
der  positiven  Untersuchung  (S.  11^2— 107)  zu  erhärten,  (lanz  )nit 
Recht  wird  dabei  der  Schwerpunkt  auf  die  Feststellung  des 
Charakters  der  (iegner  gelegt,  welche  der  Verf  der  Cohortatio 
bekänipft  Wenn  aber  Knossalla  dabei  zu  dem  Schlüsse  kommt, 
der  Verf.  könne  nicht  z.  Z.  der  Blüte  des  Neuplatonismus  j^e- 
schrieben  haben,  da  er  bei  seinen  Gegnern  noch  k(*ine  Offenbarungs- 
Philosophie  voraussetzt,  so  ist  das  ein  Fehlschluß;  denn  den  von 
den  neuplatonischen  Lehrern  in  Anspruch  genommenen  Offenbarungs- 
charakter ihrer  Religionsphilosophie  brauchte  er  nicht  zu  erwähnen, 
geschweige  in  irgendwelchem  Sinne  anzuerkennen,  wenn  er  ihn 
für  eine  Illusion   hielt.    Auch  trat  dieser  Offenbarungscharakter 

Harnack,  Altcliiistl.  LitteraturK^sch.  11,  2  35 


546  Nachträge  und  Berichtigangen. 

im  Neuplatonismus  nicht  so  sichtbar  hervor,  daß  man  ihn  not- 
wendig berücksichtigen  mußte.  Gleichsam  nur  an  der  Spitze  der 
Pyramide  sahen  sie  das  göttliche  Feaer  entzündet  Ebensowenig 
vermag  ich  dem  Nachweise  beizustimmen,  die  Vergleichung  des 
Verfassers  der  Cohort.  mit  Lactantius  in  bezug  auf  die  Geltung 
der  Orakel  zeige,  daß  jener  lange  vor  diesem  geschrieben  haben 
müsse.  Nach  jenem  sei  die  Autorität  der  (christlichen)  Orakel  noch 
unerschüttert,  nach  diesem  würde  sie  von  den  Heiden  abgelehnt 
und  zwar  gewohnheitsmäßig,  also  müßte  die  Cohortatio  mindestens 
einige  Jahrzehnte  vor  Lactantius  geschrieben  sein.  Allein  der 
Verf.  übersieht  dabei,  daß  in  solchen  Fragen  die  verschiedene 
Adresse  und  die  Umstände  eine  große  ßoUe  spielen  und  daß  man 
daher  nicht  sofort  eine  chronologische  Reihe  konstruieren  darf. 
Viel  wichtiger  ist  (s.  meine  Darstellung  S.  153. 157),  daß  die  Rolle, 
welche  die  Sibylle  und  die  Orakel  überhaupt  spielen,  den  Verf.  der 
Cohort.  dem  Lactantius  näher  rückt,  als  den  alten  Apologeten. 
Noch  weniger  halte  ich  das  Argument  für  überzeugend,  die  wich- 
tigsten Vertreter  des  Neuplatonismus  seien  sehr  bibelkundig  ge- 
wesen, die  Gegner  aber,  die  der  Verf.  der  Cohort.  voraussetzt,  seien 
es  nicht;  sie  würden  vielmehr  in  der  Cohort  erst  ernstlich  ermahnt, 
die  h.  Schrift  kennen  zu  lernen.  Als  ob  solche  Mahnung  nicht 
immer  notwendig  wäre,  solange  die  Kenntnis  der  Bibel  den  er- 
wünschten Erfolg  noch  nicht  gehabt  hat!  Doch  abgesehen  davon 
—  als  so  eingehend  darf  man  sich  die  Kenntnis  der  Bibel  bei  den 
neuplatonischen  Philosophen  nicht  vorstellen,  daß  die  Mahnung,  sie 
kenneu  zu  lernen,  überflüssig  und  unzeitgemäß  gewesen  wäre.  So 
aber  erscheint  es  nach  den  Ausführungen  von  Knossalla.  Das- 
selbe gilt  von  dem  Versuche  K.s,  aus  der  Lehre  der  Cohort.  über 
den  Monotheismus  zu  erweisen,  der  neuplatonische  GottesbegriflF  sei 
als  ihr  negativer  Hintergi'und  undenkbar.  Christliche  Polemiker 
des  3.  Jahrhunderts  hatten  es  wahrlich  nicht  nötig,  vor  dem  neu- 
platonischen Monotheismus  ihre  Reverenz  zu  machen,  bevor  sie  den 
Polytheismus  samt  seiner  Philosophie  bekämpften,  und  sie  wären 
im  3.  Jahrhundert  schlechte  Apologeten  gewesen,  wenn  sie  das  ge- 
tan hätten.  Der  Verf.  muß  sich  selbst  den  Einwurf  machen,  daß 
ja  gerade  der  Neuplatonismus  der  letzte  wissenschaftliche  Vor- 
kämpfer des  Polytheismus  gewesen  ist  Was  er  dagegen  bemerkt, 
ist  jedenfalls  nicht  stark  genug,  um  seinem  Argumente  noch  irgend- 
ein Gewicht  zu  sichern.  Endlich  aber,  wer  hat  denn  behauptet 
daß  die  Cohortatio  sich  ex  professo  gegen  die  hervorragenden 
Häupter  des  Neuplatonismus  selbst  richtet?  Da  sie  weder  in 
Alexandrien  noch  in  Rom  (Italien)  geschrieben  ist  (s.  meine  Dar- 
stellung S.  158),  so   ist  schon  deshalb  nicht  an  eine  Auseinander- 


Nachträge  und  Berichtigungen.  547 

Setzung  mit  der  klassischen  Erscheinung  des  Neuplatonisnius  als 
solcher  zu  denken.  Dazu  ist  die  Schrift  auch  viel  zu  unbedeutend ; 
so  hohe  Ziele  hat  sie  sich  nicht  gesteckt,  mag  auch  Prophyrius 
einmal  berücksichtigt  sein.  Gegen  das  populäre  Heidentum  und 
seine  populäre  Religionsphilosophie,  die  im  3.  Jahrh.  freilich  schon 
etwas  anders  beschaffen  war  als  im  2.,  zieht  sie  zu  Felde.  Ein 
positives  Argument  für  die  Zeit  der  Abfassung  der  Apologie  will 
der  Verf.  daraus  gewinnen,  daß  sie  auf  den  Altersbeweis  für  das 
Christentum  hohes  Gewicht  lege:  „in  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahr- 
handerts  werde  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Moses  und  der 
Propheten  direkt  wie  indirekt  als  eine  Zeitfrage  gekennzeichnet 
und  als  einer  der  bedeutendsten  Diflferenzpunkte  zwischen  Christen- 
tum und  Heidentum  behandelt;  je  weiter  man  sich  von  dieser 
Periode  entferne,  desto  mehr  scheine  sie  nur  noch  eine  historische 
Bedeutung  zu  haben".  Ich  vermag  von  dieser  Wendung  in  der 
Geschichte  der  alten  Apologetik  schlechterdings  nichts  zu  entdecken, 
sondern  finde  das  Interesse  für  das  Alter  des  Christentums  noch 
bei  Eusebius  u.  a.  ebenso  stark  wie  bei  Tatian. 

Auf  Grund  dieser  —  nichts  beweisenden  —  Erwägungen  und 
einiger  anderer,  die  noch  schwächer  sind,  kommt  Knossalla  /u 
dem  Ergebnis,  daß  die  Cohortatio,  die  nicht  vor  der  Streitschrift 
des  Celsus  geschrieben  sein  könne,  in  der  Zeit  180—220  verfaßt 
sei.  Ich  bleibe  dem  gegenüber  unter  Berufung  auf  die  Argumente, 
die  ich  S.  153ff.  angegeben  habe,  bei  dem  Ansätze,  die  Cohortatio 
stamme  aus  der  Zeit  221 — 3o2  (wahrscheinlich  260—302),  wieder- 
hole aber  auch  den  Hinweis  (S.  IT)?),  daß  eine  spätere  Zeit  nicht 
mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  kann.  Bei  dem  Ansätze. 
260—302  finde  ich  mich  in  Übereinstimmung  mit  Puech  (Sur  le 
Aoy.  JtaQaiv.  xq,  ^EkX„  Melanges  Henri  Weil,  IS98),  der  zum  Teil 
auf  Grund  derselben  Argumente  dasselbe  Datum  wie  ich  gefunden 
hat,  vgl.  u.  a.  p.  402:  ..L'analyse  des  materiaux  (jue  semble  avoir 
mis  en  oeuvre  Tauteur  de  la  cohort.  nous  condnirait  donc  k  supposer, 
qu'il  ecrivait  au  plus  tot  dans  la  dernier  tiers  du  III ^  siecle'  und: 
..Si  Ton  veut  juger  d'apres  Timpression  generale  que  laisse  ce  petit 
ecrit,  je  suis  nettement  daccord  avec  ceux  qui  jugent  inii)0ssible 
<le  le  rattacher  aux  ouvrages  des  premiers  apologistes.  L'auteur 
ne  mentionne  plus,  meme  par  allusicm,  les  bruits  calomnieux  dont 
les  chrotiens  etaient  victimes:  il  ne  parait  redouter  aucun  danger 
pour  lui  et  ses  correligionnaires;  il  ne  parle  jamais  de  persocution, 
ni  de  pers^cuteur".  -  - 

Dräseke  hat  in  der  Ztschr.  f.  wissenscli.  Tlieol.  Bd.  46,  1903, 
S.  407—433  noch  einmal  seine  Ansicht  über  die  Herkunft  der 
Cohort.  von  Apollinarius  von  Laodicea  verteidigt  (hauptsächlich 


548  Nachträge  und  Berichtigangen. 

gegen  Gaul).  Daß  eine  Möglichkeit  besteht,  die  Schrift  bis  in 
die  Zeit  des  ApoUinaiius  zu  rücken,  habe  ich  anerkannt^  aber 
wahrscheinlich  ist  sie  nicht,  und  die  konkreten  Beziehungen,  die 
Dräseke  zwischen  dem  berühmten  Schriftsteller  und  dem  Verf. 
der  Cohort.  gefunden  haben  will,  bleiben  nach  wie  vor  nicht  be- 
weiskräftig. Knossalla  hat  in  einem  Nachtrag  zu  seiner  Schrift 
(S.  182—190)  noch  auf  die  Abhandlung  Dräsekes  eingehen  können 
und  die  angeblich  sicheren  Indizien  für  die  Abfassung  der  Cohort 
im  4.  Jahrh.  und  von  Apollinarius  beleuchtet  Mit  Recht  ist  es  auch 
ihm  unverständlich,  wie  Dräseke  auf  die  „Demosthenismen*^  der 
Oohortatio  in  bezug  auf  die  Verfasserfrage  Gewicht  zu  legen  vermag. 

6.  Zu  dem  Liber  disputationis  Archelai  episcopi  adversum 

Manichaeum  (S.  163). 

In  den  Sitzungsberichten  der  philoa-philol.  und  der  bist  Klasse 
der  K.  Bayer.  Akad.  d.  Wissensch.  1903,  Heft  4,  S.  533—549,  hat 
L.  Traube  („Acta  Archelai.   Vorbemerkung  zu  einer  neuen  Aus- 
gabe") die  überraschende  und  erfreuliche  Mitteilung  gemacht^  daß 
er  im  April  1902  eine  bisher  unbekannte  Handschrift  der  Acta 
Archelai  (geschrieben  etwa  um   1200,  in  Süditalien  —  vermutet 
Traube)  erworben  habe,  deren  Provenienz  sich  nicht  weiter  er- 
mitteln ließ  (zur  G  örres-Bibliothek  gehört  sie  nicht).    Außer  Hand- 
schriften, die  Exzerpte  des  Buchs  enthalten  (Ambros.  0.  210  Sup.. 
olim  Bobb.,  saec.  VI.  und  Turin.  Hofarchiv  I.  b.  VI.  28,  olim.  Bobb., 
saec.  VI.  vel  VII.,  etc.)  kannte  man  bisher  nur  eine  fast  vollständige 
Handschrift  (Montecass.  371,  saec.  XL),  aber  auch  sie  ist  (durch  Zu- 
fall) am  Schluß  verstümmelt    Die  neue  Handschrift  (sie  ist  nicht 
aus  dem  Montecass.  abgeschrieben)  dagegen  ist  ganz  vollständig: 
und  bringt  somit  den  bisher  unbekannten  Schluß  (ein  Blatt) ^  Dieser 
Schluß  ist  nicht  nur  deshalb  wichtig,  weil  sich  in  ihm  das  Exzerpt 
aus  Basilides  fortsetzt,  sondern  auch  weil  er  die  Unterschrift  trägt: 
.,Ego  Egenionius  scripsi  disputationem  istam  exceptam  ad  descri- 
bendum  volentibus*'.    Die  Nachricht,  daß  ein  Hegemonius  der  Ver- 
fasser der  Akten  sei  (wenn  er  sich  selbst  auch  nur  als  den  Tachy- 
graphen  der  fingierten  Disputationen  vorstellt),  bestätigt  sich  also. 
Ferner  aber  enthält  der  Kodex  noch  einen  Anhang,  nämlich  eine 
Übersicht   über  eine  Reihe  von  Ketzereien  bis  zu  Photin,   den 
Macedonianern,    Apollinaristen    und  Montensern  (Pelagianer  und 
Nestorianer  fehlen  noch) 2.    Traube  hat  richtig  angenommen,  daß 

1)  Abj^edruckt  bei  Traube. 

2)  Abgedruckt  bei  Traube, 


Nachtr&ge  und  Berichtigungen.  549 

dieses  Stttck  nicht  nach  c.  450  niedergeschrieben  sein  könne,  und 
schließt  daher,  auch  auf  die  innere  Verwandtschaft  des  Stücks  mit 
dem  Ganzen  sich  stützend,  daß  es  vom  Übersetzer  selbst  herrührt, 
daß  dieser  somit  zwischen  392  (der  durch  Hieronymus'  Buch  de  vir. 
inL  gegebene  terminus  a  quo)  und  c  450  gearbeitet  haben  müsse. 
Dieser  Schluß  ist  zutreffend;  man  kann  aber  den  Zeitraum  noch 
verengen  und  zugleich  den  Ort  der  Übersetzung  mit  großer  Wahr- 
scheinlichkeit bestimmen.  Die  Apollinaristen  sind  so  geschildert, 
daß  sie  unter  sich  verschieden  und  ihre  Lehren  wie  ein  Chaos  er- 
scheinen; die  Photinianer  sind  noch  vorhanden;  die  Montenser  (das 
sind  die  römischen  Donatisten)  fallen  durch  ihre  Angriffe  den  Katho- 
liken noch  lästig,  und  auch  die  Luciferianer  werden  im  Zusammen- 
hang mit  ihnen  erwähnt  Daher  muß  man  die  Abfassungszeit  auf 
+  400  bestimmen  (weiter  herunter  darf  man  nicht  gehen)  und  muß 
den  Ort  in  Bom  suchen ;  denn  nur  hier  kann  ein  Schriftsteller  ge- 
schrieben haben,  der  die  Montenser  behandelt,  nicht  aber  die 
Donatisten,  der  die  Apollinaristen  gut  kennt  und  dem  die  Luci- 
ferianer noch  unbequem  sind.  Die  Tatsache,  die  lateinische  Über- 
setzung der  Acta  Archelai  so  ^enau  datieren  zu  können,  ist  sehr 
wichtig  (sowohl  an  sich  als  für  die  Alteisbestiinmung  anderer 
lateinischer  Übersetzungen).  Traube  hat  eine  neue  Ausgabe  an- 
gekündigt, der  man  mit  Freude  entgegensieht. 


7.  Zu  den  Thomasakten  (S.  176j. 

Vgl.  die  Abhandlung  von  G.  Hoff  mann,  Zwei  Hymnen  der 
Thomasakten,  herausgegeben,  übersetzt  und  erklärt  (in  Preuschens 
Ztschr.  Bd.  4,  1903,  S.  273—309). 


8.  Zu  Hippolyts  Weltchrouik  (S.  241). 

Über  die  Abhandlung  von  Chalatiantz  (Wiener  Ztschr.  f  d. 
Kunde  d  Morgenlands  Bd.  17,  S.  182ff.)  referiert  Dräseke  i.  d. 
Ztschr.  f.  wissensch.  Theol.  47.  Bd,  H.  1,  S.  109  ff.,  beiläufig  dabei 
erinnernd,  dab  vielleiclit  auch  in  Refut.  X,  30,  p.  532,  33  [„jraQe- 
ödxafiev  iv  txtQoiq  XoyoK;'']  die  Weltchronik  gemeint  ist: 

„Bei  Gelegenheit  seiner  Forschungen  nach  den  Quellen  des 
Moses  von  Chorene  in  seiner  „Geschichte  Armeniens",  insbesondere 
nach  den  Spuren  des  von  ihm  (IT,  13)  erwähnten  Africanus  und 
Hippolyt,  stieß  Chalatiantz  bei  den  Mechitharisten  zu  Venedig 
auf  eine  kleine  armenische  Hdschr.  mit  der  Aufschrift:  „des  Moses 
von  Chorene   und   des  Andreas"  (Chronik»,  worin   sich,   von 


550  Nachträge  und  Berichtigungen. 

niemand  bisher  beachtet,  eine  wörtliche  Übei'setzung  der  latei- 
nischen Bearbeitung  der  Weltchronik  des  Hippolyt,  des  „Liber 
generationis"  fand.  Dasselbe  Werk  trägt  in  einer  von  Chalatiantz 
durchforschten  Hdschr.  der  Patriarchatsbticherei  von  Etschmiadzin 
neben  den  beiden  genannten  Namen  in  der  Aufschrift  noch  den 
des  Ananias  SchirakatzL  Die  ersten  beiden  Seiten  der  Hdschr. 
(welche  von  beiden  gemeint  sei,  ist  aus  Chalatiantz'  Worten  nicht 
zu  ersehen),  von  Adam  bis  auf  Noah  führend,  sind  Moses  von 
Chorene  entnommen.  Das  Folgende,  des  Erzvaters  drei  Söhne, 
„mit  genauer  Aufzählung  aller  von  ihnen  abstammenden  bekannten 
Völker  und  Stämme  und  mit  Angabe  der  Länder,  Inseln,  Flüsse, 
Berge  [vgl.  besonders  HippoL,  Refut  X,  30],  wie  ebenso  welche 
Völker  eine  Schrift  besaßen"  —  sowie  die  Aufzählung  der  jüdischen 
Patriarchen,  Richter,  Könige,  Propheten  bis  auf  Cyrus,  etwa  zwei 
Drittel  der  ganzen  Hdschr.  befassend  und  aus  anderer  Quelle, 
nämlich  dem  Andreas  entnommen,  zeigt  nach  Chalatiantz, 
ohne  daß  Hippolyts  Name  irgendwo  genannt  wäre,  wörtliche  Über- 
einstimmung mit  dessen  „Liber  generationis"  (ed.  Dindorf, 
S.  413 — 419).  Sehen  wir  hier  ab  von  den  sechs  im  lateinischen 
Text  nicht  verzeichneten  Stellen,  die,  der  armenischen  Fassung 
entsprechend,  griechisch  bei  Syncellus  gelesen  und  dort  als  aus 
Africanus  stammend  gekennzeichnet  werden,  so  verläßt  die  arme- 
nische Übersetzung  vor  dem  Verzeichnis  der  Achämeniden,  von 
S.  419  an,  den  Wortlaut  des  „Liber  generationis".  Sie  „führt  eben 
dieses  Verzeichnis",  sagt  Chalatiantz  S.  184,  „wie  auch  das  darauf- 
folgende  der  Ptolemäer  von  Ägypten  ziemlich  abweichend  von  der 
Darstellung  des  Hippolyt  an  und  berührt  sich  andererseits  sowohl 
in  diesen  Punkten  als  auch  in  der  weiteren  Darstellung  mit  der 
Chronik  des  Eusebius.  Hierauf  folgen  im  armenischen  Texte  Ab- 
schnitte, welche  im  lateinischen  fehlen,  und  zwar:  über  jüdische 
Herrscher  von  Jesus,  dem  Sohne  des  Josedek,  bis  Aristobul  und 
Alexander,  „welche  Hohepriester  waren  und  zugleich  Könige", 
über  den  Untergang  des  jüdischen  Reiches,  die  Erhebung  des 
Herodes,  die  Errichtung  des  römischen  Kaiserreichs  von  Julius 
Cäsar  und  Augustns,  unter  welchem  Christus  geboren  ward,  und 
ebenso  über  die  Predigt  Christi,  „nach  den  Worten  des  Phlegon 
und  des  Josephus",  welche  mit  dem  15.  Jahre  des  Tiberius  zu- 
sammenfällt; hier  sind  auch  verschiedene  synchronistische  Daten 
angeführt,  welche  demselben  Jahre  angepaßt  sind.  Obwohl  das 
Verzeichnis  der  römischen  Kaiser  sich  auch  im  lateinischen  Texte 
befindet,  so  wird  „dasselbe  doch  hier  bis  zu  Alexander,  dem  Sohne 
der  Mammäa,  geführt".  Diese  letztere  geschichtliche  Angabe  spricht 
unmittelbar  für  Hippolyt,  der  ja  unter  Alexander  Severus  [ —  viel- 


Nachträge  und  Berichidgungeu.  55 1 

mehr  gleich  nach  Alexander  Sev.  — ]  235  starb  und  bis  zu  diesem 

selbstverständlich  seine  Liste  der  römischen  Kaiser  führte 

Offenbar  haben  wir  hier  denselben  Andreas  vor  uns,  der,  ohne  die 
von  ihm  benutzten  Schriften  des  Hippolyt  zu  nennen,  diesen  neben 
anderen  kirchlichen  Vätern  erwähnt  und  in  mehreren  Stellen  seines 
Kommentars  zur  Apokalypse  anführt  (vgl.  Harnack,  Altchristi. 
Litt-Oesch.  I,  S.  613.  624).  Damit  erledigt  sich  eigentlich  auch  die 
hinsichtlich  der  Umfangsbestimmung  des  auf  Andreas  entfallenden 
Teils  des  Werkes  von  Chalatiantz  noch  unentschieden  gelassene 
Frage,  „wo  derselbe  schließt,  und  wo  folglich  die  dritte  Quelle, 
Ananias,  beginnt".  Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  hält  Chalatiantz, 
der  ja  zuvor  auf  die  wörtliche  Ähnlichkeit  von  zwei  Dritteln  des 
armenischen  Werks  mit  dem  „Liber  generatiouis"*  des  Hippolyt 
aufmerksam  gemacht  hat,  diesen  Teil  fQr  ein  Werk  des  Andreas, 
der,  wie  er  meint,  um  die  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  augenschein- 
lich einen  Auszug  aus  Hippolyts  Weltchronik  gemacht  hat  Da 
jedoch  Andreas,  wie  Overbeck  (Quaest  Hippel,  p.  23 f.)  gezeigt 
hat,  Hippolyt  auch  stillschweigend  benutzt  hat,  so  scheint  mir,  im 
Hinblick  auf  zahlreiche  andere  Fälle  ähnlichen  Verfahrens,  die 
Vermutung  nicht  unbegründet,  daß  er  auch  in  jenem  chronologischen 
Werke,  dessen  armenische  Übersetzung  erhalten  ist,  seine  Vorlage, 
die  Weltchronik  des  Hippolyt,  mehr  oder  weniger  stark  aus- 
geschrieben haben  wird.  Bis  zu  welchem  Grade  es  nun  möglich 
sein  wird,  aus  der  armenischen  Übersetzung,  deren  Veröffentlichung 
durch  Chalatiantz  wir  hoffentlich  recht  bald  erwarten  dürfen,  in 
Verbindung  mit  den  auf  griechischem  Sprachgebiet  versprengt  sich 
findenden  und  noch  weiter  zu  suchenden  Bruchstücken,  sachlich 
bez.  auch  sprachlich  Hippolyts  Schrift,  wenigstens  in  ihrem  wesent- 
lichen Bestände,  wiederzugewinnen,  das  müssen  weitere  Forschungen 
ergeben". 

So  weit  Dräseke,  bez.  Chalatiantz.  Ganz  klar  ist  mir  der 
Bericht  nicht  geworden,  aber  man  sieht:  nicht  die  Chronik  des 
Hippolyt  ist  in  armenischer  Übersetzung  entdeckt,  sondern  ein 
armenisches  Geschichtswerk  ist  gefunden,  das  aus  Moses  von 
Chorene,  Andreas  und  Ananias  Schirakatzi  (saec.  VII)  zusammen- 
gestellt ist.  In  den  aus  Andreas  stammenden  (umfangi-eichsten) 
Abschnitten  ist  die  C'hronik  Hippolyts  benutzt,  aber  Andreas  hat 
augenscheinlich  auch  anderes  chronographische  Material  verwertet, 
so  daß  die  Abgrenzung  des  Kigentnms  des  Hippolyt  vermutlich 
keine  ganz  einfache  Sache  sein  wird. 

Das  Proömium  zur  Chronik  im  Griechischen  hat  jetzt  Adolf 
Bauer  als  Ms.  drucken  lassen  („Drei  Proömien,  unserm  Freunde 
W.  Gurlitt  überreicht  z.  7.  März  1904"). 


552  Nachträge  und  Berichtigungen. 


9.  Zu  Hippolyts  Auslegung  des  Segens  Jacobs  und  Moses' 
(S.  242)  und  der  Erzählung  von  David  und  Goliath  (S.  244). 

In  deutscher  Übei-setzung  (aus  dem  Grusinischen,  durch  Ver- 
mittelung  des  Russischen)  werden  diese  Stücke  von  Bonwetsch 
in  den  Texten  und  üntei's.  Bd.  26,  Heft  1»  vorgelegt  werden.  Sie 
sind  bereits  im  Druck  abgeschlossen.  Der  oben  S.  245  Z.  13  ange- 
führte König  ist  Saul,  aber  er  ist  in  Hippolyts  Auslegung  zugleich 
Repräsentant  des  römischen  Kaisers.  Ein  bestimmter  Kaiser  ist  niclit 
genannt  (s.  Bonwetsch  S.  93).  —  Die  Auslegung  des  Segens  Ja- 
cobs ist  in  den  Tractatus  Origenis  (Pseudoorig.)  benutzt  (s.  Bon- 
wetsch S.  XIV  ff.). 

10.  Zum  pseudocyprianischen  Traktat  „Ad  Novatianum" 

(S.  387). 

In  Sdraleks  „Kirchengeschichtlichen  Abhandlungen"  (Bd.  2, 
1904)  hat  Grabisch  eine  Untersuchung  über  die  pseudocyprianische 
Schrift  Ad  Novatianum  veröffentlicht  (S.  259 — 282).  Das  Ergebnis, 
zu  welchem  der  Verf.  gelangt  ist,  ist  durch  den  Nebentitel  be- 
zeichnet: „Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Papstes  Cornelius".  Es 
gereicht  der  Untersuchung  nicht  zur  Empfehlung,  daß  sie  einen 
unbegreiflichen  Irrtum  Blacha's  (s.  den  nächsten  Abschnitt),  die 
Schrift  Ad  Novatianum  sei  in  De  singul.  cleric.  erwähnt,  gleich  auf 
der  ersten  Seite  als  ausgemachte  W^ahrheit  behandelt  S.  259—268 
gibt  der  Verf.  ein  kritisches  Referat  über  die  bisherigen  Bemühungen 
um  die  Schrift.  Auf  wenigen  Seiten  (268—282)  unternimmt  er 
dann,  nicht  gerade  bescheiden,  „die  hoffentlich  endgültige  Unter- 
suchung**. Richtig  wird  gezeigt,  daß  die  Schrift  nur  in  Rom  und 
von  einem  Bischof  verfaßt  sein  kann,  aber  unmöglich  ist  die  Annahme, 
p.  54,  Hff.  sei  unter  „hie"  Rom,  unter  „illic"  Karthago  gemeint 
Welcher  Leser  sollte  das  verstehen,  da  doch  Karthago  vorher  gar 
nicht  genannt  war!  Überflüssig  war  es,  noch  einmal  zu  beweisen, 
daß  die  Schrift  nicht  von  Cyprian  verfaßt  sein  kann.  Der  Ver- 
fasser folgt  mir  sodann  in  der  Anerkennung  (gegen  Nelke),  daß 
die  zweite  in  der  Schrift  genannte  Verfolgung  der  „saecularium 
principuni"  die  Verfolgung  des  Gallus  und  Volusianus  ist  Er 
glaubt  aber,  sie  daure  eben  noch  an;  allein  „nunc  nuper"  (c.  5) 
darf  nicht  mit  .jetzt  eben"  übersetzt  werden,  sondern  heißt  „in  der 
Gegenwart  vor  kurzem".  Damit  fällt  die  Behauptung,  der  Ver- 
fasser habe  während  der  Verfolgung  geschrieben,  dahin;  denn  die 
anderen  Argumente,  die  Grabisch  anführt,  beweisen  nichts.    Da 


Nachträge  und  Berichtigungen.  553 

soll  „ex  adverso  hostis  (Novatianus)  obortus  est''  besagen,  daß  der 
Verf.  der  Scbrift  in  der  Verbannung  geschrieben  habe;  „denn  in 
seinem  Bücken  steht  der  neue  Feind  auf;  wäre  der  Bischof  in 
Itom,  dann  hätte  ihm  der  Angriff  des  Novatian  nicht  als  ein  An- 
griff im  Bücken,  von  hinten  erscheinen  können,  in  Rom  hätte  er 
den  Novatian  vor  Augen  gehabte  Was  soll  man  zu  solch  einem 
Argument  sagen!  Noch  schlimmer  aber  ist  die  Beweisführung,  die 
aus  den  Worten:  „rabiem  suam  non  cessat  (Novatianus)  latratibus 
excitare,  luporum  more  tenebrosam  caliginem  optare,  qua  facile 
possit  ferina  sua  crudelitate  oves  a  pastore  direptas  spelunca 
tenebrosa  laniare^  herausliest,  die  Schafe,  gegen  die  Novatian  vor- 
geht, seien  von  ihrem  Hirten  getrennt,  dieser  sei  also  in  der  Ver- 
bannung! Jeder  Einsichtige  wird  „direptas  laniare^'  richtig  in 
^diripere  et  laniare^  auflösen.  Da  also  die  Annahme  falsch  ist, 
der  Schreiber  weile  in  der  Verbannung,  und  da  die  Verfolgung 
augenscheinlich  abgelaufen  ist,  so  darf  an  Cornelius,  der  im  Juni  253 
in  der  Verfolgung  gestorben  ist,  als  Verfasser  nicht  gedacht  werden 
(nach  Orabisch  soll  die  Schrift  im  Sommer  252  verfaßt  sein;  daß 
die  Gefallenen  nach  c.  1  schon  „per  longam  teraporuni  seriem"  Buße 
getan  haben,  kümmert  ihn  nicht).  Das  angeblich  entscheidende 
äußere  Zeugnis  mag  man  beim  Verfasser  selbst  nachlesen  (S.  279  f). 
—  Wertvoll  in  dieser  Abhandlung  ist  nur  die  Erkenntnis,  daß 
die  Schrift  nach  Eom  gehört  und  daß  die  Verfolgung  unter  Gallus 
und  Volusianus  vorausgesetzt  ist.  \'on  hier  aus  kann  die  Aner- 
kennung, daß  sie  dem  Bischof  Sixtus  Tl.  gebührt,  nicht  mehr  ver- 
sagt werden. 

11.  Zum  pseudocyprianiöchen  Traktat  «De  singularitate 

clericorum"  (S.  369). 

Nach  Abschluß  meiner  Untersuchungen  über  die  pseudocypri- 
anischen  Schriften  erschien  in  Sdraleks  „Kirchengeschichtlichen 
Abhandlungen"  (Bd.  2,  1904)  die  Untersuchung  Fr.  von  Blacha's, 
Der  pseudocyprianische  Traktat  ,,De  singularitatae  clericorum", 
fin  Werk  des  Novatian  (S.  193—256).  Sie  ist  eine  ganz  fleißige 
Erstlingsarbeit,  aber  mehr  läßt  sich  zu  ihrem  Lobe  nicht  sagen. 
Die  Beweisführung,  durch  welche  gezeigt  werden  soll,  daß  der 
terminus  ad  quem  der  Schrift  die  Zeit  um  300  sei,  ist  überall 
fadenscheinig  und  unzureichend,  die  starken  Argumente,  die  für 
eine  spätere  Zeit  sprechen,  vor  allem  die  kanonsgeschichtlichen 
(der  2.  Petrusbrief  im  N.  T.),  sind  nicht  wirklich  widerlegt,  und 
Beobachtungen,  die  besser  für  das  4.  Jahrhundert  als  für  die 
2.  Hälft-e  des  3.  geltend  gemacht  werden  können   (z.  B.  daß  der 


554  Nachträge  und  Berichtigungeu. 

Bibeltext  dem  des  Ambrosiaster  und  der  Quaestiones  in  Vet  et  Nov. 
Testamentum  verwandt  ist),  werden  dieser  zugat  geschrieben.  Am 
schlimmsten  ist  die  „Beweisführung''  für  Novatian  als  Verfasser 
(S.  244 ff.);  ein  faules  Argument  löst  hier  das  andere  ab  (z.B.  die 
vom  Verfasser  der  Schrift  De  singuL  angekündigte  Abhandlung 
über  die  Selbstentmannung  sei  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit 
Novatians  Schrift  De  circumcisione!  Der  in  De  singuL  genannte 
„libellus  contradictorius**  sei  die  pseudocyprianische  Schrift  Ad  Nova- 
tianum,  während  dieser  libellus  überhaupt  nicht  existiert  hat,  son- 
dern der  Ver£  nur  von  einem  „velut  libellus  contradictorius"  spricht, 
den  seine  Gegner  [nicht  sein  Gegner]  ihm  vorhalten;  er  meint 
damit  die  Stelle  Rom.  14,  4).  Ich  glaube  nicht,  daß  irgend  jemand 
mit  kritischen  urteil  der  Hypothese  des  Verfassers  Glauben  schenken 
wird,  und  darf  mich  daher  von  einer  Widerlegung  dispensieren. 
Die  Annahme,  daß  die  Schrift  donatistisch  ist,  ist  durch  den  Ver- 
fasser nicht  erschüttert,  und  dann  ist  die  weitere  Konsequenz,  daß 
Macrobius  ihr  Verfasser  ist,  nahezu  unvermeidlich;  denn  daß  der 
Verfasser  ein  in  Rom  lebender  Schismatiker  gewesen  ist,  erkennt 
auch  Blacha  an. 

12.  Zu  den  pseudocyprianischen  Gedichten  (S.  369). 

In  der  Abhandlung  „Über  den  Heptateuclidichter  Cyprian  und 
die  Caena  Cypriani"  (Ztschr.  f.  katliol.  Theol.  1904,  S.  9201)  sucht 
Brewer  zu  zeigen,  daß  der  Adressat  des  Hieronjonus,  Cyprian,  in 
ep.  140  (um  418)  identisch  ist  mit  dem  Heptateuchdichter  und  dai^ 
dieser,  wie  ich  bereits  vermutet  hatte,  identisch  ist  mit  dem  Ver- 
fasser der  Caena.  Durch  Hinzuziehung  einer  Stelle  bei  Zeno  Veron. 
(tract.  II,  38)  und  den  Nachweis  des  Gebrauchs  der  „Caena"  bei  der 
Festtafel  in  Rom  bei  Gelegenheit  der  Kaiserki'önung  Karls  des 
Kahlen  vermag  Brewer  das  litterarische  Genre  der  „Caena"  sicher 
zu  bestimmen  („Veredelte  Tafelunterhaltung",  „Tischgabe",  ., Tisch- 
würze" im  Gegensatz  zu  den  rohen  und  ausgelassenen  Tafelspäßeu 
und  -vortragen)  und  zugleich  durch  jene  Stelle  den  terminus  a  quo 
bis  gegen  das  J.  380  hinaufzurücken.  Kr  macht  es  ferner  wahr- 
scheinlich, daß  auch  die  Heptateuchgedichte  dem  Zwecke  dienten, 
bei  Tisch  vorgetragen  zu  werden  und  so  die  heidnisch-mythischen 
Stoffe  zu  verdrängen.  Was  den  Ort  des  Dichters  betrifft,  so  bringt 
Br.  einige  sehr  gute  Argumente  dafür  bei,  daß  er  in  Italien, 
näher  in  Oberitalien  (also  nicht  in  Gallien),  zu  suchen  sei.  Nicht 
einleuchtend  ist  der  Versuch,  die  „Caena"  bestimmt  auf  die  Jahre 
380—400  zu  datieren  und  in  ihr  die  Jugendarbeit  des  Dichters 
Cyprian  zu   erkennen ,  der  von  c.  360—430  gelebt  habe.    Daß  der 


Nachträge  und  Berichtigungen.  555 

Dichter  ungefähr  in  diese  Zeit  zu  setzen  ist,  ist  annehmbai*  (s.  die 
Bemerkungen  zu  dem  Datum  der  kleinen  Gedichte  Cyprians);  allein 
das  so  genaue  Datum  für  die  „Caena",  welches  auf  Grund  der  Ver- 
wertung der  Acta  Pauli  und  der  Stellung,  die  sie  bei  Philastrius 
einnehmen,  gewonnen  wird,  ist  ganz  unsicher;  denn  es  ist  nicht 
abzusehen,  warum  der  Dichter  nicht  auch  noch  nach  400  diese 
Akten  hochgeschätzt  und  verwei'tet  haben  soll.  Außerdem  hat  Br. 
das  Ansehen,  das  sie  bei  ihm  gehabt  haben,  m.  E.  zu  stark  herab- 
gedrückt Das  Verständnis  der  ^Caena""  aber  hat  Br.  unzweifelhaft 
gefördert  und  auch  die  Gegend,  in  die  sie  gehört  (sowie  die  Zeit- 
lage im  allgemeinen)  richtig  bestimmt.  Die  Identifizierung  mit  dem 
Cyprian  des  Hieronymus  freilich  bleibt  eine  bloße  Möglichkeit  — 
S.  100  spricht  Br.  seine  Meinung  beiläufig  dahin  aus,  daß  die  beiden 
psendocyprianischen  Orationes  Übersetzungen  aus  dem  Griechischen 
seien  und  einer  frähen  Zeit  angehören. 


Begister. 


Abercius  129.  183  f. 

Abgar  Severus  bar  Ma  nü  89.  128. 162  f. 

AbidaSy  Astrolog  131. 

Acacius  von  Cäsarea  110.  143. 

AchatiuB  468  f. 

Achillas  66.  68.  74.  79. 

AcbilleuB  482. 

Adamantius  149  ff. 

Addaei  doctrina  162. 

AdelphiuB  412  f. 

Ad^ocatuB  456. 

Agypterevangelium  178.  182. 

Aelafius  412.  454  f. 

Aelianus,  Adressat  des  Gregor  Thaum. 

100. 
Aelianiis,  Prokonsul  458. 
Aelius  Paulinus  454.  457. 
AemilianuB,  Prätendent  7(5. 
Aemilianus,  Christ  471. 
Aeschines  431. 
Aetius  156. 
Afra  475. 

Africanus  s.  Julius  Africanus. 
Agape,  Märt.  475. 
Agapius,  afrik.  Bischof  471. 
Agapius  von  Cäsarea  108.  160. 
Agricolaus  s.  Agapius. 
Agrippinus  260.  286  f.  361  f. 
Alcibiades  167.  5:J7  f. 
Alexander  von  Alexandrien  74.  79 ff.  108. 

126.  139. 
Alexander  von  Jerusalem  6  f.  21.  30  43. 

49.  62.  92  f.  103.  192. 
Alexander  von  Konstantinopel  80.  108. 
Alexander- Inschrift,  christliche  184, 
Alexander  Severus  212.  532. 
Alexandrinische  Katechetenschule  3  f. 
Alfius  Cäcilianus  457. 
Aloger  207.  227  f. 
Amantius,  Präses  479. 


Ambrosius,  Freund  des  Origenes  80. 33  f. 

50.  54ff. 
AmeliuB  418. 

Ammon  von  Berenike  60  f.  65. 
Ammonius  Sakkas  24.  28.  81. 
AmmoniuB  der  Alexandriner  81  ff. 
AmmoniuB,  VerfiEUBer  einer  synoptiBchea 

Arbeit  81 S. 
AmmoniuB  von  Thmuis  25.  33.  81ffl 
Ammudates  440. 
AmpeliuB,  Märtyrer  458. 
AnatoliuB  52.  75—79. 
Ancjra,  Synodalbeschlüsse  160. 
AndreaB,  Märt.  469. 
Andreas,  Presbyter  und  Adressat   des 

Origenes  50. 
Andreasakten  170.  172  f.  175. 
Andronicus  480. 

Anonymus,  Antimeletianer  70  f.  72  f.  74. 
Anteros,  röm.  Bischof  208. 
Anthimus  von  Nikomedien   141.  158  ff 
Antonianus  354. 
Antoninus  129  f. 
Anulinus  454.  476  ff. 
Apelles  158.  281  ff.  522. 
Aphrodisius,    Adressat    des    Dionysius 

Alex.  64 
Aphroditianus  91. 

Apion,  Dialog  mit  Petrus  521.  533. 
Apokalypse  im  Testament,  doniini  nostri 

514  fF. 
Apollinaris  von  Üierapolis  188. 
Apollo,  Presbyter  180. 
Apollonides  201. 
Apollonius  276  f. 
ApoUonius  von  Lykopolis  74. 
Apollonius,  ägyptischer  Bischof  180. 
Apostel,  zwölf,  Evangelium  178.  182. 
Apostelgeschichten,     apokryphe      132. 

169  ff. 
Apostoliker  176. 


Register. 


557 


ApoBtoÜBche  Didaekalia  488  ff.  522. 
Apostolische  Eirchenordnung  4S4ffl 
Aquila,  Statthalter  in  Ägypten  29. 
Aquila,  Dialog  des  198. 
Aquila,   Übersetzer   153.  165,   s.   auch 

Hexapla  29.  53. 
Aquilinus  412  f. 

Archelaus,  Gegen  Mani  163f.  171.548f. 
Archontiker  195. 
Arethas  23. 
Aristides,    Adressat    des    Julius    Afri- 

canus  91. 
Anus,  Arianer  79  f.  99.  101.  108 f.  125. 

139  f.  142.  159.  409.  445  f.  533  fF. 
Arles,  Synode  451.  454  ff. 
Armenien,  Christen  61. 
Arnobius  138.  414  ff. 
Arrianus,  Konsul  382. 
Arteniius,  dux  142. 
Art«mon  136.  202.  224. 
Asklepiades  420  f. 
Asklepiades,  Märt,  in  Sniyma  467. 
Asklepiodora  478. 
Asklepiodotus  201. 
Aspasius  Paternus  366. 
Asterius  143.  159. 
Ast^rius,  Mart.  475. 
AthanasiuB  60f.  79 f.  108 f.  121. 125. 142 f. 
Athanasius    von  Anazarbus  60. 
Athenagoras  149. 
Athenodorus  93.  97. 
Atranes,  Adressat  des  Origenes  49. 
Attalus  308. 
Augurius,  Märt.  473. 
Aurelian,  Kaiser  186. 
Aurelius  Didymus  457. 
Avircius  Marcellus  183. 


Bacaudae  482. 

Bacchus,  Mäi-t.  481. 

Bardesanes  u.  s.  Schule  89  f.  128—132. 

138.  140.  151.  162.  176.  184.  535  f. 
Barnabasbrief  303.  444.  486. 
Barnabas-Evangelium  177. 
Barsaraya  209. 

Bartholomaeus-Quaestiones  177. 
Basilides,  Gnostiker  231.  332.  548. 
Basilides,    Metropolit    in    der    Penta- 

polis  64. 


Bassus  35.  52. 
BassuB,  Fr&ses  478. 
Bellator  54. 
Beron  216. 

Beryll  von  Bostra  35.  49.  51  f. 
Bibel,  lateinische  296  ff. 
Bibel,  lat.,  Apokryphen  303  f. 
Bolanus,  Bischof  136. 
BonifiEUiius.  Märt.  480  f. 
Brucianus  Codex  195  f. 

€ 

Caecilian  von  Karthago  454.  456. 

Caecüius  Natalis  326f.  330. 

Cajus,  römischer  Christ  206  f.  219.  223  f. 

226  ff.  249.  333. 
Caldonius  343.  350ff. 
CalvisianuB,  Prokonsul  476. 
Candidas,  Valentinianer  40.  50.  52. 
Capit-olina,  Märtyrerin  103. 
Caracalla  259. 
Carausius  482. 

CassianuB,  Gericht«Bchreiber  474. 
Celerinus  312.  343.  371. 
Celsus  35  f.  51.  184.  188 f. 
Celsus,  alias  391. 
Cerdo  159. 
Cerinth  181. 
Charinus  s.  Leucius. 
Chionia,  Märt.  475. 
Chrestus  von  Syrakus  454. 
Claromontanus,  Katalog  84  ff. 
Claudius,  Comes  482. 
Claudius,  Märt.  475. 
Clemens  Alex.  3—23.  28.  80.  86  f.  90  f. 

02f.    153  ff".  171.  174.  192.  226.  238. 

295.  415.478.  481.  486.  497.  541  f. 
Clemens   Romanus    s.    Pseudoclemens, 

Pseudoklementinen. 
Clemensbrief  (erster  ad  Cor.)  298.  304  ff. 

(lat.  Übersetzung). 
Commodian  170.  30S.  310. 429. 433—449. 
Commodus  327. 
Constantin  s.  Konstantin. 
ConstantiuB  Chlorus  473. 
Cornelius  von  Rom  61  f.  135.  348  ff.  351  f. 

369.  387  f.  390.  309.  411.  552. 
Crescentius  80. 
Crisjnna,  MäH.  476. 
Crispus  115.  417. 


5r)8 


Register. 


Cucujo  8.  Kukuß. 

Culciauus,  Statthalter  70.  72. 

CuiQinian  52. 

Cyprian  59.  62.  102  f.  300  ff.  305.  325. 
327  f.  334—368.  378  f.  394  ff.  435.  440  f. 
444  f.  471.  510.  Pseudocyprianisclies 
8.  dort.    Cyprian  der  Magier  369. 

Cyrillus,  antiochenischer  Bischof  138  ff. 

D 

Dasius,  Mart.  476. 

Dativus,  Märtyrer  453. 

Decius,  Kaiser  179. 180.  340.  353  f.  387  f. 

438f.  466  ff.  5ir)f. 
Deiiietriauus  365. 

Demctriauus,  alius  417  f.  421.  423  f. 
Demetrius,  alex.  Bischof  23 ff.  29 f.  32  f. 

58.  73.  93. 
Didache  486.  496  f.  (lat.)  314. 
Dida^kalia,  apost.  488  ff'.  522. 
Didynius,  Adressat  des  Dionysius  Alex. 

63. 
DidyuiuB,  Märt.  476. 
Diogenes,    Philosoph  z.  Z.  des  Petrus 

Alex.  75. 
Diogiiet  232  f. 
Diokletian  414  ff.  422.  430.  4Ö1.  474  ff. 

481  f. 
Dionysia,  Märt.  469. 
Dionysius  Alex.  24.  33.  47.  57-66.  67. 

6!).  73.  713.  91).  102 f.  106. 135. 139. 411  f. 

490. 
Dionysius  Arcopap^ita  135. 
Dionysius  von  Rom  Ol  f.   64  f.  09.   106. 

139.  411  f. 
Dokcten  231. 

Domitius  Celsus   154.  455  f. 
Doniitius,  Adressat  des  Dionysius  Alex. 

03. 
Donina,  Märtyrerin  159. 
DomninuR,   Adressat  des  Serapion  132. 
Domnus,   antiochenischer   Bischof  1.39. 

412. 
Donatilla,  Märt.  478. 
Donatisten  412.  433.  446.  453—458. 
Donatus,  Bischof  in  Karthago  vor  Cy- 
prian 361. 
Donatus,  Haupt  der  Donatisten  456. 
Donatus,  Freund  Cyprians  :J38f.  363. 
Donatus,  Freund  des  Lactanz  420 f 
Donatus,  Märtyrer  450. 


Dorotheus,  Presbyter  138  f. 
Dojrotheus,  alius  139. 
Dorotheus  von  Tyrus  139. 
Dulcetius,  Präses  475. 


Ebion  u.Ebionitenl37. 165  fc  521  ffl  536ft 
Edessenische  Akten  89.  161  ff.  209. 
Elkesai  und  Elkesaiten  36.  167  f.  521. 

532.  536  f. 
Elvira,  Akten  450  ff. 
Enkratiten  176.  192. 
Enötös,  Häretiker  75. 
Epigonus  202  f.  223. 
Esnik  147. 

Eukt^mon,  Bischof  467. 
Eulogius,  Märt.  473. 
Eumelius  454.  456. 
Eunomius,  afrikanischer  Bischof  456. 
Euphranor  60  f.  65. 
Euphration  von  Balanea  127. 
Euphrosynus  97. 
Euplius,  Märt.  476. 
Euporus  60.  65. 
Eusebius  v.  Cäsarea  26  ff.  84  ff.  103—106. 

106—127.    131.   136.  140— 143  f.  148. 

157  ff-.  160.  162 f.  172.  188f.  481.  533. 

535.  542  f.  544  f. 
Eusebius  von  Laodicea  76.  138. 
Eusebius  von  Nikomedien  108. 
Eusebius  von  Rom  412. 
Eustathius  109. 
Eutychianus  467. 
Eva,  Evangelium  179. 
Evagrius  s.  Philagrius. 
Evangelien,  apokryphe  177  ff. 


Fabian,  römischer  Bischof  32.  35.  48f. 
56.  209.  :^0.  361.  399.  406. 

Fabius  von  Antiochien  61  f.  135.  411. 
'  Fabius  Yexillif.  481. 

Fabius  Victor  473. 

Fausta,  Kaiserin  412. 

Felicissimus  347.  :^9.  351  f.  364. 

Felix  von  Aptunga  457  f. 
i  Felix,  Märtyrer  453. 

Felix,  röm.  Bischof  412. 

Felix  Tibiur.,  Märt.  477. 
■  Firmilian  33  f.  47  ff.  62. 102f.  359  f.  530. 

Finnilian,  Statthalter  105.  107. 


Register. 


559 


Fliicillus  von  Autiochien  125.  127. 

Flaviaiuis  Afric.  471  f. 

Flavius,  Adressat  des  Dionysius  Alex. 

»53.  65. 
FlaviuK,  (irammatiker  138.  410.  420 f. 
Florian,  Märt.  475. 
FloruK  von  Lyon  321. 
Fortis  450. 

FortunatuK  35()fF.  354. 
Fortunatus,  aliua  .305. 
Fronto  325  f. 
Fnictuosus,  Märt.  473. 
Fuljsriis,  Konsul  126. 
Fiiscianua  25S. 

ilalerius  Maximus,  Prokonsul  360. 

(lallienus,  Kaiser  18^}.  478. 

Onllus,  Kaiser  186.  .388. 

<Jases  43r). 

<ieniinus  13;{. 

(ionesius,  Mart.  477. 

<iennanus,  Adressat  des  Dionysius  Alex. 

:)9.  04. 
deorg,  heiliger  142. 
«Jeta  259.  323  f. 

rinostisches  Stück  auf  Papyrus  181. 
(lobarus,  Adressat  des  Origenes  50. 
(4ordian  -^2. 
firegor  von  Elvira  410. 
(Iregorius     Thauraaturgus     34.     47  ff. 

93-102.  103.  105.  144. 
tiurias,  Märt.  474. 


HaiTuonius  128.  132. 

Hegemonius  163.  548. 

Helena  141. 

Hflix  210. 

Honoch  fslaviscli)  384 f. 

Heniklas  24f.  2Sf.  ,30.  33.  68.  73  f.  81. 

o<>.  13:;. 

lleraklius  412. 
Heniiammou  03.  65. 
Hennas  15:).  271.  282.  298.  Lat.:  305f. 
3n8ff.  :n2tf.  331f.  370 f.  380.  435.  444. 
Hermes  Trismegistus  158. 
Hermes,  alius  (Häretiker)  159. 
Hermias  190f. 
Hennogenes  281  f. 
Hennophilu.-  291. 


Hesychius,  Bischof  70.  74.  83. 

Hesychius,  Textkritiker  83.  144f. 

Hierakas  83  f. 

Hierax  03.  05. 

Hierokles,  Statthalter  7U.  72.  110  f.  418. 

Hieronymus  &.  bei  Origenes. 

„Hieronymuö  saec.  III"  78 f. 

Hilarianus  323  f. 

Hippolyt  21.  29.  m.  77.  91.  128.  153. 

171.  177.  201  ff.  200  ff.  209—256.  278. 

283.   291».  333.  371.  380ff.  400.  403. 

427 ff.  431  ff.  445.  448.  531.  539f.  549ff. 
Hippolyt,  alius  Ol. 
Homilien  s.  Pseudoklementinen. 
Hosius  451  f. 

Huillus,  jüdischer  Patriarch  29. 
Hymenüus  von  Jerusalem  130 f. 


Jacobus,  Anabathmoi  538. 
Jacobuß,  Märt.  470 f. 
Jacobus,  Protevangelium  178. 
Jesus,  Sprüche  178,  bespräche  181  f. 
Jeft,  Bücher  190. 
Tgnatiusbriefe  303. 
Inda,  Märtyrerin  159. 
Johannesakten   169f.    172.   173ff.    197. 

200.  384. 
Josephus  150.  219  f. 
Irenäus  78.  149.  151.  153.  165.  213.  215. 

224.   226  ff.   231.  233.  298.  306.  400. 

405.  429.  4:^.  444f.  542. 
Irenaeus  lat.  2f>8.  308 f.  315  ff. 
Irenäus,  Märt.  Sinn.  477. 
Irene  Märt-.  475. 
Isicius  ß.  Hesychius. 
„Isidor,  alex.  Chronologe"  78. 
Isidor,  Bruder  des  Pierius  07. 
Isidor,  Häretiker  75. 
Isidor,  Märtyrer  unter  Decius  07. 
IsiAdes,  Häretiker  75. 
Jubaian  358. 

Judas,  Chronograph  23.  264. 
Julian,  Kaiser  1.52.  480. 
Juliana  34.  165  f. 
Julianus  Anazarb.,  Märt.  477  f. 
Julius  Africanus  2.5.  34  f.  40.  48.  89—91. 

153  ff.  Vrß.  Ifilf.  238.  200. 
Julius  Veteran.,  Märt.  477. 
Justin  149.  151  f.  153.  170.  220. 


560 


BegiBter. 


Justin,  Gnofitiker  281. 
JustinuB,  Präses  478. 

K 

KaUistus  47.  51.  91. 172.  203.  207  £  212. 

218.    230.   250.  253.  260.  286f.  371. 

530  f. 
Karikus,  Adressat  desSerapion  132f.l81. 
Karpianus  121.  127. 
Kindheitsgeschichte  Jesu  182  f. 
Kirchenordnungy  apostolische  484  ff. 
Kleomenes  202  f.  225. 
Koinos,  Bischof  von  Edessa  162. 
Kolluthus,  Häretiker  80. 
Konon,  Märt.  468.  469  f. 
Konon  von  Hermopolis  61. 
Konstantia  109.  127. 
Konstantin,  Kaiser  80.  lC8ff.  115  ff.  121. 

125.  141.  löOf.  158. 188. 422. 442. 449 f. 

454  ff.  482.  536. 
Koptisch- gnostische  Stücke  17.  193  ff. 
Korakion  60. 
Kukus  129. 


Lactantius  114.    117  f.    138.  153  f.  158. 

185—189.    305.    325.   415—426.   435. 

441.  459.  540. 
Laetus,  Statthalter  in  Ägypten  28. 
Laodicenerbrief  17i). 
„Landes  doiuini"  138.  449  f. 
Lehrer,  jü<li8chor,  des  Ongenes  29,  des 

Eußebiuö  in». 
Leonides,  Vater  des  Ongenes  28.  48. 
Leucius  Charimis  173 f.  206. 
Libelli  libelhiticorum  179. 
LiciniuB,   Kaiser    108.   114f.   127.   150f. 

160  f.  421  f.  479. 
LimnuP,  l'rcBb.  407. 
Liturgisches  Stück  auf  Papyrus  180  f. 
Lucian   von  Antiochien   83.    138 — 146. 

148.  198.  5:j:{ff. 
Lucian  (aliusV)  ()4f. 
Lucian  (iilius\  Märt.  470. 
Lucian,  KonfeHsor  (bei  Cyprian)  312.343. 
Lucian,  Marcionit  159. 
Lucian,  Oberkanimerherr  (Fälschung)  07. 
Lucius,  Märt.  471. 

Lucius,  römischer  Bischof  349.  351.  355. 
Lysias,  Präses  475. 


Macedonia,  Märt  407. 
Magnilianus,  Curator  477. 
Mi^orlnus  456. 
Makarius  von  Edessa  138. 
Makrobius,  Bischof  374. 
Makrobius  Candidianns  366. 
Malchion  135  ff. 
Mammäa  30f.  212.  215f. 
Mani  u.  Manichäer  106.  150.  159.  Itl2. 
163 f.  420.  445 f. 

Mappalicos  342. 

Marc  Aurel,  angebliches  Schreiben  181 
Marcella,  Gemahlin  des  AmbroBins  fA 
Marcellas  von  Ancyra  109. 124 f. 
Marcellus,  römischer  Christ  172. 
Marcellus  Ting.,  Märt.  473. 
Marcian  v.  Arles  356. 
Marcianus,  Märt.  Nikom.  470. 
Marcianus,  Präses  478. 
Marcioniten  129. 149.  159.  161.  226.  2r>8. 
281  f.  432.  445f.  447.  467.  537  01 

Marcus  von  Rom  454. 

Maria,  Kleine  Fragen  der  194  f. 

Marianus,  Märt,  4 70 f. 

Marinus,  Adressat  des  Eusebius  124. 

Marinus,  Märt.  473. 

Marsanes  195. 

Martianus,  Prokonsul  468  f. 

Matthäusakten  177. 

Matthiasevangelium  178. 

Maxentius  453.  482. 

Maxima,  Märt.  478. 

Maximianus  Herculius  473.  474  ff  481  f. 

Maximilianus,  Märt-.  473. 

Maximinus  Daza  113  f.  123. 147. 160. 177. 

422.  425.  480  f. 
Maximinus  Thrax  212. 
Maximus  von  Alexandrien  180.  412. 
Maximus  von  Bostra  136. 
Maximus,  Märt.  469. 
Maximus  =  Methodius  150. 
Miiximus,  Pi-äses  477.  479. 
Maximus,  Presbyter  406. 
Melchiades  371.  412.  453f. 
Meletius  von  Lykopolis  70f.  72t  83. 
Melito  (auchPseudo-Melito)  21. 80. 129t 

181.  226.  233.  276. 
Meniinder,  Presb.  468. 
Mensurius  453. 


Register. 


561 


Methodius  147  ff.  150  f. 

Methodius  von  Chalciß  148. 

Metrodorus,  Marcionit  467. 

Mettius  349. 

Wiltiadcs  226.  263. 

Minucius  Felix  266.  285.  324-330.  408. 

Minucius  Timinianus  323. 

Monoiraus  231. 

l^loiitanismiis  220f.  262ff.   275ff.   279f. 

321  f.  332.  432.  ; 

IMontanuB,  Märt.  471.  | 

Moses,  Presb.  406.  j 

Miiratorisrhos  Fragment  171.  107.  205  f. 

31 2  f.  330—333.  428. 


Kaassenor  231. 

NarcißsuR,  Bischof  von  Aelia  92  f.  137. 

Narsus  482. 

Neo-Gäsarea,  Synodalbeschlüsse  161. 

Nepos  23.  60. 

Ncronißche  Verfolgung  438. 

Nestor,  Bischof  470. 

Nicänischc  Kanones  483  f. 

Nicephonis,  Märt.  473.  480f. 

Nikasiiirf  454. 

Nikomachus   169. 

Nikotheus  19.5. 

Nilns,  Sohn  der  Politika  180. 

Nilu«  (alius)  480. 

NoctiiB  203.  220ff.  225. 

Novatian  61  f.  103.  286.  288.  328.  336. 

338.  344.  350ff.  364.  370.  374.  379ff. 

387  ff.  396-410.  411.  433.  491.  552  f. 
Nuiuerianus    Maximus    (Flav.    Gaius),  '■ 

Präses  480. 
NuTidinarius  456. 

o 

Odünathus  186. 

Olympins  456. 

Onesiraus,  Alilrtyrer  127. 

Oi.hiten  194.  i 

LOi)timus],  Prokonsul  409.  1 

Origenes  4.  6f.  24f.  26-54.  54ff.  61.  1 
64  ff.  67  ff.  73  f.  80—84.  87.  90—97.  ! 
102—105.  107. 110. 115.119.121f.  125.  : 
140. 144. 148-151. 153. 164— 167. 171  f.  ; 
174ff.  178.  lOOff.  198.  208f.  212.218.  ' 
225.  238.  407f.  426ff.  532f.  542ff.         , 

„Origenis"tractatHS,  Verf.ders.  54. 407  ff.  ' 
Harnack,  Altcbristl.  Litteraturgescb.  II, 


Pachomius,  Bischof  70.  74. 
Palut  von  Edessa  128.  133.  163. 
Pamphilns  20ff.  36.  44.  67ff.  98.  102. 

103—106.  107.  110.113. 115. 121. 144. 

151.  158. 
Pankratius,  Märt.  481. 
PantHnus  4.  7  f.  12.  28.  92  f. 
Paphnutins  73. 
Papus,  Konsul  382. 
Papyrus-Fragmente  179  ff. 
Paternus  368. 

Patricius,  afiik.  Vikarius  464. 
Patricius,  der  Ire  429. 
Paul  V.  Samosata  57.   64.   66.  76.  97. 

103. 106. 135—138. 139  f.  164. 202.  412. 
Paulin  von  Tyrus  108. 114. 122. 125. 147. 
Paulus- Akten  u.  -Erzählungen  169 f.  172. 

174  f.  181  f.  269  ff*.  314  ff.  489. 
Paulus  Lamps.,  Märt.  469. 
Pentadius  416.  420. 
Peraten  231. 
Penvetua  260.  275.  28a  297  f.  300.  308. 

321  ff.  470  ff'.. 

Petrus  Balsamus,  Märt.  474. 
Petrus  Lamps.  Märt.  469. 
Petrus  von  Alexandrien  68.  71—75.  79  f. 
Petnisakten  170ff.  173ff.  177.  332f.  435. 

489.  533.  539. 
Petrus  Judicium  485. 
Petrus- Ke^gma  17Q. 
Petrus,  judenchristlich-gnostische  Ke- 

rygmen  s.  Pseudoklementinen. 
Petrus,  Periodoi,  s.  Pseudoklementinen. 
Petrus- u.  Paulusakten,  katholische  176  f. 
Phädimus,  pontischer  Metropolit  96. 
Philagnuß  101. 

Phileas  von  Thmuis  69 ff.  72.  74.  83. 
Pliilemon,  röm.  Presbyter  62.  411. 
Philippus  Hcrakl.,  Märt.  478. 
Philippus,  Kaiser  35.  48.  194.  340.  438. 
Philippus,  Schüler  des  Bardesanes  12S. 

131. 
Philippus  von  Thmuis  81. 
Philippusakten  177. 
Philippusevangelium  178. 
Philo  52.  135.  156. 
Photius,   Adressat   des   Origenes    und 

Presbyter  50. 
Pierius  00  ff.  71.  105.  123. 
2.  30 


&62 


Register. 


PüatuBakten  141.  177. 

Pionia  47. 

PioniuB  47.  466  ff. 

Piso,  Troian.  Bischof  468. 

Pistis  Sophia  193  ff. 

Plauidan  250.  272. 

Plotin  195.  413. 

Plutarch,  Schüler  des  Origenes  29. 

Polemon  155£ 

Politika,  Frau  180. 

PolUo,  Mftrt.  478. 

PoUtta  467. 

Polykarp,  Martyrium  466  f. 

Polykarp,  Brief  und  Martyrium,  lat.  303. 

Polykrates  von  Ephesus  78. 

Fompejanus,  Advokat  473. 

PompejuB,  Adressat  Gyprians  359. 

Pompejus,  italienischer  Bischof  350. 

Pontian  56.  208.  211  f. 

Pontius,  Adressat  des  Serapion  1321 181. 

Pontius,  Biograph  des  Gyprian  336.  362. 

366  f. 
Porphyrius  28f.  38. 118f.  129. 148t  157. 

170.  191  f.  413. 

Porphyrius,  Sklave  des  Pamphilus  104. 
Potammon  von  Heraklea  107  f. 
Praxeas  202  f.  285  f.  409.  431. 
Prepon,  Marcionit  128. 
Presbyter,  alte  3  f. 
Primitivus  350  f. 
Privatus,  Häretiker  209.  361. 
Probian,  Prokonsul  4r)8. 
Probus,  Adressat  des  Lactanz  421. 
Probus,  Kaiser  163. 
Probus,  Märt.  479. 
Probus,  Präses  477  f. 
Proclus  (Proculus)  200.  223.  22701249. 
203.  431. 

Proclus,  Bischof  130. 

Proculus  (ad  Scapul.  4)  2i)0. 

Prodicianer  413. 

Prologe,    monarchianische    174.   204  ff. 

298  f. 
Prophetie,  ein  Fragment  über  sie  auf 

Papyrus  181. 
Protevangelium  des  Jacobus  178. 
Protoktetus  33  f.  56  f. 
Psenosiris  180. 
Pseudoathanasius  197  f. 
Pseudoclemens,  De  virginitate  133—135. 


Pseudocyprian  218. 235  u.  251  (de  pascha 
comp.).313f.(ad  aleat.).335f.(ad  aleai, 
de  spect.,  ad  Novat.,  de  bono  päd.). 
336  f.  407  (Quod  idola).  353.  552  f.  (ad 
Novat.).  371  ff.  (Ad  aleatores).  381  ffl  (De 
pascha  computos).  383  ff.  (De  moni 
Sina  et  Sion).  386  (Exhort.  de  paenit.). 
387  (Ad  Novatianum).  390  (Ad  Vigi- 
lium).  393  (De  rebapt).  Anderes  Psea- 
docyprianische  (De  singul.  cleric,  De 
XII  abusivis.  De  dupl.  mart.,  Caena, 
Orationes,  falsche  Briefe  u.  Gedichte) 
s.  369.  553  ff.  u.  unter  Novatian. 

Pseudoisidor  208. 

PseudoJustin,  Gohortatio  151 — 158. 196. 
459.  545  ff. 

Psendoklementinen  131.  16a  168.  173. 
305  ff.  518—540. 

Pseudoorigenes,  Traktate  407  £ 

Pseudopolykarp  197. 

Pseudotertullian  220ff.  320.  429.  430ff. 
442—449. 

Pudens  (Valerius  Pudens)  259. 

Purpurius  v.  Limata  456. 


Quadraginta,  MSrt.  479. 
Quattuor  coronati  478  f. 
Quintillianus  (Julius  Proclus),  Prokonsul 

467. 
Quintus,  Adressat  Cyprians  358. 
Quirinus  366. 
Quirinus,  Mört..  479. 


Rekognitionen  s.  unter  Psendoklemen- 
tinen. 

Respicius,  Märt.  470. 

Reticius  433.  450. 

Rhodon  333. 

Rogatian  347. 

Römische  Schreiben  zur  Zeit  Cyprians 
342  ff. 

Rufin  s.  unter  Origenes,  auch  190. 

Sabastus  480. 

Sabellius,  Sabellianer  00. 100. 104. 202  ff. 

212.  225.  253.  409.  432. 
Sabina,  Märt.  467. 


Register. 


563 


SabinuB,  Adreasat  des  Paul  v.  Samo- 
sata  137. 

Sabinus,  Bischof  456. 

Salomo,  Oden  193  f. 

Saturus  321  f. 

Scapula  259.  281. 

Schamonasy  Märt.  474. 

Scüitaner  298.  m), 

Secunda,  Märt.  478. 

Secundus  v.  Tigisis  453. 

Segienus  von  Hy  52. 

Seleukus,  Häretiker  159. 

Seneca  458  f. 

Septimius  Severua  165.  257ff.  260.  263f. 
324.  541  f. 

SerapioD,  „Haupt  der  Einsiedler"  82 f. 

Serapiou;  Lehrer  an  der  Katecheten- 
schule 68.  71. 

Serapion  von  Antiochien  128. 132  f.  163. 

181. 
Serenus,  Märt.  4SI. 
Sergius,  Märt.  481. 
Scthianer  231. 
Severa,  Kaiserin  48. 
Severa  (Julia  Acpilia)  21Q. 
Severina  216. 

Severus,  Adressat  des  Lactanz  421. 
Sevenis,  Konsul  126. 
Sextus-Spriiche  190ff. 
Sibyllinische  Orakel  153. 157.  184—190. 

517.  546. 
Siötßs,  Häretiker  75. 
Silvanus  von  Cirta  456. 
Silvester  von  Rom  80.  412. 
Simon  Magus  181.  231. 
Simon  Magus,  Evangelium  177. 
Simonianischer  Bischof  75. 
Sixtus  8.  Xystus. 
Soter,  römischer  Bischof  276. 
Stephanurf,  Adressat  des  Eusebius  119. 

124.  126. 

Stephanus  von  Laodicea  76. 
Stephanus,  italienischer  Bischof  350. 
Stephanus  von  Rom  62.  103.  348.  356  fF. 

37:1  389.  394.  411.  5:iO. 
Sylvia  163. 

Symbol,  römisches,  lat.  304.  513. 
Symmachus  34.  164ff.  168.  521.  536  ff. 
Symphosius  416. 
Syrmus,  der  Skythe  90. 


Tarachus,  Märt.  479  f. 

Tatian  8.  12.  155.  226. 

Tatian   (alius),    Adressat   des    Gregor 

Thaum.  100. 
Taufbericht,  apokrypher,  über  JesÜB  182. 
Tauflied  179. 

TeXeKJDaeax;,  Evangelium  179. 
Telesphorus  60.  65. 
Tertullian  91.   201  ff.   205 ff.   215.   229. 

256—296.  297.  299  ffl  306.  308  f.  3121 

314.  316  ff.  322.  324  ff.  332.  364.  381. 

398ff.  405.  408.  430ff.  435.  442ff.  530. 
Thaddäus  162. 
Thelymidres  v.  Laodicea  62. 
Theodora,  Märt.  476. 
Theodorus,  alex.  Advokat  und  Dichter  67. 
Theodonis,  Bischof  70.  74. 
Theodorus  s.  Gregorius  Thaumaturgos. 
Theodorus,  Adressat  des  Anthimus  159  £ 
TheodosiuB,  Mönch  66. 
Theodotion  165. 
Theodotus  v.  Ancyra  480. 
Thcodotus  v.  Laodicea  108.  119. 
Theodotus  der  Lederarbeiter  173.  201. 

222.  253. 
Theodotus  der  Wechsler  201.  222. 
Theognost  66ff.  71. 
TheoktistuB  von  Cäsarea  93. 
ITieonas  67  f.  71.  73.  75. 
Theoi>hilus,  Bischof  136. 
Theophilus  von  Antiochien  153.  187  f. 

435.  444. 
Theopompus  100  f. 

Theoteknus  von  Cäsarea  64.  76.  136. 
Thnetopsychiten  36.  65. 
Thomasakten  129.  132.  162.  170.  172  f. 

175  f.  540. 
Timäus,  antiochenischer  Bischof  139. 
Timotheus,  Dialog  des  198. 
Timotheus,  Sohn  des  Dionysius  Alex.  59. 
Translatio  Petri  et  Pauli.  Bericht  412. 
Tricentius  80. 
Trophimus,  Märt.  481. 
Trypho,  :Märt.  470. 
Trypho,  Schriftsteller  49. 
Turasius  869. 
Typasius  481  f. 
Tyrannio  von  Tyrus  147. 
Tyrannus.  Bischof  von  Antiochien  160. 

36* 


564 


Register. 


U 

Urbanus,  Statthalter  105.  107. 
Ursenuphiufi,  Lektor  66. 
Ürsinus  394. 
ürsus  454. 


Valentin  (Numid.)  457. 

Valentinianer  128f.  149.  158f.  173. 181. 

183.  194.  224.  253.  281  f. 
Valeria  422. 

Valerian,  Kaiser  186.  361.  366.  470  E 
Valerius  v.  Saragossa  451. 
Verinus  454.  457. 
Veras,  Kaiser  165. 
Venis,  Vicar.  Africae  454.  456. 
Victor  von  Rom  78.  201.  205.  212f.  226. 

266.  370.  378.  381.  431. 
Victorin  von  Pettau  128f.  252.  274.  408. 

410.  426-432.  433.  445.  448. 
Victorin,  Dichter  442.  447  f. 
Vipilius  390  ff. 


Vitalie,  Bischof  von  Antiochien  160. 
Vulgat«  205. 


Xenon  149. 

Xystus  I.,  röm.  Bischof  126.  191. 

Xystus  IL,  röm.  Bischof  60 ff.  190.  301 

387  ff.  399.  411.  553. 
Xystns  8.  Sextus-Sprnche. 


Zacharias- Apokryphen  178  f. 

Zakchäus  197. 

Zauberformel,  christliche  182. 

Zebinns,  antiochenischer  Bischof  133. 

Zenobia  136. 

ZenophiluB  457. 

Zephyrin,  römischer  Bischof  29. 172. 2ol. 

203.  205  ff.  218.  501. 
Zoroaster,  Apokalypse  41.^. 
Zostrianus,  Apokalypse  413. 


Dnirk  von  August  Pries  in  Leipzig. 


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